05.02.2013 Aufrufe

HANDBUCH SAFETY INTEGRITY LEVEL - Pepperl+Fuchs

HANDBUCH SAFETY INTEGRITY LEVEL - Pepperl+Fuchs

HANDBUCH SAFETY INTEGRITY LEVEL - Pepperl+Fuchs

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

��������<br />

��������<br />

����������������������<br />

�����������������<br />

�����������������<br />

���������������


Es gelten die Allgemeinen Lieferbedingungen für Erzeugnisse und Leistungen der Elektroindustrie,<br />

herausgegeben vom Zentralverband Elektrotechnik und Elektroindustrie (ZVEI) e.V.<br />

in ihrer neuesten Fassung sowie die Ergänzungsklausel: „Erweiterter Eigentumsvorbehalt“.<br />

PROZESSAUTOMATION


Ausgabedatum 2007-10-04 180661<br />

Gliederung<br />

SIL-Handbuch<br />

Gliederung<br />

Dieses Handbuch enthält zwei in sich abgeschlossene Beiträge. Der erste Teil stellt<br />

eine Übersicht über die IEC/EN 61508 dar. Der zweite Teil basiert auf dem<br />

Manuskript eines Vortrages, das im Rahmen von Seminaren durch den Autor verwendet<br />

wird. Dadurch sind inhaltliche Wiederholungen einzelner Passagen nicht<br />

auszuschließen.<br />

Es ist nicht das Ziel der Autoren, Auszüge aus Normen komplett wiederzugeben,<br />

sondern dem Sinn nach. Erforderlichenfalls ist die Norm zu Grunde zu legen.<br />

Autoren:<br />

Andy Ingrey (Teil 1, Abschnitt 2 bis Abschnitt 5)<br />

Patrick Lerévérend (Teil 2, Abschnitt 6 bis Abschnitt 9)<br />

Dr. Andreas Hildebrandt (Teil 2, Abschnitt 10 und Abschnitt 11)<br />

1


2<br />

SIL-Handbuch<br />

Inhaltsverzeichnis<br />

1 Einleitung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4<br />

1.1 Sicherheitstechnische Systeme nach IEC/EN 61508 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4<br />

1.2 Einführung in die sicherheitstechnischen Systeme. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4<br />

1.3 Verwendete Symbole . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5<br />

1.4 Verwendete Begriffe und Abkürzungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5<br />

2 Der Sicherheitslebenszyklus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7<br />

2.1 Konzept des Sicherheitslebenszyklus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7<br />

2.2 Risiken und ihre Minderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11<br />

3 Der Sicherheits-Integritätslevel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13<br />

3.1 Die Ausfallwahrscheinlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13<br />

3.2 Die Systemstruktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14<br />

4 Die Versagenswahrscheinlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17<br />

4.1 Überblick. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17<br />

4.2 Beispiel für ein sicherheitstechnisches System. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18<br />

5 Zusammenfassung des ersten Teils des SIL-Handbuches. . . . . . . . 21<br />

6 Verifizieren des Sicherheits-Integritätslevels. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22<br />

6.1 Was ist SIL? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22<br />

6.2 Beispiel Eingangsteilsystem mit zwei Komponenten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23<br />

6.3 Fehlertoleranz der Hardware (IEC/EN 61508, Teil 2) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26<br />

6.4 SIL-Beschränkung aufgrund von Architektureinschränkungen<br />

(IEC/EN 61508, Teil 2). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26<br />

7 Andere Strukturen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28<br />

7.1 MooN-Systeme (IEC/EN 61508, Teil 6) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28<br />

7.2 Zwei Eingangsteilsysteme aus obigem Beispiel als redundantes<br />

Eingangsteilsystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28<br />

7.3 Fehler gemeinsamer Ursachen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30<br />

8 Die Bewertung „betriebsbewährt“ (Proven in Use,<br />

IEC/EN 61508, Teil 2). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32<br />

Ausgabedatum 2007-10-04 180661


Ausgabedatum 2007-10-04 180661<br />

SIL-Handbuch<br />

Inhaltsverzeichnis<br />

9 Wie liest man einen SIL-Produktbericht? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33<br />

10 Glossar/Formelsammlung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34<br />

10.1 Ausfallrate λ(t) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34<br />

10.2 Konstante Ausfallrate λ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35<br />

10.3 Ausfallwahrscheinlichkeit F(t) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35<br />

10.4 Wahrscheinlichkeits-Dichtefunktion f(t) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36<br />

10.5 Zuverlässigkeitsfunktion R(t) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36<br />

10.6 Mittlere Lebensdauer MTTF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37<br />

10.7 Mittlere Ausfallwahrscheinlichkeit der Funktion im Anforderungsfall PFD<br />

(Probability of Failure on Demand) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37<br />

10.8 PFD-Berechnung bei mehrkanaligen MooN-Strukturen (M out of N) . . . . . . . . . . 38<br />

11 Literaturverzeichnis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39<br />

3


4<br />

SIL-Handbuch<br />

Einleitung<br />

1 Einleitung<br />

1.1 Sicherheitstechnische Systeme nach IEC/EN 61508<br />

Die internationale Norm IEC/EN 61508 wurde weltweit als Basis für Spezifikation,<br />

Entwurf und Betrieb von sicherheitstechnischen Systemen (Safety Instrumented<br />

Systems, SIS) angenommen.<br />

Die IEC/EN 61508 als Grundnorm verwendet einen auf der Risikobewertung basierenden<br />

Ansatz:<br />

Es wird eine Abschätzung des Risikos vorgenommen und anhand dessen der sich<br />

ergebende, notwendige Sicherheits-Integritätslevel (SIL) für Komponenten und<br />

Systeme mit Sicherheitsaufgaben ermittelt.<br />

SIL-bewertete Komponenten und Systeme sollen das vorhandene Risiko einer Einrichtung<br />

auf ein vertretbares Maß, auf das „tolerierbare Risiko“ reduzieren.<br />

1.2 Einführung in die sicherheitstechnischen Systeme<br />

Das vorliegende Dokument beschreibt einige der Aspekte, die sich aus den vor kurzem<br />

für sicherheitstechnische Systeme – und hier speziell für die sicherheitstechnischen<br />

Systeme in der Prozessindustrie – veröffentlichten Normen ergeben und der<br />

Frage, wie sich diese auf die Spezifikationen für Sensoren und Interfacebausteine<br />

zur Signalübertragung auswirken.<br />

Zur Sicherheit in der Prozessindustrie existieren bereits eine ganze Reihe von nationalen,<br />

Industrie- sowie unternehmensspezifischen Normen, wie<br />

IEC/EN 61511 (Anwender)<br />

ISA S84.01 (USA) (Anwender)<br />

IEC/EN 61508 (Produkthersteller),<br />

die von den Prozess-Planern und Betreibern zu implementieren und zu beachten<br />

sind. Diese gelten zusätzlich zu allen anderen relevanten Richtlinien wie zum Beispiel<br />

Gesundheit, Energie, Abfallentsorgung, Maschinen etc.<br />

Begriffe wie Sicherheitslebenszyklus, Unfallrisiko, Anteil ungefährlicher Ausfälle,<br />

Ausfallwahrscheinlichkeit der Funktion im Anforderungsfall, Sicherheits-Integritätslevel<br />

und andere müssen verstanden und im passenden Kontext verwendet werden.<br />

Es ist nicht das Ziel dieses Dokumentes, alle technischen Details oder Bedeutungen<br />

dieser Normen zu erläutern. Der Teil 1 (Abschnitt 2 bis Abschnitt 4) soll vielmehr<br />

einen Überblick über die in den Normen enthaltenen Aspekte geben, um all<br />

denjenigen ein allgemeines Verständnis der Normen zu vermitteln, die<br />

mit der Definition oder dem Aufbau von Anlagen und Systemen mit Sicherheitsbezug<br />

zu tun haben,<br />

Geräte für den Einsatz in einer Sicherheitsanwendung benötigen oder<br />

sich einfach über die IEC/EN 61508 informieren möchten.<br />

Personen, die unmittelbar für Spezifikation, Entwurf, Installation, Betrieb und<br />

Instandhaltung von elektronischen oder programmierbaren Systemen mit Sicherheitsbezug<br />

verantwortlich sind, verweisen wir auf Teil 2 (Abschnitt 6 bis<br />

Abschnitt 10) bzw. auf die Normen selbst.<br />

Ausgabedatum 2007-10-04 180661


Ausgabedatum 2007-10-04 180661<br />

SIL-Handbuch<br />

Einleitung<br />

1.3 Verwendete Symbole<br />

Achtung<br />

Hinweis<br />

Dieses Zeichen warnt vor einer möglichen Gefahr.<br />

1.4 Verwendete Begriffe und Abkürzungen<br />

Dieses Zeichen macht auf wichtige Informationen aufmerksam.<br />

Begriff Beschreibung<br />

Average Probability of Failure on Demand<br />

(PFDavg )<br />

mittlere Ausfallwahrscheinlichkeit der Funktion im Anforderungsfall<br />

Cumulative Distribution Function (CDF) (kumulative Verteilungsfunktion) stellt die kumulierte<br />

Wahrscheinlichkeit eines zufälligen Komponentenausfalls dar<br />

elektrische/elektronische/<br />

Ein Begriff, der verwendet wird, um alle elektrischen Geräte oder<br />

programmierbare elektronische Systeme Systeme zu erfassen, die zur Durchführung einer<br />

(E/E/PES)<br />

sicherheitstechnischen Funktion verwendet werden können. Er<br />

beinhaltet somit einfache elektrische Geräte und<br />

speicherprogrammierbare Steuerungen (SPS) jeder Art.<br />

Equipment under control (EUC) sinngemäß: gesteuerte Einrichtung<br />

Einrichtung, Maschine, Apparat oder Anlage, verwendet zur<br />

Fertigung, Stoffumformung, zum Transport aber auch zu<br />

medizinischen oder anderen Tätigkeiten.<br />

ETA Event Tree Analysis<br />

Hardware failure tolerance (HFT) Fehlertoleranz der Hardware<br />

FME(C)A Failure Mode Effect (and Criticality) Analysis<br />

FMEDA Failure Mode Effect and Diagnostics Analysis<br />

FIT Failures In Time, Ausfallrate<br />

FTA Fault Tree Analysis<br />

Gefährlicher Vorfall Gefährdungssituation, die zu einem Schaden führt<br />

HAZOP HAZard and OPerability study<br />

IEC/EN 61508 Norm zur funktionalen Sicherheit sicherheitstechnischer<br />

elektrischer/elektronischer/programmierbarer elektronischer<br />

Systeme<br />

IEC/EN 61511 Norm zur funktionalen Sicherheit: sicherheitstechnische Systeme<br />

für die Prozessindustrie<br />

Low Demand Mode (LDM) Betriebsart mit niedriger Anforderungsrate<br />

MooN M out of N, M aus N Kanälen<br />

Mean Time Between Failures (MTBF) erwartete mittlere Zeit zwischen Fehlern<br />

MTTF Mean Time To Failure, mittlere Lebensdauer<br />

MTTR Mean Time To Repair, mittlere Reparaturzeit<br />

Probability Density Function (PDF) Wahrscheinlichkeits-Dichtefunktion<br />

Probability of Failure on Demand (PFD) Mittlere Ausfallwahrscheinlichkeit der Funktion im Anforderungsfall<br />

– die Wahrscheinlichkeit, dass ein sicherheitstechnisches System<br />

seine Funktion im Bedarfsfall nicht ausführt.<br />

Probability of dangerous Failure per Hour<br />

(PFH)<br />

Wahrscheinlichkeit eines Gefahr bringenden Ausfalls pro Stunde<br />

Reliability Zuverlässigkeit<br />

Risiko Kombination aus der Wahrscheinlichkeit, mit der ein Schaden<br />

auftritt, und dem Ausmaß dieses Schadens, berechnet als das<br />

Produkt aus Häufigkeit und Ausmaß des Schadens.<br />

5


6<br />

SIL-Handbuch<br />

Einleitung<br />

Begriff Beschreibung<br />

Safe Failure Fraction (SFF) Anteil ungefährlicher Ausfälle – das Verhältnis der Rate der sicheren<br />

Fehler plus der Rate der diagnostizierten/erkannten Fehler in Bezug<br />

zur gesamten Ausfallrate des Systems.<br />

Safety Instrumented Function (SIF) sicherheitstechnische Funktion<br />

Safety Instrumented System (SIS) Ein SIS (sicherheitstechnisches System) besteht aus einer oder<br />

mehreren sicherheitstechnischen Funktionen; für jede dieser<br />

sicherheitstechnischen Funktionen gilt eine SIL-Anforderung.<br />

Safety Integrity Level (SIL) (Sicherheits-Integritätslevel) Eine von vier diskreten Stufen zur<br />

Spezifizierung der Anforderungen für die Sicherheitsintegrität der<br />

sicherheitstechnischen Funktionen, die dem E/E/PEsicherheitstechnischen<br />

System zugeordnet werden, wobei der<br />

Sicherheits-Integritätslevel 4 die höchste Stufe und der Sicherheits-<br />

Integritätslevel 1 die niedrigste Stufe der Sicherheitsintegrität<br />

darstellt.<br />

Safety Life Cycle (SLC) (Sicherheitslebenszyklus) Deckt alle Aspekte der Sicherheit ab,<br />

einschließlich anfänglicher Konzeption, Entwurf, Durchführung,<br />

Installation, Inbetriebsetzung, Validierung, Instandhaltung und<br />

Außerbetriebsetzung der Risiko reduzierenden Maßnahmen.<br />

Sicherheit Freiheit von unvertretbaren Risiken, die – entweder direkt oder<br />

indirekt als Ergebnis eines Sachschadens oder einer Schädigung<br />

der Umwelt – Körperverletzung oder Gesundheitsschäden<br />

hervorrufen.<br />

Sicherheitstechnische Funktion Funktion, die von einem E/E/PE-sicherheitstechnischen System,<br />

einem sicherheitstechnischen System anderer Technologie oder<br />

externen Einrichtungen zur Risikominderung ausgeführt wird mit<br />

dem Ziel, unter Berücksichtigung eines festgelegten gefährlichen<br />

Vorfalls einen sicheren Zustand für die EUC zu erreichen oder<br />

aufrechtzuerhalten.<br />

Tolerierbares Risiko Risiko, das basierend auf den aktuellen gesellschaftlichen<br />

