Jahrbuch PDF (63MB) - ETH Zurich - ETH Zürich
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Belgrad<br />
Formal/Informal<br />
Welches sind die urbanen Eigenschaften der «neuen Normalität»<br />
von Belgrad, einer Stadt, deren Entwicklung<br />
in den letzten Jahren von politischen und ökonomischen<br />
Krisen sowie dem raschen «post-sozialistischen» Übergang<br />
geprägt war? Inwiefern ist das grosse Erbe an architektonischer<br />
und städtebaulicher Moderne Belgrads<br />
von diesen transformierenden Kräften beeinflusst worden?<br />
Welche Bedeutung für die Stadt hat der Bau von 200000<br />
illegalen Behausungen, die zum Grossteil seit 1990<br />
realisiert worden sind? Ist das informelle Belgrad, eine Stadt<br />
nahe der «Krise» und mit explodierender metropolitaner<br />
Ausdehnung eine Kondition der dritten Welt oder ist Belgrad<br />
eine europäische Stadt? Dies waren unter anderen<br />
zentrale Fragen hinter «Belgrad Formal/ Informal», einem<br />
zwei Jahre dauernden «Urban Research-Projekt». Zugleich<br />
war es Teil einer grösseren Serie städtebaulicher Analysen<br />
über internationale Städte wie Hongkong, Casablanca<br />
und Havanna, die seit 2004 im eth Studio Basel durchgeführt<br />
werden.<br />
Belgrad, eine der ältesten Städte Europas, ist historisch<br />
sowohl mit dem Orient (Byzanz, Ottomanisches Reich)<br />
als auch mit dem Okzident (Österreichisch-Ungarische<br />
Monarchie) verbunden. Nach dem 2. Weltkrieg wurde die<br />
moderne Stadt Belgrad unter Tito als neue Hauptstadt<br />
Jugoslawiens zwischen den beiden alten städtischen Kernen<br />
von Belgrad und Zemun gebaut. Das Studio Basel hat<br />
sich bei der Analyse jedoch hauptsächlich auf die letzten<br />
zwei Jahrzehnte der Entwicklung konzentriert, nachdem<br />
die Stadt die turbulente Auflösung Jugoslawiens, die<br />
Diktatur Milosevics sowie das Bombardement der nato<br />
durchleben musste. Mit Studierenden des Studio Basel<br />
wurde eine Serie von Fällen untersucht, die symptomatisch<br />
für diese aktuellen Transformationsprozesse sind: Die<br />
neoliberale Art und Weise, mit der das modernistische<br />
«Neu-Belgrad» und die sozialistischen «Mega-Blocks»<br />
der 1960er und 1970er Jahre adaptiert wurden, die unterschiedlichen<br />
Gebiete, in denen informelle Siedlungen<br />
von durchwegs allen sozialen Klassen, einschliesslich der<br />
sogenannten Wilden Reichen, gebaut werden. Weitere<br />
Untersuchungen betrafen die den Flussraum besetzenden<br />
informellen Freizeit- und Erholungsgebiete sowie die<br />
neue Positionierung von Institutionen, die unter anderem<br />
durch den Prozess der Legalisierung illustriert sind.<br />
Es wurde klar, dass das heutige Belgrad seinen Umbruch<br />
als Konflikt zwischen geschwächten formellen<br />
Energien der modernen Stadt und dem nahezu «biologisch»<br />
wuchernden Wachstum der informellen Stadt erfährt,<br />
der neue Formen von Stabilität jenseits von Gesetzen<br />
und Masterplänen produziert.<br />
Das Buch «Belgrad Formal/ Informal» mit sechs Essays<br />
und reichhaltigem Dokumentationsmaterial erscheint in<br />
der zweiten Jahreshälfte 2008.<br />
213<br />
Belgrade<br />
Formal/ Informal<br />
What are urban characteristics of the ‘new normality’ of<br />
Belgrade, a city whose development in recent years<br />
has been marked by a political and economic crisis and<br />
a rapid post-socialist transition? How is the large body<br />
of modern architectural and urbanistic heritage of Belgrade<br />
influenced by these transformational forces? What<br />
is the impact of the 200000 illegal buildings on the<br />
city, most of which have been constructed since 1990?<br />
Is informal Belgrade a city close to the crisis-prone,<br />
exploding metropolises of the ‘third world’, or is Belgrade<br />
a European city? These were among central questions<br />
behind ‘Belgrade: Formal/Informal’, a two-year urban research<br />
project and a part of a larger series of urban<br />
investigations on international cities carried out in eth<br />
Studio Basel since 2004, including cities such as Hong<br />
Kong, Casablanca and Havana.<br />
Belgrade is one of the oldest cities of Europe, historically<br />
linked to the Orient (Byzantium, Ottoman Empire)<br />
and the Occident (Austro-Hungarian Empire). After the<br />
World War ii, under Tito, the modern city of New<br />
Belgrade was built as the new capital of Yugoslavia, inbetween<br />
the old cores of Belgrade and Zemun. Studio<br />
Basel focused, however, on the last two decades, when the<br />
city underwent the turbulent dissolution of Yugoslavia,<br />
Milosevic’s dictatorship and the nato bombing. With<br />
its students, Studio Basel investigated a series of case<br />
studies symptomatic of these recent processes of change:<br />
the neo-liberal manner in which the modernist New<br />
Belgrade and the socialist ‘mega-blocks’ from the 1960s<br />
and 70s are being adapted, the different areas where<br />
informal settlements have been built by all social classes<br />
including the ‘wild rich’, the informal leisure occupying<br />
the city’s riverfronts and the new position of institutions<br />
illustrated in the process of legalization, among others.<br />
It became clear that contemporary Belgrade experienced<br />
its transformation as a conflict between the weakened<br />
formal energies of the modern city and the nearly<br />
‘biological’, rampant growth of the informal city producing<br />
new forms of stability outside of laws and master plans.<br />
The book ‘Belgrade Formal/ Informal’ with six essays<br />
and an abundance of documentary material is due for<br />
publication in the second half of 2008.<br />
NSL/Studio Basel Departement Architektur<br />
Roger Diener, Jacques Herzog, Marcel Meili, Pierre de Meuron