LEOPOLD IM SPIEGEL DER ZEIT - a3kultur
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KOLuMne<br />
Wie neulich von Wikileaks zu erfahren war,<br />
wird im Augsburger Klinikum bei Herzoperationen<br />
an Augsburgern oft festgestellt, dass<br />
bei ihnen gar kein Herz auffindbar ist. Die latexbehandschuhte<br />
Hand des Arztes greift im<br />
Patientenbrustkorb ins Leere, aus Letzterem<br />
klingt nur das Echo der Schrecklaute des verwunderten<br />
OP-Personals. Der Anästhesist<br />
dreht die Jazzmusik etwas lauter. Irgendetwas<br />
muss man in solchen Momenten ja tun. Nur<br />
nicht das Fernsehen anrufen.<br />
Kinder des Olymp, 2008, Öl auf Leinwand, 160 x 120 cm<br />
w w w . a 3 k u l t u r . d e<br />
Sortier die Särge nach Farbe<br />
GALERIE NOAH<br />
ARMIN<br />
MUELLER-STAHL<br />
Malerei, Arbeiten auf Papier<br />
15.09. – 11.11.2012<br />
Beim Glaspalast 1 | 86153 Augsburg | 0821/8151163<br />
Di – Do: 11–15 Uhr, Fr, Sa, So, Feiertage: 11–18 Uhr<br />
Gerne auch nach Vereinbarung<br />
www.galerienoah.com<br />
9<br />
Obwohl ein gewisses Epizentrum im Augsburger<br />
Raum zu verzeichnen ist, handelt es sich bei<br />
gerade Beschriebenem (natürlich!) um ein<br />
deutschlandweites Phänomen. Schnell entstand<br />
daraus der Mythos der »Organspende«;<br />
die entsprechenden Menschen hätten ihr Herz<br />
»gespendet«, heißt es dann in Pressemitteilungen.<br />
Da zur Verwunderung des Klinikpersonals<br />
die Spender eifrig weitergelebt hätten,<br />
habe man die Brustkörbe ordnungsgemäß wieder<br />
vernäht und die Patienten zur Erholung in<br />
den Botanischen Garten (Pavillon) oder zu<br />
McDonald’s (Chicken McNuggets) geschickt.<br />
Dem Kolumnisten ist eine Presseerklärung bekannt,<br />
in der ein Öffentlichkeitsreferent folgende<br />
Angstmitteilung ausschwitzte: Die<br />
Herzlosigkeit sei zwar verwunderlich, dennoch<br />
verhalte es sich hier wie folgt: Ebenso wie es<br />
Menschen gebe, die sich ihre Leber wegsöffen,<br />
so habe es sich hier um Personen gehandelt, die<br />
ihr Herz weggeliebt hätten. Dies habe man während<br />
der OP lediglich festgestellt; und auf einen<br />
weihevollen Skalpellwink des Chirurgen hin<br />
habe sich das OP-Personal gemeinsam vor dem<br />
geöffneten Korpus verneigt. Das Volk freut sich<br />
über solche Medienmeldungen.<br />
Der Leser hat es bemerkt: Das Thema der heutigen<br />
Kolumne ist Herzlosigkeit – und damit<br />
auch deren enge Verwandte, die Dummheit.<br />
Viele Menschen sind verbittert, verbohrt, verhärtet.<br />
Ihre von verkniffenen, kleinen, kaum<br />
feststellbaren, papierdünnen Lippen versiegelten<br />
Gesichter ähneln einem fleischgewordenen<br />
»Kongress am Park«: Sie sind halb Mensch, halb<br />
Sichtbeton.<br />
Derlei Menschen geht man, wenn sie einen<br />
nicht schon von selbst mit ihren Geistesgiften<br />
verjagen, gerne aus dem Weg. Sie bleiben unter<br />
sich. An einer Universität in Ohio hat man dies<br />
nach jahrzehntelangen Jahren psychologischer<br />
Forschung in folgenden Worten zusammengefasst:<br />
»Gleich und gleich gesellt sich gern.«<br />
Diese soziopsychologische Mechanik sorgt<br />
dafür, dass Leute mit Leuten zusammenbleiben,<br />
die genauso dumm sind wie sie selbst.<br />
von Martin Vodalbra<br />
Wenn jeweils in einer »Gleich und gleich«-Liga<br />
jene Menschen in größeren Chargen durch die<br />
Gegend laufen, rempeln sie einander an. Wie<br />
bei aneinandergeschlagenen Feuersteinen entsteht<br />
dann eine Art übergreifender, konstituierender<br />
Funkenflug und schnell liest man dann<br />