Wertvorstellungen in einem gegebenen Zusammenhang tragbar ist.<br />

Ausgabedatum 2007-10-04 180661


Ausgabedatum 2007-10-04 180661<br />

SIL-Handbuch<br />

Der Sicherheitslebenszyklus<br />

2 Der Sicherheitslebenszyklus<br />

2.1 Konzept des Sicherheitslebenszyklus<br />

Entwicklung<br />

neuer Hardware<br />

IEC/EN 61508<br />

beachten<br />

Hinweis<br />

PROZESSINDUSTRIE<br />

HARDWARE<br />

Verwendung<br />

von bewährter<br />

Hardware<br />

("PROVEN<br />

IN USE")<br />

IEC/EN 61511<br />

beachten<br />

In der Praxis kommt es ausgesprochen selten vor, dass ein Sicherheitsaspekt –<br />

gleichgültig in welchem Bereich – ausschließlich von einem Faktor oder nur von<br />

einem Ausrüstungsteil abhängig gemacht werden kann.<br />

Daher enthalten die hier erläuterten Normen IEC/EN 61511 und IEC/EN 61508<br />

einen Gesamtansatz zur Ermittlung und Realisierung der Sicherheit in einer industriellen<br />

Anlage. Durch diesen Ansatz, der auch das Konzept eines Sicherheitslebenszyklus<br />

(SLC) umfasst, wird der Anwender angeleitet, alle erforderlichen<br />

Phasen des Lebenszyklus zu beachten. So wird sichergestellt, dass alle Aspekte<br />

beachtet und zur Beurteilung vollständig dokumentiert werden, damit die Anforderungen<br />

der Norm erfüllt werden.<br />

Im Wesentlichen bilden die Normen das Rahmenwerk und die Anleitung zur<br />

Anwendung des gesamten Sicherheitslebenszyklus, wobei sie alle Aspekte der<br />

Sicherheit einschließlich des anfänglichen Konzeptes wie auch Entwurf, Durchführung,<br />

Installation, Inbetriebsetzung, Validierung, Instandhaltung und Außerbetriebnahme<br />

abdecken. Durch die Tatsache, dass „Sicherheit“ und „Lebensdauer“<br />

Schlüsselelemente in den Normen darstellen, sollten Ziel und Geltungsbereich der<br />

Dokumente noch verstärkt werden.<br />

Was die Prozessindustrie anbelangt, so stellt die Norm IEC/EN 61511 eine relevante<br />

Anleitung für den Anwender einschließlich der Aspekte dar, welche die Hardware<br />

und die Software von sicherheitstechnischen Systemen betreffen<br />

(siehe Bild 2.1).<br />

Bitte beachten Sie die enge Verbindung zwischen den Normen IEC/EN 61511 und<br />

IEC/EN 61508.<br />

Um die Strategien dieser Normen im Rahmen der Anforderungen an die gesamte<br />

Sicherheit umzusetzen, verwenden Anlagenbediener und Planer von sicherheitstechnischen<br />

Systemen gemäß den Vorschriften der IEC/EN 61511 solche Geräte,<br />

die nach IEC/EN 61508 entwickelt und validiert wurden. So wird ein sicherheitstechnisches<br />

Systems (SIS) aufgebaut.<br />

Verwendung von<br />

gemäß<br />

IEC/EN 61508<br />

entwickelter und<br />

validierter<br />

Hardware<br />

IEC/EN 61511<br />

beachten<br />

PROZESSINDUSTRIE<br />

SICHERHEITSSYSTEM<br />

STANDARD<br />

Bild 2.1 Normengeltungsbereiche<br />

Entwicklung<br />

von eingebetteter<br />

(System-) Software<br />

IEC/EN 61508-3<br />

beachten<br />

PROZESSINDUSTRIE<br />

SOFTWARE<br />

Entwicklung<br />

von Anwendungs-<br />

Software<br />

mit Hilfe von<br />

vollständig<br />

variablen<br />

Sprachen<br />

IEC/EN 61508-3<br />

beachten<br />

Entwicklung<br />

von Anwendungs-<br />

Software<br />

mit Hilfe von<br />

begrenzt variablen<br />

Sprachen oder<br />

fixen Programmen<br />

IEC/EN 61511<br />

beachten<br />

7


8<br />

SIL-Handbuch<br />

Der Sicherheitslebenszyklus<br />

Planung insgesamt<br />

6<br />

Planung<br />

von Betrieb<br />

7<br />

Planung<br />

der<br />

8<br />

Planung<br />

der<br />

und Validierung gesamten<br />

Instand-<br />

der Installation<br />

haltung gesamten und Inbe-<br />

insgesamt Sicherheit triebsetzung<br />

Die Norm IEC/EN 61508 behandelt insbesondere die „Funktionale Sicherheit elektrischer/elektronischer/programmierbarer<br />

elektronischer sicherheitstechnischer<br />

Systeme“. Für einen Hersteller von Sensoren und Interface-Bausteinen für Prozessanlagen,<br />

zu denen auch <strong>Pepperl+Fuchs</strong> zählt, besteht die Aufgabe darin,<br />

Geräte entsprechend den Anforderungen der IEC/EN 61508 zu entwickeln und zu<br />

validieren, sowie die relevanten Informationen dem Anwender zur Verfügung zu<br />

stellen, damit er diese Geräte in seinen SIS-Systemen integrieren kann.<br />

Der Sicherheitslebenszyklus umfasst, wie im Bild 2.2 dargestellt, eine Reihe von<br />

Schritten und Maßnahmen, die beachtet und implementiert werden müssen.<br />

1<br />

2<br />

3<br />

4<br />

5<br />

12<br />

13<br />

Betrieb, Instandhaltung<br />

14 15<br />

und Wartung insgesamt<br />

16<br />

Konzept<br />

Definition des gesamten<br />

Geltungsbereichs<br />

Gefahren- und<br />

Risikoanalyse<br />

Anforderungen an die<br />

gesamte Sicherheit<br />

Zuordnung der<br />

Sicherheitsanforderungen<br />

9<br />

Sicherheitsbezogene<br />

Systeme: E/E/PES<br />

10<br />

Sicherheitsbezogene<br />

11<br />

Externe<br />

Einrichtungen<br />

Systeme:<br />

zur<br />

Realisierung<br />

andere<br />

Risiko-<br />

(siehe E/E/PES<br />

Safety Life Cycle)<br />

Technologien<br />

minderung<br />

Realisierung<br />

Realisierung<br />

Installation und<br />

Inbetriebsetzung insgesamt<br />

Validierung der<br />

gesamten Sicherheit<br />

Außerbetriebsetzung<br />

oder Entsorgung<br />

Bild 2.2 Phasen des Sicherheitslebenszyklus<br />

zurück zur geeigneten<br />

Phase des gesamten<br />

Sicherheitslebenszyklus<br />

Abänderung und<br />

Nachrüstung insgesamt<br />

Ausgabedatum 2007-10-04 180661


Ausgabedatum 2007-10-04 180661<br />

SIL-Handbuch<br />

Der Sicherheitslebenszyklus<br />

In die verschiedenen Phasen oder Schritte des Sicherheitslebenszyklus können<br />

unterschiedliche Mitarbeiter, Gruppen oder sogar Unternehmen einbezogen sein,<br />

um die spezifischen Aufgaben auszuführen. So können die einzelnen Schritte auch<br />

zu Gruppen zusammengefasst und die verschiedenen Verantwortlichkeiten wie<br />

unten dargestellt aufgefasst werden.<br />

analytische Maßnahmen Die ersten fünf Schritte können als eine analytische Maßnahmengruppe verstanden<br />

werden:<br />

1. Konzept<br />

2. Definition des gesamten Geltungsbereichs<br />

3. Gefahren- und Risikoanalyse<br />

4. Anforderungen an die gesamte Sicherheit<br />

5. Zuordnung der Sicherheitsanforderungen<br />

Diese Schritte werden wahrscheinlich in Zusammenarbeit mit spezialisierten Beratern<br />

der Anlagenbetreiber oder Endanwender ausgeführt. Die sich daraus ergebenden<br />

Gesamtdefinitionen und -anforderungen dienen als Vorgabe für die nächsten<br />

Maßnahmenstufen.<br />

Maßnahmen zur<br />

Implementierung<br />

Die zweite Gruppe enthält die Maßnahmen zur Implementierung oder Realisierung<br />

und umfasst weitere acht Schritte:<br />

6. Planung von Betrieb und Instandhaltung<br />

7. Planung der Validierung<br />

8. Planung von Installation und Inbetriebsetzung<br />

9. Sicherheitstechnische Systeme:<br />

Realisierung von elektrischen/elektronischen/programmierbaren elektronischen<br />

Systemen (E/E/PES) (näher erläutert in Bild 2.3)<br />

10. Sicherheitstechnische Systeme:<br />

Realisierung von sicherheitstechnischen Systemen anderer Technologien<br />

11. Realisierung von externen Einrichtungen zur Risikominderung (External Risk<br />

Reduction Facilities)<br />

12. Installation und Inbetriebsetzung insgesamt<br />

13. Validierung der gesamten Sicherheit<br />

Diese Schritte werden vom Anlagenbetreiber zusammen mit ausgewählten Dienstleistern<br />

und Gerätelieferanten ausgeführt. Es lässt sich auf einen Blick feststellen,<br />

dass jeder dieser einzelnen Schritte zwar eine einfach klingende Bezeichnung hat,<br />

die Ausführung dieser Aufgaben jedoch komplex und zeitaufwändig sein kann!<br />

Betrieb des Prozesses Bei der dritten Gruppe handelt es sich im Wesentlichen um den Betrieb des Prozesses<br />

mit effektiven Sicherheitsvorrichtungen. Diese Gruppe beinhaltet die drei<br />

letzten Schritte:<br />

14. Betrieb und Instandhaltung insgesamt<br />

15. Abänderung und Nachrüsten insgesamt<br />

16. Außerbetriebsetzung<br />

Diese Schritte werden normalerweise vom Anlagenbetreiber ausgeführt.<br />

In diesem Dokument möchten wir uns nur mit einem speziellen Schritt des gesamten<br />

Sicherheitslebenszyklus näher beschäftigen. Mit Schritt 9, in dem es um die<br />

Aspekte elektrischer/elektronischer und programmierbar elektronischer Systeme<br />

(E/E/PES) geht.<br />

Die IEC/EN 61508 führt bei der Implementierung der Sicherheitslebenszyklus-<br />

Schritte die Punkte auf, die bei Sicherheitsanalysen und bei Verwendung von<br />

E/E/PES für sicherheitstechnische Funktionen beachtet werden müssen.<br />

9


10<br />

SIL-Handbuch<br />

Der Sicherheitslebenszyklus<br />

Feld 9 in Bild 2.2<br />

IEC/EN 61508, Teil 1<br />

9<br />

Sicherheitsbezogene<br />

Systeme:<br />

E/E/PES<br />

Realisierung<br />

Hinweis<br />

9.2<br />

Nähere Einzelheiten zum Sicherheitslebenszyklus für ein E/E/PE-System enthält<br />

das Bild 2.3. Bereits bei diesem Überblick lässt sich erkennen, dass die Vollständigkeit<br />

sowie der Betrieb der sicherheitstechnischen Systeme bereits in die Phase<br />

der Spezifikation eingeschlossen sind. Wir werden noch auf diesen Punkt zurückkommen.<br />

Sicherheitslebenszyklus der E/E/PES<br />

9.1<br />

9.1.1 9.1.2<br />

Planung der<br />

Validierung der Sicherheit<br />

von E/E/PES<br />

ein E/E/PES-Sicherheitslebenszyklus<br />

für jedes sicherheits-<br />

bezogene E/E/PE-System<br />

Spezifikation der Sicherheitsanforderungen<br />

an E/E/PES<br />

Spezifikation der<br />

Anforderungen<br />

an Sicherheitsfunktionen<br />

9.3<br />

9.4<br />

9.6<br />

Spezifikation der<br />

Anforderungen<br />

an die Sicherheitsintegrität<br />

Entwurf der<br />

Entwicklung<br />

von E/E/PES<br />

Integration<br />

der E/E/PES<br />

Validierung der<br />

Sicherheit der E/E/PES<br />

zu Feld 12 in Bild 2.2<br />

IEC/EN 61508, Teil 1<br />

Bild 2.3 Sicherheitslebenszyklus für ein E/E/PE-System<br />

Es handelt sich im Wesentlichen um zwei Gruppen oder Typen von Teilsystemen,<br />

die in der Norm behandelt werden:<br />

Das Equipment under Control (EUC). Die EUC führt die erforderliche Prozessaktivität<br />

aus<br />

Die Funktionen, die erforderlich sind, um die Sicherheit der EUC zu gewährleisten<br />

sind im Leit- und im Schutzsystem der EUC implementiert.<br />

Hauptsächlich besteht hier das Ziel darin, einen sicheren Zustand der EUC zu erreichen<br />

oder beizubehalten.<br />

Das „Leitsystem“ kann als dasjenige System gesehen werden, das den<br />

gewünschten Betrieb der EUC steuert, während das „Schutzsystem“ auf ein unerwünschtes<br />

Verhalten der EUC reagiert.<br />

Mit anderen Worten: Es ist nicht immer notwendig, dass alle sicherheitstechnischen<br />

Funktionen von einem separaten Schutzsystem ausgeführt werden.<br />

9.5<br />

E/E/PES-Betrieb und<br />

Instandhaltungsprozeduren<br />

Feld 14 in Bild 2.2<br />

IEC/EN 61508, Teil 1<br />

Beachten Sie bitte, dass es je nach den implementierten Strategien zur Risikominderung<br />

vorkommen kann, dass einige der Steuerungsfunktionen als sicherheitstechnische<br />

Funktionen verwendet werden.<br />

Ausgabedatum 2007-10-04 180661


Ausgabedatum 2007-10-04 180661<br />

SIL-Handbuch<br />

Der Sicherheitslebenszyklus<br />

2.2 Risiken und ihre Minderung<br />

Hinweis<br />

Hinweis<br />

Wenn die Gefahrenanalyse ergibt, dass die Risiken, die durch die EUC hervorgerufen<br />

werden, nicht tolerierbar sind, dann muss ein Weg gefunden werden, die Risiken<br />

auf ein tolerierbares Niveau (siehe Abschnitt 2.2) zu reduzieren.<br />

In einigen Fällen kann die EUC oder das Leitsystem möglicherweise modifiziert<br />

werden, um die erforderliche Risikominderung zu erreichen, in anderen Fällen werden<br />

Schutzsysteme notwendig sein. Bei diesen Schutzsystemen handelt es sich um<br />

sicherheitstechnische Systeme, deren spezifischer Zweck darin besteht, die Auswirkungen<br />

eines gefährlichen Vorfalls zu mildern oder die Wahrscheinlichkeit des<br />

Eintretens dieses Vorfalles zu vermindern.<br />

Eine Phase des Sicherheitslebenszyklus ist die Analyse der Gefährdungen und der<br />

