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LEOPOLD IM SPIEGEL DER ZEIT - a3kultur

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07<br />

08. bis 21. Oktober 2012<br />

nicht nur erinnerungskultur<br />

Beim 61. Deutschen Mozartfest stellt sich die Frage: Welches Erbe hat uns Leopold Mozart hinterlassen?<br />

von Thomas Weitzel<br />

In diesem Jahr möchte die Deutsche Mozart-Gesellschaft<br />

in der Mozartstadt Augsburg mit einem<br />

besonderen Festivalkonzept an den 225. Todestag<br />

des Komponisten, Mentors und Pädagogen Leopold<br />

Mozart (1719–1787) erinnern.<br />

Würde man der mitunter inspirationslosen Huldigung<br />

von Geburtstagen und Todestagen folgen,<br />

könnte man sicherlich berechtigte Zweifel daran<br />

haben, ob gerade ein Todestag für das Konzept<br />

eines ganzen Festivals genügend Substanz bietet.<br />

Schließlich nutzt man ja doch lieber die Geburtstage<br />

als die Todestage, um heitere Feste zu feiern.<br />

Zunächst kann man aber sicherlich verallgemeinernd<br />

feststellen, dass Leopold Mozart nicht nur<br />

in der Erinnerungskultur der Mozartstadt Augsburg<br />

fest verankert ist, sondern seine Persönlichkeit<br />

auch im musikalischen Gedächtnis vieler<br />

Künstler und Pädagogen seinen Platz hat. Die Beschäftigung<br />

mit seiner Biografie, seinem kompositorischen<br />

Werk, seiner »Violinschule« und seiner<br />

Rolle als Förderer des jungen Wolfgang Amadé<br />

fasziniert die Musikwelt bis heute. Der Rahmen<br />

eines Musikfestivals im Jahre 2012 soll aber nicht<br />

dem Ritual der kunstvollen Stilisierung und dem<br />

pietätvollen Gedenken einer historischen Persönlichkeit<br />

dienen, sondern der 225. Todestag soll<br />

vielmehr zu einer weiterführenden Frage Anlass<br />

geben, nämlich: Welches Erbe und welche Verpflichtung<br />

hat uns Leopold Mozart hinterlassen?<br />

Mit dem Programm des diesjährigen Festivals wollen<br />

wir Leopold Mozart deshalb nicht nur im<br />

Spiegel seiner eigenen Epoche betrachten, sondern<br />

versuchen, seine Aktualität auch für uns<br />

heute auszudeuten. Schließlich war Leopold nicht<br />

nur der Förderer »seines« Wunderkindes, sondern<br />

ein Netzwerker, der – polyglott, wie er war – vielfältigste<br />

Kontakte in ganz Europa pflegte, die<br />

komplexe Logistik der Reisen bewältigte und sich<br />

mit den modernsten Wissenschaften beschäftigte.<br />

Er war ein aufgeklärter Geist, der aber auch als<br />

Komponist ganz auf der Höhe seiner Zeit war.<br />

Heute würden wir salopp sagen: Leopold war breit<br />

aufgestellt und »up to date«, wenn es um die geistigen<br />

und kulturellen Strömungen seiner Zeit<br />

ging. Mit einer reinen Retrospektive würden wir<br />

seiner facettenreichen Persönlichkeit daher wohl<br />

kaum gerecht und der Spiegel bliebe blind, statt<br />

mannigfaltige Reflexionen auszulösen.<br />

Ensembles und Veranstalter auf die Meisterwerke<br />

des Barock und die Zeit der bereits ausgeprägten<br />

Wiener Klassik konzentrieren. Persönlichkeiten,<br />

die in die Übergangszeiten hineingeboren wurden,<br />

werden oft als weniger genial oder als Kleinmeister<br />

abgetan. Wie wichtig aber gerade diese<br />

