Christa Wolfs ,,Medea'' - Rekonstruktion eines Mythos
Christa Wolfs ,,Medea'' - Rekonstruktion eines Mythos
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3.8.Integrierte <strong>Mythos</strong>kritik<br />
Wolf genügt sich nicht mit einer veränderten Darstellung des <strong>Mythos</strong>inhaltes. Sie webt an mehreren<br />
Stellen geschickt Kritik und Richtigstellung ein: „Ich mußte ihm, Jason, unrettbar verfallen sein. So<br />
sahen sie es alle, die Korinther sowieso; für die erklärt und entschuldigt die Liebe zu einem Mann<br />
alles.“ So hatte es Euripides dargestellt, so war es von vielen Autoren übernommen wurden: Medea,<br />
die zur Furie wird aus gekränkter, verletzter Liebe. Doch Wolf läßt Medea dies selbst ansprechen<br />
und in Frage stellen: Nicht die Liebe war es, die Medea aus der Heimat treibt, sondern die<br />
Sehnsucht nach einem humaneren Leben. Und auch als Verräterin am eigenen Vater soll sie nun<br />
nicht mehr länger zu unrecht gelten – auch diese Behauptung stellt die Medea-Figur selbst in Frage,<br />
indem sie ihre wahren Beweggründe nennt, warum sie Jason half und mit ihm floh.<br />
Wolf spricht manifestierte Annahmen zu Aspekten des Medea-<strong>Mythos</strong> an, die zwar überliefert<br />
wurden, jedoch in den ältesten literarischen Quellen des <strong>Mythos</strong> nicht auffindbar sind. „Sie sitzen<br />
abends an den Lagerfeuern und singen von Jason dem Drachentöter, manchmal komme ich vorbei,<br />
es schert sie nicht, ich glaube, sie wissen nicht einmal, daß ich es bin, den sie besingen.“ (1, S. 52)<br />
Medea erkennt: Sie, die Korinther, haben in ihren Liedern aus jedem den gemacht, den sie<br />
brauchen. Dementsprechend ist Medea in die Geschichte eingegangen, jede Epoche hat noch<br />
Elemente entsprechend eigenen Bedürfnissen eingebracht.<br />
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