Risiken, die sich aus der EUC ergeben. In den Normen wird ein Risiko definiert als:<br />

Kombination aus:<br />

der Wahrscheinlichkeit mit der eine Schaden verursachende Gefährdung (Unfall)<br />

auftritt und<br />

dem Ausmaß des Schadens<br />

Somit kann das Risiko als Produkt aus „Häufigkeit eines gefährlichen Vorfalls“ und<br />

dem „Ausmaß der Gefährdung“ verstanden werden. Im Rahmen der Risikoanalyse<br />

sind die Folgen eines Unfalls oftmals implizit in der Beschreibung des Unfalls enthalten.<br />

Wenn nicht, sollten diese explizit bei der Gefährdungs- und Risikoanalyse<br />

erwähnt werden.<br />

Weltweit wird eine Vielzahl von Methoden zur Gefährdungs- und Risikoanalyse verwendet.<br />

Die beiden Normen IEC/EN 61511 und IEC/EN 61508 geben einen Überblick<br />

darüber. Zu diesen Methoden zählen Techniken wie z. B.<br />

HAZOP HAZard and OPerability study<br />

FME(C)A Failure Mode Effect (and Criticality) Analysis<br />

FMEDA Failure Mode Effect and Diagnostics Analysis<br />

ETA Event Tree Analysis<br />

FTA Fault Tree Analysis<br />

sowie weitere Studien, Checklisten, Tabellen- und Rastermethoden.<br />

Dieser Schritt, in dem eine klare Identifizierung der Gefährdungen und eine Analyse<br />

des Risikos vorgenommen wird, ist in der Durchführung am schwierigsten,<br />

besonders, wenn es sich bei dem untersuchten Prozess um einen neuen oder<br />

innovativen Prozess handelt für den noch keine Erfahrungswerte vorliegen.<br />

Liegt eine Historie der Anlagenbetriebsdaten vor, oder existieren industriespezifische<br />

Methoden oder Richtlinien, kann die Analyse zwar leichter strukturiert werden,<br />

ist jedoch noch immer sehr komplex.<br />

Die Normen beinhalten das Prinzip, die sich aus der EUC ergebenden Risiken<br />

(d. h. Folgen und Wahrscheinlichkeit von gefährlichen Vorfällen) durch relevante<br />

abhängige sicherheitstechnische Funktionen auszugleichen. Dieser Ausgleich<br />

schließt den Aspekt der Tolerierbarkeit des Risikos ein. So kann z. B. das absehbare<br />

Eintreten einer Gefährdung, deren Konsequenz vernachlässigbar ist, als tolerierbar<br />

angesehen werden, während selbst die sehr geringe<br />

Eintrittswahrscheinlichkeit einer Katastrophe ein untragbares Risiko darstellt.<br />

Wenn, um den erforderlichen Sicherheitsgrad zu erreichen, die mit der EUC<br />

zusammenhängenden Risiken nach den festgelegten Kriterien nicht toleriert werden<br />

können, müssen sicherheitstechnische Funktionen zur Minderung des Risikos<br />

implementiert werden.<br />

11


12<br />

SIL-Handbuch<br />

Der Sicherheitslebenszyklus<br />

Restrisiko tolerierbares<br />

EUC-<br />

Risiko<br />

Risiko<br />

durch andere<br />

Technologien<br />

abgedecktes<br />

Teilrisiko<br />

notwendige Risikominderung<br />

tatsächliche Risikominderung<br />

Durch die Sicherheitssyteme und z. B. organisationsspezifische Maßnahmen<br />

erreichte Risikominderung<br />

durch elektronische<br />

und elektrische<br />

Sicherheitssysteme<br />

abgedecktes<br />

Teilrisiko<br />

durch externe<br />

Einrichtungen<br />

und Maßnahmen<br />

abgedecktes<br />

Teilrisiko<br />

Bild 2.4 Verhältnis von Restrisiko zu tolerierbarem Risiko<br />

ansteigendes<br />

Risiko<br />

Ziel ist es, sicherzustellen, dass das verbleibende Restrisiko – die Wahrscheinlichkeit,<br />

dass trotz der Schutzmaßnahmen ein gefährlicher Vorfall eintreten kann – kleiner<br />

oder gleich dem tolerierbaren Risiko ist.<br />

Bild 2.4 veranschaulicht dies, wobei das Risiko, das durch die EUC entsteht, durch<br />

eine „notwendige Risikominderung“ auf ein tolerierbares Niveau reduziert wird. Die<br />

Risikominderung kann durch eine Kombination verschiedener Komponenten<br />

erreicht werden, statt nur von einem sicherheitstechnischen System abzuhängen,<br />

und kann auch organisatorische Maßnahmen umfassen.<br />

Die Wirkung dieser Maßnahmen und Systeme zur Risikominderung muss darin<br />

bestehen, eine „tatsächliche Risikominderung“ zu erreichen, die größer oder gleich<br />

der notwendigen Risikominderung ist.<br />

Ausgabedatum 2007-10-04 180661


Ausgabedatum 2007-10-04 180661<br />

SIL-Handbuch<br />

Der Sicherheits-Integritätslevel (SIL)<br />

3 Der Sicherheits-Integritätslevel (SIL)<br />

3.1 Die Ausfallwahrscheinlichkeit<br />

Nach erfolgter Gefährdungs- und Risikoanalyse ergibt sich die Notwendigkeit einer<br />

Risikominderung, die im Sicherheitslebenszyklus als Ableitung von den Sicherheitsanforderungen<br />

identifiziert wird. In den Sicherheitsanforderungen mögen einige<br />

Gesamtmethoden und -mechanismen beschrieben sein, doch auch diese Anforderungen<br />

werden dann in spezifische sicherheitstechnische Funktionen aufgegliedert,<br />

um eine definierte Aufgabe zu erreichen.<br />

Neben der Zuordnung der gesamten Sicherheitsanforderungen zu spezifischen<br />

sicherheitstechnischen Funktionen ist ein Maß für die Zuverlässigkeit oder Integrität<br />

dieser sicherheitstechnischen Funktionen erforderlich.<br />

Wie weit kann man darauf vertrauen, dass eine sicherheitstechnische Einrichtung<br />

die korrekte Funktion erbringt, falls sie benötigt wird?<br />

Dieses Maß ist in Stufen untergliedert und mit SIL (Sicherheits-Integritätslevel)<br />

benannt. Noch präziser lässt sich die Sicherheitsintegrität eines Systems definieren<br />

als<br />

„die Wahrscheinlichkeit, dass ein sicherheitstechnisches System die erforderliche<br />

sicherheitstechnische Funktion unter allen festgelegten Bedingungen<br />

innerhalb eines festgelegten Zeitraumes ausführt.“<br />

Somit umfasst die Spezifikation der sicherheitstechnischen Funktion ebenso die<br />

Maßnahmen, die als Reaktion auf das Vorliegen bestimmter Bedingungen zu<br />

ergreifen sind, sowie die Zeit, die für diese Reaktion benötigt wird. SIL gilt als Maß<br />

für die Zuverlässigkeit der sicherheitstechnischen Funktion, die gemäß der Spezifikation<br />

arbeitet.<br />

Es wird auf die Wahrscheinlichkeit des gefährlichen Versagens – im Grunde der<br />

Kehrwert der SIL-Definition – statt auf die Wahrscheinlichkeit der ordnungsgemäßen<br />

Funktion oder des ungefährlichen Ausfalls geachtet.<br />

Es ist einfacher, die möglichen Bedingungen und Ursachen, die zum Ausfall oder<br />

Versagen einer sicherheitstechnischen Funktion führen, zu identifizieren und zu<br />

quantifizieren, als die gewünschte Aktion einer aufgerufenen sicherheitstechnischen<br />

Funktion zu garantieren.<br />

Je nach dem Dienst, den die sicherheitstechnische Funktion leistet, werden zwei<br />

Klassen von SIL identifiziert.<br />

Für sicherheitstechnische Funktionen, die bei Bedarf (auf Anforderung) aktiviert<br />

werden, wird hier die Ausfallwahrscheinlichkeit der Funktion im Anforderungsfall<br />

angegeben (Low Demand Mode).<br />

Für sicherheitstechnische Funktionen, die kontinuierlich aktiv sind, wird hier die<br />

Wahrscheinlichkeit eines Gefahr bringenden Ausfalls innerhalb einer vorgegebenen<br />

Zeitspanne (pro Stunde) angegeben (Continuous Mode).<br />

Zusammengefasst verlangt die IEC/EN 61508, dass die Sicherheitsintegrität als<br />

Sicherheits-Integritätslevel (SIL) angegeben werden muss, wenn sicherheitstechnische<br />

Funktionen von einem E/E/PES ausgeführt werden sollen. Die Ausfallwahrscheinlichkeiten<br />

sind für vier Sicherheits-Integritätslevel festgelegt<br />

(siehe Tabelle 3.1).<br />

13


14<br />

SIL-Handbuch<br />

Der Sicherheits-Integritätslevel (SIL)<br />

Hinweis<br />

3.2 Die Systemstruktur<br />

Sicherheits-<br />

Integritätslevel<br />

(SIL)<br />

Tabelle 3.1 Ausfallwahrscheinlichkeit<br />

Versagenswahrscheinlichkeit<br />

Betriebsart mit niedriger<br />

Anforderungsrate<br />

(mittlere Versagenswahrscheinlichkeit<br />

der Funktion im Anforderungsfall)<br />

4 ≥ 10 -5 bis < 10 -4<br />

3 ≥ 10 -4 bis < 10 -3<br />

2 ≥ 10 -3 bis < 10 -2<br />

1 ≥ 10 -2 bis < 10 -1<br />

3.2.1 Anteil ungefährlicher Ausfälle<br />

Der Anteil ungefährlicher Ausfälle (SFF) ist das Verhältnis der Rate der sicheren<br />

Fehler plus der Rate der erkannten Fehler zur gesamten Ausfallrate des Systems<br />

(siehe auch Abschnitt 6.2.3).<br />

Bei der Analyse der verschiedenen Ausfallzustände und Ausfallarten von Komponenten<br />

können diese kategorisiert und je nach ihrer Auswirkung auf die sicherheitstechnische<br />

Funktion zu Gruppen zusammengefasst werden.<br />

Definition Ausfallrate Folgende Begriffe werden verwendet:<br />

λsafe (ungefährlich) = Ausfallrate von Komponenten, die zu einem<br />

ungefährlichen Zustand führt<br />

λdangerous (Gefahr bringend) = Ausfallrate von Komponenten, die zu einem<br />

potenziell Gefahr bringenden Zustand führt.<br />

Diese Begriffe werden weiter unterteilt in „erkannt/offensichtlich“ (detected) und<br />

„unerkannt/verdeckt“ (undetected), um den Grad der Diagnosefähigkeit im Gerät<br />

widerzuspiegeln. Zum Beispiel:<br />

λdd = erkannte, Gefahr bringende Ausfälle<br />

(dangerous detected failure rate).<br />

λdu = unentdeckte, Gefahr bringende Ausfälle<br />

(dangerous undetected failure rate).<br />

Die Summe aller Ausfallraten der Komponenten wird wie folgt ausgedrückt:<br />

λtotal = λsafe + λdangerous Der Anteil ungefährlicher Ausfälle lässt sich wie folgt berechnen:<br />

SFF = 1-λ du /λ total<br />

Betriebsart mit kontinuierlicher<br />

Anforderungsrate<br />

(Wahrscheinlichkeit eines Gefahr bringenden<br />

Versagens pro Stunde)<br />

≥ 10-9 bis < 10-8 ≥ 10 -8 bis < 10 -7<br />

≥ 10 -7 bis < 10 -6<br />

≥ 10 -6 bis < 10 -5<br />

Wie beschrieben, werden die Schutzfunktionen als sicherheitstechnische Systeme<br />

bezeichnet, gleichgültig, ob sie innerhalb des Leitsystems oder als separates<br />

Schutzsystem ausgeführt werden. Wenn nach Analyse der Gefährdungen, die aus<br />

der EUC und ihrem Leitsystem entstehen, entschieden wird, dass keine sicherheitstechnischen<br />

Funktionen erforderlich sind, dann lautet eine der Anforderungen<br />

der IEC/EN 61508, dass die Wahrscheinlichkeit Gefahr bringender Ausfälle des<br />

EUC-Leitsystems unter den für SIL1 festgelegten Werten liegen darf.<br />

Ausgabedatum 2007-10-04 180661


Ausgabedatum 2007-10-04 180661<br />

SIL-Handbuch<br />

Der Sicherheits-Integritätslevel (SIL)<br />

3.2.2 Fehlertoleranz der Hardware<br />

Eine weitere Unterteilung bei der Zuordnung von Anteil ungefährlicher Ausfälle und<br />

Sicherheits-Integritätslevel ergibt sich, wenn bei der Betrachtung der Sicherheitsintegrität<br />

der Hardware zwei Arten von Teilsystemen definiert werden.<br />

Teilsystem Typ A das Ausfallverhalten aller Komponenten ist gut definiert, und<br />

das Verhalten des Teilsystems unter Fehlerbedingungen kann vollständig ermittelt<br />

werden, und<br />

es liegen ausreichend abhängige Ausfalldaten aus dem Feldeinsatz vor, die zeigen,<br />

dass die angegebenen Ausfallraten für erkannte und unerkannte Gefahr<br />

bringende Ausfälle erfüllt sind.<br />

Anteil ungefährlicher<br />

Fehlertoleranz der Hardware (HFT)<br />

Ausfälle (SFF)<br />

0 1 2<br />

< 60 % SIL1 SIL2 SIL3<br />

60 % ... 90 % SIL2 SIL3 SIL4<br />

90 % ... 99 % SIL3 SIL4 SIL4<br />

> 99 % SIL3 SIL4 SIL4<br />

Tabelle 3.2 Sicherheitsintegrität der Hardware: Architektureinschränkungen für sicherheitstechnische<br />

