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Volkshochschule <strong>Iserlohn</strong><br />
: 1919-2009<br />
Festschrift von Katja Hofbauer<br />
dynamische Weiterführung unter www.<strong>vhs</strong>-iserlohn.de<br />
<strong>vhs</strong>
Inhaltsverzeichnis<br />
1. Vorwort...........................................................................................................................................5<br />
2. Einleitung........................................................................................................................................7<br />
3. Geschichte der VHS <strong>Iserlohn</strong>........................................................................................................8<br />
3.1. Allgemeines zur Geschichte der Volkshochschulen in Deutschland ..................................8<br />
3.1.1. Erwachsenenbildung in Deutschland bis 1933 ..............................................................8<br />
3.1.1.1. Bildungsanstrengungen der Arbeiterbewegung.....................................................8<br />
3.1.1.2. Die bürgerliche Bildungsbewegung.........................................................................9<br />
3.1.1.3. Die ersten Volkshochschulen....................................................................................9<br />
3.1.2. Die Erwachsenenbildung in der NS-Zeit 1933 bis 1945..............................................10<br />
3.1.3. Die Erwachsenenbildung seit 1945 ...............................................................................11<br />
3.2. 1919 bis 1932: Die Anfänge der VHS in <strong>Iserlohn</strong>...............................................................14<br />
3.2.1. Die wichtigsten Mitarbeiter des dargestellten Zeitraums ..........................................25<br />
3.2.1.1. Theodor Klumpp.....................................................................................................25<br />
3.2.1.2. Gustav Pfingsten .....................................................................................................26<br />
3.3. 1933 bis 1945: Das vorläufige Ende der VHS <strong>Iserlohn</strong> in der NS-Zeit ............................27<br />
3.3.1. Die wichtigsten Mitarbeiter des dargestellten Zeitraums ..........................................32<br />
3.3.1.1. Walter Niederstebruch ...........................................................................................32<br />
3.4. 1949 bis 1964: Wiederaufbau und Konsolidierung............................................................34<br />
3.4.1 Die schwierigen Startbedingungen................................................................................34<br />
3.4.2. Zusammenarbeit mit anderen Institutionen................................................................38<br />
3.4.3. Die Phase der Konsolidierung.......................................................................................39<br />
3.4.5. Die Migrationsbewegung spiegelt sich im Programm der VHS ................................47<br />
3.4.6. Zusammenfassung..........................................................................................................47<br />
3.4.7. Die wichtigsten Mitarbeiter des dargestellten Zeitraums ..........................................48<br />
3.4.7.1. Carolus Hartmann ..................................................................................................48<br />
3.4.7.2. Dr. Gerhard Groot.................................................................................................50<br />
3.4.7.3. Marieluise Spangenberg.........................................................................................51<br />
3.5. 1965 bis 1990: Die Bildungsoffensive ..................................................................................53<br />
3.5.1. Umbruch Mitte der 1960er Jahre.................................................................................53<br />
3.5.2. Der neue Schwerpunkt Zweiter Bildungsweg .............................................................56<br />
3.5.3. Umbruch und Neuerung in den 1970er Jahren...........................................................57<br />
3.5.3.1. Die schwierige Startphase ......................................................................................57<br />
4.5.3.2. Herausforderungen und Probleme durch das Weiterbildungsgesetz ................61<br />
3.5.3.3. Der Streit um die Erweiterung der personellen Anforderungen........................63<br />
3.5.3.4. Die notwendigen räumlichen Veränderungen......................................................65<br />
3.5.3.5. Inhaltliche Veränderungen und neue Schwerpunkte..........................................66<br />
3.5.3.6. Der Streit um die Satzung und die Folgen des Weiterbildungsgesetzes ............67<br />
3.5.3.7. Die Stadtteilarbeit ...................................................................................................70<br />
3.5.3.8. Inhaltliche Höhepunkte der 1970er Jahre............................................................71<br />
3.5.3.9. Resümee der 1970er Jahre .....................................................................................72<br />
3.5.4. Die 1980er Jahre: Weiterentwicklung im Zeichen eines zunehmenden Sparzwangs:<br />
....................................................................................................................................................73<br />
3.5.4.1. Ökonomischer Wandel ...........................................................................................73<br />
3.5.4.2. Die Finanzierungsdiskussion um die VHS............................................................74<br />
3.5.4.3. Kritische Auseinandersetzungen um die inhaltliche Konzeption.......................78<br />
3.5.4.4. Personelle Entwicklungen ......................................................................................84<br />
3.5.4.5. Die Stadtteilarbeit ...................................................................................................84<br />
3.5.4.6. Inhaltliche Höhepunkte ..........................................................................................85<br />
3.5.4.6.1.Kunst, Musik und Kreativität..........................................................................86<br />
2
3.5.4.6.2. Förderung beruflicher Weiterbildung ...........................................................88<br />
3.5.4.6.3. Beiträge der VHS zur 750 Jahrfeier <strong>Iserlohn</strong>s..............................................88<br />
3.5.4.6.4. Der Arbeitskreis „Mahnmal für die Opfer des Nationalsozialismus in<br />
<strong>Iserlohn</strong>“ ...........................................................................................................................89<br />
3.5.4.6.5. Der Bereich Medizin und Gesundheit............................................................90<br />
3.5.5. Die wichtigsten Mitarbeiter des dargestellten Zeitraums ..........................................91<br />
3.5.5.1. Die pädagogischen VHS-Leiter..............................................................................91<br />
3.5.5.1.1. Ursula Mänz .....................................................................................................91<br />
3.5.5.1.2. Horst Piltz .........................................................................................................92<br />
3.5.5.2. Die Fachbereichsleiter ............................................................................................94<br />
3.5.5.2.1. Susanne Seul (geborene Gerstenberg)............................................................94<br />
3.5.5.2.2. Thomas Meyer..................................................................................................94<br />
3.5.5.2.3. Felix Freier........................................................................................................94<br />
3.5.5.2.4. Dr. Ute Kaßnitz ................................................................................................95<br />
3.5.5.2.6. Bodo Mebes.......................................................................................................96<br />
3.5.5.2.7. Sabine Schirra ..................................................................................................97<br />
3.5.5.2.8. Margret Schlegel ..............................................................................................97<br />
3.5.5.2.9. Wilfried Oslender.............................................................................................98<br />
3.5.5.3. Die Mitarbeiter in der Verwaltung........................................................................99<br />
3.5.5.3.1. Günter Pfeifer...................................................................................................99<br />
3.5.5.3.2. Peter Bachmann ...............................................................................................99<br />
3.5.5.3.3. Gertrud Müller.................................................................................................99<br />
3.5.5.3.4. Irene Mesmann...............................................................................................100<br />
3.5.5.3.5. Dieter Kaminski .............................................................................................101<br />
3.5.5.3.6. Martina Kalthoff (geborene Erbe) ...............................................................101<br />
3.5.5.3.7. Petra Baatz (geborene Ziebarth) ..................................................................102<br />
3.5.5.3.8. Angela Fochler (Juchum) ..............................................................................102<br />
3.6. 1991 bis 2009: Konsolidierung und Weiterentwicklung..................................................103<br />
3.6.1. Politische Veränderungen und die Auswirkungen auf die VHS Arbeit .................103<br />
3.6.2. Die Fortschreibung zielgruppenspezifischer Angebote – Ein Spiegel sozialen und<br />
ökonomischen Wandels .........................................................................................................105<br />
4.6.2.1. Die weitere Veränderung der Frauenrolle..........................................................105<br />
3.6.2.2. Folgen des demographischen Wandels ...............................................................106<br />
3.6.2.2.1. Seniorenarbeit für die „Jungen Alten“ ........................................................106<br />
3.6.2.2.2. Verstärkte Jugendarbeit....................................................................................107<br />
3.6.2.3. Zunehmendes Engagement zur Integration von Migranten.............................107<br />
3.6.3. Reaktionen auf den technologischen Wandel............................................................108<br />
3.6.4. Regionale Identität.......................................................................................................110<br />
3.6.5. Stadtteile .......................................................................................................................113<br />
3.6.6. Räumliche Veränderungen .........................................................................................114<br />
3.6.7. Umstrukturierungen und Qualitätssicherung...........................................................117<br />
3.6.8. Die wichtigsten Mitarbeiter des dargestellten Zeitraums ......................................122<br />
3.6.8.1. Die VHS-Leiterin...................................................................................................122<br />
3.6.8.1.1. Lieselotte Berthold .........................................................................................122<br />
3.6.8.2. Die Fachbereichsleiter ..........................................................................................123<br />
3.6.8.2.1. Dr. Petra Heider.............................................................................................123<br />
3.6.8.2.2. Ulrike Eichholz...............................................................................................123<br />
3.6.8.2.3. Rainer Danne..................................................................................................124<br />
3.6.8.2.4.Claudia Weigel ...............................................................................................125<br />
3.6.8.3. Die Mitarbeiter in der Verwaltung......................................................................127<br />
3.6.8.3.1. Sascha Reetz ...................................................................................................127<br />
3.6.8.3.2. Ortrun Davis...................................................................................................127<br />
3
3.6.8.3.3. Claudia Freund ..............................................................................................128<br />
3.6.8.3.4. Yvonne Weidlich ............................................................................................128<br />
3.6.8.3.5. Kurt Geltsch ...................................................................................................129<br />
4. Spezielle Untersuchungen..........................................................................................................130<br />
4.1. Statistik über Unterrichtsstunden, Dozenten und Teilnehmende von 1970 bis 2009 ...130<br />
4.2. Die Entwicklung im Fachbereich Sprachen 1949 bis 2009 .............................................131<br />
4.3. Studienreisen und -fahrten der Volkshochschule <strong>Iserlohn</strong>.............................................139<br />
4.4. Die Treppengalerie..............................................................................................................141<br />
4.5. Ein Ableger: Die „Kleine VHS“.........................................................................................144<br />
5. Die Gebäude und Räume...........................................................................................................145<br />
5.1. Stennerstraße 3....................................................................................................................145<br />
5.2. Stennerstraße 8....................................................................................................................148<br />
5.3. Stennerstraße 12..................................................................................................................149<br />
5.4. Der Stadtbahnhof................................................................................................................149<br />
5.5. Übersicht über die Räumlichkeiten...................................................................................150<br />
6. Schlussbetrachtungen ................................................................................................................152<br />
7. Bibliographie ..............................................................................................................................154<br />
7.1. Archive .................................................................................................................................154<br />
7.2. Ungedruckte Quellen ..........................................................................................................154<br />
7.3. Sekundärliteratur................................................................................................................154<br />
7.4. Zeitungen und Zeitschriften...............................................................................................155<br />
8. Anhang: VHS-Zeitzeugen erinnern sich..................................................................................156<br />
8.1. Gunter Kingreen: „Als die Volkshochschule 40 Jahre jung war …“ ............................156<br />
8.2. Gunther Kingreen: Ein Gruß aus der Tiefe .....................................................................157<br />
8.3. Carola Utsch: Ein Sprachkurs geht fast immer!..............................................................159<br />
8.4. Gabriele Schulz: VHS-Fotokurs........................................................................................161<br />
8.5. Edelgard Radig: Der bildungsbeflissene Mensch ............................................................162<br />
9. Anhang II: Dokumente zum 90-jährigen Jubiläum................................................................164<br />
9.1. Eröffnungsrede des Festaktes von Lieselotte Berthold ...................................................164<br />
9.2. Rede von Bürgermeister Klaus Müller .............................................................................166<br />
9.3. Rede Prof. Dr. Horst Siebert..............................................................................................168<br />
4
1. Vorwort<br />
Liebe Freundinnen und Freunde der Volkshochschule <strong>Iserlohn</strong>,<br />
VHS <strong>Iserlohn</strong>, seit 90 Jahren gefragt!<br />
VHS <strong>Iserlohn</strong>, seit 90 Jahren immer noch gefragt!<br />
VHS <strong>Iserlohn</strong>, seit 90 Jahren gefragter denn je!<br />
Bei einer Passantenbefragung zur VHS im Juni 2009 in <strong>Iserlohn</strong> kannten alle zufällig in der<br />
Stadt Befragten die Volkshochschule, 85 % waren bereits einmal oder mehrfach<br />
Besucher/innen unseres Weiterbildungszentrums. Mehrheitlich wurden als zutreffende<br />
Imagefacetten „offen für alle“, „vielseitig“, „professionell“, „kundenfreundlich“, „aktuell“,<br />
„flexibel“, „attraktiv“ und „preiswert“ genannt.<br />
Um dieser Einschätzung treu zu sein, hat das VHS-Team beschlossen, die Chronik ebenfalls<br />
offen und flexibel zu gestalten. Das heißt, Sie alle sind eingeladen, Erinnerungen, Fotos und<br />
Beiträge nachzureichen, die dann eingearbeitet oder angehängt werden können. So bleibt die<br />
Chronik dynamisch und lebendig.<br />
Mein Dank gilt der Historikerin Katja Hofbauer, die seit fast vier Jahren die Arbeitspläne und<br />
Programmhefte der VHS <strong>Iserlohn</strong> durchforstet hat, die Spuren der VHS-Arbeit in den<br />
Archiven der Stadt und des <strong>Iserlohn</strong>er Kreisanzeigers aufgespürt und unzählige Interviews<br />
geführt hat. Das Ergebnis zeigt 90 Jahre <strong>Iserlohn</strong> – durch die Bildungsbrille betrachtet. Denn<br />
„das VHS-Programm ist ein Spiegel des Zeitgeistes und des sozialen Wandels“, wie der<br />
gebürtige <strong>Iserlohn</strong>er und Professor für Erwachsenenbildung Dr. Horst Siebert beim Festakt im<br />
Oktober 2009 sagte: „Wirtschaftskrisen und Arbeitslosigkeit, Frauenbewegung und<br />
Umweltschutz, multikulturelle Gesellschaft und neue Medien – all diese Themen finden ihre<br />
Resonanz im Bildungsangebot der Volkshochschule. Angesprochen werden fast alle sozialen<br />
Gruppen unserer Gesellschaft: Arbeitslose und Führungskräfte, allein erziehende Mütter und<br />
Migranten/innen, junge Erwachsene und Senioren/innen.“<br />
Mein besonderer Dank gilt den vielen Tausenden Dozentinnen und Dozenten, die bisher mit<br />
ihrem Wissen, mit ihrer Kompetenz und mit ihrem Herzen die Themen ausgewählt,<br />
elementarisiert und unterrichtet haben. Durch ihren engagierten Einsatz lebte und lebt die<br />
Weiterbildung für Erwachsene immer aktuell am Puls der Zeit.
Danken möchte ich auch dem Rat und der Verwaltung der Stadt <strong>Iserlohn</strong>, die die Infrastruktur<br />
für Planung und Durchführung des VHS-Unterrichts seit 90 Jahren zur Verfügung stellen –<br />
seit 2008 in diesen schönen, hellen, erwachsenengerechten Räumen im Stadtbahnhof <strong>Iserlohn</strong>.<br />
Lieselotte Berthold <strong>Iserlohn</strong>, Mai 2010<br />
(Leiterin der Volkshochschule)<br />
6
2. Einleitung<br />
90 Jahre Volkshochschule <strong>Iserlohn</strong> – eine solch lange Geschichte einer Einrichtung zu<br />
erzählen, an der unzählige Menschen gearbeitet, gelehrt und gelernt haben, ist eine<br />
Mammutaufgabe. Sie ist sehr spannend, bietet faszinierende Einblicke in die Stadtgeschichte<br />
<strong>Iserlohn</strong>s, in die Geschichte des Landes und in die Bildungsgeschichte. Sie zeigt<br />
Entwicklungen und Trends wirtschaftlichen sozialen und kulturellen Wandels.<br />
Aber man muss eben auch eine Auswahl treffen.<br />
Es ist zum Beispiel unmöglich, alle Dozenten der letzten 90 Jahre zu nennen. Es war schon<br />
sehr schwierig, alle VHS-Leiter herauszufinden. Gerade aus den ersten Jahrzehnten sind auch<br />
nicht die Namen aller hauptamtlichen Mitarbeiter in den Bereichen Pädagogik und<br />
Verwaltung bekannt. Kurzum: Wer hier nicht aufgeführt wurde, möge bitte Nachsicht üben.<br />
Der verstorbene Hans-Jürgen Burgard hat in den 1990er Jahren mit einem VHS-Kurs Pionier-<br />
Arbeit bei der Aufarbeitung der ersten 14 VHS-Jahre in <strong>Iserlohn</strong> geleistet. Dieser Text war<br />
nicht zu verbessern, er wurde für diese Chronik übernommen und nur durch biographische<br />
Angaben über Theodor Klumpp und Gustav Pfingsten ergänzt.<br />
Über die Zeit des Nationalsozialismus war kaum etwas bekannt. Diese Zeit konnte mit der<br />
vorliegenden Arbeit auch nur ein kleines Stück erhellt werden. Es bleibt zu hoffen, dass in<br />
Zukunft weiteres Material auftaucht.<br />
Was die 1950er Jahre angeht, gab es einige hilfreiche Zeitzeugen, allen voran Marieluise<br />
Spangenberg und Gunther Kingreen.<br />
Für die letzten drei Jahrzehnte VHS <strong>Iserlohn</strong> gab es dagegen eine wahre Fülle an Material,<br />
komplett und lückenlos erhaltene VHS-Programmhefte, städtische Sitzungsprotokolle, viele<br />
Zeitungsartikel und jede Menge Zeitzeugen. Das wiederum führte nun zu ganz anderen<br />
Problemen: Nicht alles kann hier erwähnt, nicht alles en detail geschildert werden.<br />
Dem geneigten Leser gefällt hoffentlich die getroffene Auswahl. Sie zeigt das Bild einer<br />
lebendigen, die Bedürfnisse der jeweiligen Zeit widerspiegelnde Volkshochschule in <strong>Iserlohn</strong>.<br />
Und sie zeigt sehr viele an Bildung interessierte Menschen.<br />
7
3. Geschichte der VHS <strong>Iserlohn</strong><br />
3.1. Allgemeines zur Geschichte der Volkshochschulen in Deutschland<br />
3.1.1. Erwachsenenbildung in Deutschland bis 1933<br />
Die Erwachsenenbildung im heutigen Sinn hat keine Jahrhunderte alte Tradition, sondern ist<br />
gerade mal etwa 150 Jahre alt. Natürlich gab es Vorläufer: Die Auslöser für eine<br />
Erwachsenenbildung in Deutschland waren das neue Menschenbild, das die Aufklärung im<br />
17. und 18. Jahrhundert geschaffen hatte, und die Industrialisierung im 19. Jahrhundert.<br />
Zunächst entwickelten sich Bildungsgesellschaften und Sonntags- und Fortbildungsschulen.<br />
3.1.1.1. Bildungsanstrengungen der Arbeiterbewegung<br />
Die Erkenntnis, dass eine politische und gesellschaftliche Emanzipation der Arbeiterklasse<br />
eine deutliche Erweiterung der Bildung voraussetzte, war in der Arbeiterbewegung von<br />
Anfang an gegenwärtig.<br />
Der Beginn der Erwachsenenbildung in Deutschland erfolgte erst mit der Gründung der<br />
Handwerker- und Arbeiterbildungsvereine im 19. Jahrhundert. „Ihnen kommt nicht nur ein<br />
bildungsgeschichtliches Interesse zu; sie hatten auch großen Einfluss auf die allgemeine<br />
politische Entwicklung im 19. Jahrhundert. Ihre Geschichte kann als eine Entwicklung von<br />
der Arbeiterbildung hin zur Arbeiterbewegung charakterisiert werden.“ 1 Die<br />
Arbeiterbildungsvereine waren mit der 1869 gegründeten Sozialdemokratischen<br />
Arbeiterpartei eng verknüpft. Während der Zeit des Sozialistengesetzes (1878-1890) wurden<br />
die Arbeiterbildungsvereine (die sich häufig auch als Gesangs- oder Geselligkeitsvereine<br />
getarnt hatten) zu Orten der Begegnung für Parteimitglieder. In der Partei selbst war der<br />
Kampf die wichtigste Aufgabe, die Arbeiterbildung trat erst einmal in den Hintergrund, eine<br />
sozialdemokratische Bildungstheorie und –praxis entwickelte sich erst allmählich. 1891<br />
wurde eine Arbeiterschule in Berlin gegründet und der Mannheimer Bildungsparteitag von<br />
1906 markierte endgültig die Rückkehr zu Bildung und Bildungspolitik.<br />
Ebenfalls stark in die Bildungsarbeit involviert waren die Gewerkschaften. Ihre Arbeit<br />
erfolgte zur Zeit des Sozialistengesetzes dezentral, danach orientierten sie sich neu und man<br />
bot nun gewerkschaftliche Unterrichtskurse verstärkt an. Auch die seit Mitte des 19.<br />
Jahrhunderts gegründeten katholischen Gesellenvereine, „Kolpingfamilien“ genannt,<br />
engagierten sich sehr für die Weiterbildung der arbeitenden Bevölkerung.<br />
1 Olbrich, Josef: Geschichte der Erwachsenenbildung in Deutschland. Bonn, 2001. S. 57.<br />
8
3.1.1.2. Die bürgerliche Bildungsbewegung<br />
Im Zusammenhang mit der Gründung des deutschen Kaiserreiches 1871 wurde die<br />
„Gesellschaft für Verbreitung von Volksbildung“ in Berlin gegründet. Dies war eine<br />
bürgerliche Volksbildungsinstitution, quasi als Antwort des Bürgertums auf die<br />
Arbeiterbildung. Vom Grundgedanken her sehr liberal und doch national, bemühte sich diese<br />
Gesellschaft, allen Bevölkerungsschichten Bildung zukommen zu lassen. Am Ende des ersten<br />
Vereinsjahres existierten 158 Vereine („Bildungsvereine“ genannt) mit über 1200<br />
Mitgliedern. Es gab bei den Veranstaltungen wissenschaftliche oder volkstümliche Vorträge,<br />
aber auch Lesungen oder künstlerische Darbietungen.<br />
Zudem öffnete die so genannte „Universitätsausdehnung“ neue Wege. „Sie stellte den<br />
Gedanken der individuellen Bildung in den Vordergrund und bezog den Einzelnen und seine<br />
konkrete Situation in die Bildungspraxis ein.“ 2<br />
Im Ersten Weltkrieg engagierte man sich in der Truppenbetreuung. 1931 hatte die<br />
Gesellschaft über 11 000 Mitglieder. Trotz ihrer durch ihre volksideologische Konzeption<br />
bedingten Berührungspunkte mit den Nationalsozialisten wurde die Gesellschaft 1935 ebenso<br />
wie die restliche freie Volksbildung aufgelöst.<br />
3.1.1.3. Die ersten Volkshochschulen<br />
All diese Erwachsenenbildungsbestrebungen in Deutschland führten noch im Kaiserreich zur<br />
Gründung von Volkshochschulen, die zum Zentrum der Erwachsenenbildung in Deutschland<br />
wurden.<br />
In Deutschland entstanden Volkshochschulen nach dänischem Vorbild vereinzelt ab 1905,<br />
verstärkt dann ab 1919 in der Weimarer Republik, überwiegend als Abendschulen. In<br />
Dänemark waren 1844 die ersten Volkshochschulen von dem Theologen und Historiker<br />
Nikolai Grundtvig (1783-1872) gegründet worden. Diese ersten dänischen Volkshochschulen<br />
waren Heimschulen, ihr Ziel war die Aktivierung des politischen Verantwortungsgefühls der<br />
Bauern durch das Mittel der Hebung der Allgemeinbildung.<br />
In der Weimarer Republik hatte die Erwachsenenbildung einen neuen Aufschwung<br />
genommen. Nach dem Ersten Weltkrieg waren zahlreiche Städte und Gemeinden dem<br />
2 Olbrich, Josef: Geschichte der Erwachsenenbildung in Deutschland. Bonn, 2001. S. 137.<br />
9
Auftrag der Weimarer Verfassung gefolgt und hatten Volkshochschulen gegründet. Im Artikel<br />
148 der Reichsverfassung von 1919 war die Förderung des Bildungswesens, einschließlich<br />
der Volkshochschulen, erstmalig gesetzlich festgelegt worden. Die Zeit zwischen 1919 bis<br />
1923 wird deshalb oft auch abwertend die Phase des „Volkshochschulrummels“ genannt.<br />
„Vorherrschend war der Gedanke, dass die Erwachsenenbildung beim Aufbau einer<br />
demokratischen, auf Chancengleichheit der Menschen ausgerichteten Gesellschaft eine<br />
herausragende Rolle einzunehmen habe. Von daher wurde der Gedanke der Eigenständigkeit<br />
der Erwachsenenbildung vorherrschend.“ 3<br />
Durch die wirtschaftliche Krise in Deutschland bis 1923 waren die Arbeiter enttäuscht, hatten<br />
sie doch auf die Kraft der Bildung gesetzt. Sie rückten ab von der bürgerlichen Volksbildung<br />
und konzentrierten sich auf eigene, sozialistische Formen der Erwachsenenbildung.<br />
Aber in vielen Kommunen, in denen Volkshochschulen sich trotz der Probleme der Weimarer<br />
Republik hatte halten können, wurde das Ende der Aufklärungsarbeit einige Jahre später<br />
durch die Machtergreifung der Nationalsozialisten eingeleitet.<br />
3.1.2. Die Erwachsenenbildung in der NS-Zeit 1933 bis 1945<br />
Im Nationalsozialismus war die Erwachsenenbildung Teil der Ideologie. „Sie gehörte einem<br />
Erziehungssystem an, das die rassistische, antisemitische und auch die imperialistische<br />
Bildungs- und Kulturpolitik des NS-Staates und der NSDAP wesentlich mittrug.“ 4 Der<br />
Fachbegriff lautete „Erwachsenenerziehung“ und diese leistete einen großen Beitrag zur<br />
Verbreitung der Nationalsozialistischen Gesinnung, also antidemokratische, militaristische<br />
und antijüdische Ideen.<br />
Ab 1933 wurden die Volkshochschulen im Prinzip gleichgeschaltet, weil ihr traditionelles<br />
Bildungsselbstverständnis mit der nationalsozialistischen Ideologie nicht vereinbar war. Die<br />
Erwachsenenbildung in Deutschland wurde komplett neu strukturiert. Der Prozess der<br />
Gleichschaltung oder Integration zog sich über mehrere Jahre hin. Zahlreiche<br />
Volkshochschulen lösten sich schon im Laufe des Jahres 1933 auf, zum Teil gingen sie in der<br />
NS-Kulturgemeinde auf, die wiederum in der „Kraft durch Freude“-Gemeinschaft aufging.<br />
„Noch im Oktober 1933 wurden vom Reichsministerium des Innern Richtlinien für die<br />
deutschen Volkshochschulen ausgearbeitet (...).“ 5 Immer mehr wurde die<br />
Erwachsenenbildung auch in die Deutsche Arbeiterfront mit einbezogen.<br />
3 Olbrich, Josef: Geschichte der Erwachsenenbildung in Deutschland. Bonn, 2001. S. 213/214.<br />
4 Olbrich, Josef: Geschichte der Erwachsenenbildung in Deutschland. Bonn 2001. S. 267.<br />
5 Keim, Helmut / Urbach, Dietrich (Hrsg.): Volksbildung in Deutschland 1933-1945. Braunschweig, 1976. S. 19.<br />
10
Der Kern der Erwachsenenerziehung war ab 1936 das Deutsche Volksbildungswerk (DVW),<br />
das zentralistisch und hierarchisch auf Reichs-, Gau-, Kreis-, Orts- und Betriebsebene<br />
organisiert war, die Weimarer Erwachsenenbildungseinrichtungen waren weitestgehend<br />
zerschlagen worden. „Im Jahr 1937 gehörten dem Volksbildungswerk 218<br />
Volksbildungsstätten an. Bereits ein Jahr später hatte sich – vor allem durch Einbeziehung der<br />
kommunalen Bildungseinrichtungen – deren Zahl auf 325 erhöht. (...) Die<br />
Volksbildungsstätten waren in den Augen der NSDAP die „Herzkammer“ der Bildungsarbeit.<br />
(...) Das Volksbildungswerk richtete darüber hinaus Musikschulen und Büchereien ein und<br />
ergänzte die traditionelle Bildungsarbeit um einen Vortragsdienst und um Dichterlesungen.“ 6<br />
Zu den thematischen Schwerpunkten gehörten Rassenkunde, Volksgesundheit, Staat und<br />
Wirtschaftslehre, Geschichte, Heimatkunde, Kunst, Natur, Wissenschaft und Technik. Die<br />
meisten Volkshochschulen passten sich an, andere versuchten Freiräume zu nutzen, wieder<br />
andere lösten sich selber auf.<br />
Während des Krieges kooperierte das DVW intensiv mit der Wehrmacht, „die<br />
Volksbildungsarbeit wurde zur moralischen Unterstützung der Kriegsführung umfunktioniert:<br />
Sie wurde zu einer kriegswichtigen Aufgabe.“ 7 Der Unterricht wurde zum Teil als<br />
Fernunterricht abgehalten. Ferner gab es Volksbildungsarbeit in den Betrieben und auf dem<br />
Land.<br />
3.1.3. Die Erwachsenenbildung seit 1945<br />
Nach dem Ende des Dritten Reiches wurde die Notwendigkeit einer vor allem neutralen<br />
Erwachsenenbildung erneut gesehen und von den alliierten Militärregierungen auch gefordert:<br />
„Das Erziehungswesen in Deutschland muss so überwacht werden, dass die nazistischen und<br />
militaristischen Lehren völlig entfernt werden und eine erfolgreiche Entwicklung der<br />
demokratischen Ideen möglich gemacht wird.“ 8 „Die Ausgangslage der deutschen<br />
Erwachsenenbildung war unmittelbar nach dem Krieg durch mehrere Faktoren bestimmt, und<br />
zwar durch<br />
- die politisch-soziale, die materielle und die geistig-kulturelle Situation nach dem<br />
Zusammenbruch des nationalsozialistischen Staates,<br />
- die Vorstellungen der Siegermächte über die Neugestaltung des Bildungs- und<br />
Erziehungssystems,<br />
6 Olbrich, Josef: Geschichte der Erwachsenenbildung in Deutschland. Bonn 2001. S. 242.<br />
7 Keim, Helmut / Urbach, Dietrich (Hrsg.): Volksbildung in Deutschland 1933-1945. Braunschweig, 1976. S. 27.<br />
8 Knierim, Alfred / Schneider, Johannes: Anfänge und Entwicklungstendenzen des Volkshochschulewesens nach<br />
dem 2. Weltkrieg (1945-1951). Stuttgart, 1978. S. 20.<br />
11
- europäische Initiativen zum Aufbau der deutschen Erwachsenenbildung und<br />
- den Wiederaufbau zwischen Tradition und Neubeginn.“ 9<br />
Zunächst einmal galt es, die Entnazifizierung durchzusetzen, viele (aber längst nicht alle)<br />
belastete Dozenten wurden aus ihren Ämtern entfernt.<br />
Die Menschen selbst wollten die Schrecklichkeit der NS-Zeit und des Krieges vergessen und<br />
stürzten sich vielerorts begeistert in die Möglichkeiten der Erwachsenenbildung. „Einerseits<br />
mussten faschistische, rassistische, biologistische Denk- und Deutungsmuster verlernt<br />
werden, andererseits neue Fähigkeiten wieder erlernt werden, um sich in einem veränderten<br />
System und Milieu zurecht zu finden. Auch die Auseinandersetzung mit der kulturellen<br />
Entwicklung im Ausland, vor allem in Amerika und Westeuropa, von denen die Deutschen<br />
während der NS-Zeit abgeschnitten waren, bedeutete eine neue Lernchance und<br />
Lernnotwendigkeit.“ 10<br />
Doch es wurden nicht nur die bestehenden Volkshochschulen neu strukturiert, es wurden auch<br />
vielerorts neue gegründet.<br />
1953 erließ das Land Nordrhein-Westfalen das Gesetz über Zuschussgewährung an<br />
Volkshochschulen. Erstmals in der Geschichte der Erwachsenenbildung in Deutschland stellte<br />
dieses Gesetz den Anspruch der Volkshochschulen auf finanzielle Zuschüsse auf eine<br />
rechtliche Basis. Somit wurde das Gesetz quasi Grundlage und Startschuss für viele<br />
Volkshochschul-Neugründungen. Am 17. Juni 1953 wurde zudem der Deutsche<br />
Volkshochschulverband (DVV) als Fach- und Interessenverband der Volkshochschulen in der<br />
Bundesrepublik gegründet. Am 1. Oktober trat auch Nordrhein-Westfalen dem Verband bei.<br />
1957 erfolgte die Gründung der „Pädagogischen Arbeitsstelle des DVV“ mit Sitz in Frankfurt<br />
am Main (seit 1997: Deutsches Institut für Erwachsenenbildung e.V.).<br />
In den 1960er Jahren gab es eine „realistische Wende“ in der Erwachsenenbildung in der<br />
BRD. Die Emanzipation, der Vietnamkrieg, die Studentenbewegung und andere Impulse<br />
sorgten für Reformen. Für die Volkshochschulen gab es nun drei zentrale Aufgaben: „Hilfe<br />
zum Lernen, Hilfe bei der Orientierung und Urteilsbildung sowie Hilfe zur<br />
Eigenständigkeit.“ 11 Schlüsselqualifikationen wie Kreativität, Flexibilität, Mobilität,<br />
Selbstorganisation und Selbstverantwortung wurden wichtig. Immer mehr wurden auch Kurse<br />
angeboten, die die Teilnehmer beruflich weiterbrachten (auch durch so genannte<br />
9 Olbrich, Josef: Geschichte der Erwachsenenbildung in Deutschland. Bonn 2001. S. 306.<br />
10 Olbrich, Josef: Geschichte der Erwachsenenbildung in Deutschland. Bonn 2001. S. 309/310.<br />
11 Olbrich, Josef: Geschichte der Erwachsenenbildung in Deutschland. Bonn 2001. S. 354.<br />
12
„Bildungsurlaube“), der Begriff „lebenslanges Lernen“ machte die Runde. Zudem wurden die<br />
Ansprüche der Menschen auf Weiterbildung gesetzlich weiter verankert.<br />
In den 70er Jahren erfolgte eine zunehmende Akademisierung und Verwissenschaftlichung<br />
der Volkshochschulen, was die Professionalität dieses Bildungszweiges steigerte.<br />
In den letzten Jahren waren Europäisierung und Globalisierung auch Schlagwörter bei der<br />
Erwachsenenbildung, da sie den Bildungssektor sehr betreffen. Doch nicht nur die Teilnehmer<br />
der Kurse müssen sich dem internationalen Wettbewerb stellen, auch die Volkshochschulen<br />
an sich müssen beweisen, was in ihnen steckt. „Die Unübersichtlichkeit und<br />
Verschiedenartigkeit der Anbieter, die große Expansion von Weiterbildungseinrichtungen (...)<br />
erforderte aber eine besonders kritische Überprüfung der öffentlichen Förderungen und<br />
Leistungsergebnisse, die sich an bestimmten Qualitätsgesichtspunkten orientiert. Die neue<br />
Qualitätssicherungspolitik bzw. das Qualitätsmanagement stützt sich auf ein von der (und für<br />
die) Wirtschaft entwickeltes Normensystem, das auf den Dienstleistungs- und schließlich auf<br />
den Weiterbildungsbereich übertragen wurde. Der neue Ansatz besteht darin, dass nicht nur<br />
das Endergebnis eines Produktes, sondern auch der Entstehungsprozess einschließlich der<br />
zugrunde liegenden Rahmenbedingungen in der Überprüfung und Evaluation einbezogen<br />
wird.“ 12 Immer mehr Volkshochschulen stellen sich dieser Qualitätsprüfung.<br />
12 Olbrich, Josef: Geschichte der Erwachsenenbildung in Deutschland. Bonn 2001. S. 388.<br />
13
3.2. 1919 bis 1932: Die Anfänge der VHS in <strong>Iserlohn</strong><br />
Eine Stätte des »einträglichen Zusammenwirkens von Gelehrten<br />
und Arbeiterschaft«?<br />
Zur Geschichte der Volkshochschule <strong>Iserlohn</strong> (1919 - 1933)<br />
von Hans-Jürgen Burgard<br />
Der folgende Beitrag ging aus dem im Winterhalbjahr 1993/94<br />
durchgeführten· VHS-Arbeitskreis »Die Geschichte der<br />
Volkshochschule <strong>Iserlohn</strong>« hervor. Ohne die engagierte Mitarbeit<br />
der Teilnehmer M. Gorki, E. Zimmer, A. Noll und 1. Szaz bei der<br />
Suche nach Zeugnissen der Volksbildung in <strong>Iserlohn</strong> hätte er<br />
nicht geschrieben werden können.<br />
Am 16. Mai 1919 erschien im <strong>Iserlohn</strong>er Kreisanzeiger (IKZ)<br />
folgende Meldung:<br />
»Bildung und Hebung der sittlichen Kraft, das war auch der<br />
Zweck des Antrages der Mehrheitssozialisten zur Gründung eines<br />
Bildungsausschusses. Dieser soll sich mit der Förderung des<br />
Volkshochschulwesens, der Heimatkultur und Heimatdichtung,<br />
mit der Förderung von Theater und Musik befassen. Man<br />
entschied sich dahin, daß zu diesem Zweck die städtische<br />
Theater- und Musikkommission erweitert werden solle.<br />
Hoffentlich werden diese guten Bestrebungen auch bald in Taten<br />
umgewandelt. In <strong>Iserlohn</strong> gibt es für Bildung und Vortrags wesen<br />
sowie für Kunst aller Art noch ein weites, brachliegendes und zu<br />
beackerndes Feld. Wir werden alle Bestrebungen, die derartige<br />
Tendenzen verfolgen, stets gern unterstützen« I.<br />
Mit dem Beschluß, einen Bildungsausschuß ins Leben zu rufen,<br />
der u. a. das Volkshochschulwesen fördern sollte, reagierte der<br />
Rat der Stadt auf den Artikel 148 der Weimarer Reichsverfassung<br />
(»Das Volksbildungswesen, einschließlich der Volkshochschulen,<br />
soll vom Reich, Ländern und Gemeinden gefördert<br />
werden«) und einen Erlaß des preußischen Ministers für<br />
Wissenschaft, Kunst und Volksbildung vom 25. Februar 1919, in<br />
dem von den Gemeinden verlangt wurde, Volkshochschulen zu<br />
gründen, damit »die deutsche Volkshochschule als freie<br />
Volksbewegung zu ihrem Teil beitragen wird zur Wiedergeburt<br />
unseres Volkes« 2 .<br />
Der Bildungsausschuß nahm alsbald seine Arbeit auf und wählte<br />
auf seiner Sitzung am 28. August 1919 (Tagesordnungspunkt 3:<br />
Abhaltung von Volkshochschulkursen) eine dreiköpfige<br />
Kommission (Prof. Scheidei, Kreisschulinspektor Dr.<br />
Berkermann, Stadtverordneter Bräuker), die sich speziell um alle<br />
damit zusammenhängenden Fragen kümmern sollte 3 . Es ging um<br />
die Gewinnung von Dozenten, Honorarfragen 4 , Hörergeld 5 und<br />
Vortragsthemen 6 , wobei man sich an den Lehrplänen der<br />
Volkshochschulen in Lüdenscheid. Hagen, Remscheid und<br />
Minden 7 orientierte. Den allgemeinen Bildungshunger schätzte<br />
der Ausschuß hoch ein. Ein am 3. Oktober 1919 im IKZ<br />
erschienener Kommentar teilte diese Einschätzung. »Indem der<br />
Magistrat die Volkshochschulkurse in <strong>Iserlohn</strong> zur Einführung<br />
bringt, dient er einem vorhandenen Bedürfnis ... Wir zweifeln<br />
nicht daran, daß der Gedanke von Volkshochschulkursen auch in<br />
der hiesigen Einwohnerschaft bis in die weiteste Umgebung<br />
zündend wirkt und seine Berechtigung schlagend nachweisen<br />
wird«. Zugleich sah die Zeitung jedoch als die wesentlichste<br />
Vorbedingung für eine gedeihliche Entwicklung/der VHS in<br />
<strong>Iserlohn</strong> die Gewinnung von »wirklich anziehenden und<br />
leuchtenden Dozenten« an und wies auf die besonderen<br />
Schwierigkeiten hin, mit denen eine Mittelstadt wie <strong>Iserlohn</strong> -<br />
anders als z. B. Universitätsstädte - dabei zu kämpfen hatte: »Das<br />
Vorgehen der hiesigen Stadtverwaltung erscheint in einem<br />
umso vorteilhafteren Licht, als anderen Städten, die bahnbrechend<br />
auf diesem Gebiet gewirkt haben, die Vorbedingungen dadurch<br />
erleichtert waren, als ihr akademisches Leben ihnen gestattete, aus<br />
dem Vollen ihrer Universitäten zu schöpfen. Es haben sich in der<br />
Tat stets die ausgezeichnetsten Köpfe unter den deutschen<br />
Professoren für diese Volksschulkurse zur Verfügung gestellt,<br />
dem Grundsatz huldigend, daß für das Volk das Beste gerade gut<br />
genug ist«. Daß es in <strong>Iserlohn</strong> auch damals Kräfte gab, die dem<br />
Unternehmen VHS skeptisch bis ablehnend gegenüber standen,<br />
deutete der Artikel indirekt an, wenn er darauf hinweist, daß die<br />
Kosten der Einrichtung im <strong>Iserlohn</strong>er Unterrichtsbudget nicht ins<br />
Gewicht fielen, und seine Überzeugung zum Ausdruck bringt, die<br />
Mehrheit der Stadtverordneten werde die notwendigen Gelder<br />
»gegen die Stimmen etwaiger volksbildungsfeindlicher Verwaltungsmitglieder<br />
anstandslos bewilligen« 9 .<br />
Das geschah in der entscheidenden Ratssitzung am 7. Oktober<br />
1919 tatsächlich wie erwartet. Im Zusammenhang mit der<br />
Abstimmung machte Bürgermeister Dr. Schulte einige<br />
grundsätzliche Ausführungen zur VHS in <strong>Iserlohn</strong>. Ideal wären,<br />
so Schulte, eigentlich Volkshochschulkurse mit methodischem<br />
Unterricht in allen Wissensgebieten. Die Mittel der Stadt reichten<br />
hierzu aber nicht aus. Man müsse sich mit »Anbahnungen«<br />
bescheiden. Dennoch könne auch die <strong>Iserlohn</strong>er VHS mit den in<br />
Aussicht genommenen Veranstaltungen zur »Stärkung edlen<br />
Menschentums in weiten Kreisen und Pflege des Idealismus der<br />
Jugend« beitragen. Im übrigen wolle man nichts überstürzen und<br />
die Sache einer systematischen Entwicklung vorbehalten,<br />
Die Volkshochschule <strong>Iserlohn</strong> hat im offiziellen Schriftgut der Stadt -<br />
also in den Stenographischen Niederschriften der Ratssitzungen, den<br />
Protokollen der Ausschußsitzungen oder den Verwaltungsberichten - in<br />
den ersten 15 Jahren ihres Bestehens nur geringe Spuren hinterlassen.<br />
Weil es sich bei der damaligen Volkshochschule um eine Einrichtung<br />
ohne eigenen Apparat handelte, um eine VHS mithin, die im Gegensatz<br />
zur heutigen keine eigene Verwaltung besaß, hat auch die VHS selbst<br />
kaum schriftliche Zeugnisse ihres Wirkens hinterlassen. Wer heute über<br />
die Frühgeschichte der VHS <strong>Iserlohn</strong> schreiben will, ist infolqedessen<br />
auf mittelbare Quellen, vor allem Anzeigen und Artikel in den<br />
damaligen Tageszeitungen, angewiesen. Aus arbeitsökonomischen<br />
Gründen haben wir uns auf die Auswertung des <strong>Iserlohn</strong>er<br />
Kreisanzeigers (Jahrgänge 1919 - 1933) beschränkt.<br />
1. IKZ, 77. Jg., Nr. 113 v. 16.5. 1919.<br />
2. Zit. nach Faust, A., Hg., NRW·Landesgeschichte im Lexi-kon,<br />
Düsseldorf 1993, S. 108 f.<br />
3. Protokollbuch des Bildungsausschusses der Stadt <strong>Iserlohn</strong>,<br />
Sitzung v. 28. 8. 1919. StAls.<br />
4. Vgl. ebd., Sitzung v. 5. 1. 1920: »Honorar je Stunde etwa 20-25<br />
M.« - Ähnlich ebd., Sitzung v. 23. 2. 1920: »20 M für die<br />
Vortragsstunde wie bisher werden für angemessen gehalten«,<br />
S. Vgl. ebd., Sitzung v. 23. 2. 1920: »In Aussicht genommen werden<br />
75 Pfennig für den Abend«.<br />
6. »...je ein Vortrag des Volksschullehrers Lorenz und des<br />
Oberlehrers Heine über »Das Licht«. Der Vortrag des Herrn<br />
Krause soll abgesetzt werden«. Vgl. ebd., Sitzung v. 22. 12. 1919.<br />
7. Vgl. ebd., Sitzung v. 23. 2. 1920.<br />
8. IKZ, 78. Jg., Nr. 231 v. 3. 10. 1919.<br />
9. Ebd.<br />
14
»sofern sich das ... Interesse unserer Bürgerschaft nachweisen<br />
läßt« 10 .<br />
Die beiden ersten Vorträge in der Geschichte der <strong>Iserlohn</strong>er<br />
Volkshochschule kündigte der IKZ am 17. November 1919 11 an:<br />
»Bekanntmachung Städtische Volkshochschulkurse. Im<br />
November - Dezember finden 2 Kurse statt.<br />
Redner: 1) Dr. Grigull aus Werden über das Thema: »Unser<br />
Sonnensystem« (mit Lichtbildern).<br />
Redner: 2) Universitätsprofessor Dr. Besserer aus Münster über<br />
das Thema: »Verhütung und Bekämpfung der ansteckenden<br />
Krankheiten mit besonderer Berücksichtigung der<br />
Tuberkulosen««.<br />
Mit dem Vortrag von Prof. Dr. Besserer hatte der Bildungsausschuß<br />
offensichtlich ins Schwarze getroffen. Etwa 200<br />
Zuhörer fanden sich in der Aula des Realgymnasiums ein, um<br />
sich über die Bekämpfung ansteckender Seuchen kompetent<br />
informieren zu lassen. Vor allem aber - und das hob der IKZ in<br />
seiner Berichterstattung über diese erste Veranstaltung der<br />
<strong>Iserlohn</strong>er VHS überhaupt geradezu enthusiastisch hervor - hatte<br />
die VHS die richtigen Hörer erreicht: »Männer und Frauen des<br />
Volkes ver-schiedenster Altersstufen legten von regster<br />
Anteilnahme breiter sozialer Schichten an der begrüßenswerten<br />
Darbietung Zeugnis ab. Da saß der jugendliche Stift, dem die<br />
Lernbegierde hell aus den Augen leuchtete, neben dem schon<br />
graumelierten Arbeitsmann, der in der schwieligen Faust Papier<br />
und Bleistift zum Notizenmachen hielt. Hatte vielleicht auch er<br />
einst ein geistiges Weiterkommen geträumt, aber des Lebens<br />
rauhe Wirklichkeit gebot herrisch ein Halt. Hatte arbeiten und<br />
verdienen müssen und kein vermögendes Elternhaus und keine<br />
soziale Umwelt waren da, die für seine Weiterbildung sorgten.<br />
Jetzt ist wohl eine sozial bessere Zeit gekommen, die die<br />
Menschen höher bringen, zu den Mehrwissern hinaufziehen will.<br />
Herzlich begrüßte er ... die Volkshochschulkurse, die ...<br />
hoffentlich eine dauernde Einrichtung in <strong>Iserlohn</strong> bleiben<br />
werden. Auch die weiblichen Besucher des Kursus boten ein<br />
typisches Bild des Verständnisses für die getroffene Einrichtung;<br />
wahrlich ein erhebendes Schauspiel ist die Arbeiterfrau an der<br />
Seite ihres Gatten, die aus den Mühen und Lasten des Tages<br />
heraus eine Stunde sich freimacht, um dem Leben höheren Inhalt<br />
als Besen und Scheuerkessel ihn geben, abzugewinnen. Daneben<br />
paßt sich die Krankenschwester, das Ladenfräulein ermunternd<br />
dem Zuge nach Wissen und Bildung an, so daß der Beobachter<br />
wohl den Eindruck gewann, daß der Zweck der Übung erreicht<br />
war und der Anfang die Erwartungen übertraf ... Aus der ersten<br />
Stunde schieden die Zuhörer in gespannter Erwartung der<br />
zweiten, die vielleicht mit Lichtbildern dargeboten wird« 12 .<br />
Auch mit einer weiteren - auf sechs Abende im Winterhalbjahr<br />
1919/20 konzipierten - Vortragsreihe über westfälische<br />
plattdeutsche Dichtung (Referent Ludwig Schröder) erzielte die<br />
VHS einen großen Erfolg. In einem Rückblick auf die<br />
Veranstaltung schrieb der IKZ am 9. März 1920: Was diese<br />
Vorträge »an Genuß und Freude, an Anregung und Belehrung«<br />
gegeben haben, »das vermag nur der zu sagen und zu würdigen,<br />
der selber unter der großen treuen Zuhörergemeinde gesessen<br />
hat. Welcher Reichtum an heimatlichen dichterischen<br />
Schöpfungen ist uns hier enthüllt worden! Und doch erdrückte<br />
nie die Menge des Stoffes. Es war eben Künstlerhand, die hier<br />
schuf, wenn vor uns die Dichterpersönlichkeiten in scharfen,<br />
lebensvollen Strichen erstanden, wenn die mannigfaltigen<br />
großen und kleinen Werke uns nahegebracht wurden durch eine<br />
unübertreffliche Charakteristik. Man fühlte jedem der<br />
feingemeißelten Sätze ab, daß ihr Urheber einmal vollkommen<br />
in und über der Sache stand, dann aber auch, daß seine<br />
Ausdrucksform durch alle<br />
Schattierungen und Färbunqen hindurch. in jeder Linie und<br />
Bewegung, den Stempel meisterhafter Beherrschung trug. Ich bin<br />
dessen sicher, daß die Dichter sich glücklich geschätzt hätten,<br />
wären sie Zeugen gewesen von der stimmungsvollen Art, mit der<br />
Herr Ludwig Schröder ihre Vermittlung zum Hörerkreis gefunden<br />
hat«!". Zum Schluß seines Berichtes bedauerte der Redakteur das<br />
Ende des Kursus und gab seiner Hoffnung Ausdruck, die<br />
»Wanderung durch den reichen Schatz der heimatlichen Literatur«<br />
möge eine Fortsetzung finden.<br />
Auffällig in diesem zweiten Bericht des IKZ über eine Veranstaltung<br />
der VHS ist, daß zwar wie im ersten von der großen<br />
und über die Abende hinweg konstant bleibenden Zuhörerschaft<br />
die Rede ist, im Gegensatz zu dem ersten Bericht aber mit keinem<br />
Wort die soziale Zusammensetzung der Kursusteilnehmer<br />
erwähnt wird. Anzunehmen ist, daß sich unter den Hörern wohl<br />
eine Mehrheit mit einer anderen als der Volksschulbildung<br />
befunden hat. Das aber hätte den Motiven und dem<br />
Selbstverständnis der VHS widersprochen. In einer euphorischoptimistischen<br />
Aufbruchstimmung und anknüpfend an liberale<br />
und konfessionelle Bemühungen zur Verbreitung von<br />
Volkswissen und die Arbeit der Arbeiterbildungsvereine, die sich<br />
in erster Linie an die gerichtet hatten, denen ein erster<br />
Bildungsweg nur unzulängliches Wissen vermittelt hatte, hatte<br />
der <strong>Iserlohn</strong>er Bildungsausschuß nämlich beschlossen, als<br />
Besucher der VHS nur Personen mit Volksschulbildung<br />
zuzulassen. Anderen sollte die Teilnahme an Volkshochschulkursen<br />
nur dann erlaubt sein, wenn »noch Platz vorhanden ist«!".<br />
Der war nach den gelungenen Auftaktveranstaltungen<br />
offensichtlich häufiger vorhanden, d. h. die angebotenen Vorträge<br />
zogen bei weitem nicht immer die erwarteten Massen an, so daß<br />
der Bildungsausschuß am 23. Februar 1920 den numerus clausus<br />
aufhob und festlegte: »Die Kurse sollen allen<br />
Bevölkerungskreisen zugänglich gemacht werden« 15 . Obwohl die<br />
VHS für einzelne Vorträge z. T. sehr intensiv warb 16 , das<br />
jeweilige Thema ausführlich erläuterte 17 und hervorhob, es sei<br />
»für jedermann bestimmt«, fand z. B. ein Vortrag über »Metalltechnisches<br />
aus alter und neuer Zeit« kaum Interesse. Am 3. April<br />
1920 mahnte deshalb der IKZ: »Wie wir hören, ist leider die<br />
Anmeldung zu dem ... Kursus „Metalltechnisches aus alter und<br />
neuer Zeit“ bisher noch recht gering geblieben. Die von Herrn<br />
Ing. Krause, Lehrer an der<br />
10. IKZ, 78. Jg., Nr. 235 v. 8. 10. 1919.<br />
11. IKZ, 78. Jg., Nr. 269 v. 17. 11. 1919.<br />
12. IKZ, 78. Jg., Nr, 274 v. 24. 11.1919. , .<br />
13. IKZ 78 Jg., Nr. 59 v. 9.3. 1920. - Bereits am 6.2. 1920 (78 Jg., Nr.<br />
31) hatte der IKZ über diese Veranstaltung berichtet: »Der zweite<br />
Vortragsabend über Westfälischplattdeutsche Dichtung war noch<br />
stärker besucht als der erste ... Mit gespannter Aufmerksamkeit<br />
folgten die Zuhörer den interessanten Darlegungen und beteiligten<br />
sich nachher auch rege ,<br />
an der Leseübung ... «. .<br />
14. Protokollbuch des Bildungsausschusses der Stadt <strong>Iserlohn</strong>, Sitzung<br />
v. 14. 11. 1919. StAls.<br />
15. Ebd., Sitzung v. 23. 2. 1920.<br />
16. So wies der IKZ allein im Januar 1921 fünf Mal auf den Vortrag<br />
»Grundfragen der Astronomie« hin, den Studienrat Heine halten<br />
wollte. Vgl. IKZ; v. 6.1.,8.1., 11. 1. und 15.1. 1921.<br />
17. »Die VHS will mit diesem Vortrag nicht in das Gebiet der<br />
Fachschule übergreifen; die zur Verfügung stehende Zeit würde<br />
auch nicht ausreichen, den Stoff vom fachwissenschaftlichen<br />
Standpunkt aus einigermaßen erschöpfend zu behandeln. An den<br />
vier für den Vortrag in Aussicht genommenen Abenden soll<br />
vielmehr nur eine Auswahl von Gebieten aus der Geschichte der<br />
Metalle, ihrer Verarbeitung in alter und neuer Zeit und der<br />
Nutzbarmachung der wissenschaftlichen Untersuchung der Metalle<br />
mit Mikroskop und Meßtechnik gegeben werden.« IKZ, 78. Jg.,<br />
Nr. 69 v. 29. 3. 1920.<br />
15
Staatlichen Fachschule, geplanten Vorlesungen versprechen<br />
derartig anregend und bildend zu werden, daß es tief<br />
bedauerlich wäre, wenn die Bemühungen durch<br />
Gleichgültigkeit nur einer kleinen Anzahl Teilnehmer zugute<br />
kommen würden. Hoffentlich genügt diese Notiz, um weite<br />
Kreise zu der Anmeldung zu veranlassen 18 . Weil das aber<br />
offensichtlich nicht der Fall war, wurde der Vortrag »wegen der<br />
geringen Teilnahme und der bereits vorgerückten Jahreszeit ...<br />
bis zum nächsten Volkshochschulsemester 1920/21<br />
zurückgestellt« 19 .<br />
Öffentlich enttäuscht über das geringe »Bildungsbedürfnis der<br />
arbeitenden Kreise«, an die das Angebot der Volkshochschulen<br />
sich ja vor allem richtete, zeigte sich daraufhin<br />
Oberbürgermeister Gertenbach. In einem Rückblick auf den<br />
Anklang, den die <strong>Iserlohn</strong>er VHS in den ersten Monaten ihres<br />
Bestehens gefunden hatte, stellte er in der<br />
Stadtverordnetensitzung am 14. Mai 1920 fest: »Dem Rufe<br />
eines großen Teils unseres Volkes nach naturwissenschaftlichen<br />
und philosophischen, nach historischen, politischen und<br />
volkswirtschaftlichen Kenntnissen haben wir, wie auch andere<br />
Städte, durch Veranstaltung von Volkshochschulkursen<br />
Rechnung zu tragen versucht. Die Volkshochschule ist keine<br />
Schule neben den anderen, sondern eine Vervollkommnung«.<br />
Dann gab Gertenbach allerdings zu, daß sich die<br />
hochgespannten Erwartungen nicht erfüllt hatten: »Leider hat<br />
sich hier gezeigt, daß das Bildungsbedürfnis der arbeitenden<br />
Kreise sich bei weitem nicht als so stark herausgestellt hat, wie<br />
angenommen wurde. Die weiteren Erfahrungen mit den<br />
Volkshochschulkursen müssen zeigen, ob die Aufnahmefreudigkeit<br />
der arbeitenden Bevölkerung im richtigen Verhältnis<br />
zu der aufgewandten Mühe steht oder nicht« 20 .<br />
Wie engagiert in den Anfangsjahren der Weimarer Republik, als<br />
in Deutschland ein demokratisches Staatswesen entstanden war,<br />
in dem zunächst die Sozialdemokraten, für die Volksbildung<br />
traditionell einen hohen Stellenwert besessen hatte,<br />
bestimmenden Einfluß ausübten, über Möglichkeiten<br />
nachgedacht wurde, breite Schichten der Bevölkerung an<br />
Bildungsgüter heranzuführen, zu denen sie bisher keinen<br />
Zugang gehabt hatten, zeigt ein umfangreicher Artikel, der am<br />
20. Mai 1919 unter dem Titel »Kino und Volksbildung« im IKZ<br />
erschien 21 . Der Autor, Emil Gräfinghoff aus <strong>Iserlohn</strong>, schlug<br />
darin vor, die »Kinoseuche«, an der das deutsche Volk leide, in<br />
den Dienst der Volkserziehung zu stellen. Statt Mord und<br />
Totschlag, Ehebruch und Prostitution - typischen Themen der<br />
laufenden Filme - solle ein kommunales Kino »geist- und<br />
gemütbildende« Filme zeigen. Gräfinghoff dachte z. B. an Filme<br />
über »München, die Hauptstadt Bayerns«, »Berlin aus der<br />
Vogelschau«, »Helgoland«, »Nürnberg, ein mittelalterliches<br />
Städtebild«, »Bilder aus der sächsisch-böhmischen Schweiz«<br />
usw. Falls sich ein städtisches Kino, das für die <strong>Iserlohn</strong>er<br />
Schulkinder und Fortbildungsschüler »eine Stätte der Belehrung<br />
und auch der Unterhaltung« werden könne, nicht finanzieren<br />
lasse, so solle der Volksbildungsverein mit einem Kinobesitzer<br />
einen Vertrag schließen, in dem sich dieser verpflichte, an<br />
bestimmten Tagen sein Kino zur Verfügung zu stellen. Die<br />
Volksbildung jedenfalls gelte es zu heben durch alle »Faktoren,<br />
die da in Frage kommen: Schulen aller Art, Lesehalle,<br />
Volksbüchereien, Theater, Volkshochschule, Vorträge und<br />
Kino«.<br />
Ob ein Kino dieser Art allerdings größeren Erfolg als die VHS<br />
mit einigen ihrer ersten Vorträge gehabt hätte, darf man<br />
angesichts der vorgeschlagenen Titelauswahl wohl bezweifeln.<br />
Tatsächlich berichtete der IKZ am 3. März 1920 22 über eine nur<br />
mäßig besuchte Kulturfilmvorführung: »Es ist lebhaft zu<br />
beklagen, daß der Saal nicht ganz gefüllt war... Das Programm<br />
war wohl zu reichhaltig und erforderte zu viel geistige<br />
Anspannung. Es hätte dem Ganzen nicht geschadet, wenn in das<br />
Programm zur Erholung mehrere kurze unterhaltende Filme,<br />
auch humoristischer Art, eingefügt worden wären. Diese<br />
Darbietungen zu einem billigen Einheitspreis sind dankbar zu<br />
begrüßen, die Bevölkerung hat nun die Aufgabe, die<br />
Veranstaltungen zu unterstützen... Hoffentlich läßt der<br />
Städtische Volksbildungsausschuß in regelmäßigen<br />
Zeitabständen ähnliche Vorstellungen folgen«. An dem<br />
geringen Zuspruch, den Filmvorführungen dieser Art in<br />
<strong>Iserlohn</strong> fanden, änderte sich jedoch auch in den kommenden<br />
Jahren nichts. So stellte der Bildungsausschuß in seiner Sitzung<br />
am 5. September 1922 lapidar fest: »Für die Vorführung von<br />
Lehrfilmen bestand bei dem im vorigen Jahre beobachteten<br />
geringem Interesse der Einwohner wenig Neigung« 23 .<br />
Es scheint so, als ob viele der damals so euphorisch um die<br />
Hebung der Volksbildung bemühten Pädagogen und Politiker<br />
doch eine reichlich weltfremde Vorstellung von der<br />
Bildungsbereitschaft der »Masse« und ihren Interessen besessen<br />
hätten. Enttäuschungen konnten da nicht ausbleiben. Der IKZ<br />
jedenfalls hatte frühzeitig gewarnt und in Kenntnis der<br />
vorgesehenen Themen der ersten VHS-Vortragsserie<br />
geschrieben: »Schon jetzt möchten wir bemerken, daß ein<br />
wirklich zeitentsprechender, wirtschaftliche und soziale Dinge<br />
lehrender Vortrag im Vorlesungsverzeichnis sich nicht befindet<br />
... « 24 . So mag die teilweise schwache Resonanz, welche einige<br />
der Vorträge der <strong>Iserlohn</strong>er VHS in ihrer Gründungsphase<br />
fanden, vielleicht weniger auf die geringe<br />
»Aufnahmefreudigkeit der arbeitenden Bevölkerung«<br />
zurückzuführen sein als vielmehr darauf, daß die<br />
Verantwortlichen - auf klassisch-konservative, bildungsbürgerliche<br />
Themen fixiert - die Interessenlage der arbeitenden<br />
Menschen schlicht falsch einschätzten. Schon damals entschied<br />
über Erfolg und Mißerfolg der Volkshochschularbeit ganz<br />
einfach die Attraktivität des angebotenen Programms.<br />
Organisatorisch, ging es mit dem Aufbau von Volkshochschulen<br />
im Sommer 1919 jedoch zunächst gut voran. So wurde in<br />
Gelsenkirchen der »Verband kommunaler Volkshochschulen<br />
Westfalen« gegründet. Nach der Satzung sollte der Verband die<br />
Einrichtung und den Ausbau kommunaler Volkshochschulen<br />
fördern, weiteres Material sammeln, mit den beteiligten Stellen,<br />
also auch den Behörden, Fühlung nehmen und den<br />
wechselseitigen Austausch von Erfahrungen ermöglichen.<br />
Wenngleich der Verband den Standpunkt einnahm, »daß die VHS<br />
im Aufbau und Lehrplan den örtlichen Gegebenheiten anzupas-<br />
sen sei« 25 , wollte er andererseits doch dafür Sorge tragen, daß<br />
sich die Arbeit der einzelnen Volkshochschulen an einheitlichen<br />
Richtlinien orientierte. Vor allem sollte der Verband<br />
offensichtlich verhindern, daß die Volkshochschulbewegung »in<br />
die Hand von Privatvereinen gleite«, weil das zu einer<br />
Zersplitterung in Lehrplan, Methode und Zielsetzung geführt<br />
hätte. Der Verband stand dafür, daß die VHS »als gemeinsame<br />
Arbeitsstelle aller Volksschichten soziale Gegensätze überbrücke<br />
und nicht zu politischen Parteiagitationszwecken ausgenutzt<br />
werde«.<br />
18. IKZ, 78. Jg., Nr. 73 v. 3. 4. 1920.<br />
19. IKZ, 78. Jg., Nr. 75 v. 7.4. 1920.<br />
20. Verwaltungsbericht der Stadt <strong>Iserlohn</strong> für das Jahr 1919, S.<br />
18. StAls .<br />
21. IKZ, 77. Jg., Nr. 110 v. 20. 5. 1919.<br />
22. II(Z, 78. Jg., Nr. 53 v. 3. 3. 1920.<br />
23. IKZ, 81. Jg., Nr. 209 v. 6. 9. 1922.<br />
24. IKZ, 78. Jg., Nr. 231 v. 3. 10.1919.<br />
25. IKZ; 78. Jg., Nr. 180 v. 12. 8. 1919. - Die Interessenvertretung der<br />
Volkshochschulen erfolgte durch regionale und überregionale<br />
Verbände. 1927 wurde der »Reichsverband der deutschen<br />
Volkshochschulen« gegründet. Vgl. dazu Pöggeler, F., Hg.,<br />
Geschichte der Erwachsenenbildung, Stuttgart 1975, S. 76<br />
16
Schon um das zu verhindern, sei die Kommune, »die als<br />
neutrale Stelle allgemeines Vertrauen« genieße, »die berufene<br />
Trägerin der VHS«.<br />
Mit der Zielsetzung, »gemeinsame Arbeitsstelle aller<br />
Volksschichten« sein und »soziale Gegensätze überbrücken« zu<br />
wollen, ist eine wesentliche Aufgabe der damaligen<br />
Volkshochschule umschrieben. Es ging keineswegs nur um die<br />
Vermittlung von Kenntnissen. Vielmehr sollte die VHS zu einer<br />
Stätte des »einträglichen Zusammenwirkens von Gelehrten und<br />
Arbeiterschaft« werden"; die bestehende Klassenschranken<br />
überwinden und damit einen wesentlichen Beitrag zum<br />
Wiederaufstieg Deutschlands nach dem verlorenen Weltkrieg<br />
leisten. Der schon erwähnte Erlaß des preußischen<br />
Ministeriums für Wissenschaft, Kunst und Volksbildung vom<br />
25. Januar 1919 hebt diesen Gedanken klar hervor: »Die Not<br />
der Zeit offenbart so eindringlich wie denkbar die<br />
Notwendigkeit der Arbeitsgemeinschaft aller Volkskreise. Wir<br />
müssen Brücken schlagen zwischen dem kleineren Volksteil.<br />
der geistig arbeitet, und dem immer größer bleibenden Teile<br />
unserer Volksgenossen, der mit der Hand schafft, aber geistig<br />
hungrig ist. Wie der Kopfarbeiter täglich den Segen der<br />
Handarbeit genießt, die ihm die materiellen Notwendigkeiten<br />
des Lebens schafft, so muß der Handarbeiter in Stadt und Land<br />
teilnehmen können an den Errungenschaften seiner in geistigen<br />
Werkstätten schaffenden Volksgenossen ... Unser Volk in allen<br />
seinen Teilen muß lernen, wie alle Arbeit sich gegenseitig<br />
