Lernpaket Mythos Ferrari - Völklinger Hütte
Lernpaket Mythos Ferrari - Völklinger Hütte
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Weltkulturerbe <strong>Völklinger</strong> <strong>Hütte</strong><br />
Europäisches Zentrum für Kunst und Industriekultur<br />
Generaldirektor Prof. Dr. Meinrad Maria Grewenig<br />
<strong>Ferrari</strong> – Ein <strong>Mythos</strong> fotografiert von Günther Raupp<br />
von Rolf Sachsse<br />
Die Wertschätzung von Kunst und Design bemisst sich jenseits aller Emotionen und<br />
Expertisen an Auktionsergebnissen und Versicherungsprämien, und da wird beim ersten<br />
Blick deutlich, welchen Stellenwert die Marke <strong>Ferrari</strong> besitzt: Die gleichen Summen werden<br />
nur noch für Maler wie Vincent van Gogh und Tizian oder für Bildhauer vom Schlage eines<br />
Jeff Koons oder Damien Hirst bezahlt. Nur auf den ersten Blick ist es dann erstaunlich, wenn<br />
dieselben Sammler, die eiskalt um die großen Werke dieser Welt bieten, angesichts eines<br />
alten <strong>Ferrari</strong> Automobils zu Kindern mutieren, denen die Augen leuchten, wenn sie einen<br />
Kotflügel streicheln dürfen. Da wird alle Rationalität von Seltenheit und Erhaltungs- wie<br />
Restaurierungszustand für ein Entzücken hingegeben, das nur die exaltierten Karosserien<br />
von Alfredo Vignale, Sergio Scaglietti und der jungen Firmen Pinin Farina oder Ghia erzeugen<br />
können. Das Wissen von schwierigen Rennsiegen und tödlichen Unfällen erhöht diese<br />
Faszination noch um einige Potenzen und schlägt sich in erregten Zeitschriften- wie Netz-<br />
Fachsimpeleien oder massenhaft Auszeichnungen bei Oldtimer-Veranstaltungen nieder.<br />
Auch die neuen Fahrzeuge von <strong>Ferrari</strong> werden in diesen <strong>Mythos</strong> einbezogen, wie man<br />
beispielsweise an einem einfachen Bußgeldbescheid für das Falschparken des Fußballers<br />
Mesut Özil erkennen konnte.<br />
Doch ein solcher <strong>Mythos</strong> entsteht nicht von ungefähr, und er erhält sich auch nicht ohne jede<br />
Pflege – und hier kommt der Künstler Günther Raupp ins Spiel. Wer ihn zuhause besucht,<br />
sieht als erstes seine großen Werke aus der Zeit seines Malerei-Studiums an der<br />
Kunstakademie Stuttgart: Assemblagen aus Holz, Metall und Leinwand, malerisch intensiv<br />
bearbeitet und den heftigen Gestus des Informel ebenso fortführend wie den Surrealismus<br />
der Objektkunst. Und wer sich in diese Arbeiten ein wenig hineingesehen hat, sie auch als<br />
anfängliche Versuche eines eigenen Wegs in die Kunst erkennt, für den ist der Weg zur<br />
fotografischen Kunst von Günther Raupp nicht mehr weit: Die Farbigkeit wird zunächst<br />
monochrom angelegt, um einzelne Körperfarben hervorheben zu können – ganz nebenbei<br />
kann der Fotograf dann auch mit dem <strong>Mythos</strong> aufräumen, dass <strong>Ferrari</strong> Automobile allein im<br />
Rot der ehemals zugeteilten Rennfarbe daherkommen. Und er tut dies ja auch nur, um einem<br />
neuen <strong>Mythos</strong> Form zu geben, darin großen Vorbildern in Kunst- und Fotogeschichte gleich.<br />
Jeder Künstler kennt seine Vorbilder, sucht sie aus und beschäftigt sich mit ihnen soweit,<br />
dass er daraus neue Formen seiner Kunst beziehen kann: Das ist bei den Carosserieres von<br />
<strong>Ferrari</strong> nicht anders als beim Fotografen Günther Raupp.<br />
Weltkulturerbe <strong>Völklinger</strong> <strong>Hütte</strong><br />
Europäisches Zentrum für Kunst und Industriekultur<br />
66302 Völklingen / Saar<br />
Redaktion: Peter Backes, Dorothée Fellinger, Frank Krämer, Jeanette Wagner<br />
Tel. 06898/9100-159, Fax 06898/9100-111<br />
mail@voelklinger-huette.org Seite 87