Teilsysteme des Typs A (IEC/EN 61508, Teil 2)<br />

Teilsystem Typ B die Ausfallart mindestens einer Komponente ist nicht ausreichend definiert, oder<br />

das Verhalten des Teilsystems unter Fehlerbedingungen kann nicht vollständig<br />

ermittelt werden, oder<br />

für die Ausfallraten erkannter und unerkannter Gefahr bringender Ausfälle liegen<br />

aus dem Feldeinsatz nur unzureichende Daten vor.<br />

Hinweis<br />

Anteil ungefährlicher<br />

Fehlertoleranz der Hardware (HFT)<br />

Ausfälle (SFF)<br />

0 1 2<br />

< 60 % nicht erlaubt SIL1 SIL2<br />

60 % ... 90 % SIL1 SIL2 SIL3<br />

90 % ... 99 % SIL2 SIL3 SIL4<br />

> 99 % SIL3 SIL4 SIL4<br />

Tabelle 3.3 Sicherheitsintegrität der Hardware: Architektureinschränkungen für sicherheitstechnische<br />

Teilsysteme des Typs B (IEC/EN 61508, Teil 2)<br />

Diese Definitionen sind zusammen mit der Fehlertoleranz der Hardware Teil der<br />

„Architektureinschränkungen“ für die Sicherheitsintegrität der Hardware, wie sie in<br />

Tabelle 3.2 und Tabelle 3.3 aufgeführt sind.<br />

Auch wenn statistisch eine höhere Zuverlässigkeit für eines der Teilsysteme<br />

errechnet werden kann, wird die maximale SIL-Klasse, die beansprucht werden<br />

kann, trotzdem durch die „Sicherheitsintegrität der Hardware“ eingeschränkt.<br />

In den Tabellen oben bedeutet eine Fehlertoleranz der Hardware von N, dass N+1<br />

Fehler einen Verlust der sicherheitstechnischen Funktion verursachen können.<br />

Wenn ein Teilsystem zum Beispiel eine Hardware-Fehlertoleranz von 1 aufweist,<br />

dann geht die sicherheitstechnische Funktion erst bei Auftreten eines zweiten Fehlers<br />

verloren.<br />

15


16<br />

SIL-Handbuch<br />

Der Sicherheits-Integritätslevel (SIL)<br />

3.2.3 Verbindung von Risiko und Sicherheits-Integritätslevel<br />

Bis jetzt wurden bereits kurz die Konzepte Risiko, Notwendigkeit der Risikominderung<br />

durch sicherheitstechnische Funktionen und die Anforderungen an die Integrität<br />

dieser sicherheitstechnischen Funktionen behandelt.<br />

Eines der Probleme, denen sich Betreiber und Anwender gegenüber sehen, ist die<br />

Frage, wie der relevante Sicherheits-Integritätslevel mit der sicherheitstechnischen<br />

Funktion verknüpft werden soll, die zur Reduzierung eines bestimmten Risikos eingesetzt<br />

wird. Der auf IEC/EN 61508 basierende Risikograph in Bild 3.1 ist eine<br />

Möglichkeit, um eine Verbindung zwischen den Risikoparametern und dem Sicherheits-Integritätslevel<br />

für die sicherheitstechnische Funktion herzustellen.<br />

Risikoparameter<br />

Schadensausmaß<br />

S1 leichte Verletzung oder leichter Schaden<br />

S2 schwere, irreversible Verletzung oder Tod<br />

einer Person, temporärer schwerer Schaden<br />

S3 Tod mehrerer Personen, langfristiger Schaden<br />

S4 viele Tote, katastrophale Auswirkungen<br />

Häufigkeit/Aufenthaltsdauer<br />

A1 seltener bis häufiger Aufenthalt im Gefahrenbereich<br />

A2 häufiger bis dauernder Aufenthalt im Gefahrenbereich<br />

Gefahrenabwendung<br />

G1 möglich<br />

G2 nicht abwendbar, kaum möglich<br />

Eintrittswahrscheinlichkeit des unerwünschten<br />

Ereignisses<br />

W1 sehr gering, kaum<br />

W2 gering<br />

W3 hoch, häufig<br />

S 1<br />

S 2<br />

S 3<br />

S 4<br />

A1<br />

A2 A1 A2 A1 A2 G 1<br />

G 2<br />

G 1<br />

G 2<br />

G 1<br />

G 2<br />

G 1<br />

G 2<br />

Eintrittswahrscheinlichkeit des<br />

unerwünschten Ereignisses W<br />

1, 2, 3, 4 = Sicherheits-Integritätslevel, SIL<br />

- = tolerierbares Risiko, keine Sicherheitsanforderungen<br />

a = keine besonderen Sicherheitsanforderungen<br />

b = ein einzelnes E/E/PE-System reicht nicht aus<br />

Bild 3.1 Risikoabschätzung<br />

Bei der Untersuchung eines bestimmten Prozesses wird beispielsweise die niedrige<br />

oder sehr geringe Wahrscheinlichkeit der leichten Verletzung eines Menschen als<br />

noch tolerierbares Risiko betrachtet. Besteht dagegen eine hohe Wahrscheinlichkeit,<br />

dass es häufig zu schwerer Körperverletzung kommen kann, dann müsste die<br />

zur Risikominderung eingesetzte sicherheitstechnische Funktion den Sicherheits-<br />

Integritätslevel 3 (SIL3) aufweisen.<br />

Es gibt noch zwei weitere Konzepte im Zusammenhang mit sicherheitstechnischen<br />

Funktionen und sicherheitstechnischen Systemen, die erläutert werden müssen,<br />

bevor wir ein Beispiel betrachten können. Bei diesen beiden Konzepten handelt es<br />

sich um den Anteil ungefährlicher Ausfälle und die Versagenswahrscheinlichkeit der<br />

Funktion.<br />

W 3<br />

a<br />

1<br />

2<br />

3<br />

4<br />

b<br />

W 2<br />

-<br />

a<br />

1<br />

2<br />

3<br />

4<br />

W 1<br />

-<br />

-<br />

a<br />

1<br />

2<br />

3<br />

Ausgabedatum 2007-10-04 180661


Ausgabedatum 2007-10-04 180661<br />

SIL-Handbuch<br />

Die Versagenswahrscheinlichkeit<br />

4 Die Versagenswahrscheinlichkeit<br />

4.1 Überblick<br />

Achtung<br />

Der bereits erläuterte Aspekt des Risikos und die Ausfallwahrscheinlichkeit im<br />

Anforderungsfall einer sicherheitstechnischen Funktion sind eng miteinander verknüpft.<br />

Verwendet man die Definitionen<br />

Fnp = Unfall-/Vorfallhäufigkeit bei Abwesenheit von Schutzfunktionen<br />

(no protection)<br />

Ft = tolerierbare Unfall-/Vorfallhäufigkeit<br />

dann wird der Faktor zur Risikominderung (∆R) wie folgt definiert:<br />

∆R =F np /F t<br />

wobei PFD die Umkehrung ist:<br />

PFDavg = Ft /Fnp Da die Konzepte eng miteinander verbunden sind, werden ähnliche Methoden und<br />

Werkzeuge verwendet, um das Risiko zu bewerten und PFDavg zu beurteilen.<br />

Als besondere Tools werden FMEDA- und Markov-Modelle verwendet. Die Failure<br />

Modes and Effects Analysis (FMEA) ist ein Weg, um das System zu bewerten. Hierbei<br />

wird ein systematischer Ansatz verwendet, um die Auswirkungen von Komponentenausfällen<br />

zu identifizieren und zu beurteilen und dann zu bestimmen, wie die<br />

Möglichkeit eines Ausfalls gemindert oder eliminiert werden kann. Eine FMEDA ist<br />

eine Erweiterung der FMEA-Technik, um Diagnosetechniken einzuschließen.<br />

Sobald die möglichen Ausfälle und ihre Folgen beurteilt wurden, können die Wahrscheinlichkeiten<br />

verschiedener Betriebszustände des Teilsystems mit Hilfe von<br />

z. B. Markov-Modellen berechnet werden. Ein anderer Faktor, der bei dieser<br />

Betrachtung herangezogen werden muss, sind die Wiederholungsprüfungen, auch<br />

als „Proof Time“ oder „Proof Test Interval“ bezeichnet. Hierbei handelt es sich um<br />

eine Variable, die nicht nur von der praktischen Implementierung von Prüfungen<br />

und Instandhaltung im System, Teilsystem oder der betroffenen Komponente, sondern<br />

auch vom gewünschten Endergebnis abhängt. Durch z. B. Verlängerung der<br />

Prüfintervalle innerhalb des Modells kann sich herausstellen, dass das Teilsystem<br />

oder das sicherheitstechnische System nicht mehr den Forderungen des geforderten<br />

SIL entspricht. Praktische und betriebliche Überlegungen dienen oftmals als<br />

Richtlinie.<br />

Beachten Sie bitte auch, dass „Betriebsart mit niedriger Anforderungsrate<br />

(Low Demand Mode)“ als eine Betriebsart definiert wird, bei der die Anforderungsrate<br />

an das sicherheitstechnische System nicht größer als einmal pro Jahr und<br />

nicht größer als die doppelte Frequenz der Wiederholungsprüfung ist.<br />

Ein entsprechender Anwendungsbereich, der den meisten Lesern vertraut sein<br />

wird, wäre zum Beispiel ein Brandschutzsystem in einem Kaufhaus. Hier muss ein<br />

Ausgleich erreicht werden zwischen der Notwendigkeit einerseits, das System aus<br />

rechtlichen oder versicherungstechnischen Gründen häufig zu prüfen, und der praktischen<br />

Durchführbarkeit und den Kosten für die Organisation solcher Prüfungen<br />

andererseits. Möglicherweise wären die Versicherungsbeiträge niedriger, wenn das<br />

System häufiger überprüft würde, doch die Kosten und der Aufwand für Organisation<br />

und Durchführung dieser Prüfungen würden die Einsparungen übersteigen.<br />

Unter Berücksichtigung all dieser Faktoren kann die PFDavg berechnet werden.<br />

Sobald die PFDavg für jede Komponente, die Teil des Systems ist, berechnet wurde,<br />

lässt sich auf einfache Weise die PFDavg des gesamten Systems errechnen – sie<br />

ergibt sich aus der Summe der PFDavg aller einzelnen Komponenten, siehe auch<br />

Abschnitt 6.2.2 im Teil 2. Um die Anforderungen eines besonderen Sicherheits-<br />

Integritätslevels zu erfüllen, müssen ebenso die Werte für die PFDavg wie auch für<br />

den Anteil ungefährlicher Ausfälle innerhalb bestimmter Grenzen liegen.<br />

17


18<br />

SIL-Handbuch<br />

Die Versagenswahrscheinlichkeit<br />

4.2 Beispiel für ein sicherheitstechnisches System<br />

Lassen Sie uns diese Punkte in einem einfachen Beispiel aus der verarbeitenden<br />

Industrie zusammenfassen.<br />

Die IEC/EN 61508 gibt an, dass ein Sicherheits-Integritätslevel nur einer spezifischen<br />

sicherheitstechnischen Funktion korrekt zugeordnet werden kann – und zwar<br />

in der Gesamtheit des sicherheitstechnischen Systems – und nicht einem einzelnen<br />

Ausrüstungsteil oder einer Komponente.<br />

In unserem Zusammenhang bedeutet dies: Erst nachdem das gesamte sicherheitstechnische<br />

System analysiert wurde, kann erklärt werden, dass die Anforderungen<br />

eines spezifischen Sicherheits-Integritätslevels erfüllt sind.<br />

Es ist jedoch möglich – und auch vernünftig – ein einzelnes Element eines sicherheitstechnischen<br />

Systemes zu analysieren und seine Verwendungstauglichkeit<br />

nachzuweisen, um es in ein sicherheitstechnisches System mit entsprechender<br />

SIL-Klassifizierung zu integrieren. Da alle Elemente eines sicherheitstechnischen<br />

Systemes beim Erreichen dieses Ziels voneinander abhängen, muss überprüft werden,<br />

ob jedes einzelne Teil für den Zweck geeignet ist. Im folgenden Beispiel<br />

behandeln wir einen einzelnen elektronischen Interface-Baustein.<br />

Dabei handelt es sich bei dem sicherheitstechnischen System um ein Leitsystem,<br />

das zur Implementierung der sicherheitstechnischen Funktion dienen soll. Bild 4.1<br />

zeigt ein typisches sicherheitstechnisches System einschließlich einer eigensicheren<br />

Signaleingangs- und Signalausgangstrennebene. Nehmen wir nun an, dass als<br />

erforderlicher Sicherheits-Integritätslevel durch die Risikoanalyse SIL2 ermittelt<br />

wurde. Bitte beachten Sie, dass dies nur ein Referenzwert ist, er besagt nicht, dass<br />

eine vollständige Beurteilung des kompletten sicherheitstechnischen Systemes<br />

durchgeführt wurde, sondern er definiert vielmehr die Anforderungen an den kompletten<br />

Kreis.<br />

Sensor Binär- Binär-<br />

Aktor<br />

Sensor<br />

Analog-<br />

Eingang<br />

Logiksystem<br />

Umfang der risikoreduzierenden Einrichtung<br />

Bild 4.1 Sicherheitstechnisches System, Beispiel<br />

Analog-<br />

Ausgang<br />

Aktor<br />

Ausgabedatum 2007-10-04 180661


Ausgabedatum 2007-10-04 180661<br />

SIL-Handbuch<br />

Die Versagenswahrscheinlichkeit<br />

Fehlerverteilung im Regelkreis<br />

PFD 1<br />

PFD 2<br />

Sie können in Bild 4.1 die verschiedenen Elemente des Prozesskreises sehen:<br />

Eingangssensor,<br />

Eingangsleitung/Eingangs-Interface-Baugruppe,<br />

Logiksystem (Logic Solver),<br />

Ausgangsleitung/Ausgangs-Interface-Baugruppe (Safe Out) und das<br />

Regelventil, den Aktor.<br />

Berücksichtigen Sie, dass das typische sicherheitstechnische System, so wie es<br />

hier dargestellt ist, aus vielen seriell miteinander verknüpften Baugruppen besteht,<br />

die alle zur Implementierung der sicherheitstechnischen Funktion erforderlich sind.<br />

Daher muss das verfügbare PFD-Budget (< 10-2 für SIL2) auf alle relevanten Baugruppen<br />

verteilt sein.<br />

So ist es z. B. ein realistisches und industriegerechtes Ziel, dem Trennschaltverstärker<br />

nicht mehr als 10 % des verfügbaren PFD-Budgets zuzuordnen, woraus<br />

sich für ihn ein PFD-Grenzwert von etwa 10 -3 ergibt.<br />

Sensor Binär- Binär-<br />

Aktor<br />

Sensor<br />

Analog-<br />

Eingang<br />

Logiksystem<br />

+ + + +<br />

*<br />

10 %<br />

Signalweg<br />

35 %<br />

Sensorik und Signalweg<br />

PFD 3<br />

15 %<br />

SSPS<br />

Analog-<br />

Ausgang<br />

Bild 4.2 Beurteilung des sicherheitstechnischen Systems<br />

* Zahlenwerte abhängig von der Anwendung<br />

Der PFD-Wert der kompletten Sicherheitseinrichtung berechnet sich aus den Werten<br />

der Einzelkomponenten. Da Sensor und Aktor im Feld montiert sind, werden<br />

diese chemisch und physikalisch belastet (Prozessmedium, Druck, Temperatur,<br />