in der Zeitung Headlines wie »40 Jahre Landkreis<br />
Augsburg« oder »100 Jahre aufrechter<br />
Gang im Saarland«.<br />
Aufgrund der festgestellten Mechanik könnte<br />
man also sagen, dass die Menschheit zwar nicht<br />
nach Landkreisen oder Bundesländern, so aber<br />
doch in nach Dummheitsgrad sortierten Gruppen<br />
in den Tod wandert. Fällt dann der Sargdeckel<br />
und öffnet sich die Jenseitstür – ein<br />
beliebtes Doppelgeräusch –, so wird einem<br />
dann von Petrus der eigene Intelligenzquotient<br />
eröffnet. Dies macht keinen Spaß und wird von<br />
08. bis 21. Oktober 2012<br />
OriginALe<br />
<strong>a3kultur</strong> hat in Zusammenarbeit mit Künstlern aus unserer Region eine Edition mit Kunstwerken<br />
aus heimischer Produktion zusammengestellt. Die in der ersten <strong>a3kultur</strong>-edition vertretenen<br />
Künstler sind:<br />
Günther Baumann<br />
Bettina Kohlen Frauke Wichmann<br />
lab binaer Sebastian Lübeck<br />
Frank Mardaus Eckhart Matthäus<br />
Udo Rutschmann Felix Weinold<br />
Die für dieses Projekt zur Verfügung gestellten Originale werden unseren Lesern zum freundlichen Sonderpreis von<br />
180 Euro angeboten. Die Auflage ist auf jeweils 20 Blatt limitiert. Die komplette Mappe mit der <strong>a3kultur</strong>-edition kostet<br />
990 Euro und ist ab dem 1. Oktober verfügbar. Die Einzelblätter sind ab dem 5. November erhältlich.<br />
Informationen, Reservierungen und Bestellungen unter: www.<strong>a3kultur</strong>.de<br />
<strong>a3kultur</strong>-edition<br />
einzelblatt: 180 euro<br />
12<br />
manchen Religionen als »Hölle« gedeutet. Viele<br />
Friedhöfe tragen der Dummheitsmechanik bereits<br />
Rechnung, indem sie, den folgenden Besucherströmen<br />
zuliebe, Särge je nach IQ-Grad des<br />
Verstorbenen nach Farbe sortieren oder spezielle<br />
IQ-harmonisch komponierte Grabfelder<br />
auszeichnen.<br />
Manche Leser, auch die lebenden, mögen dem<br />
Schreiber vorwerfen, sein für die <strong>a3kultur</strong>-Zeitung<br />
eingereichter Aufsatz sei zu morbid. Hier<br />
sei darauf verwiesen, dass in Augsburg ein signifikanter<br />
Totenkult betrieben wird, der sich<br />
unbemerkt und doch klar erkennbar bis ins<br />
Stadtmarketing ausgebreitet hat. Die Stadt bewirbt<br />
ihr Image vornehmlich mit Toten: Brecht,<br />
Mozart, Diesel, Fugger und anderen gerade<br />
noch mit etwas Restreferenzfleisch behangenen<br />
Skeletten aus der Kultur-Tiefkühltruhe.<br />
Eine Art kulturelle Zombiestadt, die die grünen<br />
Friedhofs-Plastikgießkannen auf ihrem geistigen<br />
Gräberfeld als »Farbtupfer« bezeichnet.<br />
Der Grund für die von der Stadtpolitik gezielt<br />
gelenkte Totenverehrung: Wendet man sich<br />
Toten zu, klappt das Einvernehmen vorzüglich,<br />
wendet man sich Lebenden zu, gibt’s Ärger. Und<br />
wer will das schon? Dies ist auch der Grund,<br />
warum dem Kolumnisten bisher konsequent der<br />
Einzug in den Augsburger Stadtrat verweigert<br />
wurde. Würde der Autor seine Kolumne aus dem<br />
Grab heraus diktieren, gälte dies, allein schon<br />
aufgrund der Resonanzkraft der Grabplatte, als<br />
experimentell und außerdem ziemlich totenlike.<br />
Und plötzlich, ja ganz plötzlich sähe die<br />
ganze Sache schon wieder ganz anders aus.<br />
*** Martin Vodalbra ist Augsburgs geistige Mobilitäts-<br />
drehscheibe. Er gilt als der Peter Scholl-Latour der<br />
Depression.<br />
� www.facebook.com/martin.vodalbra<br />
mappe mit 9 Originalen: 990 euro<br />
* Die Preise verstehen sich inklusive der gesetzlichen MwSt.