Spielzeitheft 2011.2012 - Theater Trier
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gesprŠch.gerhard.weber<br />
Wenn der neue Spielplan im Hinblick auf die Titelauswahl eine weitgehend „traditionelle“ Dramaturgie in sich birgt – worin<br />
sehen Sie das verbindende Element zur Moderne?<br />
Tradition steht hier im positiven Sinne, also nicht für Starrheit, sondern für Bewegung und Inspiration aus der jeweiligen Zeit<br />
heraus. Mozart, Rossini, Puccini, Tschaikowsky, Shakespeare, Schiller und Ibsen haben unverzichtbare, mitunter revolutionäre<br />
Kernstücke geschaffen, aus der sich unsere heutige Moderne noch immer fundamental nährt.<br />
Und was resultiert aus dieser Erkenntnis?<br />
Zu verharren und nach traditionellen Werten zu suchen, aus denen wir für die Gegenwart schöpfen können, ist ein „Luxus“,<br />
den wir uns in jedem Fall leisten sollten. Mit dem gegenwärtigen Repertoire bieten wir so etwas wie eine Oase.<br />
Wie würden Sie diese „Oase“ konkreter definieren?<br />
Sowohl als Ort der Orientierung als auch der unbeschwerten Unterhaltung. Allerdings: Ganz sicher nicht als Ruhepunkt. Denn<br />
wenn wir diesmal bekannte klassische Stoffe in die Gegenwart holen, dann ist die Auseinandersetzung des Individuums am<br />
Rande der Gesellschaft mit den unverbesserlich Angepassten ein Sujet, das viele Stücke auf komische und oft auch nachdenkliche<br />
Weise durchzieht – und der beunruhigenden Frage nachgeht, wie wir heute mit Außenseitern umgehen, die nicht<br />
gesellschaftskonform leben.<br />
<strong>Theater</strong>aufführungen in außergewöhnlichen Spielstätten, die den Bezug zur City suchten, waren hier in den vergangenen<br />
Jahren neben dem herkömmlichen Spielbetrieb stets ein wichtiges Markenzeichen. Welche Projekte sind für diese Saison<br />
vorgesehen?<br />
Ich freue mich, dass wir als Wiederaufnahme eine weitere Aufführungsserie von Peter Turrinis Stück JOSEF UND MARIA<br />
im Modehaus Marx realisieren werden – wegen des sensationellen Erfolgs in der letzten Spielzeit. Kontraste hierzu verspricht<br />
Oliver Reeses Monolog BARTSCH, KINDERMÖRDER im großen Saal des <strong>Trier</strong>er Landgerichts. Nachdem wir das<br />
Stück über einen Missbrauchsfall in den 50er Jahren ausgewählt hatten, überrollten uns die medialen Ereignisse ebenso<br />
wie bei Dürrenmatts PHYSIKERN. Der soeben bekannt gewordene Fall eines pädophilen Erziehers, der hinter seiner bürgerlichen<br />
Scheinwelt unvorstellbare Abgründe zum Vorschein kommen ließ, rückt die Inszenierung in einen traurigen<br />
Kontext.<br />
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