Vibration usw.). Entsprechend hoch ist das Fehlerrisiko dieser Komponenten. Deshalb<br />

sind für den Sensor 25 % und für den Aktor 40 % des Gesamt-PFD vorgesehen.<br />

Für die fehlersichere Steuerung bleiben 15 % und für die Interfacebausteine je<br />

10 % (Interfacebausteine und Steuerung haben keinerlei Kontakt zum Prozessmedium<br />

und sind im geschützten Schaltraum untergebracht).<br />

PFD 4<br />

* *<br />

*<br />

10 %<br />

Signalweg<br />

Aktor<br />

PFD 5<br />

*<br />

50 %<br />

Aktor und Signalweg<br />

19


20<br />

SIL-Handbuch<br />

Die Versagenswahrscheinlichkeit<br />

FMEA-Beurteilung Bei dem hier im Beispiel genannten Trennschaltverstärker wurde eine umfangreiche<br />

FMEA-Analyse durchgeführt, um nachzuweisen, dass er für die Verwendung in<br />

einem sicherheitstechnischen System gemäß SIL2 geeignet ist. Die FMEA-Analyse<br />

hat 100 % der Bauteile des Trennschaltverstärkers abgedeckt, wobei für jedes Bauteil<br />

die verschiedenen möglichen Ausfallarten berücksichtigt wurden, einschließlich<br />

– soweit erforderlich – zeitweise auftretender Ausfälle und Ausfälle mit Leistungsreduktion.<br />

Dies ist – im Gegensatz zu anderen nicht quantitativen oder semi-quantitativen<br />

Ansätzen – die nach IEC/EN 61508 empfohlene Vorgehensweise.<br />

Als Ergebnis der FMEA kann die PFDavg für diesen Trennschaltverstärker berechnet<br />

werden. Erst wenn sich ein Wert unter 10-3 ergibt, kann der Trennschaltverstärker<br />

für dieses SIL2-Beispiel eingesetzt werden.<br />

Hinweis<br />

<strong>Pepperl+Fuchs</strong> hat eine unabhängige, externe Organisation, das Fachunternehmen<br />

EXIDA unter Vertrag, um diese Beurteilungen für die Produkte von<br />

<strong>Pepperl+Fuchs</strong> durchzuführen.<br />

Zusammenfassend kann für Abschnitt 4.2 festgestellt werden:<br />

1. Die IEC/EN 61508 betrachtet den gesamten Gerätekreis. Nach dem Motto „eine<br />

Kette ist nur so stark wie ihr schwächstes Glied“ spielen alle Elemente im Gerätekreis<br />

ihre Rolle. Um die Ziele zu erreichen, kann es erforderlich werden, eine<br />

bestimmte Baugruppenfunktion zu duplizieren – also redundant auszuführen.<br />

2. Vernachlässigen Sie keinen der Schritte bei der Beurteilung des Sicherheitslebenszyklus.<br />

Die in diesem Dokument identifizierten Geräteelemente sind nur ein<br />

Teil eines SIS.<br />

3. Sofern nicht speziell angegeben, ist es nicht zulässig, mehr als einen Kanal einer<br />

mehrkanaligen Komponente in dem selben sicherheitstechnischen System zu<br />

verwenden (Vermeidung von Fehlern gemeinsamer Ursache). Die übrigen Kanäle<br />

dieser Komponente können jedoch in anderen vom ersten unabhängigen sicherheitstechnischen<br />

Systemen verwendet werden.<br />

4. Es ist nicht immer erforderlich, dass alle sicherheitstechnischen Funktionen in<br />

der Schutzebene implementiert werden müssen. Einige sicherheitsrelevante<br />

Funktionen können bereits in der Automatisierungsebene und damit im „normalen<br />

Leitsystem“ realisiert werden.<br />

5. Um festzustellen, ob die sicherheitstechnischen Funktionen korrekt arbeiten, ist<br />

es in der Regel erforderlich, sie zu testen. Die Häufigkeit, mit der diese Tests<br />

durchgeführt werden, ist ein Faktor bei der Berechnung der Ausfallwahrscheinlichkeit<br />

im Anforderungsfall. Daher werden verschiedene PFD avg-Werte für Komponenten<br />

wie z. B. die Interface-Bausteine berechnet, um die relevanten<br />

Prüfungsintervalle zu ermitteln, z. B. T [Test] von 1 Jahr, 5 Jahren und 10 Jahren.<br />

Ausgabedatum 2007-10-04 180661


Ausgabedatum 2007-10-04 180661<br />

SIL-Handbuch<br />

Zusammenfassung des ersten Teils des SIL-Handbuches<br />

5 Zusammenfassung des ersten Teils des SIL-Handbuches<br />

1. Der Sicherheitslebenszyklus führt einen strukturierten Ansatz zur Risikoanalyse,<br />

Implementierung von sicherheitstechnischen Systemen und zum Betrieb eines<br />

sicheren Prozesses ein.<br />

2. Wenn sicherheitstechnische Systeme eingesetzt werden, um Risiken auf ein tolerierbares<br />

Niveau zu reduzieren, müssen diese sicherheitstechnischen Systeme<br />

einen bestimmten Sicherheits-Integritätslevel aufweisen.<br />

3. Die Berechnung des Sicherheits-Integritätslevels für ein sicherheitstechnisches<br />

System schließt die Faktoren „Anteil ungefährlicher Ausfälle“ und „Ausfallwahrscheinlichkeit<br />

der Sicherheits-Funktion“ ein.<br />

21


22<br />

SIL-Handbuch<br />

Verifizieren des Sicherheits-Integritätslevels<br />

6 Verifizieren des Sicherheits-Integritätslevels<br />

6.1 Was ist SIL?<br />

6.1.1 Grundlagen<br />

Achtung<br />

Diese kurze Einführung deckt lediglich die technischen Aspekte ab, die mit der<br />

Implementierung einer sicherheitstechnischen Funktion gemäß den Anforderungen<br />

der IEC/EN 61508/61511 zusammenhängen. Siehe hierzu auch Teil 1.<br />

SIL steht für den Sicherheits-Integritätslevel gemäß IEC/EN 61508 und beschreibt<br />

die Integrität einer sicherheitstechnischen Funktion. Sowohl organisatorische Maßnahmen<br />

des Managements als auch technische Maßnahmen sind erforderlich,<br />

um eine gegebene Sicherheitsintegrität zu erreichen. Ein Sicherheits-Integritätslevel<br />

wird einer sicherheitstechnischen Funktion zugeordnet, die verschiedene Funktionsbaugruppen<br />

umfasst, mit denen Systeme beschrieben werden (z. B. Sensoren,<br />

Logiksystem (Logic Solver) und Aktoren).<br />

Ein sicherheitstechnisches System (SIS) besteht aus einer oder mehreren sicherheitstechnischen<br />

Funktionen; für jede dieser sicherheitstechnischen Funktionen gilt<br />

eine SIL-Anforderung. Komponenten, Teilsysteme oder Systeme können für sich<br />

allein betrachtet keinen eigenen Sicherheits-Integritätslevel haben.<br />

Systeme haben eine „SIL-beschränkende Wirkung“. So kann die Funktion des folgenden<br />

Beispiels (Bild 6.1) aufgrund der Beschränkung des Sensorsystems auf<br />

max. SIL2 ebenfalls nur maximal SIL2 erreichen:<br />

Sensorsystem: max. SIL2<br />

Logiksystem: max. SIL3<br />

Ausgangselement: max. SIL3<br />

Sensor Eingangsmodul<br />

max. SIL2<br />

Eingangsteilsystem<br />

Bild 6.1 Systemstruktur<br />

In einem System können Komponenten oder Teilsysteme kombiniert werden (z. B.<br />

parallel), um die SIL-Beschränkung zu verändern.<br />

Sensor Eingangsmodul<br />

max. SIL2<br />

Sensor Eingangsmodul<br />

max. SIL2<br />

Eingangsteilsystem<br />

entspricht nun max. SIL3<br />

Logiksystem<br />

max. SIL3<br />

max. SIL2<br />

Logiksystem<br />

max. SIL3<br />

max. SIL3<br />

Bild 6.2 Beispielkonfiguration für redundantes Eingangsteilsystem<br />

Teilsystem max. SIL3<br />

(Ausgangsschnittstelle<br />

und<br />

Ausgangselement)<br />

Teilsystem max. SIL3<br />

(Ausgangsschnittstelle<br />

und<br />

Ausgangselement)<br />

Ausgabedatum 2007-10-04 180661


Ausgabedatum 2007-10-04 180661<br />

SIL-Handbuch<br />

Verifizieren des Sicherheits-Integritätslevels<br />

6.1.2 Anforderungen an das Management<br />

Studien haben gezeigt, dass der wichtigste Faktor beim Auftreten von Unfällen das<br />

Engagement des Managements für die Sicherheit und die grundlegende Sicherheitskultur<br />

innerhalb der Organisation oder Industriebranche ist. Aus diesem Grund<br />

beschreiben die relevanten Normen (IEC/EN 61508 und IEC/EN 61511 in der Prozessindustrie)<br />

einen Lebenszyklus der sicherheitstechnischen Funktion und ihrer<br />

Komponenten und fordern außerdem die Implementierung von Maßnahmen seitens<br />

des Managements.<br />

6.1.3 Wie wird der ausgewählte Sicherheits-Integritätslevel erreicht?<br />

Ein SIL-klassifiziertes Produkt weist spezifische Parameter auf. Die SIL-Beschränkung,<br />

die durch dieses Produkt erzeugt wurde, wird direkt von diesen Parametern<br />

beeinflusst:<br />

Fehlertoleranz der Hardware<br />

Anteil ungefährlicher Ausfälle<br />

Architektureinschränkungen (siehe Abschnitt 6.4)<br />

Ausfallwahrscheinlichkeit der Funktion im Anforderungsfall<br />

– PFD (Ausfallwahrscheinlichkeit der Funktion im Anforderungsfall)<br />

– Betriebsart mit niedriger Anforderungsrate oder<br />

– PFH (Wahrscheinlichkeit eines Gefahr bringenden Ausfalls pro Stunde)<br />

– Betriebsart mit kontinuierlicher Anforderungsrate<br />

Instandhaltungsintervalle.<br />

Bei diesen Parametern handelt es sich um numerische Werte, die mit den entsprechenden<br />

Werten der anderen Komponenten der sicherheitstechnischen Funktion<br />

kombiniert und dann mit den Werten der SIL-Zielvorgabe in der relevanten Norm<br />

(IEC/EN 61508 oder IEC/EN 61511) gegengeprüft werden müssen.<br />

Um verschiedene Systeme oder Teilsysteme kombinieren oder verifizieren zu können,<br />

muss bekannt sein, wie die verschiedenen Parameter miteinander agieren.<br />

Diese Zusammenhänge werden mithilfe eines Beispiels demonstriert.<br />

6.2 Beispiel Eingangsteilsystem mit zwei Komponenten<br />

Bild 6.3 Eingangsteilsystem<br />

Sensor<br />

Trennschaltverstärker<br />

Sensor-Trennschaltverstärker-Teilsystem<br />

6.2.1 Fehler-Möglichkeits- und Einfluss-Analyse (IEC/EN 61508, Teil 2)<br />

Mithilfe einer FMEDA wurden für das Teilsystem die verschiedenen Ausfallraten<br />

ermittelt. Daraus wurden die Werte für PFDavg und dem Anteil ungefährlicher Ausfälle<br />

(SFF) berechnet. Diese Werte sind in der Herstellerdokumentation angegeben.<br />

In unserem Beispiel Sensor-Teilsystem: NAMUR-Näherungsinitiator NJ2-12GM-N (SJ2-N*)<br />

T [Test] PFD avg s SFF λ total = 2,90 x 10 -8 1/h<br />

1 Jahr 3,02 x 10 -5 > 76 % λ safe = 1,77 x 10 -8 1/h<br />

2 Jahre 6,05 x 10 -5 > 76 % λ dangerous = 6,91 x 10 -9 1/h<br />

5 Jahre 1,51 x 10 -4 > 76 % λ don’t care = 4,42 x 10 -9 1/h<br />

23


24<br />

SIL-Handbuch<br />

Verifizieren des Sicherheits-Integritätslevels<br />

Trennschaltverstärker-Teilsystem: Trennschaltverstärker für digitale Signale<br />

KFD2-SOT2-Ex1.N<br />

6.2.2 Mittlere Ausfallwahrscheinlichkeit der Funktion im Anforderungsfall (PFDavg ) des<br />

Eingangsteilsystems (IEC/EN 61508, Teil 2 und Teil 6, Anhang B)<br />

Die Ausfallrate λd ist die Rate der Gefahr bringenden (erkannten und unerkannten)<br />

Ausfälle eines Kanals in einem Teilsystem. Zur Errechnung der PFD (Betriebsart<br />

mit niedriger Anforderungsrate) wird sie als Ausfälle pro Jahr angegeben.<br />

Die Ausfallwahrscheinlichkeit PFDavg ist die mittlere Ausfallwahrscheinlichkeit im<br />

Anforderungsfall einer sicherheitstechnischen Funktion oder eines Teilsystems im<br />

Anforderungsfall – auch als Versagenswahrscheinlichkeit im Anforderungsfall<br />

bezeichnet. Die Ausfallwahrscheinlichkeit im Anforderungsfall ist zeitabhängig:<br />

PFD: Q(t) = 1 - e -λdt<br />

Hinweis<br />

T [Test] PFD avg t SFF λ total = 2,07 x 10 -7 1/h<br />

1 Jahr 9,21 x 10 -5 > 89 % λ safe = 7,83 x 10 -8 1/h<br />

2 Jahre 1,84 x 10 -4 > 89 % λ dangerous = 2,10 x 10 -8 1/h<br />

5 Jahre 4,60 x 10 -4 > 89 % λ no effect = 1,08 x 10 -7 1/h<br />

Es handelt sich um eine Funktion der Ausfallrate λ und der Zeit t zwischen zwei<br />

