Jahrbuch PDF (63MB) - ETH Zurich - ETH Zürich

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05.02.2013 Aufrufe

Andreas Tönnesmann Vorwort Departement Architektur Vorwort Foreword Vor 150 Jahren, am 26. April 1858, endete die wichtigste Bauausschreibung, die Zürich bis dahin erlebt hatte, mit einem spektakulären Fehlschlag. Die Jury befand keines der Projekte, die für den Bau des neu gegründeten Eidgenössischen Polytechnikums eingereicht worden waren, der Ausführung für würdig. Am Anfang der eth Zürich, könnte man sagen, standen Schwierigkeiten mit der Architektur. Allerdings sollte sich das Scheitern der Konkurrenz letztlich als Glücksfall sowohl für die Schule als auch für die Stadt Zürich erweisen. Denn der Zürcher Regierungsrat beschloss unverzüglich, zwei Architekten ad personam mit der Ausarbeitung neuer Pläne zu beauftragen: den Staatsbauinspektor Johann Caspar Wolff und Gottfried Semper, der seit kurzem mit dem Aufbau der Architekturabteilung am Polytechnikum beschäftigt war. Der frisch ernannte Professor war auf den Baubeamten Wolff nicht immer gut zu sprechen, aber beiden gelang letztlich ein paradigmatischer Entwurf – ein Bau, zu dessen Qualitäten sein genau definiertes Verhältnis zur vorhandenen Stadt gehört und der darüber hinaus Struktur und Anspruch der Institution, die er beherbergt, in eine räumliche Ordnung von vollendeter Klarheit übersetzt. Manche nachträglichen Umbauten lassen die Stringenz des Entwurfs inzwischen nicht mehr ungeschmälert zum Vorschein kommen, auch sind an anderen Standorten eine komplette Campusanlage und eine Reihe weiterer Bauten hinzugekommen. Aber die eth ist zu Recht noch immer stolz darauf, diesen vorbildlichen Hochschulbau zu besitzen und als ihr Hauptgebäude zu nutzen. Sempers Anspruch, eine Architektur für das Wissen zu errichten, lässt sich heute noch am deutlichsten an der Nordfassade ablesen – hinter ihr war anfänglich die Architekturabteilung untergebracht. Die nach wie vor erhaltene Sgraffito- Dekoration, nach Sempers Entwürfen ausgeführt, setzt die exakten Wissenschaften, denen sich die neue Hochschule von den Anfängen bis heute widmet, in einen geradezu universalen Zusammenhang mit der Philosophie, der Dichtung und den schönen Künsten. Was sich hier aufspannt, ist ein historischer Horizont, der mit grösster Selbstverständlichkeit von der Antike bis in die Gegenwart des 19. Jahrhunderts reicht. Beinahe überflüssig zu sagen, dass in dieser Wissenskonzeption die Architektur einen zentralen Rang einnimmt. Sie ist Mittlerin zwischen den Welten des Richtigen, des Schönen und des Praktischen. Dieses Konzept ist inzwischen historisch geworden, aber es hat aus unserer Sicht noch immer einen gewissen Anspruch auf Aktualität. Auch unter heutigen Bedingungen fällt es mitunter schwer, die Rolle der Architektur in ihrem akademischen Umfeld verständlich zu machen. Rhetorische Geschütze wie Semper können wir nicht mehr auffahren, aber seine Argumente sind mit einer gewissen Anpassung an den Fortgang der Geschichte auch für uns 6 One hundred and fifty years ago, on April 26, 1858, Zurich’s most important architectural competition to date ended with a spectacular setback. The jury decided that none of the proposals that had been submitted for the construction of the recently founded Federal Polytechnical School was worthy of realization. The Swiss Federal Institute of Technology in Zurich began, one could say, amid difficulties with architecture. In the end, however, the failure of the competition turned out to be a stroke of luck, for both the school and for the city of Zurich, as the city council of Zurich promptly decided to commission two architects to develop new plans: the state architectural inspector Johann Caspar Wolff and Gottfried Semper, who had recently become a founding professor of the architecture department at the polytechnical school. Though the recently appointed professor was not always well-disposed to the civil servant Gottfried Semper, Zeichnung von Fritz Kriehuber (gta Archiv/ETH Zürich) Wolff, the pair ultimately achieved a paradigmatic design: a building that includes among its qualities a precisely defined relationship to the existing city and that also translates the structure and ambitions of the institution it houses into a spatial order of perfect clarity. Some subsequent alterations have left the original effect of the stringent design no longer wholly intact, while a complete campus and a series of other buildings have been added in other locations. But the Swiss Federal Institute of Technology remains justly proud to possess this exemplary university structure and use it as its main building. Semper’s ambition to establish an architecture for the pursuit knowledge can still be read most clearly on the northern façade – behind which the architecture department was originally housed. The