ergänzt und trägt. Das Frohgefühl der sozial fördernden Arbeit<br />
unter der Parole: ,Einer für alle, alle für einen’ muß unser aller<br />
Kraft beleben. Über Stadt und Land verbreitete<br />
Volkshochschulen, in denen die so vielfach volksfremd<br />
gewordene Wissenschaft wieder deutsch zu Deutschen spricht,<br />
müssen uns helfen, das geistige Band zwischen allen<br />
Volksteilen wieder fest zu knüpfen und verlorenes Verständnis<br />
für gemeinsame Arbeit wieder zu erobern« 27 . Indem die VHS<br />
einen Beitrag leiste zur »Verständigung und Versöhnung in<br />
unserem armen, zerklüfteten Volke« 28 , könne sie bestehende<br />
Klassengegensätze ab- und eine echte Volksgemeinschaft<br />
aufbauen; die aber sei eine unverzichtbare Voraussetzung für<br />
die Wiedererringung deutscher Größe: »Der Gedanke der<br />
Volksbildung muß wachsen, damit Deutschland leben kann. Noch<br />
ist es Nacht über unserm Vaterlande, aber schon sind selbständige<br />
Geister allerorten frohgemut aufgestanden... Aufgabe der Volkshochschulbewegung<br />
ist es, ihre Reihen zu ordnen und mitzuhelfen,<br />
einen neuen Tag heraufzuführen ... « 29 .<br />
Wie verbreitet solche Ansichten damals waren, offenbart z. B.<br />
auch der Leserbrief »Arbeiter-Volksbildung« von Frau M.<br />
Barnhold aus <strong>Iserlohn</strong>, den der IKZ am 10. September 1919 30<br />
veröffentlichte. Die Leserbriefschreiberin schlug die Errichtung<br />
einer Volksbühne in <strong>Iserlohn</strong> nach dem Berliner Vorbild vor und<br />
appellierte an Arbeiter, Unternehmer und Stadt, das Projekt durch<br />
eine gemeinsame Anstrengung zu verwirklichen. Der Bau eines<br />
Theaters war nach ihrer Auffassung »das beste Denkmal für<br />
unsere gefallenen Helden und ein Zeichen, daß die blutige Saat<br />
doch noch reiche Früchte getragen hat. Leben und mit Freude<br />
schaffen können wir nur, wenn wir alle zusammenstehen, in dem<br />
Bestreben und dem festen Glauben an ein Wiederauferstehen<br />
unseres Volkes und seiner Kraft, und dann müssen wir Ideale ins<br />
Volk tragen und darum ist es wirklich eine der brennendsten<br />
Tagesfragen, darüber schnell zur Tat zu kommen«. Ähnlich<br />
argumentierte am 5. November 1919 31 der <strong>Iserlohn</strong>er Oberlehrer<br />
Dr. Wagner. Nach seiner Überzeugung wirkten sich<br />
Bildungsunterschiede »genau so klassentrennend aus wie der<br />
Unterschied in der Verteilung materieller Güter« und machten den<br />
Wiederaufstieg Deutschlands unmöglich. Es gelte, die »geistige<br />
Spaltung« im Seelenleben des Volkes zu überwinden und den<br />
Willen, einheitlich und geschlossen im Staate mitzuarbeiten, zu<br />
entwickeln: »Diese Geschlossenheit des Willens ... ist ein<br />
unvermeidliches Erfordernis zunächst der außenpolitischen<br />
und wirtschaftlichen Lage, in die uns der Kriegsausgang<br />
hineingeworfen hat ... «. Für Wagner war die VHS aber nicht<br />
nur aus Gründen der nationalen Wiedergeburt eine<br />
Notwendigkeit. So wie sie durch ihre klassenintegrierende<br />
Kraft Deutschland nach außen stärke, so stütze sie im Innern<br />
die Demokratie: »Die VHS ist eine unvermeidliche<br />
Konsequenz der Demokratie ... Volksherrschaft ist Volksbildung,<br />
denn ohne geistige Reife des Volkes ist die<br />
Demokratie der Nährboden der Demagogie«.<br />
Es berührt schon eigentümlich, wenn man aus dem Abstand von<br />
75 Jahren liest, welche Hoffnungen und Erwartungen an die<br />
VHS geknüpft wurden. Über die »Sozialisierung des Geistes« 32<br />
sollte sie bestehende Klassengegensätze versöhnen, den inneren<br />
Zusammenhalt des Volkes stärken, eine echte<br />
Volksgemeinschaft begründen und auf diese Weise zum<br />
Wiederaufstieg des Reiches beitragen. Ferner wies man ihr die<br />
Aufgabe zu, die junge Demokratie in Deutschland zu festigen<br />
und gegen ihre radikalen Feinde zu verteidigen! Wie immer<br />
man diese Zielsetzungen rückblickend auch bewerten mag -<br />
manches daran erinnert an den naiv erscheinenden Optimismus<br />
der Aufklärer des 18. Jahrhunderts, die von der Möglichkeit der<br />
Erziehung des Menschengeschlechts zu Toleranz, Humanität<br />
und kritischer Rationalität überzeugt waren an der<br />
Ernsthaftigkeit ihrer Überzeugungen und dem großen<br />
Idealismus, mit dem sie an ihre Aufgabe herangingen, ist kein<br />
Zweifel erlaubt.<br />
Der publizistische Niederschlag, den die Idee der Volksbildung<br />
und die VHS, mittels derer man sie durchsetzen wollte, damals<br />
fand, ist beispiellos. Niemals zuvor und niemals danach ist z. B.<br />
im IKZ (wie auch in anderen Zeitungen) so grundsätzlich und auf<br />
so beachtlichem Niveau über die VHS gestritten worden. Gegen<br />
die VHS wurde immer wieder vorgebracht, daß der mangelnde<br />
Arbeitswille breiter Schichten der Bevölkerung alle<br />
Bildungsbestrebungen zur Erfolgslosigkeit verurteile. »Die<br />
Volkshochschulkurse besitzen ihre Gegner«, schrieb der IKZ am<br />
24. November 1919 33 . »Deren Antipathie entquillt<br />
pädagogischen Erwägungen. Sie fürchten, ... daß solche Kurse<br />
vergebliche Liebesmühe seien. Nach ihrer Ansicht geht selbst die<br />
volkstümliche Art des Dozierens ... so schwer in den ungeübten<br />
Zuhörer ein, daß ein großer Teil derselben das Rennen, d. h. den<br />
Besuch der Stunden, nach einiger Zeit aufgeben wird«. Die<br />
verantwortlichen Politiker seien von der Idee der Volksbildung<br />
größtenteils nicht wirklich überzeugt, sondern verführen nach<br />
dem Motto: »Wir müssen mit Rücksicht auf die Mode schließlich<br />
irgend etwas unternehmen. Um eine Bildungsarbeit kann es sich<br />
zwar nicht handeln, aber wir zeigen wenigstens den guten Willen<br />
und die Sache mag doch vielleicht den Wert einer Unterhaltung<br />
haben und daher geeignet sein, von dem ewigen Politisieren<br />
abzulenken« 34 .<br />
Ein Haupteinwand gegen die VHS ging dahin, daß sie<br />
Halbbildung vermittle. Den Vorwurf, die Popularisierung der<br />
Wissenschaft führe zu einer oberflächlichen Scheinbildung,<br />
26. Vgl. Krause, K., Hg., Die neue Volkshochschule, Bibliothek für<br />
moderne Geistesbildung. 4 Bände. Leipzig 6 1927, S. 19.<br />
27. Zit. nach Krause, a. o. a. 0 .. S. 19.<br />
28. Ebd.<br />
29. Ebd., S. 12.<br />
30. IKZ, 78. Jg., Nr. 211 v. 10.9. 1919.<br />
31. IKZ, 78. Jg., Nr. 259 v. 5. 11. 1919.<br />
32. Krause. a. o. a, 0., S. 19.<br />
33. IKZ, 78. Jg., Nr. 274 v. 24. 11. 1919.<br />
34. So der <strong>Iserlohn</strong>er Oberlehrer Dr. Wagner in einem am 5. 11. 1919<br />
im IKZ (78. Jg., Nr. 259) veröffentlichtem Artikel "Zur<br />
Volkshochschulfrage«. Wagner bemühte sich engagiert. die<br />
Einwände gegen die Volkshochschule zu entkräften.<br />
17
nahmen auch die Befürworter der VHS ernst. Aber sie<br />
versuchten ihn dadurch zu entkräften, daß sie darauf<br />
hinwiesen, es sei eben gerade die Aufgabe der VHS, neben der<br />
Wissensvermittlung dem »Entstehen objektiv unberechtigter<br />
Vorstellungen über das Ausmaß des erworbenen Wissensgutes<br />
- das macht doch das Wesen der Halbbildung aus - (durch)<br />
geeignete Maßnahmen« entgegenzuwirken 35 . Manche<br />
befürchteten schließlich, die VHS-Kurse könnten von den<br />
Dozenten zur politischen Indoktrination der Hörer mißbraucht<br />
werden. In diesem Sinne sprach der IKZ 36 von der<br />
»schlummernden Gefahr politischer Ausbeutung« der VHS-<br />
Kurse, beruhigte seine Leser jedoch zugleich mit der<br />
Versicherung: Ȇber diese Gefahren werden Augen von<br />
Ratgebern wachen, die es gut mit dem Volke meinen und die<br />
Kurse nicht zu politischen Tummelplätzen, sondern einzig zu<br />
Stätten geistiger Hebung und Weiterbildung erhoben sehen<br />
wollen«.<br />
Nach der - insgesamt gesehen 37 - recht erfolgreichen ersten<br />
Vortragsserie im Winter 1919/20 nahm die <strong>Iserlohn</strong>er<br />
Volkshochschule, die übrigens seit Februar 1920 auch einen<br />
Leiter, nämlich den »Töchterschuldirektor Klumpp« hatte"; im<br />
Herbst 1920 ihre Arbeit wieder auf. Im Oktober veröffentlichte<br />
der IKZ 39 das vorgesehene Programm des Winterhalbjahres<br />
1920/21, das vor allem mit Vorträgen zu medizinischen Themen<br />
versuchte, an die ersten Erfolge anzuknüpfen.<br />
Zugleich lebte die grundsätzliche Diskussion des Für und Wider<br />
der Volksbildungsbewegung erneut auf. Der preußische<br />
Unterrichtsminister hatte in einem Rundschreiben auf die<br />
Gefahr hingewiesen, »daß angesichts des Mangels an Erfahrung<br />
und geeigneten Lehrkräften die Gründung von<br />
Volkshochschulen nicht zu der beabsichtigten Vertiefung,<br />
sondern zu einer Verflachung und Herabwürdigung der Bildung<br />
führen könne« und geraten, auf die Einrichtung von<br />
Volkshochschulen vorerst zu verzichten, wenn die örtlichen<br />
Voraussetzungen »zu wirklich wertvoller Arbeit« nicht gegeben<br />
seien 40 . Der <strong>Iserlohn</strong>er Bildungsausschuß, offensichtlich<br />
ermutigt von den Erfolgen des vergangenen Winters, hielt die<br />
Voraussetzungen in <strong>Iserlohn</strong> jedoch für durchaus gegeben 41 und<br />
nahm die Gelegenheit der Präsentation des neuen Programms<br />
zum Anlaß, die VHS und ihre Arbeitsweise der Öffentlichkeit<br />
noch einmal vorzustellen. So betonte er, daß die VHS keine<br />
Fortbildungs- oder Fachschule sei und nicht der Unterhaltung<br />
und der popularisierenden Belehrung in der Art der bisher<br />
üblichen Veranstaltungen des freien Bildungswesens diene. »Ihr<br />
Endziel« sei vielmehr - und das entspricht in etwa dem<br />
erziehungswissenschaftlichen Diskussionsstand der 1990er<br />
Jahre und ist somit als sehr fortschrittlich einzustufen - »die<br />
Ausbildung des Denk- und Urteilsvermögens«, die »Weckung<br />
geistiger Selbständigkeit« und »geistigen Eigenlebens«, nicht<br />
etwa »die Vermittlung von Kenntnissen« oder<br />
»Bildungsrohstoff«.<br />
Ferner bekräftigte der Bildungsausschuß die sozialintegrative<br />
Aufgabe der VHS und die eminent politische Bedeutung ihrer<br />
Arbeit: »Wenn ... die verschiedenen Gesellschaftsklassen sich in<br />
gemeinsamer Arbeit und gemeinsamem Streben nach einer<br />
selbstbegründeten Weltanschauung zusammenfinden, so kann<br />
auf diesem Boden erfolgreiche Wiederaufbauarbeit geleistet<br />
werden«. Durch die Weckung des gegenseitigen Verständnisses<br />
»der jetzt so verständnislos einander gegenüberstehenden<br />
Volksklassen« werde »die unerläßliche Vorbedingung für die<br />
Rettung aus dem Chaos erfüllt«. Dieses Ziel sei auf dem Wege<br />
der Vorlesung nicht zu erreichen, sondern nur in der Form der<br />
lebendigen Arbeitsgemeinschaft »in engster Fühlung zwischen<br />
Lehrern und Hörern«. Die Dozenten sollten frei vortragen und<br />
das Vorgetragene anschließend mit den Hörern besprechen:<br />
»Erwünscht ist, wenn aus dem Hörerkreis selbst Wünsche und<br />
Anregungen kundgegeben werden«. Dieser Wunsch ging in der<br />
Folge allerdings ganz offensichtlich nicht in Erfüllung.<br />
Jedenfalls schrieb der lKZ in einem Rückblick auf die VHS-<br />
Arbeit im Jahre 1921: »Nach den Erfahrungen des letzten Jahres<br />
wäre es dringend wünschenswert, daß ... die wohlbegreifliche<br />
Scheu der Hörer vor eigenen Fragen, Anregungen und<br />
Ausarbeitungen mehr und mehr überwunden würde« 42 . Die<br />
Lehrgänge, führte der Bildungsausschuß weiter aus, sollten eine<br />
in sich abgeschlossene Darstellung ihres Gegenstandes geben -<br />
»in wissenschaftlichem Geist und unter Wahrung strengster<br />
Objektivität« - und im allgemeinen aus mindestens 5 Vorträgen<br />
mit nachfolgender Besprechung bestehen. Die Zahl der Hörer<br />
war im allgemeinen auf 30 begrenzt, »da nur dann die unbedingt<br />
wünschenswerte Beziehung zwischen Hörern und Lehrer<br />
hergestellt werden kann«. U. a. auch deshalb verzichtete man<br />
darauf, auswärtige Lehrer zu verpflichten, »weil es in den<br />
wenigen Stunden nur Einheimischen möglich sein wird,<br />
in enge Fühlung mit den Hörern zu treten« 43 . Daß auch die<br />
angestrebte Gemeinschaft zwischen Lehrern und Hörern ein<br />
Anspruch war, der in der Realität oft nicht eingelöst werden<br />
konnte, offenbart ein Leserbrief, den der IKZ im Juli 1927<br />
veröffentlichte 44 . Der Verfasser berichtete darin über eine Freizeit,<br />
an der er in dem Volkshochschulheim Wislade bei Lüdenscheid<br />
teilgenommen hatte, und verglich die Arbeit dort mit dem<br />
normalen Unterrichtsalltag der Volkshochschulen: »An die<br />
Vorträge schlossen sich rege Aussprachen an. Diese aber fanden<br />
ihre Fortsetzung jeweils an folgenden Tagen und im kleineren<br />
Kreise. Darin, das wurde uns in der Freizeit besonders deutlich,<br />
liegt der Hauptwert der Wislade-Volkshochschulkurse. Wir waren<br />
für die 8 Tage eine Lebens- und Arbeitsgemeinschaft. Im<br />
Gegensatz dazu stehen die sog. Volkshochschulkurse, die meist<br />
nur im Winter in den Sälen der Städte stattfinden. In ihnen wird<br />
wohl Wissen gebracht durch einzelne Vorträge, jeweils auch<br />
Aussprache. Die Teilnehmer aber kommen nur als Hörer, bleiben<br />
sich wie dem Redner fremd und gehen dann wieder ihre eigenen<br />
Wege. Ganz anders in der Wislade 45 «.<br />
Optimistisch und schwungvoll ging die <strong>Iserlohn</strong>er VHS in das<br />
zweite Jahr ihres Bestehens: »Und nun mit frischem Mut ans Werk!<br />
Möge eine recht zahlreiche Beteiligung den Beweis erbringen, daß<br />
nicht bloß Lohn- und Machtfragen die gärende Zeit bewegen, daß<br />
nicht nur die Veranstaltungen Zulauf finden, die der Schaulust und<br />
dem Nervenkitzel frönen, sondern auch solche, die in geräuschloser<br />
Arbeit der geistigen und sittlichen Weiterbildung unseres Volkes<br />
dienen 46 «. Mit einem breitgefächerten Kursangebot, das möglichst<br />
viele Interessengebiete anzusprechen versuchte und sich um eine<br />
zeitnahe Erwachsenenbildung bemühte, in der auch berufsbezogene<br />
und berufsfördernde Vorträge nicht fehlten, setzte die VHS<br />
<strong>Iserlohn</strong> im Jahre 1920 ihre Arbeit fort. Thematisch deckte sie die<br />
Bereiche Medizin, Literatur, Religion, Jurisprudenz, Astronomie,<br />
Philosophie, Technik und Physik ab und knüpfte dabei vor allem<br />
35. Ebd.<br />
36. IKZ, 78. Jg., Nr. 274 v .. 24. 11. 1919.<br />
37. Diese Einschränkung erscheint angebracht, weil es der VHS nicht<br />
gelungen war, ihre eigentliche (ungebildete) Zielgruppe zu<br />
erreichen.<br />
38. Theodor Klumpp, geb. 26. 3. 1865, gest. 28. 1. 1946, war von<br />
1903 bis 1930 Schulleiter des Mädchen-Gymnasiums. Vgl.<br />
Burgard, Hans-Jürgen, Der Neue ist der achte! Die Schulleiter des<br />
Gymnasiums An der Stenner, in: Jahresschrift des Gymnasiums<br />
An der Stenner, <strong>Iserlohn</strong> 1922, S. 16 u. S. 19.<br />
39. IKZ, 79. Jg., Nr. 241 v. 20. 10. 1920.<br />
40. Zit. nach ebd.<br />
41. Ebd.<br />
42. IKZ, 80. Jg., Nr. 262 v. 8. 11. 192i.<br />
43. IKZ, 79. Jg., Nr. 241 v. 20. 10. 1920.<br />
44. IKZ, 86. Jg., Nr. 169 v. 22. 7.1927.<br />
45. Zu den Heimvolkshochschulen vgl. Pöggeler, a. o. a. 0., S.<br />
75 f.<br />
46. IKZ, 79. Jg., Nr. 241 v. 20.10.1920.<br />
18
dort an, wo im ersten Semester die Resonanz besonders gut<br />
gewesen war. Weil z. B. ein Vortrag von Pfarrer Walther über<br />
ein religiöses Thema im Winter 1919/20 großen Anklang<br />
gefunden hatte (» ... im vergangenen Jahr ca. 120 Zuhörer« 47 ),<br />
bat die VHS den Referenten auch im neuen Semester um<br />
seine Mitarbeit. Walther sprach jetzt über »Soziales Wirken<br />
und soziale Forderungen Jesu« 48 . Dr. med. Graeve bot einen<br />
Vortrag über »Geschlechtskrankheiten, ihre Verbreitung und<br />
Verhütung« an 49 , Hauptlehrer Kleibauer war mit einem<br />
Vortrag über »Neuplattdeutsche Dichtung mit ernsten und<br />
heiteren Proben« vertreten 50 , nachdem er im vorausgegangenen<br />
Semester bereits Hörer für die Frage »Ist<br />
Plattdeutsch unfein?« interessiert hatte 51 . Mit einem Vortrag<br />
über einzelne Abschnitte aus dem deutschen Familien- und<br />
Erbrecht (Amtsgerichtsrat Lotz) 52 gab die VHS ebenso Hilfen<br />
im praktischen Leben wie mit »Grundfragen der Technik«<br />
(Ing. Krause) 53 und einem Vortrag über moderne<br />
elektronische Kommunikationsmittel 54 , während sie mit<br />
Themen wie »Aus der Geschichtsphilosophie des<br />
Marxismus« (Studienrat Dr. Wagner) 55 oder »Grundfragen<br />
der Astronomie« (mit Demonstrationen auf der Sternwarte)<br />
(Studienrat Heine) 56 eher im akademischen Bereich blieb.<br />
Die Vielzahl der Inserate, redaktionellen Hinweise und<br />
Berichte über VHS-Belange beweist, daß die <strong>Iserlohn</strong>er VHS<br />
sich durchaus erfolgreich einen Platz im kulturellen Leben der<br />
Stadt erobert hatte und diesem fruchtbare Impulse gab. Es<br />
muß hervorgehoben werden, daß der IKZ die Arbeit der VHS<br />
nach Kräften unterstützte und sich immer wieder werbend<br />
(»Wir weisen nochmals empfehlend auf den ... VHS-Kurs des<br />
Herrn Studienrat Dr. Wagner ... hin« 57 .- »In den letzten Jahren<br />
ist in weitesten Volksschichten das Interesse für mundartliche<br />
Dichtung erwacht ... Herr Hauptlehrer Kleibauer-Grüne wird<br />
in seinen Vorträgen in der VHS sowohl die ernste und<br />
tragische als auch die heitere und humorvolle Seite der<br />
plattdeutschen Dichtungen westfälischer Literatur berücksichtigen...<br />
Den Hörern stehen also lehr- und genußreiche<br />
Stunden bevor 58 «. - »Wir können den Besuch dieser Kurse<br />
wegen der großen allgemeinen Wichtigkeit nur empfehlen 59 «.<br />
- »Wie im vergangenen Jahre, so wird auch dieser<br />
hochinteressante Kursus zahlreiche Hörer finden« 60 ) oder -<br />
nach durchgeführten Kursen - lobend für sie einsetzte (»In 6<br />
Doppelstunden hat der Vortragende seinen Hörerkreis<br />
eingeführt in das Wesen, die Bedeutung und den Werdegang<br />
der Sprache sowie in die Dichtung des Mittelalters und der<br />
neueren Zeit ... stellte in packenden, anschaulichen<br />
Lebensbildern die Klassiker ... vor die Seele .... Die Zuhörer<br />
ließen es an Dank und Anerkennung nicht fehlen 61 «).<br />
Obwohl die VHS in ihren Veranstaltungshinweisen immer<br />
wieder betonte, daß die Vorträge für ein breites Publikum<br />
geeignet seien (»Angehörige aller Berufe haben Zutritt« 62 ),<br />
sprach ihr Programmangebot doch offensichtlich in erster<br />
Linie ein bürgerliches Publikum an und verfehlte weitgehend<br />
seinen eigentlichen Adressatenkreis. In einer Rückschau auf<br />
das abgelaufene Wintersemester 1920/21 schrieb der IKZ am<br />
29. April 1921 63 : »Die VHS-Kurse ... fanden im allgemeinen<br />
einen recht guten Zuspruch, wenn auch leider der Besuch aus<br />
den arbeitenden Kreisen, ebenso wie im Vorjahre, durchaus<br />
nicht den gehegten Erwartungen entsprach« 64 . Das<br />
wesentlichste Problem der Volkshochschule in <strong>Iserlohn</strong><br />
während ihrer Gründungs- und Aufbauphase - aber<br />
keineswegs nur dann 65 - war es, die »falschen Schüler«<br />
anzuziehen und sich - entgegen ihrer eigentlichen<br />
Zielvorstellung und ihrem Bildungsauftrag - zu einer<br />
Institution zu entwickeln, die die kulturellen Bedürfnisse des<br />
Bürgertums bediente. Dieses Problem wurde durchaus<br />
gesehen. Auf dem dritten westfälischen Volkshochschultag,<br />
der im November 1921 in Hagen stattfand, waren sich alle<br />
Teilnehmer darin einig, daß weder Rat und Verwaltung oder<br />
Dozenten von ausschlaggebender Bedeutung für den Aufbau<br />
einer Volkshochschule seien, »sondern einzig und allein die<br />
Hörerschaft«. Von ihr habe »der starke Wille zur<br />
Volksbildung auszugehen, sonst bleibt die Volkshochschule<br />
eine künstliche Treibhauspflanze und kann nicht<br />
bodenständig werden und nicht leistungsfähig sein und<br />
bleiben« 66 .<br />
Klagen über die nicht erreichten Arbeiter fehlen in keinem<br />
der zahlreichen Berichte über die Tätigkeit der VHS. So<br />
schrieb beispielsweise der IKZ zu Beginn des Wintersemesters<br />
1921/22, der Anklang, den die VHS-Kurse gefunden<br />
hätten, sei sehr zufriedenstellend, »das Interesse der<br />
Hörer bis zur letzten Minute gleich rege« gewesen 67 .<br />
Gleichwohl machte die Zeitung aus ihrer Enttäuschung kein<br />
Hehl, »daß gerade die Kreise fehlten, für die die<br />
Volkshochschule in erster Linie bestimmt ist, die der<br />
Arbeiter«. In einer Art Ursachenforschung vermutete der<br />
Bericht ein Vorherrschen politischer und gewerkschaftlicher<br />
Interessen in der Arbeiterschaft. Er sprach aber dann doch die<br />
Hoffnung aus, daß das an gleicher Stelle veröffentlichte neue<br />
Programm die Arbeiter stärker ansprechen werde [» ...<br />
jedenfalls ist in diesem Jahr begründete Aussicht, daß auch<br />
die Arbeiterschaft sich reger beteiligen wird «.), denn »die<br />
Sache ist gut, wenn auch der Name vielleicht schlecht<br />
gewählt ist, da er höhere Erwartungen wecken kann als<br />
erfüllbar sind« - bzw. - und das ist wohl das, was der<br />
Redakteur hier eigentlich zum Ausdruck bringen wollte -<br />
abschreckend wirken kann. Offensichtlich um den<br />
umworbenen Arbeitern ihre Scheu vor der Volkshochschule<br />
zu nehmen, folgt dann erneut eine kurze Beschreibung<br />
dessen, was Volkshochschule nicht ist: keine Hochschule im<br />
eigentlichen Sinn, keine Fortbildungsschule, sondern eine für<br />
jedermann offene Institution, die »allen denen Anregung und<br />
Förderung geben« möchte, »die über die nächstliegenden<br />
Bedürfnisse des Lebens hinaus nach Vertiefung ihrer<br />
allgemeinen und beruflichen Bildung streben«.<br />
Die Tatsache, daß es ihr nicht gelang, in nennenswerter<br />
Anzahl Arbeiter in ihre Veranstaltungen zu ziehen, sorgte<br />
auch weiter für Diskussionen, die allmählich an Schärfe<br />
zunahmen und von den Kritikern der VHS dazu benutzt<br />
wurden, die Einrichtung als solche in Frage zu stellen.<br />
Abweichend von der grundsätzlich positiven Haltung, die er<br />
47. IKZ, 80. Jg., Nr. 260 v. 5. 11. 1921.<br />
48. IKZ, 79. Jg., Nr. 30 v. 5. 2. 1921.<br />
49. Ebd.<br />
50. Ebd.<br />
51. IKZ, 79. Jg., Nr. 22 v. 27. 1. 1921.<br />
52. IKZ, 79. Jg., Nr. 36 v. 12.2. 1921.<br />
53. IKZ, 80. Jg., Nr. 280 v. 5. 11. 1921.<br />
54. IKZ, 80. Jg., Nr. 284 v: 9. 11. 1921.<br />
55. IKZ, 79. Jg., Nr. 19 v.25. 1. 1921.<br />
56. IKZ, 79. Jg., Nr. 4 v. 6. 1. 1921.<br />
57. IKZ, 79. Jg., Nr. 123 v. 28. 1. 1921.<br />
58. IKZ, 79. Jg., Nr. 30 v. 5. 2. 1921.<br />
59. IKZ, 79. Jg., Nr. 40 v. 162. 1921.<br />
60. IKZ, 80. Jg., Nr. 260 v. 5. 11. 1921.<br />
61. IKZ, 79. Jg., Nr. 68 v. 22. 3. 1921.<br />
62. VgI. IKZ v. 6. 1., 25. 1. und 27. 1. 1921.<br />
63. IKZ, 80. Jg., Nr. 99 v. 29. 4. 1921.<br />
64. Wörtlich gleichlautend hatte sich auch Oberbürgermeister<br />
Gertenbach am 28. 4. 1921 in der Stadtverordnetenversammlung<br />
geäußert. VgI. Verwaltungsbericht der Stadt <strong>Iserlohn</strong> für das<br />
Jahr 1920, S. 43. StAls.<br />
65. In Mülheim an der Ruhr war es nicht anders. VgI. 75 Jahre VHS<br />
in Mülheim an der Ruhr, Mülheim an der Ruhr 1994, S. 13:<br />
» ... daß das VHS-Selbstverständnis vielleicht doch nicht der<br />
gesellschaftlichen Situation entsprach und daß die Arbeiterschaft<br />
sich dieser Konzeption der Erwachsenenbildung weitgehend<br />
verschloß«,<br />
66. VgI. den IKZ-Bericht über die Tagung v. 17. 11. 1921. 80. Jg.,<br />
Nr.269.<br />
67. IKZ, 80. Jg., Nr. 262 v. 8.11.1921.<br />
19
der VHS gegenüber eingenommen hatte, brachte der IKZ am<br />
10. Januar 1922 68 einen überaus kritischen Beitrag. Genüßlich<br />
listete der Redakteur die im Januar 1922 angebotenen Kurse<br />
und die dazu vorliegenden Anmeldungen auf: »Die neu in<br />
Aussicht genommenen Kurse in <strong>Iserlohn</strong> zeigen folgendes,<br />
vielversprechendes Bild: Kursus Prof. Lasius, „Das Buch und<br />
seine Entwicklung“, kein Hörer. Kursus Zeichenlehrer Mathäi,<br />
„Einführung in die Kunstbetrachtung“, 13 Hörer. Kursus<br />
Studienrat Berg, „Bau des menschlichen Körpers“, 1 Hörer.<br />
Kursus Dr. Wagner, „Geistes- und Gesellschaftsgeschichte der<br />
Neuzeit“, 35 Hörer. Kursus Dr. Florin, „Einführung in die<br />
Elektrizitätslehre“, 3 Hörer. Kursus Dr. Perlmann, „Einführunq<br />
in die Musikdramen Wagners“, 13 Hörer. Kursus Dr. Neuwert,<br />
„Lebensvorgänge des menschlichen Körpers“, 3 Hörer. Kursus<br />
Rechtsanwalt Dr. Schenkel, „Die Grundzüge unseres Verfassunqsrechtes“,<br />
1 Hörer (Lehrling) und Kursus Geschäftsführer<br />
Schult vom SGV, „Heimat“, bis jetzt kein Hörer«. Aus der z.<br />
T. sehr geringen Anzahl von Anmeldungen zog der Verfasser<br />
so dann folgenden Schluß: »Bei dem einen oder anderen Kurs<br />
mag sich dieser oder jener in die Hörerlisten noch eintragen.<br />
An unserem Gesamturteil über den inneren Wert dieser<br />
Volksbildungskurse vermag das natürlich nichts zu ändern. Je<br />
eher man diese Art der Weltverbesserung als Anhängsel eines<br />
aus dem sittlichen Gleichgewicht gefallenen Volkes aufgibt, je<br />
besser wird es um die wahre Geist- und Herzensbildung<br />
bestellt sein!«<br />
Die Tatsache, daß sich für die VHS-Kurse im Winter 1922 in<br />
<strong>Iserlohn</strong> bis zum 10. Januar nur 69 Hörer angemeldet hatten, bot<br />
dem Verfasser, der die gesamte Volksbildungsbewegung<br />
offensichtlich seit Jahren mit haßvoller Ablehnung verfolgt<br />
hatte (»Der Schrei nach Volksbildung - oder sagt man nicht<br />
zeitgemäßer „Volkshochschulbildung“ kann nicht laut genug<br />
erschallen. Revolution und glückvolle Demokratisierung<br />
weckten die Überzeugung im Volke, daß man in einem<br />
wirklichen Freiheitsstaate jedwede Bildung von jedem<br />
Quittenbusch und Erbsreiser am Wege pflücken kann und daß<br />
zur Verdauung dieser im früheren Leben mit Unrecht so hoch<br />
gehängten und mit heiligem Ernst verehrten Frucht nichts<br />
anderes gehöre als ein großer Mund und ein kleiner Verstand.<br />
So schwätzten es die neuen Männer, die des Staates Geschick<br />
von Berlin aus in die ungeschickten Hände nahmen, und so<br />
glaubten es die Massen ... «), willkommene Gelegenheit zu<br />
einer Generalabrechnung mit der Volkshochschulbewegung, die<br />
er als einen verhängnisvollen Irrweg darstellte (»Die ganze<br />
Volksbildungsbewegung '" krankt eben an sich selbst, ist krank<br />
bis in die Wurzeln hinein, weil ihr Aufbau und Ziel aus dem<br />
Boden eines Phantoms entsproß, der nie im Völker- und<br />
Menschheitserleben zur Wirklichkeit werden kann und an die<br />
Stelle des menschlich Wahrhaftigen und Höchsten - Gemüt' und<br />
Herzensbildung - ein Verstandesuniversum setzen will, das das<br />
Volk nicht verstehen kann, nicht zu begreifen braucht und an<br />
dem es in schlimmer Halbbildung und öder Verbildung immer<br />
scheitern muß!«) 69 und deren Scheitern er nunmehr<br />
triumphierend konstatieren zu können glaubte: »Und siehe da,<br />
die Zeit kam viel schneller, als alle Aposteln in Berlin erwartet<br />
hatten... Die Wirklichkeit stand wieder auf, ... (der) angebliche<br />
Volkshunger nach dem Allheilmittel aus dem Wunderland der<br />
Bildung zerwehte wie Dunst und Nebelfetzen ... die einzigen<br />
Menschen, die wir ... bedauern, sind die Herren Dozenten mit<br />
ihrer nutzlosen und undankbaren Arbeit ... «.<br />
Wenn es auch - anders als der Journalist glaubte - zu früh war,<br />
der <strong>Iserlohn</strong>er Volkshochschule das Sterbeglöcklein zu läuten,<br />
so kann andererseits doch nicht übersehen werden, daß sie<br />
1922 in die ernsteste Krise seit ihrem Bestehen geraten war.<br />
Nicht nur ließ der Besuch der Kurse insgesamt zu wünschen<br />
übrig, vor allem aber war es ihr nach wie vor nicht gelungen,<br />
die Arbeiterschaft als ihre eigentliche Zielgruppe für sich zu<br />
gewinnen. So stellte Oberbürgermeister Gertenbach in einer Rede<br />
vor der Stadtverordnetenversammlung am 27. April 1922 70<br />
unmißverständlich fest: »Die Volkshochschulkurse bewegten sich<br />
in denselben Grenzen wie im vergangenen Berichtsjahr. Wenn<br />
auch der Besuch eines Teils dieser Kurse recht zufriedenstellend<br />
war, so zeigte sich auch jetzt wieder das geringe Interesse der<br />
Arbeiterschaft für diese Hochschulbietungen«. Auch der<br />
Bildungsausschuß beschäftigte sich in seiner Sitzung am 5.<br />
September 1922 mit diesem Kardinalproblem der VHS (»Gerade<br />
diejenigen Schichten der Bevölkerung, die Arbeiterkreise, für die<br />
diese Einrichtung getroffen worden war, haben sich bei den<br />
vorjährigen Kursen so gut wie gar nicht als Hörer beteiligt« 71 ).<br />
Eine Lösung fand er zwar nicht, immerhin wurde beschlossen,<br />
»über diesen Punkt ... noch weitere Besprechungen zu führen« 72 .<br />
Diese Gespräche fanden etwa einen Monat später statt, und sie<br />
setzten den Hebel insofern an der richtigen Stelle an, als jetzt<br />
Vertreter der Gewerkschaften, der Berufsverbände und der<br />
Jugendvereine miteinbezogen wurden. Einig war sich die<br />
Gesprächsrunde darin, daß sich die Arbeiterschaft bisher wenig für<br />
die VHS interessiert habe, weil sie sich hauptsächlich mit<br />
wirtschaftlichen und politischen Fragen beschäftige. Dies wurde<br />
allgemein bedauert, weil es zu einer Verkümmerung der »höheren<br />
geistigen Interessen« führe. Wenn es in der Pressenotiz dann weiter<br />
heißt, »von maßgebender Seite (sei) eine regere Beteiligung,<br />
insbesondere der Arbeiter..., und der Jugend, in Aussicht gestellt«<br />
worden, dann kann das nichts anderes bedeuten, als daß die<br />
Gewerkschafts- und Jugendvertreter versprachen, in ihren<br />
Organisationen zukünftig für die VHS- Veranstaltungen werben zu<br />
wollen. Ferner wurde angeregt, die Vorträge um einen<br />
thematischen Schwerpunkt zu gruppieren; für das bevorstehende<br />
Winterhalbjahr sollte dies das »Bekenntnis zum Deutschtum«<br />
sein 73 .<br />
Der Bildungsausschuß bemühte sich bei der Zusammenstellung<br />
des neuen Programms ganz offensichtlich, auch<br />
solche Themen aufzugreifen, von denen angenommen werden<br />
konnte, daß sie speziell bei Arbeitern auf Interesse stoßen<br />
würden. Die Vortragsfolge im Winter 1922/23 eröffnete z. B.<br />
eine auf 6 Doppelstunden angelegte Veranstaltung mit dem<br />
Thema »Überblick über das moderne Gewerbe- und<br />
Arbeitsrecht« 74 . Ausdrücklich hob der IKZ in seiner<br />
Ankündigung die »Bedeutung dieses Stoffes für das<br />
praktische Leben« hervor und betonte, daß er sowohl für<br />
Arbeitgeber wie für Arbeitnehmer von Interesse sei 75 .<br />
Auch bei weniger »lebenspraktischen« Vorträgen (z. B.<br />
Pfarrer Saam, »Die Klassiker als Erzieher zur Religion« oder<br />
Studiendirektor Klumpp, »Die deutsche Sprache und ihre<br />
Geschichte« 76 wurde jetzt ausdrücklich darauf hingewiesen,<br />
daß keinerlei über die Volksschulbildung hinausgehende<br />
Vorkenntnisse erforderlich seien (»Dieser Kursus ist als<br />
Arbeitsgemeinschaft gedacht, bei der Volksschulbildung der<br />
Hörer vorausgesetzt wird 77 «. - »Vorausgesetzt wird Volks-<br />
68. IKZ, 80. Jg., Nr. 8 v. 10. 1. 1922.<br />
69. Trotz dieser »publizistischen Hinrichtung« der VHS unterstützte<br />
der IKZ in der Folgezeit ihre Bemühungen wie zuvor mit<br />
Nachdruck. Vgl. z. B. den Schlußsatz eines Berichtes v . 6. 10.<br />
1922 (81. Jg., Nr. 233): »... ist die Hoffnung wohl berechtigt, daß<br />
die hiesige VHS im neuen Unterrichtsjahr erstarken und ihre oft<br />
bestrittene Daseinsberechtigung erweitern wird.« S. auch den<br />
Artikel v. 7. 11. 1922 (81 Jg., Nr. 262): » ... Ein Besuch dieser<br />
Kurse kann nur empfohlen werden.«<br />
70. Verwaltungsbericht der Stadt lserlohn für das Jahr 1921, S. 16. StAls.<br />
71. IKZ, 81. Jg., Nr. 209 v. 6. 9. 1922.<br />
72. Ebd.<br />
73. IKZ, 81. Jg., Nr. 233 v. 6. 10. 1922.<br />
74. IKZ, 81.Jg., Nr. 262 v. 7. 11. 1922.<br />
75. IKZ, 81. Jg., Nr. 270 v. 16. 11. 1922.<br />
76. IKZ, 81. Jg., Nr. 262 v. 7.11. 1922.<br />
77. Ebd.<br />
20
wird Volksschulbildung der Hörer" 78 . - »Die Darbietungen werden<br />
so gehalten sein, daß jeder ihnen folgen kann, auch ist Gelegenheit<br />
zur Aussprache gegeben 79 «.) oder hervorgehoben, daß die Vorträge<br />
allgemeinverständlich seien und sich auf die Vermittlung von<br />
elementaren Kenntnissen beschränkten (»Mittelschullehrer Kühn,<br />
„Einführung in die musikalischen Formen“. Herr Fritz Kühn wird<br />
das Thema in einer allgemeinverständlichen Weise behandeln ...<br />
Vorausgesetzt werden die einfachsten Elemente musikalischen<br />
Wissens. Jedem, dem es um eine Anregung zu tieferer<br />
musikalischer Ausbildung zu tun ist, seien diese Vorträge<br />
empfohlen 80 «). Als geschickter Versuch, den Arbeitern die Scheu<br />
vor der Volkshochschule zu nehmen, erwies sich darüber hinaus die<br />
Verpflichtung von Funktionären der Arbeiterbewegung als<br />
Dozenten. Vor allem der Parteisekretär Skuhr aus Nachrodt, der<br />
sich in seinem ersten Vortrag mit »Faust, 1. Teil« 81<br />
auseinandersetzt, wurde zu einem ständigen und überaus<br />
erfolgreichen freien Mitarbeiter der <strong>Iserlohn</strong>er VHS 82 .<br />
Offenbar blieb die neue Strategie nicht ganz erfolglos, denn am 10.<br />
November 1922 meldete der IKZ 83 : »Den neuen Kursen wird bis<br />
jetzt großes Interesse entgegengebracht«. Auch Oberbürgermeister<br />
Gertenbach stellte am 8. Mai 1923 84 vor dem Rat fest: »Für die<br />
Volkshochschulkurse war ein gemeinverständliches<br />
Arbeitsprogramm aufgestellt. Es muß anerkannt werden, daß die<br />
diesjährigen Veranstaltungen auf einer höheren Stufe standen als<br />
die vorjährigen. Die Kurse waren im allgemeinen gut besucht, so<br />
daß bedeutende Zuschüsse seitens der Stadt nicht notwendig<br />
wurden«. Der Erfolg der VHS in <strong>Iserlohn</strong> ist um so höher zu<br />
bewerten, als er in einer ausgesprochenen Inflationszeit und<br />
allgemeiner wirtschaftlicher Depression errungen wurde, und - wie<br />
die weitere Entwicklung zeigt - keineswegs ein Strohfeuer blieb.<br />
Als die Stadtverwaltung auf dem Höhepunkt der Wirtschaftskrise<br />
1923 »mit Rücksicht auf die trostlose Finanzlage« der Stadt<br />
beschloß, den Volkshochschulbetrieb einzustellen, stieß sie auf<br />
verbreiteten Protest, der sie schließlich dazu veranlaßte, ihre<br />
Entscheidung zu revidieren«. Weil der Zuspruch, den die<br />
angebotenen Kurse in der Bevölkerung fanden, ausreichte, um - die<br />
freilich geringen 86 - Kosten der VHS weitgehend zu decken,<br />
belastete diese Entscheidung den städtischen Etat kaum. Dennoch<br />
bleibt festzuhalten, daß die VHS-Aktivitäten in <strong>Iserlohn</strong> - im<br />
Gegensatz zu vielen anderen Städten 87 - im Krisenjahr 1923 nicht<br />
nur nicht zum Erliegen kamen, sondern sich weiter positiv<br />
entwickelten, insbesondere was ihre Akzeptanz in Arbeiterkreisen<br />
betraf.<br />
Die VHS hatte sich, nachdem die Gründungskrise erst einmal<br />
überwunden war, in <strong>Iserlohn</strong> endgültig durchgesetzt. Das<br />
empfanden auch die Zeitgenossen so. Der IKZ schrieb im Oktober<br />
1924 in einem Rückblick auf den Winter 1923/24 88 : »Erfreulich<br />
war die große Zahl der Teilnehmer besonders aus Arbeiterkreisen,<br />
nicht weniger erfreulich die geistige Einstellung der Hörer, die<br />
nach anstrengender Tagesarbeit dem Unterricht in später<br />
Abendstunde mit reger innerer Teilnahme folgten ... Die VHS hat<br />
die Kinderkrankheiten glücklich überstanden«. Zwar hatten sich<br />
längst nicht all die hochgespannten Erwartungen erfüllt, mit denen<br />
im Jahre 1919 der Betrieb aufgenommen worden war. Die VHS<br />
war - anders als manch einer der begeisterten, aber weltfremden<br />
Volksbildungstheoretiker es sich ausgemalt hatte - nicht zu dem<br />
dominierenden Instrument allgemeiner Emanzipation geworden.<br />
Aber sie hatte sich in <strong>Iserlohn</strong> schließlich doch einen festen, wenn<br />
auch bescheidenen (»Beide Kurse finden statt, wenn sich<br />
mindestens 2 Hörer (!) einzeichnen lassen« 89 ) Platz erkämpft. So<br />
sah es auch der IKZ, der am 9. Oktober 1924 schrieb 90 : »Die<br />
überschwenglichen Erwartungen haben sich zwar nicht erfüllt,<br />
geblieben ist die feste Überzeugung, daß es eine schöne und<br />
dankbare Aufgabe der Gegenwart ist, dem Bildungsdrang Genüge<br />
zu tun, der, wenn auch nicht die Volksrasse so doch eine stattliche<br />
Zahl von Volksgenossen beseelt, die aus der Niederung eines ganz<br />
dem Materiellen ergebenen Zeitalters sich zu erheben trachten in<br />
das Reich der Schönheit und Wahrheit«.<br />
Es scheint so, als verdanke die <strong>Iserlohn</strong>er VHS ihren Erfolg in<br />
erster Linie dem Engagement und pädagogischen Geschick einiger<br />
ihrer Dozenten, die sich im Laufe der Zeit einen festen<br />
Hörerstamm geschaffen hatten. Nicht nur tauchten im IKZ im<br />
Zusammenhang mit der VHS bestimmte Namen immer wieder auf.<br />
Zunehmend warb die VHS mit ihren Lehrern: »Wir weisen<br />
nochmals auf den ... Kursus des Studiendirektors Klumpp und auf<br />
den ... von Dr. Neuwerth empfehlend hin. Die Dozenten sind von<br />
den vorjährigen Kursen in gutem Gedächtnis, ein gut besuchter<br />
Kursus ist auch jetzt zu wünschen 91 «. Oder: »Die beiden Kurse von<br />
Studiendirektor Klumpp und Dr. med. Neuwerth haben allgemein<br />
sehr gut gefallen und blieb das Interesse der sämtlichen Hörer bis<br />
zum Schluß bestehen 92 «. Oder: »Mit zwei weiteren<br />
hochinteressanten Kursen wartet die VHS auf. Am 25. des Monats<br />
beginnt Gewerbe-Oberlehrer Grävinghoff mit einem 6<br />
doppelstündigen Vortrage „Ein Gang durch die Volkswirtschaft<br />
von etwa 1600 bis zur Gegenwart“, und am 3. März Dr. Perlmann<br />
mit einem 5 doppelstündigen Vortrage „Richard Wagners Ring der<br />
Nibelungen“ und „Parsifal“ (mit musikalischen Erläuterungen).<br />
Beide Herren sind als Dozenten der VHS rühmlichst bekannt. Es<br />
ist auch zu erwarten, daß die begrenzte Anzahl Hörerkarten ...<br />
78. IKZ, 81. Jq. Nr. 265 v. 10. 11. 1922.<br />
79. IKZ; 81. Jg., Nr. 270 v. 16. 11. 1922. - Ähnlich am 18. 1. 1927<br />
(IKZ, 85. Jg., Nr. 14): »Der Chemiekurs soll ohne Voraussetzung<br />
von Vorkenntnissen die Teilnehmer auf. Grund von Experimenten<br />
... in dieses wunderbare Wissensgebiet einführen«.<br />
80. IKZ, 81. Jg., Nr. 8 v. 10. 1. 1923. - Vgl. auch ebd. v. 12. 1. 1929:<br />
»Entschwundene Kenntnisse sollen aufgefrischt, neue erworben<br />
werden, Ein Eindringen in den oft spröden Unterrichtsstoff wird<br />
durch Erläuterungen an Beispielen, wie sie den Teilnehmern<br />
täglich im Betriebe unter die Hand kommen und von dieser Seite<br />
zur Besprechung gestellt werden können, erleichtert und<br />
verständlich gemacht. Der Besuch des Kursus liegt daher im<br />
Interesse eines jeden strebsamen Facharbeiters der<br />
Metallindustrie.«<br />
81. IKZ, 81. Jg., Nr. 8 v. 10. 1. 1923.<br />
82. Vgl. unten S. 169 f.<br />
83. IKZ, 82. Jg., Nr. 265 v. 10. 11. 1922.<br />
84. Verwaltungsbericht der Stadt <strong>Iserlohn</strong> für das Jahr 1922, S, 14<br />
StAIs.<br />
85. Vgl. IKZ, 83. Jg., Nr. 238 v. 9. 10. 1924: »Im vorigen Jahr hatte die<br />
Stadtverwaltung mit Rücksicht auf die trostlose Finanzlage<br />
beschlossen, von Volkshochschulkursen abzusehen. Auf<br />
dringendem Wunsch weiter Kreise wurden sie schließlich doch<br />
wieder eingerichtet, und zwar mit überraschendem Erfolg«.<br />
86. Oberbürgermeister Gertenbach sagte am 14. 4. 1924 in der<br />
Stadtverordnetensitzung: »Die im Gegensatz zu den meisten<br />
anderen Nachbarstädten hier noch weiter fortgeführten<br />
Volkshochschulkurse waren einigermaßen zufriedenstelIend<br />
besucht, so daß größere städtische Zuschüsse nicht in Frage<br />
kamen.« Verwaltungsbericht der Stadt <strong>Iserlohn</strong> für das Jahr 1923,<br />
S. 18. - Konkret betrugen die städtischen Zuschüsse für die VHS in<br />
den Jahren 1928 z. B. 300 Mark, 1929: 800 Mark und 1930: 1500<br />
Mark. Vgl. IKZ, 86. Jg., Nr. 64 v. 15. 3. 1928 und 89. Jg., Nr. 99 v.<br />
24. 4. 1930.<br />
87. Vgl. 75 Jahre VHS Mühlheim an der Ruhr, a. o. a. 0., S. 13: »Von<br />
1924 an sind dann weder in Zeitungsanzeigen, noch in Artikeln,<br />
noch in VHS-Broschüren, geschweige dann in amtlichen<br />
Unterlangen Einzelheiten der VHS-Arbeit überliefert. Die Spuren<br />
der so jungen Institution verlieren sich. Zur generellen<br />
Entwicklung der Volkshochschulen im Krisenjahr 1923 vgl.<br />
Pöggeler, a. o. a. 0., S. 75.<br />
88. IKZ, 83. Jg., Nr .. 238 v. 9. 10. 1924.<br />
89. IKZ, 84. Jg., Nr. 256 v, 31. 10. 1925.<br />
90. Vgl. Anmerkung 88.<br />
91. IKZ, 82. Jg., Nr. 5 v. 7. 1. 1924.<br />
92. IKZ, 82. Jg., Nr. 27 v. 1. 2. 1924.<br />
21
schnell vergriffen sein wird 91 «. Oder: »Am vergangenen Dienstag<br />
begann der Kursus über den zweiten Teil der Goetheschen<br />
Faustdichtung in der hiesigen städtischen VHS. Im vergangenen<br />
Jahr erfreute sich der Kursus, der den ersten Teil behandelte, aus<br />
allen Teilen der Bevölkerung eines regen Interesses. Obwohl die<br />
Vorlesungen in erster Linie für Hörer mit Volksschulbildung<br />
bestimmt sind, so versteht der Vortragende (das ist<br />
Arbeitersekretär Skuhr, H.-J. B.) es doch, auch denen, die über<br />
ein größeres Wissen verfügen, den Stoff interessant zu machen«.<br />
Oder: »Studienrat Dr. Wagner hat sich auf die wiederholt<br />
vorgebrachten Wünsche seiner zahlreichen Hörerschaft<br />
bereiterklärt, in einem 5 doppelstündigen Kursus über „Kant<br />
1927 nannte die VHS in einer Vorankündigung dann sogar statt<br />
Themen nur noch die Namen von Dozenten: »In den nächsten<br />
Monaten werden die Herren Studienrat Pr. Wagner, Dr. med.<br />
Neuwerth, Parteisekretär Skuhr-Nachrodt und Fachoberlehrer und<br />
Chemiker Dr. Wagner weitere Kurse abhalten, über die<br />
demnächst Bekanntmachungen erfolgen 96 «.<br />
Konsequent blieb der Bildungsausschuß auch dabei, die<br />
Ankündigung der Kurse mit dem Hinweis zu versehen, daß die<br />
Vorträge in allgemeinverständlicher Form gehalten würden und<br />
Vorkenntnisse nicht erforderlich seien: »Die Einführung in die<br />
Volkswirtschaft soll in leicht fachlicher Weise gedacht sein, so<br />
daß Vorkenntnisse nicht vorausgesetzt werden 97 «. Auf diese<br />
Weise versuchte er, den Menschen die Scheu vor der Hochschule<br />
zu nehmen. Die Ankündigungstexte betonten ferner immer<br />
wieder, daß die jeweilige Thematik an einzelnen, leicht faßlichen<br />
Beispielen erarbeitet werden solle, und waren bemüht, die oft<br />
hochwissenschaftlich wirkenden Vortragsthemen etwas »tiefer zu<br />
hängen«: »Der Kursus ... „Einführung in die Kunstgeschichte“ ...<br />
soll eine Arbeitsgemeinschaft für Hörer mit Volksschulbildung<br />
sein ... Es kann natürlich nicht die Absicht sein, das ganze,<br />
ungeheure Gebiet zu behandeln, das würde nur zu einer Häufung<br />
von Namen ohne Inhalt führen, vielmehr soll an einzelnen<br />
Persönlichkeiten und charakteristischen Erscheinungen das<br />
Verständnis für die Kunst geweckt und ihr Zusammenhang mit<br />
dem Geistesleben jedes Zeitalters aufgedeckt werden«, schrieb<br />
der IKZ beispielsweise im Oktober 1924 98 . Und im Januar 1925<br />
führte er einen Vortrag über Kant wie folgt ein: »Bei den vielen<br />
Fragen und Zweifeln der Gegenwart ist das Interesse für Kant<br />
wieder außerordentlich gestiegen, und es ist auch besonders der<br />
Wunsch geäußert worden, die Gedanken Kants dem breiteren<br />
Publikum zugänglich zu machen. Dieser Versuch soll hier<br />
unternommen werden. Die Vorträge sind so volkstümlich wie<br />
möglich 99 «. Ferner wird in den Ankündigungstexten häufig die<br />
Möglichkeit betont, »jederzeit Fragen stellen« zu können 100 - ein<br />
deutlicher Hinweis darauf, daß sich die Vorträge an der<br />
Aufnahmefähigkeit der Hörer orientierten und die praxisnahe,<br />
theorieferne Vorgehensweise herausstellten. So heißt es z. B. in<br />
der Ankündigung zu dem Kursus »Einführung in die<br />
Elektrizitätslehre auf Grund von praktischen Beispielen«: »Die<br />
Art der Behandlung wird allgemeinverständlich sein und so, daß<br />
die Teilnehmer nicht nur hören, was wir von dieser<br />
Naturerscheinung wissen, sondern daß sie vor allem erfahren, wie<br />
wir zu diesem Wissen gekommen sind, wie es sich auf Grund von<br />
Beobachtungen und Versuchen zusammenhängend aufgebaut hat.<br />
Dementsprechend soll der Kursus in erster Linie lebendige<br />
Anschauung und unmittelbare Erfahrung vermitteln 101 «.<br />
Daß es in zunehmendem, Maße gelang, Arbeiter für die<br />
Vorträge der VHS zu interessieren, scheint vor allem auf die<br />
Mitarbeit des Arbeitersekretärs Skuhr aus Nachrodt<br />
zurückzuführen sein. Während Skuhr mit seinen beiden ersten<br />
Vortragsveranstaltungen (Faust I und Faust II) überraschend<br />
eher bildungsbürgerliche Themen aufgriff, widmete er sich in<br />
der Folge Gegenständen, mit denen die Arbeiter schon in den<br />
Arbeiterbildungsvereinen in Berührung gekommen sein dürften.<br />
So sprach er über den »Historischen Materielismus« 102 - und<br />
»Der Einzelne und die Gesellschaft. Aufbau und innere<br />
Gesetzmäßigkeit des Gesellschaftslebens« 103 . Der Vortrag »Die<br />
Frau in der nordischen Literatur« 104 sollte auf dem Wege über<br />
die Literatur die Hörer mit der Stellung der Frau in Familie und<br />
Gesellschaft bekanntmachen und ihnen Einblicke vermitteln in<br />
»Tendenzen des Ringens um die Gleichberechtigung der<br />
Geschlechter« - also ein geradezu klassisches<br />
sozialdemokratisches Thema. Gleiches gilt für Skuhrs Vortrag<br />
über »Die Sittenanschauungen im Wandel der Zeit« 105 , dessen<br />
Leitidee darin bestand, nachzuweisen, daß jede Epoche<br />
besondere, sich aus dem jeweiligen Stand der Technik<br />
ergebende Wirtschaftsmethoden praktiziert, die die<br />
herrschenden Sittenanschauungen maßgeblich beeinflussen:<br />
»Somit sind nicht ewige Ideen, sondern materielle<br />
Daseinsbedingungen die treibenden Faktoren der sittlichen<br />
Höherentwicklung der Menschheit«.<br />
Angesichts des Zulaufs, den die VHS- Veranstaltungen, die<br />
übrigens in Konkurrenz zu denen des damals überaus aktiven<br />
Kaufmännischen Vereins standen 106 , fanden, stieß eine im Januar<br />
1925 im »Märkischen Landboten« (Hemer) veröffentlichte<br />
Zuschrift, die den <strong>Iserlohn</strong>ern »Kulturlosigkeit« vorwarf, auf<br />
Empörung 107 . Während kulturelle ' ~ Veranstaltungen in <strong>Iserlohn</strong><br />
häufig vor leeren Rängen stattfänden - hieß es im »Märkischen<br />
Landboten« - sei der Andrang beim Schützenfest oder ähnlichen<br />
geselligen Vergnügungen lebensgefährlich, und die Wirte machten<br />
glänzende Geschäfte. Diese Kulturlosigkeit sei »ein böses Zeichen<br />
für den geistigen Stand« <strong>Iserlohn</strong>s. Dem hielt der IKZ entgegen,<br />
daß gute Vorträge noch stets vor großer Zuhörerschaft<br />
stattgefunden hätten und verwies als Beleg für diese These nun<br />
allerdings nicht auf Veranstaltungen der VHS, sondern auf die<br />
Vorträge des Kaufmännischen Vereins - ein deutliches Indiz für den<br />
Stellenwert, den dieser bürgerlich geprägte Verein in der<br />
gesellschaftlichen und kulturellen Hierarchie damals besaß 108 .<br />
93. IKZ, 83. Jg., Nr. 43 V. 20. 2. 1925.<br />
94. IKZ, 82. Jg., Nr. 34 v. 9. 2. 1924.<br />
95. IKZ, 83. Jg., Nr. 7 v. 9. 1. 1925.<br />
96. IKZ, 85. Jg., Nr. 6 v. 8. 1. 1927.<br />
97. IKZ, 82. Jg., Nr. 15 v. 18. 1. 1924.<br />
98. IKZ, 83. Jg., Nr. 259 v. 3. 11. 1924. - Damit versuchte man 1 der<br />
Forderung gerecht zu werden, die VHS müsse» Wissenschaft in<br />
lebendiges Leben« zurückverwandeln. Vgl. Krau-<br />
se, a. o. a. 0., S. 27: »Die Gelehrtenschule verwandelt alles<br />
Lebendige in Wissenschaft; die Volkshochschule muß<br />
versuchen, Wissenschaft in lebendiges Leben<br />
zurückzuverwandeln«.<br />
99. IKZ, 83. Jg., 16 v. 20. 1. 1925.<br />
100. IKZ, 84. Jg., Nr. 256 v. 31. 10. 1925 .<br />
101. IKZ, 84. Jg., Nr. 259 v. 4. 11. 1925.<br />
102. IKZ, 83 Jg., Nr. 254 v. 28. 10. 1924.<br />
103. IKZ 83. Jg., Nr. 20 v. 25. 1. 1926.<br />
104. IKZ 84. Jg., Nr. 28 v. 3. 2. 1927.<br />
105. IKZ, 85. Jg., Nr. 301 v. 24. 12. 1927.<br />
106. Die Hinweise auf Veranstaltungen des KV im IKZ in den<br />
Jahren 1919 - 1933 sind so zahlreich, daß sich hier<br />
Einzelnachweise erübrigen. - Zum Teil ergaben sich<br />
Konkurrenzsituationen zwischen dem KV und der VHS.<br />
So kündigte z. B. der KV im Jahre 1925 einen fast<br />
identischen Vortrag an wie die VHS. VHS: »Studienrat<br />
Wagner über -Kant und seine Bedeutung für die<br />
Gegenwart..« IKZ, 83. Jg., Nr. 7 v. 9. 1. 1925. KV:<br />
»Universitätsprofessor Dr. Ernst Horneffer, »Kant und das<br />
deutsche Volk..« IKZ, 84. Jg., Nr. 248 v. 22. 10. 1925.<br />
107. IKZ, 83. Jg., Nr. 136 v. 13.6. 1925.<br />
108. Wörtlich heißt es: »Der Kaufmännische Verein, der mit<br />
stets wachsendem Erfolge durch seine wissenschaftlichen<br />
Vorträge die geistigen und künstlerischen Bedürfnisse<br />
unserer Mitbürger ungemein vorteilhaft beeinflußt und<br />
belebt ... «<br />
22
Einen deutlichen Einschnitt in der Geschichte der <strong>Iserlohn</strong>er<br />
VHS markiert das Jahr 1930. Zum einen gab der langjährige<br />
Leiter der VHS, Klumpp, seine Aufgabe in jüngere Hände:<br />
neuer VHS-Chef wurde der Mittelschullehrer Gustav<br />
Pfingsten l09 . Zum anderen beschritt die VHS in <strong>Iserlohn</strong> - wie<br />
der IKZ meldete 100 - »neue Wege«, indem sie ihr Programm<br />
grundlegend veränderte und erweiterte und ihm Konturen gab,<br />
die den heutigen ähneln. Erstmalig im Winterhalbjahr 1930/31<br />
bot die VHS Fremdsprachenkurse (Englisch, Italienisch,<br />
Französisch) an 111 . Zugleich ging sie jetzt über ihren<br />
ursprünglichen Auftrag der Wissensvermittlung hinaus und griff<br />
mit Kursen wie »Liebhaberphotographie« oder »Tuchbinden<br />
und Papparbeiten« in den Freizeit- und Hobbybereich. Eine<br />
weitere wesentliche Erweiterung erfuhr das Programm durch die<br />
Aufnahme von Gymnastikkursen (getrennt für Herren und<br />
Damen). Indem sie nunmehr neben ihr traditionelles<br />
»bildungsschwangeres« Vortragswesen (»Hebbel«, »Die Kunst<br />
des Barock«) auch die Bereiche Fremdsprachen, Freizeit und<br />
Sport setzte, gewann die VHS erkennbar neuen Schwung. »Ein<br />
vorbildliches Programm«, lobte der IKZ am 18. Oktober<br />
1930 112 . Vor allem die Fremdsprachenkurse, die »auf dem Wege<br />
der Konversationsmethode eine leidliche Beherrschung der<br />
Umgangssprache« anstrebten und den Teilnehmern versprachen,<br />
am Schluß des Kursus so weit zu sein, »daß sie sich über die<br />
einfachsten Dinge des täglichen Lebens geläufig unterhalten<br />
können« 113 , erwiesen sich als wahre Zugpferde. »Der Besuch<br />
der gestern begonnenen Kurse war erfreulicherweise sehr groß«,<br />
berichtete der IKZ am 4. November 1930. Die Teilnehmer seien<br />
»mit rechter Begeisterung bei der Sache« gewesen. An der guten<br />
Resonanz, auf die die Fremdsprachen- und Gymnastikkurse<br />
stießen, änderte sich auch in den folgenden Jahren nichts. In der<br />
Ratssitzung am 26. Januar 1931 verwies Oberbürgermeister<br />
Gertenbach auf »die außerordentlich starke Inanspruchnahme<br />
der Volkshochschulkurse, an denen sich besonders auch<br />
Erwerbslose aus allen Schichten der Bevölkerung sehr lebhaft«<br />
beteiligt hätten 1 15. Ausdrücklich lobte der Oberbürgermeister<br />
»die diesjährige geschickte und zweckmäßige Durchführung und<br />
Anordnung der Kurse«. Rat und Verwaltung waren sich dann<br />
auch einig, daß der für die Fortsetzung der Kurse notwendige<br />
Mehrbetrag von 1550 Mark trotz der großen Wirtschaftskrise<br />
aufgebracht werden sollte.<br />
Es unterstreicht den Rang, den die VHS in <strong>Iserlohn</strong> mittlerweile<br />
einnahm, daß innerhalb des Bildungsausschusses selbst im<br />
Februar 1932 - die wirtschaftliche Talfahrt war seit 1930<br />
ununterbrochen weitergegangen, die Finanznot der Kommunen<br />
noch größer geworden - Konsens darüber bestand, die<br />
Volkshochschulkurse fortzuführen: » ... wurde es als<br />
unumgänglich notwendig bezeichnet, die Volkshochschulkurse<br />
wieder aufzunehmen ... , daß in erster Linie den Erwerbslosen<br />
Anregung und Unterlage zu geistiger Beschäftigung und<br />
Weiterbildung gegeben wird I16 «. Zunehmend übernahm die<br />
VHS in dieser Zeit des Massenelends die Aufgabe, Arbeitslosen<br />
praktische Lebenshilfen zu bieten, indem sie Vorträge über<br />
»Arbeitslosenversicherung, Krisenfürsorge und<br />
Kurzarbeiterunterstützung« oder »Kranken- und<br />
Unfallversicherung unter Berücksichtigung der<br />
Notverordnungen« in ihr Programm aufnahm 117 , und den<br />
Erwerbslosen kostenlosen Zugang ermöglichte 118 .<br />
Im März 1932 zog der IKZ eine uneingeschränkt positive Bilanz<br />
der im zurückliegenden Winter geleisteten VHS-Arbeit: »Die<br />
Kurse sind beendet. Sämtliche Vorträge haben starkes Interesse<br />
gefunden. Ihre Anziehungskraft lag einmal in dem Stoff, zum<br />
anderen aber in der ausgezeichneten Art der Darbietung ... gab<br />
es Anregungen auf verschiedenen Gebieten, und die beifällige<br />
Aufnahme seitens der Teilnehmer wird der beste Beweis dafür<br />
sein, wie sehr willkommen solche Vortragsreihen immer<br />
sind 119 «.<br />
Auch im Winterhalbjahr 1932/33 paßte die VHS ihr Programm<br />
der Not der Zeit an. So lud sie Anfang Oktober 1932 zu einer<br />
»Pilzwanderung« und zu einem Vortrag über heimische Speise-<br />
und Giftpilze ein, was den IKZ veranlaßte, die Kenntnis der<br />
Pilze »in unserer schweren Zeit« als von großer wirtschaftlicher<br />
Bedeutung hervorzuheben und die Teilnahme bzw. den Besuch<br />
wärmstens zu empfehlen". Auf der gleichen Linie lag ein<br />
weiterer Vortrag über Gartenbau, Obstbäume und<br />
Kleintierzucht 121 . Lebenshilfe im wahrsten Sinne des Wortes<br />
bot ferner der Vortrag »Was tue ich, ehe der Arzt da ist?« 122<br />
Die im Winter 1933 angebotenen Vorträge zeigen dann, daß<br />
auch die VHS von den umstürzenden Veränderungen, die<br />
mittlerweile in Deutschland stattgefunden hatten, nicht<br />
unberührt blieb. Zunehmend stellte sich die <strong>Iserlohn</strong>er VHS in<br />
den Dienst der Propagierung der nationalsozialistischen<br />
Ideologie und entsprach damit ihrer veränderten Stellung im<br />
»nationalen Staat«. In einem Runderlaß des<br />
Reichsinnenministers vom 19. September 1933 war diese neue<br />
Richtung vorgegeben worden: »Betr, Volkshochschulen: Der<br />
neue Staat betrachtet das Volkshochschulwesen unter anderen<br />
Gesichtspunkten als der alte. Während im liberalen Staat die<br />
VHS als eine Einrichtung angesehen wurde, die das Wissen um<br />
des Wissens willen möglichst breiten Volksschichten in<br />
aufklärender Weise nahebringen sollte, muß die Aufgabe des<br />
nationalsozialistischen Staates sein, seine Ideenwelt durch die<br />
Volkshochschule den breitesten Schichten des deutschen<br />
Volkes zugänglich zu machen. Dabei besteht die Hauptaufgabe<br />
nicht darin, das nationalsozialistische Gedankengut<br />
verstandesmäßig zu übermitteln, sondern die Willenshaltung<br />
des deutschen Volkes zu fördern. Dies geschieht dadurch, daß<br />
der Wille zur Wehrhaftigkeit, zur völkischen Selbstbehauptung.<br />
zum Bekenntnis von Blut und Boden und zur Einordnung in die<br />
Volksgemeinschaft verstärkt wird .... Träger der<br />
Volkshochschularbeit werden auch in Zukunft die Länder,<br />
Provinzen und Gemeinden bleiben 123 «.<br />
Von nun an gehörten Vorträge über das Gedankengut des<br />
Nationalsozialismus, insbesondere seine Rassenlehre. zum<br />
Standardrepertoire der <strong>Iserlohn</strong>er Volkshochschule. So sprach<br />
Dr. Katz über »Erbgesundheitspflege« und umriß das Thema im<br />
IKZ mit den folgenden Sätzen: »Um die erbgesunde Familie in<br />
den Vordergrund zu stellen, ist es nicht nur notwendig,<br />
Gesundheitspflege zu treiben, sondern auch vor allen Dingen<br />
erforderlich, unser Volk zur Volksgesundheit und zum<br />
Verständnis für den Wert der Erbgesundheit einer Familie zu<br />
erziehen. Hier eröffnen sich neue Aufgaben, die es zu erfüllen<br />
gilt I24 «. Ihrer Gleichschaltung und letztendlichen Auflösung ist<br />
109. IKZ, 89. Jg., Nr. 245 v. 18. 10. 1930 ..<br />
110. Ebd.<br />
111. Ebd.<br />
112. IKZ, 89. Jg., Nr. 245v. 18. 10. 1930.<br />
113. IKZ, 89. Jg., Nr. 256 v. 31. 10. 1930.<br />
114. IKZ, 89. Jg., Nr. 259 v. 4. 1 L 1930.<br />
115. IKZ, 90. Jg., Nr. 22 v. 27. 1. 1931.<br />
116. IKZ, 91. Jg., Nr. 42 v. 19. 2. 1932.<br />
117. Ebd.<br />
118. Vgl. z. B. den IKZ, 91. Jg., Nr. 44 v. 22. 2. 1932: »Erwerbslo-<br />
se erhalten Freikarten im Arbeits- und Wohlfahrtsamt«.<br />
119. IKZ, 91. Jg., Nr. 72 v. 26. 3. 1932.<br />
120. IKZ, 91. Jg., Nr. 233 v. 4. 10. 1932.<br />
121. Im einzelnen sprach der Referent über Bodenbearbeitung und<br />
Düngung im Garten, natürlichen und künstlichen Dünger und<br />
seine richtige Anwendung, Fruchtfolge im Garten und die Kultur<br />
der wichtigsten Gartengewächse, die Ziegenhaltung des<br />
Kleinsiedlers, des Kleinsiedlers Schweinemast und die<br />
Geflügelhaltung des Kleinsiedlers. Vgl. IKZ 91. Jg., Nr. 266. v.<br />
11. 11. 1932.<br />
122. IKZ, 92. Jg., Nr. 68 v. 21. 3. 1933.<br />
123. Pöggeler, a. o. a. 0., S. 81.<br />
23
die VHS trotz der willfährigen Art, mit der sie<br />
nationalsozialistisches Gedankengut aufnahm, gleichwohl<br />
nicht entgangen. Es deprimiert zutiefst, daß eine Einrichtung,<br />
die 15 Jahre zuvor mit ganz anderen Zielen angetreten war,<br />
nunmehr »Rassenhygiene« und »Fragen der Volksentartung«<br />
auf die Tagesordnung setztet 125 und es als ihre neue Aufgabe<br />
akzeptierte, »den deutschen Menschen als Träger deutschen<br />
Wesens zu formen und ihn geistig wieder bodenständig zu<br />
machen« 126 .<br />
124. IKZ, 92. Jg., Nr. 268 v. 15.' 41. 1933.<br />
125. Der IKZ kündigte den Vortrag wie folgt an: »Die heute abend 8<br />
Uhr im Oberlyzeum beginnende Vortragsreihe über -<br />
Rassenhyqiene: behandelt die Fragen der Volksentartunq und des<br />
Geburtenrückgangs und die Erkenntnisse und Maßnahmen,<br />
die zu einer Wiedergeburt und Aufartung unseres Volkes dienlich<br />
sein können. Es soll an unerbittlichen Zahlenbeispielen gezeigt<br />
werden, vor welchem Abgrund völkischen Niedergangs wir<br />
stehen, zugleich aber auch klar herausgestellt werden, was in<br />
zielstrebigem Zusammenwirken von Volk und Führung zur<br />
Abwendung des Unheils geschehen kann ... «. 92. Jg., Nr. 269 v.<br />
16. 11. 1933.<br />
126. Verwaltungsbericht der Stadt <strong>Iserlohn</strong> für das Jahr 1933, S. 26.<br />
StAIs. Darin heißt es weiter: "U. a. wurde durch eine<br />
Vortragsreihe über Rassenhyqiene vererbungswissenschaftliche<br />
Einsicht und eugenisches Denken in manche Kreise vermittelt.<br />
Ein Vortrag „Nationalsozialismus als Weltanschauung“ führte<br />
weiter in die Grundfragen des Nationalsozialismus ein. Eine<br />
Vortragsreihe unter dem Gesamtthema „Streifzüge durch die hiesige<br />
Industrie“ fand leider nicht das erwartete Interesse.«<br />
Anmerkung: Dieser Text erschien erstmals in: Der Märker / Hrsg.: Märkischer Kreis. Heft 43 (1994)<br />
S. 161-171.<br />
24
3.2.1. Die wichtigsten Mitarbeiter des dargestellten Zeitraums<br />
3.2.1.1. Theodor Klumpp<br />
Im Februar 1920 bekam die Volkshochschule <strong>Iserlohn</strong> ihren ersten Leiter, den<br />
„Töchterschuldirektor Klumpp“.<br />
Theodor Klumpp, geboren am 26. März 1865 im württembergischen Oberndorf 13 , war<br />
zunächst ab 1892 wissenschaftlicher Lehrer an der mit einem Lehrerinnenseminar<br />
verbundenen höheren Mädchenschule in Mülhausen i.E. gewesen.<br />
Er heiratete am 11.7.1900 14 in Plettenberg Hedwig Schulte, Mitinhaberin der Firma Schulte<br />
W.O. in Plettenberg.<br />
Am 17. September 1903 wurde er Direktor der städtischen höheren Mädchenschule (später<br />
Lyzeum, dann Oberlyzeum und Frauenoberschule, heute Stenner-Gymnasium).<br />
„Lycealdirektor“ nannte man ihn.<br />
Im Februar 1920 wurde Theodor Klumpp Leiter der neu gegründeten Volkshochschule<br />
<strong>Iserlohn</strong>. Bis 1930 hatte Theodor Klumpp das Amt des Lycealdirektors inne, mit Erreichung<br />
der Altersgrenze wurde Studiendirektor Klumpp in den Ruhestand versetzt. Damit legte er<br />
auch sein Amt als Leiter der VHS nieder.<br />
Anlässlich seiner Verabschiedung in den Ruhestand heißt es in einer Würdigung seiner<br />
Person in einer <strong>Iserlohn</strong>er Zeitung: „Seinen Schülerinnen war er allezeit ein verständnisvoller<br />
und liebevoller Führer, der in sich den hohen Idealismus seiner Erzieheraufgabe trug. Im<br />
Lehrerkollegium wollte er nie mehr als der erste unter Gleichen sein, und so ist unter ihm eine<br />
harmonische Arbeitsgemeinschaft gewesen, die durch keinerlei Mißstimmungen getrübt<br />
worden ist.“ 15 Theodor Klumpp war zudem sehr aktiv im Städtischen Verschönerungsverein<br />
gewesen.<br />
Theodor Klumpp kehrte in seine schwäbische Heimat zurück, wohnte in Stuttgart-Degerloch.<br />
Dort verstarb er am 2. Februar 1949 im 84. Lebensjahr. 16<br />
13 Theodor Klumpp, Acta personalia. Stadtarchiv <strong>Iserlohn</strong>. Bestand A2, Nr. 1498<br />
14 Auskunft der Firma WO Schulte.<br />
15 <strong>Iserlohn</strong>er Tagespost. 31. März 1930.<br />
16 Hundert Jahre Mädchengymnasium und Frauenoberschule <strong>Iserlohn</strong>s 1852 – 1962. Festschrift. <strong>Iserlohn</strong>, 1952.<br />
S. 23 und 31.<br />
25
3.2.1.2. Gustav Pfingsten<br />
Der Pädagoge Gustav Pfingsten wurde am 13. April 1890 in <strong>Iserlohn</strong> als Sohn des<br />
Uhrmachers Friedrich Pfingsten und seiner Frau Mina Messarius geboren. Am 8. August<br />
1922 heiratete er Gretel Reinold, das Paar bekam zwei Töchter.<br />
Gustav Pfingsten durchlief eine Volksschullehrerausbildung, war von 1910 bis 1914 Lehrer in<br />
Letmathe, Neuenrade und Lütgenholthausen, seit 1914 in <strong>Iserlohn</strong>. Er bestand 1921 die<br />
Rektorprüfung und 1927 das Mittelschullehrerexamen. Von 1910 bis 1911 sowie von 1914<br />
bis 1916 leistete er Militärdienst. Er war von 1941 bis 42 Leiter der Wittekindschule (heute<br />
Schule Mendener Straße), bis 1944 vertretungsweise Rektor der Volksschule Brüderstraße,<br />
dann bis 1946 Rektor der Martin-Luther-Schule und schließlich Rektor der Volksschule<br />
Brüderstraße.<br />
1922 begann er mit einer archivarischen Tätigkeit in <strong>Iserlohn</strong>, 1931 wurde er Leiter der<br />
Stadtbücherei. In der Zeit des Nationalsozialismus blieb Gustav Pfingsten im Bereich der<br />
Heimatkunde aktiv. 1937 wurde er vom Schuldienst kurzfristig freigestellt, um am Aufbau<br />