Zwischenschritte im Hinblick auf die Ausbildung<br />

des klassischen Stils waren, soll während des Festivals<br />

in mustergültigen Aufführungen von Spezialisten<br />

dokumentiert werden.<br />

Hierfür konnte das renommierte Originalklangensemble<br />

Wallfisch Band mit Elizabeth Wallfisch<br />

und Bruno Weil an der Spitze als orchestra in residence<br />

gewonnen werden. Das Arbeitsprinzip<br />

der Wallfisch Band basiert auf der Idee, jungen<br />

Absolventen, die am Anfang ihrer Laufbahn als<br />

Orchestermusiker stehen, eine Plattform zur Weiterbildung<br />

mit Praxisbezug zu geben. Die jungen<br />

Talente profitieren dabei von im internationalen<br />

Konzertbetrieb erfahrenen Musikerpersönlichkeiten,<br />

mit denen sie gemeinsam an den Pulten<br />

sitzen. Unter der fachkundigen Anleitung von<br />

Elizabeth Wallfisch und Bruno Weil, die stets die<br />

»Violinschule« von Leopold in der Tasche tragen,<br />

werden sie die Stilprinzipien des 18. Jahrhunderts<br />

einüben und uns Zuhörern einen hörenswert<br />

neuen Zugang zur Musik einer<br />

vernachlässigten Epoche ermöglichen.<br />

Mit Leopold als Symbolfigur werden daher im Fes-<br />

Auf der anderen Seite will das Festival in exemplarischer<br />

Weise einen bildungspolitischen Auftrag<br />

wahrnehmen und junge Menschen spielerisch an<br />

die klassische Musik hinführen. Daher gibt es oftivalprogramm<br />

sowohl repertoiretechnisch wie fene Proben, Workshops, Würfelkompositionen,<br />

auch im pädagogischen Sinne verschiedene »Wege Gesprächskonzerte und vieles mehr. Schließlich<br />

zur Klassik« beschritten.<br />

wird sogar die »Kindersinfonie« von Leopold zur<br />

Auf der einen Seite bedeutet dies, dass sich die Folie für eine neue »Toysymphonie« des 1. Deut-<br />

musikalische Dramaturgie des Festivals auf die Lischen Stromorchesters, bei der plötzlich die moteratur<br />

der Vorklassik und die Zeitgenossen Leodernen Spielzeughelden und Gameboys Einzug in<br />

pold Mozarts konzentriert, um damit die Vorstufe das symphonische Schaffen halten. Dieser Ansatz<br />

zum klassischen Stil zu dokumentieren und Ent- hätte Leopold sicherlich gefallen, galt er doch<br />

wicklungslinien aufzuzeigen. Gerade im heutigen selbst als ein Mann »von vielem Witz«, der auch<br />

Musikbetrieb stellt diese Epoche so etwas wie seinen Filius gemahnte, dass er das sogenannte<br />

einen Missing Link dar, da sich die Mehrzahl aller Populäre nicht vergessen möge.<br />

a3k-Anzeige-Sept12_Layout 1 10.09.12 09:12 Seite 1<br />

Schließlich kommt ein dritter Aspekt für das Festival<br />

hinzu: Rang Leopold Mozart auf seinen zahlreichen<br />

Reisen mit dem jungen Wolfgang Amadé<br />

nicht um Auftrittsmöglichkeiten und um Anerkennung<br />

für die Talente seines Sohnes? Vor diesem<br />

Hintergrund möchte das Festival natürlich<br />

auch zu einer Plattform für junge Nachwuchskünstler<br />

werden, und zwar sowohl für diejenigen,<br />

die ihre musikalische Tätigkeit professionalisieren<br />

wollen, wie auch für musikalische Amateure im<br />

»Mit einer reinen Retrospektive würden wir seiner facettenreichen Persönlichkeit wohl kaum gerecht<br />

und der Spiegel bliebe blind« – Thomas Weitzel über sein Festivalkonzept Foto: KW Neun<br />