noch nützlich. Architektur bedient sich wissenschaftlicher Methoden und Erkenntnisse, aber sie denkt notwendig interdisziplinär. Die Wissenschaft von der Architektur gibt es nicht, hingegen ist es ein differenziertes fachliches Spektrum von den Natur- und Ingenieurwissenschaften über die Konservierungs-, Planungs- und Sozialwissenschaften bis hin zu den Geisteswissenschaften, das in seiner unvergleichlichen Breite die Identität der Architektur nachhaltig prägt. Dabei ist Architektur mehr als reine Wissenschaft. Ihre Schlüsselkompetenzen bleiben Entwurf und Konstruktion. Sie ist Kunst und Handwerk, ist Sachwalterin und Gestalterin der gebauten Umwelt, die sich in täglicher Praxis zu bewähren hat und bei alledem ganz unmittelbar Verantwortung gegenüber dem Menschen trägt. Wie das Departement Architektur sich bemüht hat, diesem hohen Anspruch auch im Jahr 2008 gerecht zu werden, möchten wir in dieser Publikation wie in der Jahresausstellung der Fachwelt und einem interessierten Publikum nahebringen. Der Band gewährt Einblicke in Unterricht und Forschung, zeigt ausgewählte Arbeiten unserer Diplomierenden und Austauschstudierenden und möchte, soweit das irgend möglich ist, auch etwas von der Begeisterung und der inspirativen Atmosphäre vermitteln, die unsere Arbeit trägt und bei aller Anstrengung zum Vergnügen macht. Ein herzlicher Dank für ihre Beiträge geht an die Lehrenden und Studierenden unseres Departements, für die Koordination von Ausstellung und Jahrbuch sowie die Redaktion an Urs Kurth, für das Lektorat an Ulrike Steiner und Lynnette Widder, für die Gestaltung an Sascha Lötscher, Gottschalk + Ash International. Dass Kooperation das Geheimnis erfolgreicher Arbeit ist, dafür möge dieses Jahrbuch einstehen. Prof. Dr. Andreas Tönnesmann Vorsteher des Departements Architektur surviving sgraffito decoration, executed according to Semper’s designs, places the exact sciences, to which the new university has been dedicated since its inception, into an almost universal relationship with philosophy, poetry, and the fine arts. What spans before us is a historical horizon that measures implicitly from antiquity to the nineteenth century. It is almost unnecessary to point out that architecture occupies a central place in this understanding of the sciences. It is the mediator between the worlds of the just, the beautiful, and the practical. This concept has since become archaic, but from our perspective it still has a claim to relevance. Under present circumstances, it can be difficult to convey the role of architecture in an academic environment. We can no longer deploy rhetorical guns like Semper, but his arguments can still be useful to us, after a certain adjustment for the progress of history. Architecture makes use of scientific method and findings, but it necessarily thinks in interdisciplinary terms. There is no one science of architecture. On the contrary, it is a diverse spectrum of fields – from the natural and engineering sciences through the sciences of conservation, planning, and social studies, to the humanities. The incomparable breadth of this spectrum has had a lasting influence on architecture’s identity. Yet architecture is more than a pure science. Its key competencies remain design and construction. It is art and craft and administrator and designer of the built environment. Architecture must prove itself in daily practice, while showing immediate responsibility to humanity. In the year 2008, the Department of Architecture at the eth Zurich strove to measure up to these high standards and, with the year’s exhibition and publication, we would like to present our endeavors to the professional world and interested public. This volume presents insight into instruction and research and shows selected works by our graduating and exchange students. The yearbook hopes, as far as possible, to impart something of the ardor and inspiration that support our work and, in face of all exertion, makes it a pleasure. We are sincerely grateful to the teachers and students of our department for their contributions, to Urs Kurth for coordinating the exhibition and yearbook and his work as editor, to Ulrike Steiner and Lynnette Widder for their editorial work, and to Sascha Lötscher, Gottschalk + Ash International for the design. May this yearbook vouch for the fact that cooperation is the secret to success. Prof. Dr. Andreas Tönnesmann Dean, Faculty of Architecture 7 Vorwort Departement Architektur Andreas Tönnesmann