des Hauses der Heimat (heute Stadtmuseum) mitzuhelfen. Ab 1937 war er Leiter des Hauses<br />
der Heimat und Vorsitzender des Heimatvereins. Zudem unterrichtete er bei der Wehrmacht. 17<br />
1947 wurde er korrespondierendes Mitglied des Instituts für wissenschaftliche Heimatkunde<br />
an der pädagogischen Akademie Lüdenscheid. 18 Pfingsten schrieb auch den erläuternden Text<br />
für die 1937 entworfene Bürgermeisterkette der Stadt <strong>Iserlohn</strong>. Ferner war er Chorleiter des<br />
Quartettvereins „Frohsinn“ 1884.<br />
Schon seit 1927 hatte Gustav Pfingsten bei der Volkshochschule unterrichtet, 1930 wurde er<br />
deren ehrenamtlicher Leiter, dies blieb er bis zur vorübergehenden Auflösung der<br />
Volkshochschule um 1934.<br />
Gustav Pfingsten starb am 14. Juli 1954 in <strong>Iserlohn</strong>. Heute erinnert die Gustav-Pfingsten-<br />
Straße in <strong>Iserlohn</strong> an ihn.<br />
17 Findliste Nachlass Gustav Pfingsten. Stadtarchiv <strong>Iserlohn</strong>.<br />
18 Holtmeier, Hermann: Markante Köpfe aus dem Märkischen Kreis. <strong>Iserlohn</strong>, 1997. S. 99/100.<br />
26
3.3. 1933 bis 1945: Das vorläufige Ende der VHS <strong>Iserlohn</strong> in der NS-Zeit<br />
Vorbemerkung: Die Geschichte der deutschen Volkshochschule in den Jahren 1933 bis 1945<br />
wurde von der Forschung bisher nicht erschöpfend untersucht, die Sekundärliteratur ist nicht<br />
sehr umfassend. Ebenso sind die Quellen betreffend die VHS <strong>Iserlohn</strong> und ihrer<br />
Nachfolgeeinrichtung, der Volksbildungsstätte, in dieser Zeit sehr gering. Trotzdem soll hier<br />
der Versuch unternommen werden, diese Epoche näher zu untersuchen.<br />
Die Nationalsozialisten erhielten 1933 die Macht in Deutschland. In der Folge wurde auch das<br />
geistig-kulturelle Leben im Land dem totalitären Regime unterstellt. Exemplarisch für die<br />
„Gleichschaltungs- und Vernichtungspolitik der bisherigen Kultur“ 19 ist die<br />
Bücherverbrennung in Berlin und anderen Städten am 10. Mai 1933. Die Wissenschaft wurde<br />
gleichgeschaltet, für NS-Zwecke instrumentalisiert. Viele Wissenschaftler verließen das Land.<br />
Von der Grundschule bis zur Universität waren alle Bildungseinrichtungen vom<br />
nationalsozialistischen Gedankengut geprägt.<br />
Schon im Jahr 1933 entstand die „Hauptstelle für Volkshochschulen“ beim „Zentralinstitut für<br />
Erziehung und Unterricht“, die dem Innenministerium unterstellt war. Im September 1933<br />
löste sich der „Reichsverband Deutscher Volkshochschulen“ auf. Und im kommunalen<br />
Bereich hatten das Gemeindeverfassungsgesetz und das Gesetz über die Haushalts- und<br />
Wirtschaftsführung der Gemeinden vom 15. September 1933 die Grundlagen für die<br />
Kommunalpolitik gebracht. Dies alles hatte Auswirkungen auf die Volkshochschulen und ihre<br />
Bildungsarbeit in den Städten und Gemeinden. Auch diese wurde dem System unterworfen.<br />
Zunächst wurde versucht, die Erwachsenenbildung der Reichspropagandaleitung zu<br />
unterstellen und die Anbindung der Volkshochschulen an die Gemeinden zu lösen. Parallel<br />
wurden eigene Volksbildungseinrichtungen installiert. Allerdings: „Dieser Prozess stützte sich<br />
nicht auf ein durchgängiges nationalsozialistisches Pädagogik- und Volksbildungskonzept,<br />
das die pädagogische Theorie und Volksbildungstheorie der Weimarer Republik hätte ablösen<br />
können. Vielmehr gründete sich die nationalsozialistische Weltanschauung auf einige zentrale<br />
Begriffe, die außerordentlich emotional besetzt waren, wie ,Rasse’, ,Führertum’ und<br />
,Gemeinschaft’.“ 20<br />
Viele Volkshochschulen wurden also aufgelöst, die Erwachsenenbildung ähnlichen<br />
nationalsozialistischen Einrichtungen unterstellt. Für die Erwachsenenbildung waren in der<br />
NS-Zeit unter anderem das Reichsschulungsamt der NSDAP, die Reichskulturkammer, die<br />
19 Olbrich, Josef: Geschichte der Erwachsenenbildung in Deutschland. Bonn, 2001. S. 219.<br />
20 Olbrich, Josef: Geschichte der Erwachsenenbildung in Deutschland. Bonn, 2001. S. 220.<br />
27
„Deutsche Arbeiterfront“ (DAF) und „Kraft durch Freude“ (KdF) zuständig. Trotzdem blieb<br />
die Gleichschaltung der Erwachsenenbildung bis 1936 schnell im Ansatz stecken.<br />
Die VHS <strong>Iserlohn</strong> war 1933 noch in städtischer Verantwortung. Über die Volkshochschule<br />
heißt es in dem Verwaltungsbericht für das Jahr: „Die Volkshochschule gab wiederum<br />
Anregungen auf verschiedenen Gebieten. Es war ein besonderes Gebiet der Volkshochschule,<br />
den deutschen Menschen als Träger deutschen Wesens zu formen und ihn wieder geistig<br />
bodenständig zu machen. U.a. wurde durch eine Vortragsreihe über ,Rassenhygiene’<br />
vererbungswissenschaftliche Einsicht und eugenisches Denken in manche Kreise vermittelt.<br />
Ein Vortrag ,Nationalsozialismus als Weltanschauung’ führte weiter in die Grundfragen des<br />
Nationalsozialismus ein. Eine Vortragsreihe unter dem Gesamtthema ,Streifzüge durch die<br />
hiesige Industrie’ fand leider nicht das erwartete Interesse.“ 21 Der <strong>Iserlohn</strong>er Arzt Dr. Fritz<br />
Katz hatte über „Erbgesundheitspflege“ gesprochen, es gab einen Vortrag über Rassenhygiene<br />
und „Fragen der Volksentartung“. 22 Es war bereits damit begonnen worden, die Bürger im<br />
nationalsozialistischen Sinne „umzuerziehen“, die Ideologie zu verbreiten. Die Erziehung<br />
zum Rassebewusstsein und Rassenhygiene (Eugenik) waren dabei wichtige Schwerpunkte,<br />
ebenso die Betonung von Heimatgefühl.<br />
Im Mai 1934 wurde die Erwachsenenbildung im Dritten Reich in das ehemalige preußische<br />
Unterrichtsministerium eingegliedert, das in das Reichsministerium für Wissenschaft,<br />
Erziehung und Volksbildung umgewandelt worden war. Das Ministerium war nun für den<br />
äußeren Aufbau der Erziehungssysteme und deren innere Gestaltung verantwortlich.<br />
Ab 1934 finden sich in den Verwaltungsberichten der Stadt <strong>Iserlohn</strong> keine Hinweise mehr auf<br />
die Existenz einer städtischen Volkshochschule. Anscheinend war sie aufgelöst worden.<br />
Erwachsenenbildung gab es dennoch, sie war in <strong>Iserlohn</strong> ganz in den Verantwortungsbereich<br />
der NS-Gemeinschaft „Kraft durch Freude“ und deren Kooperationspartner übergegangen.<br />
„Kraft durch Freude“ war eine Unter-Organisation der DAF und ursprünglich für<br />
Freizeitgestaltung und kulturelle Förderung zuständig. Die Förderung der Arbeitskraft durch<br />
ausreichend Freizeit und deren sinnvolle Gestaltung waren erklärte Ziele. 1936 wurde zudem<br />
das aus der Abteilung „Schulung und Volksbildung“ hervorgegangene Amt „Deutsches<br />
Volksbildungswerk“ (DVW) „Kraft durch Freude“ unterstellt. Damit war das Deutsche<br />
21 Verwaltungsbericht der Stadt <strong>Iserlohn</strong> für das Jahr 1933. S. 25/26. Stadtarchiv <strong>Iserlohn</strong>. Bestand 10/1.50.<br />
22 <strong>Iserlohn</strong>er Kreisanzeiger. 15. November 1933 und 16. November 1933.<br />
28
Volksbildungswerk für alle Volksbildungsstätten zuständig, die Gleichschaltung war<br />
vorangetrieben worden. Ihren Abschluss fand diese Zentralisierung in der Gründung der<br />
„Reichsarbeitsgemeinschaft für Erwachsenenbildung“ im Jahr 1937.<br />
Aus den Volkshochschulen waren endgültig „Volksbildungsstätten“ geworden, eine politisch<br />
und staatlich unabhängige Erwachsenenbildung gab es in Deutschland so gut wie gar nicht<br />
mehr, der Staat kontrollierte die Bildungsarbeit. Die Programme der Volksbildungsstätten<br />
mussten dem Schulungsleiter der NSDAP vorgelegt werden, „ die Volksbildungsstätten<br />
durften nur in Groß- und Mittelstädten errichtet werden und mussten über einen<br />
eigenständigen, von der Partei abgesegneten Lehrkörper verfügen“ 23 . 1937 gehörten 218<br />
Volkbildungsstätten dem DVW an, 1938 bereits 325. 24 In einem Leistungsbericht des<br />
Deutschen Volksbildungswerkes für das Jahr 1938 heißt es: „Die Herzkammern der Arbeit<br />
des Deutschen Volksbildungswerkes sind die Volksbildungsstätten, deren Zahl ständig<br />
anwächst. Sie sind der äußeren Form nach Abendschulen, die allerdings nichts mehr mit den<br />
Volkshochschulen vergangener Zeit zu tun haben. Sie erhalten die Zielsetzung ihrer Arbeit<br />
ausschließlich aus der nationalsozialistischen Weltanschauung und aus den<br />
Lebensnotwendigkeiten unseres Volkes. Sie dienen nicht der Vermittlung trockenen Wissens<br />
und notdürftiger Halbbildung, sondern sie haben die Aufgabe, Charaktere zu formen und zu<br />
einer Lebenserhaltung des deutschen Menschen beizutragen, die bestimmt wird durch das<br />
Wissen um die Gesetze unserer Weltanschauung und durch das Bekenntnis zur kämpferischen<br />
Lebensauffassung.“ 25<br />
Bei dem Bildungsangebot standen also zunächst nicht die Interessen der Teilnehmer im<br />
Vordergrund, sondern der Integration großer Bevölkerungskreise in die Weltanschauung der<br />
NSDAP – was deren Machtausbau diente. Dieses Vorhaben ließ sich nicht vollständig<br />
umsetzen, das Angebot stieß nicht immer auf großes Interesse. Deshalb gab es bald mehr<br />
„Angebote der Wissensvermittlung, der Kultur und des künstlerischen Laienschaffens, ohne<br />
dass die nationalsozialistischen Volksbildner damit auf verkappte politische Inhalte verzichtet<br />
hätten“ 26 . Das Angebot der Volksbildungsstätten wurde mit üblichen KdF-Angeboten ergänzt,<br />
von denen besonders Wanderungen und Urlaubsreisen beliebt waren und die Akzeptanz der<br />
KdF stärkten.<br />
23 Olbrich, Josef: Geschichte der Erwachsenenbildung in Deutschland. Bonn, 2001. S. 241.<br />
24 Olbrich, Josef: Geschichte der Erwachsenenbildung in Deutschland. Bonn, 2001. S. 242.<br />
25 Deutsches Volksbildungswerk 1938, Leistungsbericht. In: Keim, Helmut / Urbach, Dietrich (Hrsg.):<br />
Volksbildung in Deutschland 1933-1945. Braunschweig, 1976. S. 202.<br />
26 Olbrich, Josef: Geschichte der Erwachsenenbildung in Deutschland. Bonn, 2001. S. 244.<br />
29
Seit spätestens 1938 arbeitete das NS-Volksbildungswerk in der NS-Gemeinschaft „Kraft<br />
durch Freude“ mit einigen Vereinen <strong>Iserlohn</strong>s zusammen. Im Oktober 1938 lud man<br />
beispielsweise gemeinsam in der „Harmonie“ einen Vortragsabend zum Thema „Das Wesen<br />
des deutschen Idealismus“ mit Dr. Friedrich Karl Feigel (Duisburg) ein. 27 Bei der<br />
Ankündigung tauchen allerdings weder die Begriffe Volkshochschule noch<br />
Volksbildungsstätte auf.<br />
Mit dem Kriegsausbruch 1939 wurde die Erwachsenenbildung zu einer „kriegswichtigen<br />
Aufgabe“, wie es im Jargon des Nationalsozialismus hieß. Sowohl die Soldaten als auch die<br />
Bürger an der „Heimatfront“ sollten ideologisch gefestigt und zudem auf die Folgen des<br />
Krieges vorbereitet werden.<br />
Spätestens 1940 28 wurde dann auch in <strong>Iserlohn</strong> eine Volksbildungsstätte im Rahmen der NS-<br />
Gemeinschaft „Kraft durch Freude“ für den Kreis <strong>Iserlohn</strong> errichtet. Nebenberuflicher Leiter<br />
war Studienrat Walter Niederstebruch, Musik- und Geschichtslehrer an der Oberschule für<br />
Mädchen (heute Gymnasium an der Stenner) und dem MGI.<br />
Das Volksbildungsstätten-Büro lag damals in der Vinckestraße 2-4 in der ersten Etage, dort<br />
wurden die Anmeldungen entgegen genommen. Seminarräume waren vor allem Schulen und<br />
das Haus der Heimat.<br />
Es gab vor allem Geschichts- und Kunstgeschichts-Kurse. „Die NS-Ideologie durchzog alles,<br />
aber es war trotzdem nicht alles davon geprägt“, so Marieluise Spangenberg. 29 In der<br />
Forschung gibt es die These, dass man bei der Erwachsenenbildung in der NS-Zeit „zwischen<br />
ideologischer Diskussion und Praxis der Bildungsarbeit unterscheiden muss“ 30<br />
Anscheinend war das Volksbildungswerk, zudem ja auch die Volksbildungsstätte gehörte,<br />
zahlenmäßig ein Erfolg. 1941 hatten laut einer Zeitung bereits 14 000 Personen an<br />
27<br />
Artikel einer unbekannten Zeitung, eventuell „Rote Erde“, Meldung vom 5. Oktober 1938. Stadtarchiv<br />
<strong>Iserlohn</strong>. Bestand ZGS – O7.<br />
28<br />
Das genaue Datum konnte leider nicht ermittelt werden. Das <strong>Iserlohn</strong>-Lexikon spricht vom Jahr 1940, leider<br />
ohne genaue Quellen zu nennen (Stadt <strong>Iserlohn</strong> (Hrsg.): <strong>Iserlohn</strong>-Lexikon. <strong>Iserlohn</strong>, 1987. S. 394).<br />
29<br />
Interview von Verfasserin mit Marieluise Spangenberg am 5. Januar 2008 in <strong>Iserlohn</strong>.<br />
30<br />
Faulenbach, Bernd: Rückkehr zur Weimarer Tradition? In: Ciupke, Paul / Faulenbach, Bernd / Jelich, Franz-<br />
Josef/ Reichling, Norbert (Hrsg.): Erwachsenenbildung und politische Kultur in Nordrhein-Westfalen. Essen,<br />
2003. S. 74.<br />
30
Veranstaltungen teilgenommen 31 . Wie viele davon auf die Volksbildungsstätte entfallen,<br />
konnte nicht ermittelt werden. Der IKZ schrieb, die Zahlen zeigten, „dass die Bevölkerung<br />
des Kreises <strong>Iserlohn</strong> trotz der kriegsbedingten Arbeitsbelastung noch Zeit gefunden hat,<br />
geistige Erholung zu suchen“ 32 . Doch die Aussage ist kritisch zu sehen. Die NSDAP schaffte<br />
es in den zwölf Jahren ihrer Diktatur nicht, ein einheitliches Erwachsenenbildungssystem auf<br />
die Beine zu stellen. Und: Innerhalb des Organisationsnetzes der DAF „wurden die<br />
Volkshochschulen als ,Herzkammern der Erwachsenenbildung’ bezeichnet, doch entfiel auf<br />
sie innerhalb der Gesamtheit der Aktivitäten nur ein ziemlich kleiner Teil, in dem sich zudem<br />
Bildungsarbeit und Freizeitbetreuung mischten“ 33 .<br />
1942 wurde das Deutsche Volksbildungswerk aus der NS-Gemeinschaft „Kraft durch Freude“<br />
herausgelöst und direkt der Deutschen Arbeitsfront unterstellt. Dies bildete „den Schlussstein<br />
in der organisatorischen und ideologischen Gleichschaltung und Erfassung der<br />
Erwachsenenbildung unter dem NS-Regime“ 34 .<br />
Aus dieser Zeit sind im Stadtarchiv <strong>Iserlohn</strong> zwei Arbeitspläne der Volksbildungsstätte<br />
<strong>Iserlohn</strong> erhalten. Der Plan 1942/43 wurde herausgegeben von „Die Deutsche Arbeitsfront<br />
NSG ,Kraft durch Freude’“ und „Deutsches Volksbildungswerk Gau Westfalen-Süd“. Die<br />
Geschäftsstelle der Volksbildungsstelle befand sich im Sitz der Kreisverwaltung der DAF an<br />
der Vinckestra0e 2-4. Leiter der Einrichtung war Studienrat Walter Niederstebruch, zum<br />
Beirat gehörten für das Haus der Heimat Gustav Pfingsten sowie Vertreter der NSDAP, der<br />
DAF, des Stadt- und Landkreises und für den Verein für Kulturpflege im Reichswerk Buch<br />
und Volk (ehemals Kaufmännischer Verein). Veranstaltungsorte waren neben <strong>Iserlohn</strong> (vor<br />
allem in den Räumen der „Harmonie“) auch Letmathe, Hemer, Hohenlimburg, Menden und<br />
Schwerte. Eine Hörerkarte kostete 0,50 Reichsmark.<br />
Für die Veranstaltungen in <strong>Iserlohn</strong> zeichnete zudem der „Parteigenosse (PG)“ Fritz<br />
Sparrenberg verantwortlich.<br />
Veranstaltungen im Programm 1942/43 waren unter anderem „Die rote Weltpest“ (in Hemer<br />
angeboten), „Rasse und Musik“ (in <strong>Iserlohn</strong>) und „Die Grundlagen der japanischen<br />
31 <strong>Iserlohn</strong>er Kreisanzeiger. 30. Januar 1943.<br />
32 <strong>Iserlohn</strong>er Kreisanzeiger. 30. Januar 1943.<br />
33 Faulenbach, Bernd: Rückkehr zur Weimarer Tradition? In: Ciupke, Paul / Faulenbach, Bernd / Jelich, Franz-<br />
Josef/ Reichling, Norbert (Hrsg.): Erwachsenenbildung und politische Kultur in Nordrhein-Westfalen. Essen,<br />
2003. S. 74.<br />
34 Olbrich, Josef: Geschichte der Erwachsenenbildung in Deutschland. Bonn, 2001. S. 241.<br />
31
Volkskraft“ (in Hohenlimburg und Schwerte). Durchaus bekannte Personen referierten für die<br />
Volksbildungsstätte des Kreises <strong>Iserlohn</strong>. So etwa der Gynäkologe Dr. Friedrich Jeß zum<br />
Thema „Rassenpflege und Bevölkerungspolitik im Großdeutschen Reich“. Jeß war seit 1932<br />
Dozent für Rassenkunde, Rassen- und Bevölkerungspolitik an der Hochschule für Politik<br />
Bochum und seit 1935 Leiter des Rassenpolitischen Amtes der NSDAP.<br />
Im Februar 1943 führte die „Volksbildungsstätte“ <strong>Iserlohn</strong> die Arbeitsgemeinschaften „Aus<br />
der Welt unserer Muttersprache“ mit Oberstudiendirektor Dr. Bußmann durch. Die<br />
Arbeitsgruppe „soll nicht etwa eine grammatische oder stilistische Anleitung zum richtigen<br />
Gebrauch unserer Sprache geben, sondern sie will einen Einblick in das Wachstum und das<br />
Wesen der deutschen Sprache, ihre Herkunft und ihre Entwicklung vermitteln. Das deutsche<br />
Wesen soll vor allem an Hand unserer Vor- und Familiennamen gezeigt werden“ 35 . Dr.<br />
Wilhelm Schulte referierte zum Thema „Werwolfzeiten in unserer Heimat“, Rektor Fritz<br />
Kühn über „Orgel und Orgelwerke“ und Maria Kahlert las aus ihren Dichtungen.<br />
An Fremdsprachen wurden Englisch, Französisch, Italienisch, Spanisch und Russisch<br />
unterrichtet. 36<br />
1943/44 waren unter anderem Vorträge und Arbeitsgemeinschaften zu den Themen<br />
„Bismarcks Großdeutsche Politik“, „Sturzflug und Fallschirmabsprung“, „Die Wirklichkeit<br />
des Rassegedankens“, „Johann Wolfgang Goethe“ und „Kreuz und quer durch das ehemalige<br />
Deutsch-Ostafrika“ im Programm. An Fremdsprachen wurden Englisch, Französisch,<br />
Spanisch und Russisch unterrichtet. 37<br />
3.3.1. Die wichtigsten Mitarbeiter des dargestellten Zeitraums<br />
3.3.1.1. Walter Niederstebruch 38<br />
Walter Niederstebruch wurde 1895 in Kirchlinde, Kreis Dortmund geboren. Nach einer<br />
Ausbildung im Lehrerseminar wurde er 1915 Lehrer in Hamm. Ab März 1918 war er Lehrer<br />
in Ergste. 1919 begann er seine Tätigkeit als Musiklehrer am Realgymnasium (heute MGI)<br />
und dem Lyzeum (heute Gymnasium an der Stenner) in <strong>Iserlohn</strong>. Im März 1924 ernannte man<br />
ihn zum Oberlehrer. In den 1920er Jahren wurde Niederstebruch durch zahlreiche öffentliche<br />
Schulkonzerte zu einem stadtbekannten Lehrer. Er nahm unter anderem an Beratungen des<br />
städtischen Musikausschusses teil.<br />
35 <strong>Iserlohn</strong>er Kreisanzeiger. 30. Januar 1943.<br />
36 Arbeitsplan der Volksbildungsstätte des Kreises <strong>Iserlohn</strong> 1942/43. Stadtarchiv <strong>Iserlohn</strong>.<br />
37 Arbeitsplan der Volksbildungsstätte des Kreises <strong>Iserlohn</strong> 1943/44. Stadtarchiv <strong>Iserlohn</strong>.<br />
38 Die meisten Angaben sind entnommen aus: Personalakte Walter Niederstebruch. Stadtarchiv <strong>Iserlohn</strong>. Bestand<br />
D11, 8.<br />
32
In einem undatierten Brief in seiner <strong>Iserlohn</strong>er Personalakte bezeichnet sich Walter<br />
Niederstebruch als „überzeugter Nationalsozialist“. Er schreibt zudem: „Sofort 1933 stellte<br />
ich mich der Bewegung ,Kraft durch Freude’ zur Verfügung, die damals ehrenamtlich von PG<br />
von der Heyden geleitet wurde.“<br />
1939 wurde Niederstebruch Studienrat. 1940 wurde der Unteroffizier Niederstebruch aus<br />
Altersgründen und aufgrund von Unabkömmlichkeit aus der Wehrmacht entlassen.<br />
Vom 15.April bis 15.Oktober 1945 war er in einer Betreuungsstelle für Flüchtlinge und<br />
Umquartierte tätig, engagierte sich zudem für die provisorische Einrichtung eines<br />
Altersheims.<br />
Am 13. August 1946 wurde Walter Niederstebruch aus dem <strong>Iserlohn</strong>er Schuldienst entlassen.<br />
Die genauen Gründe ergeben sich aus seiner Personalakte nicht, man kann aber einen<br />
Zusammenhang mit seinen Tätigkeiten im Nationalsozialismus vermuten. Er bat um eine<br />
Wiedereinstellung in den Lehrerdienst in Dortmund. Am 11. Oktober 1948 erklärte der<br />
<strong>Iserlohn</strong>er Schulausschuss: „Der Personal- und Unterausschuss des Schulausschusses bringt<br />
zum Ausdruck, dass der Studienrat Niederstebruch für eine hiesige höhere Schule nicht<br />
tragbar ist. Gegen eine Beschäftigung des Studienrates Niederstebruch an einer höheren<br />
Schule außerhalb <strong>Iserlohn</strong>s erhebt der Unterausschuss keine Einwendungen.“ Im Jahr 1950<br />
wurde Walter Niederstebruch Lehrer an einer Oberschule in Wattenscheid.<br />
Sein weiterer Lebensweg ist unbekannt. 39<br />
Das Urteil über seine Persönlichkeit spiegelt sich in Äußerungen von Zeitzeugen wider. „Er<br />
war wohl überzeugt von der NS-Ideologie, aber ein anständiger Mensch. Allerdings war er ein<br />
bisschen weltfremd“, erinnert sich Marieluise Spangenberg, damals Hörerin und später VHS-<br />
Leiterin. 40 „Er war Nationalsozialist durch und durch“, erinnert sich Ernst Dossmann, damals<br />
Schüler des Reform-Realgymnasiums mit Oberrealschule (heute MGI), an dem<br />
Niederstebruch von 1924 bis 1938 zusätzlich Musik unterrichtete. „Walter Niederstebruch<br />
hatte einen guten Ruf als Lehrer, was wir Schüler allerdings nicht nachvollziehen konnten: Er<br />
39 Auch das Stadtarchiv Bochum-Wattenscheid hat keine Information zu Walter Niederstebruch. E-Mail des<br />
stellvertretenden Archivleiters Stefan Pätzold an Verfasserin vom 7. August 2009.<br />
40 Interview von Verfasserin mit Marieluise Spangenberg am 5. Januar 2008 in <strong>Iserlohn</strong>.<br />
33
war nämlich nicht unbedingt ein geschickter Pädagoge, konnte andere Meinungen nicht<br />
akzeptieren und war sehr nachtragend“, so Dossmann weiter. 41<br />
3.4. 1949 bis 1964: Wiederaufbau und Konsolidierung<br />
3.4.1 Die schwierigen Startbedingungen<br />
Die Bildungsfrage nach Krieg, Flucht und Vertreibung war wegen der zahlreichen<br />
unterbrochenen Schul-, Studium- und Ausbildungslaufbahnen der Menschen von<br />
entscheidender Bedeutung.<br />
Zudem musste eine grundlegende Entnazifizierung und Demokratisierung des<br />
Bildungswesens durchgeführt werden.<br />
Daher initiierte die britische Militärregierung im Gebiet des heutigen Bundeslandes<br />
Nordrhein-Westfalen schnell eine Wiederbelebung der Erwachsenenbildung – auf<br />
demokratischen Grundsätzen. Eine besondere Rolle spielten dabei die Volkshochschulen.<br />
Bereits im September 1945 gab es den „Adult-Education“-Befehl, der die Gründung von<br />
Komitees, die Erwachsenenbildung aufbauen sollten, in Auftrag gab 42 . Tatsächlich aber<br />
gingen die Neugründungen von Volkshochschulen in den größeren Städten auf lokale<br />
Initiativen zurück. Die ersten Volkshochschulen entstanden in Düsseldorf etwa bereits 1945,<br />
in Köln im September 1946, in Bochum im Oktober 1946 und in Essen im Wintersemester<br />
1946/47. Diese Gründungen waren sehr von der Erwachsenenpädagogik der Weimarer<br />
Republik geprägt. 1947 gab es in NRW bereits 140 Abendvolkshochschulen mit 79 656<br />
Teilnehmern und 2783 Dozenten. 43 Im selben Jahr wurde der Landesverband der<br />
Volkshochschulen gegründet. Wichtige Themen waren die Vermittlung von<br />
Demokratieverständnis, Völkerverständigung, die Eingewöhnung der Vertriebenen, der<br />
Wiederaufbau der Städte und die Montanindustrie. Die Erwachsenenbildung gab nach dem<br />
schrecklichen Krieg eine Orientierungs-, oft sogar eine Lebenshilfe.<br />
Die Frage, wie sich die Volkshochschulen inhaltlich ausrichten sollten, beschäftigte in diesen<br />
Jahren die Gemüter. Während die Gewerkschaften wieder auf<br />
Erwachsenenbildungseinrichtungen im Stil der Weimarer Heimvolkshochschulen setzten,<br />
41 Interview von Verfasserin mit Ernst Dossmann am 14. Juli 2009.<br />
42 Reichling, Norbert: Zwischen „freier Bildungsgemeinschaft“ und „allgemeinem Bildungsbedürfnis. In:<br />
Ciupke, Paul / Faulenbach, Bernd / Jelich, Franz-Josef/ Reichling, Norbert (Hrsg.): Erwachsenenbildung und<br />
politische Kultur in Nordrhein-Westfalen. Essen, 2003. S. 127.<br />
43 Harney, Klaus: Infrastrukturen und Ressourcen öffentlicher Weiterbildung in NRW nach 1945. In: Ciupke,<br />
Paul / Faulenbach, Bernd / Jelich, Franz-Josef/ Reichling, Norbert (Hrsg.): Erwachsenenbildung und politische<br />
Kultur in Nordrhein-Westfalen. Essen, 2003. S. 18.<br />
34
überlegten viele Volkshochschulen, sich verstärkt auf die neuhumanistische, bürgerliche<br />
Bildungstradition zu konzentrieren. Schließlich waren die Deutschen doch einst als „Volk der<br />
Dichter und Denker“ bekannt gewesen.<br />
In <strong>Iserlohn</strong> wurden beide Linien verfolgt. Man arbeitete mit dem DBG zusammen, bot aber<br />
Veranstaltungen im Sinne der klassischen bürgerlichen Bildungstradition.<br />
Im November 1949, mehr als vier Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs, nahm die<br />
<strong>Iserlohn</strong>er Volkshochschule unter der Leitung von Kulturreferent Carolus Hartmann, einem<br />
Angestellten der Stadt, ihre Arbeit wieder auf. Man folgte damit also dem Beispiel vieler<br />
anderer Städte in NRW. 1949/50 gab es damit im Regierungsbezirk Arnsberg 43<br />
Volkshochschulen. 44 <strong>Iserlohn</strong>s Bevölkerung hatte nach dem Krieg stark zugenommen, viele<br />
Evakuierte und Flüchtlinge waren in die Stadt geströmt – es gab viele mögliche Hörer für eine<br />
Volkshochschule.<br />
Zum ersten Mal nach dem Zweiten Weltkrieg wurde 1949 in <strong>Iserlohn</strong> auch wieder ein<br />
Programmheft gedruckt. An den Veranstaltungen konnte jeder teilnehmen, der das 16.<br />
Lebensjahr vollendet hatte. Die Semester, die jeweils mit einer Feierstunde eröffnet wurden,<br />
liefen von Oktober bis Ende März, nur der Arbeitskreis „Arbeit und Leben“ schloss im Juni.<br />
„Die Volkshochschule der Stadt <strong>Iserlohn</strong> zählt innerhalb des Landes zu jenem noch<br />
verhältnismäßig kleinen Kreis der Erwachsenenbildungswerke, der die Teilnahme an den<br />
Vorlesungen nahezu ohne Kosten ermöglicht. Sie erhebt lediglich für jede<br />
Arbeitsgemeinschaft eine einmalige Einschreibegebühr. Zu den Sonderveranstaltungen haben<br />
die Hörer bei Vorlage ihres Hörerausweises zu wesentlich ermäßigten Eintrittspreisen<br />
Zutritt.“ 45<br />
Arbeitskreise waren im Unterschied zu Kursen, wo ein Dozent den Teilnehmern Wissen<br />
vermittelte, Lehrveranstaltungen, in denen die Teilnehmer unter Anleitung eines Dozenten an<br />
der Erarbeitung der Thematik mitwirken. Es handelt sich also um eine aktive Form von<br />
Lehrveranstaltung, in der zu möglichst selbstständigem Tun angeregt werden soll.<br />
44 Reichling, Norbert: Zwischen „freier Bildungsgemeinschaft“ und „allgemeinem Bildungsbedürfnis. In:<br />
Ciupke, Paul / Faulenbach, Bernd / Jelich, Franz-Josef/ Reichling, Norbert (Hrsg.): Erwachsenenbildung und<br />
politische Kultur in Nordrhein-Westfalen. Essen, 2003. S. 130.<br />
45 Verwaltungsbericht der Stadt <strong>Iserlohn</strong> 1946/50. Stadtarchiv <strong>Iserlohn</strong>. Bestand S3 B888. S. 103.<br />
35
An eigene Volkshochschul-Räume war damals, in der Zeit der großen Wohnungsnot, nicht zu<br />
denken: „Den Gründern und ersten Hörern in <strong>Iserlohn</strong> bot sich fast die gleiche Situation wie<br />
in den übrigen Städten: beschlagnahmte oder ,zweckentfremdete’ Säle, Schulen, die mit<br />
Flüchtlingen belegt waren oder Schichtunterricht hatten und die nur ausnahmsweise, schlecht<br />
geheizt und bescheiden ausgestattet, sich der Volkshochschule öffneten.“ 46<br />
Im Rechnungsjahr 1949 gab es bei der Volkshochschule <strong>Iserlohn</strong> 16 Arbeitsgemeinschaften<br />
mit 883 Einschreibungen, 927 Teilnehmern und 384 Vollstunden. Es fanden sechs<br />
Einzelvorträge mit 1042 Besuchern (!) statt. 47 Die Einschreibgebühr betrug für eine<br />
Arbeitsgemeinschaft mit sechs Doppelstunden 0,50 DM.<br />
1949/50 wurden insgesamt 21 Dozenten verpflichtet. Dazu gehörten weiterhin die Rektoren<br />
Fritz Kühn und Gustav Pfingsten. Es finden sich auch so bekannte Namen wie das Ehepaar<br />
Irmgard Wessel-Zumloh und Wilhelm Wessel sowie der Schauspieler Ferdinand Held-<br />
Magney.<br />
Inhaltlich verzichtete die VHS, da es in diesem Bereich bereits andere Anbieter (unter<br />
anderem private Sprachschulen) in <strong>Iserlohn</strong> gab, auf berufsfördernde Kurse 48 . „Man<br />
beschränkte sich auf den damals strapazierten Begriff der ,Allgemeinbildung’ aus dem<br />
Gedanken heraus, dass der nur beruflich Interessierte ein halber Mensch und nicht in der Lage<br />
sei, seine Aufgabe in der Familie, in der Gesellschaft, im Staate zu erfüllen.“ 49 Es wurde<br />
beispielsweise die Arbeitsgemeinschaft „Wandlung des Weltbildes“ geboten, die auf die<br />
„historischen und geisteswissenschaftlichen Ursachen der heutigen Situation“ einging,<br />
inklusive Analyse des Ersten und Zweiten Weltkrieges und der Ideologie des Dritten Reiches.<br />
Dozent war Dr. Willy Falkenhein. Dr. E. Krümmer referierte zum Thema „Völker<br />
untereinander“ (diplomatischer Dienst vom Wiener Kongress bis zur Gegenwart und das<br />
zukünftige Europa). Rechtsfragen des Alltags und Philosophie der Gegenwart waren weitere<br />
Themen, zudem gab es heimatgeschichtliche und Gesundheits-Vorträge. Sprachkurse bot die<br />
VHS, wie bereits oben erwähnt, selbst nicht an, wohl aber der Kooperationspartner<br />
„Bildungswerk des deutschen Gewerkschaftsbundes“, der Deutsch, Französisch, Englisch,<br />
46<br />
Spangenberg, Marie-Luise: Die Abendvolkshochschulen im Raum <strong>Iserlohn</strong>. In: Der Märker, 1/1974. S. 41 bis<br />
44. S. 41.<br />
47<br />
Verwaltungsbericht der Stadt <strong>Iserlohn</strong> 1946/50. Stadtarchiv <strong>Iserlohn</strong>. Bestand S3 B888. S. 104.<br />
48<br />
Maschinenschreiben und Stenographie wurden beispielsweise nicht angeboten, das überlies man dem<br />
Stenoverein in <strong>Iserlohn</strong>.<br />
49<br />
Spangenberg, Marie-Luise: Die Abendvolkshochschulen im Raum <strong>Iserlohn</strong>. In: Der Märker, 1/1974. S. 41 bis<br />
44. S. 41.<br />
36
Latein, Spanisch und Niederländisch anbot und dessen Angebot auch im VHS-Arbeitsplan<br />
auftaucht.<br />
Finanziell durften sich die Volkshochschulen prinzipiell der Unterstützung der britischen<br />
Militärregierung und der Landesregierung sicher sein. In der 1950 verabschiedeten nordrhein-<br />
westfälischen Landesverfassung stand: „Die Erwachsenenbildung ist zu fördern.“ 50 Doch es<br />
war bald klar, dass es nötig war, der Unterstützung eine gesetzliche Grundlage zu geben. Ein<br />
Volkshochschul-Gesetz wurde gefordert, vor allem von der SPD. Die SPD-Landtagsfraktion<br />
brachte im Mai 1951 einen Gesetzesentwurf „zur finanziellen Sicherstellung der<br />
Volkhochschulen des Landes Nordrhein-Westfalen“ ein. Doch es sollte noch zwei Jahre<br />
dauern, bis es zu einem Gesetz kam.<br />
In <strong>Iserlohn</strong> wurde zur Entlastung des Kulturausschusses als Unterausschuss ein Kuratorium<br />
Volkshochschule gebildet. Es bestand aus Mitgliedern des Rates, denen das vom VHS-Leiter<br />
ausgearbeitete Programm zur Genehmigung vorgelegt wurde. Somit musste das lange<br />
Programm nicht im Kulturausschuss diskutiert werden. Zum Kuratorium gehörten 1949<br />
Stadtverordneter Alfred Potthoff, Stadtverordneter Helmuth Rentrop, Stadtverordneter Dr.<br />
Th. Rüberg, Stadtverordneter Fritz Rustemeyer, Oberstadtdirektor Heinrich Wohlert und<br />
Kulturreferent Carl „Carolus“ Hartmann. Das Sekretariat der VHS befand sich im Kulturamt<br />
der Stadt (Rathaus, Zimmer 4). 1950 gehörten zum Kuratorium Stadtverordneter Albert Paul<br />
Mund, Stadtverordneter Alfred Potthoff, Stadtverordneter Dr. Aloys Rüberg, Stadtverordneter<br />
Fritz Rustemeyer, Kulturdezernent Dr. Gerhard Groot und als Leiter der VHS (so wird er<br />
erstmals im Programmheft bezeichnet) Kulturreferent Carl Hartmann.<br />
Eine besondere Schwierigkeit der VHS war damals (wie in den folgenden Jahrzehnten) die<br />
Raumnot. In den Anfangsjahren war sie aber besonders kompliziert, da viele Gebäude der<br />
Stadt, wie etwa das Haus der Heimat, noch von den Besatzern beschlagnahmt waren. Andere,<br />
wie etwa der Schillersaal der Feuerwehr, waren mit Flüchtlingen und Vertriebenen belegt.<br />
Die Kurse nannten sich meistens noch Arbeitsgemeinschaften und waren selten länger als<br />
sechs Doppelstunden.<br />
50 Reichling, Norbert: Zwischen „freier Bildungsgemeinschaft“ und „allgemeinem Bildungsbedürfnis. In:<br />
Ciupke, Paul / Faulenbach, Bernd / Jelich, Franz-Josef/ Reichling, Norbert (Hrsg.): Erwachsenenbildung und<br />
politische Kultur in Nordrhein-Westfalen. Essen, 2003. S. 129.<br />
37
Wie schwierig und mühsam die Bedingungen in den Anfangsjahren waren, zeigt die Tätigkeit<br />
der Schüler Klaus und Gerhard Peschke. Ab 1949 bis etwa 1954 arbeitete der damals 16-<br />
jährige Schüler Klaus Peschke mit seinem Bruder Gerhard als Bildvorführer bei der VHS. Der<br />
damalige Leiter der Stadtbildstelle, Dr. Uhlenhaut, hatte sie angesprochen, ob sie bei VHS-<br />
Veranstaltungen Bilder an die Wand projizieren wollten. Zur Verfügung standen damals ein<br />
5x5-Diaprojektor, ein 9x9-Diaprojektor und ein Episkop, die Dinge gehörten der<br />
Stadtbildstelle. Die beiden Jungs (Klaus Peschke war Jahrgang 1933, sein Bruder ein Jahr<br />
jünger) verdienten mit 5 Mark sehr viel Geld, allerdings mussten sie auch hart arbeiten: Am<br />
Nachmittag holten sie die Geräte (meistens einen Projektor, einen Projektionstisch und eine<br />
Leinwand) bei der Bildstelle in der Kluse ab und bauten sie im Vortragsraum, hauptsächlich<br />
im Schillersaal oder an der Wittekindschule, auf. Abends ab 20 Uhr leisteten sie etwa 90<br />
Minuten Dienst und bedienten die Technik, dann mussten die Sachen wieder abgebaut und<br />
zurück zur Stadtbildstelle gebracht werden. Die Brüder Peschke wurden von Marieluise<br />
Spangenberg aus dem Etat der Volkshochschule bezahlt. 51<br />
3.4.2. Zusammenarbeit mit anderen Institutionen<br />
Im Arbeitsplan 1950/51 finden sich auch die Programme zahlreicher Kooperationspartner,<br />
etwa der Stadtbücherei. Auch ein Arbeitsplan „Arbeit und Leben“ ist verzeichnet, es handelte<br />
sich um Angebote eines gemeinsamen Arbeitskreises von DGB und VHS, die nach dem<br />
Krieg an vielen Orten in Deutschland entstanden. „Es war gemeinsamer Wille der beiden<br />
Partner, mit einer auf die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bezogenen Weiterbildung<br />
deren Stellung in Gesellschaft und Beruf zu verbessern und den demokratischen Neubeginn<br />
nach 1945 zu unterstützen“, heißt es auf der Homepage des heutigen Bundesarbeitskreises 52 ,<br />
der 1956 entstand. Bereits 1950 hatte sich in NRW ein Landesarbeitskreis gebildet. In<br />
<strong>Iserlohn</strong> gab es bereits ab dem Wintersemester 1949/50 eine Zusammenarbeit, die allerdings<br />
nicht im Arbeitsplan angekündigt worden war. Es bestand ein Kuratorium der<br />
Arbeitsgemeinschaft, dem 1950 die Gewerkschaftssekretäre Fritz Rustemeyer und Heinz<br />
Wegmann, Lehrer Hermann Hans, die Stadtverordneten Ewald Bange, Albert Paul Mund,<br />
Alfred Potthoff und Hans Richartz sowie Kulturreferent Carolus Hartmann angehörten. 53 Die<br />
Arbeitsgemeinschaft hatte eine Sonderstellung innerhalb der VHS, wies ein fest umrissenes<br />
Bildungsziel (die Heranbildung urteilsfähiger Staatsbürger und die Erziehung des politischen<br />
51 Interview von Verfasserin mit Klaus Peschke am 2. Juli 2009.<br />
52 www.arbeitundleben.de. August 2009.<br />
53 Volkshochschule <strong>Iserlohn</strong>. Arbeitsplan für das Wintersemester 1950.<br />
38
Nachwuchses 54 ) auf. Inhaltlich wurden beispielsweise Kurse zu den Themen Staatslehre,<br />
Politische Geschichte, Volkswirtschaft oder Betriebswirtschaft angeboten. Es gab auch<br />
Besichtigungen und Studienfahrten, etwa in Großbetriebe der Wirtschaft. Teilnehmen an den<br />
Grundkursen der Arbeitsgemeinschaft konnte jeder Erwerbstätige zwischen 17 und 35 Jahren.<br />
Eine Zugehörigkeit zu einer Gewerkschaft war nicht erforderlich. Anmeldungen nahmen<br />
sowohl das Sekretariat der Volkshochschule (wie es damals hieß) als auch die Geschäftsstelle<br />
des DGB entgegen (die ausgerechnet in der Vinckestraße 4, dem alten Büro der NS-<br />
Volksbildungsstätte, war). Wie lange es die Arbeitsgemeinschaft „Arbeit und Leben“ in<br />
<strong>Iserlohn</strong> gab, konnte nicht ermittelt werden.<br />
Wie erfolgreich die Zusammenarbeit war, ist schwer zu sagen.<br />
Im Jahr 1950 resümierte man: „Statistische Erhebungen haben ergeben, dass die<br />
Erwachsenenbildung in sehr hohem Maße die Frau beschäftigt. In Kreisen der werktätigen<br />
Schaffenden bedarf sie noch einer verstärkten Resonanz.“ 55<br />
3.4.3. Die Phase der Konsolidierung<br />
Als erstes Bundesland ging NRW nach dem Zweiten Weltkrieg dazu über, die<br />
Erwachsenenbildung zu kodifizieren. 1953 erließ man das „Gesetz über die<br />
Zuschussgewährung an Volkshochschulen und entsprechenden Einrichtungen“ in Nordrhein-<br />
Westfalen, was die Arbeit vor Ort erheblich vereinfachte. Volkshochschulen waren nun<br />
offiziell Stätten der Begegnung, die zu „vertiefter Lebenserfahrung, selbständigem Urteil und<br />
bewusster Lebensgestaltung“ 56 führen sollten. Bloße Wissensvermittlung stand nicht im<br />
Vordergrund. Volkshochschulen sollten Stätten der Begegnung sein. 57<br />
In <strong>Iserlohn</strong> war Marieluise Spangenberg mittlerweile Kulturamtsleiterin unter<br />
Kulturdezernent Dr. Gerhard Groot geworden. „Es war ungeklärt, wer eigentlich wirklich<br />
VHS-Leiter war. Ich machte die Arbeit, Dr. Groot repräsentierte“, erinnert sich Marieluise<br />
Spangenberg. 58 Offiziell wurde der sehr tüchtige Dr. Groot im Programmheft VHS-Leiter<br />
genannt, die Programmgestaltung und praktische Ausführung lag aber in den Händen von<br />
54<br />
Spangenberg, Marieluise: Die Volkshochschule der Stadt <strong>Iserlohn</strong>. Wintersemester 1953/54. In: Der Märker.<br />
Heft 6/6. 1953. S. 143.<br />
55<br />
Verwaltungsbericht der Stadt <strong>Iserlohn</strong> 1946/50. Stadtarchiv <strong>Iserlohn</strong>. Bestand S3. S. 101.<br />
56<br />
Jelich, Franz-Josef: Der Wandel der Volkshochschulen und das Weiterbildungsgesetz von 1975 in Nordrhein-<br />
Westfalen. In: Ciupke, Paul / Faulenbach, Bernd / Jelich, Franz-Josef/ Reichling, Norbert (Hrsg.):<br />
Erwachsenenbildung und politische Kultur in Nordrhein-Westfalen. Essen, 2003. S. 269.<br />
57<br />
Das Gesetz ist beispielsweise abgedruckt in: Orthen, Hubert (Hrsg.): Erwachsenenbildung in Nordrhein-<br />
Westfalen.Ratingen, 1964. Paragraph 2.1 und 5.2.<br />
58<br />
Interview von Verfasserin mit Marieluise Spangenberg am 5. Januar 2008 in <strong>Iserlohn</strong>.<br />
39
Marieluise Spangenberg. „Ich hatte völlig freie Hand“, so Spangenberg. 59 Besonders,<br />
nachdem Dr. Groot in den Vorstand des VHS-Landesverbandes gewählt worden war. Das<br />
Sekretariat der VHS war damals im Zimmer 4 des Rathauses.<br />
Es kamen zunehmend auch bekannte Persönlichkeiten als Referenten der VHS nach <strong>Iserlohn</strong>.<br />
Im Oktober 1953 etwa referierte Professor Carl Schmitt über „Ein neuer Gesichtspunkt in der<br />
heutigen Diskussion über Wert und Unwert der modernen Technik“ in der Aula der Schule<br />
Mendener Straße. 60 Die Autorin Luise Rinser las ebenfalls aus ihren Werken.<br />
Im Semester 1953/54 versuchte die <strong>Iserlohn</strong>er VHS verstärkt, junge Hörer zu gewinnen.<br />
Schon 1952 hatte es eine Jugendvolkshochschule mit Themen wie „Die Singgemeinschaft“<br />
und „Wir lesen Märchen und Erzählungen“ gegeben. Die Bemühungen trugen Früchte: Waren<br />
1952/53 nur 21 Prozent der Hörer unter 30 Jahre alt gewesen, waren es 1953/54 bereits 40<br />
Prozent. 61<br />
Das Zusammenstellen des Programms war sehr aufwändig. Man hatte einen Stamm an<br />
Dozenten, auf den man immer wieder zurückgriff, meistens waren das Lehrer. Viele Dozenten<br />
waren Vertriebene, die in <strong>Iserlohn</strong> eine neue oder zumindest vorläufige Heimat gefunden<br />
hatten. Die Gewinnung von Dozenten oder Referenten funktionierte einerseits über<br />
persönliche Kontakte, andererseits waren Verlage wichtige Ansprechpartner, aber auch andere<br />
VHS-Leiter der Umgebung, die Marieluise Spangenberg regelmäßig traf. Auch das<br />
Westdeutsche Vortragsamt vermittelte Referenten.<br />
Die Vielfältigkeit des Programms zeigt, dass man sich in den 1950er und 1960er Jahren noch<br />
bemühte, möglichst viele Bereiche anzusprechen. Veranstaltungen auf unterschiedlichstem<br />
Niveau wurden angeboten, um einen möglichst breiten Adressatenkreis anzusprechen. Das<br />
lässt sich exemplarisch am Volkshochschulprogramm 1954/55 zeigen, das in acht Bereiche<br />
gegliedert war. Im Bereich „Vom Geist unserer Zeit“ gab es Veranstaltungen wie die<br />
Vortragsreihe „Die Kirche in unserer Zeit“ oder eine Lesebühne mit dem Titel „Das Drama<br />
der Gegenwart“. Im Bereich „Für die Frau“ wurden Kurse (höchstens sechs Doppelstunden)<br />
wie „Moderne Haushaltsführung“ oder „Jugendpsychologie“ angeboten. Der dritte Bereich<br />
hieß „Steckenpferde“ und offerierte unter anderem ein „Kleines Sprachkolleg für<br />
59 Interview von Verfasserin mit Marieluise Spangenberg am 5. Januar 2008 in <strong>Iserlohn</strong>.<br />
60 <strong>Iserlohn</strong>er Kreisanzeiger. 25. September 1953.<br />
61 Spangenberg, Marieluise: Die Volkshochschule der Stadt <strong>Iserlohn</strong>. Wintersemester 1953/54. In: Der Märker.<br />
Heft 6/6. 1953<br />
40
Hollandfahrer“ (acht Doppelstunden), „Einführung in die Schwarz-Weiß-Photographie“ oder<br />
„Einführung in die Geologie“. Im Bereich vier „Politik“ ging es um „Was geschieht in der<br />
Welt“ (sechs Doppelstunden mit Generalkonsul a.D. Dr. Krümmer) und „Der Montagskreis –<br />
Aussprache über aktuelle Probleme“ (er stand unter der Leitung des Kulturdezernenten und<br />
offiziellen VHS-Leiters Dr. Gerhard Groot). Es gab zudem den „Deutsch-Niederländischen<br />
Kulturkreis der Volkshochschule“, der in Zusammenarbeit mit den Niederländischen<br />
Volkshochschulen, der Niederländischen Botschaft, dem Niederländischen Konsulat und dem<br />
Auslandsinstitut Dortmund die Freundschaft und den Austausch zwischen beiden Völkern<br />
fördern wollte. Maßgeblich wirkte Carolus Hartmann an der Entstehung dieses Kulturkreises<br />
mit.<br />
Im Bereich fünf „Musik, bildende Kunst, Architektur“ berichtete etwa Ernst Dossmann über<br />
„Baudenkmäler unserer Zeit“. „Ich hatte eine sehr interessierte Zuhörerschaft, darunter<br />
beispielsweise Pfarrer Löer“, erinnert er sich 55 Jahre später: „Die Arbeit für die VHS hat mir<br />
sehr geholfen, dass ich mich frei machte von irgendwelchen Konzepten und frei gesprochen<br />
habe. Auch dass ich vor vielen Menschen frei sprechen kann, verdanke ich der VHS.“ 62 Ein<br />
weiterer Dozent war Aloys Kontarsky, ein junger <strong>Iserlohn</strong>er, der einen Arbeitskreis<br />
„Zeitgenössische Musik“ anbot. Aus ihm wurde ein weltbekannter Pianist und<br />
Hochschuldozent (Hochschule für Musik Köln), dessen Konzertreisen ihn bis nach Japan,<br />
Australien, China und in die USA führten.<br />
Der Bereich sechs war der des Arbeitskreises „Arbeit und Leben“ und bot beispielsweise eine<br />
„Geschichtliche Arbeitsgemeinschaft“ und „Sozial- und Arbeitsrecht“, die beide über sechs<br />
Doppelstunden gingen. Der Bereich sieben war eine Sonderarbeitsgemeinschaft in<br />
Verbindung mit dem Jugendwohnheim Bodelschwinghstraße und war mit „Wie benehme ich<br />
mich?“ betitelt. Der Bereich acht umfasste Sonderveranstaltungen, etwa eine Autorenlesung<br />
mit Karl-Heinrich Waggerl oder ein Gastspiel des Zeitkabaretts „Die Amnestierten“.<br />
Im Wintersemester 1954/55 sah der Arbeitsplan äußerlich wieder anders aus, hatte ein<br />
Querformat. Diese Form des Programmheftes sollte sich für lange Jahrzehnte halten.<br />
Im Februar 1955 referierte Anton Zischka über „Probleme der Weltwirtschaft“ in der Aula der<br />
Schule an der Mendener Straße. In diesem Semester gab es auch eine VHS-Reihe „Für die<br />
62 Interview von Verfasserin mit Ernst Dossmann am 14. Juli 2009.<br />
41
Frau“: „Die gepflegte Frau“ (Kosmetikschule), „Das Künstlerische im Alltag“ und „Weben<br />
für Anfänger und Fortgeschrittene“. Es gab auch eine Jugendvolkshochschule mit Kursen wie<br />
„Einführung in das Photographieren“ oder „Man benimmt sich wieder“.<br />
Im April 1955 bekam die Volkshochschule <strong>Iserlohn</strong> hohen Besuch: Die Landestagung der<br />
Volkshochschulen NRW fand in Anwesenheit von Kultusminister Werner Schütz statt. Dr.<br />
Groot forderte in diesem Zusammenhang „junge Dozenten, geeignete Räume, Seminare für<br />
Erwachsenenbildung, Heimvolkshochschulen und vor allem hauptamtliche<br />
Erwachsenenbildner in allen Gemeinden über 50 000 Einwohner.“ 63<br />
1955 verabschiedete sich Kulturdezernent Dr. Gerhard Groot, offizieller Leiter der VHS, aus<br />
<strong>Iserlohn</strong> und wurde Stadtdirektor in Soest. Er wurde später auch 1. Vorsitzender des<br />
Landesverbandes der Volkshochschulen von Nordrhein-Westfalen. Sein Nachfolger in<br />
<strong>Iserlohn</strong>, Oberstadtdirektor Wohlert, übernahm nicht die Position des VHS-Leiters, dies<br />
wurde nun auch offiziell Marieluise Spangenberg. Damals gab es keinerlei geregelte<br />
Anforderungen an das Amt des VHS-Leiters, ein Studium beispielsweise war nicht nötig.<br />
Marieluise Spangenberg hatte als Kulturamtsleiterin alle Hände voll zu tun, denn sie musste<br />
sich mit ihren beiden Mitarbeiterinnen nicht nur um die VHS, sondern auch um das Theater,<br />
die Stadtbücherei und das Archiv kümmern. Marieluise Spangenberg war meistens von<br />
morgens bis spät in die Nacht beschäftigt, vor allem abends, dann betreute sie die Dozenten,<br />
holte sie oft vom Bahnhof ab und brachte sie spät am Abend wieder hin. Auch einfache<br />
Arbeiten wurden ihr nicht abgenommen. Als beispielsweise ein Arbeitsloser engagiert wurde,<br />
um Werbeplakate für die VHS in der Stadt anzukleben, unterband das Rathaus, sprich<br />
Stadtdirektor Wach, dies. VHS-Leiterin Spangenberg sauste also durch <strong>Iserlohn</strong> und klebte<br />
Plakate an Litfasssäulen. 64<br />
Das VHS-Programmheft 1956/57 hatte ein handliches kleines Querformat, der farbenfrohe<br />
Umschlag war von dem <strong>Iserlohn</strong>er Künstler Karl Tüttelmann gestaltet worden. Erstmals gab<br />
es einen inhaltlichen Schwerpunkt, nämlich „Vom Geist unserer Zeit“. Vier Arbeitskreise<br />
beschäftigten sich in den Bereichen Malerei, Philosophie und Literatur damit. Zudem las<br />
unter anderem – als dritte Frau innerhalb der Arbeitsgemeinschaft „Aspekte der modernen<br />
Literatur“ – die bekannte Autorin Luise Rinser aus ihren Werken. Weitere Beispiele für<br />
bekannte Persönlichkeiten, die die VHS <strong>Iserlohn</strong> besuchten, sind etwa Käthe Kruse (1957),<br />
63 <strong>Iserlohn</strong>er Kreisanzeiger. 75 Jahre VHS 1919-1994. Sonderseite. 26. Mai 1994.<br />
64 Interview von Verfasserin mit Peter Bachmann am 2. August 2008 in <strong>Iserlohn</strong>.<br />
42
Wolfdietrich Schnurre (1959), Heinrich Harrer (1960), Heinrich Böll (1961) und Rudolf<br />
Hagelstange (1961).<br />
1956 wurde eine Kindermalstube in der VHS <strong>Iserlohn</strong> installiert, ein Ableger der<br />
Erwachsenenbildung, der allerdings nicht lange existierte. Grafiker Benno Splieth<br />
beschäftigte sich mit den Kleinen. 65<br />
1958 beschäftigte man sich bei der VHS mit dem Thema „Hellsehen“: Referent Wilhelm<br />
Gubisch machte den „okkultgläubigen Zuhörern“ klar, dass Hellsehen von jedem praktiziert<br />
werden könne, der sich auf Massenpsychologie versteht. „Im ersten Teil überzeugte er die<br />
Zuschauer vollkommen von seinen hellseherischen Fähigkeiten. Dann gab es eine Pause. Im<br />
Anschluss erklärte er ihnen die Tricks, denen sie so leichtgläubig auf den Leim gegangen<br />
waren“, erinnert sich Marieluise Spangenberg noch fast 50 Jahre später schmunzelnd an die<br />
Veranstaltung. 66<br />
Ein besonderer Gast im Dezember 1958: Prof. Walter Jens sprach über „Moderne Literatur –<br />
moderne Wirklichkeit“ im Schillersaal. Und Dr. Wilhelm Schulte referierte im Oktober über<br />
„Westfälische Köpfe“.<br />
Im Wintersemester 1958/59 hatten 24 der 27 angekündigten Arbeitsgemeinschaften<br />
stattgefunden, 25 Dozenten unterrichteten 800 Hörer in 150 Doppelstunden. Zu den Dozenten<br />
gehörten Professoren, Studienräte, Künstler, Juristen, Architekten, Politiker, Psychologen und<br />
Hausfrauen. Sehr beliebt waren die Diskussionsabende mit Generalkonsul a.D. Dr. Krümmer<br />
(etwa 200 Hörer), viele Teilnehmer gingen auch zu den zwölf musischen<br />
Arbeitsgemeinschaften (280 Hörer). Für die beiden Musikarbeitsgemeinschaften meldeten<br />
sich allerdings nur sechs Teilnehmer an, sie mussten ausfallen. 67 In dem Semester startete die<br />
Volkshochschule Veranstaltungen in einer „Nebenstelle <strong>Iserlohn</strong>erheide“ unter der Leitung<br />
von Ernst Filipczyk. Dort, in der Gaststätte Riekenbrauck wurden verschiedene Vorträge,<br />
etwa zu den Themen „Filme, die uns angehen“ oder „Chinesische Schrift – chinesische<br />
Gedichte“. Ab 1960/61 wurden in der <strong>Iserlohn</strong>erheide Filmabende dargeboten.<br />
65 <strong>Iserlohn</strong>er Kreisanzeiger. 10. November 1956.<br />
66 Interview von Verfasserin mit Marieluise Spangenberg am 5. Januar 2008 in <strong>Iserlohn</strong>.<br />
67 Westfalenpost. Lokalteil <strong>Iserlohn</strong>. 30. Mai 1959.<br />
43
Zur Konsolidierung der Arbeit der VHS gehörten auch Versuche, die Raumnot zu lösen. 1958<br />
war das Sekretariat im Stadthaus I, Zimmer 3 untergebracht. Das Stadthaus I, ein altes,<br />
klassizistisches Bürgerhaus, lag damals direkt neben dem alten Rathaus (heute steht dort ein<br />
großes Bekleidungs-Kaufhaus).<br />
Trotzdem: Zwar war die Verwaltung in einem eigenen Raum untergebracht, eigene<br />
Unterrichtsräume gab es aber immer noch nicht. „Die Raumverhältnisse waren im<br />
vergangenen Semester günstiger denn je“ 68 hieß es 1959 aus der VHS. Zwar fanden die<br />
Veranstaltungen immer noch in diversen Häusern (Duisbergsaal im Haus der Heimat, kleiner<br />
Sitzungssaal des Rathauses, Jugendheim, das neu gebaute Haus der Familie an der<br />
Stennerstraße 10, Schillersaal, im Feuerwehrgerätehaus und Wichelhovenhaus) statt, aber<br />
zumindest musste man keine Klassenzimmer der örtlichen Schulen in Anspruch nehmen.<br />
Erst 1960 erhielt die <strong>Iserlohn</strong>er Volkshochschule eigene Unterrichtsräume im Erdgeschoss der<br />
1891 erbauten Villa von Kommerzienrat Carl Weydekamp an der Stennerstraße 12. „Das war<br />
eine große Hilfe“ erinnert sich Marieluise Spangenberg. 69 Doch schon bald herrschte wieder<br />
Raumnot. Dieses Problem hatte aber nicht nur die <strong>Iserlohn</strong>er Volkshochschule. Der frühere<br />
NRW-Kultusminister Paul Mikat gab sogar 1964 eine Denkschrift mit dem Titel „Denkschrift<br />
über den Ausbau der Erwachsenenbildung im Lande Nordrhein-Westfalen“ heraus, in der er<br />
auch auf die Raumproblematik der mittlerweile 247 Abendvolkshochschulen im Land<br />
einging. Demnach verfügten noch nicht einmal 20 Prozent der Einrichtungen über<br />
eigenverantwortlich genutzte Räume – genau wie die <strong>Iserlohn</strong>er VHS. Im gesamten<br />
Regierungsbezirk Arnsberg gab es damals nur vier VHS-Häuser. 70<br />
Zurück in die 1950er Jahre: So gut die VHS in diesen Jahren lief, es tauchte ein Problem auf,<br />
auch wenn Marieluise Spangenberg es erst einmal nicht ernst nahm: das Fernsehen. Mitte der<br />
50er Jahre trat es in Deutschland seinen Siegeszug in die Haushalte an, 1953 waren in<br />
<strong>Iserlohn</strong> die ersten Fernsehbilder aus Holland am Danzturm empfangen worden. Die VHS,<br />
wie immer bemüht aktuell, nahm eine Vortragsreihe zum Thema ins Programm auf: Um das<br />
neue Medium kennen zu lernen, bot die VHS im Wintersemester 1953/54 einen 16-stündigen<br />
68 Westfalenpost. Lokalteil <strong>Iserlohn</strong>. 30. Mai 1959.<br />
69 Interview von Verfasserin mit Marieluise Spangenberg am 5. Januar 2008 in <strong>Iserlohn</strong>.<br />
70 Jelich, Franz-Josef: „Besonders in den Volkshochschulen ist die Bestuhlung für Erwachsenen zu klein“. Die<br />
Forderung nach Neubauten für Volkshochschulen. In: Ciupke, Paul / Faulenbach, Bernd / Jelich, Franz-Josef/<br />
Reichling, Norbert (Hrsg.): Erwachsenenbildung und politische Kultur in Nordrhein-Westfalen. Essen, 2003. S.<br />
218.<br />
44
Kurs „Die VHS vorm Fernsehschirm“ an. Kurt E. Becker betrachtete mit seinen Teilnehmern<br />
kritisch das Fernsehprogramm, das Fernsehgerät stellte eine Firma aus Altena zur Verfügung.<br />
„Ich hätte es damals nicht für möglich gehalten, dass es bald Fernsehapparate in nahezu jedem<br />
Haushalt geben würde“, erinnert sich Marieluise Spangenberg. 71 Doch das Fernsehen startete<br />
seinen Siegeszug, wurde zu einer echten Konkurrenz für die<br />
Erwachsenenbildungseinrichtungen. Um 1959 kam endgültig der große Einbruch für die<br />
VHS, die Zahl der Hörer ging zurück, vor allem bei Vorträgen. „Fernsehen als harte<br />
Konkurrenz für die <strong>Iserlohn</strong>er Volkshochschule“ titelte eine Zeitung im Mai 1959. 72 Auf<br />
einmal sahen die <strong>Iserlohn</strong>er die berühmten Leute, die sonst die VHS zu Vorträgen eingeladen<br />
hatte, auf den Bildschirmen in ihren Häusern. Eine Zuhörerin erklärte: „Anmelden werde ich<br />
mich schon, aber, wissen Sie, wir haben jetzt zu Hause einen Fernsehapparat, und wenn es<br />
dort etwas Schönes gibt, komme ich nicht, damit müssen Sie rechnen.“ 73 Der<br />
Unterhaltungswert des neuen Mediums war hoch und verführerisch, zudem war das<br />
Fernsehen schneller in der Berichterstattung: „So aktuell wie das Fernsehen konnten wir nicht<br />
sein, wir mussten unser Programm ja Monate im Voraus planen“, so Spangenberg. Die Folge:<br />
Die <strong>Iserlohn</strong>er Volkshochschule verlagerte ihre Schwerpunkte, es gab nun weniger Vorträge,<br />
dafür mehr Kurse und Seminare. Das war nicht nur in <strong>Iserlohn</strong> so: Es wurde von den<br />
Volkshochschulen allgemein der „Mut zur kleinen Zahl“ an Teilnehmern gefragt, es gab<br />
weniger große Vorträge, dafür intensive kleinere Gesprächsgruppen, die sich über ganze<br />
Semester erstreckten. Denn darin lag der Vorteil der Volkshochschulen gegenüber dem<br />
Fernsehen: Die Volkshochschulen hatten den persönlichen Kontakt zu ihren Zuhörern.<br />
Ein anderes Problem: Viele der Dozenten in den 50ern waren schon in den 20ern, vor der NS-<br />
Zeit, Dozenten gewesen, waren noch durch die Jugend- und Volksbildungsbewegung der 20er<br />
Jahre geprägt, glaubten an das Humboldtsche Bildungsideal. Dieses verlangt den Gebrauch<br />
der Vernunft zur Erlangung von Selbstständigkeit und Mündigkeit, zudem das Erlangen eines<br />
Weltbürgertums. Die Vertreter dieser Ideale prallten nun mit den jungen VHS-Vertretern<br />
zusammen, die verstärkt auf Weiterbildung für berufliche Zwecke setzten. „Die Menschen am<br />
Arbeitsplatz abholen“ war bald das Motto, man wollte nicht nur das Bildungsbürgertum,<br />
sondern verstärkt auch Arbeiter erreichen. Doch das erwies sich als sehr schwer, das Ziel<br />
wurde eigentlich nicht erreicht. Erst ab den 70ern, mit dem Strukturwandel in der Arbeitswelt<br />
71 Interview von Verfasserin mit Marieluise Spangenberg am 5. Januar 2008 in <strong>Iserlohn</strong>.<br />
72 Westfalenpost. Lokalteil <strong>Iserlohn</strong>. 30. Mai 1959.<br />
73 Westfalenpost. Lokalteil <strong>Iserlohn</strong>. 30. Mai 1959.<br />
45
und der Einführung von PCs in den 1980ern, veränderte sich auch die Klientel der<br />
Volkshochschule.<br />
Ein Gutachten des Deutschen Ausschusses für das Erziehungs- und Bildungswesen sprach<br />
1960 von der Volkshochschule als genuinen Ort einer freien, nicht an einen Träger<br />
gebundenen „Erwachsenenbildung, ,die sich im offenen Raum vollzieht’ und als ,Aufbaustätte<br />
des demokratischen Lebens’ einer verstärkten öffentlichen Förderung bedürfe“ 74 . Die<br />
Erwachsenenbildung wurde zunehmend systematisiert, immer mehr Volkshochschulen<br />
bekamen eigene hauptamtliche Leiter.<br />
Zudem bemühte man sich um eine Erweiterung der Zielgruppen, besonders junge Zuhörer<br />
aber auch Senioren sollten gewonnen werden, ebenso die Arbeiterschicht. Im Programm des<br />
Jahres 1960 spiegeln sich diese Bemühungen.<br />
So lautete ein Untertitel des IKZ „Ursula Jung sprach amerikanische Negerdichtung“. Was<br />
heute – in der Zeit der angeblichen „political correctness“ - als Schimpfwort anmutet, war<br />
damals der normale Sprachgebrauch. Die Lyrik der Afro-Amerikaner (in deutscher<br />
Übersetzung) kam an, es gab langen Beifall. 75 Im selben Jahr wurde bei der VHS auch eine<br />
Altenrunde eingerichtet, die sich unter der Leitung von Rektor Karl Gossner im Haus der<br />
Familie traf. Diese Runde war so erfolgreich, dass bald weitere gegründet wurden.<br />
Die Zunahme der Aufgaben erforderte eine neue Kraft bei der VHS. Im Januar 1961 wurde<br />
Dipl.-Politologin Traute Hoffmann Assistentin bei der VHS. Der Landesverband der<br />
Volkshochschulen in NRW beschäftigte damals junge Akademiker für ein bis zwei Jahre, die<br />
als Assistenten den Volkshochschulen zugeteilt wurden. Die Kosten trug der Landesverband.<br />
Traute Hoffmann arbeitete ein Jahr lang bei der VHS <strong>Iserlohn</strong> im politischen Bereich. Im<br />
Dezember 1961 wurde sie von Kulturamtsleiterin Marieluise Spangenberg verabschiedet und<br />
ging nach Hamburg. 76<br />
Ende Februar 1961 eröffnete die Volkshochschule im Volkshochschulhaus an der<br />
Stennerstraße einen Leseraum, in dem die Bürger von Montag bis Freitag einer jeden Woche<br />
von 17 bis 20 Uhr Wochenzeitungen und politische Zeitschriften lesen können. „Diese neue<br />
74 Jelich, Franz-Josef: Der Wandel der Volkshochschulen und das Weiterbildungsgesetz von 1975 in Nordrhein-<br />
Westfalen. In: Ciupke, Paul / Faulenbach, Bernd / Jelich, Franz-Josef/ Reichling, Norbert (Hrsg.):<br />
Erwachsenenbildung und politische Kultur in Nordrhein-Westfalen. Essen, 2003. S. 269.<br />
75 <strong>Iserlohn</strong>er Kreisanzeiger. 5. Dezember 1960.<br />
76 <strong>Iserlohn</strong>er Kreisanzeiger. 4. Januar 1961 und 15. Dezember 1961.<br />
46
Einrichtung der VHS wird neben den Hörern der politischen Arbeitsgemeinschaften vor allen<br />
Dingen die <strong>Iserlohn</strong>er interessieren, die in den Abendstunden einen Volkshochschulkurs<br />
besuchen und die Zeit von Dienstschluss bis Kursbeginn sinnvoll überbrücken und sich<br />
informieren möchten. Die Benutzung des Leseraums ist kostenlos.“ 77 Der Leseraum existierte<br />
allerdings nur kurz, er wurde nicht in Anspruch genommen, da er zu weit von der Innenstadt<br />
entfernt lag.<br />
3.4.5. Die Migrationsbewegung spiegelt sich im Programm der VHS<br />
In diesen Jahren gab es bei der Volkshochschule <strong>Iserlohn</strong> auch den „Internationalen Club“.<br />
„Das war eine Reaktion auf den Zustrom von Ausländern nach <strong>Iserlohn</strong>. Zum einen gab es<br />
Gastarbeiter, zum anderen die Gäste des Goethe-Instituts. Der Club entstand als<br />
Freizeitangebot, einmal in der Woche traf man sich, hörte Vorträge, besichtigte etwas oder<br />
saß gesellig zusammen. Der Club wurde schnell zu einem Selbstläufer. Die Teilnehmer trafen<br />
sich auch in den VHS-Ferien. Deshalb passte er irgendwann nicht mehr ins VHS-Programm<br />
und wir gaben ihn in die Obhut des Goethe-Instituts, wo er weiterlief.“ 78 Im Herbst 1961 ging<br />
aus dem „Internationalen Club“ das „Politische Jugendforum“ hervor, in dem unter der<br />
Leitung von Gustav Wackwitz 79 , erster Leiter des Goethe-Instituts in <strong>Iserlohn</strong>, über aktuelle<br />
politische Geschehnisse diskutiert wurde. 80<br />
Überhaupt, man öffnete sich: Es gab Studienfahrten, die sich großer Beliebtheit erfreuten. Im<br />
Februar 1962 lud Marieluise Spangenberg zu einer Studienfahrt nach Brüssel im März ein.<br />
Vier Tage war man unterwegs, besichtigte unter anderem die deutsche EWG-Vertretung und<br />
die europäische Gemeinschaft, wo man einen Vortrag über „Allgemeine Ziele und Aufgaben<br />
des gemeinsamen Marktes“ hörte. 55 DM mussten für Hin- und Rückfahrt, Stadtrundfahrt,<br />
Unterkunft, Frühstück und Versicherung gezahlt werden.<br />
3.4.6. Zusammenfassung<br />
Zusammenfassend kann man sagen, dass in den Jahren 1949 bis 1964 die Volkshochschule<br />
<strong>Iserlohn</strong> von Wiederaufbau und Konsolidierung geprägt war. Nach dem Krieg suchte man<br />
77 <strong>Iserlohn</strong>er Kreisanzeiger. 22. Februar 1961.<br />
78 Interview von Verfasserin mit Marieluise Spangenberg am 5. Januar 2008 in <strong>Iserlohn</strong>.<br />
79 Gustav Wackwitz (1922 - ?), Sohn von Andreas Wackwitz (1893-1979), Landespropst und Vorsitzender des<br />
Synodalvorstandes der Deutschen Evangelischen Synode von Südwestafrika. Vater von Stefan Wackwitz<br />
(geboren 1952), Schriftsteller.<br />
80 <strong>Iserlohn</strong>er Kreisanzeiger. 26. September 1961.<br />
47
eine geeignete Position für Weiterbildung, eine Neuprofilierung der Erwachsenenbildung war<br />
dringend notwendig. Nach einigen Jahren ging es darum, die gefundene Position zu festigen.<br />
Immer weiter in die Welt wurden die Fühler ausgestreckt. Immer mehr passte man sich<br />
inhaltlich an die Arbeitnehmergesellschaft an. Sportkurse wurden in diesen Jahren noch nicht<br />
angeboten, das war Sache der Vereine. Auch war die Gesellschaft noch nicht sehr überaltert,<br />
Seniorenarbeit wurde bei der VHS erst allmählich betrieben.<br />
3.4.7. Die wichtigsten Mitarbeiter des dargestellten Zeitraums<br />
3.4.7.1. Carolus Hartmann<br />
Carolus Hartmann heiß eigentlich Carl Heinrich Hartmann und wurde am 15. Oktober 1901 in<br />
<strong>Iserlohn</strong> als Sohn des Versandleiters Carl Hartmann geboren.<br />
Carl Hartmann machte nach dem Realschulabschluss eine kaufmännische Lehre im Verlag<br />
Georg Pfeiffer <strong>Iserlohn</strong> (Märkisches Volksblatt), anschließend war er ein Jahr lang als<br />
Angestellter dort tätig. Von 1921 bis 1922 war er kaufmännischer Angestellter beim Verlag<br />
der Westdeutschen Volkszeitung Hagen, bis 1923 Geschäftsstellenleiter und Lokalredakteur<br />
bei der Neheim-Hüstener Zeitung. Schon während seiner Lehre hatte er begonnen, auch<br />
Artikel zu schreiben. Als Kürzel wählte er die Buchstabenfolge „k.rolus“. Schon bald wusste<br />
jeder, wer sich hinter dem Kürzel verbarg, der Punkt fiel weg, aus dem K wurde ein C, er<br />
fügte ein A hinzu, und aus Carl Heinrich Hartmann war Carolus Hartmann geworden. „Jeder<br />
nannte ihn so, selbst seine Ehefrau. Nur seine Geschwister sagten weiterhin Carl zu ihm.“ 81<br />
Von 1923 bis 1929 war Carolus Hartmann erst Schriftleiter und später Verlagsleiter des<br />
Düsseldorfer Tagblattes. Danach begann er eine Tätigkeit als Verlagsleiter der Kölner<br />
Görreshaus AG (Kölnische Volkszeitung / Kölner Lokalanzeiger). Er musste einen<br />
Antrittsbesuch beim Kölner Oberbürgermeister machen – das war zu der Zeit Konrad<br />