Funktionsprüfungen.<br />

Das bedeutet, dass Sie den maximalen SIL für Ihr (Sub-)System nur ermitteln können,<br />

wenn Sie wissen, ob eine Prüfprozedur vom Anwender implementiert ist und<br />

in welchen Intervallen die Prüfungen durchgeführt werden!<br />

Der maximale SIL gemäß den Ausfallwahrscheinlichkeitsanforderungen kann dann<br />

in Tabelle 3 der Norm IEC/EN 61508, Teil 1 (Betriebsart mit niedriger Anforderungsrate)<br />

abgelesen werden.<br />

Sicherheits-Integritätslevel<br />

(SIL)<br />

Betriebsart mit niedriger<br />

Anforderungsrate<br />

(mittlere Versagenswahrscheinlichkeit der<br />

Funktion im Anforderungsfall)<br />

4 ≥ 10 -5 bis < 10 -4<br />

3 ≥ 10 -4 bis < 10 -3<br />

2 ≥ 10 -3 bis < 10 -2<br />

1 ≥ 10 -2 bis < 10 -1<br />

Tabelle 6.1 Sicherheits-Integritätslevel: Ausfallgrenzwerte für eine sicherheitstechnische Funktion in der<br />

Betriebsart mit niedriger Anforderungsrate<br />

Diese Werte gelten für die gesamte sicherheitstechnische Funktion, die normalerweise<br />

verschiedene Systeme oder Teilsysteme umfasst. Die mittlere Ausfallwahrscheinlichkeit<br />

einer sicherheitstechnischen Funktion im Anforderungsfall wird<br />

ermittelt, indem die mittlere Ausfallwahrscheinlichkeit im Anforderungsfall für alle<br />

Teilsysteme, die zusammen die sicherheitstechnische Funktion ausmachen,<br />

berechnet und dann die Ergebnisse addiert werden.<br />

Ausgabedatum 2007-10-04 180661


Ausgabedatum 2007-10-04 180661<br />

SIL-Handbuch<br />

Verifizieren des Sicherheits-Integritätslevels<br />

Hinweis<br />

Wenn die Wahrscheinlichkeitswerte sehr klein sind, kann dies wie folgt ausgedrückt<br />

werden:<br />

PFD sys = PFD s + PFD t + PFD fe<br />

wobei<br />

PFD sys<br />

PFD s<br />

PFD t<br />

PFD fe<br />

In unserem Beispiel PFD subsys = PFD s + PFD t<br />

wobei<br />

PFD subsys<br />

PFD s<br />

PFD t<br />

die mittlere Ausfallwahrscheinlichkeit der Funktion im<br />

Anforderungsfall für ein sicherheitstechnisches<br />

Funktionssystem ist,<br />

die mittlere Ausfallwahrscheinlichkeit der Funktion im<br />

Anforderungsfall für das Eingangsteilsystem (Sensor) ist,<br />

die mittlere Ausfallwahrscheinlichkeit der Funktion im<br />

Anforderungsfall für das Logik-Teilsystem<br />

(Trennschaltverstärker) ist,<br />

die mittlere Ausfallwahrscheinlichkeit der Funktion im<br />

Anforderungsfall für das Abschlusselement-Teilsystem ist<br />

(FE = Final Element).<br />

Das bedeutet, dass ein Teilsystem oder eine Komponente niemals den gesamten<br />

PFD-Wert für einen vorgegebenen SIL beanspruchen kann! In der Regel haben<br />

Trennschaltverstärker eine PFD, die nur 10 % des gesamten PFD-Wertes des<br />

erforderlichen SIL ausmacht.<br />

die mittlere Ausfallwahrscheinlichkeit der Funktion im<br />

Anforderungsfall für das Eingangsteilsystem ist;<br />

die mittlere Ausfallwahrscheinlichkeit der Funktion im<br />

Anforderungsfall für den Sensor ist;<br />

die mittlere Ausfallwahrscheinlichkeit der Funktion im<br />

Anforderungsfall für den Trennschaltverstärker ist;<br />

Folgende SIL sind dann erreichbar (PFD subsys kleiner als 10 % PFD max):<br />

T [Test] PFDsubsys SIL<br />

1 Jahr 1,22 x 10-4 2<br />

2 Jahre 2,45 x 10 -4 2<br />

5 Jahre 6,11 x 10 -4 2<br />

25


26<br />

SIL-Handbuch<br />

Verifizieren des Sicherheits-Integritätslevels<br />

6.2.3 Anteil ungefährlicher Ausfälle des Eingangsteilsystems (IEC/EN 61508, Teil 2, Anhang C)<br />

Anteil der Rate der Fehler, die nicht das Potenzial besitzt, das sicherheitstechnische<br />

System in einen Gefahr bringenden Zustand zu versetzen.<br />

SFF = (Σλs + Σλdd)/(Σλs + Σλd) = 1 - Σλdu/(Σλs + Σλd) wobei Σλs = Σλsu + Σλsd und Σλd = Σλdu + Σλdd Gefahr bringende, erkannte Ausfälle werden ebenfalls als „ungefährlich“ betrachtet.<br />

Bild 6.4 Anteil ungefährlicher Ausfälle (SFF)<br />

In unserem Beispiel SFF = (1,77 + 0,442 + 7,83 + 10,8) x 10 -8 /<br />

(1,77 + 0,442 + 7,83 + 10,8 + 0,691 + 2,1) x 10 -8<br />

SFF des Eingangsteilsystems > 88 %<br />

6.3 Fehlertoleranz der Hardware (IEC/EN 61508, Teil 2)<br />

Hierbei handelt es sich um die Fähigkeit einer funktionalen Einheit, die gewünschte<br />

Funktion auch dann auszuführen, wenn Fehler aufgetreten sind. Eine Fehlertoleranz<br />

der Hardware von N bedeutet, dass N+1 Fehler einen Verlust der sicherheitstechnischen<br />

Funktion verursachen können.<br />

Ist ein einkanaliges System fehlerhaft, dann ist es nicht in der Lage, die gewünschte<br />

Funktion auszuführen! Ist das System redundant (zwei parallel geschaltete Kanäle)<br />

wird jeder der beiden Kanäle die sicherheitstechnische Funktion ausführen können.<br />

Es müsste somit in beiden Kanälen gleichzeitig ein Gefahr bringender Ausfall auftreten,<br />

damit die sicherheitstechnische Funktion im Anforderungsfall ausfällt.<br />

In unserem Beispiel Ist die Struktur einkanalig, ist die<br />

Fehlertoleranz der Hardware = 0<br />

6.4 SIL-Beschränkung aufgrund von Architektureinschränkungen<br />

(IEC/EN 61508, Teil 2)<br />

λdd<br />

Gefahr bringend<br />

entdeckt<br />

λsu<br />

λdu<br />

ungefährlich<br />

unentdeckt<br />

Gefahr bringend<br />

unentdeckt<br />

ungefährlich<br />

entdeckt<br />

Die Kombination aus Anteil ungefährlicher Ausfälle und Fehlertoleranz der Hardware<br />

beschränkt den maximalen SIL eines Gerätes.<br />

Die Norm unterscheidet zwischen zwei Typen von Teilsystemen:<br />

λsd<br />

Ausgabedatum 2007-10-04 180661


Ausgabedatum 2007-10-04 180661<br />

SIL-Handbuch<br />

Verifizieren des Sicherheits-Integritätslevels<br />

Teilsystem Typ A Ein Teilsystem kann als Teilsystem des Typs A betrachtet werden, wenn für alle<br />

Komponenten, die zur Erreichung der sicherheitstechnischen Funktion erforderlich<br />

sind,<br />

die Ausfallarten für alle beteiligten Komponenten gut definiert sind, und<br />

das Verhalten des Teilsystems unter Fehlerbedingungen vollständig vorhergesagt<br />

werden kann, und<br />

ausreichend abhängige Ausfalldaten aus dem Feldeinsatz vorliegen, um nachzuweisen,<br />

dass die<br />

angegebenen Ausfallraten für erkannte und unerkannte Gefahr bringende Ausfälle<br />

erfüllt sind.<br />

Anteil ungefährlicher<br />

Fehlertoleranz der Hardware (HFT)<br />

Ausfälle (SFF)<br />

0 1 2<br />

< 60 % SIL1 SIL2 SIL3<br />

60 % ... 90 % SIL2 SIL3 SIL4<br />

90 % ... 99 % SIL3 SIL4 SIL4<br />

> 99 % SIL3 SIL4 SIL4<br />

Tabelle 6.2 Sicherheitsintegrität der Hardware: Architektureinschränkungen für sicherheitstechnische<br />

Teilsysteme des Typs A (IEC/EN 61508, Teil 2)<br />

Teilsystem Typ B Ein Teilsystem muss als Teilsystem des Typs B betrachtet werden, wenn für alle<br />

Komponenten, die zur Erreichung der sicherheitstechnischen Funktion erforderlich<br />

sind,<br />

die Ausfallart mindestens einer beteiligten Komponente nicht eindeutig definiert<br />

ist, oder<br />

das Verhalten des Teilsystems unter Fehlerbedingungen nicht vollständig vorhergesagt<br />

werden kann, oder<br />

zu wenig abhängige Ausfalldaten aus dem Feldeinsatz vorliegen, um die beanspruchten<br />

Ausfallraten für erkannte und unerkannte Gefahr bringende Ausfälle<br />

zu unterstützen.<br />

Einfacher ausgedrückt kann man sagen, dass Teilsysteme, die programmierbare<br />

oder hochintegierte Elektronik verwenden, als Typ B betrachtet werden müssen.<br />

Anteil ungefährlicher<br />

Fehlertoleranz der Hardware (HFT)<br />

Ausfälle (SFF)<br />

0 1 2<br />

< 60 % nicht erlaubt SIL1 SIL2<br />

60 % ... 90 % SIL1 SIL2 SIL3<br />

90 % ... 99 % SIL2 SIL3 SIL4<br />

> 99 % SIL3 SIL4 SIL4<br />

Tabelle 6.3 Sicherheitsintegrität der Hardware: Architektureinschränkungen für sicherheitstechnische<br />

Teilsysteme des Typs B (IEC/EN 61508, Teil 2)<br />

In unserem Beispiel Beide Komponenten des Teilsystems gehören zum Typ A, mit einem Anteil ungefährlicher<br />

Ausfälle von 88 % und einer Fehlertoleranz der Hardware von 0, womit es<br />

die Anforderungen für max. SIL2 erfüllt.<br />

Folgende SIL sind erreichbar (PFDsubsys kleiner als 10 % PFDmax ):<br />

T [Test] PFD Architektur SIL Teilsystem<br />

1 Jahr SIL2 SIL2 2<br />

2 Jahre SIL2 SIL2 2<br />

5 Jahre SIL2 SIL2 2<br />

27


28<br />

SIL-Handbuch<br />

Andere Strukturen<br />

7 Andere Strukturen<br />

7.1 MooN-Systeme (IEC/EN 61508, Teil 6)<br />

Das MooN-System ist ein sicherheitstechnisches System oder Teil eines sicherheitstechnischen<br />

Systems aus N unabhängigen Kanälen, die so verbunden sind,<br />

dass M Kanäle ausreichen, um die sicherheitstechnische Funktion auszuführen (M<br />

aus N Kanälen). Die Architektur des folgenden Beispiels wird als 1oo2 (one out of<br />

two, eins aus zwei) bezeichnet.<br />

Bild 7.1 Konfiguration für zwei Eingangsteilsysteme, 1oo2-Struktur<br />

7.2 Zwei Eingangsteilsysteme aus obigem Beispiel als redundantes<br />

Eingangsteilsystem<br />

Achtung<br />

Sensor Eingangsmodul<br />

Sensor Eingangsmodul<br />

Eingangsteilsystem<br />

Die hier eingesetzten Formeln sind vereinfacht. (z. B. keine Betrachtung der mittleren<br />

Zeit zur Wiederherstellung) und können unter Umständen für Ihre Applikation<br />

unbrauchbar sein. Für mehr Informationen, siehe auch IEC/EN 61508, Teil 6.<br />

Eingangsteilsystem 1<br />

Eingangsteilsystem 2<br />

Bild 7.2 Beispiel redundantes Eingangsteilsystem<br />

Die Ausgänge der beiden Trennverstärker sind in Reihe geschaltet.<br />

Ermittlung des maximalen SIL-Wertes des Eingangsteilsystems bestehend aus<br />

NJ2-12GM-N und KFD2-SOT2-Ex.N.<br />

PDFKanal (siehe Abschnitt 6.2.2)<br />

T [Test]<br />

PFDsys 1 Jahr 1,22 x 10 -4<br />

2 Jahre 2,45 x 10 -4<br />

5 Jahre 6,11 x 10 -4<br />

PDF des neuen redundanten Eingangsteilsystems<br />

PDFsys = 4/3 x PDF 2 Kanal<br />

T [Test]<br />

PFD sys<br />

1 Jahr 1,98 x 10 -8<br />

2 Jahre 8,00 x 10 -8<br />

5 Jahre 4,98 x 10 -7<br />

1oo2<br />

Beispiel:<br />

Eingangsteilsystem 1<br />

Eingangsteilsystem 2<br />

Ausgabedatum 2007-10-04 180661


Ausgabedatum 2007-10-04 180661<br />

SIL-Handbuch<br />

Andere Strukturen<br />

Achtung<br />

SFF des neuen redundanten Eingangsteilsystems<br />

Da beide Kanäle gleich sind, ändert sich die SFF nicht.<br />

SFF des Eingangsteilsystems > 88 %<br />

Fehlertoleranz der Hardware<br />

Das neue Eingangsteilsystem ist jetzt redundant (1oo2).<br />

Fehlertoleranz der Hardware = 1<br />

SILmax des neuen redundanten Teilsystems (PDFsys kleiner als 10 % PDFmax ):<br />

T [Test] PDFsys Architektur SIL des neuen redundanten<br />

Teilsystems<br />

1 Jahr SIL4 SIL3 SIL3<br />

2 Jahre SIL4 SIL3 SIL3<br />

5 Jahre SIL4 SIL3 SIL3<br />

Die Berechnung berücksichtigt noch keine Fehler gemeinsamer Ursachen (siehe<br />

Abschnitt 7.3).<br />

29


30<br />

SIL-Handbuch<br />

Andere Strukturen<br />

7.3 Fehler gemeinsamer Ursachen<br />

Fehler gemeinsamer Ursachen müssen in sicherheitstechnischen Systemen<br />

betrachtet werden. Falls zum Beispiel beide Kanäle einer 1oo2-Struktur mit dem<br />

gleichen Netzteil versorgt werden, reicht ein Netzteilausfall, um das System außer<br />

