Jahrbuch PDF (63MB) - ETH Zurich - ETH Zürich
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Dissertation<br />
Reto Geiser<br />
Sigfried Giedion gestaltet die<br />
italienische Ausgabe seines<br />
Buches «Space, Time and<br />
Architecture» im Mailänder<br />
Büro des Verlegers Ulrico<br />
Hoepli. (Bild: gta Archiv)<br />
Sezessions- und Schweizer Sonderbundkrieg. Zudem<br />
gilt es, die Gründe für das Scheitern des Projekts näher zu<br />
untersuchen – die Berufung auf eine gemeinsame Geschichte<br />
wurde im Verlauf der Planungen für das Bundeshaus<br />
punktuell ausser Kraft gesetzt. Trotzdem blieb<br />
die Orientierung am amerikanischen Modell für den<br />
repräsentativen Anspruch der Schweizer Parlamentsarchitektur<br />
weiterhin in Kraft, wenn auch in allgemeinerer<br />
und damit politisch entschärfter Form.<br />
Die Reise Buchsers bildet den Ausgangspunkt für<br />
eine mehrfache Kontextualisierung der amerikanischschweizerischen<br />
Kunstbeziehungen. Mit ihr kam<br />
eine Reisetätigkeit von Schweizer Künstlern und Architekten<br />
in Gang, die nach 1900 zum primären Mittel<br />
der transatlantischen Kunstbeziehungen wurde.<br />
Giedion In-Between: eine Fallstudie transatlantischen<br />
Austausches<br />
Als der Schweizer Kunsthistoriker und Architekturkritiker<br />
Sigfried Giedion im Frühjahr 1938 ein Einladungstelegramm<br />
der Harvard Universität erhielt, konnte er die nachhaltige<br />
Wirkung dieses kurzen, aber signifikanten<br />
Engagements kaum erahnen. Wegen der geopolitischen<br />
Entwicklungen sah sich Giedion gezwungen bis zum<br />
Ende des Zweiten Weltkriegs in den Vereinigten Staaten<br />
zu bleiben. Während dieser Zeit der Isolation entdeckte<br />
er den kulturellen Kontext Amerikas als Inspiration für<br />
die Entwicklung seines Hauptwerks «Space, Time and<br />
Architecture», das ausnahmslos in Englisch erschien und<br />
erst sehr spät in der Muttersprache des Autors veröffentlicht<br />
wurde. Seine regelmässige Unterrichtstätigkeit an<br />
der Harvard Universität und der eth <strong>Zürich</strong> begünstigten<br />
die Verschmelzung zweier verschiedener Kulturen in<br />
seiner Arbeit wie auch den fruchtbaren Rückimport transformierter<br />
und durch die usa-Aufenthalte erweiterter<br />
Ideen und Vorstellungen nach Europa.<br />
In sechs Kapiteln, die sich jeweils einer spezifischen<br />
Mittler- und Zwischensituation Giedions widmen,<br />
erläutert das Forschungsprojekt, wie seine Ideen die nordamerikanische<br />
Architekturdebatte prägten und wie sie<br />
in einem zweiten Schritt von europäischen Architekten und<br />
Wissenschaftlern adaptiert oder abgelehnt wurden.<br />
Die Arbeit beschäftigt sich mit Fragen des Ideentransfers,<br />
der Rezeption und kulturellen Übertragungs- bzw.<br />
Übersetzungsproblematiken und Missverständnissen. Das<br />
Projekt dokumentiert ebenfalls die Marginalisierung<br />
Giedions in Europa, während er sich gleichzeitig in den<br />
usa nie richtig integriert fühlte. Wiederholt musste<br />
er erleben, wie sich die Rezeption seines Œuvres durch<br />
Übersetzungsprobleme und die kulturelle Adaption<br />
änderte.<br />
Als Primärquellen dienen Dokumente aus über zwanzig<br />
Archiven in Europa, den Vereinigten Staaten und<br />
Kanada. Das erstmalige Studium dieses umfangreichen<br />
Archivalienkonvoluts erlaubt die Rekonstruktion und<br />
Vervollständigung von Giedions Korrespondenz und dokumentiert<br />
neben persönlichen Beziehungen vor allem<br />
den fachlichen Austausch mit führenden Intellektuellen<br />
auf beiden Seiten des Atlantiks.<br />
177<br />
to influence the prestige claims of Swiss parliamentary<br />
architecture, although in a more general and thus<br />
politically defused form.<br />
Buchser’s journey forms the starting-point for a<br />
multiple contextualization of artistic relationships between<br />
America and Switzerland. It initiated a tradition<br />
of travel to the usa by Swiss artists and architects<br />
that became the primary medium for transatlantic art<br />
relations after 1900.<br />
Giedion In-Between: a Case Study of Transatlantic Exchange<br />
When Swiss art historian and architecture critic Sigfried<br />
Giedion received a telegram from Harvard University in<br />
the spring of 1938, he could hardly anticipate the lasting<br />
impact this short, but significant, appointment would have.<br />
Giedion was forced to stay in the United States until<br />
the end of the Second World War. It was during this time<br />
of isolation that Giedion discovered the American<br />
cultural sphere, which would serve as an inspiring laboratory<br />
to advance his mature work ‘Space, Time and<br />
Architecture’ that was entirely published in English long<br />
before the author’s native German. His overlapping<br />
teaching positions at Harvard and the eth <strong>Zurich</strong> not<br />
only nurtured the impact of two different cultural<br />
environments on his œuvre, but also allowed for the<br />
ideas, which had been extended and transformed in<br />
the United States, to be reimported back to Europe.<br />
This research, framed around six sections each tracing<br />
a particular in-between situation, shows how Giedion’s<br />
ideas affected the North American debate on architecture,<br />
in what ways they were modified, and how they were<br />
eventually adopted or rejected by European architects and<br />
scholars. From cultural contexts and disciplinary boundaries<br />
to ideologies, language, and the academy, this research<br />
focuses on questions of reception, the transformation<br />
of ideas, and also cultural misunderstandings. The<br />
project reveals to what extent Giedion was marginalized<br />
both in Europe – where his ‘American’ work was not well<br />
received in the postwar era – and the United States –<br />
where he never felt fully integrated – and how the reception<br />
of his work was transfigured repeatedly through<br />
the problematics of translation, adaptation and a latent<br />
misreading.<br />
Based on primary sources retrieved from more than<br />
twenty archives in Europe, the United States and Canada,<br />
Sigfried Giedion’s correspondence is reconstructed and<br />
completed to trace his professional and personal relationships<br />
with such leading intellectuals as Josep Lluis Sert,<br />
Jaqueline Tyrwhitt, Marshall McLuhan, Lewis Mumford,<br />
László Moholy-Nagy, and György Kepes, among others.<br />
Institut gta Departement Architektur<br />
Andreas Tönnesmann