Adenauer. Darüber gibt es eine nette Anekdote: Adenauer drängte den Nichtraucher eine<br />
Zigarre mit ihm zu rauchen. Seitdem erzählte Carolus Hartmann stets: „Adenauer hat mir das<br />
Rauchen beigebracht.“ Der Verlag wurde dann durch die NSDAP aufgelöst.<br />
Carolus Hartmann heiratete die aus Hagen stammende Elisabeth Charlotte Mertens. Das Paar<br />
bekam vier Kinder. Sowohl Carolus Hartmann als auch seine Ehefrau waren beide im<br />
„Wandervogel“ in der Deutschen Jugendbewegung aktiv.<br />
81 Interview mit Thomas Hartmann, Sohn von Carolus Hartmann, am 15. März 2008.<br />
48
Von 1935 bis 1940 war Carolus Hartmann dann Lokalschriftleiter bei der Westfälischen<br />
Landeszeitung in Lüdenscheid und Altena. „Entlassung infolge politisch-weltanschaulicher<br />
Differenzen mit der NSDAP“, notierte er später in seinem Lebenslauf. 82<br />
Vom 2. Januar bis Mitte Oktober 1940 arbeitete Carolus Hartmann als Vertragsangestellter<br />
beim Finanzamt <strong>Iserlohn</strong>.<br />
Von Oktober 1940 bis Kriegsende war Carolus Hartmann dann im Kriegseinsatz. Er war vier<br />
Jahre im holländischen Haarlem stationiert. Der überzeugte Katholik und Wandervogel<br />
Hartmann konnte mit der Nationalsozialistischen Idee nichts anfangen. Er lernte schnell<br />
Holländisch und schloss viele Freundschaften. Man bat ihn auch, den Text des Marschliedes<br />
der deutschen Besatzungsmacht zu schreiben – es geriet zu einer liebevollen Hommage an das<br />
besetzte Land. Nach Ende des Zweiten Weltkrieges gründete Carolus Hartmann bei der VHS<br />
<strong>Iserlohn</strong> einen deutsch-niederländischen Kulturkreis. Während des Krieges schrieb er noch<br />
eine Novelle mit dem Titel „Die Orgel von St. Bavo – Mozarts Reise nach Haarlem“, ein<br />
Werk, das immerhin zwei Auflagen erlebte. Carolus Hartmann war eng mit Dr. Gerhard<br />
Groot, dem späteren Stadtdirektor von Soest, befreundet und half ihm beim Aufbau einer<br />
Städtepartnerschaft mit dem holländischen Kampen.<br />
Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde Carolus Hartmann von den US-amerikanischen Truppen<br />
in Kriegsgefangenschaft genommen. Es zog ihn dann wieder in seine Heimatstadt: Am 1. Juli<br />
1947 wurde Hartmann Kultur- und Pressereferent der Stadt <strong>Iserlohn</strong>. Er war beteiligt an der<br />
Neugründung der Volkshochschule und von 1949 bis 1953 deren Leiter.<br />
Er pflegte enge Kontakte zur heimischen Künstlerszene, vor allem zu Wilhelm Wessel,<br />
Irmgard Wessel-Zumloh und Karl Tüttelmann. Er war Mitglied im IBSV und im SGV.<br />
1953 wurde Carolus Hartmann Lektor eines Verlages in Hemer und arbeitete zudem als freier<br />
Journalist. 1957 wurde er Redaktionsleiter der „Westfalenpost“ in Werl. 1967 wurde er zu<br />
seinem eigenen Bedauern pensioniert, doch er betätigte sich bis zu seinem Tod weiterhin<br />
schriftstellerisch. Beispielsweise war er Schriftleiter der Zeitschrift „Danzturm“ in <strong>Iserlohn</strong>. 83<br />
82 Lebenslauf (um 1967) freundlicherweise zur Verfügung gestellt von Carl-Horst Hartmann.<br />
83 Holtmeier, Hermann: Markante Köpfe aus dem Märkischen Kreis. <strong>Iserlohn</strong>, 1997. S. 45/46.<br />
49
1970 zog er mit seiner Frau wieder nach <strong>Iserlohn</strong>. Während dieser Zeit engagierte er sich als<br />
Dozent wieder für die Volkshochschule <strong>Iserlohn</strong>, 1972 beispielsweise hielt er den Vortrag<br />
„Liebes, altes <strong>Iserlohn</strong>“ mit Bildern aus dem Nachlass Hans Niederstein. 84<br />
1985 zog er mit seiner Frau aus gesundheitlichen Gründen nach Mettingen in die<br />
Nachbarschaft des jüngsten Sohnes. Nur vier Monate später, am 19. Juni 1985, verstarb<br />
Carolus Hartmann in Mettingen. Dort liegt er auch begraben, ein Findling auf seinem Grab<br />
trägt das bronzene SGV-Abzeichen.<br />
3.4.7.2. Dr. Gerhard Groot<br />
Dr. Gerhard Klaus Ludwig Groot, <strong>Iserlohn</strong>s Kulturdezernent und damit offizieller Leiter der<br />
Volkshochschule bis 1955, wurde am 12. November 1910 in Düsseldorf geboren. Er<br />
entstammte einer bürgerlichen Familie. Sein Vater war Holländer. Seine Kindheit verbrachte<br />
Gerhard Groot in <strong>Iserlohn</strong>, die Familie wohnte am Schmachtenberg. 1930 beendete er seine<br />
Schullaufbahn am heutigen MGI mit der Oberrealschule.<br />
Gerhard Groot studierte Sozial- und Wirtschaftswissenschaften (Schwerpunkt<br />
Kommunikation) in Köln 85 , erwarb einen Doktortitel. Ab 1934 übte er verschiedene<br />
Tätigkeiten in Hagen, Erfurt, Münster und Berlin aus.<br />
1937 heiratete er die <strong>Iserlohn</strong>erin Gertrud „Trude“ Runkel, das Ehepaar zog nach Berlin. Dort<br />
kamen auch die beiden Kinder zur Welt. Nach Kriegsdienst und Kriegsgefangenschaft zog<br />
Dr. Gerhard Groot mit seiner in Berlin ausgebombten Familie nach <strong>Iserlohn</strong>. 86<br />
In <strong>Iserlohn</strong> war er Beigeordneter für Soziales, dann Kulturdezernent. In dieser Funktion war<br />
er auch offizieller Leiter der Volkshochschule <strong>Iserlohn</strong>.<br />
Seine Tätigkeit konzentrierte sich auch zunehmend auf den VHS-Landesverband NRW,<br />
dessen Vorsitz er innehatte. Er veröffentlichte zahlreiche Schriften und unternahm viele<br />
Reisen mit dem Verband, unter anderem nach Indien und Teheran. Für sein Engagement<br />
wurde ihm 1972 der Ehrenring der Volkshochschule im Westen verliehen.<br />
84 Der Danzturm. Heft 3, September/Oktober 1972.<br />
85 Soester Anzeiger. 15. August 1994.<br />
86 Interview mit Dr. Gerhard Groots Schwiegertochter Marianne Groot am 12. Februar 2008.<br />
50
1955 verabschiedete sich Dr. Groot aus <strong>Iserlohn</strong>, er wurde Stadtdirektor in Soest.<br />
„Er hat <strong>Iserlohn</strong> sehr geliebt, ging auch später, als er schon in Soest wohnte, immer noch zum<br />
IBSV-Schützenfest“, erinnert sich seine Schwiegertochter Marianne Groot. Doch auch in<br />
Soest wurde Dr. Groot schnell heimisch. In seiner Amtszeit konnte die Fußgängerzone gebaut<br />
werden, zudem ein Hallenbad, ein Freibad, die Georg-Dülberg-Halle, das Morgnerhaus, der<br />
Kunstpavillon und die Stadtbücherei. Auch eine Ingenieursschule wurde angesiedelt. Für die<br />
SPD saß er in mehreren Ausschüssen. In seiner 20-jährigen Tätigkeit engagierte er sich vor<br />
allem im kulturellen Bereich. Auch setzte er sich für die Soester Volkshochschule ein. 1981<br />
rief er den Kunstverein Kreis Soest ins Leben. Er gründete auch 1975 die Aktion „Nachbar in<br />
Not“, die Familien in Schwierigkeiten hilft. Daneben war Dr. Groot aber auch im sportlichen<br />
Bereich aktiv, war beispielsweise Vorsitzender des Soester Turnvereins.<br />
1975 wurde Dr. Gerhard Groot pensioniert. Doch auch danach war er sehr aktiv, zuletzt<br />
wurde er 1992 zum Vorsitzenden des Seniorenbeirates gewählt. „Er blieb bis zuletzt ein<br />
kritischer Begleiter der Kommunalpolitik“ 87 .<br />
1991 starb seine Frau, er selbst schloss am 13. August 1994 für immer die Augen.<br />
Dr. Groot wird von Zeitzeugen als eindrucksvoller Mensch beschrieben. Als „sehr tüchtig“<br />
beschreibt ihn Marieluise Spangenberg, als „eindrucksvolle und imposante Persönlichkeit mit<br />
ungeheurer Tatkraft – ein richtiger Macher“ seine Schwiegertochter.<br />
3.4.7.3. Marieluise Spangenberg 88<br />
Eigentlich heißt sie „Marie-Luise“, aber, wie sie selbst sagt: „Marieluise geht schneller“. Die<br />
ehemalige Kulturamtsleiterin der Stadt <strong>Iserlohn</strong> hat einen Sinn fürs Praktische.<br />
1925 wurde sie als Marieluise Groß in <strong>Iserlohn</strong> geboren. Die Vorfahren des Vaters Eugen<br />
stammten aus Hessen, Mutter Hedwig war eine geborene Brünninghaus.<br />
Marieluise Groß besuchte das Gymnasium und die Höhere Handelsschule. Noch in den<br />
1930er Jahren nahm sie gemeinsam mit ihrer Mutter an Kursen der Volkshochschule teil.<br />
„Bei Fliegeralarm liefen wir mit einer Taschenlampe zu den Vorträgen.“<br />
87 Westfalenpost. Lokalteil Soest. 16. August 1994.<br />
88 Die meisten Informationen entstammen einem Interview von Verfasserin mit Marieluise Spangenberg am 5.<br />
Januar 2008 in <strong>Iserlohn</strong>.<br />
51
1948, sie hatte gerade ihre Sprachmittler-Prüfung abgelegt, begann sie, für die Stadt <strong>Iserlohn</strong><br />
als Dolmetscherin zu arbeiten. Sie erwies sich als äußerst hilfreich in der Kommunikation mit<br />
den englischen Besatzern. 1948 heiratete sie, bekam später eine Tochter.<br />
Beruflich schlug Marieluise Spangenberg die Beamtenlaufbahn ein, besuchte zudem die<br />
Verwaltungsakademie. Eine Frau unter all den Männern, denen wollte sie es zeigen: Im Laufe<br />
der nächsten Jahrzehnte brachte sie es von einer Stadtsekretärin bis zur Stadtverwaltungsrätin.<br />
1953 wurde sie Kulturamtsleiterin, im Rahmen dieser Tätigkeit leitete sie von 1953 (offiziell<br />
ab 1955) bis 1966 die Volkshochschule. „Mutter der <strong>Iserlohn</strong>er VHS“ 89 wurde sie genannt.<br />
1987 ging Marieluise Spangenberg in den Ruhestand. Etwa 20 000 unbezahlte Überstunden<br />
hatte sie in 34 Jahren geleistet. 90 Sie hatte dem <strong>Iserlohn</strong>er Kulturleben fürwahr ihren Stempel<br />
aufgedrückt. Es war für sie nicht nur Beruf, sondern Berufung gewesen.<br />
Schon 1983 hatte Marieluise Spangenberg ein Fernstudium in England begonnen. 1993<br />
schloss sie das Geschichts- und Kunststudium mit dem „Bachelor of Arts“ ab 91 . Seitdem<br />
recherchiert die Kunsthistorikerin unermüdlich für verschiedene Bücher. Besonders das<br />
Leben des Meininger Portraitmalers Johann Heinrich Schröder (1757 – 1812) hat es ihr<br />
angetan. Zahlreiche Publikationen hat sie im Laufe der Jahre heraus gebracht, beispielsweise<br />
„Dettmar Basse. Ein Kaufmannsleben zwischen Oder und Ohio“ (2001) und „<strong>Iserlohn</strong>s<br />
biedermeierliches Stadtpanorama - ein Werk des Landschaftsmalers Johann Gustav Lange<br />
(1811 - 1887)“ (2002).<br />
Noch jahrelang leitete Marieluise Spangenberg Studienfahrten oder hielt Vorträge bei der<br />
VHS. Und immer noch besucht die einstige Leiterin der Volkshochschule <strong>Iserlohn</strong> selbst<br />
Kurse, Yoga zum Beispiel. Die drahtige, sportliche Frau ist Ehrenmitglied des Parktheaters,<br />
dessen Geschick sie lange Jahre als Kulturamtsleiterin beeinflusst hatte. Auch als Mitglied der<br />
„Kleinen Kommission Kunst“ der Stadt war sie aktiv. Zudem ist sie Mitglied im<br />
Auswahlverfahren des <strong>Iserlohn</strong>er Kunstpreises und Schriftführerin des Kunstvereins Villa<br />
Wessel. Lesen und Reisen sind weitere Hobbys.<br />
89 Westfalenpost <strong>Iserlohn</strong>. 15. Juli 1964.<br />
90 <strong>Iserlohn</strong>er Kreisanzeiger. 9. August 1995.<br />
91 <strong>Iserlohn</strong>er Kreisanzeiger. 9. August 1995.<br />
52
3.5. 1965 bis 1990: Die Bildungsoffensive<br />
3.5.1. Umbruch Mitte der 1960er Jahre<br />
Der von Georg Picht analysierte „Bildungsnotstand“ (1964) und das von Ralf Dahrendorf<br />
verlangte „Recht auf Bildung“ (1968) waren Schlagwörter Mitte der 1960er Jahre.<br />
Erwachsenenbildung sollte die Antwort darauf sein. Die Volkshochschule war „entsprechend<br />
dem Gutachten des Deutschen Ausschusses für das Erziehungs- und Bildungswesen ,Zur<br />
Situation und Aufgabe der deutschen Erwachsenenbildung’ von 1960 (…) der genuine Ort<br />
einer freien, nicht trägergebundenen Erwachsenenbildung“ 92 . Die Volkshochschulen waren<br />
ausgerichtet auf die Persönlichkeitsbildung der Erwachsenen. Allerdings: Jede VHS hatte ihre<br />
eigene, individuelle Ausrichtung.<br />
Die Ausweitung der Aufgaben der VHS, vor allem der zunehmende Ausbau des Bereichs<br />
Zweiter Bildungsweg 93 , erforderten auch in <strong>Iserlohn</strong> eine Umstrukturierung in der<br />
Leitungsebene.<br />
„<strong>Iserlohn</strong>s Volkshochschule braucht Leiter“ titelte im Juli 1964 eine Zeitung: „Spätestens mit<br />
Beginn der Theatersaison 1964/65 dürften Kulturamtsleiterin Marieluise Spangenberg bei den<br />
vielfältigen zusätzlichen Aktivitäten ihres Amtes die Hände so weit gebunden sein, dass sie<br />
sich nicht mehr in dem notwendigen Umfang um die Volkshochschularbeit kümmern kann.<br />
Mit allem Nachdruck hat das Kuratorium der VHS daher noch einmal die Notwendigkeit<br />
herausgestellt, für das kommende Arbeitsjahr der Volkshochschule die vakante Stelle des<br />
hauptamtlichen Leiters zu besetzen.“ 94 Doch bis es so weit war, sollten noch fast eineinhalb<br />
Jahre vergehen, Marieluise Spangenberg musste sich durchbeißen. Zudem war es damals noch<br />
recht unüblich, dass die Volkshochschulen eigene Leiter hatten: Im Jahr 1962 gab es im<br />
gesamten Regierungsbezirk Arnsberg nur zwei hauptamtliche Mitarbeiter in<br />
Volkshochschulen. 95<br />
Das sollte sich in <strong>Iserlohn</strong> nun 1966 ändern. „Eigentlich war die VHS ja nur ein Teil meines<br />
Aufgabenfeldes. Aber ich war viel abends unterwegs, holte Dozenten vom Bahnhof ab,<br />
92 Jelich, Franz-Josef: Der Wandel der Volkshochschulen und das Weiterbildungsgesetz von 1975 in Nordrhein-<br />
Westfalen. In: n: Ciupke, Paul / Faulenbach, Bernd / Jelich, Franz-Josef/ Reichling, Norbert (Hrsg.):<br />
Erwachsenenbildung und politische Kultur in Nordrhein-Westfalen. Essen, 2003. S. 269.<br />
93 In <strong>Iserlohn</strong> hatte das Wintersemester 1965/66 als Schwerpunkte den Zweiten Bildungsweg. Ab April 1966 gab<br />
es dann ein Seminar zur Erlangung der Bildungsreife: Es wurde dreimal wöchentlich in den Abendstunden<br />
unterrichtet.<br />
94 Westfalenpost. Lokalteil <strong>Iserlohn</strong>. 15. Juli 1964.<br />
95 Reichling, Norbert: Zwischen „freier Bildungsgemeinschaft“ und „allgemeinem Bildungsbedürfnis. In:<br />
Ciupke, Paul / Faulenbach, Bernd / Jelich, Franz-Josef/ Reichling, Norbert (Hrsg.): Erwachsenenbildung und<br />
politische Kultur in Nordrhein-Westfalen. Essen, 2003. S. 137.<br />
53
machte die Einführung bei der Veranstaltung, ging hinterher mit dem Dozenten noch in ein<br />
Lokal und brachte ihn wieder zum Bahnhof. Und am nächsten Morgen musste ich wieder um<br />
8 Uhr im Büro sein“, so Marieluise Spangenberg 96 . Zudem ging die allgemeine Tendenz<br />
dahin, dass die Städte hauptamtliche VHS-Leiter mit entsprechender Ausbildung<br />
beschäftigten. Marieluise Spangenberg suchte deshalb eine neue VHS-Leitung, die Stelle<br />
wurde ausgeschrieben. Bis dahin also war die VHS in Personalunion mit dem Kulturamt<br />
geleitet worden. Nun beschritt die Stadt neue Wege, intensivierte damit auch die VHS-Arbeit.<br />
Ab Januar 1966 gab es mit Ursula Mänz die erste hauptberufliche Leiterin der <strong>Iserlohn</strong>er<br />
Volkshochschule. Die Anforderungen an den Posten hatten sich geändert, Mänz hatte<br />
Germanistik studiert und Erfahrung im Bereich Volkshochschule. Ihre Vorgesetzte war<br />
Marieluise Spangenberg als Kulturamtsleiterin.<br />
Allerdings hatte es vor der Einstellung von Ursula Mänz einen „VHS-Leiter für einen Tag“<br />
gegeben: Horst Siebert. Der Sohn des bekannten Oberamtmanns Heinrich Siebert wurde<br />
1939 in <strong>Iserlohn</strong> geboren, machte sein Abitur am MGI. Als Schüler besuchte er<br />
Volkshochschul-Kurse, unter anderem einen Französisch-Kurs bei Bernhard Betten. Er<br />
studierte dann Philosophie, Literatur und anderes, promovierte und kam durch Dr. Groot, der<br />
mittlerweile ja Vorsitzender des Landesverbandes der Volkshochschulen war, auf die Idee, in<br />
der Erwachsenenbildung tätig zu werden. Beim Landesverband in Dortmund wurde er<br />
Assistent, dort arbeitete er mit Ursula Mänz zusammen. Dann wurde die Stelle eines<br />
hauptamtlichen Leiters der <strong>Iserlohn</strong>er Volkshochschule ausgeschrieben. Dr. Horst Siebert<br />
bewarb sich und bekam die Stelle. Allerdings kam gleichzeitig das Angebot für eine erstmalig<br />
eingerichtete Assistentenstelle beim Institut für Erwachsenenbildung an der Ruhr-Uni<br />
Bochum. Siebert, erst 26 Jahre alt, befand sich in einer Zwickmühle. „Ich dachte mir, ich<br />
wäre noch etwas jung für eine VHS-Leiter-Stelle und könnte mich an der Universität selber<br />
noch etwas weiterbilden.“ 97 Mittlerweile hatten die <strong>Iserlohn</strong>er Zeitungen angekündigt, dass<br />
der in der Stadt nicht unbekannte Siebert neuer VHS-Leiter würde – und dieser sagte ab. Statt<br />
seiner bekam Ursula Mänz die Stelle. Dr. Siebert habilitierte später, bekam 1970 den ersten<br />
Lehrstuhl für Erwachsenenbildung in Deutschland – der allererste Professor in diesem<br />
Bereich in der Republik.<br />
Noch im Jahr 1966 wurden in dem Papier „Die Stellung der Volkshochschule im<br />
Bildungssystem“ vom Deutschen Volkshochschulverband die VHS als zuständig für drei<br />
96 Interview von Verfasserin mit Marieluise Spangenberg am 5. Januar 2008 in <strong>Iserlohn</strong>.<br />
97 Interview von Verfasserin mit Prof. Dr. Horst Siebert am 24. August 2009.<br />
54
Aufgaben erachtet: „Sie kann Hilfe leisten für das Leben, sie kann Hilfe leisten für die<br />
Orientierung und Urteilsbildung und sie kann Hilfe leisten für die Eigentätigkeit.“ 98 Dies<br />
wurde versucht, vor Ort umzusetzen. Das war allerdings nicht immer leicht, betrug doch das<br />
Verhältnis von nebenberuflichen zu hauptamtlichen Mitarbeitern in NRW 88 Prozent zu<br />
zwölf Prozent. 99 Bald gab es zudem eine neue Ausrichtung, besonders die großstädtischen<br />
Volkshochschulen strukturierten Angebote immer mehr wissenschaftlich. Diese Entwicklung<br />
spiegelt sich auch im Programm der VHS, die aber weiterhin Angebote für einen breiten<br />
Interessentenkreis aufwies.<br />
So standen im Herbst 1966/67 einerseits öffentliche Vorträge über Berthold Brecht, Hans<br />
Magnus Enzensberger und Ingeborg Bachmann ebenso im Programmheft wie Studienfahrten<br />
nach Berlin und Bochum, ein Jazz-Seminar oder ein französischer Gesprächskreis. Und<br />
Studienassessor Tölle führte Elektroversuche durch. Rektor Karl Gossner und Ulrich Fust<br />
führten Altenrunden durch, Jugendleiterin Else Mähler bastelte mit Kindern, Olga Spresny bot<br />
Korbflechten an und Lore Neumann eine Einführung in keramische Arbeiten.<br />
Ende der 1960er Jahre gründete sich auch ein Malclub unter der Leitung von Oskar Escherich.<br />
Eberhard Köpke hatte Fritz Kühn auf die Bilder von Escherich aufmerksam gemacht,<br />
irgendwie wurde ein VHS-Kurs daraus. Zunächst traf man sich in einem später abgerissenen<br />
Teil des Maste’schen Fabrikenhauses am heutigen Fritz-Kühn-Platz, dann in einem<br />
Kellerraum des Lebensmittelgeschäfts Bommers an der Oststraße und schließlich in einem<br />
Haus am Hohler Weg. Etwa 15 bis 20 Teilnehmer gab es meistens, der Kurs lief jahrlang. Sie<br />
alle trugen selbst genähte blaue Kittel, die sie unter der Anleitung der Schneiderin Lissie<br />
Hatting hergestellt hatten 100 . Einmal stellten die Teilnehmer ihre Werke auf der Wermingser<br />
Straße aus, 1978 im Haus der VHS. „Die ausstellenden <strong>Iserlohn</strong>er sind ausschließlich Hobby-<br />
Maler und haben die Grundkenntnisse für ihre Arbeiten im Kursus ,Malen’ bei Oskar<br />
Escherich erworben“ 101 . Offiziell hieß der der Kurs „Malen nach Feierabend“ 102 . Der Club<br />
bestand bis zu Escherichs Tod im Jahr 1998. 103<br />
98<br />
Jelich, Franz-Josef: Der Wandel der Volkshochschulen und das Weiterbildungsgesetz von 1975 in Nordrhein-<br />
Westfalen. In: Ciupke, Paul / Faulenbach, Bernd / Jelich, Franz-Josef/ Reichling, Norbert (Hrsg.):<br />
Erwachsenenbildung und politische Kultur in Nordrhein-Westfalen. Essen, 2003. S. 269/270.<br />
99<br />
Jelich, Franz-Josef: Der Wandel der Volkshochschulen und das Weiterbildungsgesetz von 1975 in Nordrhein-<br />
Westfalen. In: Ciupke, Paul / Faulenbach, Bernd / Jelich, Franz-Josef/ Reichling, Norbert (Hrsg.):<br />
Erwachsenenbildung und politische Kultur in Nordrhein-Westfalen. Essen, 2003. S. 271.<br />
100<br />
Interview von Verfasserin mit Kursteilnehmerin Gretel Köpke am 6. Juli 2009.<br />
101<br />
<strong>Iserlohn</strong>er Kreisanzeiger. 1. Dezember 1978.<br />
102<br />
<strong>Iserlohn</strong>er Kreisanzeiger. 7. November 1978.<br />
103<br />
Interview von Verfasserin mit Kursteilnehmerin Gretel Köpke am 6. Juli 2009.<br />
55
1967 wurden bei der VHS <strong>Iserlohn</strong> Arbeitsgemeinschaften etwa zu den Themen<br />
„Kulturpolitik in der DDR“, „Journalismus und Satire“ und „Nervosität und<br />
Kindheitsentwicklung in ihrem Zusammenhang“ angeboten. Im Sommertrimester analysierte<br />
Klaus Wiedemann die Wahlerfolge der NPD, im Frühjahr 1968 sprach Studienassessor Dr.<br />
Arno Herzig über „Bonner Republik: Scheitern der Demokratie?“ Die VHS öffnete sich in<br />
viele Richtungen, Fremdsprachen, Politik und Literatur waren sehr beliebt. Eifrig diskutiert<br />
wurde im Herbst das Buch „Irrlicht und Feuer“, das Autor Max von der Grün im Haus der<br />
Heimat vortrug.<br />
Die „68er“ hatten zunächst in <strong>Iserlohn</strong> wenig Einfluss auf die Volkshochschule. Von den<br />
„Umbruchzeiten nach 1968“ spricht zwar der spätere VHS-Verwaltungsleiter Peter<br />
Bachmann, die Auswirkungen habe man aber vor allem erst in den 1970er Jahren gespürt.<br />
Doch wie sah die langsame, aber doch deutliche Entwicklung in <strong>Iserlohn</strong>, weit ab von den<br />
Universitäten, aus? Inhaltlich wurden andere Schwerpunkte gesetzt, formell wurde die VHS<br />
strukturierter, die Programme wirkten durchdachter, waren umfangreicher.<br />
3.5.2. Der neue Schwerpunkt Zweiter Bildungsweg<br />
1968 begann Ursula Mänz damit, neben einem Seminar zur Erlangung der Bildungsreife auch<br />
Kurse „zur Vorbereitung auf den Volksschulabschluss, die Übernahme in das dritte Semester<br />
der Abendrealschule und die Aufnahmeprüfung zur Päd. Hochschule anzubieten. (…) Mit<br />
dieser Arbeit wurde jener Weg eingeschlagen, der nach Meinung der Planungskommission<br />
des Landes Nordrhein-Westfalen unter dem Motto steht ,Bildung ist Voraussetzung für<br />
Produktivität, für demokratische Gesellschaftsordnung. Sie ist Chance zur individuellen<br />
Selbstverwirklichung.“ 104 Um diesen hohen Anspruch verwirklichen zu können, mussten in<br />
<strong>Iserlohn</strong> die personellen und räumlichen Kapazitäten erweitert werden.<br />
Im Juli 1970 wies Ursula Mänz den Kulturausschuss noch einmal auf die Raumnot der<br />
Volkshochschule hin. Man beauftragte die Verwaltung, Schulräume zur Verfügung zu<br />
stellen. Zudem erklärte Ursula Mänz, dass das Land NRW 40 Prozent der Kosten für einen<br />
pädagogischen Assistenten trage, während der Landesverband der VHS für die Dauer von<br />
zwei Jahren außerdem einen Gehaltsanteil von 50 Prozent übernehme. Man beschloss<br />
104 Spangenberg, Marie-Luise: Die Abendvolkshochschulen im Raum <strong>Iserlohn</strong>. In: Der Märker, 1/1974. S. 41 bis<br />
44. S. 42.<br />
56
daraufhin einstimmig, im Stellenplan für das Jahr 1971 eine Stelle für einen hauptamtlichen<br />
pädagogischen Assistenten einzurichten. 105<br />
Ende des Jahres 1970 verabschiedete sich VHS-Leiterin Ursula Mänz aus ihrem Amt. Sie<br />
hatte es nicht leicht gehabt, Geld- und Raumnot waren prägend für ihre Amtszeit. Sie bekam<br />
auch häufiger Druck aus der Verwaltung, wie eine überlieferte Anekdote zeigt: „Es gab mal<br />
einen Vermerk, der ungefähr so lautete: Frau Mänz, ich habe gestern um 20 Uhr in Ihrem<br />
Büro noch Licht gesehen. Können Sie Ihre Arbeit nicht tagsüber erledigen?“ 106 Dass eine<br />
VHS-Leiterin besonders abends arbeiten muss, Veranstaltungen und Dozenten zu betreuen<br />
hat, das wollte dem <strong>Iserlohn</strong>er Amtsschimmel wohl nicht in den Kopf.<br />
3.5.3. Umbruch und Neuerung in den 1970er Jahren<br />
3.5.3.1. Die schwierige Startphase<br />
Man suchte nun einen neuen VHS-Leiter. Der Kulturausschuss beschäftigte sich zuerst im<br />
November 1970 mit dem Problem. Man bot einem Bewerber die Stelle an, doch dieser wollte<br />
nur annehmen, wenn die Stelle in eine Beamtenstelle umgewandelt würde, was abgelehnt<br />
wurde.<br />
Im März 1971 beriet man erneut und beschloss, dass sich eine „kleine Kommission“,<br />
bestehend aus Renate Brunswicker, Gunther Kingreen und Annemarie Tzschachmann, mit der<br />
Auswahl der Bewerber beschäftigen würde. 107 Ein Bewerber wurde ausgesucht, dieser sagte<br />
zunächst zu, bekam dann jedoch eine andere Stelle und sagte einen Tag später wieder ab. Bei<br />
der Kulturausschuss-Sitzung im April 1971 beschloss man dann, Horst Piltz als Leiter der<br />
VHS einzustellen, der Personalausschuss stimmte zu. 108<br />
Am 1. Juni 1971 begann Horst Piltz seinen Dienst als Volkshochschulleiter in <strong>Iserlohn</strong> – es<br />
sollten daraus 32 Jahre werden, in denen Horst Piltz der VHS als Leiter vorstand. Piltz und<br />
VHS, das waren in <strong>Iserlohn</strong> Synonyme. Der Mann gab der etwas angestaubten Einrichtung<br />
ein modernes Gesicht.<br />
105 Niederschrift über die Sitzung des Kulturausschusses am 8. Juli 1970. S. 2 und 3. Stadtarchiv <strong>Iserlohn</strong>.<br />
106 Interview von Verfasserin mit Peter Bachmann am 2. August 2008 in <strong>Iserlohn</strong>.<br />
107 Niederschrift über die Sitzung des Kulturausschusses am 9. März 1971. S. 1. Stadtarchiv <strong>Iserlohn</strong>.<br />
108 Niederschrift über die Sitzung des Kulturausschusses am 26. April 1971. S. 2. Stadtarchiv <strong>Iserlohn</strong>.<br />
57
Ursula Mänz hatte ein ausbaufähiges VHS-System in <strong>Iserlohn</strong> hinterlassen. 1970 hatten 2114<br />
Personen die VHS-Möglichkeiten in <strong>Iserlohn</strong> als Teilnehmende genutzt, 2400<br />
Unterrichtsstunden waren durchgeführt worden, man beschäftigte 30 nebenberufliche<br />
Dozenten. Horst Piltz war jung, engagiert und ehrgeizig, er machte sich sofort daran, die<br />
Volkshochschule in <strong>Iserlohn</strong> weiter auszubauen.<br />
Mit Horst Piltz kam Bewegung in die VHS. Die Arbeit wurde intensiviert und das VHS-<br />
Studienjahr wieder eingeführt. Inhaltlich wurden die Kurse im Zusammenhang und in<br />
Fortsetzung des Lernens in der Schule und der Berufsschule angesehen. 109<br />
7500 Programme druckte man für das Studienjahr 1971/72 – die Nachfrage war so groß, dass<br />
bereits nach kurzer Zeit die Hefte vergriffen waren. Für das kommende Jahr plante man daher<br />
den Druck von 10 000 Exemplaren. 110 . Horst Piltz sah sich einer ausgesprochen lernwilligen<br />
Bevölkerung gegenüber. Besonderen Anklang fanden Sportkurse, Arbeitskreise und<br />
Sprachkurse. Generell ging der Trend vom Vortrag zum Kurs, man wolle eher aktiver<br />
Teilnehmer als nur Zuhörer sein. 111<br />
Nur wenige Wochen nach Piltz hatte Irene Mesmann ihre Arbeit als Verwaltungsangestellte<br />
begonnen, einige Monate später stieß Günter Pfeifer als Geschäftsführer hinzu.<br />
„Wir saßen zu dritt in der Dreimannstraße“, erinnert sich Irene Mesmann. 112 Die Räume in<br />
der Dreimannstraße 2 waren hinter dem Alten Rathaus in einem kleinen Gebäude zu<br />
finden. 113 Publikumsverkehr gab es dort nicht, die Anmeldungen wurden von<br />
Kulturamtsmitarbeiter Wilhelm Buse im Kulturamt entgegen genommen, das nur wenig<br />
entfernt in einem alten Haus neben dem Alten Rathaus untergebracht war. Beide Häuser gibt<br />
es heute nicht mehr, dort steht nun ein großes Bekleidungskaufhaus. Die VHS hatte zwei<br />
Büros im Erdgeschoss. „Das waren Inseln der Ruhe im Chaos. Es kamen eigentlich nur<br />
gelegentlich Dozenten wegen ihrer Abrechnungen vorbei“, so Mesmann. Sie hatte das Büro<br />
vorne, Piltz und Pfeifer belegten das hintere.<br />
Horst Piltz gestaltete das Programm selbst, lief dann durch die Stadt, um passende Räume zu<br />
suchen. Irene Mesmann tippte das Programm auf ihrer Schreibmaschine und gab es zum<br />
109<br />
Spangenberg, Marie-Luise: Die Abendvolkshochschulen im Raum <strong>Iserlohn</strong>. In: Der Märker, 1/1974. S. 41 bis<br />
44. S. 42.<br />
110<br />
<strong>Iserlohn</strong>er Kreisanzeiger. 26. April 1972.<br />
111<br />
<strong>Iserlohn</strong>er Kreisanzeiger. 26. April 1972.<br />
112<br />
Interview von Verfasserin mit Irene Mesmann am 2. Juni 2009 in <strong>Iserlohn</strong>.<br />
113<br />
Die Straße und das Haus gibt es nicht mehr. Dort steht heute ein großes Bekleidungskaufhaus.<br />
58
Drucker. Schreibmaschinen blieben lange die Hauptwerkzeuge in den VHS-Büros, Computer<br />
hielten viele Jahre später Einzug. „Horst Piltz sagte oft, er bräuchte für die VHS-Arbeit nicht<br />
mehr als eine Apfelsinenkiste für seine Unterlagen und ein Telefon“ erzählt Irene<br />
Mesmann. 114 Zwar konnte Horst Piltz nur mit zwei Fingern tippen – dafür aber rasend schnell.<br />
Eine technische Neuerung aber begeistere Piltz: der Fotokopierer. „Das war das Tollste für<br />
ihn“, so Bodo Mebes. 115 Piltz kopierte vor allem die Handzettel, auf denen Reklame für die<br />
VHS-Veranstaltungen gemacht wurde. Auf dem Nachhauseweg lief er dann durch die Stadt,<br />
stets bewaffnet mit Tesafilm, und klebte die Handzettel oder auch größere Plakate an<br />
Hauswände oder Schaufenster.<br />
1971/72 startete die VHS auch einige „Versuchsballons“, beispielsweise ein Musik-Seminar<br />
(Free-Jazz, Strawinsky, Stockhausen), ein Rechtsseminar, einen Theaterkreis und mehr. Die<br />
preisgünstigste Studienfahrt (490 DM) führte nach Sardinien. Zudem plante Piltz<br />
Informationsabende für ausländische Mitbürger, speziell für so genannte Gastarbeiter. 116<br />
Für das Studienjahr 1972/73 plante Piltz eine Intensivierung des Programms. Er wollte etwa<br />
zu Sprachkursen passende landeskundliche Seminare anbieten, ebenso standen<br />
Konversationskurse auf seinem Plan. Zudem arbeitete er an einem Ausbau des<br />
weiterführenden Bildungsweges.<br />
Dabei sah es in der Verwaltung der VHS im Jahr 1972 eher finster aus: „Die Volkshochschule<br />
ist nicht gerade überreichlich mit Geldmitteln und einfachsten technischem Material versorgt.<br />
(So malte VHS-Leiter Horst Piltz eigenhändig und mit Hilfe eines einzigen dicken Filzstiftes<br />
Plakate für einzelne Veranstaltungen. Es gibt nur ein einziges ältliches Filmvorführgerät; von<br />
einer Leinwand ganz zu schweigen.)“ 117<br />
Da kam der junge, dynamische neue Geschäftsführer, der 31-jährige Günter Pfeifer aus<br />
Berlin, gerade richtig. „Was die technische Ausstattung angeht, so meint Pfeifer, fange er bei<br />
der Stunde Null an. Sämtliche Daten der VHS sollen in Zukunft genau statistisch erfasst<br />
werden, damit die Programmplanung noch besser und zielgerichteter gestaltet werden kann.<br />
Auch im Bezug auf die Werbung hat sich Pfeifer einiges vorgenommen. Er will die Werbung<br />
möglichst ohne viel Kosten intensivieren. (...) Durch seinen Geschäftsführer wird VHS-Leiter<br />
114 Interview von Verfasserin mit Irene Mesmann am 2. Juni 2009 in <strong>Iserlohn</strong>.<br />
115 Interview von Verfasserin mit Bodo Mebes am 2. Juni 2009 in <strong>Iserlohn</strong>.<br />
116 <strong>Iserlohn</strong>er Kreisanzeiger. 26. August 1971.<br />
117 IKZ-Redakteurin Gabriele Schulz im <strong>Iserlohn</strong>er Kreisanzeiger, 30. August 1972.<br />
59
Horst Piltz von Verwaltungsaufgaben wesentlich entlastet, so dass er sich wieder mehr der<br />
Pädagogik und dem Unterricht in seinen Fächern Kunstgeschichte, Geografie und Literatur<br />
widmen kann.“ 118 Doch Günter Pfeifer blieb nur wenige Monate.<br />
1973 war man nach wie vor untergebracht in zwei Büros in der Dreimannstraße. Das VHS-<br />
Team bestand aus Horst Piltz, dem neuen Verwaltungsleiter Peter Bachmann und<br />
Verwaltungskraft Irene Mesmann. „Wir waren ein tolles Team“, so Peter Bachmann, Jeder<br />
machte alles, wenn das Telefon schellte, ging dran, wer gerade Zeit hatte. „Es war viel Arbeit,<br />
wir rotierten, um alles hinter die Reihe zu bekommen“, erinnert sich Bachmann 119 . Trotzdem<br />
gab es eine strenge Verwaltungshierarchie. Direkte Chefin des Teams war Kulturamtsleiterin<br />
Marieluise Spangenberg, deren Vorgesetzter wiederum Kulturdezernent Schaus.<br />
1974 zog die VHS <strong>Iserlohn</strong> um: Die Geschäftsstelle war nun nicht mehr im Haus an der<br />
Dreimannstraße 2 zu finden, sondern im neuen Rathaus am Schillerplatz. Die Verwaltung der<br />
VHS war im Erdgeschoss an einem Seiteneingang untergebracht. Durch eine Drehtür kam<br />
man hinein. Dort waren gleich mehrere Bereiche des Kulturbüros untergebracht, für die VHS,<br />
das Parktheater oder die Musikschule zuständige Mitarbeiter arbeiteten in denselben Räumen.<br />
In einem großen Raum saßen Irene Mesmann und eine Kollegin vom Kulturbüro. Beide<br />
nahmen Anmeldungen für die VHS und das Parktheater entgegen. Peter Bachmann und zwei<br />
andere Kulturbüro-Mitarbeiter (sowie ab 1975 Gertrud Müller) saßen in einem anderen Raum.<br />
Direkt neben der Drehtür hatte Horst Piltz ein kleines Büro. „Er sagte immer, dies sei seine<br />
,Pförtnerloge’“, erinnert sich Irene Mesmann. 120 Sie hatte im Rathaus nun endlich<br />
Publikumsverkehr, stand im direkten Kontakt zu den VHS-Kursteilnehmenden.<br />
Die VHS beschritt neue Wege, arbeitete mit zahlreichen Partnern zusammen – oft natürlich<br />
auch zur besseren Kostendeckung.<br />
Im März 1972 beispielsweise organisierte die VHS eine berufsbezogene Studienfahrt für<br />
junge Krankenpflege-Schülerinnen nach Dänemark, damit man sich vor Ort über die soziale<br />
Situation Dänemarks besonders auf den Gebieten der Kindergartenbetreuung, Anstaltshygiene<br />
sowie der Kranken- und Altenpflege informieren konnte. 37 Angehörige der Krankenpflege-<br />
118 <strong>Iserlohn</strong>er Kreisanzeiger, 30. August 1972.<br />
119 Interview von Verfasserin mit Peter Bachmann am 2. August 2008 in <strong>Iserlohn</strong>.<br />
120 Interview von Verfasserin mit Irene Mesmann am 2. Juni 2009 in <strong>Iserlohn</strong>.<br />
60
und Kinderkrankenpflegeschule nahmen teil, die Fahrt organisierten die VHS und das<br />
„Dänische Institut für Information über Dänemark und kulturellen Austausch“. 121<br />
Andere Bildungseinrichtungen wurden nicht als Konkurrenten, sondern als<br />
Kooperationspartner angesehen. „Kooperation ist ganz wichtig“, so Piltz 122 . In der VHS lagen<br />
schon damals beispielsweise auch Programmhefte anderer Anbieter aus, die <strong>Iserlohn</strong>er<br />
wussten dieses breite Informationsangebot zu schätzen. Und nicht nur Kooperation, sondern<br />
auch Koordination wurde betrieben: „Es wäre doch beispielsweise Blödsinn gewesen, wenn<br />
die VHS Schwangerschaftsgymnastik-Kurse angeboten hätte, wo es doch zwei<br />
Familienbildungsstätten vor Ort gab, die sich des Themas bereits angenommen haben.“ 123<br />
1973 wurde landesweit ein Gutachten „Volkshochschule“ der Kommunalen<br />
Gemeinschaftsstelle für Verwaltungsvereinfachung veröffentlicht, dass einen Aus- und<br />
Aufbau der Volkshochschulen empfahl.<br />
4.5.3.2. Herausforderungen und Probleme durch das Weiterbildungsgesetz<br />
Von zentraler Bedeutung für die VHS in den 1970er Jahren war das Weiterbildungsgesetz.<br />
Am 31. Juli 1974 beschloss das Land Nordrhein-Westfalen das erste Gesetz zur Ordnung und<br />
Förderung der Weiterbildung. Am 1. Januar 1975 trat das so genannte Weiterbildungsgesetz<br />
in Kraft. Es hatte sowohl inhaltliche Veränderungen als auch Veränderungen in den<br />
Strukturen der Volkshochschulen zur Folge.<br />
Demnach musste die Arbeit einer kommunalen Bildungseinrichtung nach Fachbereichen mit<br />
entsprechenden Fächern gegliedert sein. In den folgenden Jahren entwickelten sich folgende<br />
Elemente im Fachbereich Geisteswissenschaften: Soziologie, Pädagogik, Psychologie,<br />
Religion, Anthropologie, Philosophie, Kunstgeschichte, Literatur, Musikgeschichte,<br />
Archäologie, Geographie, Heimatkunde, Auslandskunde und Völkerkunde. Es gibt zudem<br />
den Fachbereich Kreativität. Das Gesetz besagte ferner, dass jeweils ein Weiterbildungsplan<br />
aufgestellt werden soll, der mittel- und langfristig die Versorgung der Bevölkerung mit<br />
Bildung sichert.<br />
121 <strong>Iserlohn</strong>er Kreisanzeiger. 16. März 1972.<br />
122 Interview von Verfasserin mit Horst Piltz am 20. Februar 2009.<br />
123 Interview von Verfasserin mit Horst Piltz am 20. Februar 2009.<br />
61
Um diesem Anspruch genüge zu tun, musste ein Strukturplan zur Weiterbildung mit<br />
Planungsdaten für Personal, Räume, Sachausstattung und Maßnahmen für den Aufbau des<br />
öffentlichen Weiterbildungssystems erarbeitet werden.<br />
Das <strong>Iserlohn</strong>er VHS-Programm wurde von 240 auf rund 300 Veranstaltungen erweitert.<br />
Schwerpunkt waren wie schon zuvor die Sprachkurse. „Erstmals wird dabei jetzt die<br />
Vorbereitung auf das Englisch-Zertifikat angeboten.“ 124 Auch die Erlangung von<br />
Bildungsabschlüssen stand wieder im Vordergrund. „Im Herbst dieses Jahres wird zum<br />
letzten Mal die Prüfung für den Volksschulabschluss abgenommen. Danach gibt es nur noch<br />
Kurse, die zum – schwierigeren – Hauptschulabschluss führen.“ 125<br />
Zu den wesentlich lokal bedingten Strukturveränderungen gehörte auch der Zusammenschluss<br />
der beiden Volkshochschulen <strong>Iserlohn</strong> und Letmathe zur neuen Volkshochschule <strong>Iserlohn</strong> im<br />
Zuge der Kommunalen Neuordnung 1975. In Letmathe hatte eine eigene Volkshochschule<br />
seit 1955 existiert (siehe Chronik „50 Jahre VHS Letmathe:<br />
http://www.iserlohn.de/Kultur/Volkshochschule/VHS-Jubi_LetmatheNEU.pdf) Der<br />
ehrenamtliche Letmather VHS-Leiter Kurt E. Becker trat nun in den Hintergrund, half zwar<br />
noch tatkräftig mit, aber Horst Piltz war nun der hauptberufliche Leiter der neuen<br />
Volkshochschule <strong>Iserlohn</strong>. Beide waren sich darin einig, dass die bisherigen<br />
Teilnehmerzahlen unbedingt gehalten werden müssten. „Dies bedeutete zwar eine zentrale<br />
VHS-Geschäftsstelle, aber auch die Bereitschaft zur stadtteilorientierten, dezentralen<br />
Volkshochschularbeit. Das Ergebnis aller Bemühungen wurde dann in einer äußerst positiven<br />
Bilanz für 1975 sichtbar: Die Zahl der VHS-Teilnehmer stieg von 4504 auf 11 091. 126 Eine<br />
Rekordmarke wurde auch bei der Zahl der durchgeführten Unterrichtsstunden erreicht. Es<br />
wurden 9600 Unterrichtsstunden gegenüber 5528 im Jahr 1974 durchgeführt.“ 127 Das<br />
Programm erschien in einer Auflage von 10 000 Exemplaren. Insgesamt wurden 17 Seminare,<br />
21 Vorträge und Vortragsreihen, sechs weiterführende Bildungswege, 82 Arbeitskreise, 135<br />
Sprachkurse, 43 Veranstaltungen im Bereich Altenbildung, 33 Veranstaltungen im Bereich<br />
Sport- und Gesundheitsvorsorge sowie 23 Studienfahrten, Studienreisen, Führungen und<br />
Besichtigungen angeboten.<br />
124 <strong>Iserlohn</strong>er Kreisanzeiger. 17. Mai 1974.<br />
125 <strong>Iserlohn</strong>er Kreisanzeiger. 17. Mai 1974.<br />
126 Die VHS Letmathe hatte etwa 3000 Hörer mitgebracht.<br />
127 Stadt <strong>Iserlohn</strong> Verwaltungsbericht 1975. Bestand S3. Stadtarchiv <strong>Iserlohn</strong>. Die Zahl der Dozenten stieg von<br />
91 auf 120.<br />
62
Der Zusammenschluss von zwei selbständigen Volkshochschulen wurde Ende des Jahres<br />
1976 als sehr erfolgreich bewertet. 128 Allerdings wurde aus Sparsamkeitsgründen das<br />
Unterrichtsvolumen etwas reduziert, und zwar von 9600 auf 8861 Stunden. Trotzdem stieg<br />
die Teilnehmerzahl auf 11 326 – ein Rekord jagte bei der VHS <strong>Iserlohn</strong> zu der Zeit den<br />
nächsten.<br />
3.5.3.3. Der Streit um die Erweiterung der personellen Anforderungen<br />
In seiner Sitzung vom 8. Oktober 1975 empfahl der Kulturausschuss der Stadt <strong>Iserlohn</strong>, „zwei<br />
Stellen für hauptberufliche pädagogische Mitarbeiter der VHS im Stellenplan vorzusehen, um<br />
die nach dem Weiterbildungsgesetz vom 1.7.1974 notwendige personelle Grundausstattung<br />
anzustreben“ 129 .<br />
Im November 1975 referierte Horst Piltz auch über das pädagogische Konzept der VHS. „Die<br />
VHS werde eine Verbesserung der Qualität anstreben, die Hand in Hand gehen müsse mit<br />
dem Prozess der Professionalisierung. Der Arbeitsplan der VHS werde auch weiterhin eine<br />
starke Differenzierung aufweisen. (…) Ein wichtiges Kapitel sei die pädagogische Betreuung<br />
der Weiterbildner, die nur mit Hilfe hauptamtlicher Kräfte vorgenommen werden könne. Aus<br />
der Tatsache, dass die VHS eine Einrichtung mit Marktcharakter sei, ergebe sich die<br />
Notwendigkeit, sich schnell an aktuelle Bedürfnisse anzupassen.“ 130<br />
1976 wurde der personelle Engpass bei der VHS (es gab nach wie vor nur einen<br />
hauptamtlichen pädagogischen Mitarbeiter und drei Verwaltungskräfte) sehr deutlich. Die<br />
Nichtbesetzung der beiden geforderten Stellen lag darin begründet, dass der Kulturausschuss<br />
zwar prinzipiell an dem Beschluss von 1975 festhielt, wonach zwei hauptamtliche Mitarbeiter<br />
eingestellt werden sollten, im Stellenplan der Stadt <strong>Iserlohn</strong> für 1976 aber keine<br />
Neueinstellungen in dem Bereich vorgesehen waren. Das Land habe sich zwar per Gesetz<br />
bereit erklärt, für die Einstellung eines hauptamtlichen Mitarbeiters jährlich 50 000 Mark zur<br />
Verfügung zu stellen, doch gebe es keine Garantie für eine andauernde Zahlung. „VHS-Leiter<br />
Piltz wies darauf hin, dass eine Belastung wie zur Zeit für ihn auf Dauer nicht tragbar sei und<br />
,Raubbau an meinem Körper’ darstelle. Falls er keine pädagogischen Mitarbeiter bekomme,<br />
werde das Programm im nächsten Jahr drastisch reduziert werden müssen.“ 131 Dies hatte<br />
128 Verwaltungsbericht der Stadt <strong>Iserlohn</strong>. 1976/77. Stadtarchiv <strong>Iserlohn</strong>. Bestand S3.<br />
129 Niederschrift über die Sitzung des Kulturausschusses am 8. Oktober 1975. S. 6. Stadtarchiv <strong>Iserlohn</strong>.<br />
130 Niederschrift über die Sitzung des Kulturausschusses am 5. November 1975. S. 2. Stadtarchiv <strong>Iserlohn</strong>.<br />
131 <strong>Iserlohn</strong>er Kreisanzeiger. 20. Juli 1976.<br />
63
Horst Piltz auch gegenüber dem Kulturausschuss erklärt, als er darauf angesprochen wurde,<br />
ob das Programm schon 1976/77 um 75 Prozent gekürzt werden solle. Die Ratsmitglieder<br />
Reime und Seltmann wiesen darauf hin, dass Horst Piltz vorbildliche VHS-Arbeit leistete. 132<br />
Es gab heftige Diskussionen die VHS betreffend im Kulturausschuss. Horst Piltz hatte in<br />
einem Presseartikel erneut auf die Personalproblematik hingewiesen. Diskutiert wurde nun,<br />
ob eine Kürzung des Programms zu erwarten sei. Man einigte sich schließlich darauf, zum<br />
einen den Mitgliedern des Kulturausschusses eine Kopie des Weiterbildungsgesetzes<br />
zukommen zu lassen und zum anderen möglichst bald die Personalsituation ausführlich zu<br />
diskutieren.<br />
Erst Ende 1976 wurden die Stellen für zwei hauptberufliche pädagogische Mitarbeiter für die<br />
Fachbereiche Sprachen / Schulabschlüsse und Kreativität / Sport / Hauswirtschaft /<br />
Gesundheitsfragen endlich ausgeschrieben. Doch so schnell konnten die Stellen nicht besetzt<br />
werden – im Innenteil des VHS-Programmheftes standen deshalb erst einmal die Platzhalter<br />
„N.N“ an deren Stellen. Die Ausschreibung der Stellen war aus Kostengründen umstritten,<br />
wurde regelrecht öffentlich diskutiert.<br />
Im September 1977 beschäftigte sich der Kulturausschuss erneut ausführlich mit der<br />
Stellenausschreibung der VHS. Diese war problematisch geworden, da ein Bewerber 14 Tage<br />
vor Dienstantritt abgesagt hatte. Es wurde eine kleine Kommission gebildet, die sich mit der<br />
Bewerbung beschäftigen sollte, die Stelle eines pädagogischen Mitarbeiters für den<br />
Fachbereich kreatives Gestalten wurde sofort neu ausgeschrieben. 133 Da es zu diesem<br />
Zeitpunkt in der <strong>Iserlohn</strong>er VHS noch keinen Fachbereichsleiter für Schulabschlüsse gab,<br />
übernahm der Letmather Hauptschul-Konrektor Wolfgang Reichelt die Aufgabe eines<br />
Studienleiters für den Lehrgang.<br />
1978 wurden dann endlich Susanne Gerstenberg und Thomas Meyer als hauptamtliche<br />
pädagogische Mitarbeiter der Volkshochschule <strong>Iserlohn</strong> eingestellt. Susanne Gerstenberg<br />
wurde Fachbereichsleiterin für die Bereiche Sprachen und Schulabschlüsse, Thomas Meyer<br />
für Kreatives Gestalten, Sport und Gesundheitsfragen. Eine dritte Planstelle für einen<br />
pädagogischen Mitarbeiter wurde geschaffen und sollte bald besetzt werden.<br />
132 Niederschrift über die Sitzung des Kulturausschusses am 14. Juli 1976. S. 2. Stadtarchiv <strong>Iserlohn</strong>.<br />
133 Niederschrift über die Sitzung des Kulturausschusses am 20. September 1977. S. 2 und 3. Stadtarchiv<br />
<strong>Iserlohn</strong>.<br />
64
Der Kulturausschuss legte bei den folgenden Sitzungen Wert darauf, dass nicht nur der VHS-<br />
Leiter aus seiner Arbeit berichtete, sondern auch die Fachbereichsleiter. „Wenn wir alle<br />
zusammen zu den Sitzungen gingen, überquerten wir auch den Rathausplatz. Dann hörten wir<br />
oft Leute sagen: ,Guck mal, da kommt die teure Riege“, erinnert sich Horst Piltz. 134<br />
1978 stieg auch die Zahl der nebenberuflichen VHS-Mitarbeiter, weshalb das VHS-Team am<br />
24. Juni 1978 ein erwachsenenpädagogisches Seminar mit dem Titel „Einführung für<br />
Kursleiter der Volkshochschule <strong>Iserlohn</strong>“ durchführte.<br />
3.5.3.4. Die notwendigen räumlichen Veränderungen<br />
1975 nutzte man für den Unterricht verstärkt die Räumlichkeiten in den Villen an der<br />
Stennerstraße mit den Hausnummern 8 und 12, der Kulturausschuss unterstützte die VHS<br />
darin, die Räume besser ausgestattet zu bekommen und möglichst exklusiv nutzen zu<br />
können. 135 Im November 1975 besichtigte der Kulturausschuss die Häuser. Man beschloss,<br />
dass kurzfristig bauliche Veränderungen durchgeführt werden müssten. Man überlegte auch,<br />
ob die VHS das Haus Grabenstraße 16 und das Schulzentrum am Hemberg nutzen könnte.<br />
Im Mai 1976 tagte erneut der Kulturausschuss, diesmal ging es um die Nutzung des Hauses<br />
Stennerstraße 8. Man wolle nun auch tagsüber Kurse anbieten, was durch die Nutzung des<br />
Hauses durch das Lehrerseminar behindert würde. 136<br />
Der Kulturausschuss empfahl im September 1976, nach dem Auszug des Gesundheitsamtes<br />
das Haus Stennerstraße 3 der Volkshochschule zur Verfügung zu stellen – VHS-Verwaltung<br />
und ein Teil des Unterrichts sollten dann unter einem Dach sein. Doch bis dahin sollten noch<br />
einige Monate vergehen. 137<br />
Im Dezember 1977 war es dann endlich so weit, die VHS zog ein weiteres Mal um: Diesmal<br />
siedelte die Geschäftsstelle vom Rathaus in die 1874 erbaute Villa Basse an der Stennerstraße<br />
3 um, die von nun an auch „Haus der Volkshochschule“ genannt wurde. Das „Haus der VHS“<br />
war etwas besonderes, endlich hatte man ein eigenes Haus für sich. Und nicht nur das, in den<br />
134 Interview von Verfasserin mit Horst Piltz am 20. Februar 2009.<br />
135 Niederschrift über die Sitzung des Kulturausschusses am 8. Oktober 1975. S. 7. Stadtarchiv <strong>Iserlohn</strong>.<br />
136 Niederschrift über die Sitzung des Kulturausschusses am 3. Mai 1976. S. 1. Stadtarchiv <strong>Iserlohn</strong>.<br />
137 Niederschrift über die Sitzung des Kulturausschusses vom 28. September 1976. S. 3. Stadtarchiv <strong>Iserlohn</strong>.<br />
65
folgenden Jahrzehnten wurden auch Räume der Häuser Stennerstraße Nummer 8 und 12<br />
genutzt – sie hießen zur Unterscheidung „VHS-Häuser“.<br />
Vier Tage dauerte der Umzug in die Stennerstraße 3. Dort erwarteten die Teilnehmer kleinere<br />
Kursräume, eine Handbücherei, eine Mediothek und ein großer Unterrichtsraum für bis zu 50<br />
Personen. Geplant waren zudem eine Teeküche und ein Höreraufenthaltsraum. Auch war nun<br />
ein direkter Kontakt zu den Fachbereichsleitern möglich, zum Beispiel bei Zusatzfragen bei<br />
Anmeldungen. Man war nicht mehr als Gast in anderen Räumlichkeiten an Termine<br />
gebunden, Veranstaltungen und Sprechstunden konnten auch abends oder am Wochenende<br />
stattfinden.<br />
3.5.3.5. Inhaltliche Veränderungen und neue Schwerpunkte<br />
Um den vom Weiterbildungsgesetz geforderten Prozess der Professionalisierung und der<br />
pädagogischen Weiterentwicklung voran bringen zu können, mussten auch neue inhaltliche<br />
und strukturelle Veränderungen durchgeführt werden. Die Fachbereiche wurden nun genauer<br />
festgelegt. Der VHS-Leiter Horst Piltz war zuständig für Geisteswissenschaften,<br />
Sozialwissenschaften 138 , kulturelle Bildung ausländischer Arbeitnehmer, Weiterbildung des<br />
alten Menschen und Dozentenweiterbildung. Der erste Fachbereichsleiter sollte für Sprachen<br />
und Schulabschlüsse, der zweite für kreatives Gestalten, Freizeitaktivitäten, Gesundheit, Sport<br />
und Haushaltsführung, der dritte für Wirtschaft und kaufmännische Praxis,<br />
Naturwissenschaften, und Technik zuständig sein. 139<br />
Erste Früchte dieser Veränderungen zeigten sich schnell: Ende 1976 war die Bilanz der VHS<br />
sehr erfreulich. „Kaum jemand geht noch zur Volkshochschule, um nur (Zu-)Hörer zu sein.<br />
Mitdiskutieren, Mitmachen, Mitlernen – das ist gefragt.“, schrieb der <strong>Iserlohn</strong>er<br />
Kreisanzeiger. 140<br />
Seit dem Weiterbildungsgesetz von 1974 hatte die VHS auch das Recht, staatliche Prüfungen<br />
durchzuführen, wenn die vorbereitenden Lehrgänge den entsprechenden staatlichen<br />
Bildungsgängen gleichwertig sind. Die unterrichtenden Lehrer bereiteten nun nicht mehr nur<br />
auf die Prüfungen vor, sondern führten sie auch selbst durch. Im September 1977 begann in<br />
138<br />
In der Piltz’schen Ordnung gehörten die Bereiche Geschichte und Kulturgeschichte statt traditionell zu den<br />
geisteswissenschaftlichen in den sozialwissenschaftlichen Bereich. Diese Gliederung blieb bei der VHS <strong>Iserlohn</strong><br />
über 20 Jahre lang bestehen. Auch die stetig wachsende Bibliothek wurde dementsprechend geordnet.<br />
139<br />
Verwaltungsbericht der Stadt <strong>Iserlohn</strong>. 1976/77. Stadtarchiv <strong>Iserlohn</strong>. Bestand S3.<br />
140<br />
<strong>Iserlohn</strong>er Kreisanzeiger. 30. Dezember 1976.<br />
66
<strong>Iserlohn</strong> erstmals ein Vorbereitungslehrgang zum Erwerb des Hauptschulabschlusses nach<br />
den neuen Vorgaben. 141<br />
Bei der Sitzung des Kulturausschusses am 25 Januar 1978 im Haus der Heimat wurde noch<br />
einmal ausführlich darauf hingewiesen, dass die Stadt Planungsträger für den so genannten<br />
Weiterbildungsplan nach dem Weiterbildungsgesetz von 1974 ist. Man beschloss, endlich<br />
einen solchen Plan aufzustellen. Ausgangsjahr für die Bestandsaufnahme und Planung soll<br />
das Jahr 1976 sein. Dazu soll eine kleine Kommission gebildet werden. 142<br />
3.5.3.6. Der Streit um die Satzung und die Folgen des Weiterbildungsgesetzes<br />
Im November 1978 informierte die VHS <strong>Iserlohn</strong> in einem Informations- und<br />
Diskussionsabend mit dem Direktor des Landesverbandes der Volkshochschulen in NRW,<br />
Dipl.-Pol. Horst Wiedefeld, über einen Satzungsentwurf der <strong>Iserlohn</strong>er VHS. „Die VHS wird<br />
demokratisch“ titelte damals eine Zeitung. 143 Dieser Satzungsentwurf sollte nämlich gemäß<br />
dem Weiterbildungsgesetz vom 31. Juli 1974 den Mitarbeitern und Teilnehmern der VHS bei<br />
der Gestaltung des Arbeitsplanes ein Mitwirkungsrecht zusichern. „Der Entwurf der<br />
Stadtverwaltung sieht elf Fachbereiche vor, von denen sechs bislang belegt sind. So wichtige<br />
Fachbereiche wie Wirtschaft, Kaufmännische Praxis, Mathematik, Naturwissenschaften,<br />
Weiterbildung und Weiterlernen im Medienverbund sind in <strong>Iserlohn</strong> nicht besetzt. Aus dem<br />
Entwurf geht auch hervor, dass der Leiter der VHS automatisch auch der Vorsitzende der<br />
VHS-Konferenz ist.“ 144 Der Konferenz gehörten neben den Dozenten auch vier Vertreter der<br />
Teilnehmer an, die für ein Jahr aus der Mitte der Kurssprecher gewählt werden. Die<br />
Konferenz nahm die Berichte des VHS-Leiters entgegen und beschloss Empfehlungen.<br />
Zu dem Informationsabend mit Satzungsdiskussion erschien übrigens zur Enttäuschung der<br />
VHS kein Vertreter der Stadt, obwohl diese ja Träger der Einrichtung ist. „Traurige<br />
Erkenntnis: VHS nicht gefragt“ 145 titelte eine Zeitung. Und es sei keine direkte Mitwirkung<br />
möglich, man könne nur Wünsche und Empfehlungen aussprechen. Fazit: „Somit bliebe allen<br />
Aktiven in der VHS per Zukunft (...) wohl nur die Möglichkeit, geschlossen dem Träger<br />
gegenüber zu treten. Nur so sei eine 100-prozentige Mitbestimmung nicht nur bloßes<br />
Wunschdenken.“ 146<br />
141 Verwaltungsbericht der Stadt <strong>Iserlohn</strong>. 1976/77. Stadtarchiv <strong>Iserlohn</strong>. Bestand S3.<br />
142 Sitzung des Kulturausschusses der Stadt <strong>Iserlohn</strong> vom 25 Januar 1978. Stadtarchiv <strong>Iserlohn</strong>.<br />
143 <strong>Iserlohn</strong>er Kreisanzeiger. 14. November 1978.<br />
144 <strong>Iserlohn</strong>er Kreisanzeiger. 14. November 1978.<br />
145 <strong>Iserlohn</strong>er Kreisanzeiger. 21. November 1978.<br />
146 <strong>Iserlohn</strong>er Kreisanzeiger. 21. November 1978.<br />
67
Die Volkshochschule fertigt jedes Jahr im Frühjahr für die Pädagogische Arbeitsstelle des<br />
Deutschen Volkshochschulverbandes in Frankfurt einen VHS-Berichtbogen über die gesamte<br />
Tätigkeit der Volkshochschule und eine Jahresrechnung für den Regierungspräsidenten in<br />
Arnsberg anfertigen, um finanzielle Zuweisungen des Landes zu erhalten. Horst Piltz<br />
berichtete der Öffentlichkeit erstmals darüber 1979 in einer Ausgabe der Zeitschrift „<strong>Iserlohn</strong><br />
– Waldstadtinformation“ 147 . Er konnte dieses Mal Erfreuliches berichten: Die Zahl der<br />
Kursteilnehmer stieg von 9348 im Jahr 1977 auf 10 934 im Jahr 1978. Gleichzeitig<br />
vergrößerte sich die Zahl der nebenberuflich Tätigen von 108 auf 125. Man unterrichtete an<br />
40 Orten im gesamten Stadtgebiet. Das Land förderte die <strong>Iserlohn</strong>er VHS mit 418 687,50 DM<br />
im Jahr 1978, die Stadt <strong>Iserlohn</strong> steuerte als Träger der Einrichtung 67 533,97 DM dazu. 1977<br />
gab es nur einen hauptberuflich tätigen Mitarbeiter, nämlich den Leiter Horst Piltz. 1978<br />
kamen zwei hauptberufliche pädagogische Mitarbeiter dazu. Diese standen als<br />
Fachbereichsleiter für Kursleiterberatungen, Kontaktgespräche, Bedarfserkundungen und<br />
Stadtteilarbeit zur Verfügung. Nun konnte endlich mit der Strukturierung der <strong>Iserlohn</strong>er<br />
Volkshochschule in verschiedene Fachbereiche beginnen – so wie es das<br />
Weiterbildungsgesetz des Landes 1974 vorschrieb. Es gab von nun an keine Gliederung nach<br />
Veranstaltungsformen mehr, was der Erwartungshaltung und der Orientierung der Teilnehmer<br />
sicherlich entgegen kam. „Die Fachbereichsgliederung ist nichts anderes als eine sinnvolle<br />
Gliederung, die unter dem Gesichtspunkt der Zuordnung von Stoffgebieten vorgenommen<br />
wird. Diese Stoffgebiete müssen von einer Person, dem Fachbereichsleiter, hinreichend<br />
kompetent vertreten werden. Ein großer Vorteil der neuen Gliederung ist, dass sie auf die<br />
Erwartungshaltung interessierter VHS-Teilnehmer mehr Rücksicht nimmt als die Gliederung<br />
nach Veranstaltungsformen. Kürzere Suchwege im VHS-Arbeitsplan werden in Zukunft dafür<br />
sorgen, dass jeder sein Thema und seinen Kursus schneller findet.“ 148<br />
VHS-Geschäftsführer Peter Bachmann legte 1979 zudem den ersten<br />
Weiterbildungsentwicklungsplan für den Zeitraum von 1976 bis 1981 vor. „Der Plan<br />
versucht, die Vielzahl vorhandener Bildungseinrichtungen der verschiedenen Träger zu<br />
beschreiben, macht Aussagen über deren mögliche Fortentwicklung und sieht neue Impulse<br />
für <strong>Iserlohn</strong> vor.“ 149<br />
147 <strong>Iserlohn</strong>. Waldstadtinformation. Mai 1979. S. 3.<br />
148 Waldstadt-Information. Mai 1979.<br />
149 Stadt <strong>Iserlohn</strong>. Verwaltungsbericht 1978/79/80. Stadtarchiv <strong>Iserlohn</strong>.<br />
68
Der Unterricht fand nun an 40 Orten im Stadtgebiet statt. Erstmals war der Arbeitsplan nach<br />
Fachbereichen geordnet, die Lehrgänge zur Vorbereitung auf stattliche Schulabschlüsse<br />
waren entgeltfrei. Der VHS-Geschäftsführer wies in einer Lokalzeitung noch einmal auf das<br />
einfache Anmeldeverfahren hin: „Ob in Letmathe, Hennen, Kalthof oder <strong>Iserlohn</strong><br />
(Stennerstraße 3), man geht vorbei oder bestellt sich telefonisch eine Hörerkarte.“ 150<br />
Währenddessen ging die Diskussion um den Satzungsentwurf weiter. Streitpunkt war vor<br />
allem ein Passus, der vorsah, dass der VHS-Leiter künftig die Lehrberechtigung für die<br />
Sekundarstufe II haben soll. 151 Horst Piltz hatte weder einen Hochschulabschluss noch das<br />
Zweite Staatsexamen für die Befähigung zum Schuldienst. Das Wort vom „Schleudersitz“,<br />
auf dem Piltz säße, machte in <strong>Iserlohn</strong> die Runde.<br />
Zudem soll es zu häufigen Streitereien zwischen Horst Piltz und Peter Bachmann auf der<br />
einen und Thomas Meyer und Susanne Seul (geborene Gerstenberg) auf der anderen Seite<br />
gekommen sein. 152 Sicherlich war es schwer für junge Leute, frisch von der Uni, sich in ein<br />
Verwaltungssystem einzugliedern und mit der bei allen Fähigkeiten doch auch dominanten<br />
Persönlichkeit Horst Piltz’ zurechtzukommen.<br />
Trotz aller persönlichen Auseinandersetzungen wurde fachlich effektiv gearbeitet. Es war die<br />
Aufgabe der Pädagogen, Trends und aktuelle Entwicklungen wahrzunehmen und<br />
entsprechende VHS-Angebote zu machen. „Man ging mit einer regelrechten VHS-Brille<br />
durchs Leben“, so Bodo Mebes, der einige Jahre später Mitarbeiter der <strong>Iserlohn</strong>er VHS<br />
wurde: „Man macht irgendwo Urlaub – und denkt sofort an ein Ziel für eine Studienreise.<br />
Man sieht Jean Pütz im Fernsehen backen – und überlegt sofort, einen Brotbackkurs bei der<br />
VHS anzubieten.“ 153<br />
Zu Beginn des Jahres 1980 wurde wieder heiß über die VHS diskutiert. Zum einen wurde<br />
weiterhin über eine Satzung gestritten. Die Einrichtung einer solchen war durch das<br />
Weiterbildungsgesetz von 1974 und die Gemeindeordnung des Landes NRW von 1979 nötig<br />
geworden. Zum anderem wurde immer noch diskutiert, ob die VHS nach Fachbereichen<br />
gegliedert werden sollte. Bürgervertreter Wolf R. Seltmann legte einen Vorschlag zu einer<br />
150 <strong>Iserlohn</strong>er Kreisanzeiger. 19. August 1978.<br />
151 <strong>Iserlohn</strong>er Kreisanzeiger. 7. August 1979.<br />
152 Interview von Verfasserin mit Bodo Mebes und Irene Mesmann am 2. Juni 2009 in <strong>Iserlohn</strong>.<br />
153 Interview von Verfasserin mit Bodo Mebes am 2. Juni 2009 in <strong>Iserlohn</strong>.<br />
69
Gliederung vor, der dann auch angenommen wurde. 154 Der Fachausschuss des Rates der Stadt<br />
musste auch noch zustimmen, was geschah.<br />
Im März 1980 erhielt die Volkshochschule <strong>Iserlohn</strong> dann endlich eine Satzung. Die Stadt<br />
<strong>Iserlohn</strong> wird ausdrücklich als Träger genannt. Die VHS sei eine „Einrichtung der<br />
Weiterbildung im Sinne des 1. Weiterbildungsgesetzes NW vom 31. Juli 1974 und eine<br />
öffentliche, nichtrechtsfähige Einrichtung der Stadt <strong>Iserlohn</strong> im Sinne des § 18 der<br />
Gemeindeordnung NW“. Die Satzung besagte unter anderem, dass alle wichtigen<br />
Entscheidungen nach Anhörung des Leiters der VHS erfolgen. Die Satzung schrieb folgende<br />
Fachbereiche vor: a) Nichtberufliche, abschlussbezogene Bildung b) berufliche Bildung c)<br />
wissenschaftliche Bildung d) politische Bildung e) freizeitorientierte und die Kreativität<br />
fördernde Bildung f) Eltern- und Familienbildung g) personenbezogene Bildung. Über die<br />
Einrichtung und Auflösung von Fachbereichen entscheidet der Stadtrat. Der VHS-Leiter hat<br />
folgende Aufgaben: a) Er stellt im Benehmen mit den Fachbereichsleitern den Arbeitsplan auf<br />
und verantwortet ihn. B) Er bereitet im Benehmen mit den Fachbereichsleitern den<br />
Haushaltsvorschlag vor. C) Er verpflichtet die nebenberuflichen pädagogischen Mitarbeiter<br />
und setzt deren Honorare entsprechend der Honorarordnung fest. D) Er verwaltet die Räume,<br />
Einrichtungen und Ausstattungen der VHS. Er übt das Hausrecht im Auftrage des<br />
Stadtdirektors aus. E) Der Leiter der VHS führt regelmäßige gemeinsame Besprechungen mit<br />
den Fachbereichsleitern und dem Sachbearbeiter für den Verwaltungsdienst durch, er lädt<br />
dazu ein. F) Der Leiter der VHS führt den Vorsitz in der VHS-Konferenz. G) Trifft der VHS-<br />
Leiter eine Entscheidung, muss er sie auf der Konferenz erläutern. 155<br />
3.5.3.7. Die Stadtteilarbeit<br />
Die Volkshochschule begann in den 1970er Jahren mit einer verstärkten Arbeit in den<br />
Stadtteilen. Die Stadt <strong>Iserlohn</strong> war – vor allem durch die Kommunale Neuordnung 1975 –<br />
enorm gewachsen, den Bedürfnissen aller Bürger musste im Bereich der Erwachsenenbildung<br />
Rechnung getragen werden.<br />
Bereits 1972 hatte man mit der VHS-Arbeit im Stadtteil Hennen begonnen.<br />
1974 war man verstärkt in Gerlingsen aktiv, was zu Konflikten mit dem dortigen<br />
Bildungswerk führte. Auch in Kalthof gab es eine kleine VHS-Zweigstelle. Ab 1975 arbeitete<br />
154<br />
Sitzung des Kulturausschusses vom 9. Januar 1980. Protokollbücher. Stadtarchiv <strong>Iserlohn</strong>. Bestand<br />
41/1.00.01.<br />
155<br />
Satzung für die Volkshochschule der Stadt <strong>Iserlohn</strong>.<br />
70
die VHS <strong>Iserlohn</strong> auch verstärkt in Letmathe, dem Gebiet der ehemals selbständigen VHS<br />
Letmathe.<br />
3.5.3.8. Inhaltliche Höhepunkte der 1970er Jahre<br />
1969 konnte jeder Teilnehmer der Volkshochschule <strong>Iserlohn</strong> Vorschläge einreichen für den<br />
Fernsehwettbewerb um den 7. Adolf-Grimme-Preis. Der Adolf-Grimme-Preis wurde dann im<br />
März 1970 in Marl verliehen für Fernsehsendungen des ersten, zweiten und dritten<br />
Programms, die eine besondere künstlerische Qualität besaßen.<br />
1973 beschäftigte man sich auch mit dem Thema Wohnen. „,Ist es möglich, heute so zu<br />
bauen, dass morgen – vielleicht – alle wesentlichen und wichtigen Wohnbedürfnisse des<br />
Menschen befriedigt werden können?’ Diese Frage stellte sich fast zwangsläufig nach einem<br />
VHS-Vortrag von Dipl.-Ing. F. K. Meurer (Aachen) am Mittwochabend in der VHS.“ 156<br />
1973 gründete sich der VHS-Kammerchor, der unter der Leitung von Edith und Horst<br />
Bucksfeld stand und bis 1990 existierte.<br />
Ab 1973 führte gab es so genannte Ateliergespräche bei der VHS ein mit dem Ziel, heimische<br />
Künstler bekannter zu machen.<br />
Das erste Ateliergespräch veranstaltete man im Januar 1973 im Atelier des Künstlers Erhard<br />