Betrieb zu setzen. Diese „Kanaltrennung“ wird durch einen Parameter (β) beschrieben.<br />

Die Bewertung wird mit Hilfe einer Tabelle aus dem Anhang D der<br />

IEC/EN 61508 (Teil 6) durchgeführt (Scoring System). Tabelle 7.1 zeigt einen Auszug<br />

aus der in Anhang D enthaltenen Tabelle.<br />

Frage Logik-<br />

Teilsystem<br />

Trennung<br />

Werden alle Signalkabel an allen Stellen für die Kanäle getrennt<br />

geführt?<br />

Sind die Kanäle des Logik-Teilsystems auf getrennten Leiterplatten?<br />

Sind die Kanäle des Logik-Teilsystems in getrennten Schaltschränken?<br />

Wenn die Sensoren/Stellglieder zugeordnete Steuerelektroniken<br />

haben, befinden sich diese für jeden Kanal auf getrennten Leiterplatten?<br />

Wenn die Sensoren/Stellglieder zugeordnete Steuerelektroniken<br />

haben, befinden sich diese für jeden Kanal im Innenraum und in<br />

getrennten Schaltschränken?<br />

Diversität/Redundanz<br />

Verwenden die Kanäle verschiedene Technologien – zum Beispiel<br />

einer Elektronik oder programmierbare Elektronik und der andere<br />

Relais?<br />

Verwenden die Kanäle verschiedene elektronische Technologien –<br />

zum Beispiel einer Elektronik und der andere programmierbare<br />

Elektronik?<br />

Verwenden die Sensoren verschiedene physikalische Prinzipien –<br />

zum Beispiel Druck und Temperatur, Messung der Strömungsgeschwindigkeit<br />

mit einem Flügelrad-Aufnehmer oder mit dem Doppler-Effekt?<br />

Verwenden die Geräte andere elektrische Prinzipien oder Konstruktionen<br />

– zum Beispiel digital und analog, verschiedene Hersteller<br />

(nicht nur baugleiches Gerät mit verschiedenen Marken)<br />

oder verschiedene Technologien?<br />

Verwenden die Kanäle ausgeprägte Redundanz mit einer MooN-<br />

Architektur, wobei N > M + 2?<br />

Verwenden die Kanäle ausgeprägte Redundanz mit einer MooN-<br />

Architektur, wobei N = M + 2?<br />

Wird niedrige Diversität verwendet – zum Beispiel Hardware-Diagnosetests<br />

unter Verwendung gleicher Technologie?<br />

Wird mittlere Diversität verwendet – zum Beispiel Hardware-Diagnosetests<br />

unter Verwendung unterschiedlicher Technologien?<br />

Wurden die Kanäle von verschiedenen Entwicklern entworfen, die<br />

während der Entwurfstätigkeit keine Kommunikation hatten?<br />

Werden während der Inbetriebnahme für jeden Kanal unterschiedliche<br />

Testmethoden und Personen eingesetzt?<br />

Wird die Instandhaltung für jeden Kanal von anderen Personen zu<br />

anderen Zeiten durchgeführt?<br />

Sensoren<br />

und Stellglieder<br />

X LS Y LS X SF Y SF<br />

1,5 1,5 1,0 2,0<br />

3,0 1,0<br />

2,5 0,5<br />

2,5 1,5<br />

2,5 0,5<br />

Tabelle 7.1 Bewertung der programmierbaren Elektronik oder der Sensoren/Abschlusselemente<br />

(Auszug)<br />

Die üblichen Werte liegen bei:<br />

Feldgeräten mit Verkabelung: zwischen 5 % und 10 %<br />

Sicherheits-SPS: 1 %<br />

7,0<br />

5,0<br />

7,5<br />

5,5<br />

2,0 0,5 2,0 0,5<br />

1,0 0,5 1,0 0,5<br />

2,0 1,0<br />

3,0 1,5<br />

1,0 1,0<br />

1,0 0,5 1,0 1,0<br />

2,5 2,5<br />

Ausgabedatum 2007-10-04 180661


Ausgabedatum 2007-10-04 180661<br />

SIL-Handbuch<br />

Andere Strukturen<br />

In unserem Beispiel Wie groß ist der Einfluss von Fehlern mit gemeinsamer Ursache?<br />

Unerkannte Ausfälle infolge gemeinsamer Ursachen β<br />

λsubsys<br />

λsubsys<br />

Zuverlässigkeitsblockschaltbild<br />

Bild 7.3 Bewertung der Qualität der Kanaltrennung<br />

Zur Vereinfachung nehmen wir einen mittleren β-Faktor von 5 % an.<br />

Es gilt: PFD sys = PFD red + β x PFD subsys<br />

wobei<br />

PFD subsys die PFD eines einkanaligen Eingangsteilsystems und<br />

PFD red die PFD des redundanten Eingangsteilsystems ohne Fehler mit gemeinsamer<br />

Ursache ist<br />

PFD sys die PFD des redundanten Eingangsteilsystems einschließlich der Fehler mit<br />

gemeinsamer Ursache ist<br />

PFD red = 4/3 x PFD² subsys<br />

Es gilt: PFD sys = 4/3 x PFD² subsys + β x PFD subsys<br />

β x λ subsys<br />

T [Test] PFD subsys PFD red PFD sys<br />

1 Jahr 1,22 x 10 -4 1,98 x 10 -8 6,11 x 10 -6<br />

2 Jahre 2,45 x 10 -4 8,00 x 10 -8 1,23 x 10 -5<br />

5 Jahre 6,11 x 10 -4 4,98 x 10 -7 3,10 x 10 -5<br />

Ergebnis der SIL-Bewertung des 2-kanaligen Eingangsteilsystems mit der Berücksichtigung<br />

von Fehlern gemeinsamer Ursache (PDF sys kleiner als 10 % PDF max ):<br />

T [Test] PFD sys Architektur SIL sys<br />

1 Jahr SIL4 SIL3 SIL3<br />

2 Jahre SIL3 SIL3 SIL3<br />

5 Jahre SIL3 SIL3 SIL3<br />

Daraus erkennen Sie, dass die Kanaltrennungsqualität einen hohen Einfluss auf die<br />

Ausfallwahrscheinlichkeit besitzt.<br />

31


32<br />

SIL-Handbuch<br />

Die Bewertung „betriebsbewährt“ (Proven in Use, IEC/EN 61508, Teil 2)<br />

8 Die Bewertung „betriebsbewährt“ (Proven in Use, IEC/EN 61508,<br />

Teil 2)<br />

Hinweis<br />

Eine Komponente oder ein Teilsystem kann dann als betriebsbewährt (Proven in<br />

Use) angesehen werden, wenn anhand einer dokumentierten Bewertung dargelegt<br />

wird, dass aufgrund der vorherigen Verwendung der Komponente ausreichende<br />

Nachweise dafür vorliegen, dass sich die Komponente für den Einsatz in einem<br />

sicherheitstechnischen System eignet.<br />

Die während des Betriebs gewonnene Erfahrung sollte ausreichen, um die angegebenen<br />

Ausfallraten (Ausfälle, die sich aufgrund von zufälligen Hardwarefehlern<br />

ereignen) durch Statistiken zu unterstützen. Nur der vorherige Betrieb, bei dem<br />

eventuelle Ausfälle der Komponente effektiv erkannt und dokumentiert werden, darf<br />

bei der Analyse berücksichtigt werden.<br />

Weitere Informationen finden Sie in der EN 61511.<br />

Ausgabedatum 2007-10-04 180661


Ausgabedatum 2007-10-04 180661<br />

SIL-Handbuch<br />

Wie liest man einen SIL-Produktbericht?<br />

9 Wie liest man einen SIL-Produktbericht?<br />

SIL-qualifizierte Produkte nutzen dem Anwender nur, wenn die Daten, die für die<br />

SIL-Verifizierung der gesamten sicherheitstechnischen Funktion erforderlich sind,<br />

zur Verfügung gestellt werden. In der Regel werden PFD und SFF in Tabellenform<br />

dargestellt und für verschiedene Prüfintervalle berechnet. Die Berechnungen basieren<br />

auf einer Liste von Annahmen, die den allgemeinen Anwendungsbereich des<br />

Gerätes repräsentieren.<br />

Annahmen:<br />

Ausfallraten sind konstant, Verschleißmechanismen sind nicht enthalten<br />

Die Verbreitung von Ausfällen ist nicht relevant<br />

Alle Ausfallarten der Komponenten sind bekannt<br />

Die Reparaturzeit nach einem ungefährlichen Ausfall beträgt 8 Stunden<br />

Die Durchschnittstemperatur über einen langen Zeitraum beträgt 40 °C<br />

Die Beanspruchung ist für eine industrielle Umgebung durchschnittlich<br />

Alle Module werden in der Betriebsart mit niedriger Anforderungsrate betrieben<br />

Fehlerkategorien T [Test] = 1 Jahr T [Test] = 2 Jahre T [Test] = 5 Jahre SFF<br />

Fail Low (L) = sicher<br />

Fail High (H) = sicher<br />

Fail Low (L) = sicher<br />

Fail High (H) = gefährlich<br />

Fail Low (L) = gefährlich<br />

Fail High (H) = sicher<br />

Fail Low (L) = gefährlich<br />

Fail High (H) = gefährlich<br />

Tabelle 9.1 Beispiel für den Bericht zu einem SMART-Transmitter-Speisegerät<br />

Spalte Fehlerkategorien<br />

PFD und SFF dieses Gerätes hängen von der sicherheitstechnischen Gesamtfunktion<br />

und ihrer Fehlerreaktionsfunktion ab. Wenn z. B. ein Ausfall des Typs „Fail<br />

Low“ das System in einen sicheren Zustand versetzt und auch der Ausfall des Typs<br />

„Fail High“ vom Eingangskreis des Logiksystems erkannt wird, dann werden diese<br />

Komponentenfehler als ungefährlich betrachtet und die Werte in Zeile 1 können verwendet<br />

werden.<br />

Versetzt aber andererseits ein Ausfall des Typs „Fail Low“ das System in einen<br />

sicheren Zustand und der Ausfall „Fail High“ wird nicht erkannt und könnte zu einem<br />

Gefahr bringenden Zustand des Systems führen, dann ist dieser Fehler ein Gefahr<br />

bringender Fehler und die Werte aus Zeile 2 müssen verwendet werden.<br />

Spalten T [Test] und SFF<br />

PFD avg = 1,6 x 10 -4<br />

PFD avg = 2,2 x 10 -4<br />

PFD avg = 7,9 x 10 -4<br />

PFD avg = 8,6 x 10 -4<br />

PFD avg = 3,2 x 10 -4<br />

PFD avg = 4,5 x 10 -4<br />

PFD avg = 1,6 x 10 -3<br />

PFD avg = 1,7 x 10 -3<br />

-4 > 91 %<br />

PFDavg = 8,0 x 10<br />

PFDavg = 1,1 x 10<br />

-3 > 87 %<br />

-3 > 56 %<br />

PFDavg = 3,9 x 10<br />

-3 > 52 %<br />

PFDavg = 4,3 x 10<br />

<strong>Pepperl+Fuchs</strong> hat in seinen Betrachtungen die maximale PFD eines Interfacebausteins<br />

auf 10 % des maximal zulässigen Wertes für einen vorgegebenen SIL (in diesem<br />

Fall SIL2) beschränkt.<br />

Grün steht für einen PFD-Anteil kleiner als 10 % des Gesamtwertes für SIL2.<br />

Gelb steht für einen PFD-Anteil über 10 % des Gesamtwertes für SIL2.<br />

Die roten Werte in der Spalte SFF sind mit den Architekturbeschränkungen<br />

des vorgegebenen SIL (in diesem Fall SIL2) nicht zu vereinbaren. Eine<br />

SFF < 60 % beschränkt ein System mit einer Hardware-Fehlertoleranz von 0<br />

auf SIL1.<br />

33


34<br />

SIL-Handbuch<br />

Glossar/Formelsammlung<br />

10 Glossar/Formelsammlung<br />

10.1 Ausfallrate λ(t)<br />

Formel 1<br />

Formel 2<br />

Die Ausfallrate λ(t) gibt an, wie groß die relative Anzahl von Ausfällen während<br />

einer bestimmten Beobachtungszeit ist. Für eine einzelne Komponente ergibt sich<br />

daher aus der Ausfallrate λ unmittelbar die Ausfallwahrscheinlichkeit während der<br />

o. g. Beobachtungszeit. Es gilt:<br />

λ(t) =<br />

Zusammen mit den beiden nachfolgenden Definitionen ergibt sich hieraus:<br />

Definitionen:<br />

∆t = Beobachtungszeit<br />

n(t) = Anzahl funktionierender Komponenten zum Zeitpunkt t<br />

λ(t) =<br />

Anzahl der Ausfälle während einer bestimmten Beobachtungszeit<br />

Anzahl beobachteter Komponenten x Beobachtungszeit<br />

Die Einheit der Ausfallrate λ ist 1/Zeit. Hierbei wird die Ausfallrate von 10 -9 h -1 oft<br />

mit der Bezeichnung FIT (Failures In Time) abgekürzt.<br />

Normalerweise haben Komponenten und Systeme am Anfang ihres Lebens eine<br />

erhöhte Ausfallrate, die jedoch schnell abnimmt (sog. Frühausfälle). Nach kurzer<br />

Betriebsdauer erreicht die Ausfallrate einen Wert, der über einen längeren Zeitraum<br />

weitgehend konstant bleibt. Nach sehr langer Betriebsdauer ist in der Regel wieder<br />

ein Ansteigen der Ausfallrate zu beobachten, welches üblicherweise durch Verschleiß<br />

hervorgerufen wird. Aufgrund dieser Form des zeitabhängigen Verhaltens<br />

der Ausfallrate spricht man hier von einer „Badewannen-Kurve“.<br />

Ausfallrate [1/h]<br />

n(t) – n(t + ∆t)<br />

n(t) x ∆t<br />

0 2 4 6 8 10 12 14<br />

t<br />

Zeit [Jahre]<br />

Bild 10.1 Verhalten der Ausfallrate über einen längeren Zeitraum<br />

Beispiel:<br />

Es werden 10.000 Bauteile einem Lebensdauertest unterzogen. Hierbei fallen<br />

innerhalb einer Woche 3 Bauteile aus. Für die Ausfallrate ergibt sich dann:<br />