besten Sinne. Die beliebten Mittagskonzerte werden<br />

daher ausschließlich von jungen Nachwuchsmusikern<br />

wie zum Beispiel Mitgliedern des<br />

Schwäbischen Jugendsinfonieorchesters gestaltet,<br />

während die »Wunderkinder« von heute vom<br />

Amadeus-Klavierwettbewerb in Brünn entsandt<br />

werden. Natürlich spricht man in diesem Kontext<br />

sicherlich besser von musikalisch Hochbegabten,<br />

zu denen auch das »Klavierkind« zu zählen ist, das<br />

Sebastian Seidel in seiner Uraufführung für das<br />

Mozartfest auf die Bühne bringt. Dass die »Wunder«<br />

zumeist ganz alltägliche und häusliche Katastrophen,<br />

ja psychische Belastungen für alle<br />

familiär Beteiligten bedeuten, wird in der abgeklärten<br />

Rückschau oft vergessen. Sebastian Seidel<br />

wird mit seinem Psychogramm einen Blick auf<br />

eine Musikwelt werfen, die nicht nur stolze Gewinner<br />

von Wettbewerben kennt, sondern auch<br />

Menschen, die sich bei der Förderung »ihrer<br />

Wunderkinder« selbst verloren haben.<br />

Damit beim Mozartfest aber nicht nur den Stars<br />

von morgen eine Plattform geboten, sondern auch<br />

der Bedeutung von Amateuren für ein lebendiges<br />

Musikleben Rechnung getragen wird, veranstaltet<br />

die Deutsche Mozart-Gesellschaft erstmalig im<br />

Rahmen des Festivals und gefördert aus EU-Mitteln<br />

den Hausmusikwettbewerb »Heimspiel«. Insgesamt<br />

21 Laienensembles haben sich in Augsburg<br />

angemeldet, um den Beweis anzutreten, dass die<br />

Hausmusik auch in Zeiten von CD und MP3-Player<br />

nach wie vor lebendig ist. Mit Verve, Leidenschaft<br />

und einer gehörigen Portion Sportsgeist treten sie<br />

in der Heimatstadt von Leopold Mozart an, um<br />

dem immer mehr auf Hochglanz und Perfektio-<br />

Was die im kommenden Wintersemester<br />

auf ihrem Campus und bei uns in der Stadt<br />

wohl wieder alles veranstalten werden?<br />

Manches steht bereits fest, vieles noch nicht.<br />

Deshalb aktualisieren wir unseren Veranstaltungskalender täglich:<br />

www.uni-augsburg.de/veranstaltungen<br />

gAStBeitrAg<br />

nismus getrimmten Musikbetrieb zu neuer Bodenhaftung<br />

zu verhelfen. Denn wie sähe die Zukunft<br />

der klassischen Musik aus, wenn es sie nicht gäbe,<br />

die Heimspiel-Matadore? Selbst Robert Schumann<br />

warnte bereits vor einem übersteigerten Professionalismus<br />

und einer einseitig vollzogenen Musikdarbietung<br />

von Virtuosen, als er seinem<br />

Eusebius zu bedenken gab: »Hüte dich jedoch, Eusebius,<br />

den vom Kunstleben unzertrennlichen Dilettantismus<br />

(im besseren Sinn) zu gering zu<br />

veranschlagen. Denn der Ausspruch ›kein Künstler,<br />

kein Kenner‹ muss so lange als Halbwahrheit<br />

hingestellt werden, als man nicht eine Periode<br />

nachweist, in der die Kunst ohne jede Wechselwirkung<br />

geblüht hat.« Zeitgemäßer formulierte es<br />

der Musikjournalist Martin Hufner, indem er<br />

schrieb: »Musik lebt in Wohnzimmern und Kellern.<br />

Der musikalische Sud aus Laien, Liebhabern<br />

und Dilettanten ist die Ursuppe einer gelingenden<br />

Musikkultur.« Im Rahmen des 61. Deutschen Mozartfestes<br />

wird diese »Ursuppe« nun mit einem<br />

spannenden Wettbewerb kräftig zum Köcheln gebracht.<br />

Für die nötige Abwechslung und Würze<br />

des Ganzen sorgen Ensembles, die aus dem gesamten<br />

Bundesgebiet, aus Belgien, Österreich, der<br />

Schweiz und sogar aus China anreisen. Gespielt<br />

werden klassische Werke in den unterschiedlichsten<br />

Besetzungen und Arrangements, denn<br />

erlaubt ist, was gefällt, solange das Repertoire klassisch<br />

ist. Neben einem Klaviertrio und Streichquartett<br />

werden daher ein Mandolinenquartett<br />

oder ein Blockflötenoktett ebenso beteiligt sein<br />

wie viele andere gemischte Ensembles. Und auch<br />

beim Alter kennt die Liebe zur Musik keine Grenzen,<br />

zwischen 7 und 73 sind die Teilnehmer, die<br />

nicht nur um die Gunst der international besetzten<br />

Fachjury ringen, sondern natürlich auch um<br />

die Gunst des Publikums.<br />

Mit seinem ganzen Programm präsentiert sich<br />

das diesjährige Mozartfest einmal mehr als ein<br />

facettenreiches Themenfestival, das es sich zur<br />

Aufgabe gemacht hat, Unikate zu präsentieren<br />

und Geschichten zu erzählen. Konsequenterweise<br />

darf dabei natürlich zum Auftakt eine veritable<br />

Uraufführung nicht fehlen. Nachdem vom<br />

Autor der »Violinschule« kein entsprechendes<br />

Solokonzert überliefert ist, wird das Festival mit<br />

einem Leopold gewidmeten Violinkonzert von<br />

Alexander Rosenblatt eröffnet. Musikalisch darf<br />

man auf den Vexierspiegel gespannt sein, den<br />

uns der Komponist mit den Anspielungen auf<br />

Werke Tartinis und Leopolds mit dem jungen<br />

Geiger Sergey Dogadin und der Bayerischen<br />

Kammerphilharmonie vorhält. Dem Augsburger<br />

Publikum mögen jedenfalls die Spiegelungen<br />

des Augsburger Lokalmatadors viel<br />

Vergnügen bereiten!<br />

Thomas Weitzel<br />

ist Präsident der DeutschenMozart-Gesellschaft<br />

und künstle-<br />

r ischer Leiter des Deut<br />

schen Mozartfestes sowie<br />

Leiter des Kulturamts<br />

der Stadt Augs<br />

burg<br />

w w w . a 3 k u l t u r . d e

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