Arendt. Horst Piltz stellte in kleiner Runde zunächst die Biografie des in Hemer geborenen<br />
Bildhauers, Grafikers und Plastikers Arendt vor, dann sprach Arendt selbst über seine<br />
Arbeit. 157 Das zweite Ateliergespräch im März 1973 fand mit dem Künstler und<br />
Kunsterzieher Günter Tomczak im Atelier Erhard Arendt an der Friedrichstraße statt, 158 das<br />
dritte Ende März mit dem Fotografen Hans Schneider, Bildredakteur beim IKZ 159 . Das vierte<br />
und letzte Ateliergespräch fand im Mai statt, diesmal mit dem Künstler Theo Herzog aus<br />
Münster zum Thema „Bildnerei des Geisteskranken“. 160<br />
Ein weiterer interessanter Arbeitskreis: In Zusammenarbeit mit dem Westdeutschen<br />
Fernsehen und dem Fallschirmjägerbataillon 271 bot man 1973 eine Veranstaltung<br />
156 <strong>Iserlohn</strong>er Kreisanzeiger. 2. Februar 1973.<br />
157 <strong>Iserlohn</strong>er Kreisanzeiger. 17. Januar 1973.<br />
158 <strong>Iserlohn</strong>er Kreisanzeiger, 2. März 1973.<br />
159 <strong>Iserlohn</strong>er Kreisanzeiger, 31. März 1973.<br />
160 <strong>Iserlohn</strong>er Kreisanzeiger. 26. Mai 1973.<br />
71
„Soziologie der Bundeswehr“ an, bei dem Fragen zur Diskussion gestellt wurden, die dann in<br />
sechs Fernsehsendungen ausgestrahlt wurden.<br />
1974 ermöglichte der IKZ eine Ausstellung mit einer Auswahl von Fotos in der Galerie der<br />
Sparkasse. Die Fotos waren das Ergebnis eines Einführungskurses in die Fotografie, den IKZ-<br />
Bildredakteur Hans-H. Schneider in der Volkshochschule durchgeführt hatte. Zu dem Kurs<br />
hatten sich 56 Teilnehmer angemeldet, er wurde in zwei Gruppen angeboten 161 .<br />
1978 beschäftigte man sich bei der VHS <strong>Iserlohn</strong> mit dem Märkischen Kreis. Drei Jahre nach<br />
dessen Bildung durch die Kommunale Neuordnung bot die VHS somit Interessierten die<br />
Gelegenheit, sich mit Kreisplanungsdirektor Dr. Wulf Dietrich von Borcke diesen neuen<br />
Kreis bei einer Tagesfahrt einmal genauer anzusehen.<br />
Zudem gab es eine Gemeinschaftsausstellung der VHS und des benachbarten Goethe-Instituts<br />
zum Thema „Deutsche Maler sehen Amerika“.<br />
Am 2. Oktober 1978 fand im Rahmen der Volkshochschule eine Kulturdokumentation aus<br />
Ghana im Studio des Parktheaters statt. Der Regisseur und Schauspieler David Longdon aus<br />
Ghana trug unter dem Titel „Meine Heimat Afrika“ moderne Dichtung, Filme und<br />
afrikanische Musik vor. Ein Höhepunkt des Jahres war eine Auslandsexkursion nach<br />
Lappland, die als Wanderexkursion konzipiert war.<br />
Erstmals offerierte 1979 der Bereich „Kreativität / Freizeit“ einen Diät-Kochkurs an, der zur<br />
richtigen Ernährung bei verschiedenen Krankheiten beitragen soll. Interessant auch Dr.<br />
Reinhard Kirstes Arbeitskreis zum Thema „Ist Gott nicht ganz tot – oder: wie lebendig ist<br />
Gott?“.<br />
3.5.3.9. Resümee der 1970er Jahre<br />
1979 wurde zwar in die Zukunft geblickt, trotzdem nahm man auch das 60-jährige Jubiläum<br />
der <strong>Iserlohn</strong>er Volkshochschule wahr. Der 50. Geburtstag der VHS war 1969 ungefeiert<br />
geblieben; tatsächlich ahnt niemand etwas von dem Jubiläum, das Gründungsdatum war<br />
nämlich nicht bekannt. Erst Jahre später, um 1979, fand Stadtarchivar Götz Bettge zufällig<br />
eine Sitzungsniederschrift der Theater- und Musikkommission vom 21. Mai 1919 als<br />
Geburtsurkunde der VHS, die ersten Kurse gab es bekanntlich im November 1919.<br />
161 Der <strong>Iserlohn</strong>er Kreisanzeiger veröffentlichte am 26. September 1974 eine Sonderseite mit Fotos der<br />
Ausstellung.<br />
72
Im Jubiläumsjahr resümiert man: „12 000 VHS-Besucher und Kursteilnehmer, 11 000<br />
Unterrichtsstunden 162 , 140 nebenberufliche VHS-Mitarbeiter, eine hauptberufliche VHS-<br />
Leitung und drei Planstellen für hauptberufliche pädagogische Mitarbeiter. Außerdem stehen<br />
der VHS zwei historische Villen für ihre Arbeit zur Verfügung. Bedenkt man, dass die<br />
Nachfrage nach Weiterbildungsangeboten in den verschiedenen Fachbereichen groß ist, dass<br />
die Bereitschaft zur nebenberuflichen Mitarbeit in der VHS gestiegen ist, dass in <strong>Iserlohn</strong><br />
viele Stadtteile flächendeckend mit Weiterbildungsangeboten zu versorgen sind, dass die<br />
Phase des personellen Ausbaus der VHS und der Aufbau von Fachbereichen eben erst<br />
begonnen hat, dann muss man sagen: ,Volkshochschule der Stadt <strong>Iserlohn</strong> – 60 Jahre<br />
jung.’“ 163 Auch ein Quasi-Geschenk gab es von der Stadt: Die VHS-Villa Stennerstraße 12<br />
wurde neu gestrichen und erhielt ein schickes Leuchtschild.<br />
Ein weiterer Lichtblick: Die VHS erhielt nach dem Weiterbildungsgesetz eine<br />
Landeszuweisung von 485 000 DM, mit denen man zumindest einige Kosten decken konnte.<br />
Fazit der1970er Jahre: Die VHS war strukturierter geworden, hatte Fachbereiche und eine<br />
Satzung. Zudem hatte man einen Weiterbildungsentwicklungsplan aufgestellt. Neben der<br />
VHS-Leitung waren zwei weitere hauptamtliche pädagogische Mitarbeiter und zwei<br />
Mitarbeiter in der Verwaltung für die Volkshochschule <strong>Iserlohn</strong> tätig.<br />
3.5.4. Die 1980er Jahre: Weiterentwicklung im Zeichen eines zunehmenden<br />
Sparzwangs:<br />
3.5.4.1. Ökonomischer Wandel<br />
Die 70er und 80er Jahre waren geprägt von deutlichem ökonomischem Wandel, der das Land<br />
Nordrhein-Westfalen besonders hart traf. Der Strukturwandel im Ruhrgebiet, notwendig<br />
geworden durch den Niedergang der Montanindustrie, kostete nicht nur Hunderdtausende<br />
von Arbeitsplätzen, er bedeutete auch eine enorme Belastung des Landeshaushalts, weil<br />
erhöhte Ausgaben sinkenden Steuerausgaben gegenüber standen. Hinzu kamen allgemeine<br />
Rezessionen (erste Ölkrise 1973 bis 1975 und so genannter zweiter Ölschock 1980/81). Vor<br />
diesem Hintergrund vollzog sich der wirtschaftliche Wandel hin zu einer<br />
Dienstleistungsgesellschaft auch im Bildungsbereich, der an die Arbeitskräfte neue qualitative<br />
162 Der spätere Verwaltungsbericht der Stadt <strong>Iserlohn</strong> spricht von 12 037 Unterrichtsstunden für 9536<br />
Teilnehmer. Stadtarchiv <strong>Iserlohn</strong>. Bestand S3.<br />
163 <strong>Iserlohn</strong> Waldstadtinformation. November 1979. S. 3.<br />
73
Anforderungen stellte. In diesem Zusammenhang sind sowohl die Diskussionen um die<br />
Finanzierung der VHS <strong>Iserlohn</strong> in den 1980er Jahren zu verstehen, als auch der zunehmende<br />
Wandel im inhaltlichen Angebot.<br />
3.5.4.2. Die Finanzierungsdiskussion um die VHS<br />
Vorbemerkung: Es gibt eine enge Interdependenz zwischen Finanzierungsdiskussion und<br />
Konzeptionsdebatte in den 1980er Jahren. Der Grund dafür ist, dass immer dann, wenn<br />
öffentliche Mittel knapp sind, Diskussionen aufkommen, für welche Dinge Steuergelder<br />
verwenden werden. Es entstehen dann die Fragen, welche Freizeitveranstaltungen wirklich<br />
steuerlich subventioniert werden sollen, welche inhaltlichen Schwerpunkte gesetzt werden<br />
sollen, welche auch sozialpolitisch wirksamen Veranstaltungen besonders gefördert werden<br />
sollen und ob andere Institutionen oder private Anbieter Aufgaben übernehmen können (etwa<br />
im Bereich der Berufsförderung). Hier gab es im Rat der Stadt sicherlich auch parteipolitisch<br />
kontroverse Auffassungen.<br />
Es wurden in <strong>Iserlohn</strong> zunehmend finanzielle Mittel benötigt, um auch die Personalsituation<br />
an der VHS zu verbessern.<br />
Immerhin: Durch die Förderung durch Landesmittel konnte eine vierte hauptberufliche<br />
pädagogische Stelle für die VHS genehmigt werden. Doch kaum hatte Bodo Mebes diese<br />
Stelle am 1. Juli 1980 antreten können, war mit Ehefrau und zwei kleinen Kindern von Berlin<br />
nach <strong>Iserlohn</strong> gezogen, gab es erneute Diskussionen um die Notwendigkeit dieser Stelle.<br />
Sparen forderte die Stadt. Hatte der Rat 1979 noch den Weiterbildungsplan verabschiedet, der<br />
ab 1981 fünf hauptamtliche Mitarbeiter für die VHS forderte, wollte der Kulturausschuss nun<br />
die Zahl sogar auf drei reduzieren. Das war eine erneute Hiobsbotschaft für Horst Piltz und<br />
sein Team.<br />
Die Diskussionen flammten in den folgenden Jahren immer wieder auf, jahrelang bangte<br />
Mebes um seinen Job. 164 Die Volkshochschule war stets in Abhängigkeiten: von der Stadt,<br />
dem Land, dem Weiterbildungsgesetz, Fördermöglichkeiten und gesellschaftlichen<br />
Entwicklungen.<br />
Sparmaßnahmen setzten also der VHS arg zu. Die Landesregierung schien sich mit dem<br />
geplanten neuen Weiterbildungsgesetz immer weiter von der Zielsetzung zu entfernen, auch<br />
bildungsferne Schichten zu erreichen. „Wenn die Kürzung der VHS-Zuschüsse durch die<br />
164 Interview von Verfasserin mit Bodo Mebes am 2. Juni 2009 in <strong>Iserlohn</strong>. Siehe auch <strong>Iserlohn</strong>er Kreisanzeiger,<br />
8. Oktober 1981.<br />
74
Landesregierung das vermutete Maß erreicht, dann hat die Volkshochschule diesen Namen<br />
nicht mehr verdient, dann ist sie mehr oder weniger tot“, erklärte Kulturausschussvorsitzender<br />
Günther Köpping in einem Zeitungsinterview. 165 Man habe seit Jahren davor gewarnt, die<br />
personelle Struktur der VHS von den Landesmitteln abhängig zu machen. Ein kluger Satz:<br />
Viele mit der Erwachsenenbildung befassten Personen hatten zwar voraus gesehen, dass die<br />
Bedeutung der Erwachsenenbildung zunehmen würde, rechneten aber auch weiterhin mit<br />
einem Zunehmen der staatlichen Unterstützung in diesem Bereich, was sich nicht<br />
bewahrheiten sollte.<br />
Mittlerweile war in <strong>Iserlohn</strong> eine „Kleine Kommission Volkshochschule“ gebildet worden.<br />
Sie wurde mehrmals im Jahr vom Kulturdezernenten einberufen, dieser setzte auch die<br />
Tagesordnung fest. Die Kleine Kommission bestand aus den drei Mitgliedern Wolfgang Oel,<br />
Gunther Kingreen und Wolf R. Seltmann. Die Kleine Kommission hatte die Aufgaben, die<br />
Arbeitspläne durchzusehen und dem Kulturausschuss diesbezügliche Empfehlungen<br />
auszusprechen. Zudem wurden auch Punkte wie die Honorare oder die Mindestzahl der<br />
Teilnehmer pro Kurs diskutiert. 1981 musste sich die Kleine Kommission VHS also mit dem<br />
Problem der Finanzierung auseinandersetzen. Sie tagte Anfang Oktober erneut, diskutierte<br />
Finanzierungs- und Sparmöglichkeiten. Man empfahl unter anderem, die Werbung zur<br />
Gewinnung weiterer Teilnehmer zu verstärken und zu prüfen, ob die hauptamtlichen<br />
Mitarbeiter verstärkt zum Unterricht herangezogen werden könnten. 166<br />
Da die Höhe der finanziellen Zuschüsse des Landes unsicher war, versuchte man die<br />
Einnahmen der VHS durch eine Erhöhung der Teilnehmerbeiträge zu steigern. Es erfolgte<br />
eine Änderung der Entgeltordnung. „Der Rat der Stadt <strong>Iserlohn</strong> hat in seiner Sitzung am 21.<br />
Juli 1981 die am 1. Juli 1980 in Kraft getretene Entgeltordnung der Volkshochschule<br />
geändert. Das Entgelt je VHS-Unterrichtsstunde und Teilnehmer beträgt ab 1. September<br />
1981 in allen Sachbereichen 1,50 DM (...)“ 167 . Das war eine Steigerung um 50 Prozent.<br />
Als Mittel zur Werbung weiterer Teilnehmer, entsprechend der Vorstellungen der Kleinen<br />
Kommission, gab es zudem 1981 einen Schülerwettbewerb für ein Plakat der<br />
Volkshochschule. Die Ergebnisse, darunter „I like Volkshochschule“ eines Schülers der Stufe<br />
165<br />
<strong>Iserlohn</strong>er Kreisanzeiger. 29. September 1981.<br />
166<br />
Niederschrift über die Sitzung der Kleinen Kommission VHS für VHS am 7. Oktober 1981. Stadtarchiv<br />
<strong>Iserlohn</strong>.<br />
167<br />
<strong>Iserlohn</strong> Waldstadt-Information. September 1981. S. 3. Siehe auch Niederschrift über die Sitzung des<br />
Kulturausschusses am 25. Mai 1974. S. 2. Stadtarchiv <strong>Iserlohn</strong>.<br />
75
10 des MGI, waren im August 1981 in einer Ausstellung im VHS-Haus Stennerstraße 3 zu<br />
sehen. Die jungen Kursteilnehmer hatten sich unter der Leitung von Karin Leye intensiv mit<br />
den Themen Plakatgestaltung und Volkshochschule auseinandergesetzt.<br />
Kursleiter, Hörer-Vertreter und hauptamtliche VHS-Mitarbeiter diskutierten im Dezember<br />
1981 mit Stadtrat Hubert Kruse. Streichungen, Entgelterhöhungen und der noch ausstehende<br />
Weiterbildungsplan beschäftigten die <strong>Iserlohn</strong>er. Die Stadt wartete auf den Landeshaushalt,<br />
die VHSler forderten wenigstens die Grundsubstanz zu erhalten und die VHS zumindest auf<br />
das Unterrichtsvolumen von 1980 einzufrieren. 168<br />
Den Dozenten der VHS sollten 1982 die Honorare gekürzt werden. Der Kulturausschuss<br />
empfahl dem Rat, nur noch 25 statt 30 DM zu zahlen. VHS-Leiter Horst Piltz plädiert für eine<br />
Beibehaltung des Honorars, befürchtet ansonsten „Dozentenschwund“. Jedoch: Der Rat<br />
beschloss die Kürzung. 169<br />
Aber es musste noch weiter gespart werden. Im August titelte eine Zeitung: „Der VHS geht es<br />
nunmehr an die Substanz“ 170 . Mit der Fachoberschulreife verschwand ein zentrales<br />
Weiterbildungsangebot der VHS aus dem Angebot. Der bislang einzige Kurs dazu wurde<br />
1978 gestartet und 1981 abgeschlossen. Es gab einen großen Andrang auf ein<br />
Fortsetzungsangebot, doch die Interessenten wurden aus Kostengründen enttäuscht. Jedes<br />
Studienjahr kostete 30 000 DM. „Im letzten Jahr bekam die <strong>Iserlohn</strong>er VHS 500 000 Mark<br />
vom Land, jedoch nur 260 000 DM von der Stadt. Logisch, dass die Kürzungen des Landes<br />
bei solch verqueren Relationen sofort an die Substanz der Erwachsenenbildung – sprich: die<br />
Schulabschlüsse – gehen“, heißt es in einem Zeitungsbericht. 171<br />
Als der neue Arbeitsplan 1982/83 erschien, fanden die Leser auf der ersten Seite einige Worte<br />
von Bürgermeister Lindner und Stadtdirektor Wach. Aufgrund der lang anhaltenden<br />
Diskussionen zum Thema Volkshochschule befanden die beiden Herren es anscheinend für<br />
nötig, einige Dinge öffentlich klarzustellen. So heißt es: „Wenn trotz des unbestreitbaren<br />
finanziellen Engpasses auf allen Ebenen in der Stadt <strong>Iserlohn</strong> nach zähem Ringen im<br />
Kulturausschuss ein solch umfangreiches Angebot für das kommende Winterhalbjahr<br />
168 <strong>Iserlohn</strong>er Kreisanzeiger. 5. Dezember 1981.<br />
169 <strong>Iserlohn</strong>er Kreisanzeiger, 6. Juli 1982.<br />
170 Westfälische Rundschau. Lokalteil <strong>Iserlohn</strong>. 6. August 1982.<br />
171 Westfälische Rundschau. Lokalausgabe <strong>Iserlohn</strong>. 6. August 1982.<br />
76
vorgelegt wird, dann ist das ein Ausdruck einer stolzen Gesinnung darauf, dass <strong>Iserlohn</strong> als<br />
eine der ersten Städte im weiten Umkreis bereits 1919 die Volkshochschule in ihren Mauern<br />
gründete. (…) Rat und Verwaltung mit all ihren Fachämtern unterstützen die Arbeit der<br />
Volkshochschule. Die Gesellschaft wird gerade in den 80er Jahren die Herausforderung<br />
anzunehmen haben, die im Wandel der Struktur zu erkennen ist. In allen Stadtteilen ist ein<br />
Angebot zum Lernen gemacht, das anzunehmen sich lohnt.“ 172<br />
Im Februar 1988 empörte sich die FDP über die „unzumutbaren Zustände bei Anmeldungen<br />
zu VHS-Kursen“. Im Januar seien Interessenten gezwungen gewesen, bei ungünstiger<br />
Witterung im Garten des VHS-Gebäudes in einer langen Schlange zu stehen. Die Abfertigung<br />
sei nur langsam vorangeschritten, da die Zahl der kassenberechtigten Bediensteten nicht<br />
ausgereicht habe. Zudem sei der für die Anmeldung vorgesehene Raum für Rollstuhlfahrer<br />
nicht zu erreichen gewesen. Ferner habe enorme Parkplatznot geherrscht. 173 Diese<br />
Problematik der Anmeldeverfahren gab es jahrelang. „Wir hatten einen Hauptanmeldetag,<br />
einen Samstag, pro Semester. Die Teilnehmer gaben die ausgefüllten Karten ab und zahlten in<br />
bar. Wir öffneten um 8 Uhr, schon zwei Stunden vorher waren die ersten Leute da. Die<br />
Schlangen gingen von der Stennerstraße 3 bis zu 200 Meter weit. Die Hausmeisterin öffnete<br />
im Winter immer extra den Wintergarten, damit die Leute es etwas wärmer hatten. Zur<br />
Unterhaltung wurden manchmal sogar kleine Theaterstücke aufgeführt“, erinnert sich Irene<br />
Mesmann. 174 Und Dieter Kaminski erzählt, dass er bei einem Anmeldetag von den<br />
hereinstürmenden Leuten samt Tisch an die Wand gedrückt wurde. 175<br />
Ein weiteres Problem 1988: die Drittmittelfinanzierung. Die Kommune suchte aufgrund der<br />
angespannten Haushaltslage weitere Möglichkeiten der Finanzierung der VHS. So plante<br />
man, durch den Bundesminister für innerdeutsche Beziehungen Gelder für Fahrten an die<br />
Grenze zur DDR zu bekommen. Auch gab es Überlegungen, wie die Bundeszentrale für<br />
politische Bildung die VHS-Arbeit in <strong>Iserlohn</strong> unterstützen könnte. Ebenso sollte die<br />
Zusammenarbeit mit der Friedrich-Ebert-Stiftung in Bonn, der Konrad-Adenauer-Stiftung in<br />
Wesseling und ortsansässigen Berufsbildungswerken intensiviert werden. 176<br />
172 Arbeitsplan der VHS <strong>Iserlohn</strong> 1982/83.<br />
173 Westfälische Rundschau. Lokalteil <strong>Iserlohn</strong>. 12. Februar 1988.<br />
174 Interview von Verfasserin mit Irene Mesmann am 3. Juni 2009 in <strong>Iserlohn</strong>.<br />
175 Interview von Verfasserin mit Dieter Kaminski am 1. Juli 2009 in <strong>Iserlohn</strong>.<br />
176 Beratungsdrucksache, der Stadtdirektor an den Kulturausschuss, Drucksachen-Nummer 3/2389, 1. Februar<br />
1988. Stadtarchiv <strong>Iserlohn</strong>.<br />
77
Augenscheinlich unberührt von all diesen organisatorischen und finanziellen Problemen lief<br />
die VHS-Arbeit weiter. 1988 feierte man „20 Jahre Keramikkurse in der VHS“.<br />
„Hochschulniveau wird einigen der Arbeiten zugeschrieben“ 177 , die im Rahmen einer<br />
Ausstellung anlässlich des Jubiläums gezeigt wurden. Einige Teilnehmer der Kurse von<br />
Bildhauer und Plastiker Erhard Arendt kamen sogar aus Bochum, Fröndenberg und Altena,<br />
viele belegten jahrelang die Kurse. Vorgängerin von Arendt war Barbara Liesenhoff-Puppel.<br />
Ab September 1988 arbeitete die VHS erstmalig mit differenzierten Entgelten. Je<br />
Unterrichtsstunde (45 Minuten) mussten die Teilnehmer nun 1,80 DM zahlen. Ein<br />
zehnstündiger Kurs schlug somit mit 18 DM zu Buche. Bei kostenintensiveren Kursen in den<br />
Bereichen Mathematik, Naturwissenschaft, Technik, Wirtschaft und kaufmännische Praxis<br />
(Maschineschreiben, EDV, Elektronik) sowie in den Fachbereichen Kreativität und<br />
Hauswirtschaft betrug das Teilnehmerentgelt fortan sogar 2,50 DM pro Stunde. Teilnehmer<br />
an Lehrgängen zum nachträglichen Erwerb von Schulabschlüssen zahlten pro Halbjahr<br />
pauschal 50 DM. Und das Entgelt für Einzelveranstaltungen betrug schließlich 5 DM.<br />
Weiterbildungsmaßnahmen im Bereich politische Bildung waren entgeltfrei. Ermäßigungen<br />
bekamen Schüler, Studenten, Wehr- und Ersatzdienstleistende, Schwerbehinderte und<br />
Auszubildende. Arbeitslose und Sozialhilfeempfänger waren vom Entgelt befreit. 178<br />
Aber das Thema VHS blieb problematisch: Im September 1988 erhielt Horst Piltz regelrecht<br />
Schelte vom Kulturausschuss für verschiedene Vorlagen. Besonders heftig wurde die Vorlage<br />
„Öffentlichkeitsarbeit und Teilnehmergewinnung in der VHS“ kritisiert. Wolf Seltmann<br />
beklagte, es handele sich lediglich um eine euphorische Darstellung der Möglichkeiten, die<br />
kaum umgesetzt würden. Besonders vermisst wurde von allen Fraktionen weiterhin eine<br />
Aufstellung des Soll-Ist-Zustandes sowie der Kosten. Die Vorlage müsse konkreter sein,<br />
geplante Aktionen und deren Kosten präziser benannt werden. Erst dann könnte ein Beschluss<br />
des Kulturausschusses erfolgen. 179<br />
3.5.4.3. Kritische Auseinandersetzungen um die inhaltliche Konzeption<br />
Es änderte sich in den 1980er Jahren inhaltlich einiges bei der VHS <strong>Iserlohn</strong>, man bemühte<br />
sich um eine neue und aktuelle inhaltliche Gestaltung des Angebots.<br />
177 <strong>Iserlohn</strong>er Kreisanzeiger. 23. September 1988.<br />
178 <strong>Iserlohn</strong>er Kreisanzeiger. 8. September 1988. Westfälische Rundschau 8. April 1988.<br />
179 <strong>Iserlohn</strong>er Kreisanzeiger. 21. September 1988.<br />
78
Schon 1980 hatte es eine Fortbildung gegeben: 50 nebenberufliche Dozenten gingen ein<br />
Wochenende lang in Klausur, um an dem von Horst Piltz geleiteten Seminar<br />
„Erwachsenenpädagogik heute – aktuelle Fragen der Weiterbildung“ teilzunehmen.<br />
Im Mai 1980 übernahm Dr. Ute Kaßnitz das Ressort Sprachen und Schulabschlüsse bei der<br />
VHS. „Schichtarbeit und Senioren werden in Zukunft mit in die VHS-Kursplanung<br />
aufgenommen“ 180 versprach sie bei Dienstantritt.<br />
1981 sprach der Kulturausschuss-Vorsitzende Günter Köpping (CDU) 181 dem VHS-Team<br />
Dank und Anerkennung für ihre Arbeit aus. Überhaupt war Günter Köpping der Meinung,<br />
dass die Diskussionen um Horst Piltz und die Programmgestaltung „ein bisschen zu<br />
parteipolitisch gefärbt gewesen seien und es oft Kritik um der Kritik Willen gegeben habe“. 182<br />
Das sollte sich in den folgenden Jahren jedoch noch weiter fortsetzen. Nur in einem Punkt<br />
seien sich alle einig gewesen: In dem Wunsch, „die VHS zu einer leistungsfähigen<br />
Erwachsenenbildungseinrichtung zu machen“ 183 .<br />
Trotzdem „gab es im Unterausschuss VHS Diskussionen, um das Lehrangebot vom Prinzip<br />
der Zufälligkeit in ein Konzept zu überführen, das neben klassischen Bildungseinheiten<br />
aktuelle Fragen des Umweltschutzes, der Informatik, der Politik sowie sozialen Problemen<br />
Raum gibt. Es ging um ein Konzept, das inhaltlich durchstrukturiert sowie Lernziel- und<br />
Zielgruppen orientiert sein sollte.“ 184 Ratsmitglied Ulrich Dragon (SPD) hatte in einer Sitzung<br />
des Kulturausschusses im Juni 1981 bemängelt, dass der Bereich politische Bildung gekürzt<br />
und der Bereich Naturwissenschaften eigentlich gar nicht vorhanden sei.<br />
Dem steuerte man nun entgegen. Auch, um die zunehmende Nachfrage der Wirtschaft im<br />
Bereich neue Technologien zu befriedigen, gab es 1981/82 einen EDV-Kurs mit Rüdiger<br />
Hiltawsky, bei dem die Teilnehmer unter anderem die Programmiersprache BASIC lernten.<br />
Wie Bodo Mebes sich erinnert, gab es Computerkurse in der VHS lange, ehe die Verwaltung<br />
PCs erhielt. Das hieß: In den Kursräumen standen sechs Computer, in der Verwaltung wurde<br />
180<br />
<strong>Iserlohn</strong>er Kreisanzeiger. 9. Juli 1980.<br />
181<br />
Günter Köpping war von 1969 bis 1989 Kulturausschussvorsitzender und von 1975 bis 1989 CDU-<br />
Fraktionsvorsitzender in <strong>Iserlohn</strong>.<br />
182<br />
Interview von Verfasserin mit Günter Köpping am 27. August 2009.<br />
183<br />
Interview von Verfasserin mit Günter Köpping am 27. August 2009.<br />
184<br />
Interview von Verfasserin mit Wolf R. Seltmann im Mai 2009.<br />
79
noch auf elektrischen Schreibmaschinen getippt. 185 Die VHS war also in ihren Kursangeboten<br />
aktueller als in ihrer eigenen Verwaltung.<br />
1980 begann die fruchtbare Zusammenarbeit der Volkshochschule <strong>Iserlohn</strong> mit der<br />
Justizvollzugsanstalt <strong>Iserlohn</strong>. Eine weitere Zusammenarbeit, die 1980 startete, war die mit<br />
der Dorfgemeinschaft Rheinen im <strong>Iserlohn</strong>er Norden.<br />
Erstmals taucht ein Schlagwort der 1980er Jahre im Volkshochschul-Arbeitsplan des Jahres<br />
1982 auf: Ökologie. Günter Pflanz untersuchte mit seinen Kursen „Luft und Wasser in<br />
<strong>Iserlohn</strong> I und II“ in Verbindung von Theorie und Laborarbeit die heimische Natur. Zudem<br />
organisierte Bodo Mebes eine Autorenlesung „Iss und stirb – Chemie in unserer Nahrung“.<br />
Damit war die VHS <strong>Iserlohn</strong> endgültig im neuen Jahrzehnt angekommen.<br />
Wolf R. Seltmann, damals für die SPD Mitglied im <strong>Iserlohn</strong>er Kulturausschuss, erinnert sich:<br />
„Die Volkshochschule wurde 1981 von einem Horst-Piltz-ein-Mann-Betrieb zu einer<br />
vollwertigen Weiterbildungseinrichtung mit drei weiteren hauptamtlichen Mitarbeitern und<br />
einem Angebot von mindestens 9600 Unterrichtsstunden pro Jahr ausgebaut.“ 186 Die VHS<br />
<strong>Iserlohn</strong> war, wie überhaupt die Erwachsenenbildung im Land, professioneller und<br />
systematischer geworden. „Aus einer sehr einfachen und schlichten VHS ist unter Horst Piltz<br />
etwas geworden. Oftmals wurde eine Entwicklung eingeleitet, die Früchte trug“, erklärt<br />
Günter Köpping. 187<br />
Trotzdem ging die Diskussion um die inhaltliche Konzeption der VHS weiter. Häufig sah sich<br />
der Leiter der VHS der Kritik ausgesetzt. So zum Beispiel im Februar 1983, diesmal erneut<br />
im Kulturausschuss. SPD-Ratsherr Ulrich Dragon hatte vorgeschlagen, einen Unterausschuss<br />
VHS zu bilden. Bürgervertreter Gunther Kingreen (FDP) lehnte dies ab, da dies eine<br />
Abqualifizierung der Kleinen Kommission bedeuteten würde, „deren Mitglieder sich im<br />
Laufe der Zeit sachverständig gemacht hätten“ 188 . Im April beanstandete Kommissions-<br />
Mitglied Seltmann bei Vorlage des neuen Arbeitsplans in der Sitzung des Kulturausschusses,<br />
dass keine Kurse für Jugendliche, jugendliche Arbeitslose und ausländische Mitbürger<br />
angeboten würden. Auch vermisse er brisante aktuelle Themen und eine Regionalisierung des<br />
185<br />
Interview von Verfasserin mit Bodo Mebes am 2. Juni 2009 in <strong>Iserlohn</strong>.<br />
186<br />
Unveröffentlichtes Manuskript zum Vortrag „Fachwerk ist genug vernichtet“ von Wolf R. Seltmann, gehalten<br />
im April 2009 in <strong>Iserlohn</strong>.<br />
187<br />
Interview von Verfasserin mit Günter Köpping am 27. August 2009.<br />
188<br />
Sitzung des Kulturausschusses vom 7. Februar 1983. Protokollbücher. Stadtarchiv <strong>Iserlohn</strong>. Zgg 6/04 Nr. 13.<br />
80
Angebots. Ratsmitglied Dragon unterstützte diese Kritik, bedauerte die Einstellung der VHS-<br />
Zeitung und gab seiner Hoffnung Ausdruck, dass im Jahr 1985 die VHS dem 40. Jahrestag<br />
der Befreiung von der NS-Diktatur gedenke. Horst Piltz betonte, dass es Stadtteilarbeit<br />
beispielsweise in Form des Fotoarbeitskreises Rheinen gebe. 189<br />
Im September 1983 diskutierte die Kleine Kommission VHS den Arbeitsplan. Das Format<br />
gefalle nicht, auch die Frage einer Schutzgebühr tauchte auf. In punkto Werbung erklärte<br />
Horst Piltz, der Plan sei Werbung genug. Er erscheine einmal im Jahr, zudem gebe es zwei<br />
Mal im Jahr Pressekonferenzen. Monatlich werde zudem im Heft „<strong>Iserlohn</strong> –<br />
Waldstadtinformation“ auf interessante VHS-Angebote hingewiesen. Die Kommission<br />
beschloss, dass geprüft werden solle, ob der Arbeitsplan im Zeitungsformat erscheinen<br />
könne. 190 In der Sitzung vom 24. Oktober erklärte die Kommission, dass ein DIN-A-4-Format<br />
grundsätzlich für übersichtlicher gehalten werde. 191 Am 14. November wurde überlegt, den<br />
Plan gegen eine Schutzgebühr von einer Mark zu verkaufen 192 – was am Ende nicht realisiert<br />
wurde. Im Dezember einigte man sich auf ein DIN-A-4-Format, in das Werbung<br />
aufgenommen werden soll. 193<br />
1984 kritisierte der Kulturausschuss in mehreren Sitzungen den VHS-Arbeitsplan 1984/85. Er<br />
sei nicht übersichtlich genug, es gebe nicht genügend Aktualität und Schwerpunktbildung, es<br />
sei „kein erwachsenen-spezifisches Curriculum spürbar“ 194 . Der Kulturausschussvorsitzende<br />
Köpping gab Horst Piltz und seinen Mitarbeitern auf den Weg, „eine Konzeption für 1985´/86<br />
unter Berücksichtigung der horizontalen und vertikalen Verknüpfungen und der<br />
vorgetragenen Gedanken zur Weiterbildung“ 195 zu erarbeiten und der Kleinen Kommission<br />
VHS vorzulegen.<br />
Trotz all der Kritik und Diskussion erfuhr die VHS auch Unterstützung von Seiten der Stadt.<br />
Im August 1984 mühte sich der Kulturausschuss, endlich den<br />
Weiterbildungsentwicklungsplan 1982 bis 1987 unter Dach und Fach zu bringen. Er sei<br />
189 Niederschrift der Sitzung des Kulturausschusses vom 26. April 1983. Stadtarchiv <strong>Iserlohn</strong>.<br />
190 Niederschrift über die Sitzung Kleine Kommission VHS am 5. September 1983. Stadtarchiv <strong>Iserlohn</strong>.<br />
191 Niederschrift über die Sitzung Kleine Kommission VHS am 24. Oktober 1983. Stadtarchiv <strong>Iserlohn</strong>.<br />
192 Niederschrift über die Sitzung der Kleinen Kommission VHS am 14. November 1983. Stadtarchiv <strong>Iserlohn</strong>.<br />
193 Niederschrift über die Sitzung der Kleinen Kommission VHS am 12. Dezember 1983. Stadtarchiv <strong>Iserlohn</strong>.<br />
194 Niederschrift über die Sitzung des Kulturausschusses am 13. Februar 1984. Stadtarchiv <strong>Iserlohn</strong>.<br />
195 Niederschrift über die Sitzung des Kulturausschusses am 13. Februar 1984. Stadtarchiv <strong>Iserlohn</strong>.<br />
81
schließlich die Grundlage für Zuschusszahlungen vom Land. Das Land förderte die VHS<br />
<strong>Iserlohn</strong> mit 496 000 DM, die Stadt mit 215 202 DM. 196<br />
Der Plan wurde verabschiedet, wenn genügend Geld vorhanden sei, sollten die Maßnahmen<br />
umgesetzt werden. Die „Kleine Kommission VHS“ hatte einige kleine Korrekturen zuvor<br />
beschlossen. Allerdings: Kämmerer Karl Althaus sprach davon, „dass angesichts der<br />
Planung, den VHS-Etat von rund 350 000 DM in diesem Jahr auf mehr als das Doppelte in<br />
1987 zu erhöhen, die Sitten verdorben würden’“. 197<br />
Die schwierigen und sicherlich sehr zeitaufwändigen Diskussionen führten auch zu<br />
Veränderungen in der Arbeit des Stadtrates.<br />
Im Dezember 1984 hielt die SPD-Fraktion das Städtische Museum und die Volkshochschule<br />
für so bedeutend, dass sie mit einem Unterausschuss begleitet werden sollten. Im<br />
Unterausschuss VHS, in dem auch die Fachbereichsleiter regelmäßig Stellung beziehen<br />
sollen, „sollen alle Angelegenheiten der Volkshochschule betreut und beraten werden<br />
einschließlich der Weiterbildungsentwicklungsplanung“ 198 . Tatsächlich wurde die Einrichtung<br />
eines Unterausschusses VHS beschlossen. Dem Unterausschuss gehörten die Ratsmitglieder<br />
Dragon (SPD), Seltmann (SPD) und Brunswicker (CDU) sowie die Bürgervertreter Bickmann<br />
(CDU) und Treudt (Grüne) an, es gab also zwei Mitglieder der CDU und der SPD sowie ein<br />
Vertreter der Grünen. Vorsitzender wurde Wolf R. Seltmann. Der Unterausschuss war größer<br />
als die bis dahin bestehende Kleine Kommission, der Vorsitzende selbst berief den Ausschuss<br />
ein und setzte die Tagesordnung fest. Wolf R. Seltmann und seine Kollegen nahmen die<br />
Aufgabe sehr ernst. „Wir haben uns intensiv auch theoretisch mit diesen Dingen auseinander<br />
gesetzt, lasen zum Beispiel viele aktuelle Bücher zum Thema Kultur und Kulturpolitik.“ 199<br />
Wolf R. Seltmann bewertet die Arbeit des Unterausschusses rückblickend folgendermaßen:<br />
„(…) es bedurfte eines Unterausschusses Volkshochschule und schwieriger Diskussionen, um<br />
zu erreichen, dass das Lehrangebot vom Prinzip der Zufälligkeit in ein Konzept überführt<br />
wurde, das neben den klassischen Bildungseinheiten aktuellen Fragen des Umweltschutzes,<br />
der Informatik, der Politik sowie sozialer Probleme Raum gab. Ein Konzept, das inhaltlich<br />
durchstrukturiert sowie lernziel- und zielgruppenorientiert sein sollte.“ 200<br />
196 <strong>Iserlohn</strong>. Waldstadtinformationen. November 1986. Nr. 29. S. 3.<br />
197 <strong>Iserlohn</strong>er Kreisanzeiger. 28. August 1984.<br />
198 Niederschrift über die Sitzung des Kulturausschusses am 7. Dezember 1984. Stadtarchiv <strong>Iserlohn</strong>.<br />
199 Interview von Verfasserin mit Wolf R. Seltmann am 3. August 2009 in Sümmern.<br />
200 Unveröffentlichtes Manuskript zum Vortrag „Fachwerk ist genug vernichtet“ von Wolf R. Seltmann, gehalten<br />
im April 2009 in <strong>Iserlohn</strong>.<br />
82
Neben der erweiterten finanziellen Ausstattung wurde auch die räumliche Situation weiter<br />
verbessert. Im Dezember 1983 erfreute die Volkshochschule die Nachricht, dass sie ab dem<br />
nächsten Jahr auch die Jugendstil-Villa Stennerstraße 8 zur Verfügung gestellt bekommt. „Mit<br />
diesem von der Stadt unterbreiteten Angebot können künftig mehr Vormittagskurse<br />
veranstaltet werden.“ 201 „Von der <strong>Iserlohn</strong>er Bevölkerung werden diese alten Villen gerne<br />
angenommen, weil sie eine Verbindung von historischer Bausubstanz und Tradition auf der<br />
einen Seite und einer modernen Funktion (Weiterbildung, Kommunikation und<br />
Kulturzentren) andererseits darstellen.“ 202<br />
1985 wurde das VHS-Haus, das mittlerweile über ein Fotolabor verfügte, um eine<br />
Druckwerkstatt erweitert: Sie stand im Keller (in der Waschküche des früheren<br />
Gesundheitsamtes). Etwa 14 000 Mark kostete der Umbau, 10 000 Mark wurden in die<br />
Grundausrüstung investiert. 203 Die Politik machte sich 1985 auch Gedanken über die<br />
Raumnot der VHS. Ein Arbeitskreis der FDP hatte da eine eigentlich ganz gute Idee: Die<br />
„Alte Post“ am Theodor-Heuss-Ring solle das zukünftige Domizil der VHS werden. 204 Diese<br />
Idee wurde dann doch nicht realisiert.<br />
Doch trotz aller Erfolge gab es sehr kritische Stimmen. Überlegungen zur Auflösung der VHS<br />
tauchten im Herbst 1987 auf. „In der (einmal mehr) emotionsgeladenen Atmosphäre des<br />
Unterausschusses Volkshochschule hatte der kulturpolitische Sprecher der SPD-Fraktion<br />
Ulrich Dragon düstere Andeutungen gemacht.“ 205 Ulrich Dragon erläuterte: Ernsthafte<br />
Überlegungen zur Auflösung gebe es zwar nicht, jedoch dürfe man sich nicht wundern.<br />
Immerhin hätte die Stadt keine gesetzliche Verpflichtung, eine Volkshochschule zu betreiben,<br />
dies hätten nur die kreisfreien Städte, zu denen <strong>Iserlohn</strong> nur bis 1974 zählte. Ein Grund für<br />
eine mögliche Schließung sei die Finanzlage der Stadt, die zu rigorosen Sparmaßnahmen<br />
zwinge. Zudem erbringe die VHS immer weniger Nachweise der Unverzichtbarkeit, eine<br />
Entwicklung der VHS <strong>Iserlohn</strong> habe es in den letzten Jahren nicht gegeben. 206<br />
201<br />
<strong>Iserlohn</strong>er Kreisanzeiger. 7. Dezember 1983.<br />
202<br />
Verwaltungsbericht der Stadt <strong>Iserlohn</strong> 1983-1984. Stadtarchiv <strong>Iserlohn</strong>. Bestand S3.<br />
203<br />
<strong>Iserlohn</strong>er Kreisanzeiger. 7. Februar 1985.<br />
204<br />
Westfälische Rundschau. Lokalteil <strong>Iserlohn</strong>. 9. November 1985. Westfalenpost. Lokalteil <strong>Iserlohn</strong>. 9.<br />
November 1985.<br />
205<br />
<strong>Iserlohn</strong>er Kreisanzeiger. 6. November 1987.<br />
206<br />
<strong>Iserlohn</strong>er Kreisanzeiger. 6. November 1987.<br />
83
Wenn auch die Schließung der VHS nicht wirklich Thema war, stand die Auflösung des<br />
Unterausschusses VHS sehr wohl ab November 1987 zur Debatte. Der Hauptausschuss<br />
erklärte am 4. November 1987 in einer Beratungsdrucksache, dass man über die Straffung der<br />
Ratsarbeit beraten habe und es empfohlen wurde, die Notwendigkeit der Unterausschüsse und<br />
Kleinen Kommissionen zu prüfen, wozu auch der Unterausschuss VHS gehörte. 207<br />
Tatsächlich beriet der Kulturausschuss am 11. Januar 1988 darüber, den Unterausschuss VHS<br />
aufzulösen. Ein Bürgervertreter plädierte für die Auflösung der Unterausschüsse und<br />
Kommissionen. Sie würden oft zusätzliche Arbeit bedeuten, die eigentlich von der<br />
Verwaltung erledigt werden sollte. Ein Ratsmitglied dagegen verwies auf die sinnvolle Arbeit<br />
der Unterausschüsse, es werde vorgearbeitet, der Kulturausschuss dadurch entlastet. Dennoch:<br />
Man beschloss den Unterausschuss VHS aufzulösen, ebenso der Unterausschuss Museum und<br />
die Kleinen Kommissionen Kunst und Friedhof. 208<br />
3.5.4.4. Personelle Entwicklungen<br />
Felix Freier und Dr. Ute Kaßnitz wurden 1980 neue Fachbereichsleiter bei der VHS <strong>Iserlohn</strong>,<br />
ersetzten Susanne Seul und Thomas Meyer. Nach fünf Jahren gingen auch diese beiden<br />
pädagogischen Kräfte, für sie kamen Sabine Schirra (Fachbereich Sprachen) und Margret<br />
Schlegel (Fachbereich Gesundheit und Kreativität). Nach nur zwei Jahren ersetzte Wilfried<br />
Oslender Sabine Schirra im Fachbereich Sprachen, ab 1990 ersetzte Lieselotte Berthold die<br />
verstorbene Margret Schlegel (schon seit Juli 1988 hatte sie sie vertreten). Seit 1981 gab es<br />
zudem mit Bodo Mebes einen weiteren Fachbereichsleiter für den Bereich Bereiche<br />
Mathematik, Naturwissenschaften, Technik und Wirtschaft.<br />
Im Verwaltungsbereich blieb Peter Bachmann ab 1973 Geschäftsführer. Er wurde in der<br />
Verwaltungsarbeit weiterhin von Irene Mesmann unterstützt, bis 1982 zudem von Gertrud<br />
Müller. Für Gertrud Müller kam 1982 Martina Kalthof (Erbe), ihre Stelle (mit anderen<br />
Aufgaben) übernahm 1988 Petra Baatz. 1987 wurde eine vierte Verwaltungsstelle eingerichtet<br />
und mit Dieter Kaminski besetzt.<br />
3.5.4.5. Die Stadtteilarbeit<br />
Weiterbildung zu den Menschen bringen – das war die Devise. 1982 feierte man zehn Jahre<br />
VHS-Arbeit in Hennen. Die Arbeit dort war nicht immer leicht gewesen: Die Teilnehmer<br />
207 Beratungsdrucksache, der Stadtdirektor an den Kulturausschuss, Drucksachen-Nr. 3/2212, 4. November 1987.<br />
Protokollbuch des Kulturausschusses. Stadtarchiv <strong>Iserlohn</strong>.<br />
208 Niederschrift über die Sitzung des Kulturausschusses vom 11. Januar 1988. Stadtarchiv <strong>Iserlohn</strong>.<br />
84
mussten beispielsweise bei den Schreibmaschinenkursen ihre Kofferschreibmaschinen selber<br />
mitbringen. 209 Erstmals gab es stadtteilorientierte Bürgerversammlungen in Hennen und<br />
Letmathe: In Hennen nahm der mittlerweile dritte Seniorenkreis der VHS <strong>Iserlohn</strong> (nach<br />
<strong>Iserlohn</strong> und Letmathe) seine Arbeit auf. Die Leitung hatte Günter Schweitzer.<br />
1989 eröffnete man eine Außenstelle in der <strong>Iserlohn</strong>erheide. Besonders hilfreich war dort stets<br />
das Hausmeisterehepaar Igney.<br />
Im Ortsteil Hennen im <strong>Iserlohn</strong>er Norden erfreute sich 1987 der VHS-Seniorenkreis großer<br />
Beliebtheit. Ob ein heimatkundlicher Lichtbilder-Vortrag mit Friedhelm-Arno Berthold,<br />
Volkslieder mit Ingrid Schweitzer oder Informationen über Brasilien mit Dr. Adolf Schweers<br />
– die Veranstaltungen waren stets gut besucht. 210 In Hennen boten Margret Schlegel und<br />
später Lieselotte Berthold zudem einen Frauenfrühschoppen an.<br />
Gut besucht war auch der VHS-Seniorenkreis in Letmathe unter der Leitung von Heinrich<br />
Hardt. Alle 14 Tage traf man sich in der VHS-Etage in der Trillingschen Villa. 211 Und auch in<br />
<strong>Iserlohn</strong> verbesserte man – besonders auf Initiative des VHS-Unterausschuss-Vorsitzenden<br />
Wolf R. Seltmann und des Sozialausschusses – das Angebot der Volkshochschule für ältere<br />
Menschen im Studienjahr 1987/88. 212<br />
In <strong>Iserlohn</strong> hatte Karl Goßner die Leitung des Seniorenkreises inne. Die Veranstaltungen<br />
fanden im VHS-Haus an der Stennerstraße 12 statt.<br />
Das Konzept der Seniorenkreise war überall gleich, es gab regelmäßig Vorträge, oftmals von<br />
Gastreferenten, sowie Tagesfahrten oder Diavorträge.<br />
3.5.4.6. Inhaltliche Höhepunkte<br />
Aus der ganzen Diskussion um die Finanzierung und den Vorwurf der Konzeptionslosigkeit<br />
zwischen Rat und VHS geht hervor, dass eine Volkshochschule in einem besonderen<br />
Spannungsfeld steht, nämlich in dem Spannungsfeld auf aktuelle Ereignisse einzugehen,<br />
zunehmend Schulabschlüsse zu ermöglichen, berufliche Weiterbildung zu offerieren, eine<br />
sinnvolle Freizeitgestaltung anzubieten, Randgruppen zu integrieren und gesellschaftliche und<br />
209 Interview von Verfasserin mit Irene Mesmann und Bodo Mebes am 2. Juni 2009 in <strong>Iserlohn</strong>.<br />
210 <strong>Iserlohn</strong>. Waldstadtinformationen. März 1987. Nr. 33. S. 4.<br />
211 Für nähere Informationen siehe Hofbauer, Katja: 50 Jahre Volkshochschule in Letmathe. Letmathe, 2005.<br />
212 <strong>Iserlohn</strong>. Waldstadtinformationen. April 1987. Nr. 34. S. 2.<br />
85
gesellschaftspolitische Diskussionen und Entwicklungen vertieft zu diskutieren. All diese<br />
Bemühungen spiegeln sich auch in den inhaltlichen Höhepunkten wider.<br />
In den 1980er Jahren gab es wieder zahlreiche Attraktionen im VHS-Programm – oder wie es<br />
IKZ-Chefredakteur Eduard Grüber 1983 bei einem Vortrag formulierte, „Volkshochschule<br />
zwischen Knüller und Curriculum“. Das Programm zeigte typische Merkmale der<br />
Erwachsenenbildung in den 1980er Jahren: Individualisierung, Ökonomisierung, Gesundheit,<br />
Qualifizierung und Internationalisierung.<br />
3.5.4.6.1.Kunst, Musik und Kreativität<br />
Ein Höhepunkt im VHS-Jahr 1980 war sicherlich die Autorenlesung mit anschließender<br />
Diskussion mit Jurek Becker. 213<br />
1982 gab es wieder Gitarrenkurse für Anfänger und Fortgeschrittene bei der VHS in <strong>Iserlohn</strong>.<br />
Erstmals gab es den Schwerpunkt-Kurs Folkgitarre mit Manfred Malzahn. Die Instrumente<br />
waren mitzubringen. 214 1982 stellte Brigitte Geck im VHS-Haus aus und zeigte die Vielfalt<br />
der Möglichkeiten, mit Wachs und Farbe Stoffe zu gestalten. 215<br />
Im April 1982 las der Lyriker Thomas Erwin in der VHS – eine Veranstaltung am<br />
Samstagabend. Der 1961 in der DDR geborene Lyriker lebte damals in Paris. „VHS-Leiter<br />
Horst Piltz solle die Reihe ,Lyrik am Samstag’ auch in Zukunft weiterführen. Er hat damit<br />
einen guten Griff getan“, empfahl damals der IKZ. 216 Im November 1982 war Michael<br />
Holzach, Sozialwissenschaftler und ehemaliger Zeit-Reporter, zu Besuch in der VHS. Der 35-<br />
Jährige las aus seinem Bestseller „Deutschland umsonst“.<br />
1983 gab es eine Ausstellung mit fünf Hobbyfotografen, die zum Thema „<strong>Iserlohn</strong>, eine Stadt,<br />
in der ich lebe“, Bilder aus der Waldstadt zeigten. 217 Der Herbst war auch 1983 wieder die<br />
Zeit der Lesungen in der <strong>Iserlohn</strong>er VHS, der Schriftsteller Hans Bender las im November aus<br />
seinen Jugenderinnerungen. 218 Ferner gab es ein „VHS-Amateurfilm-Festival“<br />
1984 war wieder ein Jubiläumsjahr, 65 Jahre alt wurde die Volkshochschule <strong>Iserlohn</strong>.<br />
Anlässlich des Geburtstages malte der <strong>Iserlohn</strong>er Maler und Grafiker Karl Heinz Stannek das<br />
Haus der Volkshochschule als Motiv für eine Postkarte.<br />
213 <strong>Iserlohn</strong>er Kreisanzeiger. 18. November 1980.<br />
214 <strong>Iserlohn</strong>er Kreisanzeiger. 3. September 1982.<br />
215 <strong>Iserlohn</strong>er Kreisanzeiger. 21. Januar 1982.<br />
216 <strong>Iserlohn</strong>er Kreisanzeiger, 27. April 1982.<br />
217 <strong>Iserlohn</strong>er Kreisanzeiger. 2. September 1983.<br />
218 <strong>Iserlohn</strong>er Kreisanzeiger. 12. November 1983.<br />
86
„VHS bekam Post vom weißen Haus" titelte der IKZ am 8. Mai 1984: „Wenn der ,American<br />
Folk Train’ heute Abend im Musiksaal des Stenner-Gymnasiums startet, kann er sich<br />
besonderer Unterstützung sicher sein: Gestern übermittelte der amerikanische Präsident die<br />
besten Grüße an die Musik-Gruppe. Charles Brooks, Leiter der heutigen Volkshochschul-<br />
Veranstaltung, erfuhr in dem Schreiben von einer Assistentin des Präsidenten, dass seine<br />
Arbeit im Weißen Haus sehr geschätzt wird. „Ich bin sicher, Sie verstehen, dass der Präsident<br />
keine Zeit findet, Sie praktisch in dieser Sache zu unterstützen", heißt es in dem Brief.<br />
Das neue Programm des „American Folk Train", der bereits im vergangenen Jahr einmal in<br />
<strong>Iserlohn</strong> gastierte, umfasst Work-, Cowboy- und Protest -Songs. 219<br />
Ein Schwerpunkt-Thema war 1984/85 jüdisches Leben: „Jüdische Feste – Jüdischer Alltag“<br />
(Heidrun Bergmann), „Das Buch ,Kohelet’ – der Prediger“ (Chaim Storosum, Hilda West,<br />
Amsterdam), „Der Fiedler vom Ghetto – Jiddische Gedichte aus Polen“ (Hubert Witt,<br />
Leipzig). Zudem lief der Fotowettbewerb „Frankreich – Alltag eines Nachbarlandes“. Eine<br />
deutsch-französische Jury bewertete die eingesandten Fotos, als Preise lockten Reisen,<br />
Sachbücher und Schallplatten. Es gab 116 Einsendungen, im März 1985 wurde der Gewinner<br />
bekannt gegeben: Karl-Ludger Wirth. 220 Ein zweiter Foto-Wettbewerb beschäftigte sich mit<br />
„Ausländische Mitbürger in unserer Stadt“.<br />
Mitte der 1980er Jahre konnten dank der guten Zusammenarbeit zwischen VHS und<br />
Buchhandlung Potthoff regelmäßig Autorenlesungen durchgeführt werden, die auf großes<br />
Interesse stießen. 221 1986 lasen beispielsweise Hilde Domin bei der VHS (März), Carola Stern<br />
(April), Ingeborg Hecht (April), Christine Brückner und Otto Heinrich Kühner (November).<br />
Im März 1986 kam DDR-Auto Günter de Bruyn ins VHS-Haus. 222<br />
Besonderer Beliebtheit erfreute sich im September 1987 die Ausstellung „Keramik<br />
International“ unter der Leitung von Anke Mellin, Helga Roch und Eva Schulz.<br />
Im März 1989 war eine Autorin zu Gast, der 20 Jahre später der Nobelpreis für Literatur<br />
verliehen werden würde: Herta Müller. Die deutsche, aus Rumänien stammende,<br />
Schriftstellerin kam auf Einladung der VHS und des Goethe-Instituts nach <strong>Iserlohn</strong>. Morgens<br />
traf sie sich mit Aussiedlern, abends las sie aus ihrem damals neuen Manuskript „Reisende<br />
auf einem Bein” im Haus der Volkshochschule an der Stennerstraße 3. 223<br />
219 <strong>Iserlohn</strong>er Kreisanzeiger. 8. Mai 1984.<br />
220 <strong>Iserlohn</strong>er Kreisanzeiger. 9. März 1985.<br />
221 <strong>Iserlohn</strong>. Waldstadtinformationen. April 1986. Nr. 22. S. s.<br />
222 <strong>Iserlohn</strong>er Kreisanzeiger. 12. März 1986.<br />
223 <strong>Iserlohn</strong>er Kreisanzeiger. 18. März 1989. Siehe auch: <strong>Iserlohn</strong>er Kreisanzeiger. 10. Oktober 2009.<br />
87
Im Herbst 1989 stellte der <strong>Iserlohn</strong>er Fotograf Herbert Gutsche, Jahrgang 1913, in der neu<br />
gegründeten „Treppen-Galerie“ im Haus Stennerstraße 3 aus. Gutsche fotografierte seit 1962<br />
in <strong>Iserlohn</strong> Häuser und Ensembles, besonders die Altstadt. Die Idee zu der Treppen-Galerie<br />
hatte Fachbereichsleiterin Lieselotte Berthold. Horst Piltz war davon begeistert, denn so<br />
würde gleichzeitig auf die vielen Themen der VHS aufmerksam gemacht. 224<br />
3.5.4.6.2. Förderung beruflicher Weiterbildung<br />
Einen weiteren Impuls für die Diskussion um das inhaltliche Konzept brachte am 1. Januar<br />
1985 in NRW das „Gesetz zur Freistellung von Arbeitnehmern zum Zwecke der beruflichen<br />
und politischen Weiterbildung“, das Arbeitnehmerweiterbildungsgesetz. Im Volksmund<br />
nannte man es „Bildungsurlaubsgesetz“ und die Volkshochschule <strong>Iserlohn</strong> nahm sich seitdem<br />
dieses Themas an und bot zahlreiche Bildungsurlaubsseminare, etwa im Bereich EDV, an.<br />
Bodo Mebes baute als Fachbereichsleiter EDV – Beruf diesen Bereich kontinuierlich auf.<br />
Erstmals konnte man 1983 an der VHS <strong>Iserlohn</strong> das allgemein anerkannte VHS-Zertifikat<br />
Informatik erwerben.<br />
1983 war das Thema Werbung präsent in den beiden Kursen „Marketing für Kleinbetriebe“<br />
und „Werben – aber wie?“ von Heike Schonert.<br />
1984/85 boomten auch Kurse im Bereich „Wirtschaft und kaufmännische Praxis“, 19 wurden<br />
insgesamt angeboten.<br />
Immer wieder betonte man, dass die VHS auch ein Treffpunkt für Arbeitslose und<br />
Sozialhilfeempfänger sei. Aufgrund der Entgeltordnung gebe es keine finanziellen<br />
Barrieren. 225<br />
3.5.4.6.3. Beiträge der VHS zur 750 Jahrfeier <strong>Iserlohn</strong>s<br />
Im September 1986 startete ein Stadtführerkurs unter der Leitung von Karl-Heinz Kesten und<br />
Horst Piltz. Die Teilnahme war entgeltfrei, der Kurs sollte Stadtführer für die Feier zum 750-<br />
jährigen Jubiläum der Stadt <strong>Iserlohn</strong> 226 vorbereiten. 227<br />
Das Herbstsemester 1987 hatte dann die 750-Jahr-Feier <strong>Iserlohn</strong>s als Themenschwerpunkt.<br />
„Stadtplanung und Stadtentwicklung in <strong>Iserlohn</strong> – Große Stadtrundfahrt“ hieß es am 9. Mai<br />
224 <strong>Iserlohn</strong>er Kreisanzeiger. 17. August 1989.<br />
225 <strong>Iserlohn</strong>. Waldstadtinformationen. Mai 1988. Nr. 47. S. 2.<br />
226 Tatsächlich gibt es keine schriftlichen Quellen, die auf ein genaues Gründungsdatum der Stadt schließen<br />
lassen. Seit einigen Jahrzehnten einigt man sich aber für Feierlichkeiten auf das Datum 1237.<br />
227 <strong>Iserlohn</strong>. Waldstadtinformation. August 1986. Nr. 26.<br />
88
1987 und am 22. September 1987, Erwin Hensgen fuhr mit Teilnehmern durch die<br />
Waldstadt. „Die <strong>Iserlohn</strong>er Wirtschaft – Lebensgrundlage für die Bevölkerung unserer Stadt“<br />
war ein Vortrag mit Dr. Hanswerner Hildenbrand betitelt, Hans Müsse hielt einen<br />
Lichtbildervortrag über „Die fotografierte Stadt: Alt-<strong>Iserlohn</strong>“, Hans-Jürgen Burgard leitete<br />
eine zeitgeschichtliche Gesprächsrunde zum Thema „<strong>Iserlohn</strong> unter dem Union Jack“,<br />
Museumsleiter Gerd Schäfer informierte über „Handleier und Tabaksdosen“ bei einer<br />
Führung durch das Stadtmuseum, Ernst Dossmann sprach über „Denkmalschutz und<br />
Denkmalpflege am Beispiel <strong>Iserlohn</strong>s und seines Umfeldes“ und Cordt Schnibben und Horst<br />
Piltz leiteten eine Gesprächsrunde mit dem Titel „<strong>Iserlohn</strong> – oder die Schwierigkeit, eine<br />
Stadt zu beschreiben“.<br />
Ein Arbeitskreis erarbeitete die Geschichte der ausländischen Mitbürger in <strong>Iserlohn</strong> unter der<br />
Leitung von Horst Piltz. Veranstaltungsort war das Griechische Zentrum am Mühlentor. „Die<br />
Teilnehmer werden Text- und Bilddokumente auswerten, um die Entwicklung der<br />
„Gastarbeiterfrage“ am Beispiel <strong>Iserlohn</strong>s kennen zu lernen“, heißt es in der Ankündigung.<br />
Die VHS-Theatergruppe unter der Leitung von Werner Traut führte zudem „Jedermann“ im<br />
STübbeken auf. Organisatorin war Margret Schlegel.<br />
Und da nicht nur <strong>Iserlohn</strong>, sondern auch Berlin 750 Jahre Stadtgeschichte feierte, war die<br />
ehemalige Hauptstadt das zweite Schwerpunktthema: „Weltbühne Berlin – Die Zwanziger<br />
Jahre“, „Max Liebermann“, „Berliner Originale“, „Berlin, dein Filmgesicht“ und weitere<br />
Veranstaltungen fanden statt. Ein weiteres Schwerpunktthema war Architektur.<br />
3.5.4.6.4. Der Arbeitskreis „Mahnmal für die Opfer des Nationalsozialismus in <strong>Iserlohn</strong>“<br />
Die Auseinandersetzung mit der Geschichte des Nationalsozialismus war stets ein besonderes<br />
Anliegen der VHS. In vielen Semestern gab es Vorträge und Kurse zu diesem Thema.<br />
Ein Arbeitskreis, der auf besonderes Interesse stieß, war im Frühjahr 1987 der von Horst Piltz<br />
geleitete Arbeitskreis „Mahnmal für die Opfer des Nationalsozialismus in <strong>Iserlohn</strong>“.<br />
Die Vortragsreihe, die am 17. Februar begann, lief über zehn Abende, in denen jeweils andere<br />
Schwerpunkte im Mittelpunkt standen. Karin Szameitat, neben Ratsherr Ulrich Dragon eine<br />
Initiatorin des Mahnmals, referierte über ähnliche Mahnmale in anderen Städten, Peter Trotier<br />
sprach über Aspekte des Dritten Reiches in Letmathe, Hans Martin Herbers erzählte vom<br />
Leben und Leiden von <strong>Iserlohn</strong>ern im Dritten Reich, Clemens Müller analysierte die Rolle der<br />
Kirchen, Götz Bettge informierte über Stationen der NS-Machtergreifung in <strong>Iserlohn</strong>, Ulrich<br />
89
Dragon dokumentierte 50 Jahre Haus der Heimat, Zeitzeuge Oskar Escherich berichtete über<br />
die NS-Zeit und Dr. Norbert Aleweld ging auf Denkmäler und Mahnmale in <strong>Iserlohn</strong> ein. Der<br />
Künstler Professor Siegfried Neuenhausen präsentierte zudem zweimal die Entwürfe für sein<br />
Kunstwerk, das schließlich im August 1989 eingeweiht werden konnte. Insgesamt nahmen<br />
170 Personen an den Veranstaltungen teil, die Besucherzahl der Abende schwankte zwischen<br />
8 und 42. Im Anschluss gab es jeweils lebhafte Diskussionen. Im September 1988 wurde die<br />
Reihe auf Wunsch vieler Teilnehmer fortgeführt. 228 Der Arbeitskreis hatte auch in der<br />
Diskussion um den Standort des Mahnmals den Poth ins Gespräch gebracht, wo das Denkmal<br />
schließlich auch installiert wurde. 229<br />
Schwierig gestaltete sich allerdings die Erstellung einer Dokumentation über die Entstehung<br />
des Mahnmals. Als am 8. September der Arbeitskreis „Dokumentation zur Entstehung des<br />
Mahnmals für die Opfer des Faschismus in <strong>Iserlohn</strong>“ seine Arbeit aufnehmen wollte, blieb<br />
Kursleiter Matthias Gottwald allein. 230 Trotzdem konnte 1989 eine Dokumentation des<br />
Arbeitskreises über das Mahnmal herausgegeben werden, die Redaktion lag bei Götz Bettge,<br />
Ulrich Dragon und Horst Piltz. Die Erstellung dieser Dokumentation war zunächst vom<br />
Kulturausschuss abgelehnt worden. 231 Sie wurde später durch finanzielle Vollförderung der<br />
Landeszentrale für Politische Bildung in Düsseldorf ermöglicht.<br />
3.5.4.6.5. Der Bereich Medizin und Gesundheit<br />
Vorträge und Kurse zur Gesundheitsprophylaxe und medizinischen Problemstellungen fanden<br />
in allen Jahren eine bedeutende Resonanz bei den Zuhörern der VHS. Beispielhaft sollen hier<br />
die Jahre 1986 und 1990 erwähnt werden. 1986 gab es Vorträge zu den Themen hyperaktive<br />
Kinder, Neurodermitis, Vergiftungsunfälle und mehr. Auch Stressbewältigung war ein<br />
Thema, es gab eigens einen VHS-Gesprächskreis „Stressbewältigung am Arbeitsplatz und im<br />
Alltag“. Zudem wurde ein Arbeitskreis Behinderter und Nicht-Behinderter Menschen mit Dr.<br />
Hans Peter Schmidtke ins Leben gerufen.<br />
Ferner machte die VHS Programm im offenen Kanal von Radio MK. Einige Vorträge und<br />
Seminare im Bereich Medizin / Gesundheitsvorsorge bot die VHS <strong>Iserlohn</strong> speziell anlässlich<br />
der Gesundheitswoche vom 1. bis 10. Oktober 1990 zum Thema „Einsamkeit –<br />
228 Piltz, Horst: Der VHS-Arbeitskreis. In: VHS-Arbeitskreis „Mahnmal für die Opfer des Nationalsozialismus in<br />
<strong>Iserlohn</strong>“: Mahnmal für die Opfer des Nationalsozialismus in <strong>Iserlohn</strong>. Eine Dokumentation. <strong>Iserlohn</strong>, 1989.<br />
229 <strong>Iserlohn</strong>er Kreisanzeiger. 20. September 1988.<br />
230 <strong>Iserlohn</strong>er Kreisanzeiger. 21. September 1988.<br />
231 Letmather Nachrichten. 8. Juni 1988.<br />
90
Vereinsamung“ an. Lieselotte Berthold koordinierte die Zusammenarbeit der<br />
Volkshochschule mit dem Gesundheitsamt des Märkischen Kreises.<br />
3.5.5. Die wichtigsten Mitarbeiter des dargestellten Zeitraums<br />
3.5.5.1. Die pädagogischen VHS-Leiter<br />
3.5.5.1.1. Ursula Mänz<br />
Am 16. Dezember 1965 wählte der Rat der Stadt <strong>Iserlohn</strong> Ursula Mänz zur neuen VHS-<br />
Leiterin. Am 1. Januar 1966 übernahm sie offiziell das Amt.<br />
Ursula Mänz stammte aus Hannover, war erst kaufmännische Angestellte, machte 1952 ihr<br />
Abitur und studierte Kunstgeschichte, Philosophie und Germanistik. Danach war sie zunächst<br />
bibliothekarisch tätig, später beim VHS-Landesverband von Nordrhein-Westfalen in<br />
Dortmund. Zudem leitete sie die Kreis-Volkshochschule in Bergheim an der Erft. 232<br />
Ihre Vorgesetzte in <strong>Iserlohn</strong>, Marieluise Spangenberg, beschreibt Ursula Mänz als „sehr<br />
kontaktfreudig, tüchtig, voller Energie.“ 233 Zudem sei es hilfreich gewesen, dass Ursula Mänz<br />
selbst über den zweiten Bildungsweg so weit gekommen war.<br />
Über vier Jahre sollte Ursula Mänz der Volkshochschule vorstehen. Als sie die Waldstadt<br />
1970 verließ, titelte eine Zeitung: „Ein großer Verlust für <strong>Iserlohn</strong>“ 234 . In der Tat wuchs<br />
während ihrer Amtszeit die Zahl der Hörer von 1200 auf etwa 4500. „Besondere<br />
Aufmerksamkeit widmete sie den langfristigen Kursen, unter anderem zur Erlangung der<br />
Bildungsreife und den Kursen zur Vorbereitung auf die Begabtensonderprüfung zum Studium<br />
an pädagogischen Hochschulen. Auch eine verstärkte Arbeit in den Außenbezirken der Stadt<br />
lag ihr am Herzen.“ 235 Sie konzipierte Autorenlesungen, zudem wurden die Studienfahrten<br />
feste Programmbestandteile.<br />
Ursula Mänz verließ <strong>Iserlohn</strong>, um als wissenschaftlich-pädagogische Beraterin im Berliner<br />
Volkshochschulwesen in den Bereichen Literatur, Kunstgeschichte und Hobby tätig zu sein<br />
und um an zwölf Berliner Volkshochschulen zu unterrichten. 1972 wurde sie Leiterin der<br />
232 <strong>Iserlohn</strong>er Kreisanzeiger, 17. Dezember 1965.<br />
233 Interview von Verfasserin mit Marieluise Spangenberg am 5. Januar 2008 in <strong>Iserlohn</strong>.<br />
234 <strong>Iserlohn</strong>er Kreisanzeiger. 15. August 1970.<br />
235 <strong>Iserlohn</strong>er Kreisanzeiger. 15. August 1970.<br />
91
Kreisvolkshochschule Neustadt (ab 1974 Kreisvolkshochschule Hannover). 1981 ging sie in<br />
den Ruhestand. 236<br />
Ursula Mänz-Barron starb 1988. 237<br />
3.5.5.1.2. Horst Piltz<br />
<strong>Iserlohn</strong>s letzter Fußgänger, der „Mann der knalligen Ankündigungszettel mit der Vorliebe<br />
für vollgepflasterte Schaukästen“ 238 , <strong>Iserlohn</strong>s bestbezahltester Plakatkleber, ein Meister im<br />
Kontakte-Knüpfen: Horst Piltz war <strong>Iserlohn</strong>s typischstes Berliner Original – und kommt doch<br />
eigentlich aus Babelsberg (Potsdam).<br />
Dort wurde Horst Piltz am 20. Juni 1938 als Sohn eines Uhrmachers und technischen<br />
Angestellten geboren. Er wuchs in der DDR auf, reiste aber schon 1957 mit einem<br />
Interzonenpass in den Westen aus. Sein Abitur machte er in Marl, dort bekam er auch<br />
erstmals Kontakt zur ortsansässigen Volkshochschule. Die besuchte er fleißig: „Wenn man<br />
aus der DDR kam, hat man geistig aufgesaugt, was man aufsaugen konnte.“ 239 In Münster<br />
studierte er Geografie, Kunstgeschichte und Literatur, arbeitete während des Studiums als<br />
Deutschlehrer in Finnland und erhielt ein zweijähriges Stipendiat des schwedischen Königs in<br />
Stockholm.<br />
Zurück in Münster begann er fünf Jahre lang nebenberuflich bei der VHS zu arbeiten: Dann<br />
war der Wunsch, VHS-Arbeit hauptberuflich zu machen, so groß, dass er Stellenangebote<br />
durchsah – und sich zwischen fünf Städten für <strong>Iserlohn</strong> entschied. Die Gründe? „Die Nähe zu<br />
Münster war mir wichtig, <strong>Iserlohn</strong> hat Kultur, Tradition und Milieu und hat ferner<br />
Beziehungen zu Preußen – im Grunde bin ich immer zu Hause!“ 240<br />
1971 kam Piltz mit seiner Ehefrau, der Lehrerin Elke Piltz, in <strong>Iserlohn</strong> an, beide Töchter<br />
wurden hier geboren.<br />
236<br />
Landkreis Hannover (Hrsg.): 25 Jahre Kreisvolkshochschule Hannover 1971 – 1996. Ohne Ortsangabe 1996.<br />
S. 4 und 5.<br />
237<br />
Westfälische Rundschau. 25. Oktober 1988.<br />
238<br />
<strong>Iserlohn</strong>er Kreisanzeiger. 21. Juli 2003.<br />
239<br />
Interview der Verfasserin mit Horst Piltz im April 2005.<br />
240<br />
Interview der Verfasserin mit Horst Piltz im April 2005.<br />
92
Stets auch um seine eigene Fortbildung bemüht, absolvierte Piltz beispielsweise 1977 ein<br />
einmonatiges Seminar der Landeszentrale für politische Bildung für Dozenten, die im Bereich<br />
der außerschulischen politischen Bildung hauptberuflich tätig sind.<br />
1981 gab es ein Jubiläum zu feiern: Horst Piltz war nun seit zehn Jahren Leiter der VHS<br />
<strong>Iserlohn</strong>. Blumen und Geschenke erreichten ihn. „Seit zehn Jahren leitet Horst Piltz<br />
erfolgreich die <strong>Iserlohn</strong>er Volkshochschule, die mit ihrem vielseitigen Programm für alle<br />
Bürger einen großen Raum im geistigen Leben der Stadt einnimmt, die von Rat und<br />
Verwaltung gefördert wird und nach einem Weiterbildungsentwicklungsplan aufgebaut<br />
wird.“ 241 Er selbst resümierte: „Das große Mosaik der VHS setzt sich aus vielen kleinen<br />
Steinchen zusammen, ohne die haupt- und nebenamtlichen Mitarbeiter, aber vor allem ohne<br />
das Interesse der Bevölkerung, wäre die VHS in diesen zehn Jahren nicht so angewachsen.“ 242<br />
32 Jahre VHS-Arbeit machten den parteilosen Katholik zu einem bekannten Gesicht, sein<br />
Engagement, sein Witz und seine Hartnäckigkeit sind legendär. „Eine meiner Prinzipien war,<br />
zu den Bürgern hinzugehen.“ 243 In die Stadtteile also, auch thematisch.<br />
Horst Piltz war bekannt als chaotischer Mensch. „Er war manchmal etwas verrückt. Aber das<br />
muss man in diesem Job vielleicht auch sein“, erklärt etwa sein langjähriger Mitarbeiter Bodo<br />
Mebes. 244 Charmant sei er gewesen, so Irene Mesmann, aber auch anstrengend. 245 Doch bei<br />
aller Problematik: „Piltz hat sich für die VHS immer fürchterlich eingesetzt“ 246 .<br />
Nach seiner Pensionierung 2003 zog Horst Piltz nach Cloppenburg, in die Heimat seiner Frau.<br />
Dort widmet er sich nach wie vor Kunst und Bildung. Vor allem die Bauwerke, die zum<br />
UNESCO-Weltkulturerbe gehören, haben es ihm angetan, er reist viel.<br />
241 <strong>Iserlohn</strong>. Waldstadt-Information. Juli 1981. Seite 3.<br />
242 <strong>Iserlohn</strong>er Kreisanzeiger.<br />
243 Interview der Verfasserin mit Horst Piltz im April 2005.<br />
244 Interview von Verfasserin mit Bodo Mebes am 2. Juni 2009 in <strong>Iserlohn</strong>.<br />
245 Interview von Verfasserin mit Irene Mesmann am 2. Juni 2009 in <strong>Iserlohn</strong>.<br />
246 Interview von Verfasserin mit Irene Mesmann und Bodo Mebes am 2. Juni 2009 in <strong>Iserlohn</strong>.<br />
93
3.5.5.2. Die Fachbereichsleiter<br />
3.5.5.2.1. Susanne Seul (geborene Gerstenberg)<br />
Susanne Seul, geborene Gerstenberg, stammt aus Bad Doberan in Mecklenburg. Sie studierte<br />
Romanistik und Geschichte, schloss mit dem zweiten Staatsexamen ab. Danach arbeitete sie<br />
als Gymnasiallehrerin an Privatschulen. 247<br />
Seit dem 1. August 1978 war Susanne Gerstenberg pädagogische Mitarbeiterin der<br />
Volkshochschule <strong>Iserlohn</strong>. Sie war für den Bereich Sprachen und Schulabschlüsse zuständig.<br />
Im Mai 1980 verließ Susanne Seul, wie sie jetzt hieß, die Volkshochschule.<br />
3.5.5.2.2. Thomas Meyer<br />
Thomas Meyer stammt aus Bad Mergentheim. Nach einem Studium an einer Hochschule für<br />
Zeichnen und Gestalten erhielt er sein Diplom als Industrie-Designer. Er war dann<br />
Kunsterzieher an Grundschulen und Gymnasien. Zudem arbeitete er freiberuflich als<br />
wissenschaftlicher Mitarbeiter am Museum für Kunsthandwerk in Frankfurt am Main. 248<br />
