Christa Wolfs ,,Medea'' - Rekonstruktion eines Mythos
Christa Wolfs ,,Medea'' - Rekonstruktion eines Mythos
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interessiert sich vor allem für die hexenhafte Dimension und räumt Zaubereien im Mondenschein<br />
viel Platz ein, während der römische Dramatiker Seneca es mehr in ungezügelter Rhetorik und<br />
Strömen von Blut hält.“ (2) Und so setzt sich die Geschichte fort. Zahlreiche Autoren thematisierten<br />
den Stoff ringsum die Fahrt der Argo, mannigfache Erzählungen entstanden daraus.<br />
<strong>Christa</strong> Wolf sieht Medeas Geschichte völlig anders, reflektiert Gerhard Rupp (6, S. 306) und<br />
erklärt, dass Medea ihren Vater nicht aus Leidenschaft verrät, sondern aus dem Wissen um dessen<br />
Bluttaten heraus. Rupp setzt fort: ,,Dem entspricht ihr Wissen um die Ur-Schuld von Korinth: es ist<br />
der Mord an Kreons eigener Tochter Iphinoe.'' Medea verlässt, so Rupp, bei Wolf die Heimat<br />
Kolchis aufgrund ihrer Sehnsucht nach einer humanitäreren Gesellschaft. Rupp schreibt: ,,<strong>Wolfs</strong><br />
Version revidiert damit ein Jahrtausende altes Medea-Bild. Am Grunde der seit Euripides einer<br />
patriachalen Ideologie gehorchenden Medea-Bearbeitungen legt sie brutale machtpolitische<br />
Kalküle bloß, m.a.W. die Urszene blutiger Gewalt, auf der auch unsere Zivilisation gegründet ist.''<br />
(6, S. 306)<br />
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