Andreas Tönnesmann<br />

Vorwort Departement Architektur<br />

Vorwort Foreword<br />

Vor 150 Jahren, am 26. April 1858, endete die wichtigste<br />

Bauausschreibung, die <strong>Zürich</strong> bis dahin erlebt hatte, mit<br />

einem spektakulären Fehlschlag. Die Jury befand keines<br />

der Projekte, die für den Bau des neu gegründeten Eidgenössischen<br />

Polytechnikums eingereicht worden waren,<br />

der Ausführung für würdig.<br />

Am Anfang der eth <strong>Zürich</strong>, könnte man sagen, standen<br />

Schwierigkeiten mit der Architektur. Allerdings sollte sich<br />

das Scheitern der Konkurrenz letztlich als Glücksfall sowohl<br />

für die Schule als auch für die Stadt <strong>Zürich</strong> erweisen.<br />

Denn der Zürcher Regierungsrat beschloss unverzüglich,<br />

zwei Architekten ad personam mit der Ausarbeitung neuer<br />

Pläne zu beauftragen: den Staatsbauinspektor Johann<br />

Caspar Wolff und Gottfried Semper, der seit kurzem mit<br />

dem Aufbau der Architekturabteilung am Polytechnikum<br />

beschäftigt war. Der frisch ernannte Professor war auf<br />

den Baubeamten Wolff nicht immer gut zu sprechen, aber<br />

beiden gelang letztlich ein paradigmatischer Entwurf –<br />

ein Bau, zu dessen Qualitäten sein genau definiertes Verhältnis<br />

zur vorhandenen Stadt gehört und der darüber<br />

hinaus Struktur und Anspruch der Institution, die er beherbergt,<br />

in eine räumliche Ordnung von vollendeter<br />

Klarheit übersetzt.<br />

Manche nachträglichen Umbauten lassen die Stringenz<br />

des Entwurfs inzwischen nicht mehr ungeschmälert<br />

zum Vorschein kommen, auch sind an anderen Standorten<br />

eine komplette Campusanlage und eine Reihe weiterer<br />

Bauten hinzugekommen. Aber die eth ist zu Recht noch<br />

immer stolz darauf, diesen vorbildlichen Hochschulbau<br />

zu besitzen und als ihr Hauptgebäude zu nutzen. Sempers<br />

Anspruch, eine Architektur für das Wissen zu errichten,<br />

lässt sich heute noch am deutlichsten an der Nordfassade<br />

ablesen – hinter ihr war anfänglich die Architekturabteilung<br />

untergebracht. Die nach wie vor erhaltene Sgraffito-<br />

Dekoration, nach Sempers Entwürfen ausgeführt, setzt<br />

die exakten Wissenschaften, denen sich die neue Hochschule<br />

von den Anfängen bis heute widmet, in einen<br />

geradezu universalen Zusammenhang mit der Philosophie,<br />

der Dichtung und den schönen Künsten. Was sich hier<br />

aufspannt, ist ein historischer Horizont, der mit grösster<br />

Selbstverständlichkeit von der Antike bis in die Gegenwart<br />

des 19. Jahrhunderts reicht. Beinahe überflüssig zu<br />

sagen, dass in dieser Wissenskonzeption die Architektur<br />

einen zentralen Rang einnimmt. Sie ist Mittlerin zwischen<br />

den Welten des Richtigen, des Schönen und des<br />

Praktischen.<br />

Dieses Konzept ist inzwischen historisch geworden,<br />

aber es hat aus unserer Sicht noch immer einen gewissen<br />

Anspruch auf Aktualität. Auch unter heutigen Bedingungen<br />

fällt es mitunter schwer, die Rolle der Architektur<br />

in ihrem akademischen Umfeld verständlich zu machen.<br />

Rhetorische Geschütze wie Semper können wir nicht mehr<br />

auffahren, aber seine Argumente sind mit einer gewissen<br />

Anpassung an den Fortgang der Geschichte auch für uns<br />

6<br />

One hundred and fifty years ago, on April 26, 1858,<br />

<strong>Zurich</strong>’s most important architectural competition to date<br />

ended with a spectacular setback. The jury decided<br />

that none of the proposals that had been submitted for<br />

the construction of the recently founded Federal Polytechnical<br />

School was worthy of realization.<br />

The Swiss Federal Institute of Technology in <strong>Zurich</strong><br />

began, one could say, amid difficulties with architecture.<br />

In the end, however, the failure of the competition<br />

turned out to be a stroke of luck, for both the school and<br />

for the city of <strong>Zurich</strong>, as the city council of <strong>Zurich</strong><br />

promptly decided to commission two architects to develop<br />

new plans: the state architectural inspector Johann Caspar<br />

Wolff and Gottfried Semper, who had recently become<br />

a founding professor of the architecture department at the<br />

polytechnical school. Though the recently appointed<br />

professor was not always well-disposed to the civil servant<br />

Gottfried Semper, Zeichnung<br />

von Fritz Kriehuber<br />

(gta Archiv/<strong>ETH</strong> <strong>Zürich</strong>)<br />

Wolff, the pair ultimately achieved a paradigmatic design:<br />

a building that includes among its qualities a precisely<br />

defined relationship to the existing city and that also translates<br />

the structure and ambitions of the institution it<br />

houses into a spatial order of perfect clarity.<br />

Some subsequent alterations have left the original<br />

effect of the stringent design no longer wholly intact,<br />

while a complete campus and a series of other buildings<br />

have been added in other locations. But the Swiss<br />

Federal Institute of Technology remains justly proud to<br />

possess this exemplary university structure and use it<br />

as its main building. Semper’s ambition to establish an<br />

architecture for the pursuit knowledge can still be read<br />

most clearly on the northern façade – behind which the<br />

architecture department was originally housed. The

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