Seit dem 1. August 1978 war Thomas Meyer pädagogischer Mitarbeiter für die Bereiche<br />
kreatives Gestalten, Sport und Gesundheitsfragen der Volkshochschule <strong>Iserlohn</strong>.<br />
Im Februar 1980 verließ er <strong>Iserlohn</strong>.<br />
3.5.5.2.3. Felix Freier<br />
Felix Freier wurde 1952 in Wanne-Eickel geboren und studierte Pädagogik, Kunstgeschichte<br />
und Publizistik an der Ruhr-Universität Bochum. Er schrieb seine Zulassungsarbeit zur<br />
Magisterprüfung im Hauptfach Pädagogik an der Ruhruniversität Bochum über „Die<br />
Volkshochschule als kultureller Lernort – Kreativität und Kunst“. 249 Nach dem Studium war<br />
er als freier Journalist sowie in der Erwachsenenbildung tätig.<br />
Am 1. Februar 1980 trat Felix Freier seinen Dienst als Fachbereichsleiter für den Fachbereich<br />
„Kreatives Gestalten und Freizeitaktivitäten“ (Kreativität, Freizeit, Gesundheit, Sport und<br />
Gymnastik) bei der Volkshochschule <strong>Iserlohn</strong> an.<br />
247 <strong>Iserlohn</strong>er Kreisanzeiger. 3. August 1978.<br />
248 <strong>Iserlohn</strong>er Kreisanzeiger. 3. August 1978.<br />
249 <strong>Iserlohn</strong>. Waldstadtinformation. April 1980. S. 5.<br />
94
Nach fünf Jahren verabschiedete sich Felix Freier dann von der VHS <strong>Iserlohn</strong>. Der nunmehr<br />
33-jährige Kommunikationswissenschaftler, Pädagoge und Kunsthistoriker trat eine neue<br />
Stelle als Leiter des neuen Fachbereichs Fotografie, Video und Film am Musischen Zentrum<br />
der Ruhruniversität Bochum an. Horst Piltz betonte, dass es Felix Freier gelungen sei, der<br />
VHS <strong>Iserlohn</strong> „seinen musischen Stempel aufzudrücken“ 250<br />
Bodo Mebes hat Felix Freier als „sehr kreativen Mann“ in Erinnerung, der anspruchsvoll<br />
gewesen sei und öfter in Konflikt mit Horst Piltz geriet. 251 Er sei fachlich sehr kompetent<br />
gewesen und hatte viele Visionen. In der VHS richtete er nicht nur die Fotowerkstatt ein,<br />
sondern initiierte auch die Keramikwerkstatt, Theater- und Pantomimeprojekte. „Er hat bei<br />
uns Spuren hinterlassen“, sagt Bodo Mebes. 252 Natürlich gab es auch Flops, wie etwa<br />
Kinoarbeit. Über <strong>Iserlohn</strong>s Grenzen hinaus erfolgreich dagegen waren seine Foto-Lehrbücher.<br />
Heute ist Felix Freier Leiter des Bereichs Fotografie/Film am Musischen Zentrum der Ruhr-<br />
Universität Bochum<br />
3.5.5.2.4. Dr. Ute Kaßnitz<br />
Dr. Ute Kaßnitz wurde in Bochum geboren, sie studierte später Sozialwissenschaften und<br />
Französisch an der Ruhruniversität Bochum. Hauptberuflich arbeitete sie zunächst als<br />
wissenschaftliche Hilfskraft, nebenberuflich an der dortigen Volkshochschule.<br />
Am 1. Mai 1980 begann sie ihre Tätigkeit als Fachbereichsleiterin für Sprachen und<br />
Schulabschlüsse. „Ich habe mir <strong>Iserlohn</strong> ausgesucht, weil die Stadt genau die richtige Größe<br />
hat. Sie ist groß genug um ein attraktives Programm aufzuziehen. Andererseits ist sie<br />
überschaubar und bietet eine angenehme Atmosphäre.“ 253 VHS-Leiter Horst Piltz erklärte ihr<br />
Aufgabengebiet so: „Sie stellt einen Gesprächspartner, eine Kontaktperson und eine<br />
Orientierungshilfe für die Öffentlichkeit dar.“ 254 Sie führte Einstufungsgespräche mit<br />
Sprachkursteilnehmern durch, koordinierte die Kurse und kümmerte sich um die<br />
Schulabschlüsse. „Man kann ihren Beruf ohne weiteres mit dem eines Marketing-Fachmannes<br />
250 <strong>Iserlohn</strong>er Kreisanzeiger. 19. Oktober 1985.<br />
251 Interview von Verfasserin mit Bodo Mebes am 2. Juni 2009 in <strong>Iserlohn</strong>.<br />
252 Interview von Verfasserin mit Bodo Mebes am 2. Juni 2009 in <strong>Iserlohn</strong>.<br />
253 <strong>Iserlohn</strong>er Kreisanzeiger. 9. Juli 1980.<br />
254 <strong>Iserlohn</strong>er Kreisanzeiger. 9. Juli 1980.<br />
95
vergleichen. So muss sie Angebot und Nachfrage analysieren und ,Marktlücken’ im<br />
Erwachsenenbildungsbereich ausfindig machen.“ 255<br />
Ihr Kollege Bodo Mebes hat sie als eine sehr intellektuelle Frau in Erinnerung, „die eigentlich<br />
gar nicht so richtig in eine Volkshochschule passte. Aber sie konnte sehr gut mit Menschen<br />
umgehen.“ 256 Sie verließ die <strong>Iserlohn</strong>er VHS 1985.<br />
3.5.5.2.6. Bodo Mebes<br />
Bodo Mebes ist ein Mann mit vielen Interessen: Diese Vielseitigkeit macht ihn zu einem<br />
vielgefragten VHS-Pädagogen.<br />
Geboren wurde er 1947 in Herzebrock bei Rheda als Sohn eines Flugzeugbauers. Der gelernte<br />
Werkzeugmacher ging selbst den zweiten Bildungsweg, holte die Mittlere Reife nach und<br />
studierte Kerntechnik in Jülich. Doch während des Studiums wurde er zum regelrechten<br />
Kernkraftgegner. Zwar machte er noch sein Diplom, orientierte sich beruflich jedoch in eine<br />
ganz andere Richtung. „Es hat mich in den Bereich Pädagogik reingezogen. In<br />
Lernsituationen zu stecken und Wissen weiterzugeben hat mich schon immer sehr<br />
interessiert“, erzählt Mebes. 257 Bodo Mebes studierte in Berlin Erwachsenenbildung, arbeitete<br />
von 1979 bis 1981 an der Volkshochschule Berlin-Neukölln.<br />
Dann allerdings wurde sein zweiter Sohn geboren, der an Krupp-Husten litt. Die Berliner<br />
Brikettheizungen waren schädlich für das Kind, die Ärzte empfahlen der Familie einen<br />
Umzug. Bodo Mebes bewarb sich an zahlreichen Bildungseinrichtungen, am Ende entschied<br />
er sich für eine Stelle in der Waldstadt <strong>Iserlohn</strong>.<br />
Am 1. Juli 1981 begann Bodo Mebes seine Tätigkeit als Fachbereichsleiter (zunächst für die<br />
Bereiche Mathematik, Naturwissenschaften, Technik und Wirtschaft) bei der<br />
Volkshochschule Iselrohn. Die Schwerpunkte seiner Arbeit bestanden anfänglich im Aufbau<br />
eines Programmangebotes in den Bereichen EDV (mit der Planung und Einrichtung<br />
entsprechender PC-Räume), Ökologie (wie zum Beispiel naturkundliche Wanderungen,<br />
Gärtnern ohne Gift, Öko-Bau und Fassadenbegrünung), Elektronik/Elektrotechnik (mit der<br />
Planung und Einrichtung eines Elektronik-Labors) und dem Fachbereich Wirtschaft (unter<br />
anderem mit Angeboten für Betriebesgründer, Steuerrrecht, Marketing und Buchführung).<br />
255 <strong>Iserlohn</strong>er Kreisanzeiger. 9. Juli 1980.<br />
256 Interview von Verfasserin mit Bodo Mebes am 2. Juni 2009 in <strong>Iserlohn</strong>.<br />
257 Interview von Verfasserin mit Bodo Mebes am 2. Juni 2009 in <strong>Iserlohn</strong>.<br />
96
Mebes interessiert sich für viele Dinge, in der VHS waren besonders die Themen Energie und<br />
Informatik seine liebsten Betätigungsfelder. Privat fährt der Vater dreier Söhne gerne Fahrrad,<br />
arbeitet viel im Garten, spielt Gitarre und malt.<br />
3.5.5.2.7. Sabine Schirra<br />
Aus 450 Bewerbern wurde die Frau aus Wanne-Ecikel zur Fachbereichsleiterin für Sprachen<br />
und Schulabschlüsse 1985 ausgewählt. Die 30-jährige Romanistin und Kunsthistorikerin<br />
wurde von Horst Piltz als „Glückstreffer“ 258 bezeichnet.<br />
<strong>Iserlohn</strong> kannte Sabine Schirra noch aus ihrer Referendariatszeit am Märkischen Gymnasium.<br />
Sie studierte Französisch und Kunstgeschichte in Aachen, Bonn und Dijon. Nach ihrem<br />
Examen im Dezember 1984 übernahm sie eine befristete Stelle als Museumspädagogin am<br />
Emschertalmuseum in Herne. Die Frau mit den Hobbies Fotografie, Kochen, Malerei,<br />
Jazztanz, Theater und Kino brachte neben fachlichen Voraussetzungen auch Weltoffenheit<br />
und Begeisterungsfähigkeit mit ein.<br />
1987 wechselte Sabine Schirra als Kulturamtsleiterin ins Rathaus. Seit 1992 ist sie Leiterin<br />
des Kulturamtes der Stadt Mannheim mit besonderem Schwerpunkt auf interkulturelle<br />
Kulturarbeit, Kreativwirtschaft, Qualitätsmanagement und Bildende Kunst.<br />
3.5.5.2.8. Margret Schlegel<br />
Seit Herbst 1985 war die Diplompädagogin Margret Schlegel als Fachbereichsleiterin der<br />
Fachbereiche Kreativität und Gesundheitsvorsorge an der Volkshochschule aktiv. Die in<br />
Herten Geborene und nun in Sümmern Wohnende war die Nachfolgerin von Felix Freier. Sie<br />
kannte sich bestens aus mit Kommunikation, Psychologie und Gruppendynamik, hatte<br />
darüber ihre Diplomarbeit geschrieben.<br />
„Sie stellte einiges auf die Beine, etwa die Kunst am Berliner Platz am Nußberg als<br />
Sommerprojekt 1986/87 oder das Theaterspiel ,Jedermann’ in Stübbeken“, erinnert sich Irene<br />
Mesmann an die viel zu früh verstorbene Kollegin. „Ich mochte sie gerne, sie war nett, aber<br />
auch kämpferisch.“ 259 Als eine „Pädagogin mit Herz und Seele“ ist sie Bodo Mebes in<br />
258 <strong>Iserlohn</strong>er Kreisanzeiger. 16. November 1985.<br />
259 Interview von Verfasserin mit Irene Mesmann am 2. Juni 2009 in <strong>Iserlohn</strong>.<br />
97
Erinnerung geblieben. 260 Sie hat sich nie in den Vordergrund gespielt, lieber im Hintergrund<br />
Akzente gesetzt, vor allem im Bereich der Stadtteilarbeit. In Hennen etablierte sie einen<br />
Frauenfrühschoppen.<br />
Eine schwere Krankheit zwang Margret Schlegel ab 1988, längere Auszeiten bei der VHS zu<br />
nehmen (ihre Dauervertretung war Lieselotte Berthold). Sie kämpfte tapfer gegen die<br />
Krankheit an. „Die ungetrübte Hoffnung und der offene Umgang mit ihrer Krankheit haben<br />
mich tief beeindruckt“, schrieb eine Journalistin. 261 Sie starb 1990 in Recklinghausen. Ihr<br />
früher Tod mit nur 48 Jahren löste große Betroffenheit aus. 262<br />
3.5.5.2.9. Wilfried Oslender<br />
Nachfolger von Sabine Schirra als Fachbereichsleiter für Sprachen und Schulabschlüsse<br />
wurde im Mai 1987 Wilfried Oslender.<br />
Wilfried Oslender wurde in Aachen geboren und war studierter Gymnasiallehrer (Hauptfach<br />
Anglistik). Fünf Jahre lang arbeitete er als Englischlehrer an der Volkshochschule Dinslaken.<br />
Wilfried Oslender ist begeisterter Rockmusiker. Mit dem 34-jährigen Anglisten mit der<br />
Vorliebe für britischen Humor kam nach zwei Romanistinnen seit Jahren wieder ein Mann auf<br />
dem Posten. „Ein offenes Ohr für die Bedürfnisse der Bevölkerung“ 263 wolle er haben,<br />
erklärte er bei Dienstantritt in <strong>Iserlohn</strong>. Es handelte sich um seine erste Festanstellung nach<br />
dem Zweiten Staatsexamen.<br />
Neben den Schulabschlüssen organisierte er die Aussiedler-Sprachkurse sowie Kurse im<br />
Bereich „Arbeiten und Lernen“ zusammen mit dem Arbeitsamt. Außerdem koordinierte er die<br />
Arbeiten und Absprachen für den Weiterbildungsentwicklungsplan in <strong>Iserlohn</strong>. Bei seiner<br />
Arbeit erhielt Wilfried Oslender auch Einblicke in die kommunale Verwaltung, vor allem<br />
auch in den Zusammenhang zwischen Politik und Verwaltung. „In <strong>Iserlohn</strong> habe ich viele<br />
nette Leute kennen gelernt. Das war eine wichtige und schöne Zeit.“ 264<br />
260 Interview von Verfasserin mit Bodo Mebes am 2. Juni 2009 in <strong>Iserlohn</strong>.<br />
261 Cornelia Fieker (heute Merkel) in der Neuen <strong>Iserlohn</strong>er Presse, 4. Juli 1990.<br />
262 Neue <strong>Iserlohn</strong>er Presse. 4. Juli 1990.<br />
263 <strong>Iserlohn</strong>er Kreisanzeiger. 6. Mai 1987.<br />
264 Interview von Verfasserin mit Wilfried Oslender am 10. April 2010.<br />
98
1993 verließ Wilfried Oslender die VHS wieder. „Ich bin doch immer Rheinländer<br />
geblieben“ 265 , erklärt er, warum er schnell das Angebot annahm, im Rheinland als Lehrer zu<br />
arbeiten und deshalb <strong>Iserlohn</strong> verließ. Er arbeitet heute als Lehrer an einer Gesamtschule in<br />
Aachen. Er ist verheiratet und hat einen Sohn.<br />
3.5.5.3. Die Mitarbeiter in der Verwaltung<br />
3.5.5.3.1. Günter Pfeifer<br />
Im August 1972 wurde der 31-jährige Günter Pfeifer aus Berlin Geschäftsführer der<br />
Volkshochschule <strong>Iserlohn</strong>. Als jung und dynamisch wurde er beschrieben. 266 Doch lange blieb<br />
er nicht in <strong>Iserlohn</strong>, bereits 1973 stellte er seinen Arbeitsplatz wieder zur Verfügung.<br />
3.5.5.3.2. Peter Bachmann 267<br />
Peter Bachmann, der jahrzehntelange VHS-Verwaltungsleiter, wurde 1941 in <strong>Iserlohn</strong> als<br />
Sohn eines Rechtsanwaltes und Notars geboren.<br />
Er wollte zunächst in die Fußstapfen seines Vaters treten und studierte Jura, begann dann<br />
jedoch eine Verwaltungsausbildung in <strong>Iserlohn</strong>. Direkt danach wurde er 1973<br />
Verwaltungsleiter der <strong>Iserlohn</strong>er Volkshochschule. „Rückblickend muss ich sagen, dass das<br />
die richtige Stelle für mich war.“<br />
2003 ging Peter Bachmann in die Freistellungsphase seiner Altersteilzeit, 2005 wurde er<br />
offiziell pensioniert. „Ich habe lange gebraucht, um mich von der VHS zu verabschieden, im<br />
Kopf war ich noch lange beteiligt.“ Noch heute besucht Bachmann die Kollegen von Zeit zu<br />
Zeit und nimmt gelegentlich noch an Vorträgen und Kursen teil, etwa im Kurs „Energiepass<br />
für das Haus“ 2007.<br />
3.5.5.3.3. Gertrud Müller<br />
„MM“ nannte Horst Piltz sie: „Mutter Müller“. Gertrud Müller war jahrzehntelang bei der<br />
VHS eine feste Größe, erst in Letmathe, dann in <strong>Iserlohn</strong>.<br />
1922 in Grünberg in Schlesien geboren, lebte Gertrud Müller einige Jahre in der DDR, wo sie<br />
auch ihren Mann heiratete. „1961 hauten wir ab über die Grenze“ 268 , das Ehepaar kam nach<br />
265 Interview von Verfasserin mit Wilfried Oslender am 10. April 2010.<br />
266 <strong>Iserlohn</strong>er Kreisanzeiger. 30. August 1972.<br />
267 Interview von Verfasserin mit Peter Bachmann am 2. August 2008 in <strong>Iserlohn</strong>.<br />
268 Interview der Verfasserin mit Gertrud Müller im April 2005.<br />
99
Letmathe. Gertrud Müller war gelernte kaufmännische Angestellte und arbeitete nun als<br />
Verwaltungsangestellte für die Stadt. Als treue Mitarbeiterin von Walter Schmidt war sie<br />
unter anderem für die Volkshochschule Letmathe zuständig. Sie tippte die Ankündigungen<br />
der Kurse und die Einladungen, nahm die Anmeldungen entgegen, saß bei Veranstaltungen an<br />
der Kasse und zahlte die Honorare an die Dozenten aus. Über die Zusammenlegung der<br />
beiden Städte Letmathe und <strong>Iserlohn</strong> war sie wie viele andere Letmather auch nicht glücklich,<br />
„den Umzug zögerten wir bis auf den letzten Tag hinaus.“ 269 Seit Januar 1975 saß Gertrud<br />
Müller dann in der Verwaltung der <strong>Iserlohn</strong>er VHS, 1982 wurde sie pensioniert. 270 Gertrud<br />
Müller lebt heute noch in Letmathe.<br />
3.5.5.3.4. Irene Mesmann 271<br />
Eines vorweg: Obwohl der Name Mesmann nur ein „s“ hat, wird der Vokal „e“ kurz<br />
ausgesprochen. „Meeeesmann klingt fürchterlich, der Name wird wie Messmann<br />
ausgesprochen. Mein Onkel hat ihn sogar dahingehend ändern lassen“, erklärt Irene<br />
Mesmann. Das Organisationstalent mit dem Kurzhaarschnitt ist seit Jahrzehnten aus der VHS<br />
nicht wegzudenken.<br />
Irene Mesmann wurde 1952 als Tochter eines Eisenbahnarbeiters in der Nähe von Belgrad<br />
geboren. Ihre Vorfahren stammten aus dem Schwarzwald, waren irgendwann nach<br />
Jugoslawien ausgewandert. Als Irene Mesmann sieben Jahre alt war, wanderte ihre Familie<br />
zurück ins Land der Vorfahren. „Damals sprach ich kein Wort Deutsch, dafür Jugoslawisch<br />
und Ungarisch.“<br />
Da Verwandte in <strong>Iserlohn</strong> wohnten, gingen die Mesmanns dorthin. Nach der Schule<br />
absolvierte Irene Mesmann ab 1968 eine Ausbildung zur Verwaltungsangestellten bei der<br />
Stadt <strong>Iserlohn</strong> – seitdem ist sie ununterbrochen für die Stadt tätig. Bereits während ihrer<br />
Ausbildung war sie ein halbes Jahr lang im Kulturamt unter Marieluise Spangenberg tätig,<br />
was ihr sehr gut gefiel. Umso erfreuter war sie dann, als sie nach ihrer Ausbildung 1971 die<br />
Versetzung zur Volkshochschule mitgeteilt bekam. Etwa zwei Wochen nach dem neuen<br />
VHS-Chef Horst Piltz fing sie als Verwaltungsangestellte dort an. Die akkurate, manchmal<br />
geradezu penible Mesmann stand oft im krassen Gegensatz zum chaotischen Horst Piltz – was<br />
sich wiederum auch perfekt ergänzte.<br />
269 Interview der Verfasserin mit Gertrud Müller im April 2005.<br />
270 <strong>Iserlohn</strong>er Kreisanzeiger. 20. März 1982.<br />
271 Interview von Verfasserin mit Irene Mesmann am 2. Juni 2009 in <strong>Iserlohn</strong>.<br />
100
Zunächst war Irene Mesmann für die Bereiche Anmeldung, Rechnungswesen,<br />
Dozentenhonorare und Kasse zuständig, 1988 wechselte sie in den Bereich<br />
Verwaltungsorganisation.<br />
Die Hundeliebhaberin Irene Mesmann hat selber zahlreiche VHS-Kurs besucht, zum Beispiel<br />
Sportkurse, Autogenes Training, Seidenmalerei und Pastellkreide.<br />
3.5.5.3.5. Dieter Kaminski 272<br />
Als Kind kam Dieter Kaminski nach <strong>Iserlohn</strong>. Nach einer Ausbildung als Maler und Lackierer<br />
verpflichtete er sich für zwölf Jahre bei der Bundeswehr, wo er eine Ausbildung als<br />
Verwaltungsangestellter durchlief. Danach blieb er im öffentlichen Dienst, absolvierte<br />
Praktika bei der Stadt und kam 1987 endgültig zur VHS, wo er bereits 1985 ein Praktikum<br />
absolviert hatte.<br />
Von der geordneten Bundeswehr in die leicht chaotische Piltz’sche Volkshochschule – das<br />
war eine Umstellung für Dieter Kaminski. Er war zuständig für Rechnungswesen und<br />
Anmeldungen.<br />
Dieter Kaminski hat selber Kurse bei der VHS besucht, zum Beispiel Kochkurse oder EDV-<br />
Kurse. Er ist verheiratet und hat einen Sohn.<br />
3.5.5.3.6. Martina Kalthoff (geborene Erbe)<br />
Fünf Jahre lang arbeitete Martina Kalthoff, damals hieß sie noch Martina Erbe, in der<br />
Verwaltung der Volkshochschule <strong>Iserlohn</strong>: Von 1982 bis 1987 war sie zuständig für die<br />
Bereiche allgemeine Verwaltung, VHS-Information, Teilnehmergewinnung und<br />
Öffentlichkeitsarbeit.<br />
Nach ihrer Verwaltungsangestellten-Ausbildung bei der Stadt <strong>Iserlohn</strong> landete sie zunächst im<br />
Liegenschaftsamt. Doch: „Ich wollte lieber mit Publikum arbeiten.“ Und so bewarb sie sich<br />
für die Stelle bei der VHS.<br />
272 Interview von Verfasserin mit Dieter Kaminski am 1.Juli 2009 in <strong>Iserlohn</strong>.<br />
101
Als Sabine Schirra 1987 zum Kulturamt wechselte, entschloss sich Martina Kalthoff,<br />
mitzugehen. „Ich wollte mal wieder etwas anderes machen.“ Bis 1992 arbeitete sie dort, nahm<br />
dann aber Erziehungsurlaub. 1995 fand Martina Kalthoff den Wiedereinstieg ins Berufsleben,<br />
arbeitet im Sekretariat der Realschule Letmathe. Sie wohnt mit Mann und Kind heute in<br />
Letmathe.<br />
3.5.5.3.7. Petra Baatz (geborene Ziebarth)<br />
„Ich habe sehr gerne bei der VHS gearbeitet“, erzählt Petra Baatz noch 20 Jahre später, „die<br />
Volkshochschule ist eine tolle Sache“. Die 1964 in Fröndenberg geborene<br />
Verwaltungsfachangestellte, die schon ihre Lehre bei der Stadt <strong>Iserlohn</strong> machte, wurde 1988<br />
Nachfolgerin von Irene Mesmann für den Bereich Anmeldung, Rechnungswesen,<br />
Dozentenhonorare und Kasse. Sie hatte sich bei einer Ausschreibung um die Stelle beworben.<br />
Petra Baatz erlebte bei der VHS beeindruckende Veranstaltungen wie mehrere „Tage der<br />
offenen Tür“, zudem belegte sie selber Kurse, etwa Autogenes Training, Englisch,<br />
Französisch oder Autorenlesungen.<br />
Im Sommer 1996 verabschiedete sie sich in den Mutterschutz und anschließenden<br />
Erziehungsurlaub. Heute lebt sie mit Mann und Kindern in Fröndenberg, ist noch geringfügig<br />
bei der Stadt <strong>Iserlohn</strong> beschäftigt.<br />
3.5.5.3.8. Angela Fochler (Juchum) 273<br />
Eigentlich wollte sie nur kurz als Aushilfe einspringen, doch daraus wurden mehr als 34<br />
Jahre: Angela Fochler war als Hausmeisterin der VHS-Villen an der Stennerstraße<br />
stadtbekannt, wurde oft als „guter Geist der VHS“ bezeichnet. In der VHS ist sie vielleicht<br />
eher als Angela Juchum bekannt, nach der Scheidung nahm sie ihren Mädchennamen Fochler<br />
wieder an.<br />
Die 1940 in Hemer geborene vierfache Mutter wohnte in den 1960er Jahren im Haus<br />
Stennerstraße 12, wo ja auch die VHS Räumlichkeiten hatte. Hin und wieder sprang sie mal<br />
hilfreich ein. Ab 1976 wurde eine Festanstellung draus, sie war nun für alle drei Häuser der<br />
VHS an der Stennerstraße zuständig. Angela Juchum, wie sie damals noch hieß, schloss<br />
Türen auf, empfing Dozenten, sorgte für Kreide und vieles mehr. Manche Dozenten, die<br />
273 Interview von Verfasserin mit Angela Fochler am 25. August 2009.<br />
102
hungrig oder durstig waren, lud sie kurzerhand in ihre Wohnung ein. „Das schönste war der<br />
Dienst am Abend, dann habe ich mich gerne mal mit den Dozenten und Teilnehmern<br />
unterhalten. Ich habe nie Ärger gehabt.“ Nur einmal sei ein Dozent etwas frech geworden.<br />
Sie selbst nahm auch an Kursen teil, etwa Yogakurse oder Radtouren durchs Münsterland.<br />
1991 feierte sie ihr 25-jähriges Hausmeister-Jubiläum. Kulturamtsleiterin Sabine Schirra<br />
gratulierte mit einem Präsent, auch zahlreiche andere Gratulanten fanden sich ein. 274<br />
Im Jahr 2000 wurde Angela Fochler nach fast 35 Jahren aus dem Dienst bei der<br />
Volkshochschule verabschiedet. Keiner der fest angestellten Kräfte war so lange bei der VHS<br />
wie sie.<br />
Nach wie vor ist sie der VHS eng verbunden, besucht gelegentlich die alten Kollegen, möchte<br />
gerne noch einen Italienischkurs belegen.<br />
3.6. 1991 bis 2009: Konsolidierung und Weiterentwicklung<br />
Nach den heftigen Diskussionen um die Finanzierung und die Programmgestaltung in den<br />
1980er Jahren waren die 1990er Jahre bei der Volkshochschule <strong>Iserlohn</strong> geprägt von<br />
Konsolidierung. Man konzentrierte sich weiterhin auf eine Professionalisierung und die<br />
Erweiterung des Angebots.<br />
3.6.1. Politische Veränderungen und die Auswirkungen auf die VHS Arbeit<br />
Politisch war der Beginn der 90er Jahre gekennzeichnet durch die Gestaltung der deutschen<br />
Einheit in einem erweiterten und stärker integrierten Europa. Nach dem Ende des Ost-West-<br />
Konflikts traten viele osteuropäische Länder der EU bei, die gleichzeitig entsprechend des<br />
Maastrichter Vertrags (1992), in dem unter anderem die Einführung der gemeinsamen<br />
Währung Euro vereinbart war, vertieft wurde.<br />
Entsprechend war der Themenschwerpunkt der VHS 1991 „Deutschland auf dem Weg zur<br />
Einheit“. Eine erste VHS-Exkursion nach Sachsen-Anhalt führte 1993 nach Bernburg/Saale –<br />
die Veranstaltung war eine Kooperation der <strong>Iserlohn</strong>er VHS mit der Kreis-VHS Bernburg.<br />
1992 lautete das VHS-Schwerpunktthema „Europa wird eins – wir machen mit“. 1993 stand<br />
ein Besuch der Ausstellung der Sparkasse „Sind nun wirklich alle Grenzen weg?“ auf dem<br />
Programm.<br />
274 <strong>Iserlohn</strong>er Kreisanzeiger. 13. April 1991.<br />
103
Einer der Themenschwerpunkte des Frühjahrssemesters 1996 lautete „Kulturhauptstadt<br />
Europas, Kopenhagen“.<br />
Die Osterweiterung der EU bot 1996 eine neue Besonderheit bei der <strong>Iserlohn</strong>er VHS: Eine<br />
Sommeruniversität in Nyíregyháza. Die zweiwöchige Veranstaltung in der <strong>Iserlohn</strong>er<br />
Partnerstadt in Ostungarn mit dem Schwerpunktthema „1100 Jahre Ungarn im<br />
Karpatenbecken“ wurde in deutscher Sprache durchgeführt. Täglich fanden durchschnittlich<br />
sechs Unterrichtsstunden in Form von Seminaren, Vorträge und Diskussionen zu<br />
unterschiedlichen Themenbereichen statt. Außerdem standen Gespräche und Diskussionen<br />
mit der Bürgermeisterin, mit ungarischen Familien, eine Stadtrundfahrt,<br />
Betriebsbesichtigungen (z.B. der Weinbetrieb in Tokaj), Roma-Folklore, ein Volkstanzabend,<br />
Exkursionen nach Debrecen, Hortobágy und Hajdúszoboszlo usw. auf dem Programm. Die<br />
Veranstalter der Sommeruniversität waren die TIT (etwa mit der VHS vergleichbar) und die<br />
Bessenyei-György-Hochschule in Nyíregyháza. Als Referenten war neben den TIT- und<br />
Hochschuldozenten auch Stadtarchivar Götz Bettge aus <strong>Iserlohn</strong> vorgesehen.<br />
Das Herbstsemester 1996 führte unter anderem eine Gruppe Interessierter mit Ulrike Eichholz<br />
(damals VHS-Kursleiterin) ins Europäische Parlament nach Strassburg. Die Studienfahrt war<br />
ein Weiterbildungsangebot des Heinz-Kühn-Bildungswerks Dortmund und der VHS. Auch<br />
Horst Piltz beschäftigte sich mit Europa, er hielt einen Vortrag über die Europastadt<br />
Strassburg und einen zum Thema „Europa auf dem Weg zur Einheit“.<br />
Gemäß den Wünschen des Kulturausschusses rief die VHS immer wieder<br />
Schwerpunktthemen aus, Themenschwerpunkte 1998 waren die „Kulturlandschaft<br />
Brandenburg“ und „Schweden und die Kulturhauptstadt Europas 1998 – Stockholm“.<br />
Die VHS beteiligte sich 2009 an den von der Stadt <strong>Iserlohn</strong> veranstalteten „Europawochen“:<br />
Vom 18. bis 20. Mai fanden „Europatage in der VHS“ statt, der Schwerpunkt war Polen. So<br />
trat der in Polen und mittlerweile auch in seinem Heimatland Deutschland bekannte Autor<br />
Steffen Möller in der VHS auf. Galeristin Eryka Schulok zeigte in ihrer Galerie<br />
zeitgenössische polnische Kunst und VHS-Dozentin Jolanta Lorenz bot ebenfalls<br />
verschiedene Kurse an.<br />
104
3.6.2. Die Fortschreibung zielgruppenspezifischer Angebote – Ein Spiegel<br />
sozialen und ökonomischen Wandels<br />
Die beiden Jahrzehnte vor und nach der Jahrtausendwende waren durch einen beschleunigten<br />
politischen, wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und technologischen Wandel gekennzeichnet.<br />
Unter dem Schlagwort „Globalisierung“ wurden viele dieser bedeutenden, sich gegenseitig<br />
beeinflussenden strukturellen Veränderungen auf vielen Gebieten zusammengefasst. Einige<br />
Reaktionen der Bildungsarbeit der VHS auf diesen Wandel sollen hier aufgezeigt werden.<br />
4.6.2.1. Die weitere Veränderung der Frauenrolle<br />
Seit Jahren gab es immer wieder besondere Angebote für Frauen. Waren diese in den 1950er<br />
Jahren hauptsächlich auf die Verbesserung von hausfraulichen Fähigkeiten ausgerichtet<br />
gewesen, konzentrierte man sich nun immer mehr auf die Förderung beruflicher<br />
Qualifikationen von Frauen. Im Herbstsemester 1990 gab es deshalb ein eigenes Kapitel im<br />
Programmheft mit dem Titel „VHS für Frauen“. Es wurden Rhetorikkurse,<br />
Orientierungskurse für Frauen in der Lebensmitte, Technik-, Politik-, Selbstverteidigungs-,<br />
Gesundheits-, Sport- und Kreativkurse sowie Gesprächsrunden angeboten. Das<br />
Frauenbildungsprogramm wurde zum Teil in Zusammenarbeit mit der städtischen<br />
Gleichstellungsstelle angeboten und hielt sich einige Jahre lang als eigener Programmpunkt.<br />
Nicht zuletzt durch die verstärkten Bildungsanstrengungen in den 70er und 80er Jahren war<br />
der Anteil der gut ausgebildeten Frauen in Deutschland ständig gestiegen. Entsprechend<br />
änderten sich die Lebensentwürfe der Frauen und das Problem der Vereinbarkeit von Familie<br />
und Beruf trat in den Vordergrund. Entsprechend findet man Anfang der 1990er Jahre im<br />
Programm die Veranstaltung „Frauen wieder in die Arbeitswelt!? Ein Aktivkurs zur<br />
Selbstbehauptung in Beruf und Familie“, die über mehrere Semester angeboten wurde.<br />
1991 bot Henneke von Bernstorff (Arolsen) „Rhetorik für Frauen“ an.<br />
„Frau – Hilf Dir selbst!“ lautete der Titel eines Seminars zum Thema „Reparaturen und<br />
Technik im Haushalt leichtgemacht“ im Herbst 1994.<br />
Auch im Frühjahrssemester 1995 gab es eine Extra-Seite mit einem Überblick über Kurse,<br />
Seminare, Vorträge und Gesprächskreise „extra für Frauen“. Einige Themen waren etwa „Die<br />
Lage der Frau im Islam“, „Mein Alltag mit Kindern“, „Rückkehr ins Berufsleben“ oder „EDV<br />
für Frauen“.<br />
105
Ute Einhaus veranstaltete zudem 1997 einen Theaterworkshop nur für Frauen.<br />
Die Frauengleichstellungsstelle der Stadt bot im Herbstsemester 1997 in Zusammenarbeit mit<br />
der VHS einen Computerkurs für Mädchen unter der Leitung von Jana Sandner an. 2001<br />
waren es schon sechs EDV-Kurse für Mädchen. „Keine Angst vor den Computern“ war ein<br />
Computerkurs speziell für Frauen mit Ute Esche bereits1987 betitelt. Seitdem werden bis<br />
heute spezielle Computerkurse für Frauen kontinuierlich angeboten.<br />
1999 wurden 80 Jahre Frauenwahlrecht in Deutschland in der VHS <strong>Iserlohn</strong> gefeiert.<br />
Sozialarbeiterin Ulla Stuckenschmidt bot im Frühjahrssemester 2000 ein<br />
Selbstbewusstseinstraining für Frauen an.<br />
Dr. Rachel Freudenthal, Jerusalem, referierte 1997 über „Frauen und Politik in Israel“.<br />
3.6.2.2. Folgen des demographischen Wandels<br />
3.6.2.2.1. Seniorenarbeit für die „Jungen Alten“<br />
Der bekannte demographische Wandel der Bundesrepublik Deutschland führt nicht nur zu<br />
einer Verschiebung im Altersaufbau der Bevölkerung hin zu einer großen Gruppe älterer<br />
Menschen, der eine kleinere jüngere Gruppe gegenübersteht. Er zeigt auch ein verändertes<br />
Selbstverständnis der „Senioren“. Sie wünschen keinen „verdienten Ruhestand“, sondern<br />
möchten aktiv am gesellschaftlichen und kulturellen Leben teilnehmen.<br />
Diesem Bedürfnis galt und gilt es auch in der VHS Rechnung zu tragen. Dominierten in den<br />
1960er bis 1980er Jahren „Gesprächskreise“ für Senioren, so zeigt sich jetzt ein erheblich<br />
umfangreicheres und vielfältigeres Angebot.<br />
Viele wollten auch an den technischen Neuerungen teilhaben.<br />
1996 gab es im Bereich EDV einen Seniorenkurs mit Christoph Diederich und Photoshop-<br />
Kurse mit Manfred Ropinski. Im Jahr 1997 übernahm Therese Hiltawsky den Letmather<br />
Seniorenkreis. Zudem gab es in <strong>Iserlohn</strong> keinen richtigen Seniorenkreis mehr, stattdessen ein<br />
so genanntes VHS-Weiterbildungsangebot in der Evangelischen Seniorenwohnanlage „Altes<br />
Stadtbad“. Die Leitung hatte Jutta Voß inne.<br />
Das Frühjahrssemester 2001 zeigt allein drei Kurse „Einführung in die EDV – Schritt für<br />
Schritt – für Senioren geeignet“<br />
Für die Seniorenkreise gab es 2004 eine Änderung: Die Angebote waren von nun an nicht<br />
mehr kostenlos. Nach wie vor leiteten Therese Hiltawsky (Letmathe), Albert Ferber (Hennen)<br />
106
und Klaus-Dieter Böttcher (<strong>Iserlohn</strong>erheide) die Veranstaltungen. Das VHS-Angebot im<br />
Alten Stadtbad stand mittlerweile unter der Leitung von Beate Herbers.<br />
Ab 2005 wurden die Seniorenangebote in Letmathe und Hennen fortgeführt. Die Sonderseite<br />
„Aktiv ab 50+“ im Programmheft signalisierte ein neues Verständnis für die aktiven, jung<br />
gebliebenen Senioren.<br />
3.6.2.2.2. Verstärkte Jugendarbeit<br />
Seit 2004 gibt es auch die zielgruppenspezifischen Angebote „Junge VHS“, die im<br />
Programmheft speziell auf einer Seite zusammengefasst werden. Grundsätzlich können alle<br />
Angebote der VHS ab einem Alter von 15 Jahren besucht werden. Im Bereich „Junge VHS“<br />
werden im Programmheft Angebote vorgestellt, die sich für Jugendliche zum Einstieg in das<br />
freie Lernen nach eigenen Interessen besonders eignen, etwa Step-Aerobic, Gitarrenkurse,<br />
Comics zeichnen oder Fremdsprachen.<br />
3.6.2.3. Zunehmendes Engagement zur Integration von Migranten<br />
Schon seit den 70er Jahren hatte sich die Volkshochschule <strong>Iserlohn</strong> bemüht, auch für die<br />
zahlreichen Migranten ein Angebot zu machen und das Zusammenleben mit den<br />
ausländischen Bürgern durch zahlreiche gemeinsame Veranstaltungen zu fördern. Die<br />
Verbesserung der Sprachkenntnisse hat dabei bis heute Priorität, da die Sprache die Basis für<br />
eine gelungene Integration ist.<br />
Im Bereich Sprachen wurden seit Oktober 1996 Deutschkurse für Ausländer nach den<br />
Richtlinien des „Sprachverbandes Deutsch für ausländische Arbeitnehmer“ in der VHS<br />
<strong>Iserlohn</strong> durchgeführt, auch dafür zeichnete Dr. Petra Heider verantwortlich. Das Angebot<br />
wurde aus den Mitteln des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung gefördert.<br />
In Kooperation mit dem Goethe-Institut gab es im Herbstsemester 1998 eine Vortragsreihe, in<br />
der Menschen in ihrer Muttersprache über ihre Heimat referierten.<br />
Die VHS <strong>Iserlohn</strong> erhielt 2005 ihre Zulassung als akkreditierter Integrationskursträger durch<br />
das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge. Nach dem neuen Zuwanderungsgesetz<br />
organisierte Claudia Weigel seit dem 1. Januar 2005 Integrationskurse für neu nach<br />
Deutschland gekommene Zuwanderer (Spätaussiedler/innen und Ausländer/innen). Die<br />
107
Volkshochschule <strong>Iserlohn</strong> bot folgende Integrationskurse an: Aufbau-Sprachkurse (B1) und<br />
Orientierungskurse auf Nachfrage.<br />
Durch diese Maßnahmen sollten auch die Chancen der Migranten auf dem Arbeitsmarkt<br />
verbessert werden. Seit den 1980er Jahren ist die Arbeitslosigkeit ein ungelöstes<br />
gesellschaftliches Problem. Besonders Geringqualifizierte sind durch den Strukturwandel der<br />
Wirtschaft betroffen. „Volkshochschule für Arbeitslose“ war ein Informationsgespräch im<br />
September 1995 mit Dr. Petra Heider betitelt. VHS-Mitarbeiter stellten dabei alle Kurse,<br />
Arbeitskreise, Lehrgänge und Seminare vor, die besonders für Arbeitslose geeignet waren.<br />
Spezielle Ermäßigungen für Personen, die Leistungen nach dem Asylgesetz, Grundsicherung<br />
oder Arbeitslosengeld bekommen, sowie für weitere Bedürftige sieht die Entgeltordnung nach<br />
Ratsbeschluss bis heute vor.<br />
3.6.3. Reaktionen auf den technologischen Wandel<br />
Eine der zentralen Antriebskräfte der Globalisierung war die Verbreitung der<br />
Informationstechnologie in Unternehmen und Verwaltung und schließlich, als die PCs immer<br />
preisgünstiger wurden, ihre Nutzung auch im privaten Bereich. Durch den Siegeszug des<br />
Internets ist es möglich Informationen aus aller Welt in kürzester Zeit zu erhalten. Dass diese<br />
Entwicklung zur Wissens- und Informationsgesellschaft für die Arbeit der VHS im neuen<br />
Jahrtausend von entscheidender Bedeutung war, ist selbstverständlich.<br />
Schon Anfang der 90er Jahre gab es verstärkt EDV-Angebote, allein vier PC-Fachräume<br />
(einer in Letmathe) wurden installiert. „Es gab damals einen unheimlich rasanten Anstieg an<br />
EDV-Kursen“, erinnert sich Programmbereichsleiter Bodo Mebes. 275 Die technischen<br />
Veränderungen in der Arbeitswelt machten die Angebote nötig. „Wir reagieren ja auf<br />
Nachfrage“, betont Mebes. 276<br />
Allein im Frühjahrssemester 1991 gab es 22 Angebote im Bereich EDV (Datenverarbeitung,<br />
Betriebssystem, Anwender-Programme, Programmiersprachen und Informatik-Zertifikat).<br />
Im Bereich Mathematik, Naturwissenschaften und Technik informierte Dipl.-Ing. Michael<br />
Nicolai 1994 über das Tabellenkalkulationsprogramm Excel. 29 EDV-Kurse gab es in diesem<br />
275 Interview von Verfasserin mit Bodo Mebes am 18. September 2009.<br />
276 Interview von Verfasserin mit Bodo Mebes am 18. September 2009.<br />
108
Semester. Windows, Word und Excel waren dabei immer mehr auf dem Vormarsch – wie<br />
überall in den westlichen Industrieländern.<br />
31 EDV-Kurse wurden im Frühjahr 1996 bei der <strong>Iserlohn</strong>er VHS veranstaltet. Mittlerweile<br />
bot man auch so genannte Anwenderpässe an, ein Lehrgangssystem war entwickelt worden,<br />
das von den Volkshochschulen in NRW unter Aufsicht des Landesverbandes der<br />
Volkshochschulen angeboten und durchgeführt wurde. Zwar war mittlerweile die Bedeutung<br />
von Computern im Zeitalter der Globalisierung erkannt worden, und in der VHS gab es<br />
zahlreiche EDV-Kurse. In der dortigen Verwaltung aber kam die neue Technik allerdings erst<br />
allmählich an. Ortrun Davis war seit 1996 neu im Verwaltungsteam, sie war für die<br />
Anmeldungen und Kassenverfahren zuständig. Damals machte sie auch erste Erfahrungen mit<br />
Computern, Dieter Kaminski wies sie in das VHS-System ein. „Jeden Abend musste eine<br />
Sicherungskopie gemacht werden, das war mühsam“, erinnert sie sich. 277 An E-Mails war<br />
noch nicht zu denken, das meiste wurde per Post, vieles telefonisch abgewickelt.<br />
Dass die EDV-Angebote sich weltweit immer ähnlicher wurden, zeigt ein Blick ins<br />
Frühjahrsprogramm 2001. Man findet weltweit verbreitete Programme wie Word,<br />
Powerpoint, Excel, Corel-Draw, Access und Linux, deren Handhabung an der VHS <strong>Iserlohn</strong><br />
unterrichtet wurde. „Die EDV-Angebote wurden immer Anwender-spezifischer“, so Bodo<br />
Mebes 278 . Kurz darauf wurde auch das Lehrgangssystem „Xpert – Europäischer Computer-<br />
Pass“ eingeführt, das Kenntnisse und Fertigkeiten in allen gängigen Anwenderprogrammen<br />
anbot. Es ersetzte das bundesweit und teilweise europaweit einheitliche Lehrgangssystem<br />
„Anwenderpass“.<br />
Prof. Dr. Hermann Johannes berichtete über das Internet unter dem Titel: „Vom Wohnzimmer<br />
in die Welt“. Das war das erste VHS-Weiterbildungsangebot im Rahmen der langfristig<br />
angelegten VHS-Vortragsreihe „Technik, Gesellschaft und Politik“. 68 Kurse zu den Themen<br />
EDV wurden im Frühjahrssemester angeboten, zunehmend auch Internet-Kurse. Das World<br />
Wide Web war auf dem Vormarsch.<br />
Im Jahr 2009 bot die VHS <strong>Iserlohn</strong> 49 Kurse im Bereich EDV an. Der Bereich hieß seit<br />
einigen Jahren nun „EDV – Beruf“, was zeigt, dass in der globalisierten Welt EDV und Beruf<br />
eng miteinander verknüpft sind.<br />
277 Interview von Verfasserin mit Ortrun Davis am 15. Juli 2009.<br />
278 Interview von Verfasserin mit Bodo Mebes am 18. September 2009.<br />
109
Im Frühjahrssemester 1997 begann auch der Arbeitskreis Energiewende („Energiewende –<br />
jetzt und hier“) seine Arbeit. Unter der Leitung von Stefan und Rüdiger Hiltawsky wurden in<br />
diesem Arbeitskreis die Technik neuer Energien, schwerpunktmäßig der Solarenergie,<br />
veranschaulicht. Zudem wurden energiepolitische Chancen und Probleme diskutiert. Der Kurs<br />
mit seiner stets hochaktuellen Thematik wurde zu einem wahren Dauerbrenner, läuft seitdem<br />
ununterbrochen bei der VHS.<br />
3.6.4. Regionale Identität<br />
Um 1995 sah Horst Piltz die VHS <strong>Iserlohn</strong> als „größte Infobörse im Märkischen Kreis“:<br />
Wissenswertes über Kunst und Kultur aus allen Herren Länder würde dort vermittelt<br />
werden. 279 Sicherlich spiegelt sich hier das Bedürfnis der VHS- Besucher nach Weltoffenheit<br />
und Kenntnisse über globale Zusammenhänge wider. Doch findet man im VHS-Programm<br />
gleichzeitig viele Veranstaltungen mit regionalen Bezügen. Vielleicht zeigt sich darin der<br />
Wunsch sich gerade im Zeitalter der Globalisierung auch seiner regionalen Wurzeln und<br />
Identität bewusst zu sein. Hier sollen einige besondere Höhepunkte dieses Aspekts aufgezeigt<br />
werden.<br />
Stadtarchivar Götz Bettge begeisterte im Frühjahr 1991 mit seinem stadtgeschichtlichen<br />
Vortrag „Villen und Gärten in <strong>Iserlohn</strong>“. Horst Piltz begab sich auf die „Spuren jüdischen<br />
Lebens in Westfalen“. Marlis Gorki bot eine „Große <strong>Iserlohn</strong>er Stadtrundfahrt mit Besuch des<br />
Nadelmuseums Barendorf“ an.<br />
Im Oktober 1993 gab es einen Vortrag über das „Schützenwesen in Westfalen“.<br />
Im Herbstsemester 1994 sprach Ralf Wenzel zum Thema „Die evangelische Kirche und der<br />
Nationalsozialismus in <strong>Iserlohn</strong>“, Horst Piltz hielt einen Vortrag anlässlich einer<br />
Postkartenausstellung mit <strong>Iserlohn</strong>er Motiven und veranstaltete eine Gesprächsrunde zum<br />
Thema „75 Jahre Volkshochschule <strong>Iserlohn</strong> – ein Stück <strong>Iserlohn</strong>er Stadtgeschichte“. Man<br />
besuchte zudem eines der größten Antiquariate des Landes, die Firma Josef Broich an der<br />
Hans-Böckler-Straße.<br />
279 Waldstadt-Info <strong>Iserlohn</strong>. März 1995. Nr. 3.<br />
110
1995 war das Kriegsende vor 50 Jahren ein Thema, Dr. Hans-Jürgen Burgard hielt im März<br />
1995 einen <strong>Iserlohn</strong>-spezifischen Vortrag.<br />
Die Volkshochschule publizierte 1996 das Heft „Moderne Kunst in <strong>Iserlohn</strong> – Kunst im<br />
öffentlichen Raum“, ein Skulpturenführer von Klaus Kösters, Münster, und VHS-<br />
Fachbereichsleiterin Lieselotte Berthold. Stadtarchivar Götz Bettge führte durch eine<br />
Ausstellung mit Bildern der <strong>Iserlohn</strong>er Kaufmannsfamilie Löbbecke in der Städtischen<br />
Galerie „die welle“, Marieluise Spangenberg, die frühere Kulturamtsleiterin und VHS-<br />
Leiterin, hielt dazu einen Vortrag.<br />
Hans-Martin Herbers führte 1996 zum wiederholten Mal durch die Varnhagensche Bibliothek<br />
in <strong>Iserlohn</strong> und Kantor Gotthard Gerber zeigte auf der „<strong>Iserlohn</strong>er Orgelrundfahrt“<br />
musikalische Schätze.<br />
Eine Ausstellung war 1997 betitelt „Blickpunkte – Bürger fotografieren ihre Stadt <strong>Iserlohn</strong>“.<br />
Es wurden Arbeiten aus dem „Haus des betreuten Wohnens“ nach einem VHS-Kurs mit Ralf<br />
Bodemer und Uta Rademacher gezeigt.<br />
1998 feierte man den 85. Geburtstag des heimischen Künstlers Oskar Escherich. Dieser war<br />
seit Jahren VHS-Kursleiter im Fachbereich „Kreativität“, Fach Malen. „Mit seiner fachlich<br />
versierten und freundlichen Art hatte Oskar Escherich schnell viele Kursteilnehmerinnen und<br />
-teilnehmer gewonnen, so dass dieses VHS-Weiterbildungsangebot mit wechselnden<br />
Unterrichtsorten im VHS-Arbeitsplan langfristig vertreten war: im Haus An der Schlacht 2<br />
und dann im VHS-Atelier Friedrichstraße 29.“ 280<br />
Stadtarchivar Götz Bettge bot 1998 erstmals seinen Kurs „Stadtbefragung“ an, bei dem<br />
anhand von Quellen und Beispielen aus der ortsgeschichtlichen Literatur Stationen der<br />
<strong>Iserlohn</strong>er Geschichte behandelt wurden.<br />
Seit Herbst 1998 schmückten <strong>Iserlohn</strong>er Motive die Umschlagseiten der Arbeitspläne. In den<br />
folgenden Jahren waren unter anderem die Bauernkirche, das Mahnmal am Poth, Haus<br />
Letmathe, das Rathaus und der Danzturm Motive.<br />
280 Waldstadt-Info <strong>Iserlohn</strong>. April 1998. S. 10.<br />
111
1999 wurde die VHS <strong>Iserlohn</strong> 80 Jahre alt, die VHS gab eine kostenlose, von Klaus Schlünder<br />
vom Stadtmarketing gestaltete Postkarte heraus. Ein Grußwort schrieb zudem Prof. Dr. Rita<br />
Süssmuth, Präsidentin des Deutschen Volkshochschulverbandes und frühere<br />
Bundesministerin für Jugend, Familie und Gesundheit und ehemalige Präsidentin des<br />
Deutschen Bundestages. 80 Jahre VHS <strong>Iserlohn</strong>, dies seien „achtzig Jahre öffentliche<br />
Erwachsenenbildung im Dienst der Bürgerinnen und Bürger. Und es sind – besonders in<br />
Gegenwart – Jahre des Engagements für Bildung und Kultur, die von der <strong>Iserlohn</strong>er<br />
Volkshochschule stets als Einheit gesehen wurden“, so Rita Süssmuth.<br />
Museumspädagoge Peter A. Häusser führte im Frühjahrssemester 1999 unter dem Motto<br />
„<strong>Iserlohn</strong> – die Stadt, in der ich lebe“ durch das Stadtmuseum und zeigte zudem die<br />
Ausstellung „Für Freiheit und Recht – Die Revolution von 1848/49 in Westfalen und Lippe“.<br />
Götz Bettge sprach über „Die Opfer des Nationalsozialismus in <strong>Iserlohn</strong>“.<br />
Werner Kroll leitete im Jahr 2000 eine Talkrunde für Bürger, Politiker und Planer zum Thema<br />
„Fahrradfreundliches <strong>Iserlohn</strong>“ in Zusammenarbeit mit dem Allgemeinen Deutschen Fahrrad-<br />
Club (ADFC). Gezeigt wurde im Oktober auch eine Fotoausstellung „Bäume – lohnende<br />
Motive in Stadt und Landschaft“, die Lieselotte Berthold und Wolfgang Graeber vom<br />
Umweltamt des Märkischen Kreises organisiert hatten.<br />
Der Themenschwerpunkt des Frühjahrssemesters 2001 lautete „Literatur in <strong>Iserlohn</strong>: 20<br />
Lesungen und Buchpräsentationen“. Reinhard Frohne führte zudem in diesem Semester durch<br />
das Museum für Handwerk und Postgeschichte. Und im Bereich „Kreativität“ startete das<br />
Projekt „Abbabach und Baarbach“. Bei einer Studienfahrt mit Sigrid Kanthack-Leser<br />
(Umweltamt), Marlis Gorki (Stadtinformation) und Lieselotte Berthold erkundeten die<br />
Teilnehmer zunächst die beiden Bäche, Marlis Gorki und Lieselotte Berthold veranstalteten<br />
dann einen dazu passenden Foto-Workshop, Gustav Müller leitete einen Malerei-Workshop<br />
und schließlich mündete das Ganze in eine Ausstellung in der Treppengalerie der VHS und<br />
einem Begleit-Heftchen.<br />
2004 informierte Wolf R. Seltmann über „<strong>Iserlohn</strong> – die Stadt in der frühen Neuzeit“ und<br />
„<strong>Iserlohn</strong> – das lange 19. Jahrhundert“ und IKZ-Redaktionsleiter Thomas Reunert klärte die<br />
Frage „Wie sag ich’s meiner Zeitung?“.<br />
112
Anlässlich des „3. Tages der Medienkompetenz“ im Landtag NRW machten sich im Jahr<br />
2006 die jeweiligen Abgeordneten auf den Weg zu besonderen Medienpräsentationen.<br />
Landtags-Vizepräsidentin Angela Freimuth und der heimische Landtagsabgeordnete Thorsten<br />
Schick wurden von Lieselotte Berthold in der Städtischen Galerie in <strong>Iserlohn</strong> begrüßt. Dort<br />
zeigte die VHS eine Zusammenfassung ihres Projektes „Orte und Plätze“ sowie ein<br />
Zwischenergebnis des Projektes „<strong>Iserlohn</strong> – ein lohnendes Motiv“, die von Kursleiter Michael<br />
May und VHS-Teilnehmern durchgeführt wurden.<br />
Brandamtsrat a.D. Theodor Spiegel referierte über „Brände und Brandschutz in der<br />
Geschichte der Stadt <strong>Iserlohn</strong>“, Götz Bettge führte seine „Stadtbefragung“ zum Thema<br />
<strong>Iserlohn</strong>er Geschichte weiter und Katja Hofbauer bot einen Ahnenforschungs-Kurs in<br />
Letmathe an.<br />
2009 waren bei der VHS <strong>Iserlohn</strong> unter anderem der 100. Geburtstag des Danzturms und der<br />
100. Todestag des ersten Landeshauptmanns von Westfalen und gebürtigen Letmathers<br />
August Overweg Themen.<br />
3.6.5. Stadtteile<br />
1991 begann die Volkshochschule <strong>Iserlohn</strong> auch ihre Arbeit im Stadtteil Lössel, die<br />
Veranstaltungen dort fanden hauptsächlich in der Begegnungsstätte statt.<br />
Großer Beliebtheit erfreuten sich nach wie vor die VHS-Seniorenkreise. Weiterhin leitete<br />
Heinrich Hardt den Kreis in Letmathe und Ernst Koch die Treffen in der <strong>Iserlohn</strong>erheide. In<br />
Hennen war Alfons Köster mittlerweile Seniorenkreisleiter, in <strong>Iserlohn</strong> Ewald Haegemann.<br />
„Fünf Jahre VHS in der <strong>Iserlohn</strong>er Heide“ feierte man im Oktober 1995. Ein umgestaltetes<br />
Ladenlokal an der Ginsterstraße und ein großzügiger Landeszuschuss von 200 000 DM hatten<br />
damals den Start ermöglicht. Das Jubiläum wurde in geselliger Runde gefeiert,<br />
Kulturdezernent Werner Isenberg überreichte den beiden fleißigen Hausmeistern ein Bild als<br />
Dank. 281<br />
Erstmals fanden 1998 VHS-Veranstaltungen im Buchenwäldchen statt.<br />
281 Westfälische Rundschau. Lokalteil <strong>Iserlohn</strong>. 26. Oktober 1995.<br />
113
Beim VHS-Seniorenkreis in Hennen gab es 2003 eine personelle Veränderung: Albert Ferber,<br />
pensionierter Schlosser, leitete nun den Seniorenkreis. Bereits seit 1990 hielt er Vorträge für<br />
die VHS in Hennen. Er löste damit Alfons Köster ab, der zehn Jahre den Kreis geleitet hatte.<br />
2005 brachte die VHS eine von der heimischen Historikerin und Journalistin Katja Hofbauer<br />
verfasste Chronik zum Thema „50 Jahre VHS in Letmathe“ heraus. Man stellte die Chronik<br />
beim Klang- und Lichterfest in Letmathe und in einer kleinen Feierstunde in der Trillingschen<br />
Villa vor.<br />
3.6.6. Räumliche Veränderungen<br />
1992 wurde die VHS-Arbeit auf den Stadtteil Wermingsen ausgeweitet, weil der neu<br />
entstandene Wohnpark Buchenwäldchen Bedarf anmeldete. Auch eine Zusammenarbeit mit<br />
dem „Haus des betreuten Wohnens“ wurde Kursen für geistig Behinderte erprobt.<br />
Mitten im 75-jährigen Jubiläumsjahr 1994 wünschten sich aber einige <strong>Iserlohn</strong>er die VHS<br />
möglichst weit weg: Die Anwohner der Gartenstraße, die an die Stennerstraße mit ihren VHS-<br />
Villen stößt, forderten die „Verbannung“ der Einrichtung ins Hemberg-Schulzentrum. Eine<br />
Bürgerinitiative war eigens gegründet worden. „Wie kann man eine Volkshochschule in eine<br />
Wohngebietssackgasse legen?“, fragte sich Initiator Michael Blecher. Zudem wurde<br />
bemängelt, dass es bei weitem nicht genügend Parkplätze gebe und die Anwohner durch Lärm<br />
belästigt würden. 282 Bekanntlich hatte die Bürgerinitiative keinen Erfolg, es sollten noch 14<br />
Jahre vergehen, ehe die VHS umzog.<br />
Im Oktober 1995 gab es erneut Stimmen, die sich die VHS weit weg wünschten. Die CDU<br />
hatte Vorschläge zur Auslagerung von VHS und Stadtarchiv in die ehemalige<br />
Winkelmannkaserne am Stadtrand unterbreitet. Dagegen wehrten sich Stadtarchivar Götz<br />
Bettge und VHS-Leiter Horst Piltz vehement. Ihr Argument: Die Institute müssten in der City<br />
bleiben, eine zentrale Lage und eine gute Erreichbarkeit seien von enormer Bedeutung. Beide<br />
konnten sich dabei auf einschlägige Gutachten stützen. „Als Utopie, die er selbst als VHS-<br />
Leiter wohl kaum noch erleben dürfte, nennt Horst Piltz (57) einen Neubau, natürlich mitten<br />
in der Stadt.“ 283 Darüber konnte sich erst seine Nachfolgerin Lieselotte Berthold freuen.<br />
282 <strong>Iserlohn</strong>er Kreisanzeiger. 27. Mai 1994.<br />
283 <strong>Iserlohn</strong>er Kreisanzeiger. 13. Oktober 1995. Tatsächlich war Horst Piltz schon einige Jahre im Ruhestand, als<br />
die VHS 2008 in einen eigens konzipierten Neubau im Stadtbahnhof – in bester zentraler Innenstadt-Lage – zog.<br />
114
Die neue VHS-Leiterin und ihr Team schufen 2005 durch die Neuordnung und Verlegung der<br />
Bibliothek in der Stennerstraße 3 einen neuen Unterrichtsraum. Auch wurde ein Beamer zur<br />
besseren Durchführung von Präsentationen im Seminarraum installiert. Man führte so<br />
genannte VHS-Scouts ein, die in der ersten Unterrichtswoche den Teilnehmern den Weg zu<br />
ihren Unterrichtsräumen wiesen. Verstärkt wurden Ein-Euro-Kräfte und Praktikanten zur<br />
Erledigung verschiedener Arbeiten (Sprachenberatung, etc.) eingebunden. Der Online-Auftritt<br />
wurde erweitert, Kursteilnehmer und Dozenten konnten von nun an Formulare herunterladen.<br />
Ein Meilenstein in der VHS-Geschichte war das Jahr 2006: Im Mai beschloss der Rat der<br />
Stadt, dass die Volkshochschule ihren langjährigen Sitz in den Villen der Stennerstraße zum<br />
Jahreswechsel 2007/2008 verlassen würde: Das Gebäude des neuen Stadtbahnhofs wurde<br />
gemeinsam mit der Volkshochschule als Hauptmieter geplant, die Räume eigens für die VHS<br />
konzipiert. Ein Meilenstein in der VHS-Geschichte, ein jahrzehntelang gehegter Traum würde<br />
wahr werden. Am 21. September 2006 unterzeichneten <strong>Iserlohn</strong>s Bürgermeister Klaus Müller<br />
und der Investor, die Firma Freundlieb, den Mietvertrag für die Nutzung zweier Etagen im<br />
neu zu erbauenden Stadtbahnhof durch die Volkshochschule. Am 2. November begannen die<br />
Abbrucharbeiten am alten Bahnhof, die, genau wie die folgenden Bauarbeiten, auf der<br />
Homepage der VHS durch eine öffentliche Webcam verfolgt werden konnten.<br />
Im Januar 2008 erfolgte dann der Umzug in die nagelneuen Räumlichkeiten im Stadtbahnhof.<br />
Auf zwei Etagen ist dort die Volkshochschule in maßgeschneiderten Räumen untergebracht.<br />
Lieselotte Berthold und Sascha Reetz waren bei den Planungen der VHS-Etagen stark<br />
beteiligt, es gab viele Besprechungen mit den Architekten, den Fachingenieuren und dem<br />
Kommunalen Immobilien Management (KIM). „Da hat die Stadt uns viele Möglichkeiten<br />
gegeben“, so Sascha Reetz 284 . Reetz kaufte sogar eigens ein Computerprogramm, damit sie<br />
sich die Entwürfe auch dreidimensional anschauen konnten. Immer wieder gab es neue Ideen,<br />
wurde Pläne noch rasch geändert – sogar während der Bauphase. Das Resultat kann sich<br />
sehen lassen: Moderne, helle, großzügige Räume, in denen das Lernen noch mal so viel<br />
Freude macht. Die Farbkonzeption und Dekorationen sind ansprechend, vor allem Sascha<br />
Reetz gab viele kreative Impulse. Zudem ist die Raumaufteilung sehr flexibel gestaltet: „Wir<br />
können jederzeit aus einem normalen Fachraum einen EDV-Raum machen und umgekehrt“,<br />
erklärt Reetz. 285<br />
284 Interview von Verfasserin mit Sascha Reetz am 1. Juli 2009 in <strong>Iserlohn</strong>.<br />
285 Interview von Verfasserin mit Sascha Reetz am 1. Juli 2009 in <strong>Iserlohn</strong>.<br />
115
Der Umzug selber war aufwändig, bedurfte monatelanger Vorbereitungen. Was kommt mit in<br />
den Stadtbahnhof, was bekommt das Stadtarchiv und was wird weggeworfen? – Das waren<br />
die zentralen Fragen in diesen Monaten. Dann kam der 2. Januar 2008: die Umzugswagen<br />
rollten an. Dieter Kaminski und Ulrike Eichholz beaufsichtigten den Umzug in der<br />
Stennerstraße, die anderen Kollegen nahmen alles im Stadtbahnhof in Empfang und<br />
beaufsichtigten den Aufbau. Da in der Stennerstraße die Türen die ganze Zeit aufstanden,<br />
froren Kaminski und Eichholz – und fuhren in der Mittagspause erst einmal zum Aufwärmen<br />
in den Stadtbahnhof. Dann war aber immer noch nicht alles überstanden, in den Büros und<br />
Seminarräumen stapelten sich zunächst die Kisten. Doch zur Eröffnung war alles fertig.<br />
Am Samstag, 26. Januar 2008, öffnete die Volkshochschule <strong>Iserlohn</strong> dann offiziell ihre<br />
Pforten im neuen Stadtbahnhof. Bürgermeister Klaus Müller durchschnitt das rote Band an<br />
der Treppe, dann strömten Tausende von neugierigen <strong>Iserlohn</strong>ern durch die neuen Räume.<br />
„Riesenandrang: Im Stadtbahnhof staute sich Verkehr“ titelte der Kreisanzeiger. 286 Zahlreiche<br />
ehrenamtliche Mitglieder des städtischen Dienstes Continue wiesen den Besuchern im<br />
Stadtbahnhof den Weg in die neuen Räume.<br />
Mit 409 Angeboten startete die VHS 2008 ins Frühjahrssemester – das erste, das im<br />
nagelneuen Stadtbahnhof stattfand. Damit die Bürger auch den Weg dorthin fanden, leitet ein<br />
so genannter „Weiterbildungsweg“ der Volkshochschule in Form von 55 kleinen farbigen<br />
Plakathinweisen mit Wortspielen (an Laternenpfählen) durch die Innenstadt gelegt. Er zog<br />
sich bis zum 29. Februar 2008 wie ein buntes Band durch <strong>Iserlohn</strong>, von der Stennerstraße,<br />
dem ehemaligen VHS-Standort, bis zum Bahnhofsplatz.<br />
Die Arbeit in den neuen Räumen war für Hausmeister Kurt Geltsch bald kaum noch zu<br />
bewältigen. Von morgens bis abends gab es Kurse, oft auch samstags und sonntags. Ab 2008<br />
standen ihm deshalb mit Martin Wimmer und Marion Kubowski zwei Servicekräfte zur Seite.<br />
Inhaltlich wies das Programm eine mit den neuen Räumlichkeiten verknüpfte Neuerung auf:<br />
Leslie Carrick bot – inspiriert vom neuen VHS-Domizil im Bahnhof – den Kurs „English<br />
Business Smalltalk“ für Zug-Pendler an. Die Veranstaltung war eine Kooperation mit der<br />
Deutschen Bahn AG und dem Zweckverband Ruhr-Lippe. Der Kommunikationskurs wurde<br />
einmal pro Woche im Erste-Klasse-Abteil auf der Zugstrecke <strong>Iserlohn</strong>-Dortmund angeboten<br />
286 <strong>Iserlohn</strong>er Kreisanzeiger. 28. Januar 2008.<br />
116
und richtete sich an viel beschäftigte Pendler. Leider fand der Kurs nicht die erwartete<br />
Resonanz und wurde bald eingestellt.<br />
Im Herbst 2009 wurde dann auch das Parkplatzproblem an der VHS gelöst. Bisher hatten die<br />
Kursteilnehmer an der Straße oder an einem weiter entfernten Parkplatz parken müssen, was<br />
besonders in den Abendstunden für einige problematisch war. Nun aber wurde das neue<br />
Parkhaus Stadtbahnhof der Gesellschaft für Wirtschaftsförderung eröffnet. Mit einer<br />
Parkgebühr von 50 Cent pro Stunde ist es das günstigste der drei städtischen Parkhäuser. In<br />
dem Parkhaus steht auch eine (kostenpflichtige) VHS-Fahrrad-Abstellanlage den Teilnehmern<br />
und Dozenten von VHS-Kursen zur Verfügung.<br />
3.6.7. Umstrukturierungen und Qualitätssicherung<br />
Das Herbstprogramm 1999 erschien in einer Auflage von 30 000 Stück, mittlerweile gab es<br />
nur noch elf Fachbereiche:<br />
1. Lerntechniken (Horst Piltz)<br />
2. Sozialwissenschaften (Horst Piltz)<br />
3. Erziehungs- und Geisteswissenschaften (Horst Piltz)<br />
4. Weiterbildung für ältere Menschen (Horst Piltz)<br />
5. Sprachen (Dr. Petra Heider mit Dipl. Sozialarbeiter Andreas Groß)<br />
6. Schulabschlüsse (Dr. Petra Heider mit Andreas Groß)<br />
7. Wirtschaft und Kaufmännische Praxis (Bodo Mebes)<br />
8. Mathematik, Naturwissenschaften und Technik (Bodo Mebes)<br />
9. Berufliche Bildung (Bodo Mebes)<br />
10. Kreativität (Lieselotte Berthold)<br />
11. Gesundheitsvorsorge (Lieselotte Berthold)<br />
Im April 2000 gab es ein neues Weiterbildungsgesetz in NRW. Weiterhin förderte das Land<br />
die Weiterbildung, beteiligte sich an den Kosten für das hauptamtliche bzw. hauptberufliche<br />
pädagogische Personal und für die Maßnahmen, die nach Unterrichtsstunden und<br />
Teilnehmertagen berechnet werden. Kreisfreie Städte, Große kreisangehörige Städte und<br />
Mittlere kreisangehörige Städte waren verpflichtet, Einrichtungen der Weiterbildung zu<br />
errichten und zu unterhalten. 287<br />
287 Wortlaut des Gesetzes beispielsweise unter http://www.dgb-bildungswerknrw.de/index.php?mapid=weiterbildungsgesetz__wbg_.<br />
Stand August 2009<br />
117
2003, 2004 und 2005 gab es einige personelle Veränderungen bei der VHS. 2003 gingen<br />
gleich zwei VHS-Urgesteine in den verdienten Ruhestand: Horst Piltz und Peter Bachmann.<br />
Lieselotte Berthold übernahm den Posten der VHS-Leitung. Sascha Reetz wurde Nachfolger<br />
von Peter Bachmann und stellvertretender VHS-Leiter. Seit Juli 2003 hatte zudem Ulrike<br />
Eichholz als Programmbereichsleiterin eine halbe Stelle, sie teilte sie sich eine pädagogische<br />
Vollzeitstelle mit Galerie-Leiter Rainer Danne. Diese sozusagen geteilte Vollzeitstelle lief<br />
Mitte 2004 aus, weil ab dann nur noch drei pädagogische Vollzeitstellen anstelle der bis dahin<br />
vier zur Verfügung standen. Nach dem Weggang von Dr. Petra Heider im Herbstsemester<br />
behielt Ulrike Eichholz ihre halbe Stelle, eine andere halbe Stelle übernahm Claudia Weigel<br />
für den Bereich als Programmbereichsleiterin des Bereichs Sprachen. Rainer Danne schied als<br />
Pädagoge aus, konzipiert aber seitdem im Bereich Kultur das Veranstaltungsangebot für die<br />
VHS.<br />
Beide Chefs in der VHS <strong>Iserlohn</strong> waren nun neu im Amt – da waren Veränderungen<br />
vorprogrammiert. Lieselotte Berthold und Sascha Reetz holten die Volkshochschule <strong>Iserlohn</strong><br />
sowohl inhaltlich als auch organisatorisch und optisch ins neue Jahrtausend.<br />
Die Struktur des Programms wurde ab 2004 dem Berichtswesen des Deutschen<br />
Volkshochschulverbandes angepasst und in sieben Programmbereiche gegliedert:<br />
1. Politik – Gesellschaft – Umwelt (Ulrike Eichholz)<br />
2. Kultur – Gestalten (2004: Rainer Danne, ab 2005 Bodo Mebes in Kooperation mit<br />
Rainer Danne)<br />
3. Gesundheit (Lieselotte Berthold)<br />
4. Sprachen (2004 I: Dr. Petra Heider, ab 2004 II: Claudia Weigel)<br />
5. EDV – Beruf (Bodo Mebes)<br />
6. Grundbildung – Schulabschlüsse (2004 I: DR. Petra Heider, ab 2004 II: Ulrike<br />
Eichholz)<br />
7. Qualifizierung – Management (Bodo Mebes / Lieselotte Berthold)<br />
Zusätzlich erscheinen die Sonderseiten:<br />
8.01 VHS für junge Leute<br />
8.02 Aktiv ab 50+<br />
8.03 VHS in der JVA (Justizvollzugsanstalt)<br />
Die Fachbereichsleiter hießen nun Programmbereichsleiter.<br />
118
Es gab ab Oktober 2004 die Möglichkeit des Online-Buchens der Veranstaltungen. Auch<br />
bekam die VHS ein neues Logo (Marketingkonzept mit Corporated Design für Logo und<br />
Veröffentlichung).<br />
Zudem wurden – zur besseren Effektivität bei reduziertem Personal - so genannte „Service-<br />
Teams“ gebildet, jedem Pädagogen ist eine Verwaltungskraft zugeordnet. „So ist ein besseres<br />
Miteinander möglich und die Verwaltungskräfte kennen sich in dem jeweiligen Bereich aus,<br />
können Teilnehmerfragen gezielter beantworten“, so Sascha Reetz. 288<br />
Die Umstrukturierung forderte und motivierte das VHS-Team zugleich. Angesichts des<br />
Ergebnisses strahlten dann alle verdientermaßen stolz: Seit 2005 ist die Volkshochschule<br />
<strong>Iserlohn</strong> mit dem Qualitätszertifikat „Gütesiegel Weiterbildung NRW“ für die Anwendung<br />
von Qualitätsmanagement ausgestattet. Am 21. Juni 2005 wurde das Gütesiegel übergeben. 289<br />
Die <strong>Iserlohn</strong>er VHS war NRW-weit die erste Volkshochschule, die Mitglied im 2003<br />
gegründeten Gütesiegelverbund Weiterbildung ist, und die Auszeichnung erhielt. Im Mai<br />
2008 wurde die VHS erneut geprüft, stellte wieder ihre Qualitäten unter Beweis und wurde<br />
ein weiteres Mal zertifiziert. Qualitätsbeauftragter im Haus ist Bodo Mebes. Was diese<br />
Zertifizierung genau bedeutet? Die VHS hatte ihre Organisation monatelang auf den<br />
Prüfstand gestellt und sich von externen Beobachtern begutachten lassen. Das Resultat: Die<br />
VHS konnte ihre Qualitäten in verschiedenen Bereichen wie Kundenzufriedenheit, Beratung,<br />
Ausrichtung des Programms, Lernerfolge und ständige Weiterentwicklung beweisen. 290<br />
Ein gutes Ranking erzielte die <strong>Iserlohn</strong>er VHS zudem bei der Wirtschaftlichkeit (bezogen auf<br />
vergleichbare Volkshochschulen in NRW) laut Prüfung durch die Gemeindeprüfungsanstalt<br />
NRW (GPA).<br />
Die Erreichung des Qualitätszertifikats kann als ein Höhepunkt in der Geschichte der<br />
Volkshochschule <strong>Iserlohn</strong> angesehen werden – gerade im Rückblick auf die Diskussionen in<br />
den 1980er Jahren, die kurzfristig in Überlegungen um eine Schließung der Einrichtung<br />
gegipfelt hatten. Trotz der Erfolge blieb die Finanzierung der VHS angespannt. Es gab 2005<br />
harte Einschnitte. Wie etwa, dass <strong>Iserlohn</strong> nach neuesten Berechnungen knapp unter 100 000<br />
Einwohner groß ist und deshalb eine Reduzierung der Anzahl der hauptamtlichen<br />
pädagogischen Vollzeit-Mitarbeiterstellen von vier auf drei erfolgte (was dadurch<br />
aufgefangen werden konnte, dass die Programmbereichsleiterinnen Ulrike Eichholz und<br />
288 Interview von Verfasserin mit Sascha Reetz am 1. Juli 2009.<br />
289 Volkshochschule <strong>Iserlohn</strong>: Jahresbericht 2005.<br />
290 Siehe beispielsweise auch www.iserlohn.de/Kultur/Volkshochschule/Unterseite_QM.php<br />
119
Claudia Weigel sich eine Stelle teilen). Dadurch bedingt gab es eine Minderzuweisung des<br />
Landeszuschusses um 32 000 Euro. Weitere Folgen: Die Zahl der Schulabschluss-Kurse<br />
