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Lernpaket Mythos Ferrari - Völklinger Hütte

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Weltkulturerbe <strong>Völklinger</strong> <strong>Hütte</strong><br />

Europäisches Zentrum für Kunst und Industriekultur<br />

Generaldirektor Prof. Dr. Meinrad Maria Grewenig<br />

Das Feuer als treibende Kraft jeden Motors, das Wasser als wichtiges — und oft genug<br />

störendes — Element der Erdoberfläche findet sich in jeder Pfütze, und das Abheben nach<br />

einer Bodenwelle bringt genügend Luft unter das Fahrzeug, um die Erdanziehung wenigstens<br />

für kleine Momente außer Kraft zu setzen. All das hat Günther Raupp in raffiniert einfache,<br />

geradezu minimalistische Bilder gegossen, die wirklich große Momente wie Monumente der<br />

Fotografie sind.<br />

<strong>Ferrari</strong> ist — mindestens in früheren Zeiten — eine automobile Manufaktur, in der Kleinserien<br />

und oft genug Einzelstücke entstanden. Kult wie Kultur sind diese Fahrzeuge aber nicht nur<br />

auf Auktionen mit millionenschweren Aufrufen, sondern sie verlangen nach ebenso<br />

einzigartigen Inszenierungen durch den Fotografen, nach Bildern, die jedes für sich allein<br />

stehen können. Das gelingt Günther Raupp insbesondere dann sehr gut, wenn das Fahrzeug<br />

in der Umgebung seines Sammlers oder in der Obhut eines Concorso d‘Eleganza<br />

aufgenommen wird — hier entspricht die Einzigartigkeit des Automobils direkt der<br />

Originalität des architektonischen Rahmens, etwa im Umfeld der Villa d‘Este bei Cernobbio<br />

am Lago di Como oder in der Nähe alter Herrschaftshäuser mit leicht surrealem Charakter.<br />

Rennwagen mit der Homologierung einer Kleinserie ebenso wie alte und neue Fahrzeuge der<br />

Formel 1 können ausschließlich auf Rennstrecken in Szene gesetzt werden, wobei<br />

Absperrgitter, Tribünen und Betonbarrieren den Fahrzeugen die Qualität von Raubtieren<br />

beigeben, ganz im Sinne des von Rainer Maria Rilke im Zoo beobachteten Tigers. Auch die<br />

immer möglichen Katastrophen eines solchen Rennens sind im Bild eingeschlossen. Und<br />

schließlich führt die Betrachtung der Auspuffanlagen gerade dieser Formel-1-Fahrzeuge in<br />

Günther Raupps oft schräggestellten Bildern wieder auf die Ursprünge des Künstlers in<br />

seiner malerischen Praxis zurück: Was manchen Motorjournalisten despektierlich als<br />

„Spaghetti-Auspuff― erscheint, wird für Günther Raupp zur künstlerischen Essenz der<br />

Kraftströme jenseits des Motors und ins Bild gesetzt wie in der Materialmalerei eines<br />

Fernand Léger oder im Surrealismus eines Yves Tanguy. Nur: Wo diese Maler ihre<br />

Farbpalette bis in eine braun-beige Abstufung zurücknahmen, geht Günther Raupp mit der<br />

Frische der Pop Art zu Werk: Klar und knallig sind alle Farben, und obendrein ordentlich<br />

schwarz konturiert.<br />

Für Paul Cézanne ist ein Bild nichts als eine bemalte Fläche, für die Fotografie gibt es seit<br />

László Moholy-Nagy eine Lichtfaktur als Einschreibung ins Papier — und alles, was<br />

dargestellt wird, hat hinter den Bildwillen des Künstlers zurückzutreten. Wird dieser Ansatz<br />

konsequent auf die Arbeit von Günther Raupp angewandt, dann ist der <strong>Mythos</strong> <strong>Ferrari</strong><br />

zuallererst ein visuelles Konstrukt. Sicher sind es wunderbare Automobile, die da auf seinen<br />

Bildern zu sehen sind, doch in erster Linie hat der Künstler Bilder geschaffen, die anhand<br />

eines automobilen Designs von der Faszination wie der Gefahr des schnellen Fahrens<br />

erzählen, und das in starken Metaphern. Der Künstler greift hier einmal mehr auf seine alten<br />

Erfahrungen zurück: Die Materialbilder seiner Studienzeit lassen sich als historische<br />

Einschreibungen einer Wirklichkeit lesen, die gleichzeitig nah und fern ist. Ähnliches gilt auch<br />

für die Betrachtung der Bilder dieser Ausstellung: die Legende als Geschichte, das Bild als<br />

<strong>Mythos</strong>, Günther Raupp als Fotograf von und für <strong>Ferrari</strong>.<br />

Weltkulturerbe <strong>Völklinger</strong> <strong>Hütte</strong><br />

Europäisches Zentrum für Kunst und Industriekultur<br />

66302 Völklingen / Saar<br />

Redaktion: Peter Backes, Dorothée Fellinger, Frank Krämer, Jeanette Wagner<br />

Tel. 06898/9100-159, Fax 06898/9100-111<br />

mail@voelklinger-huette.org Seite 89

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