λ =<br />

1,60E -04<br />

1,40E -04<br />

1,20E -04<br />

1,00E -04<br />

8,00E -05<br />

6,00E -05<br />

4,00E -05<br />

2,00E -05<br />

0,00E +00<br />

10000 – 9997<br />

10000 x 7 x 24 h =<br />

3<br />

1680000 h ≈ 1,8 x 10-6 1<br />

h<br />

= 1800 FIT<br />

Ausgabedatum 2007-10-04 180661


Ausgabedatum 2007-10-04 180661<br />

SIL-Handbuch<br />

Glossar/Formelsammlung<br />

10.2 Konstante Ausfallrate λ<br />

Um Berechnungen zu vereinfachen, betrachtet man üblicherweise nur den Teil der<br />

Badewannenkurve, in dem die Ausfallrate konstant ist. Hierbei wird üblicherweise<br />

unterstellt, dass keine Frühausfälle zu beobachten sind bzw. diese bereits vor oder<br />

während der Inbetriebnahme (beim Hersteller oder während der Kommissionierung)<br />

auftreten. Weiterhin muss beachtet werden, dass alle Berechnungsergebnisse die<br />

unter der Annahme einer konstanten Ausfallrate ermittelt werden, nur solange gelten,<br />

wie kein Verschleiß auftritt. Bei elektronischen Geräten geht man üblicherweise<br />

davon aus, dass unter normalen Betriebsbedingungen nach 8 bis 12 Jahren Verschleißerscheinungen<br />

zu beobachten sind (EN 61508, Teil 2, Kapitel 7.4.7.4,<br />

Anmerkung 3).<br />

Formel 3 λ(t) = konst. = λ für t = 0 ... ≈ 10 Jahre<br />

10.3 Ausfallwahrscheinlichkeit F(t)<br />

Unter der Voraussetzung, dass die Ausfallrate λ(t) konstant ist („Boden der Badewannenkurve“),<br />

kann die Ausfallwahrscheinlichkeit einer Komponente leicht<br />

bestimmt werden. Es gilt:<br />

Formel 4 F(t) = 1 – e –λ x t<br />

Da in der Praxis der Exponent der e-Funktion betragsmäßig immer deutlich kleiner<br />

als 1 ist (λ x t


36<br />

SIL-Handbuch<br />

Glossar/Formelsammlung<br />

10.4 Wahrscheinlichkeits-Dichtefunktion f(t)<br />

Die Dichtefunktion f(t) der Ausfallwahrscheinlichkeit ergibt sich aus der Ableitung<br />

der Verteilungsfunktion F(t). Mit Hilfe der Wahrscheinlichkeitsdichte kann der<br />

Erwartungswert einer Zufallsgröße berechnet werden (hier: Erwartungswert der<br />

Lebensdauer MTTF, Mean Time To Failure).<br />

Die zeitliche Ableitung der Formel 4 ergibt:<br />

-λ x t<br />

Formel 6 f(t) = λ x e<br />

Hinweis<br />

10.5 Zuverlässigkeitsfunktion R(t)<br />

Wahrscheinlichkeits-Dichtefunktion [1/h]<br />

f (t)<br />

5 x 10 –6<br />

4 x 10 –6<br />

3 x 10 –6<br />

2 x 10 –6<br />

1 x 10 –6<br />

Bild 10.2 Ausfallwahrscheinlichkeit und Dichtefunktion<br />

Die Zuverlässigkeitsfunktion R(t) stellt die Wahrscheinlichkeit dar, dass eine Komponente<br />

ihre Funktion bis zu Zeitpunkt t erfolgreich ausführen wird.<br />

Da es sich bei der Zuverlässigkeitsfunktion R(t) um die zur Ausfallwahrscheinlichkeit<br />

F(t) komplementäre Größe handelt, kann diese leicht berechnet werden, indem<br />

die Ausfallwahrscheinlichkeit F(t) von 1 subtrahiert wird. Man erhält:<br />

Formel 7 R(t) = 1 – F(t) = 1 – (1 – e -λ x t )<br />

-λ x t<br />

R(t) = e<br />

0<br />

0 10 20 30 40 50<br />

t<br />

Zeit [Jahre]<br />

Man erkennt, dass am Anfang der Betriebszeit (hier z. B. bis etwa 8 Jahre) die<br />

Ausfallwahrscheinlichkeit näherungsweise linear mit der Zeit zunimmt.<br />

0,8<br />

0,6<br />

0,4<br />

0,2<br />

F (t)<br />

Ausfallwahrscheinlichkeit<br />

Ausgabedatum 2007-10-04 180661


Ausgabedatum 2007-10-04 180661<br />

SIL-Handbuch<br />

Glossar/Formelsammlung<br />

10.6 Mittlere Lebensdauer MTTF<br />

Formel 8<br />

Formel 9<br />

Achtung<br />

Aus der Dichtefunktion der Ausfallwahrscheinlichkeit kann die zu erwartende<br />

Lebensdauer wie folgt berechnet werden:<br />

Alternativ kann die mittlere Lebensdauer auch mit Hilfe der Zuverlässigkeitsfunktion<br />

R(t) wie folgt berechnet:<br />

10.7 Mittlere Ausfallwahrscheinlichkeit der Funktion im Anforderungsfall PFD<br />

(Probability of Failure on Demand)<br />

Formel 10<br />

∞<br />

MTTF(t) = ∫<br />

0<br />

∞<br />

MTTF(t) = ∫<br />

0<br />

∞<br />

t x f(t)dt = ∫ t x λ x e<br />

0<br />

-λ x t dt = 1<br />

λ<br />

∞<br />

R(t)dt = ∫ e<br />

0<br />

-λ x t dt = 1<br />

λ<br />

Der Zusammenhang MTTF = 1/λ gilt nur für verschleißfreie Systeme. Da auch<br />

elektronische Geräte bzw. Bauteile Verschleiß haben, ist es i. a. nicht zulässig,<br />

den Kehrwert der (konstanten) Ausfallrate λ als MTTF zu bezeichnen.<br />

Für Sicherheitsfunktionen, die nur im Falle einer Störung benötigt werden, ist die<br />

„Versagenswahrscheinlichkeit im Anforderungsfall“ (Probability of Failure on<br />

Demand, PFD) von Interesse. Diese Versagenswahrscheinlichkeit stellt im Rahmen<br />

der IEC/EN 61508 ein wichtiges Kriterium zur qualitativen Bewertung einer Sicherheitsfunktion<br />

dar.<br />

Grundsätzlich handelt es sich bei der o. g. Versagenswahrscheinlichkeit um eine<br />

zeitabhängige Größe. D. h. je nachdem, wann die Sicherheitsfunktion benötigt wird,<br />

ist die Wahrscheinlichkeit für deren Versagen mehr oder weniger groß. Um eine<br />

möglichst einfache Aussage bezüglich der Zuverlässigkeit einer Sicherheitsfunktion<br />

zu erhalten und um die entsprechenden Berechnungen zu vereinfachen, wird im<br />

Rahmen der IEC/EN 61508 die erwähnte Zeitabhängigkeit durch Mittelwertbildung<br />

eliminiert (PFDavg ). Wenn im Folgenden daher von „PFD“ die Rede ist, wird darunter<br />

immer deren Mittelwert (also streng genommen die PFDavg ) verstanden.<br />

Bei der Berechnung der PFD müssen zwei verschiedene Fehlerarten betrachtet<br />

werden. Dies sind zum einen gefährliche unerkannte Fehler (Fehlerrate λdu) und<br />

zum anderen gefährliche erkannte Fehler (Fehlerrate λdd). Letztere beeinflussen<br />

deshalb die PFD, da im Falle des Auftretens eines derartigen Fehlers das entsprechende<br />

Gerät repariert werden muss. Während der Reparaturzeit (Mean Time To<br />

Repair, MTTR) ist die Sicherheitsfunktion nicht verfügbar, so dass im Anforderungsfall<br />

diese ausfällt. Geht man davon aus, dass eine Reparatur innerhalb weniger<br />

Stunden durchgeführt werden kann (z. B. durch Austausch des defekten Geräts)<br />

und die Fehlerrate λdd der gefährlichen erkannten Fehler nicht ungewöhnlich groß<br />

ist, so kann dieses Risiko jedoch vernachlässigt werden. Die Berechnungsformeln<br />

für die PFD werden dadurch vereinfacht. Für eine einkanalige Struktur (1oo1), welche<br />

regelmäßig im Zeitintervall T1 einer kompletten Überprüfung unterzogen wird,<br />

lautet die vereinfachte Formel zur PFD-Berechnung wie folgt:<br />

PFD 1oo1 = λ du x T 1<br />

2<br />

37


38<br />

SIL-Handbuch<br />

Glossar/Formelsammlung<br />

10.8 PFD-Berechnung bei mehrkanaligen MooN-Strukturen (M out of N)<br />

Formel 11<br />

Formel 12<br />

Formel 13<br />

Formel 14<br />

Formel 15<br />

Formel 16<br />

Um die Versagenswahrscheinlichkeit einer Sicherheitsfunktion zu verringern, werden<br />

Systeme oft redundant aufgebaut. In diesen Fällen kann die PFD des redundanten<br />

Systems aus den Ausfallraten der einzelnen Kanäle berechnet werden. Eine<br />

Besonderheit ergibt sich nach IEC/EN 61508 dadurch, dass bei einem Teil der<br />

möglichen Fehler unterstellt wird, dass diese in gleicher Weise auf alle Kanäle einwirken<br />

und somit für diese Art von Fehlern jegliche Redundanz unwirksam ist. Bei<br />

der PFD-Berechnung wird diesem Umstand durch die Einführung eines Faktors (β)<br />

Rechnung getragen. Der Faktor β gibt an, wie groß der Anteil von Fehlern ist, welche<br />

auf alle Kanäle gleichzeitig einwirken. Wirken sich z. B. 3 % der möglichen Fehler<br />

eines Kanals auch auf die restlichen Kanäle aus, so gilt: β = 0,03.<br />

Die Ermittlung des Faktors β geschieht mit Hilfe eines tabellarischen Bewertungssystems,<br />

wobei hier sowohl die Geräteeigenschaften als auch die Art der Installation<br />

und der Umfang des Qualitätsmanagementsystems eine Rolle spielen.<br />

Im Zuverlässigkeitsblockdiagramm stellt sich die Sache dann so dar, dass der<br />

mehrkanaligen (redundanten) Struktur eine einkanalige Struktur nachgeschaltet<br />

wird, deren Fehlerrate gleich der „Fehler mit gemeinsamer Ursache“ ist.<br />

Kanal 1<br />

(ohne gemeinsame Fehler)<br />

Kanal 2<br />

(ohne gemeinsame Fehler)<br />

gemeinsame<br />

Fehler<br />

Bild 10.3 Zuverlässigkeitsblockdiagramm<br />

Wird auch hier wieder – wie bei der o. g. einkanaligen Struktur – der Einfluss der<br />

Reparaturzeit vernachlässigt, so erhält man für verschiedene mehrkanalige Strukturen<br />

folgende vereinfachte Formeln zur Berechnung der PFD (siehe auch<br />

VDI/VDE 2180):<br />

PFD 1oo1 ≈ λ du x T 1<br />

2<br />

PFD 2oo2 ≈ λ du x T 1 = 2 x PFD 1oo1<br />

PFD1oo2 ≈ λdu x T 2 2<br />

1<br />

3<br />

+ β x λ du x<br />

PFD2oo3 ≈ λdu x T1 + β x λdu x T 2 2<br />

1<br />

2<br />

PFD 1oo3 ≈<br />

3 3<br />

λdu x T1 4<br />

+ β x λ du x<br />

PFD2oo4 ≈ λdu x T1 + β x λdu x T 3 3<br />

1<br />

2<br />

T 1<br />

2 = 4/3 x PFD2 1oo1 + β x PFD 1oo1<br />

= 4 x PFD 2 1oo1 + β x PFD 1oo1<br />

T 1<br />

2 = 2 x PFD3 1oo1 + β x PFD 1oo1<br />

= 8 x PFD 3 1oo1 + β x PFD 1oo1<br />

Ausgabedatum 2007-10-04 180661


Ausgabedatum 2007-10-04 180661<br />

SIL-Handbuch<br />

Literaturverzeichnis<br />

11 Literaturverzeichnis<br />

IEC/EN 61508, Teil 1 bis 7<br />

IEC/EN 61511, Teil 1 bis 3<br />

VDI/VDE 2180<br />

Wahrscheinlichkeitstheorie für Ingenieure<br />

Lothar Litz<br />

Hüthig<br />

Zuverlässigkeitstechnik<br />

Balbir S. Dhillon<br />

VCH<br />

Control system safety evaluation and reliability<br />

Williams M. Goble<br />

ISA<br />

Reliability Engineering, Theory and Practice<br />

A. Birolini<br />

Springer<br />

39


40<br />

SIL-Handbuch<br />

Notizen<br />

Ausgabedatum 2007-10-04 180661


Es gelten die Allgemeinen Lieferbedingungen für Erzeugnisse und Leistungen der Elektroindustrie,<br />

herausgegeben vom Zentralverband Elektrotechnik und Elektroindustrie (ZVEI) e.V.<br />

in ihrer neuesten Fassung sowie die Ergänzungsklausel: „Erweiterter Eigentumsvorbehalt“.


�<br />

�<br />

�<br />

�<br />

�<br />

��������������������<br />

�����������������������<br />

�������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������<br />

�������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������<br />

�������������� ��������������������� �������������� ����������� ���� ������� ���� ������� ���������������������� ����������<br />

�����������������������������������������������������������������������������������������������������������������������<br />

�����������������������������������������������������������������������������������������������������������������<br />

���������� ���� ����� ���� ������������ ��������� ��� �������� ������������� �� �������������� ���� ����� ���� �������� ���� ���������<br />

������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������<br />

������������������������������������<br />

���������������������<br />

��������������������<br />

����������������������<br />

���������������������<br />

������������������������������������<br />

��������������<br />

������������������������<br />

��������<br />

������������������<br />

������������������������������������<br />

����������������������<br />

����������<br />

��������������������<br />

�������������������������<br />

������������������<br />

������������������������������������<br />

���������������������������<br />

�������������������������<br />

�����������<br />

��������������������<br />

������������������������������������<br />

���������������������<br />

��������������������<br />

����������������������<br />

��������������������<br />

������������������������������������<br />

�������������������<br />

�����������������������<br />

����������������<br />

��������������������<br />

������������������������������������<br />

��������������������������������<br />

�������������������������<br />

������������������<br />

������������������<br />

������������������������������������<br />

�������������������<br />

��������������������<br />

���������������������������������<br />

���������������������<br />

������������������������������������<br />

���������������������<br />

�<br />

�<br />

�<br />

�<br />

�<br />

�<br />

�<br />

������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������<br />

�<br />

�<br />

�<br />

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!