wurde von zwei auf einen reduziert. Die VHS-Arbeit in Dröschede und <strong>Iserlohn</strong>erheide und<br />
die damit verbundenen Räumlichkeiten wurden aufgegeben (für vier Kurse in der<br />
<strong>Iserlohn</strong>erheide wurden bis 2007 Räume angemietet) und die Kooperation mit anderen<br />
Kulturinstituten der Stadt erweitert. 291<br />
Seit Januar 2006 gibt es die „Beratungsstelle Bildungscheck“ der VHS und der Gesellschaft<br />
für Wirtschaftsförderung, zunächst in der Stennerstraße 3 und seit 2008 im Stadtbahnhof.<br />
2006 führte man 244 Beratungsgespräche mit Firmen und Beschäftigten durch. Als Berater<br />
konnten Betriebswirtin Elvira de Pasqua und Diplomingenieur Norbert Merkel gewonnen<br />
werden. Sie berieten nun kleine und mittlere Firmen und ihre Beschäftigten über<br />
Förderungsmöglichkeiten des Landes und der EU für arbeitsplatznahe Fortbildungen und<br />
stellten Bildungschecks aus.<br />
Die schlechte Nachricht: Die Landesregierung kürzte die Fördermittel für die Weiterbildung<br />
2006 um 5 Prozent und kündigte für 2007 eine Kürzung von sage und schreibe 19 Prozent an.<br />
1256 Teilnehmer der VHS <strong>Iserlohn</strong> beteiligten sich an einer Postkarten-Aktion gegen diese<br />
geplanten Kürzungen. Immerhin: Ein Teil der Kürzungen für 2007 wurden daraufhin<br />
zurückgenommen. 292<br />
Im Sommer 2009 führte die Studentin Dorle Ullmann eine Passantenbefragung über die<br />
<strong>Iserlohn</strong>er VHS durch. 123 Personen ab dem 16. Lebensjahr wurden dabei befragt. Mit Hilfe<br />
der Studie sollte zum einen ein Meinungsbild der Bürgerinnen und Bürger über die<br />
Volkshochschule erfragt und zum anderen Kundenwünsche wie bevorzugte Bildungsinhalte<br />
und Lernformen aufgedeckt werden. Auch die Möglichkeit eines Vergleichs der<br />
Volkshochschule in <strong>Iserlohn</strong> mit den Ergebnissen der Telefonstudie „ Die Volkshochschulen<br />
in Nordrhein-Westfalen - im Meinungsbild 2004“ sollte berücksichtigt werden.<br />
Die wichtigsten Ergebnisse der Umfrage: Wichtigstes Kommunikationsmittel zur Verbreitung<br />
des VHS-Angebots ist das Programmheft, gefolgt von der Tageszeitung und Empfehlungen<br />
durch Freunde oder Bekannte.<br />
Mit überwältigender Mehrheit sind die Befragten ganz klar der Meinung, dass die<br />
Volkshochschule ihre öffentliche Aufgabe weiter behalten soll. Trotz leerer öffentlicher<br />
Kassen sind sie von der Richtigkeit der Förderung der VHS durch Stadt und Land überzeugt:<br />
291 Volkshochschule <strong>Iserlohn</strong>: Jahresbericht 2005.<br />
292 Volkshochschule <strong>Iserlohn</strong>: Jahresbericht 2006.<br />
120
Mehrfachbesucher und Einmalbesucher zu 100 Prozent und auch die Nicht-Besucher mit<br />
immerhin 97 Prozent.<br />
Die VHS wird laut der Studie sehr positiv bewertet. Auffällig ist, dass die Professionalität der<br />
Angebote von der Gruppe der Mehrfachbesucher sogar höher bewertet wird als von der<br />
Gruppe der Einmalbesucher und Nicht-Besucher. Von Mehrfach- und Nicht-Besuchern wird<br />
die Volkhochschule nicht so preiswert eingeschätzt, wie von Einmalbesuchern. Insgesamt<br />
liegt die Bewertung aber noch in der oberen Mitte. Unter den Einmalbesuchern hat die<br />
Volkhochschule eine leichte Imagetendenz „altmodisch“ zu sein. Sowohl bei den<br />
Mehrfachbesuchern als auch bei den Nicht-Besuchern besteht eine Tendenz die VHS „eher<br />
für Frauen“ geeignet zu halten. Als „überflüssig“ wird die Volkhochschule nur von einem<br />
verschwindend geringen Teil der Befragten erachtetet.<br />
Sowohl Mehrfachbesucher als auch Einmalbesucher gaben besonders häufig die Erweiterung<br />
des Allgemeinwissens als Anlass für den VHS-Besuch an.<br />
Als bevorzugte Themen insgesamt betrachtet wurden Gesundheit von 71 Prozent und<br />
Sprachen von 70 Prozent genannt, gefolgt von Kreatives von 59 Prozent und Beruf - EDV<br />
von 58 Prozent.<br />
Mit insgesamt 64 Prozent Zustimmung wurde von allen Personengruppen die traditionellen<br />
„Kurse über einen längeren Zeitraum“ als bevorzugte Veranstaltungsform genannt. Für<br />
Mehrfachbesucher sind mit großem Abstand zur Nummer Eins Wochenendkurse die zweite<br />
Alternative, während Einmalbesucher „Onlinekurse mit persönlicher Betreuung“ als<br />
zweithäufigste Wunschlernform angaben.<br />
Vergleicht man die Passantenbefragung in <strong>Iserlohn</strong> mit der Telefonumfrage „Die<br />
Volkshochschulen in Nordrhein-Westfalen – im Meinungsbild 2004“ zeigt sich, dass die<br />
<strong>Iserlohn</strong>er Studie in vielen Teilen Ähnlichkeiten mit der NRW-Studie aufweist. Erfreulich<br />
war allerdings, dass die Akzeptanz und Zustimmung zur Förderung der Volkshochschulen als<br />
öffentliche Aufgabe durch Stadt und Land liegen, trotz wirtschaftlich schwierigen Zeiten, in<br />
<strong>Iserlohn</strong> sogar noch höher als 2004 im Meinungsbild von ganz NRW liegt. Insgesamt wurde<br />
die Volkshochschule in <strong>Iserlohn</strong> etwas besser bewertet als im Landesdurchschnitt 2004.<br />
Insbesondere die Kundenfreundlichkeit und Aktualität heben sich für <strong>Iserlohn</strong> positiv vom<br />
Meinungsbild 2004 ab. Ebenso wird die Volkshochschule in <strong>Iserlohn</strong> etwas preiswerter<br />
eingeschätzt als in ganz NRW 2004. 293<br />
293 Alle Angaben aus: Die Volkshochschule in <strong>Iserlohn</strong> – eine Passantenbefragung. 2009. Durchgeführt von<br />
Dorle Ullmann. Unveröffentlichtes Manuskript im Besitz der Volkshochschule <strong>Iserlohn</strong>.<br />
121
3.6.8. Die wichtigsten Mitarbeiter des dargestellten Zeitraums<br />
3.6.8.1. Die VHS-Leiterin<br />
3.6.8.1.1. Lieselotte Berthold<br />
Seit Sommer 2003 leitet Lieselotte Berthold die Volkshochschule <strong>Iserlohn</strong>.<br />
Geboren 1949 in Ludwigshafen am Rhein wuchs sie in Germersheim in der Pfalz auf. Sie<br />
studierte in Mainz und Kiel Physik und schloss das erste Studium mit dem Physik-Diplom ab.<br />
Nach der Geburt von zwei Söhnen und einer mehrjährigen Familienphase absolvierte sie 1985<br />
erfolgreich das zweite Staatsexamen für das Lehramt. Seit 1978 lebt sie mit ihrer Familie in<br />
Hemer. Bereits seit 1982 ist sie bei der <strong>Iserlohn</strong>er Volkshochschule tätig, zunächst als<br />
Dozentin, danach von 1988 bis 2003 als hauptberufliche Leiterin der Fachbereiche Kreativität<br />
und Gesundheitsvorsorge (1988-1990 als Vertreterin von Margret Schlegel). 2003 wurde sie<br />
vom Rat der Stadt <strong>Iserlohn</strong> zur VHS-Leiterin gewählt. Neben der Leitungsaufgabe organisiert<br />
sie auch den Programmbereich Gesundheit.<br />
Berufsbegleitend erwarb sie die zertifizierten Abschlüsse zum NLP-Practitioner, zum NLP-<br />
Master und zum Systemischen Professionellen Coach und studierte Kulturmanagement an der<br />
Fern-Universität Hagen. Seit 2009 ist sie Mitglied im Organisations- und Finanzausschuss des<br />
Landesverbandes der Volkshochschulen von Nordrhein Westfalen.<br />
„Veränderungen sind Chancen“, sagt sie in Bezug auf die Novellierung des<br />
Weiterbildungsgesetzes (WBG) und auf den Umzug in den Stadtbahnhof. „Die<br />
Umstrukturierung der <strong>Iserlohn</strong>er VHS als Folge des WBG von 2005, die Einführung des<br />
Qualitätsmanagements und der neue Standort haben die <strong>Iserlohn</strong>er VHS zu einer modernen,<br />
kundenfreundlichen und effektiven Weiterbildungseinrichtung gemacht, die beispielhaft für<br />
die Region ist.“<br />
„Gemeinsam sind wir stark“, ist einer ihrer Leitsätze. Das gilt für die Zusammenarbeit im<br />
hauptberuflichen VHS-Team, mit dem Dozenten-Team und den Mitwirkungsgremien ebenso<br />
wie für die Zusammenarbeit mit anderen Institutionen und Einrichtungen.<br />
122
3.6.8.2. Die Fachbereichsleiter<br />
3.6.8.2.1. Dr. Petra Heider 294<br />
Im Januar 1994 wurde Dr. Petra Heider als neue Fachbereichsleiterin für Sprachen und<br />
Schulabschlüsse in der Volkshochschule <strong>Iserlohn</strong> begrüßt.<br />
Die gebürtige Frankenthalerin (Pfalz) legte ihre Abiturprüfung am Hagener Hildegardis-<br />
Gymnasium ab, studierte in Bonn, Paris, Spanien und Mexiko. Sie kann zahlreiche<br />
Abschlüsse vorweisen: 1. und 2. Staatsexamen für die Sekundarstufe I und II in Französisch<br />
und Spanisch, Magister Artium in spanischer und französischer Philologie sowie<br />
Entwicklungshilfe plus eine Promotion in Hispanik. Sie erlangte ihre Promotion mit dem<br />
Thema „Die Frage der Macht in drei Diktatorenromanen Lateinamerikas“. Praktische<br />
Volkshochschulerfahrung sammelte sie bei der VHS in Hagen.<br />
In der <strong>Iserlohn</strong>er VHS lebte sie sich schnell und gut ein, seit dem 15. Oktober 1995 war Dr.<br />
Petra Heider auch stellvertretende Leiterin dieser Volkshochschule.<br />
Dr. Heider erzählt: „Ich selbst bin ein Beispiel für eine Kursteilnehmerin, die mit Hilfe der<br />
Volkshochschule <strong>Iserlohn</strong> verborgene Fähigkeiten entdeckte. Im Februar 2003 meldete ich<br />
mich für den Pastellkreidekurs unter der Leitung von Karl-Heinz-Heun in Letmathe an und<br />
belegte auch den Folgekurs. Das Ergebnis war in der Ausstellung meiner Pastellkreidebilder<br />
unter dem Titel „Europa – über Städte und Land“ in der VHS-Treppengalerie im<br />
Frühjahrssemester 2004 zu sehen.“<br />
2004 verabschiedete sich Dr. Petra Heider aus <strong>Iserlohn</strong>. Heute ist sie stellvertretende<br />
Direktorin der Volkshochschule Lippe-West.<br />
3.6.8.2.2. Ulrike Eichholz<br />
Lebenslanges Lernen bedeutet für Ulrike Eichholz „niemals geistig einzurosten“ 295 . Und das<br />
glaubt man der quirlig-fröhlichen Programmbereichsleiterin (Politik, Gesellschaft und<br />
Umwelt sowie für Grundbildung – Schulabschlüsse) aufs Wort, so engagiert setzt sie diese<br />
Idee um.<br />
294 Interview mit Dr. Petra Heider im Mai 2008.<br />
295 Szene <strong>Iserlohn</strong> Magazin. August 2003. S. 14.<br />
123
Die gebürtige Letmatherin Ulrike Eichholz studierte nach dem Abitur Geschichte und<br />
Germanistik an der Ruhruniversität Bochum, nach einem Referendariat in Menden erfolgte<br />
leider ein Anstellungsstopp für Lehrer. Sie entschloss sich dann, erst einmal zu heiraten und<br />
bekam mit ihrem Ehemann zwei Töchter.<br />
Eine Anzeige in der Zeitung machte sie dann Ende der 80er Jahre auf die VHS aufmerksam.<br />
Horst Piltz suchte damals eine Nachfolgerin für Eike Schafferts Kursus „Politik interessiert<br />
mich wohl, und ich möchte gerne mehr wissen“. Seit dem Herbstsemester 1989 leitete Ulrike<br />
Eichholz den Kursus, erweiterte in den folgenden Jahren ihr Engagement bei der VHS noch<br />
auf Vorträge und Studienreisen – am liebsten zum Thema Demokratie.<br />
Seit Juli 2003 ist Ulrike Eichholz als Programmbereichsleiterin mit einer halben Stelle fest<br />
angestellt. Sie lebt heute in Oestrich.<br />
3.6.8.2.3. Rainer Danne 296<br />
Rainer Danne und die Volkshochschule – das passt einfach hervorragend zusammen. Rainer<br />
Danne ist nicht nur Leiter der städtischen Galerie, sondern arbeitet seit Jahren auch für die<br />
VHS.<br />
Danne wurde 1960 in <strong>Iserlohn</strong> geboren. Nach dem Abitur studierte er in Marburg, Bochum<br />
und Dijon Kunstgeschichte, verbrachte zudem zwei Auslandssemester in Toulouse.<br />
Anfang der 1990er Jahre erstellte er eine Konzeption für die Städtische Galerie, seit 1997 ist<br />
er offiziell deren Leiter – und sozusagen der Hüter des städtischen Kunstbesitzes.<br />
Schon in den 1990ern war Rainer Danne VHS-Dozent für ein kunstgeschichtliches Seminar in<br />
Letmathe. Als Horst Piltz dann 2003 in Rente ging, wurde eine Fachbereichsleiter-Stelle frei,<br />
die Rainer Danne sich zwei Jahre lang mit Ulrike Eichholz teilte. Danne war somit für<br />
Geisteswissenschaften und Kreativität zuständig. „Das funktionierte gut und machte viel<br />
Spaß“. Rainer Danne ist seit 2005 offiziell „fester Kooperationspartner“ und unterstützt Bodo<br />
Mebes bei der Organisation des Programmbereichs Kultur - Gestalten. Ihm liegen vor allem<br />
die Bereiche Fotografie, die mit Küchenmeister Joachim Brandt durchgeführte Reihe „Ein<br />
Kunst- und Kocherlebnis“, Kunstgeschichte sowie Fahrten (etwa zur Frankfurter Buchmesse)<br />
am Herzen.<br />
296 Interview von Verfasserin mit Rainer Danne am 2. Juli 2009.<br />
124
Was zeichnet die Arbeit bei der VHS für ihn aus? „In der Galerie bin ich mehr oder weniger<br />
Einzelkämpfer, da macht es Spaß, bei der VHS in einem Team zu arbeiten.“ In einer<br />
Zeitschrift erklärte er im August 2003, mit dem Begriff Volkshochschule verbinde er „einen<br />
sympathisch offenen Bildungsträger für jedermann“. Und:„Lebenslanges Lernen bedeutet für<br />
mich eine mit Gelassenheit zu ertragende Notwendigkeit.“ 297<br />
Rainer Danne ist verheiratet und hat ein Kind.<br />
3.6.8.2.4.Claudia Weigel 298<br />
Die gebürtige Mainzerin Claudia Weigel wuchs in Dortmund in einem polyglotten Elternhaus<br />
auf: Die Mutter, eine gebürtige Spanierin, war in Frankreich aufgewachsen. Der Vater war<br />
technischer Übersetzer und Dolmetscher. „Sprachen waren bei uns immer Thema am<br />
Küchentisch“, erzählt Claudia Weigel. Sie wusste schon früh, dass sie beruflich etwas im<br />
Bereich Erwachsenenbildung machen möchte. Sie studierte Sprachlehr- und –lernforschung,<br />
Orientalistik und Romanistik an der Ruhr-Universität Bochum, in Granada und Tunis mit den<br />
Zielsprachen Deutsch als Fremdsprache, Spanisch und Hocharabisch. Schon während des<br />
Studiums gab sie Deutsch- und Spanischkurse an verschiedenen Volkshochschulen und an<br />
anderen Weiterbildungseinrichtungen. Ihre empirische Magisterarbeit schrieb sie über „Die<br />
mündliche Fehlerkorrektur aus der Perspektive erwachsener Mitlerner im Spanischunterricht<br />
der Volkshochschule“.<br />
Der Berufswunsch stand mittlerweile nämlich fest: Fachbereichsleiterin an einer<br />
Volkshochschule – wohl wissend, dass die Stellen rar gesät sind.<br />
Nach einem Volontariat war sie zunächst Lektorin in einem Schulbuchverlag und nahm<br />
parallel ein Fernstudium „Erwachsenenbildung“ and er Universität Kaiserslautern auf. Als in<br />
Coesfeld für 3 volle Semester eine Vertretung für die dortige Fachbereichsleiterin Sprachen<br />
gesucht wurde, bewarb sie sich und bekam die Stelle. „Ich habe dort sehr viel gelernt und<br />
hoffte mit dieser Qualifikation, woanders noch bessere Chancen zu haben. Leider musste ich<br />
bei meinen bundesweiten Bewerbungen feststellen, dass die wenigsten Auswahlverfahren<br />
wirklich offen waren.“ Nach Abschluss des Fernstudiums und nach einer Fortbildung im<br />
Web-Bereich erhielt sie eine Festanstellung als Deutschdozentin im Lehrgebiet Deutsch als<br />
297 Szene <strong>Iserlohn</strong> Magazin. August 2003. S. 15.<br />
298 Interview von Verfasserin mit Claudia Weigel am 1. Juli 2009 in <strong>Iserlohn</strong>.<br />
125
Fremdsprache der Ruhr-Universität Bochum, um ausländische Studienbewerber/innen auf die<br />
sprachlichen Hochschulzulassungsprüfungen DSH und TestDaF vorzubereiten und parallel<br />
dazu E-Learning Module für diese Zielgruppe auf der universitären Online-Lernplattform zu<br />
erstellen. In dieser Zeit kam auch Tochter Laura zur Welt und sie ging auf eine halbe Stelle.<br />
„So spannend der Uni-Bereich auch war, ich wusste aus eigener Erfahrung, dass die<br />
kommunale Bildungsarbeit noch spannender und vor allem noch vielfältiger ist.“<br />
2004 bewarb sie sich als Fachbereichsleiterin bei der VHS <strong>Iserlohn</strong> und bekam die Stelle. Zu<br />
dem Zuständigkeitsbereich von Claudia Weigels halber Stelle gehörten immer die Sprachen,<br />
zudem der Bereich „VHS in der JVA“. Eine Zeit lang kümmerte sie sich den Bereich „VHS<br />
50 plus“, den sie später in Absprache mit ihrem Kollegen Bodo Mebes für den Bereich „Junge<br />
VHS“ eintauschte. Sie arbeitet im Durchschnitt drei Tage pro Woche in der Volkshochschule.<br />
„Ich habe hier viele Gestaltungsmöglichkeiten“, zieht sie nach fünf Jahren Bilanz. Die Stadt<br />
sei nicht zu groß, so dass sich viele Dinge „über den kurzen Dienstweg“ erledigen lassen.<br />
<strong>Iserlohn</strong> ist aber auch nicht zu klein, das heißt, es gibt eine große Zahl an fremdsprachlich<br />
interessierten Menschen sowie einen hohen Ausländeranteil. „Die Arbeit liegt quasi auf der<br />
Straße,“ sagt Claudia Weigel. „Mir geht es bei meiner Arbeit darum, das<br />
Fremdsprachenlernen als Wert an sich in der Kommune zu fördern, sei es als sinnvolle<br />
Freizeitbeschäftigung im Ruhestand, zum Brückenschlagen zwischen den Kulturen im<br />
Bereich der Integration oder als berufliche Qualifizierung.“ Ein Sprachkursprogramm darf<br />
deshalb nicht nur Englischkurse beinhalten, sondern die gesamte Palette von im Schnitt 16<br />
europäischen und außereuropäischen Sprachen. Der klassische Sprachkurs mit Kursleitenden,<br />
die didaktisch-methodisch und erwachsenenpädagogisch auf dem neuesten Stand sind, gehört<br />
ebenso dazu, wie innovative flexible Lernformen für Berufstätige oder in der Familienarbeit<br />
befindliche Personen, die keine Zeit haben, regelmäßig einen Kurs zu besuchen. Sich rasant<br />
verändernde Zeiten verlangen auch ein verändertes Lernverhalten und die Bereitschaft, die<br />
festgetretenen Lernwege zu verlassen und neue zu beschreiten.“<br />
126
3.6.8.3. Die Mitarbeiter in der Verwaltung<br />
3.6.8.3.1. Sascha Reetz 299<br />
Er ist offiziell stellvertretender VHS-Leiter für Verwaltungsangelegenheiten, sein Vorgänger<br />
wurde stets als „VHS-Geschäftsführer“ bezeichnet. Doch eigentlich hält Sascha Reetz nichts<br />
von diesem Titel.<br />
Sascha Reetz ist seit 2003 für Verwaltungsangelegenheiten der VHS <strong>Iserlohn</strong> zuständig.<br />
Der gebürtige <strong>Iserlohn</strong>er ist studierter Diplom-Verwaltungswirt, absolvierte seine Ausbildung<br />
bei der Stadt, unter anderem beim städtischen Kulturamt. 2003 bewarb er sich für die Stelle<br />
bei der VHS: „Ich wollte mal etwas anderes machen. Zudem versprach die VHS-Arbeit<br />
spannend zu werden, da beide Chefs (Piltz und Bachmann) aufhörten und somit<br />
Veränderungen anstanden.“ Seit 2006 arbeitet er sowohl für das Ressortbüro Kultur als auch<br />
für die VHS.<br />
Sascha Reetz hat in Zusammenarbeit mit Lieselotte Berthold in den vergangenen Jahren viel<br />
in der Volkshochschule bewegt: Zertifizierung, Online-Buchung, neues Logo, Homepage,<br />
Unterteilung in Service-Team seien hier als Stichwörter genannt.<br />
Er selbst hat einige VHS-Kurse selbst besucht.<br />
Sascha Reetz lebt seit vielen Jahren in Dortmund. Mit dem Zug kommt er jeden Tag zur<br />
Arbeit – und kann seit dem Umzug in den Stadtbahnhof tatsächlich mit dem Zug nahezu ins<br />
Büro fahren.<br />
3.6.8.3.2. Ortrun Davis 300<br />
„Ich wollte nie in ein Amt ohne Publikumsverkehr!“ betont Ortrun Davis. Und dies bewog die<br />
gebürtige <strong>Iserlohn</strong>erin, die bei der Stadt zur Verwaltungsfachangestellten ausgebildet wurde,<br />
auch sich 1996 bei der VHS zu bewerben. „Eigentlich sind Außenstellen in der Verwaltung<br />
unbeliebt, weil man den Kontakt zum Rathaus etwas verliert. Aber ich wollte gerne dorthin.“<br />
Das hat sie auch nicht bereut: „Ich war sehr, sehr gerne bei der VHS.“<br />
In dem ersten Raum links im Erdgeschoss der Stennerstraße 3 war sie zuständig für<br />
Anmeldungen und Kassenverfahren. Aber nur für ein Jahr, dann kündigte sich Nachwuchs an<br />
und Ortrun Davis ging in den Mutterschutz. Danach kam sofort das zweite Kind, sodass sie<br />
299 Interview von Verfasserin mit Sascha Reetz am 1. Juli 2009 in <strong>Iserlohn</strong>.<br />
300 Interview von Verfasserin mit Ortrun Davis am 15. Juli 2009.<br />
127
insgesamt über sieben Jahre im Mutterschutz war und nicht mehr zur VHS zurück konnte.<br />
Ortrun Davis landete dann zunächst im Personalpool der Stadt, ist heute im Bereich<br />
Ordnungs- und Gewerbeangelegenheiten (Ressort Sicherheit, Bürger, Feuerwehr) tätig.<br />
3.6.8.3.3. Claudia Freund 301<br />
Claudia Freund ist sozusagen bei der VHS die Frau an der Front: Sie ist für den Bereich<br />
Anmeldung zuständig, hat viel Kontakt zu den Teilnehmern.<br />
Die in gebürtige <strong>Iserlohn</strong>erin mit dem Mädchennamen Claudia Schilling war zunächst lange<br />
Jahre Hausfrau und Mutter. Als die Kinder groß waren, wollte sie berufstätig werden und<br />
„landete mit viel Glück in der VHS“. Was zunächst als Maßnahme der Stadt 1996 begann,<br />
wurde ab Oktober 1997 eine Festanstellung.<br />
Seit 13 Jahren betreut sie somit viele „Stammkunden“, aber auch VHS-Neulinge. Claudia<br />
Freund weiß, wann jemand ein Enkelkind bekommen hat, welche Urlaubsziele bevorzugt<br />
werden und wann wer in Rente geht. Egal, ob jemand etwas verloren hat, einen Raum sucht<br />
oder Geld gewechselt haben möchte, Claudia Freund ist die erste Ansprechpartnerin. Auch<br />
wenn ihr neues Büro in der VHS etwas versteckt hinter der Treppe liegt: Irgendwann findet<br />
sie jeder.<br />
Einmal, so erzählt sie, bekam sie einen besonders merkwürdigen Anruf: „Bis ich verstanden<br />
hatte, was die Frau wollte, dauerte es schon ein bisschen!“ Des Rätsels Lösung: Die Dame am<br />
Telefon wollte dringend ihren Mann sprechen, der in einem Englischkurs saß – weil sie im<br />
Rathaus im Glasaufzug feststeckte und Hilfe brauchte!<br />
Claudia Freund hat selber einige VHS-Kurse belegt, unter anderem EDV, Englisch-<br />
Bildungsurlaub, Sport und Pastellkreide.<br />
3.6.8.3.4. Yvonne Weidlich 302<br />
Seit Februar 2006 ist Yvonne Weidlich Verwaltungsmitarbeiterin bei der VHS <strong>Iserlohn</strong>. Aber<br />
nicht nur: Sie ist gleichzeitig im Ressortbüro Kultur der Stadt tätig.<br />
301 Interview von Verfasserin mit Claudia Freund am 1. Juli 2009 in <strong>Iserlohn</strong>.<br />
302 Interview von Verfasserin mit Yvonne Weidlich am 1. Juli 2009 in <strong>Iserlohn</strong>.<br />
128
Die gebürtige <strong>Iserlohn</strong>erin ist studierte Diplom-Verwaltungswirtin. Bis 2004 war sie im<br />
Sozialamt der Stadt <strong>Iserlohn</strong> beschäftigt, wechselte dann kurz ins Bürgermeister-Buro um<br />
schließlich im Ressortbüro Kultur und der VHS zu landen. Ihr Büro hat sie in den<br />
Volkshochschul-Räumen im Stadtbahnhof. Durch die Neustrukturierung der VHS ist sie nun<br />
im Service-Team für den Programmbereich 7 (Qualifizierung, Management) zuständig,<br />
kümmert sich zudem um die Raumvermietung, die Firmenkurse, die Bildungsberatung, die<br />
VHS-Gremien und mehr.<br />
Sie selbst hat bereits mehrere Kurse bei der VHS <strong>Iserlohn</strong> belegt, unter anderem ein Etikette-<br />
Seminar, einen Kochkurs, eine NLP-Ausbildung und eine Veranstaltung im Bereich Kunst.<br />
3.6.8.3.5. Kurt Geltsch 303<br />
Aus Siebenbürgen in die <strong>Iserlohn</strong>er VHS: Der gebürtige Rumäne Kurt Geltsch ist seit 2001<br />
Hausmeister der Volkshochschule.<br />
Kurt Geltsch sprach in seiner Kindheit nur Deutsch, lernte erst in der Schule Rumänisch. 1991<br />
kam der gelernte Tischler nach <strong>Iserlohn</strong>, fand auch schnell Arbeit. Nach einigen Jahren wurde<br />
er durch eine Firmenpleite arbeitslos. „Von einem Bekannten hörte ich, dass bei der VHS eine<br />
Stelle als Hausmeister frei war. Das interessierte mich sehr.“ Geltsch bekam die Stelle. „Die<br />
Arbeit macht viel Spaß, anders als etwa Firmenhausmeister lerne ich viel und habe viel mit<br />
Technik zu tun.“ Kurt Geltsch machte den Umzug von der Stennerstraße in den Stadtbahnhof<br />
mit, hat mittlerweile so viel zu tun, dass er sich die Arbeit mit zwei Servicekräften teilt. Doch<br />
er arbeitet nicht nur in der VHS, er hat sich dort auch schon weitergebildet, hat EDV- und<br />
Gymnastikkurse besucht.<br />
Kurt Geltsch ist verheiratet und hat zwei Söhne.<br />
303 Interview von Verfasserin mit Kurt Geltsch am 2. Juli 2009.<br />
129
4. Spezielle Untersuchungen<br />
4.1. Statistik über Unterrichtsstunden, Dozenten und Teilnehmende von 1970 bis 2009<br />
Jahr Durchgeführte<br />
Unterrichtsstunden<br />
Nebenberufliche<br />
Dozentinnen und<br />
Dozenten<br />
Teilnehmende<br />
1949 384 927<br />
1950 359 890<br />
1958/59 300 25 800<br />
1970 2.400 30 2.114<br />
1971 4.120 35 2.013<br />
1972 3.886 53 3.923<br />
1973 4.628 71 3.804<br />
1974 5.528 91 4.504<br />
1975 9.600 120 11.091 304<br />
1976 8.861 111 11.326<br />
1977 8.544 108 9.348<br />
1978 9.879 125 10.934<br />
1979 12.037 151 9.536<br />
1980 12.981 178 10.968<br />
1981 11.120 190 9.784<br />
1982 8.539 210 8.714<br />
1983 9.664 124 8.500 *<br />
1984 10.175 130 8.700 *<br />
1985 9.604 150 * 8715<br />
1986 9.904 160 * 9299<br />
1987 10.244 196 8.392<br />
1988 14.949 196 8.135<br />
1989 14.949 196 8.135<br />
1990 14.338 250 9.651<br />
1991 12.891 250 13.491<br />
1992 11.414 226 12.266<br />
1993 12.552 230 11.181<br />
1994 11.586 230 10.682<br />
1995 11.514 231 11.592<br />
1996 13.394 265 12.627<br />
1997 14.313 267 9.694<br />
1998 14.429 240 13.468<br />
1999 15.116 267 13.905<br />
2000 15.650 256 13.945<br />
2001 14.502 213 12.998<br />
2002 12.914 223 11.674<br />
2003 12.475 325 9.835<br />
2004 11.134 256 9.204<br />
2005 12.237 213 9.250<br />
2006 11.571 260 9.704<br />
2007 13.035 214 11.668<br />
2008 13.823 219 17.019 305<br />
2009 13.408 231 12.706<br />
* Es lagen nur gerundete Daten vor.<br />
304 Mit der Kommunalen Neuordnung wurde 1975 die Volkshochschulen <strong>Iserlohn</strong> und Letmathe<br />
zusammengeschlossen. Das erklärt zum Teil den sprunghaften Anstieg der Teilnehmer-Zahlen in diesem Jahr.<br />
305 Das Jahresergebnis der Teilnehmerstatistik 2008 beinhaltet den Eröffnungstag mit 5000 Besuchern.<br />
130
Quellen: Zeitungsartikel, Verwaltungsberichte der Stadt <strong>Iserlohn</strong> sowie Landes-, DVV- und<br />
D.I.E.-Statistiken<br />
4.2. Die Entwicklung im Fachbereich Sprachen 1949 bis 2009<br />
Sprachen sind seit vielen Jahren ein wichtiges Angebot der VHS <strong>Iserlohn</strong>. Immerhin: „Den<br />
größten Anteil am Fremdsprachenunterricht an Institutionen der Erwachsenenbildung in der<br />
Bundesrepublik haben die (…) Volkshochschulen (…)“ 306 . Deshalb wird an dieser Stelle<br />
ausführlich auf die Entwicklungen in diesem Programmbereich eingegangen.<br />
In den Anfangsjahren der VHS spielten Sprachen allerdings noch keine große Rolle. Nur<br />
gelegentlich gab es Vorträge, etwa im Winter 1922 einen Vortrag von Theodor Klumpp zum<br />
Thema „Die deutsche Sprache und ihre Geschichte“. Erst im Winterhalbjahr 1930/31 gab es<br />
erstmals Sprachkurse, angeboten wurden sie in den Sprachen Englisch, Italienisch und<br />
Französisch. 307 Sprachkurse gab es auch noch in der NS-Volksbildungsstätte während des<br />
Krieges.<br />
Nach dem Zweiten Weltkrieg bot die VHS selbst erst einmal keine Sprachkurse an, nur das<br />
Bildungswerk des Deutschen Gewerkschaftsbundes, dessen Programm im VHS-Arbeitsplan<br />
mit aufgeführt wurde. Ab 1949/50 bot der Kooperationspartner Deutsch, Englisch,<br />
Französisch, Englisch, Latein, Spanisch und Niederländisch an. Das blieb in den folgenden<br />
Jahren so, nur gelegentlich beschäftigte die Volkshochschule selbst sich mit Sprachen, etwa<br />
im Wintersemester 1950/51 mit der Arbeitsgemeinschaft „Niederdeutsche Sprache und<br />
niederdeutsches Schrifttum“ mit Dr. Ellbracht, oder im Semester 1954/55, als ein Kurs<br />
„Einführung in niederländische Sprache und Kultur“ von Studienrat Bernhard Betten offeriert<br />
wurde. Diese Kurse standen vermutlich im Zusammenhang mit dem „Deutsch-<br />
Niederländischen Kulturkreis der Volkshochschule“, der in Zusammenarbeit mit den<br />
Niederländischen Volkshochschulen, der Niederländischen Botschaft, dem Niederländischen<br />
Konsulat und dem Auslandsinstitut Dortmund die Freundschaft und den Austausch zwischen<br />
den beiden Völkern fördern wollte. Zudem gab es gelegentlich Kurse im Bereich<br />
Sprecherziehung oder über die deutsche Sprache. Fremdsprachen tauchten nicht auf. Für diese<br />
war weiterhin das Bildungswerk des Deutschen Gewerkschaftsbundes zuständig. 1955/56<br />
nahm man stattdessen das Fremdsprachenprogramm der Fremdsprachenschule <strong>Iserlohn</strong><br />
306 Reiske, Heinz: Fremdsprachenunterricht in der Erwachsenenbildung. In: Bausch, Karl-Richard/Christ,<br />
Herbert/Krumm, Hans-Jürgen: Handbuch Fremdsprachenunterricht. 3. Auflage. Tübingen, 1995. S. 534.<br />
307 <strong>Iserlohn</strong>er Kreisanzeiger. 18. Oktober 1930.<br />
131
(Hagener Straße 70) in den Arbeitsplan auf. Englisch, Französisch, Spanisch und Russisch<br />
wurden dort unterrichtet. .<br />
Ab dem Semester 1957/58 übernahm das Sprachangebot der Kooperationspartner<br />
„Fremdsprachenschule Dr. Voigt“, Kluse 39. Dort gab es Englisch-, Französisch-, Spanisch-,<br />
Italienisch-, Russisch- und Deutschkurse. Im Sommersemester 1960 allerdings konnten<br />
Spätumsiedler bei der VHS Deutsch lernen.<br />
Erst ab dem Wintersemester 1963/64 bot die Volkshochschule <strong>Iserlohn</strong> eigene<br />
Fremdsprachenkurse an – und das gleich in großer Zahl: „Französischer Arbeitskreis“,<br />
„Englischer Gesprächskreis“, „Einführung in die lateinische Sprache“, „Deutsch für<br />
Engländer“ und „Deutsch für Spanier“ wurden angeboten. Das Angebot „Deutsch für<br />
Engländer“ war anscheinend auf die in <strong>Iserlohn</strong> und Umgebung stationierten englischen und<br />
kanadischen Soldaten ausgerichtet. Im nächsten Semester hieß der Kurs dann auch „Deutsch<br />
für Briten und Kanadier“. Der Lateinkurs fiel weg, dafür gab es eine Einführung in die<br />
griechische Sprache. Im Wintersemester 1965/66 gab es dann sogar Fachsprachenkurse:<br />
„Wirtschaftsfranzösisch“ und „Einführung in die englische Handelskorrespondenz“. Auch ein<br />
Italienischkurs fand Einzug in den Arbeitsplan. In den folgenden Jahren wurden<br />
unterschiedliche Sprachkurse angeboten, stets vertreten waren die Fremdsprachen Englisch,<br />
Deutsch und Französisch sowie Niederländisch. Ab 1969 gab es zudem spezielle Kurse für<br />
die Reise: „Spanisch für Urlauber“ und „Italienisch für Urlauber“.<br />
Ein wichtiger Punkt in der Neuorientierung der Volkshochschulen im Bereich Sprachen war<br />
sicherlich die Einführung von VHS-Sprachenzertifikaten im Jahr 1968. Die Zertifikate – die<br />
die Volkshochschulen damals als einzige Weiterbildungseinrichtungen einführten – wurden<br />
auf Wunsch der Teilnehmer nach einem Nachweis der praktischen Sprachbeherrschung<br />
ausgestellt, der an Lernzielen und einer objektiven Leistungsmessung orientiert war,<br />
augestellt. 308 Dadurch wurden die Volkshochschulen zu ernstzunehmenden Anbietern von<br />
Fremdsprachenunterricht in der Erwachsenenbildung.<br />
Ab den 1970er Jahren unterteilte die VHS die Fremdsprachenkurse zunehmend in<br />
verschiedene Lernstufen, etwa in „Englisch Stufe I“, „Englisch Stufe II“ und „Englisch Stufe<br />
III“. Eine wichtige Änderung: Die Einführung von einheitlichen Lehrbüchern, was die<br />
„Lernziele für die einzelnen Stufen soweit standardisiert, dass jeder Teilnehmer auf Jahre<br />
308 Reiske, Heinz: Fremdsprachenunterricht in der Erwachsenenbildung. In: Bausch, Karl-Richard/Christ,<br />
Herbert/Krumm, Hans-Jürgen: Handbuch Fremdsprachenunterricht. 3. Auflage. Tübingen, 1995. S. 536.<br />
132
hinaus sein Sprachstudium systematisch weiterführen kann.“ 309 Bald gab es in der<br />
Inhaltsübersicht des Arbeitsplanes auch einen eigenen Punkt „Sprachen“. Waren es in den<br />
1960er Jahren meistens etwa sechs Kurse, die angeboten wurden, nimmt der Bereich<br />
Sprachen im Studienjahr 1973/74 bereits 13 Seiten ein – 52 Kurse gab es nun bereits,<br />
Deutsch, Englisch, Französisch, Italienisch, Spanisch, Russisch, Niederländisch und – klar, in<br />
Zeiten des Schwedischfans Horst Piltz - Schwedisch. Mittlerweile hatte man auch spezielle<br />
Konversations- und Grammatikkurse eingeführt. Bei den VHS-Sprachkursen herrschte in<br />
diesem Studienjahr ein solcher Andrang, dass „ein ,numerus clausus’ eingeführt werden<br />
musste, um den Teilnehmern ein wirklich sinnvolles und intensives Studium zu<br />
garantieren“ 310 . Wahrscheinlich ist der Andrang darauf zurückzuführen, dass die Menschen<br />
nun verstärkt Reisen ins Ausland unternahmen.<br />
Im Studienjahr 1975/65 kamen noch zwei Altgriechisch-Kurse hinzu. Im Studienjahr 1976/77<br />
fällt ein Angebot „Englisch für Portugiesen“ auf – die VHS engagierte sich auch für die<br />
Weiterbildung der Gastarbeiter. Allein 29 Englischkurse gab es in diesem Studienjahr, die<br />
Sprachkurse bei der VHS boomten. Im Studienjahr 1977/78 kamen differenziertere<br />
Englischkurse wie „Study in English Composition“ oder „Development of English Humor“<br />
hinzu. Zudem wurden erstmals Polnisch-Kurse unter der Leitung von Josef Wilkosinski<br />
angeboten. Im folgenden Jahr (mittlerweile war Dr. Ute Kaßnitz Fachbereichsleiterin für<br />
Sprachen) kamen Türkisch, Dänisch, Finnisch und Serbokroatisch – allesamt Sprachen, die<br />
nicht lange angeboten wurden - hinzu.<br />
Die Sprachkurse stießen also auf immer mehr Interesse. Die Menschen waren offener<br />
geworden, interessierten sich auch zunehmend für die anderen Länder in Europa. Zudem<br />
reisten die Deutschen verstärkt, Fremdsprachen waren da hilfreich. Manche Kurse bei der<br />
Volkshochschule fielen aus, im Bereich Sprachen aber nur wenige, hier gab es aber auch<br />
immer Zusatzkurse. 311<br />
Für Spannung sorgte 1979 eine VHS-Studienfahrt in die USA, deren Höhepunkt der Besuch<br />
des Space Centers in Cape Kennedy war. Die Gruppe startete per Flugzeug am 7. April 1979,<br />
am 20. April kehrten die Teilnehmer zurück. Dazwischen waren sie vier Tage lang New York,<br />
309<br />
Spangenberg, Marie-Luise: Die Abendvolkshochschulen im Raum <strong>Iserlohn</strong>. In: Der Märker, 1/1974. S. 41 bis<br />
44. S. 42.<br />
310<br />
Spangenberg, Marie-Luise: Die Abendvolkshochschulen im Raum <strong>Iserlohn</strong>. In: Der Märker, 1/1974. S. 41 bis<br />
44. S. 42.<br />
311 Unterlagen von Irene Mesmann.<br />
133
fuhren über Philadelphia nach Washington und besuchten in Florida Orlando, Disney World<br />
und eben Cape Kennedy, ehe sie noch Miami Beach besichtigten. Fast alle Teilnehmer waren<br />
das erste Mal in den USA. Reiseleiterin war Diplom-Pädagogin Anette Bauer. 312<br />
Ab 1985 leitete Sabine Schirra den Fachbereich Sprachen. Ab 1986 führte sie eine<br />
Einführungsveranstaltung für alle neuen Teilnehmer der Grundkurse Sprachen ein. So nach<br />
dem Motto: „Man nehme: ein Lehrbuch, einen Kursusleiter, Zeit und Ausdauer ... Was muss<br />
man tun, um eine Sprache zu erlernen?“. Zudem gab es vor den Anmeldungen die<br />
Möglichkeit der Sprachenberatung. Die Kurse waren nun übersichtlich gegliedert in<br />
„Grundkurse I bis III“, „Aufbaukurse I bis III“ und „Abschlusskurse I bis III oder IV“.<br />
Danach konnte man das VHS-Zertifikat erwerben und mit Spezialkursen wie Konversation<br />
fortfahren. 313<br />
Unter der Regie von Fachbereichsleiter Wilfried Oslender gab es zudem Neugriechisch und<br />
Arabisch. Mittlerweile hatte sich auch ein Wandel in den Volkshochschulen vollzogen, sie<br />
waren längst keine reinen Abendschulen mehr. Besonders viele Sprachkurse wurden<br />
mittlerweile an den Vormittagen angeboten, was besonders für Rentner und Hausfrauen<br />
lukrative Angebote waren.<br />
1994 übernahm Dr. Petra Heider ihren Dienst als Fachbereichsleiterin für Sprachen (und<br />
Schulabschlüsse) auf. Bald gab es zahlreiche Neuerungen, im selben Jahr beispielsweise<br />
„spanische Wochen“, bei der VHS.<br />
In den 1990er Jahren gehörten die Kurse Deutsch als Fremdsprache, Englisch, Französisch,<br />
Spanisch, Italienisch und Russisch zum Angebot fast aller Volkshochschulen in<br />
Deutschland. 314 Die VHS <strong>Iserlohn</strong> bot neben diesen „Standartsprachen“ noch Deutsch für<br />
Deutsche, Chinesisch, Japanisch, Neugriechisch, Niederländisch, Portugiesisch/Brasilianisch,<br />
Türkisch, Ungarisch und Schwedisch an, lag mit seinem Angebot von insgesamt 16 Sprachen<br />
also weit über der „Norm“. Ein 1994 geplanter Kurs „Thai für Touristen“ musste noch vor<br />
Beginn abgesetzt werden. 315<br />
1995 lag der Schwerpunkt der VHS im Fachbereich Sprachen auf<br />
Fortbildungsveranstaltungen für Sprachkursleiter. Man arbeitete dabei mit dem Institut<br />
312 <strong>Iserlohn</strong>er Kreisanzeiger. 24. April 1979.<br />
313 Siehe beispielsweise Arbeitsplan der Volkshochschule <strong>Iserlohn</strong> 1986/87. S. 16.<br />
314 Reiske, Heinz: Fremdsprachenunterricht in der Erwachsenenbildung. In: Bausch, Karl-Richard/Christ,<br />
Herbert/Krumm, Hans-Jürgen: Handbuch Fremdsprachenunterricht. 3. Auflage. Tübingen, 1995. S. 534.<br />
315 Unterlagen von Irene Mesmann.<br />
134
Isoplan, dem Landesverband der Volkshochschulen sowie den Volkshochschulen Essen und<br />
Hagen zusammen. Im selben Jahr gab es auch erste Ungarisch-Kurse in Kooperation mit dem<br />
Nyiregyhaza-Komitee unter der Leitung von Adrienne Stick-Weische (aus der <strong>Iserlohn</strong>er<br />
Partnerstadt Nyiregyhaza). Im Bereich Sprachen gab es 1995 auch eine Neuerung. Im Januar<br />
1995 führte man erstmals Firmenkurse „Spanisch für Führungskräfte“ durch. Diese<br />
Firmenkurse werden immer noch angeboten, vor allem in Englisch, Deutsch und Französisch,<br />
eine Firma führte mit Hilfe der VHS auch einen Kurs „Deutsch für ausländische Mitarbeiter<br />
durch“. Diese Kurse stehen nicht im Programmheft, werden auf Anfrage durchgeführt. 316 Ein<br />
weiterer ungewöhnlicher Sprachkurs: „Englisch für die Behörde“. Dieser Kursus richtete sich<br />
an alle städtischen Mitarbeiter/innen, die ihre Englischkenntnisse auffrischen und vertiefen<br />
wollten.<br />
1996 führte die <strong>Iserlohn</strong>er VHS erstmals eine Sprachstudienreise nach Salamanca in Spanien<br />
durch (gemeinsam mit der VHS Hagen). Zudem wurde erstmals Chinesisch angeboten.<br />
Erstmals gab es ferner das Angebot von Deutschkursen für Ausländer nach den Richtlinien<br />
des „Sprachverbandes Deutsch für ausländische Arbeitnehmer“.<br />
1997 gab es über 3500 Teilnehmer im Sprachenbereich der VHS <strong>Iserlohn</strong>. Ein Tschechisch-<br />
Kurs wurde angeboten, allerdings vor Beginn wieder abgesagt.<br />
Seit September 1997 gab es eine Basisqualifikation für neue Kursusleiter in Kooperation mit<br />
dem Landesverband der VHS in Dortmund und elf Volkshochschulen des östlichen<br />
Ruhrgebiets zur Sicherung eines einheitlichen Standards für die Qualifikation von Dozenten<br />
in der Erwachsenenbildung.<br />
1998 wurden erstmals die international anerkannten Zertifikate zur Basisqualifikation für<br />
neue Kursleiter im Fremdsprachenbereich überreicht. Die Zertifikate erhielten Maria<br />
Fernandez (Spanisch), Gabriele Röllecke (Englisch) und Jolanta Wawrzyniak (Polnisch). Im<br />
selben Jahr gab es auch erste Deutschkurse im Wohnpark Buchenwäldchen. Die Deutschkurse<br />
blieben ein wichtiger Programmpunkt der <strong>Iserlohn</strong>er VHS, 1999 gab es Intensivkurse in<br />
Kooperation mit dem Arbeitsamt. Erstmals wurden 1999 von Urkunden zum „First Certificate<br />
in English“ der University of Cambridge an Teilnehmern des VHS-Kurses von Viola Herzig-<br />
Danielson übergeben.<br />
316 Interview von Verfasserin mit Claudia Weigel am 1. Juli 2009 in <strong>Iserlohn</strong>.<br />
135
Neu im Team war 1998 Dipl. Sozialarbeiter Andreas Groß, der in den Fachbereichen<br />
Sprachen und Schulabschlüsse Dr. Petra Heider zur Seite stand.<br />
1999 wurden die VHS-Sprachenzertifikate zu „Europäischen Sprachenzertifikaten“ erweitert,<br />
die in zwölf Ländern angeboten wurden. Diese modernsten Sprachenzertifikate ermöglichten<br />
es den Volkshochschulen, qualitätsorientierte Sprachenangebote mit einer professionellen<br />
Profilierung anzubieten.<br />
Im Bereich Sprachen fanden von Februar 1999 bis Dezember 2000 intensive Deutschkurse für<br />
Arbeitslose und Sozialhilfeempfänger mit einer Förderung nach § 10 SGB III von der<br />
Bundesanstalt für Arbeit in der VHS <strong>Iserlohn</strong> in Kooperation mit dem Sozialamt <strong>Iserlohn</strong>,<br />
dem Bereich Beschäftigungsförderung und dem Arbeitsamt <strong>Iserlohn</strong> statt.<br />
Im Jahr 2000 begann das „Englische Theater“ an der VHS <strong>Iserlohn</strong>. Die Aufführung „The<br />
Crucible“ von Arthur Miller findet im September 2000 großen Anklang. Auch das neue<br />
Medium Internet wird nun zum Sprachenlernen verstärkt eingesetzt.<br />
Im Jahr 2000 arbeitete Diplompädagoge Bernd Schumacher anstelle von Andreas Groß an<br />
der Seite von Dr. Petra Heider in den Fachbereichen Sprachen und Schulabschlüsse. Er blieb<br />
allerdings nur einige Monate.<br />
Der Bereich Sprachen bot von Januar 2000 bis Juli 2001 maßgeschneiderte Firmenkurse<br />
„Wirtschaftsenglisch“ an. Zudem gab es in Kooperation mit dem Deutsch-Vietnamesischen<br />
Freundeskreis einen Vietnamesisch-Kurs, der im nächsten Semester fortgesetzt wurde. Im<br />
Bereich Englisch installierte sich eine „English Theatre Group“ unter der Leitung von Viola<br />
Herzig-Danielson.<br />
Thi An Ho betreute 2001 Kurse über die Vietnamesische Sprache und Kultur. Auf Malta<br />
führte eine <strong>Iserlohn</strong>er VHS-Gruppe ein Gespräch mit der Ministerin für Gozo, Giovanna<br />
Debono. Mehrere <strong>Iserlohn</strong>er VHS-Kurs-Teilnehmer wurden für die Europäischen<br />
Sprachenzertifikate vorbereitet.<br />
2002 hieß es „Spanisch flirten und fluchen mit der VHS“. Erstmals wurden die Zertifikate<br />
„English for Business People“ überreicht. Die Vorbereitungskurse hatte Angela Mayr-<br />
Isenberg durchgeführt. In Kooperation mit der Grundschule Bleichstraße gab es weitere<br />
Deutschkurse.<br />
136
Ein innovatives Angebot sind auch die bereits erwähnten Firmenkurse, die auf Anfrage<br />
angeboten werden.<br />
Im Januar 2003 taten die Großen der Politik etwas mit Folgen auch für die VHS <strong>Iserlohn</strong>: Die<br />
Rahmenvereinbarung vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF), Abteilung<br />
Integration, über die Durchführung von Sprachkursen für Ausländer und Spätaussiedler<br />
zwischen der Bundesrepublik Deutschland wurden unterzeichnet.<br />
2004 übernahm Claudia Weigel den Bereich Sprachen, in ihre Dienstzeit fallen einige<br />
Neuerungen und Höhepunkte. So etwa die Neuaufstellung der stark nachgefragten Englisch-<br />
Auffrischungskurse für Teilnehmende mit Schulenglischkenntnissen in einem im Programm<br />
extra ausgewiesenen Bereich nach Niveaustufen oder die Tatsache, dass die VHS <strong>Iserlohn</strong><br />
2004 Prüfungszentrum für das Zertifikat „Deutsch B1 und b2“ sowie „Deutsch für den Beruf<br />
wurde“. Seit 2005 ist die VHS <strong>Iserlohn</strong> zudem Integrationskursträgerin.<br />
Neben der „Basisqualifikation für neue Fremdsprachenlehrkräfte in der Erwachsenenbildung“<br />
gab es seit 2004 jedes Semester Fortbildungen für alle Sprachdozenten, zum Beispiel zu den<br />
Themen „Mündliche Fehlerkorrektur“, „Spielerische Grammatikvermittlung“, „Aktivierende<br />
Unterrichtsmethoden“ oder „Lernziele nach dem Gemeinsamen Europäischen<br />
Referenzrahmen“.<br />
Im Januar 2006 wurde die angelsächsische Tradition des „Christmas Carolling“ unter der<br />
Leitung von Dozent Charles W. Brookos in <strong>Iserlohn</strong> eingeführt, die Teilnehmer zogen<br />
singend von Tür zu Tür.<br />
Im August 2006 wurde im Cafe Barendorf unter freiem Himmel ein „Russischer Abend mit<br />
der Folkloregruppe Rodnik“ als Kooperation vom Nowotscherkassk-Komitee und der VHS<br />
durchgeführt. Sowohl die russischen Gäste als auch Teilnehmer der VHS-Russischkurse<br />
trugen Volkslieder vor und luden das Publikum zum Mitsingen ein.<br />
Eine Neuheit 2006 war die VHS-Vermittlungsstelle für TANDEM-Sprachlernpartnerschaften.<br />
Bei diesem Konzept des autonomen Fremdsprachenlernens treffen sich zwei Muttersprachler<br />
in zwei verschiedenen Sprachen miteinander und erlernen so die Sprache des jeweils anderen.<br />
„Das Programm ist quasi ein Serviceangebot von der VHS, wir vermitteln die Partner nur,<br />
geben ihnen Starthilfen und greifen nur auf Nachfrage ein“, erklärt Programmbereichsleiterin<br />
137
Claudia Weigel. 16 Partner gibt es bisher. „Manche haben sich gesucht und gefunden“,<br />
erzählt Claudia Weigel von einem in <strong>Iserlohn</strong> lebenden Inder, der 2007 einen Englisch<br />
lernenden Partner bekam. 2009 kam die Rückmeldung, dass beide gute Freunde geworden<br />
sind und sich immer noch regelmäßig treffen. 317<br />
Die Zahl von Auftragsmaßnahmen, also von Angeboten, die nicht im Programmheft<br />
abgedruckt sind sondern auf Nachfrage gebucht werden, stieg in dieser Zeit stark an. Vor<br />
allem Firmenkurse in den Bereichen Englisch und Deutsch als Fremdsprache sowie Spanisch,<br />
Französisch und Chinesisch waren gefragt, ebenso eine Maßnahme zur berufsorientierten<br />
Sprachförderung für ausländische 1-Euro-Jobber in Kooperation mit der ARGE und dem<br />
Bereich Beschäftigungsförderung der Stadt <strong>Iserlohn</strong>. Schließlich gab es eine aus dem<br />
Europäischen Sozialfond finanzierte Maßnahme ebenfalls Bereich Deutsch als Fremdsprache<br />
für Oberstufenschüler/innen mit Migrationshintergrund an der Gesamtschule.<br />
Seit 2007 gibt es eine Kooperation mit dem heimischen Kino „CineStar“ bei dem „English<br />
Friday Night Cinema“, bei dem Filme in englischer Originalsprache mit vorheriger<br />
Vokabeleinführung durch die Kursleiteirn Christine Ueberacker-Evans gezeigt werden.<br />
Seit 2008 ist die VHS die einzige Prüfungsstelle in <strong>Iserlohn</strong> für den umstrittenen<br />
Einbürgerungstest<br />
Seit Sommer 2009 gibt es im Rahmen der so genannten Sommer-VHS entgeltfreie<br />
„Sprachencafés“: kurs- und niveauübergreifende Gesprächsrunden mit muttersprachlichen<br />
Dozenten in Englisch, Französisch, Italienisch, Spanisch während der Schulsommerferien.<br />
Insgesamt nahmen über 350 Teilnehmer in sechs Wochen an den Angeboten teil.<br />
2009 sind es nach wie vor viele nicht-berufstätige Frauen, die bei der VHS Sprachkurse<br />
belegen. 318<br />
Fazit: Im Programmbereich Sprachen hat eine enorme Entwicklung stattgefunden – nicht nur,<br />
was die Anzahl der angebotenen Sprachen angeht, sondern auch was die Professionalität und<br />
Differenzierung in deren Vermittlung betrifft.<br />
317 Interview von Verfasserin mit Claudia Weigel am 1. Juli 2009 in <strong>Iserlohn</strong>.<br />
318 Interview von Verfasserin mit Claudia Weigel am 1. Juli 2009 in <strong>Iserlohn</strong>.<br />
138
4.3. Studienreisen und -fahrten der Volkshochschule <strong>Iserlohn</strong><br />
Die Studienfahrten sind seit Jahrzehnten ein attraktives Angebot der VHS.<br />
Vor allem Horst Piltz bediente sich gerne dieser Form der Weiterbildung vor Ort.<br />
1979 zum Beispiel führte vom 22. Juni bis 8. Juli eine bemerkenswerte Auslandsexkursion<br />
Teilnehmer der Volkshochschule unter der Leitung von Horst Piltz nach Lappland. Die<br />
kulturgeographische Studienreise war als Wanderexkursion konzipiert. Auf<br />
Tageswanderungen, Boots- und Busausflügen wurden Natur und Kultur der Lappen erkundet.<br />
Die 17-tzägige Studienreise stand unter dem Motto „Mit dem Rucksack durch Norbotten“.<br />
Norrbotten ist die exotische Landschaft am nördlichen Polarkreis. Die Idee zu der Exkursion<br />
war Horst Piltz durch seinen Lehrer und Nordeuropaspezialisten Prof. Dr. Joachim Blüthgen<br />
gekommen – und durch das in <strong>Iserlohn</strong> erschienene Buch „Das Leben der Lappen“ von<br />
Gustav Hagemann.<br />
Der Anreise über Kopenhagen und Stockholm (beide Städte wurden besichtigt) folgte dann<br />
Fahrten nach Lulea, Gällivare-Malmberget, Kiruna und Jokkmikk. 17 <strong>Iserlohn</strong>er Teilnehmer<br />
von 18 bis 68 Jahren erkundeten die Gegend zwischen Lulea und Kiruna. Sie besichtigten<br />
Schlösser und Museumsausstellungen, machten Tageswanderungen und Stadtrundgänge. Die<br />
Teilnehmer genossen Rentierfleisch, übernachteten meistens in Jugendherbergen.<br />
Ein Problem: Die Sonne schien am Polarkreis Tag und Nacht. Das war allerdings auch<br />
reizvoll, die nächtlichen Ausflüge in der Mitternachtssonne waren beeindruckend. Die<br />
Teilnehmer der Freizeit waren allesamt sehr begeistert – allerdings auch müde.<br />
Überhaupt waren Studienreisen ein wichtiger Bestandteil der VHS-Arbeit. Wann immer es<br />
ging, fuhr Horst Piltz mit. Dafür gab es auch manche spöttische Bemerkung. „Der Piltz ist<br />
dauernd auf Dienstreise“, lästerten Kollegen aus der Stadtverwaltung neidisch 319 .<br />
Dr. Petra Heider installierte Sprach-Studienreisen an der VHS, beispielsweise nach Spanien.<br />
Reisen und Malen – unter diesem Motto bot der Kreativbereich eindrucksvolle Studienfahrten<br />
mit anschließender Kunstausstellung an: 1996 begeisterte die Teilnehmer eine Studienfahrt<br />
„Auf den Spuren von Claude Monet“ nach Giverny unter der Leitung von Lieselotte Berthold<br />
319 Interview von Verfasserin mit Horst Piltz am 20. Februar 2009.<br />
139
und Gabi Lehmann. 1997 fuhren Teilnehmer der Fahrt „Vincent, Windmühlen und mehr“ mit<br />
Gustav Müller nach Holland. 1999 gab es das Angebot „Wolken, Wasser, weites Land“ (mit<br />
der Malerin Christine Georg nach Worpswede) und erstmals eine Studienreise nach Polen,<br />
Breslau, Warschau und Krakau wurden besucht. Im Jahr 2000 fuhr die VHS mit dem Angebot<br />
„Landschaft und Vision“ unter anderem zur ehemaligen Klause der Hildegard von Bingen. Im<br />
Frühjahr 2001 führte eine Studienreise eine Gruppe nach Gozo, einer Nachbarinsel von Malta.<br />
„Englischlernen auf Gozo“ stand auf dem Programm, die achttägige Sprachstudienreise wurde<br />
in Kooperation mit der Volkshochschule Lüdenscheid durchgeführt.<br />
Im Sommer 2003 erkundete eine VHS-Studiengruppe Paris – ausgerechnet im wärmsten<br />
Sommer seit 1947. Unter der Leitung von Dr. Petra Heider waren die 17 Teilnehmer<br />
unterwegs, die ihre Kenntnisse vor Ort besonders gerne unter den schattigen Bäumen der<br />
Pariser Parks vertieften. 320<br />
In den letzten Jahren hat sich vor allem Programmbereichsleiterin Ulrike Eichholz um die<br />
Studienfahrten verdient gemacht. Zu ihren Studienreisen gehören nicht nur kompetente<br />
Partner, die mit ihr gemeinsam die Fahrt organisieren und durchführen, sondern auch<br />
ausführliche Vor- und Nachbesprechungen mit den Teilnehmern. „Studienreisen sind in der<br />
Planung sehr aufwändig und Claudia Weigel und ich ja nur Halbtagskräfte. In meinem<br />
Bereich habe ich seit über 20 Jahren mit Thomas Richter von der Europäischen<br />
Staatsbürgerakademie einen kompetenten Partner für die Planung und Durchführung. Nach<br />
der Wende 1989 haben wir auf meinen Wunsch zunächst Studienreisen in die neuen<br />
Bundesländer organisiert, um Menschen mit ihren Problemen und unbekannte Landschaften<br />
und gemeinsame historische Wurzeln kennen zu lernen. Als Berlin Hauptstadt und<br />
Regierungssitz wurde, sind wir fast jedes Jahr nach Berlin gefahren, um die Entwicklung der<br />
jetzt ungeteilten Stadt zu verfolgen. 2010 wird der 20ste Jahrestag des Tages der Deutschen<br />
Einheit für uns Anlass genug sein, wieder nach Berlin zu fahren.<br />
Parallel zur Erweiterung der Europäischen Union haben wir Studienreisen in die neuen<br />
Mitgliedsstaaten unternommen, um diese kennen zu lernen - mit der zweiten Studienreise<br />
nach Kroatien im Herbst 2009 nunmehr auch in ein zukünftiges Mitgliedsland der EU.<br />
Immer wiederkehrende Tagesfahrten führen zum Landtag nach Düsseldorf und zu<br />
Ausstellungen mit Themenbezug zu Geschichte oder Politik (zum Beispiel zum Haus der<br />
320 <strong>Iserlohn</strong>er Kreisanzeiger. 1. September 2003.<br />
140
Geschichte)“, erzählt Ulrike Eichholz 321 . Die Studienreisen der VHS orientieren sich also stets<br />
an aktuellen politischen und gesellschaftlichen Entwicklungen. Die Studienfahrten<br />
berücksichtigen vor allem Ausstellungen in renommierten Museen.<br />
Mittlerweile wird unterschieden zwischen eintägigen Studienfahrten und mehrtägigen<br />
Studienfahrten.<br />
Hier eine Auflistung der in den letzten Jahren durchgeführten Studienreisen und -fahrten:<br />
- August bis Dezember 2004: „Von der Montagsdemo zur Deutschen Einheit: Studienreise<br />
nach Leipzig“<br />
- Januar bis Juli 2005: „Tut-ench-Amun, Schätze in Bonn“ (Studienfahrt)<br />
- August bis Dezember 2005: „Malta: Insel der Ritter und Kulturhochburg in Europa“<br />
(Studienreise), „Deutsche Einheit 2005 im Freistaat Thüringen – Studienreise nach Erfurt und<br />
in den Thüringer Wald“<br />
- August bis Dezember 2006: „Düsseldorf: Landtag und Heinrich-Heine-Museum“<br />
(Studienfahrt), „Prag 2006: Zwischen Kultur und Politik“ (Studienfahrt)<br />
- Januar bis Juli 2007: „Dresden und Berlin – Glanzlichter aus Politik, Kultur und Geschichte“<br />
(Studienreise)<br />
- August bis Dezember 2007: „Ägyptens versunkene Schätze“ (Studienfahrt nach Bonn), :<br />
„Kroatien – Zwischen römischer Vergangenheit und europäischer Zukunft“ (Studienreise),<br />
„Potsdam – Von der Residenz zur Landeshauptstadt“ (Studienreise)<br />
- Februar bis Juli 2008: „Von deutschen Königen und demokratischen Wurzeln“ (Studienreise<br />
nach Rheinland-Pfalz)<br />
- August bis Dezember 2008: „Elbmetropole Hamburg – Zwischen Tradition und Moderne“<br />
(Studienreise), „Die Toskana – Etrusker, Römer, Medici“ (Studienreise)<br />
- Januar bis Juli 2009: „Wien – mehr als Sissi und Sachertorte“ (Studienreise)<br />
4.4. Die Treppengalerie<br />
30 Jahre lang war die Volkshochschule <strong>Iserlohn</strong> in den Villen an der Stennerstraße<br />
beheimatet. 94 Ausstellungen wurden in diesen 30 Jahren von der VHS durchgeführt, 62<br />
davon in der so genannten Treppengalerie in der Stennerstraße 3.<br />
1989 wurde diese Treppengalerie auf Initiative von Fachbereichsleiterin Lieselotte Berthold<br />
ins Leben gerufen. VHS-Leiter Horst Piltz war begeistert, denn so würde auf die vielen<br />
Themen der VHS aufmerksam gemacht werden. 322<br />
321 E-Mail von Ulrike Eichholz an Verfasserin vom 14. September 2009.<br />
141
Die erste Ausstellung begann am 16. August 1989 mit der Foto-Ausstellung „Erinnerungen an<br />
ehemalige <strong>Iserlohn</strong>er Häuser“, fotografiert von Herbert Gutsche.<br />
Alle Ausstellungen aufzuzählen, wäre zu viel, deshalb hier eine kleine Auswahl:<br />
1992 gab es zwei sehenswerte Ausstellungen in der Treppengalerie: „Inszenierte<br />
Wirklichkeit“ mit kreativen Foto-Kompositionen von Frank Simon und „Ruhestätten“ mit<br />
Fotografien von <strong>Iserlohn</strong>er Friedhöfen von Robert Weinen und Ralf Bodemer, das WDR-<br />
Fernsehen brachte sogar einen Beitrag darüber.<br />
1993 installierte die VHS die Ausstellungen „Die Bilder-Treppe“ und „Die Töpfertreppe“ mit<br />
Teilnehmerarbeiten aus verschiedenen Kursen.<br />
1994 wurden unter dem Titel „<strong>Iserlohn</strong>er Augenblicke“ Fotocollagen von Annemarie Voigt<br />
zum VHS-Fest ausgestellt, ebenso die Aquarellbilder „WasserWerke“, die in den Kursen von<br />
Christine Georg entstanden. Zudem gab es die Ausstellung „Eindrücke – Ausdrücke“ mit<br />
Druckgrafiken aus Seminaren mit Peter Michael Hasse, der damit seine lange und<br />
hochgeschätzte VHS-Mitarbeit beendete.<br />
1995 wurden „Lohnende Motive – alte <strong>Iserlohn</strong>er Fabriken“ ausgestellt, die Werke wurden<br />
von Stadtführungen zu <strong>Iserlohn</strong>er Fabrikgebäuden unter der Leitung von Marlis Gorki<br />
inspiriert. Zudem zeigte der Fotograf, Indienkenner und Yogalehrer Gernot Knoell die Foto-<br />
Collagen-Ausstellung „Samsara – Der Kreis der Wiedergeburten“ und die Künstlerin und<br />
Kunsttherapeutin Gabi Lehmann präsentierte „Mandalas“.<br />
1996 zeigte die Treppengalerie „Farb-Zauber“, experimentelle Arbeiten aus Kunsttherapie-<br />
Seminaren unter der Leitung von Peter Bettzieche. Daneben wurden nach einer Studienreise<br />
auf den Spuren von Claude Monet in Frankreich selbst gemachte Fotos und Bilder in der<br />
Ausstellung „Impressionen – Bilder einer Studienreise nach Giverny“ gezeigt.<br />
1997 zpräsentierte der informelle Künstler Carsten Baums seine neuesten Arbeiten in der<br />
Treppengalerie. Ferner gab es eine Werkstattausstellung von vier Teilnehmern der VHS,<br />
322 <strong>Iserlohn</strong>er Kreisanzeiger. 17. August 1989.<br />
142
Ergebnisse der Studienreise „Vincent, Windmühlen … und mehr“ in die Niederlande und<br />
„Farve, Vielfalt, Freude“ mit Teilnehmerarbeiten aus Zeichen- und Malkursen der VHS von<br />
Maria-Ilona Mathes und Stefanie Bornemann. Schließlich wurden auch noch „<strong>Iserlohn</strong> –<br />
lohnende Motive: Fassaden“ gezeigt.<br />
1998 stellte man Portraits und Karikaturen, Teilnehmerarbeiten aus den Kursen von Ola<br />
Vinnitskaia, aus, zudem „Sichtweisen“, eine Ausstellung der VHS-Teilnehmerin Dr. Angela<br />
Wirmer.<br />
1999 waren „Wasserschlösser in NRW“, fotografiert von Herbert Gutsche, Thema ind er<br />
Treppengalerie. Auch „Bäume – lohnende Motive der Waldstadt“ wurden gezeigt und<br />
schließlich „<strong>Iserlohn</strong>er Fabriksken“, eine Bilddokumentation in Zusammenarbeit mit<br />
Stadtarchivar Götz Bettge. Mit „Farbspuren“ wurden zehn Jahre Treppengalerie gefeiert.<br />
Im Jahr 2000 waren „Falten und andere Herausforderungen“ (Kursleitung Stefanie<br />
Bornemann) sowie „Motiv mit Variationen“ (Kursleitung Joachim Stracke“ angesagt. Zudem<br />
zeigte man „Landschaft und Visionen“.<br />
2002 zeigte man „Abbabach und Baarbach von der Quelle bis zur Mündung“.<br />
2003 hieß eine Ausstellung in der Treppengalerie „Variationen in Pastell – Natur und<br />
Ambiente“ und stellte Werke von Teilnehmern des VHS-Kurses Pastellkreidemalerei mit<br />
Karl-Heinz Heun vor.<br />
2004 präsentierte Programmbereichsleiterin Dr. Petra Heider Pastellbilder in „Europa – über<br />
Städte und Land“.<br />
2005 zeigte die Treppengalerie auch Politisches, und zwar eine Plakatausstellung zum Thema<br />
„Widerstand gegen den Nationalsozialismus“. Zudem gab es Teilnehmer-Ausstellungen von<br />
Aquarellkursen.<br />
2006 bot die Ausstellung „Querbeet“ Teilnehmerarbeiten des vorigen Semesters.<br />
143
Kurzum: Die Treppengalerie spiegelte die Arbeit der VHS-Teilnehmer wieder, zeigte, wie<br />
bunt, vielfältig und kreativ die Arbeiten sind. Zudem hatten die Teilnehmer einen hohen<br />
Nutzen davon, die Bilder verschwanden nicht in irgendwelchen Schränken, sondern wurden<br />
öffentlich ausgestellt, die Teilnehmer erhielten Rückmeldungen von den Besuchern.<br />
4.5. Ein Ableger: Die „Kleine VHS“<br />
Die Volkshochschule <strong>Iserlohn</strong> hatte in den 1960er Jahren mittlerweile einen so guten Namen,<br />
dass sie vor Ort kopiert wurde. Seit 44 Jahren gibt es die „Kleine VHS“ der Vierten<br />
Kompanie des <strong>Iserlohn</strong>er Bürgerschützenvereins. Seit 1965 funktioniert die Verschmelzung<br />
von Bildung und bürgerschaftlichem Leben. Dabei bietet die „Kleine VHS“ eine bunte<br />
Themenvielfalt, von Stadtgeschichte über Reiseerlebnisse bis hin Informationen über Recht<br />
oder Gesundheit. Auch die Damen dürfen an diesen Abenden dabei sein.<br />
Der frühere Kompaniechef der „Vierten“ Willi Krewett hatte 1965 die Idee, um die<br />
Kompanieabende attraktiver zu gestalten. Zunächst wurden Schützenbrüder eingeladen, die<br />
ihre Berufe vorstellten, bald kamen aber auch Gastreferenten hinzu. Erster Gastredner war<br />
Heimatforscher Rolf Oventrop, der im Februar 1965 zum Thema „Geschichte des IBSV“<br />
sprach. „Die Idee kam an und so war die „kleine Volkshochschule“ der 4. Kompanie<br />
geboren.“ 323 Die „Kompanieabende mit Damen, Vortrag ,Kleine VHS’“ im Saal der<br />
Gaststätte Biggeleben am Mühlentor entwickelten sich zu den beliebtesten Veranstaltungen.<br />
Willi Krewetts Nachfolger Alfred Beuke wurde bei der Organisation der Veranstaltungen<br />
unterstützt von Karl-Heinz Ohly. Danach waren Kompaniechef Bernd Krewett und sein<br />
Adjutant Jörg Buschkämper verantwortlich. „Interessante Vorträge, jeweils zwischen 15 und<br />
45 Minuten lang, meist mit Lichtbildern, die den Mitgliedern vielseitige Informationen zu<br />
allen möglichen Themen des Lebens bieten, werden mit der sonst vielleicht etwas trockenen<br />
Thematik von Vereinsversammlungen verbunden.“ 324 Später fand die „Kleine VHS“ einmal<br />
im Monat im Hans-Sachs-Haus statt, wiederum später im Haus Gerdes.<br />
VHS-Leiter Horst Piltz, der mit der „Vierten“ an dem Projekt arbeitete, trat gleich mehrfach<br />
als Referent auf. „Egal zu welchem Thema er spricht - durch seine unverwechselbare Art wird<br />
es nicht nur ein interessanter und informativer, sondern auch ein vergnüglicher Vortrag.“ 325<br />
Oft wurden Dias oder Filme gezeigt. Die „Kleine VHS“ ging aber auch mal nach draußen, es<br />
323 Homepage der vierten IBSV-Kompanie: www.ibsv-vierte.de/projekte.htm. Stand 20. März 2008.<br />
324 Homepage der vierten IBSV-Kompanie: www.ibsv-vierte.de/projekte.htm. Stand 20. März 2008.<br />
325 Homepage der vierten IBSV-Kompanie: www.ibsv-vierte.de/projekte.htm. Stand 20. März 2008.<br />
144
wurden die Feuerwache, die Brauerei, ein Wasserwerk und andere Einrichtungen besucht. Die<br />
„Kleine VHS“ hatte mit der Volkshochschule <strong>Iserlohn</strong> später offiziell nichts mehr zu tun.<br />
5. Die Gebäude und Räume<br />
Die Volkshochschule führte viele Jahre lang ein wahres Nomadendasein. In 90 Jahren wurde<br />
fast jeder größerer Saal in <strong>Iserlohn</strong> für die VHS-Weiterbildungszwecke benutzt.<br />
Zentrale Anlaufstelle war zunächst das alte Rathaus, in dem die Geschäftsstelle untergebracht<br />
war. Ab 1960 wurde zunehmend die Stennerstraße VHS-Stützpunkt, besonders, nachdem man<br />
1977 mit der Stennerstraße 3 ein ganzes Haus zur Verfügung gestellt bekam. Doch niemals in<br />
der fast 90-jährigen Geschichte der Einrichtung hat man individuell auf die Bedürfnisse der<br />
VHS zugeschnittene Räumlichkeiten zur Verfügung gestellt bekommen.<br />
Erst mit der Eröffnung des Stadtbahnhofs im Januar 2008 wurde dieser lang gehegte Traum<br />
war. Seitdem hat man nur noch die Außenstellen Trillingsche Villa in Letmathe und JVA in<br />
Drüpplingsen.<br />
Hinweis: In Bezug auf die in Letmathe genutzten Räume wird hier auf die 2005 erschienene<br />
Chronik „50 Jahre VHS Letmathe“ verwiesen. Sie ist online unter<br />
http://www.iserlohn.de/Kultur/Volkshochschule/VHS-Jubi_LetmatheNEU.pdf einsehbar.<br />
5.1. Stennerstraße 3<br />
Das Gebäude der Stennerstraße 3 war jahrelang Geschäfts- und Unterrichtsstelle der<br />
Volkshochschule.<br />
Das schöne Gebäude wurde vom Architekten Otto Schmidt geplant 326 und 1874 gebaut.<br />
Bauherr war Wilhelm Haarmann, Großkaufmann und Metallhändler. 1881 kaufte Julius Basse<br />
(1832-1901), Mitinhaber der Firma Schmidt Söhne, das Haus mit dem schönen, 1886<br />
gebauten Wintergarten (auch Blumenhaus genannt) und dem großen Garten. Seine Söhne<br />
Gustav Adolf Basse (geboren 1873) und Ernst Julius (geboren 1875) wohnten dort bis zum<br />
Zweiten Weltkrieg. „Villa Basse“ heißt das Haus bis heute im Volksmund.<br />
326 Informationen vom Stadtarchiv <strong>Iserlohn</strong>. Siehe auch Aleweld, Norbert: Stennerstraße 3. In: Bettge, Götz<br />
(Hrsg.): <strong>Iserlohn</strong>-Lexikon. <strong>Iserlohn</strong>, 1987. S. 145.<br />
145
Dann erwarb die Stadt <strong>Iserlohn</strong> die schöne Villa. Zunächst waren verschiedene Dienststellen<br />
wie die Preisbehörde und das Gesundheitsamt (ab 1939) dort unterbracht 327 , schließlich die<br />
Volkshochschule.<br />
Die Erwachsenenbildungseinrichtung VHS zog Anfang Dezember 1977 ein und hatte somit<br />
erstmalig einen eigenen ständigen Sitz. Das war durch die Raumenge im Rathaus, wo man bis<br />
dato untergebracht war, nötig. Die Vorteile: Endlich hatte die Volkshochschule ein eigenes<br />
Domizil, das sie selbst einrichten konnte. In dem neuen haus war man nun nicht mehr an<br />
Termine gebunden, die man sonst als „Gast“ im Rathaus berücksichtigen musste, konnte<br />
Veranstaltungen und Sprechstunden nun auch abends oder an den Wochenenden stattfinden<br />
lassen. 328 Das Gebäude hieß nun „Haus der Volkshochschule“.<br />
In der Nachbarschaft in der Stennerstraße befanden sich das Goethe-Institut, das Bezirks-<br />
Lehrerseminar, das Mädchengymnasium, die Musikschule, das Haus der Familie und – im<br />
Garten des Hauses – das Städtische Jugendheim. Der Standort war also nicht schlecht<br />
gewählt. Bereits im Sommer 1977 war nach dem Auszug des Gesundheitsamtes mit den<br />
Renovierungsarbeiten begonnen worden, 55 000 DM stellte der Rat der Stadt dafür bereit. 329<br />
VHS-Leiter Horst Piltz zeigte sich begeistert von dem Ergebnis, besonders von den textilen<br />
Bodenbelägen und der guten Beleuchtung im Haus. Die „sichtbare kommunale<br />
Repräsentation“ in den ehrwürdigen Räumlichkeiten stießen überall auf breite<br />
Zustimmung. 330<br />
Vier komplette Tage lang zog man um.<br />
Im Erdgeschoss fand man die vier Büroräume für die Verwaltung und Unterrichtsräume, im<br />
ersten Stock die Zimmer der Fachbereichsleiter und die Bibliothek sowie einen<br />
Unterrichtsraum. Ein Unterrichtsraum war so groß, dass 50 Hörer hineinpassten. Dadurch,<br />
dass auch die VHS-Verwaltung ins neue Haus mit eingezogen war, konnten sich die Hörer<br />
nun bei der Anmeldung bei den Sachgebietsleitern informieren.<br />
Tagsüber waren verstärkt „Gäste“ im Haus aktiv, etwa das Goethe-Institut, das die<br />
Unterrichtsräume mitnutzte. Zudem begann man damals bereits 1977 damit, verstärkt<br />
327<br />
Oventrop, Rolf: Liebenswerte Heimat. <strong>Iserlohn</strong>, 1995. S. 291. Siehe auch Faltblatt „Villen und Gärten in<br />
<strong>Iserlohn</strong>. Architektur und Wohnkultur des Bürgertums 1860 – 1914. Bereich Bellevue und Tyrol. Ein<br />
Rundgang“.“ Herausgegeben vom Stadtarchiv <strong>Iserlohn</strong>. 1994.<br />
328<br />
VHS Zeitung. Information der Volkshochschule <strong>Iserlohn</strong>. Nullnummer. Ohne Datum, vermutlich Dezember<br />
1977.<br />
329<br />
<strong>Iserlohn</strong>er Kreisanzeiger. 10. Dezember 1977.<br />
330<br />
<strong>Iserlohn</strong>er Kreisanzeiger. 10. Dezember 1977.<br />
146
Vormittagskurse anzubieten. „So wächst das Zentralgebäude der VHS nach dem Willen der<br />
Schulleitung über die Weiterbildung in die Funktion einer Art Bürgerhaus für <strong>Iserlohn</strong>, in<br />
dem sich Kontakte unterschiedlicher Gruppen und Bildungseinrichtungen treffen.“ 331 Dazu<br />
trug auch der Höreraufenthaltsraum bei, in dem die Teilnehmer die Zeit zwischen Feierabend<br />
und Kursbeginn gemütlich verbringen konnten.<br />
Im Verwaltungsbericht der Stadt <strong>Iserlohn</strong> des Jahres 1977 heißt es: „Zwar handelt es sich bei<br />
dem neuen VHS-Domizil um eine historische Villa, und vollständig funktionsgerechte Räume<br />
und Ausstattung sind aus architektonischen Gründen nicht herzustellen, aber dennoch ist<br />
dieses „Haus der Volkshochschule“ (...) eine sichtbare kommunale Repräsentation einer<br />
Einrichtung“ 332 . Trotz des Hauses benötigte die VHS weiterhin die im ganzen Stadtgebiet<br />
verteilten 33 (!) Unterrichtsstätten.<br />
Das Haus wurde in all den Jahren immer wieder renoviert. Die textilen Bodenbeläge<br />
verschwanden, Computer erhielten Einzug.<br />
Doch die Freude über die neuen Räume währte nicht lange. Es gab nicht genügend große<br />
Räumlichkeiten, perfekt für die VHS war die Lösung an der Stennerstraße nicht. Im<br />
November 1978 beispielsweise hielt Professor Dr. Norbert Sadler, Schöngeist und Plauderer<br />
aus Paris, einen Vortrag über das französische „Savoir-vivre“ und warb galant für<br />
gegenseitiges Verständnis in Europa. Der Vortrag wurde so gut besucht, dass der größte<br />
Vortragsraum zu klein war. „Er darf für sich in Anspruch nehmen, der erste Gastredner der<br />
VHS <strong>Iserlohn</strong> zu sein, der – zumindest im schöngeistigen Bereich – eine solche<br />
Anziehungskraft ausübte. Und den VHS-Verantwortlichen wurde einmal mehr betrüblich vor<br />
Augen geführt, in welchen räumlichen Fesseln sie gefangen sind.“ 333<br />
1981 wurden die Räume bereichert, der <strong>Iserlohn</strong>er Maler Oskar Escherich stiftete (auch für<br />
die VHS-Räume an der Stennerstraße 12) sechs seiner Bilder. „Der erste Schritt in Richtung<br />
der sympathischen Atmosphäre ist also getan.“ 334 1985 wurde das Haus, das schon über ein<br />
Fotolabor und eine Keramikwerkstatt verfügte, um eine Druckwerkstatt erweitert.<br />
331 <strong>Iserlohn</strong>er Kreisanzeiger. 10. Dezember 1977.<br />
332 Verwaltungsbericht der Stadt <strong>Iserlohn</strong> für das Jahr 1977. Stadtarchiv <strong>Iserlohn</strong>. Bestand S3.<br />
333 <strong>Iserlohn</strong>er Kreisanzeiger. 10. November 1978.<br />
334 <strong>Iserlohn</strong>er Kreisanzeiger. 25. April 1981.<br />
147
Doch das Haus war nicht nur Haus, sondern die Architektur wurde aktiv in das Geschehen mit<br />
einbezogen. Im Treppenhaus wurden in der so genannten „Treppengalerie“ zwischen<br />
Erdgeschoss und erster Etage immer wieder Kunstwerke ausgestellt. Im August 1989 wurde<br />
sie eingeführt und bestand bis zum Auszug der VHS im Dezember 2007. Damit wurde das<br />
Treppenhaus nicht nur verschönt, sondern es wurde auch auf die vielen kreativen Themen der<br />
VHS aufmerksam gemacht.<br />
Genau 30 Jahre nach dem Einzug, Anfang Dezember 2007, packte die VHS wieder ihre<br />
Koffer. Sie war in den Dekaden zuvor enorm gewachsen, hatte auch noch die Jugendstilvillen<br />
Stennerstraße 8 und 12 sowie Räume des Stenner-Gymnasiums in der Stennerstraße 1 für<br />
Unterrichtszwecke genutzt. Die Stadt <strong>Iserlohn</strong> stellte der VHS nun zwei Etagen im<br />
funkelnagelneuen Stadtbahnhof zur Verfügung. Ein Neubau für eine Volkshochschule – das<br />
gab es in kaum einer anderen Stadt in NRW. Die Mitarbeiter freuten sich auf die auf ihre<br />
Bedürfnisse zugeschnittenen neuen Räume. Und vermissten trotzdem ein wenig den Flair der<br />
alten Jugendstilvillen mit ihren prachtvollen alten Gärten.<br />
5.2. Stennerstraße 8<br />
Das dreistöckige Haus mit dem Eckturm und der überdachten Veranda wurde 1887/1888 von<br />
einem unbekannten Architekten gebaut. 335 Auftraggeber war Arnold Nörrenberg, Mitinhaber<br />
von Robert Huyssen & Co. Nörrenberg verkaufte das Haus 1895 an den Kaufmann Friedrich<br />
Seiffart, Mitinhaber von Weydekamp, Kettling & Co. Er starb 1919. Im Jahr 1922 bewohnte<br />
seine Witwe Maria (geborene Witte) das Haus gemeinsam mit Kindern der Familie Römer.<br />
1941 verkaufte Maria Seiffert die Villa an Josef Raffenberg, der aus der Villa ein Haus mit<br />
drei abgeschlossenen Wohnungen machte. 336<br />
1966 kaufte das Haus die Stadt <strong>Iserlohn</strong>, es zogen das Gesundheitsamt und die<br />
Volkshochschule ein. Ende 1976 zog das Gesundheitsamt aus und es wurde das Bezirks-<br />
Seminar für die Ausbildung der Lehrer an Grund- und Hauptschulen in die Stennerstraße 8<br />
verlegt. 337<br />
Im Dezember 1983 erfreute die Volkshochschule die Nachricht, dass sie ab dem nächsten Jahr<br />
auch die Jugendstil-Villa Stennerstraße 8 komplett zur Verfügung gestellt bekommt. „Mit<br />
335 Faltblatt „Villen und Gärten in <strong>Iserlohn</strong>. Architektur und Wohnkultur des Bürgertums 1860 – 1914. Bereich<br />
Bellevue und Tyrol. Ein Rundgang“.“ Herausgegeben vom Stadtarchiv <strong>Iserlohn</strong>. 1994.<br />
336 Oventrop, Rolf: Liebenswerte Heimat. <strong>Iserlohn</strong>, 1995. S. 292.<br />
337 <strong>Iserlohn</strong>er Kreisanzeiger. 15. April 1977.<br />
148
diesem von der Stadt unterbreiteten Angebot können künftig mehr Vormittagskurse<br />
veranstaltet werden.“ 338 Seit 1984 war nur noch die Volkshochschule Nutzerin der<br />
Räumlichkeiten. 339 Im Unterschied zum „Haus der Volkshochschule“, der Stennerstraße 3,<br />
hieß es „VHS-Haus“.<br />
Im Jahr 2008 wurde das Haus von der Stadt verkauft. Es wird nun vorwiegend als Büro-<br />
Gebäude genutzt.<br />
5.3. Stennerstraße 12<br />
Die so genannte „Villa Weydekamp“ wurde 1891 gebaut. Architekt des Gebäudes war Otto<br />
Leppin (1850-1937) 340 . Bauherr war der Kommerzienrat Karl Weydekamp. Er zog mit seinen<br />
Söhnen Alexander und Karl ein.<br />
Die Familie bewohnte das Haus bis 1930, dann erwarb es die Stadt und richtete verschiedene<br />
Dienststellen wie Standesamt (1957), Büro der Stadtwerke und ähnliches dort ein. 341 1960<br />
erhielt die Volkshochschule eigene Unterrichtsräume im Erdgeschoss der Villa an der<br />
Stennerstraße 12, das nun „VHS-Haus“ genannt wurde.<br />
Vormittags wurden in den Räumen auch Klassen des Mädchen-Gymnasiums unterrichtet.<br />
Im Jahr 2008 verkaufte die Stadt <strong>Iserlohn</strong> das Haus, das nun vorwiegend als Büro-Gebäude<br />
genutzt wird.<br />
5.4. Der Stadtbahnhof<br />
Lange rang die Verwaltung mit sich, ob man den Abbruch des alten <strong>Iserlohn</strong>er Bahnhofs dazu<br />
nutzen sollte, ein neues Gebäude an dieser Stelle zu errichten und dies unter anderem für die<br />
Volkshochschule zu nutzen. Schließlich wurde die Entscheidung gefällt. Eigentümer war aber<br />
zunächst die Dortmunder Firma Freundlieb. Diese veräußerte das Gebäude an eine<br />
Luxemburger Firma, hinter der die Bank of Scotland steht. Die Stadt hat längerfristige<br />
Mietverträge geschlossen. Neben der Volkshochschule ließ die Stadt auch die<br />
Stadtinformation dort einziehen.<br />
338 <strong>Iserlohn</strong>er Kreisanzeiger. 7. Dezember 1983.<br />
339 Oventrop, Rolf: Liebenswerte Heimat. <strong>Iserlohn</strong>, 1995. S. 292.<br />
340 Oventrop, Rolf: Liebenswerte Heimat. <strong>Iserlohn</strong>, 1995. S. 197.<br />
341 Oventrop, Rolf: Liebenswerte Heimat. <strong>Iserlohn</strong>, 1995. S. 291. Siehe auch Faltblatt „Villen und Gärten in<br />
<strong>Iserlohn</strong>. Architektur und Wohnkultur des Bürgertums 1860 – 1914. Bereich Bellevue und Tyrol. Ein<br />
Rundgang“.“ Herausgegeben vom Stadtarchiv <strong>Iserlohn</strong>. 1994.<br />
149
Das vierstöckige Gebäude verfügt über 4700 Quadratmeter Mietfläche.<br />
Der Volkshochschule stehen die Räume der gesamten ersten und zweiten Etage des modernen<br />
Baus zur Verfügung. Hell, freundlich und behindertengerecht sind diese ausgefallen. Vor<br />
allem aber auch zugeschnitten auf die Wünsche der Volkshochschule: Es gibt große, mittlere<br />
und kleinere Kurs- und Seminarräume (17 bis 106 Quadratmeter), den Fanny-van-Hees-Saal<br />
für größere Veranstaltungen, einen Dozentenraum, einen Verwaltungstrakt und vieles mehr.<br />
Zwei voll ausgestattete EDV-/Multimedia-Räume bieten 12 beziehungsweise 16<br />
Arbeitsplätze. Drei Gesundheitsräume sind in den Größen 56, 88 und 114 Quadratmeter<br />
vorhanden, die beiden Größeren jeweils mit Matten und Spiegelwänden ausgestattet. Die<br />
Kursräume weisen mit modernen Medien wie Computer, Whiteboards oder PC-Beamer vor.<br />
5.5. Übersicht über die Räumlichkeiten<br />
Hier eine (bestimmt unvollständige) Übersicht der in 90 Jahren genutzten Räumlichkeiten.<br />
- Stennerstraße 3 (seit 1977), 8 (seit den 1960ern) und 12 (seit 1960)<br />
- Rathaus (besonders der kleine Sitzungssaal und der Ratssaal)<br />
- VHS-Atelier (Friedrichstraße 29)<br />
- Haus der Heimat (besonders Duisbergsaal, Archivraum und Stadtbücherei)<br />
- Jugendheim (Stennerstraße 3a, besonders der Werkraum) und Jugendclubheim<br />
(Stennerstraße 12a)<br />
- Haus der Familie (Stennerstraße 10)<br />
- Schillersaal im Feuerwehrgerätehaus<br />
- Wichelhovenhaus (Gutenbergzimmer)<br />
- Parktheater<br />
- Varnhagenhaus<br />
- Schule an der Mendener Straße (besonders Anfang der 50er, auch mit Thomas-Morus-<br />
Werk)<br />
- Märkisches Gymnasium (erst an der Baarstraße, später am Hemberg)<br />
- Mädchengymnasium, später Gymnasium an der Stenner (Stennerstraße 5)<br />
- Realschule an der Waisenhausstraße<br />
- Realschule I (Schleddenhofer Weg 61)<br />
- Realschule II (Karnacksweg 44)<br />
- Gesamtschule <strong>Iserlohn</strong><br />
- Hauptschule Hemberg<br />
- Realschule Hemberg<br />
150
- Berufliche Schulen (Hansaallee)<br />
- JVA Drüpplingsen<br />
- Stadtarchiv (Theodor-Heuss-Ring)<br />
- Stadtbücherei<br />
- Barendorf, Haus A<br />
- Moschee (Bergwergstraße)<br />
- Oberste Stadtkirche<br />
- Städtische Galerie<br />
Gelegentlich wurden genutzt:<br />
- Haus Ortlohn (in Zusammenarbeit mit dem Kaufmännischen Verein)<br />
- Staatl. Ingenieurschule am Karnacksweg (in Zusammenarbeit mit dem VDI)<br />
- Atrium-Theater<br />
- Bömbergschule (Werkraum)<br />
- Krypta der Kirche St. Hedwig, Nussberg<br />
- Goethe-Institut (Stennerstraße 1)<br />
- Ostlandheim<br />
- Hotel Pohl, Hagener Straße 65 (mit dem Ostdeutschen Kulturring)<br />
- Haus Seyfahrt, Mühlentor 5 (mit Kaufmännischem Verein)<br />
- Waldhotel Horn<br />
- Studio für Tanz und Gymnastik (Echelnteichweg)<br />
- Schule Waisenhausstraße<br />
- Gasthaus „Zum Grafen Engelbert“ (mit VDI)<br />
- Gaststätte Zum Weingarten (Baarstraße 100)<br />
- Deutsches Haus (Gesellschaftszimmer)<br />
- Haus Schlüter<br />
- Katholisches Gesellenhaus (mit dem Ostdeutschen Kulturring)<br />
- Jugendwohnheim Bodelschwinghstraße<br />
- Saal des Arbeitsgerichts<br />
- Berufsbildungswerk des DGB an der Vinckestraße 2<br />
- Haus der Begegnung Aloysiusstraße<br />
- Ev. Gemeindehaus Gerlingsen (mit dem Bildungswerk Gerlingsen)<br />
- Pfarrheim St. Michael (mit dem Bildungswerk Gerlingsen)<br />
- Grundschule Gerlingsen (mit dem Bildungswerk Gerlingsen)<br />
151
- Portugiesisches Zentrum (Wolfsgasse 16)<br />
- Pestalozzischule (Turnhalle)<br />
- Turnhalle Sümmern<br />
- Staatl. Berufsfachschule (Karnacksweg)<br />
- Städtisches Altenheim (Alexanderstraße 1)<br />
- Tagungszentrum der Stadtsparkasse (Schillerplatz)<br />
- Sonderschule Sümmern (Gertrudisstraße)<br />
- Wildwasser, Seminarraum (Wermingser Straße)<br />
- Pavillon Wohnpark Buchenwäldchen<br />
- Altenheim Wichernhaus (Josefstraße)<br />
- Seniorenwohnanlage Poth 10<br />
- Budo-Club <strong>Iserlohn</strong> (Hans-Böckler-Straße 49)<br />
- Firma Edelhoff (Industriegebiet Rombrock)<br />
- Musikschule<br />
- Dechenhöhle<br />
Nebenstellen:<br />
1. <strong>Iserlohn</strong>erheide (Orte: Gaststätte Riekenbrauck, Schule, VHS-Begegnungsstätte<br />
Ginsterstraße 23, Martin-Luther-King-Haus)<br />
2. Letmathe (VHS-Etage in der Trillingschen Villa, Saalbau, Ev. Gemeindehaus<br />
Oestrich, Cafe Krönchen, Begegnungsstätte Lössel, Hauptschule Berliner Allee,<br />
Altenheim St. Kilian, Brabeckschule, Realschule, Haus Letmathe, Zunftstuben im<br />
Kolpinghaus, Martin-Luther-Schule, Bartholomäusschule, Gewerbezentrum,<br />
Kindertagesstätte Markenfeld, Waldstadion)<br />
3. Dröschede (Haus Potthoff, VHS-Pavillon)<br />
4. Hennen und Kalthof (Hauptschule, Grundschule Kalthof, Städtischer Kindergarten<br />
Rheinen, Dorfgemeinschaftshaus Rheinen, Haus Lehmufer)<br />
6. Schlussbetrachtungen<br />
Die <strong>Iserlohn</strong>er Volkshochschule hat in 90 Jahren viel für die Erwachsenenbildung in <strong>Iserlohn</strong><br />
geleistet. Es wurden Kurse und Vorträge in sehr vielen Bereichen zu unzählbaren Themen<br />
angeboten und von Zehntausenden <strong>Iserlohn</strong>ern wahrgenommen.<br />
152
Die <strong>Iserlohn</strong>er Volkshochschule lag dabei ständig im Spannungsfeld zwischen Politik,<br />
Verwaltung und Öffentlichkeit. Sie spiegelt somit politische und gesellschaftliche<br />
Entwicklungen wider, orientierte sich stets an den gesellschaftlichen Veränderungen.<br />
Nach dem Ersten Weltkrieg ebenso wie viele andere Volkshochschulen im Land gegründet,<br />
erlebte sie Ende der 1920er Jahre einen Niedergang. Um 1934 wurde sie aufgelöst und die<br />
Erwachsenenbildung in <strong>Iserlohn</strong> wurde durch eine Volksbildungsbildungsstätte in den Dienst<br />
der NS-Ideologie gestellt.<br />
Einen Aufschwung erlebte die VHS <strong>Iserlohn</strong> nach 1949, war nicht nur Hilfe zur Lebenshilfe,<br />
sondern auch Mittel zu einer demokratischen Haltung der Bevölkerung. In den 1960er Jahren<br />
trat neben den klassischen Bildungsangeboten auch der Freizeitaspekt, in den 1970er Jahren<br />
der Aspekt der beruflichen Bildung in den Vordergrund. Die 1980er Jahre brachten heftige<br />
Diskussionen zwischen Rat und VHS um Finanzierung und Programmgestaltung. In den<br />
1990er Jahren spiegelte die VHS <strong>Iserlohn</strong> die zunehmende Globalisierung wider, betont aber<br />
nach wie vor in ihren Angeboten die heimische Region. 2005 erreichte die Volkshochschule<br />
erstmals das Qualitätszertifikat „Gütesiegel Weiterbildung NRW“ für die Anwendung von<br />
Qualitätsmanagement. Dies kann, besonders im Rückblick auf die Diskussionen der 1980er<br />
Jahre, als ein Höhepunkt in der VHS-Geschichte bewertet werden. Bleibt die Hoffnung, dass<br />
die aktuelle wirtschaftliche Krise nicht erneut dazu führt, dass an der Institution VHS gespart<br />
werden soll.<br />
Die Wertschätzung, die die <strong>Iserlohn</strong>er VHS in der Bevölkerung erlebt, wird sehr deutlich in<br />
einer Passantenbefragung, die die Studentin Dorle Ullmann im Sommer 2009 durchführte. 43<br />
Prozent der 123 Befragten hatten schon mal eine VHS-Veranstaltung besucht. Die<br />
Volkshochschule <strong>Iserlohn</strong> wurde dabei sehr positiv bewertet. „Offen für alle“ und „vielseitig“<br />
waren Adjektive, die die meisten Befragten mit der VHS in Verbindung brachten, zudem<br />
„professionell“, „kundenfreundlich“ und „aktuell“. Im Vergleich mit einer Landesstudie<br />
zeigte sich sogar, dass die <strong>Iserlohn</strong>er VHS besser bewertet wurde als der Landesschnitt.<br />
Damit wurde der Weiterbildungseinrichtung ein gutes Zeugnis ausgestellt, das den<br />
Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sicherlich Mut machen wird in dem neuen Gebäude die<br />
Arbeit erfolgreich fortzusetzen.<br />
153
7. Bibliographie<br />
7.1. Archive<br />
Archiv <strong>Iserlohn</strong>er Kreisanzeiger.<br />
Medienarchiv Volkshochschule <strong>Iserlohn</strong>.<br />
Stadtarchiv <strong>Iserlohn</strong><br />
7.2. Ungedruckte Quellen<br />
Nachlass Gustav Pfingsten im Stadtarchiv <strong>Iserlohn</strong>.<br />
Nachlass Theodor Klumpp im Stadtarchiv <strong>Iserlohn</strong>.<br />
Niederschriften der Sitzungen des Kulturausschusses der Stadt <strong>Iserlohn</strong>. Stadtarchiv <strong>Iserlohn</strong>.<br />
Verwaltungsberichte der Stadt <strong>Iserlohn</strong>. Stadtarchiv <strong>Iserlohn</strong>.<br />
Manuskripte von Carolus Hartmann. Nachlass Carolus Hartmann, in Privatbesitz.<br />
7.3. Sekundärliteratur<br />
Bausch, Karl-Richard/Christ, Herbert/Krumm, Hans-Jürgen: Handbuch<br />
Fremdsprachenunterricht. 3. Auflage. Tübingen, 1995.<br />
Bettge, Götz: <strong>Iserlohn</strong>-Lexikon. <strong>Iserlohn</strong>, 1987.<br />
Burgard, Hans-Jürgen: „Eine Stätte des „einträglichen Zusammenwirkens von Gelehrten und<br />
Arbeiterschaft?“ In: Der Märker / Hrsg.: Märkischer Kreis. Heft 43 (1994) S. 161-171<br />
Burgard, Hans-Jürgen: „Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne.“ In: Förderverein<br />
<strong>Iserlohn</strong>er Museen (Hrsg.): Beiträge zur Heimatkunde für <strong>Iserlohn</strong> und den märkischen Raum.<br />
- 12. 1994/95 (1994) S. 231-250<br />
Ciupke, Paul / Faulenbach, Bernd / Jelich, Franz-Josef/ Reichling, Norbert (Hrsg.):<br />
Erwachsenenbildung und politische Kultur in Nordrhein-Westfalen. Essen, 2003.<br />
154
Dolff, Helmuth: Die deutschen Volkshochschulen. Düsseldorf, 1979.<br />
Grschopp, Horst: Zwischen Bierabend und Bildungsverein. Berlin, 1987.<br />
Keim, Helmut / Urbach, Dietrich: Volksbildung in Deutschland 1933 – 1945. Braunschweig,<br />
1976.<br />
Olbrich, Josef: Geschichte der Erwachsenenbildung in Deutschland. Bonn, 2001.<br />
Piltz, Horst: Die <strong>Iserlohn</strong>er Volkshochschule. In: Waldstadt <strong>Iserlohn</strong>.. - <strong>Iserlohn</strong> : Mönnig,<br />
1987. - S. 31-33 : Ill.<br />
Spangenberg, Marie-Luise: Die Abendvolkshochschulen im Raum <strong>Iserlohn</strong>. In: Der Märker,<br />
1/1974. S. 41 bis 44.<br />
VHS-Arbeitskreis „Mahnmal für die Opfer des Nationalsozialismus in <strong>Iserlohn</strong>“: Mahnmal<br />
für die Opfer des Nationalsozialismus in <strong>Iserlohn</strong>. Eine Dokumentation. <strong>Iserlohn</strong>, 1989.<br />
7.4. Zeitungen und Zeitschriften<br />
<strong>Iserlohn</strong>er Kreisanzeiger<br />
Szene <strong>Iserlohn</strong> Magazin.<br />
Waldstadt-Information.<br />
Westfalenpost. Lokalausgabe <strong>Iserlohn</strong>.<br />
Westfälische Rundschau. Lokalausgabe <strong>Iserlohn</strong>.<br />
155
8. Anhang: VHS-Zeitzeugen erinnern sich<br />
8.1. Gunter Kingreen: „Als die Volkshochschule 40 Jahre jung war …“<br />
Gunter Kingreen, seit 50 Jahren Hörer und Dozent an der VHS <strong>Iserlohn</strong>, erinnerte sich an<br />
seinen ersten Kurs im Jahr 1959:<br />
„Eine Arbeitsgemeinschaft, so nannte man damals einen Kurs, sammelte sich zum Thema<br />
,Thomas Mann’ in den geschichtsträchtigen Gewölben des Alten Rathauses vom 4. November<br />
1959 bis zum 6. April 1960. Angehende Abiturienten, kundige Bürger und beredte<br />
Studienräte trafen da zusammen.<br />
Leiter der AG war Dr. Olschewski aus Köln. Er verfügte nicht gerade über die letzten Weihen<br />
der Pädagogik. Sein Reichtum an Fremdwörtern konnte zuweilen erst nach dem Ende der<br />
jeweiligen Sitzung geklärt werde.<br />
In den ersten Sitzungen besprachen wir Thomas Manns Erzählung ,Tristan’. Ein Satz wie<br />
,Klöterjahn scherzte in ziemlich unerlaubter Weise mit einem Stubenmädchen’ verführte<br />
dazu, lang und breit zu erörtern, wer denn hier sich als Moralapostel aufspielte: der Verfasser?<br />
Die Gesellschaft? Klöterjahn vielleicht selbst?<br />
Das Protokoll zu dieser Sitzung am 25. November 1959 geriet denn auch eher zu einer<br />
,Kampfschrift’ als zu einer bloßen Wiedergabe der Sitzung. Und da musste sich Dr.<br />
Olschewski dann dieser Kampfschrift stellen, und er tat es auch.<br />
Ein neuer Streit entbrannte bei der Behandlung der ,Buddenbrooks’. Man war sich einig, dass<br />
der Verfall einer Familie nur ein soziologischer Aspekt bei der Betrachtung des Werkes sei,<br />
denn geistig und künstlerisch steigt die Familie auf, im Tode gipfelnd. Thomas Mann folgt<br />
hier den Gedanken des Philosophen Schopenhauer. Aber übernimmt er sie bloß oder stellt er<br />
sie mit seiner Ironie nicht zugleich in Frage? Darüber gab es eine neue Auseinandersetzung.<br />
Versöhnlich war dann die Gegenüberstellung von Thomas Manns Ironie, die alles in Frage zu<br />
stellen scheint, mit dem Humor bei Jean Paul, der uns so vertraut und liebenswert ist: Da trägt<br />
der Schulmeister Wutz zu seiner Geliebten einen Pfefferkuchen. Unterwegs ,biss er sauber die<br />
vier rechten Winkel ab und machte ein Achteck, ein Sechzehneck.’ ,Darauf war nach diesen<br />
mathematischen Ausarbeitungen das Vieleck vor keinem Mädchen mehr zu produzieren!’<br />
156
Beim nächsten Mal steckte das Schulmeisterlein weitere Lebkuchen ein, die als ,Brandmauer’<br />
dienten, damit wenigstens ein Lebkuchen heil bei der Geliebten ankommen würde.“<br />
8.2. Gunther Kingreen: Ein Gruß aus der Tiefe<br />
Anlässlich des 75. Geburtstages der VHS <strong>Iserlohn</strong> trug Gunther Kingreen am 21. Juni 1994<br />
als Geist verkleidet folgendes Gedicht vor:<br />
Ich bin der Dechenhöhlengeist,<br />
komm’ aus der Tiefe angereist,<br />
der Volkshochschul’ zu gratulieren,<br />
in Eurem Kreis zu jubilieren –<br />
in meinen Augen wiegt das leicht …!<br />
Ach, unter diesem Höhenzug<br />
gibt es der Höhlungen genug:<br />
Wenn ich nicht alles halten würde,<br />
der weißen Villen schwere Bürde,<br />
es würde alles furchtbar krachen,<br />
die VHS zunichte machen …!<br />
Am Abend wird die Stennerwelt<br />
von Autos gänzlich zugestellt.<br />
Wird man sie davon bald befreien?<br />
Wird man am Hemberg dann erneuern<br />
Die Volkshochschule <strong>Iserlohn</strong>? –<br />
Im Blätterwalde rauscht es schon …!<br />
Wie erdverbunden ist dieses Haus:<br />
Die Namen sprechen es schon aus!<br />
HERR BACHMANN sorgt für Lebenskraft,<br />
indem er an dem „Zufluß“ schafft.<br />
FRAU HEIDER passt zu <strong>Iserlohn</strong>:<br />
den „Ortsteil“ gibt es lange schon …!<br />
157
Ein PILTZ wächst wohlbekannt empor,<br />
betört berlinerisch das Ohr. –<br />
Sie alle drei sind mit verbunden,<br />
weil sie im Namen schon bekunden,<br />
die Achtung vor der Mutter Erde,<br />
vor dem Gesetz „Sei und Werde!“<br />
Von Mutter Erde angeregt,<br />
zu neuer Schöpfungstat bewegt,<br />
zeigt sich FRAU BERTHOLD kreativ!<br />
Die Geister, die die Technik rief,<br />
HERR MEBES kraftvoll zäumt und bannt,<br />
den Fahrradlenker in der Hand …!<br />
Am wichtigsten seid doch Ihr Hörer!<br />
Durch Euch wird erst der Lehrer Lehrer,<br />
genannt „Dozentin“ und „Dozent“!<br />
Warum Ihr denn nicht auch „Student“/<br />
„Studentin“ analog dazu?<br />
(Die Frage lässt mir keine Ruh’ …!)<br />
Zu Euch bin ich heut’ angereist,<br />
der alte Dechenhöhlengeist.<br />
Mit Freuden ich es vor mir seh’<br />
das schöne VHS-Signet!<br />
In seinem Zeichen strebt voran –<br />
voll Ehrgeiz und Elan!<br />
Ich ziehe wieder höhlenwärts<br />
zu Mineralien, Stein und Erz,<br />
ins schöne Reich der Stalagmiten,<br />
zur Fabelwelt der Stalaktiten.<br />
Dort hab’ ich lange hingedöst –<br />
Ihr habt mich heute mal erlöst …!<br />
158
8.3. Carola Utsch: Ein Sprachkurs geht fast immer!<br />
„Seit 22 Jahren gehören VHS-Kurse zu meinem Leben!<br />
Nach zwei Frankreichurlauben zusammen mit meiner sehr gut Französischsprechenden<br />
Schwägerin, wollte ich auf eigene Faust mit meiner Familie nach Frankreich in den Urlaub<br />
fahren und beschloss 1987 um meine Schulfranzösischkenntnisse aufzufrischen, einen Kursus<br />
bei der VHS zu machen. Ich meldete mich kurz entschlossen an. Die Sprachbereichsleiterin<br />
Frau Heider war gerade im Hause, testete mich, ich war vollkommen unvorbereitet, und sie<br />
meinte, ich solle doch einen Fortgeschrittenenkursus bei Frau Herlyn machen.<br />
Nachdem ich drei Jahren bei ihr Französisch gelernt hatte und nach zwei Urlauben in<br />
Frankreich, kam bei mir der Wunsch auf, im Urlaub auch mal nach Italien zu fahren.<br />
Außerdem fand ich immer schon, dass das Italienische genau wie das Französische vom<br />
Klang her eine tolle Sprache ist.<br />
Ich fing an bei Herrn Cameretti von Grund auf Italienisch zu lernen. Günstig war, dass dieser<br />
Kursus in unserem Stadtteil stattfand und das leidige Parkplatzsuchen an der Stennerstraße<br />
entfiel. Als Herr Cameretti aufhörte, wechselte ich zu Frau Petereit. Gleichzeitig machte ich<br />
immer noch Französisch. Auch da hatte ich inzwischen die Dozentin gewechselt. Frau<br />
Fourmestraux hielt damals in der <strong>Iserlohn</strong>er Heide einen Kursus Francais<br />
commerciale ab.<br />
Dann waren mir zwei Sprachkurse in der Woche zu viel und ich habe ein bis zwei Jahre mal<br />
ganz ausgesetzt.<br />
Es kam die Zeit, dass unsere Söhne die ersten Computer anschafften und als ich es leid war,<br />
die Dinger immer nur abzustauben, belegte ich zwei oder drei Computerkurse bei Herrn<br />
Pinzler. Ich habe den Umgang mit dem Computer bei ihm halbwegs gelernt, aber dann war<br />
mein Interesse an dieser Materie erloschen.<br />
Als unser ältester Sohn uns seine erste feste Freundin, eine sehr nette Polin vorstellte, fand<br />
ich, dass es doch nett wäre wenn ich die Schwiegereltern in Spe bei einem eventuellen<br />
Kennen lernen in Landessprache begrüßen könnte. Zwei Jahre lang versuchte ich bei Frau<br />
Wawrziniak in Letmathe polnisch zu lernen. Die polnische Sprache zeigte mir schnell meine<br />
159
Grenzen auf. Die Grammatik ist dermaßen schwer! Ich habe es aufgegeben, obwohl ich<br />
inzwischen zwei polnische Schwiegertöchter habe. Hut ab vor jedem Polen, der einigermaßen<br />
gut Deutsch spricht!<br />
Darnach war glaube ich wieder ein, zwei Jahre VHS-Pause bis ich zu der Einsicht kam, dass<br />
ich etwas tun müsse, um meine Sprachkenntnisse wach zu halten und fing an bei Frau Tozzi<br />
in Hennen( wegen des bekannten Parkplatzproblems) Italienisch wieder aufzunehmen. Als<br />
Frau Tozzi aus beruflichen Gründen aufhörte, fand ich, es wäre wieder Zeit für Französisch.<br />
Ich lernte Frau Cherioux-Nimmermann kennen. Aus Termingründen wechselte ich noch<br />
einmal zu Italienisch bei Frau Petereit. Als bekannt wurde, dass die VHS ihre Räumlichkeiten<br />
an der von mir geliebten Stennerstraße aufgeben würde, und ich meine VHS-Zeit eigentlich<br />
beenden wollte, wechselte ich noch einmal, um kein neues Lehrbuch mehr anzuschaffen, zu<br />
Frau Nimmermann zu Französisch.<br />
Und dann kam der Umzug in die neuen Räumlichkeiten. 20 Jahre war VHS für<br />
mich gleichbedeutend mit der Schulatmosphäre an der Stennerstraße Trotz ständiger<br />
Parkplatzprobleme hat es mir in den alten Villen immer sehr gut gefallen. An heißen Tagen<br />
haben wir einige Male unter den hohen alten Bäumen im Garten gelernt .....<br />
Und jetzt der Bahnhof......<br />
Die neuen Räumlichkeiten haben bestimmt Vorteile, aber abends möchte ich nicht mehr im<br />
Bahnhofsgelände unterwegs sein! In den nächsten Jahren möchte ich nach England und Polen<br />
reisen, für mich sehr schöne Reiseziele. Da ich mit dem Polnischlernen ja kläglich gescheitert<br />
bin, werde ich mich wohl mit Englisch durchschlagen müssen.<br />
Seit die VHS im Bahnhof ansässig ist, frische ich in einem sehr netten Nachmittagskursus bei<br />
Herrn Brooks meine Schulenglischkenntnisse auf.<br />
Ich habe es nie angestrebt, eine Sprache perfekt zu erlernen. Beim Sprachenlernen in einem<br />
VHS-Kursus standen für mich immer der Kontakt zu anderen Kursteilnehmern und die<br />
Freude gemeinsam mit Gleichinteressierten zu lernen im Vordergrund.“<br />
160
8.4. Gabriele Schulz: VHS-Fotokurs<br />
„Gestalterisches Sehen lernen“ hieß es in der IKZ-Ankündigung für den Einführungskurs, in<br />
dem ambitionierte Kamerabesitzer in die Geheimnisse des Fotografierens eingeweiht werden<br />
sollten. Es muss 1973 gewesen sein, meint Hans Schneider, der im Haus Stennerstraße 12 den<br />
Kurs leitete.<br />
Es war die Zeit der analogen Fotografie. Eine Dunkelkammer besaß die Volkshochschule<br />
damals nicht. Und möglich wurde der praktische Kursteil nur, weil IKZ-Fotograf Hans<br />
Schneider die Dunkelkammer im Wichelhovenhaus nutzen durfte, um die Schwarzweiß-Filme<br />
der Kursteilnehmer zu entwickeln und die Fotos zu vergrößern.<br />
Theorie gab es auch. Die Kursteilnehmer lernten, dass man hierzulande von links nach rechts<br />
denkt, so wie wir schreiben. Das heißt: Ein nach rechts fahrendes Auto fährt weg. Auch von<br />
Spitzlichtern in den Augen porträtierter Menschen war die Rede. Warum die Spitzlichter so<br />
wichtig sind? Lothar Bendel, ein aus Ungarn stammender Teilnehmer, brachte es in<br />
unnachahmlicher Kürze auf den Punkt: „Wenn kein Licht in Auge – Auge tot.“ Besser und<br />
prägnanter ist das wohl nie gesagt worden.<br />
Es folgte im nächsten Jahr ein zweiter Kurs. Dann war Schluss. Die Dauerbeanspruchung der<br />
Dunkelkammer im Wichelhovenhaus war nicht mehr tragbar. Horst Piltz, der VHS-Leiter, sah<br />
das nicht so eng. Noch einige Male fand Hans Schneider seinen Namen im VHS-Programm<br />
bei Kursen, die er gar nicht mehr geben wollte und auch nicht gab.<br />
Etliche Kursteilnehmer konnten zwar jetzt so gut fotografieren, wie sie es sich zum Ziel<br />
gesetzt hatten. Weitere Kurse benötigten sie nicht mehr. Doch auf die Gesellschaft der<br />
anderen Amateurfotografen wollten sie nicht verzichten. So traf man sich einmal im Monat,<br />
immer am ersten Dienstag, in der Gaststätte Topp. Hans Schneider hatte mittlerweile einen<br />
Segelschein und erzählte mit steigender Begeisterung von seiner Leidenschaft. Oder anders<br />
gesagt: ER ging dem Foto-Stammtisch mit seinem unerschöpflichen Seemannsgarn<br />
allmählich gehörig auf die Nerven.<br />
Reinhard Müller platzte am Stammtisch eines Tages der Kragen: „Entweder du bringst uns<br />
jetzt das Segeln bei, oder ich komme nicht mehr wieder.“ Bei der Volkshochschule konnte<br />
man damals nicht nur Fotografieren lernen, sondern auch einen Segelschein machen. Fast<br />
161
geschlossen begab sich der Foto-Stammtisch in den VHS-Segelkurs. Etwa 1986 ging die<br />
Truppe gemeinsam auf große Schiffchen-Tour. An der Ostsee wurde für eine Woche ein Boot<br />
gechartert. Wind ist gut für Segler. Aber viel Wind ist ganz schlecht. Das merkten die<br />
<strong>Iserlohn</strong>er, die in dieser einen Segelwoche genau einmal quer durch die Flensburger Förde<br />
schipperten. Ansonsten saßen sie auf den Planken ihres Schiffchens, schauten bei<br />
Windstärken 7 bis 8 aufs Wasser und waren schwer damit beschäftigt, Seemannsgarn zu<br />
spinnen.<br />
Den Stammtisch gibt es immer noch. Jetzt trifft man sich am ersten Mittwoch im Monat im<br />
„cafe täglich“, und ab und zu stoßen neue Interessenten dazu. Wenn sie gleichermaßen Freude<br />
am Fotografieren und an der Segelei mitbringen, sind sie besonders willkommen.<br />
8.5. Edelgard Radig: Der bildungsbeflissene Mensch<br />
Seit über 30 Jahren nimmt Edelgard Radig (früher Henke) an verschiedenen VHS-Kursen teil.<br />
„Ich habe wohl kaum einen Kurs ausgelassen, von Sprachkursen aller Art, über Philosophie<br />
bis hin zu einer achtjährigen interessierten Teilnahme am damaligen Literaturkurs, noch bei<br />
Frau Habbel und Nachfolgern. Außer in einem Makramee-Kurs habe ich wohl überall meine<br />
Nase hereingesteckt.“ Dass sie ein Talent zur Alltagslyrik hat, entdeckte sie erst mit 50<br />
Jahren. Mittlerweile hat sie mit Hilfe einer Freundin einige ihrer amüsanten Gedichte zu<br />
einem kleinen Buch, dem „Schmunzelbuch“ zusammengetragen. Hier ist eines davon:<br />
Der bildungsbeflissene Mensch<br />
Ein Mensch, den Bildungsmangel stört<br />
Und von der VHS gehört<br />
Entschließt sich bald mit festem Willen,<br />
den Bildungshunger dort zu stillen.<br />
Das Angebot ist riesig groß,<br />
Mein Gott, denkt er, was mach’ ich bloß?<br />
Zunächst reizt ihn der Sprachen Fülle,<br />
dass er sich nicht in Schweigen hülle,<br />
wenn er auf einer seiner Reisen<br />
die Weltgewandtheit soll beweisen.<br />
162
Der Philosophen weise Thesen<br />
Ließen wohl seinen Geist genesen,<br />
und von dem Herr der Psychologen<br />
fühlt er sich magisch angezogen.<br />
Auch wie man richtig sich ernährt<br />
Hätt’ er gerne mal gehört.<br />
Dazu ein Fitness-Sportprogramm<br />
- er wähnte längst sich etwas lahm - .<br />
Ganz sicher wäre auch mal nötig<br />
Ein Kurs in Bio-Energetik.<br />
Rhetorik sollte man erküren<br />
Um vollmundig das Wort zu führen<br />
Wenn man einmal im Freundeskreis<br />
Sein Wissen darzustellen weiß.<br />
Zur Schreibwerkstatt wird animiert,<br />
wo jeder frisch die Feder führt,<br />
der meint, wenn ihn die Musen küssen,<br />
soll’s auch die Allgemeinheit wissen.<br />
Der Mensch erkennt ziemlich verwirrt,<br />
dass ihn so vieles interessiert<br />
und dass ihm noch so manches fehlt<br />
was allgemein zur Bildung zählt.<br />
Doch Zweifel überkommen ihn<br />
„Wo führt denn nun das Ganze hin?“<br />
Wird es mir und Andern nützen<br />
Den Hosenboden glatt zu sitzen?<br />
Was wäre denn der Mühen Lohn?<br />
Bald kennt er auch die Antwort schon!<br />
163
Nicht nur das Ziel ist gut und richtig,<br />
der Weg dahin ist vielmehr wichtig.<br />
Um Kenntnis kannst du dich bemüh’n<br />
Erkenntnis musst du selber zieh’n.<br />
So hat das Lesen von Prospekten,<br />
die soviel Wissenshunger weckten<br />
den Menschen unbewusst und sacht<br />
fast schon zum Philosoph gemacht!<br />
9. Anhang II: Dokumente zum 90-jährigen Jubiläum<br />
9.1. Eröffnungsrede des Festaktes von Lieselotte Berthold<br />
Sehr geehrter Herr Bürgermeister Müller,<br />
sehr geehrter Herr Professor Siebert,<br />
sehr geehrte Vertreterinnen und Vertreter der Dozenten und Teilnehmenden der<br />
Volkshochschule <strong>Iserlohn</strong>,<br />
sehr geehrte Vertreterinnen und Vertreter des Rates und des Kulturausschusses,<br />
sehr geehrte Vertreterinnen und Vertreter öffentlicher und kirchlicher Institutionen sowie der<br />
Medien,<br />
sehr geehrte Freunde und Förderer unserer Volkshochschule,<br />
liebe Kollegen und Kolleginnen der Stadtverwaltung,<br />
liebe Kollegen und Kolleginnen der benachbarten Volkshochschulen und der <strong>Iserlohn</strong>er<br />
Schulen und Weiterbildungseinrichtungen,<br />
und zum Schluss und besonders herzlich:<br />
liebe ehemalige haupt- und nebenberufliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Leider können<br />
wir Frau Spangenberg und Herrn Piltz heute Abend nicht begrüßen, weil beide kurzfristig<br />
gesundheitlich verhindert sind, sie lassen herzlich grüßen.<br />
Aber Sie alle sind hier bei unserer kleinen, feinen Feierstunde zum 90-jährigen Bestehen<br />
unserer Volkshochschule und ich begrüße Sie herzlich, auch im Namen des ganzen VHS-<br />
Teams.<br />
Umrahmt und begleitet wird der Abend musikalisch von Chris Kramer, Mundharmonika- und<br />
Gitarren-Künstler, Blues-Enthusiast und VHS-Kursleiter seit über 10 Jahren.<br />
164
Nun zum Ablauf dieses Abends:<br />
Herr Bürgermeister Klaus Müller wird ein Grußwort sprechen.<br />
Dann spielt Chris Kramer.<br />
Danach referiert Herr Professor Dr. Horst Siebert zum Thema „90 Jahre VHS <strong>Iserlohn</strong>“.<br />
Anschließend bittet die Historikerin und Journalistin Katja Hofbauer die VHS-Runde auf die<br />
Bühne. Dabei sind: Bodo Mebes vom VHS-Team, die Teilnehmerin Tanja Golla, sowie die<br />
VHS-Dozenten und –Dozentinnen Sigrid Kanthack-Leser, Nicholle McKensie, Gunther<br />
Kingreen und Chris Kramer, die der Volkshochschule kleine 2-3-Minuten-Geschenke machen<br />
werden. Was das genau ist? Lassen Sie sich überraschen.<br />
Danach gebe ich Ihnen noch Informationen zu unserer Jubiläumsfahrt am Donnerstag sowie<br />
zu unserer Festschrift „VHS Iserohn – seit 90 Jahren gefragt“.<br />
Abschließend spielt Chris Kramer zwei Stücke.<br />
Herr Professor Dr. Horst Siebert wird zum Thema „90 Jahre VHS <strong>Iserlohn</strong>“ sprechen. Ich will<br />
Ihnen erklären, warum es uns ein großes Anliegen war, dass gerade er den Festvortrag halten<br />
sollte: Er war nämlich Deutschlands erster Professor für Erwachsenenbildung. Und er ist<br />
gebürtiger <strong>Iserlohn</strong>er. Und er wäre um ein Haar 1965 VHS-Leiter in <strong>Iserlohn</strong> geworden wenn,<br />
ja wenn er sich nicht für die universitäre Laufbahn entschieden hätte. Danke Herr Professor<br />
Siebert, dass Sie für uns heute aus Hannover angereist sind.<br />
Der erste VHS-Vortrag vor 90 Jahren beschäftigte sich mit dem Sonnensystem. Das Thema<br />
ist nach wie vor spannend, zumal im Laufe von 90 Jahren so ungeheuer viel Neues im Bereich<br />
der Astrophysik entdeckt wurde und Raumsonden die Planeten sogar besucht haben. Im<br />
Planetarium Bochum haben wir einen Sondertermin erhalten, bei dem wir die<br />
Multimediashow „Fantastische Planeten“ sehen werden und anschließend von Frau Professor<br />
Dr. Hüttemeister erfahren werden, welche Erkenntnisse der Referent im Jahre 1919 hatte.<br />
Einige Plätze im Bus sind noch frei. Bitte sprechen Sie mich oder mein Team an, wenn Sie<br />
noch mitfahren wollen.<br />
Voraussichtlich im November erscheint unsere Festschrift „Volkshochschule <strong>Iserlohn</strong> – seit<br />
90 Jahren gefragt“. Dank der Historikerin Katja Hofbauer, die drei Jahre lang recherchiert und<br />
Interviews geführt hat, können wir Ihnen mehr als eine Chronik bieten. Es ist bereits ein<br />
stattliches Werk von rund 160 Seiten geworden, das ein Stück <strong>Iserlohn</strong>er Stadtgeschichte aus<br />
165
dem Blickwinkel der Weiterbildung abbildet. Das Besondere daran ist, dass es eine<br />
dynamische, lebendige Chronik sein wird. Wir veröffentlichen sie im Internet und wollen die<br />
ehemaligen und aktiven VHSler animieren, ihre Erfahrungen und ihre Dönekens auch<br />
weiterhin beizutragen. Der Änderungsstand wird dann jeweils vermerkt sein.<br />
Besuchen Sie auch unsere Homepage www.<strong>vhs</strong>-iserlohn.de und lesen Sie mehr über unsere<br />
bewegte Entwicklung.<br />
Eine ganz entscheidende Erkenntnis daraus will ich allerdings heute Abend betonen:<br />
Die Dozentinnen und Dozenten sind das Rückgrad der Volkshochschule. Ohne deren<br />
Kompetenz, Engagement, Empathie und Verlässlichkeit hätte die Volkshochschule nicht so<br />
ein Erfolgsmodell werden könne. Und dafür gebührt ihnen heute unser ganz besonderer Dank.<br />
Danken möchte ich auch dem Rat der Stadt <strong>Iserlohn</strong>, dass die Volkshochschule seit 2008 in<br />
diesem schönen, hellen, erwachsenengerechten Gebäude den Unterricht anbieten kann:<br />
niederschwellig und offen für alle, gerade in Zeiten des wirtschaftlichen Wellengangs. Jeder<br />
in Bildung investierte Euro lohnt sich. Denn, wie sagte schon Heinrich Heine so treffend:<br />
„Geld ist rund und rollt weg. Bildung bleibt.“<br />
9.2. Rede von Bürgermeister Klaus Müller<br />
Sehr geehrte Damen und Herren, sehr geehrter Herr Prof. Siebert,<br />
liebe Freunde der Volkshochschule,<br />
zum 90-jährigen Bestehen gratuliere ich unserer Volkshochschule ganz herzlich. 1919 wurde<br />
die Volkshochschule als Arbeitsausschuss zur „Abhaltung von Volkshochschulkursen”<br />
gegründet.<br />
Sie gehört damit zu den ältesten Volkshochschulen in Deutschland. Als öffentliche, der<br />
Erwachsenenbildung und außerschulischen Jugendbildung dienenden Einrichtung hat sie ihre<br />
Bedeutung im Laufe der Jahre immer mehr gesteigert.<br />
Das Interesse der Bevölkerung - und das sind die Bürgerinnen und Bürger unserer Stadt, die<br />
diese Weiterbildungseinrichtung intensiv nutzen - an den unterschiedlichen Kursen der<br />
verschiedenen Fachbereiche hat ständig zugenommen. Gestiegenes Bildungsbewusstsein, die<br />
Verpflichtung zur Weiterbildung, auch die zwingende Notwendigkeit, neue Kenntnisse zu<br />
erwerben um im Berufsleben heute und morgen erfolgreich zu sein, aber auch wachsende<br />
Freizeit haben zu einer steigenden Nachfrage und einer Ausweitung des Angebotes geführt.<br />
Im Jubiläumsjahr präsentiert sich die <strong>Iserlohn</strong>er Volkshochschule als lebendiger Ort der<br />
166
Bildung, der Kommunikation und des kreativen Schaffens.<br />
In ihrer langen Geschichte nutzte die Volkshochschule immer wieder wechselnde Räume, es<br />
gab wohl kaum einen Saal oder eine Schule in unserer Stadt, in der die Volkshochschule<br />
keine Veranstaltungen durchgeführt hat.<br />
Seit Januar 2008 ist die Volkshochschule hier im neuen Stadtbahnhof untergebracht, damit<br />
stehen ihr erstmals in ihrer Geschichte individuell auf ihre Bedürfnisse zugeschnittene<br />
Räumlichkeiten zur Verfügung. 23 Unterrichtsräume, eine Cafeteria, ein Dozentenraum, ein<br />
Bildungsberatungsbüro und die Geschäftsstelle bieten der Volkshochschule und dem 9-<br />
köpfigen VHS-Team auf rd. 2.500 qm optimale Bedingungen.<br />
Mit dem Domizil im neuen Stadtbahnhof setzt die Stadt <strong>Iserlohn</strong> ein deutliches Zeichen, dass<br />
ihr Weiterbildung sehr wichtig ist. Der Stadtbahnhof als zentraler Ort, mit optimaler<br />
Verkehrsanbindung durch Bahn, Bus und Straße, mit ausreichenden Parkmöglichkeiten und<br />
für Innenstadtbewohner guter fußläufiger Erreichbarkeit, ist der ideale Standort.<br />
Fort- und Weiterbildung werden in unserer modernen Kommunikationsgesellschaft weiter an<br />
Bedeutung gewinnen.<br />
Ich denke, dass wir in dem Festvortrag von Prof. Dr. Horst Siebert, den ich ganz herzlich<br />
begrüße, hierzu mehr hören werden.<br />
Mit ihrem umfangreichen Kursangebot zu den unterschiedlichsten Themen, die unsere<br />
Gesellschaft beschäftigen, mit Angeboten zur beruflichen Qualifizierung, mit dem Angebot,<br />
Schulabschlüsse erwerben und Sprachen erlernen zu können, bietet unsere VHS für jeden<br />
etwas. Ich wünsche ihr eine weiterhin erfolgreiche Arbeit im Sinne einer weltoffenen und<br />
zeitgemäßen Weiterbildung. Ich bin sicher, dass die Volkshochschule in unserer Stadt eine<br />
gute Zukunft haben und sich weiter entwickeln wird, so wie sie es seit 90 Jahren getan hat.<br />
167
9.3. Rede Prof. Dr. Horst Siebert<br />
90 Jahre VHS <strong>Iserlohn</strong> - das sind 90 Jahre Zeitgeschichte und Stadtgeschichte: Mehr als<br />
andere Bildungseinrichtungen spiegelt die VHS den Zeitgeist, die wirtschaftliche Situation,<br />
die sozialen Konflikte, die kulturellen Besonderheiten einer Stadt wider. Denn ein Merkmal<br />
der VHS ist ihre kommunale Einbettung.<br />
Doch wie können wir uns heute das <strong>Iserlohn</strong> des Jahres 1919 vorstellen?<br />
Günther Schweer schreibt in dem Buch „Alte Gassen und Winkel in <strong>Iserlohn</strong>“: „<strong>Iserlohn</strong> –<br />
240 bis 480 Meter über dem Meeresspiegel, die Eingangspforte zum Sauerland inmitten der<br />
herrlichen Berge. Tropfsteinhöhle, Felsenmeer, Danz- und Bismarckturm, Oberste Stadtkirche<br />
mit geschnitztem gotisch-flandrischen Flügelalter aus dem 15. Jh. und 8 berühmten<br />
Tafelgemälden, Kongressstadt. Spezialitäten: Kuttelflick und Wamme (Bratfleisch und<br />
Tunke), <strong>Iserlohn</strong>er Bockskämper (Schnaps).“ (S. 8)<br />
Schweer beschreibt die <strong>Iserlohn</strong>er als beschaulich, strebsam und unternehmungslustig,<br />
traditionsbewusst und fortschrittlich.<br />
Doch es lässt sich auch ein anderes, weniger idyllisches Bild des <strong>Iserlohn</strong> vor 100 Jahren<br />
zeichnen.<br />
In dem Bildband „<strong>Iserlohn</strong> in alten Bildern“ stellt Richard Althaus anschaulich den sozialen<br />
und beruflichen Alltag <strong>Iserlohn</strong>s während der Industrialisierung dar. <strong>Iserlohn</strong> erlebte einen<br />
wirtschaftlichen Aufschwung durch die Metallindustrie insbesondere durch Drahtziehereien,<br />
Kettenherstellung, Nadelfabriken... „Die beste Feder lieber Sohn, ist die von Brause <strong>Iserlohn</strong>“.<br />
Doch dieser industrielle Fortschritt hatte seine Schattenseiten. Die Kluft zwischen Arm und<br />
Reich wurde immer größer. Das soziale Elend der Arbeiterfamilien wuchs – forciert durch<br />
den wachsenden Alkoholkonsum.<br />
„Die schlimmste soziale Sünde jedoch war die Kinderarbeit, die durch Jahrhunderte gang und<br />
gäbe war, die die Kinder nicht nur körperlich, sondern auch geistig und seelisch verdarb.“ (S.<br />
10).<br />
Die soziale Lage verschlimmerte sich durch den 1. Weltkrieg. Am schlimmsten war für die<br />
<strong>Iserlohn</strong>er Bevölkerung der „Steckrübenwinter“ 1917/18. „Diese Not trieb auch die Frauen zu<br />
dem Hungermarsch vor das Rathaus. Die Schulkinder sammelten Laub, Brennnesseln,<br />
Eicheln, Bucheckern, Flaschen, Blechdosen, Altgummi, Altmetall, Lumpen, Papier. Die<br />
Glocken von den Kirchtürmen, die Zinnpfeifen der Orgeln – alles, aber auch alles musste<br />
herhalten, um dem Mangel an allem abzuhelfen.“ (S. 12).<br />
Tausende von jungen Männern, aber auch Familienvätern – wenn sie denn überlebt hatten –<br />
kehrten krank, verwundet, hoffnungslos aus der Kriegsgefangenschaft zurück.<br />
168
In dieser Zeit der Not dankte der Kaiser ab (was kein großer Verlust war) und die<br />
demokratische Republik wurde in Weimar ausgerufen. Und – und damit bin ich beim Thema<br />
– das Bildungssystem sollte renoviert werden. In Artikel 148 der Weimarer Reichsverfassung<br />
wurde eine neue Bildungseinrichtung kreiert – die Volkshochschule. Diese VHS sollte vom<br />
Staat und von den Kommunen finanziert werden. Das preußische Volksbildungsministerium<br />
forderte qua Erlass vom 25.02.1919 alle Gemeinden auf, eine öffentliche Volkshochschule zu<br />
gründen. Auf der Reichsschulkonferenz 1920 befasste sich eine eigene Arbeitsgruppe mit der<br />
Struktur und dem Profil dieser neuen Einrichtung. Auch wenn es bereits Vorläufer dieser<br />
Institution gab, so kann das Jahr 1919 durchaus als der Beginn der modernen<br />
institutionalisierten EB gelten.<br />
Die Begründungen dieser Reform waren nicht nur kultur- und bildungs-, sondern auch<br />
wirtschafts- und sozialpolitisch. Wirtschaftlich sollte die VHS vor allem die berufliche<br />
Wiedereingliederung der Kriegsheimkehrer unterstützen. Sozialpolitisch sollten durch eine<br />
integrative Volksbildung die Klassengegensätze überbrückt werden. Man sprach von einer<br />
„Volkbildung durch Volksbildung“, von einer „Arbeitsgemeinschaft von Kopf- und<br />
Handarbeitern“, von einer Aufwertung der „volkstümlichen Bildung“. Außerdem sollte die<br />
Bildungsbenachteiligung der Frauen durch die VHS verringert werden – zumal der Frau<br />
erstmalig das allgemeine Wahlrecht zugebilligt worden war. Politisch und ideologisch sollte<br />
das demokratische Bewusstsein und die politische Urteilsfähigkeit geschult werden. Die<br />
Demokratie – so hieß es – fordert den aufgeklärten und mündigen Bürger. Darüber hinaus galt<br />
es, nach der Katastrophe des Kaiserreichs eine moderne kulturelle und politische Identität –<br />
u.a. durch die Besinnung auf klassische deutsche Kultur – zu schaffen.<br />
Dass dieser Versuch der Demokratisierung bald scheiterte, dass aus der volkstümlichen<br />
Bildungsidee eine rassistische und militaristische Blut- und Bodenideologie wurde, kann zwar<br />
den meisten VHSn nicht angelastet werden, gehört aber zu den dunklen Seiten der VHS-<br />
Geschichte.<br />
Pädagogisch betrachtet ist die VHS-Bewegung Bestandteil der Reformpädagogik. Es gehörte<br />
zum Selbstverständnis der VHS, nicht nur wissenschaftliches Wissen durch Vorträge zu<br />
„popularisieren“, sondern teilnehmer- und erfahrungsorientiert in Arbeitsgemeinschaften neue<br />
Einsichten zu erarbeiten. Dieses Konzept entsprach M. Montessoris „Erziehung vom Kinde<br />
aus“, Kerschensteiners Arbeitsschulidee, dem Konzept der Landerziehungsheime und der<br />
Kunsterziehungsbewegung. Vor allem aber war die Mehrzahl der VHS-Lehrkräfte<br />
„jugendbewegt“, d.h. naturverbunden, zivilisationskritisch, antiindustriell.<br />
169
Die VHS-Leiter sprachen von einer „VHS-Bewegung“, einer Alternative zur staatlichen,<br />
autoritären und stofforientierten „Schule“. Der Begriff „Schule“ war überwiegend negativ<br />
besetzt. „Volksbildung“ war etwas anderes als frontaler Schulunterricht. Die VHS wurde zur<br />
Keimzelle einer fundamentalen Bildungs- und Lebensreform.<br />
Dieses idealistische Selbstverständnis enthielt aber nicht nur aufklärerische, sondern auch<br />
sozialromantische Züge einer „Volksgemeinschaft“. Dieses Selbstbild war nicht nur utopisch,<br />
sondern auch naiv. Die Kluft zwischen Anspruch und Wirklichkeit war unübersehbar.<br />
Es ist der Verdienst des VHS-Arbeitskreises unter der Leitung von Hans-Jürgen Burgard<br />
(„Die Geschichte der VHS <strong>Iserlohn</strong>“), diese Diskrepanz zwischen Ist und Soll materialreich<br />
aufgezeigt zu haben.<br />
Auch die <strong>Iserlohn</strong>er VHS hatte das Ziel, zur „Stärkung des edlen Menschtums in weiten<br />
Kreisen und zur Pflege des Idealismus der Jugend“ beizutragen (S. 161). Doch die Realität<br />
war lange Zeit frustrierend. Viele Kurse, vor allem solche mit kulturell anspruchsvoller<br />
Thematik, kamen mangels Beteiligung nicht zustande. In dem Bericht des Arbeitskreises heißt<br />
es:<br />
„Es scheint so, als ob viele der damals so euphorisch um die Hebung der Volksbildung<br />
bemühten Pädagogen und Politiker eine reichlich weltfremde Vorstellung von der<br />
Bildungsbereitschaft der ‚Masse’ und ihren Interessen besessen hätten.“ (S. 163).<br />
Die VHS war angesichts der Wirtschaftskrise, der Inflation und Arbeitslosigkeit in Gefahr,<br />
bereits nach wenigen Jahren wieder geschlossen zu werden. Zu dieser Krise trug nicht zuletzt<br />
die Finanzknappheit der Stadt bei. 1928 erhielt die VHS 300 Mark, 1929 800 Mark<br />
kommunalen Zuschuss. Kritisiert wurde aber auch in der Presse – so in dem IKZ –, dass die<br />
VHS die pädagogischen Erwartungen nicht erfüllt habe und eher eine Halbbildung als eine<br />
moderne Bildung vermittle. Außerdem gab es immer wieder Diskussionen, ob die VHS<br />
politisch neutral zu sein habe.<br />
Gefährdet war die Existenz der VHS nicht nur durch die wirtschaftliche Rezession, sondern<br />
auch durch die neuen Medien. Als in den 1920er Jahren das erste Kino eröffnet wurde, sahen<br />
viele Pädagogen das Ende der VHS gekommen – übrigens ähnlich wie in den 1950er Jahren<br />
durch die Verbreitung des Fernsehens. Diese neuen Medien – wie auch das Internet – haben<br />
zwar das VHS-Angebot beeinflusst, sind aber eher als pädagogische Herausforderung denn<br />
als Bedrohung wahrgenommen worden. Die nationalsozialistische Vereinnahmung und<br />
Gleichschaltung verlief auch in <strong>Iserlohn</strong> eher sang- und klanglos und offenbar ohne<br />
wirksamen Widerstand der Bevölkerung.<br />
In einem Runderlass des Reichsinnenministers vom 19.09.1933 zur Aufgabe der VHS hieß es:<br />
170
„Dabei besteht die Hauptaufgabe nicht darin, das nationalsozialistische Gedankengut<br />
verstandesmäßig zu übermitteln, sondern die Willenshaltung des deutschen Volkes zu<br />
fördern. Dies geschieht dadurch, dass der Wille zur Wehrhaftigkeit, zur völkischen<br />
Selbstbehauptung, zum Bekenntnis von Blut und Boden und zur Einordnung in die<br />
Volksgemeinschaft verstärkt wird.“ (S. 170) .<br />
Unmittelbar nach dem 2. Weltkrieg wurde von allen 4 Besatzungsmächten alle Kommunen<br />
zur Wiedereröffnung von VHSn aufgefordert. So nahmen bereits 1946 viele VHSn – auch in<br />
der damaligen SBZ – ihre Arbeit wieder auf.<br />
Im November 1949 wurde die VHS <strong>Iserlohn</strong> eröffnet, übrigens in Kooperation mit „Arbeit<br />
und Leben“, der neugegründeten Arbeitsgemeinschaft von Gewerkschaften und VHSn.<br />
Bereits 1949 fanden 16 Arbeitsgemeinschaften mit 927 Teilnehmern und 6 Vorträge mit 1042<br />
Besuchern statt.<br />
Die weitere Entwicklung und die engagierten Persönlichkeiten – Pädagogen ebenso wie<br />
Politiker und Kommunalbeamte – sind von Frau Berthold in der Festschrift detailliert<br />
dargestellt und gewürdigt worden.<br />
Ich selber spiele hier nur eine Statistenrolle. Nach meinem Studium wurde ich 1965 von Dr.<br />
Groot, dem damaligen Kulturdezernenten und späteren Vorsitzenden des Landesverbandes<br />
der VHSn von NRW, ermuntert, in der EB tätig zu werden. Ich wurde dann Assistent bei<br />
diesem Landesverband und verbrachte meine Lehrzeit an der KVHS Herford. Als dann die<br />
hauptamtliche Leiterstelle in <strong>Iserlohn</strong> ausgeschrieben wurde, habe ich mich darauf beworben<br />
und dabei auch Frau Spangenberg, die damalige nebenberufliche VHS-Leiterin kennen und<br />
schätzen gelernt. Der Kulturausschuss hat mich gewählt, aber gleichzeitig erhielt ich ein<br />
Angebot, als Assistent für den neugeschaffnen Schwerpunkt Erwachsenenbildung an der<br />
Ruhr-Universität Bochum tätig zu werden. Da ich damals 26 Jahre alt war, hielt ich es für<br />
besser, mich zunächst selber weiterzubilden, so reizvoll die Leiterstelle in meiner Heimatstadt<br />
für mich auch war. Nach meiner Habilitation habe ich dann in Hannover die erste Professur<br />
für Erwachsenenbildung in Deutschland übernommen.<br />
Für die Erfolgsgeschichte der VHS waren dann Frau Mänz, Herr Piltz und Frau Berthold als<br />
Leiter/innen mit ihren Teams verantwortlich.<br />
Noch eine persönliche Anekdote:<br />
Das Büro der VHS wurde von dem alten Rathausgebäude in die Dreimannstraße umgesiedelt.<br />
Als ich 8 oder 9 Jahre alt war, ging ich mit meinem Vater durch diese Straße und fragte ihn,<br />
warum diese Straße Dreimannstraße heißt. Er erkundigte sich und erzählte mir, dass in<br />
<strong>Iserlohn</strong> zu Beginn des 30jährigen Krieges eine Pest ausgebrochen sei und dass in dieser<br />
171
Straße nur 3 Menschen überlebt hätten. Seitdem interessiere ich mich sehr für die Zeit des<br />
30jährigen Krieges. Ich erzähle dies meinen Studenten als Beispiel für die biografische<br />
Verwurzelung vieler unserer Bildungsinteressen. Das Lernen Erwachsener ist stets<br />
biografisches Lernen.<br />
Die VHS <strong>Iserlohn</strong> hat sich in den vergangenen Jahrzehnten kontinuierlich weiterentwickelt<br />
und ist zu einer unverzichtbaren und anerkannten „Säule“ des 4. Bildungssektors in dieser<br />
Stadt geworden. Diese positive Entwicklung lässt sich an den neuen, modernen<br />
Räumlichkeiten erkennen, aber auch an der Entwicklung des Programmangebots. Statistisch<br />
hat sich die Zahl der Unterrichtsstunden und der Teilnehmer/innen seit 1975 nicht wesentlich<br />
verändert, aber die VHS hat mehrere neue arbeitsintensive Aufgaben übernommen und erfüllt<br />
wichtige kultur-, bildungs-, sozial- und wirtschaftspolitische Funktionen.<br />
Bildungspolitisch: Bildung hört nicht mit der Schulbildung auf, sondern ist ein Prozess des<br />
lebenslangen Lernens, da die Veralterungsrate des einmal erworbenen Wissens immer kürzer<br />
wird. Z.B. unterstützt die VHS durch Elternbildung die Arbeit an Schulen.<br />
Sozialpolitisch trägt die VHS nicht nur zur Integration der Generationen und der<br />
Arbeitslosen, sondern zunehmend auch der Menschen mit Migrationshintergrund bei. Eine<br />
wichtige sozialpolitische Aufgabe der VHS ist der „zweite Bildungsweg“, d.h. die 2. Chance<br />
für Menschen, denen es verwehrt war, in ihrer Jugend einen höheren Schulabschluss zu<br />
erwerben.<br />
Kulturpolitisch leistet die VHS einen wichtigen Beitrag zur Entfaltung kreativer<br />
Eigentätigkeit, aber auch zur Gesundheitsbildung, zur interkulturellen Kommunikation und<br />
zur politischen Urteilsfähigkeit.<br />
Wirtschaftspolitisch trägt die VHS durch berufliche Weiterbildung, auch durch Vermittlung<br />
von Schlüsselqualifikationen (sog. soft skills) zur Leistungs- und Wettbewerbsfähigkeit der<br />
regionalen Unternehmen bei. So wird die VHS neuerdings als modernes Kompetenzzentrum<br />
bezeichnet.<br />
Zu den Innovationen der VHS <strong>Iserlohn</strong> gehören z.B.<br />
- Qualifizierung von Erwachsenen zum „Lerncoach“<br />
- Ausbildung zum <strong>Iserlohn</strong>er Stadtführer<br />
- Eine zweite Chance für junge Erwachsene ohne Hauptschulabschluss<br />
- Kurse in der Strafvollzugsanstalt<br />
- Integrationskurse für Menschen mit Migrationshintergrund<br />
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- Online-Buchungsmöglichkeit<br />
- Didaktische Neuerungen, z.B. Tandem-Settings im Fremdsprachenbereich<br />
- Einführung des Europäischen Sprachenreferenzrahmens<br />
- „Bildung auf Bestellung“, d.h. spezielle Qualifizierungsangebote für <strong>Iserlohn</strong>er<br />
Firmen<br />
- Ein Ausbau von „Support-Strukturen“, insbesondere der Bildungsberatung – nicht nur<br />
für Adressaten, sondern auch für Unternehmen.<br />
- Beratung zum Erwerb des „Bildungsschecks des Landes NRW“ und „Talent-<br />
Kompasses“<br />
Die VHS ist außerdem eine Schaltstelle für zahlreiche Bildungsnetzwerke. Sie kooperiert mit<br />
anderen öffentlichen Einrichtungen und NGO’s bei der Planung und Durchführung von<br />
Projekten.<br />
Die VHS ist aus der Kultur- und Bildungslandschaft nicht mehr wegzudenken. Sie organisiert<br />
nicht nur das lebenslange Lernen Erwachsener, sie ist selber eine „lernende Organisation“<br />
geworden, die flexibel und effektiv auf gesellschaftliche Veränderungen und wirtschaftliche<br />
Herausforderungen reagiert. Insofern sind Kontinuität und Aktualität Markenzeichen der<br />
VHS.<br />
Diese Leistungsfähigkeit ist durch die Verleihung des „Gütesiegels“ öffentlich bestätigt<br />
worden. Qualitätssicherung ist ein Charakteristikum lernender Organisationen.<br />
Die Qualität der VHS ist in hohem Maße personenabhängig. Das Personal – die haupt- und<br />
nebenberuflichen MitarbeiterInnen, die pädagogischen MitarbeiterInnen und das<br />
Verwaltungspersonal – prägt das Profil und das öffentliche Image der VHS. Jede KursleiterIn<br />
repräsentiert – gewollt oder ungewollt – die Institution. Wesentlich ist dabei nicht nur die<br />
fachliche und pädagogische Kompetenz, sondern auch die Verlässlichkeit, die<br />
Teilnehmerorientierung und auch die „Kundenorientierung“.<br />
Die VHS hat im Lauf ihrer Geschichte zahlreiche Höhen und Tiefen erlebt und zahlreiche<br />
Krisen bewältigt. Sie hat nicht nur Unterstützung, sondern auch – mehr oder weniger<br />
berechtigte – Kritik erfahren. Das VHS-Team hat sachkundig und motiviert eine<br />
Konsolidierung und Modernisierung ihrer Einrichtung vorangetrieben. Und das trotz<br />
finanzieller Einsparungen. Im Vergleich zu den finanziellen Kosten ist die VHS eine<br />
erstaunlich leistungsfähige und effiziente, d.h. „preiswerte“ Einrichtung. Die VHS ist nicht<br />
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nur in der <strong>Iserlohn</strong>er Bevölkerung bekannt und anerkannt, so wird auch von der<br />
Kommunalverwaltung und von allen Parteien akzeptiert und unterstützt. Das ist in Zeiten der<br />
Wirtschafts- und Finanzkrise nicht selbstverständlich.<br />
Die VHS <strong>Iserlohn</strong> ist zwar 90 Jahre alt, aber sie hat mit „Opas VHS“ nur wenig gemeinsam,<br />
sondern ist ein zukunftsfähiges Zentrum lebenslangen Lernens.<br />
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