0.6 MB - Stiftung zum Schutze unserer Fledermäuse in der Schweiz
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10 FMAZ 84 Juni 2007<br />
Die König<strong>in</strong> <strong>der</strong> Hecken TI<br />
Das Tess<strong>in</strong> hat e<strong>in</strong>e beson<strong>der</strong>e<br />
Verantwortung für Breitflügelfle<strong>der</strong>mäuse,<br />
denn im Unterschied<br />
zur restlichen <strong>Schweiz</strong> kommt die<br />
Art hier relativ häufi g vor. Grund<br />
genug den Ansprüchen an die<br />
Jagdgebiete genauer nachzugehen.<br />
E<strong>in</strong>e Studie klärt auf und empfi ehlt<br />
Schutzmassnahmen.<br />
Marzia Mattei-Roesli / KFB TI<br />
Die Breitfl ügelfl e<strong>der</strong>maus (Eptesicus serot<strong>in</strong>us)<br />
ist mit e<strong>in</strong>er Spannweite von 35 cm e<strong>in</strong>e<br />
<strong>der</strong> grössten e<strong>in</strong>heimischen Fle<strong>der</strong>mausarten.<br />
Die sehr breiten Flügel s<strong>in</strong>d charakteristisch<br />
und ermöglichen ihr e<strong>in</strong>e langsame Flugweise.<br />
Fle<strong>der</strong>mausschützende sprechen auch<br />
von <strong>der</strong> «Tante U» unter den <strong>Fle<strong>der</strong>mäuse</strong>n.<br />
Die Weibchen ziehen ihr Jungen fast ausschliesslich<br />
im Innern von Gebäuden gross,<br />
am liebsten unter Ste<strong>in</strong>dächern. Auch die<br />
Sommer- und W<strong>in</strong>terverstecke befi nden sich<br />
häufi g <strong>in</strong> Gebäuden aber auch <strong>in</strong> Felsspalten<br />
und an<strong>der</strong>en Spalten, wie z. B. Dehnungsspalten<br />
an Brücken.<br />
Wo jagen sie?<br />
Im Tess<strong>in</strong> und vor allem im Sopraceneri ist<br />
die Breitfl ügelfl e<strong>der</strong>maus weit verbreitet und<br />
häufi g. In <strong>der</strong> übrigen <strong>Schweiz</strong> und <strong>in</strong> Norditalien<br />
ist sie h<strong>in</strong>gegen selten. Das Tess<strong>in</strong><br />
hat deshalb e<strong>in</strong>e beson<strong>der</strong>e Bedeutung als<br />
wichtiges genetisches Reservoir. Die Breitfl<br />
ügelfl e<strong>der</strong>maus ist deshalb e<strong>in</strong>e von sieben<br />
Fle<strong>der</strong>mausarten, dessen Schutz im Kanton<br />
Tess<strong>in</strong> e<strong>in</strong>e beson<strong>der</strong>e Priorität geniesst.<br />
Um herauszufi nden, wo die Tess<strong>in</strong>er Breitfl<br />
ügelfl e<strong>der</strong>mäuse jagen, wurden <strong>in</strong>sgesamt<br />
zehn Tiere <strong>in</strong> <strong>der</strong> Magad<strong>in</strong>o-Ebene gefangen,<br />
besen<strong>der</strong>t und radiotelemetrisch verfolgt. Die<br />
Studie wurde <strong>in</strong> den letzten zwei Sommern<br />
zwischen Ende Mai und Mitte Juli durchgeführt.<br />
Die Zeitspanne wurde so gewählt,<br />
dass sie die Trächtigkeit und das Säugen <strong>der</strong><br />
Jungen be<strong>in</strong>haltet. Diese zwei Abschnitte im<br />
Jahreszyklus <strong>der</strong> <strong>Fle<strong>der</strong>mäuse</strong> s<strong>in</strong>d sehr energieaufwändig,<br />
und man nimmt an, dass die<br />
Fle<strong>der</strong>mausweibchen <strong>in</strong> dieser Zeit beson<strong>der</strong>e<br />
Ansprüche an ihre Jagdgebiete haben.<br />
Wichtige Strukturen<br />
Die untersuchten Tiere haben vorwiegend <strong>in</strong><br />
<strong>der</strong> Umgebung von «vertikalen Landschafts-<br />
Elementen» gejagt, welche meistens an ex-<br />
tensiv bewirtschaftete Wiesen o<strong>der</strong> Weideland<br />
angrenzten. Insbeson<strong>der</strong>e suchten die zehn<br />
Breitfl ügelfl e<strong>der</strong>mäuse ihre Beute entlang von<br />
Waldrän<strong>der</strong>n, Hecken, Baumreihen, um alle<strong>in</strong><br />
stehende grosse Bäume und <strong>in</strong> Obst- und<br />
We<strong>in</strong>gärten. Breitflügelfle<strong>der</strong>mäuse halten<br />
sich demzufolge mit Vorliebe <strong>in</strong> extensiven<br />
Agrarlandschaften auf, sie fi nden sich aber<br />
auch <strong>in</strong> <strong>in</strong>tensiv bewirtschafteten Gebieten zu<br />
recht, sofern zahlreiche vertikale Strukturen<br />
und Wiesen vorhanden s<strong>in</strong>d, o<strong>der</strong> auch <strong>in</strong><br />
naturnahen Gärten mit Wiesen und Rebgärten<br />
o<strong>der</strong> e<strong>in</strong>heimischen Bäumen. E<strong>in</strong> überwachtes<br />
Individuum jagte sogar um e<strong>in</strong>en alle<strong>in</strong><br />
stehenden grossen Baum auf e<strong>in</strong>em Platz<br />
mitten <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Dorf.<br />
Neben offenem Gelände nutzt die Breitfl ügelfl<br />
e<strong>der</strong>maus auch dichtere Vegetation, woraus<br />
sie gallerie- o<strong>der</strong> canyonförmige Wäl<strong>der</strong> wie<br />
sie entlang von Flüssen o<strong>der</strong> Feldwegen<br />
anzufi nden s<strong>in</strong>d, l<strong>in</strong>eare Baumschulen o<strong>der</strong><br />
tiefe Schluchten bevorzugen.<br />
Auf Grund von zuvor durchgeführten<br />
Nah rungs analysen, war bekannt, dass sich<br />
Breitfl ügelfl e<strong>der</strong>mäuse <strong>in</strong> diesen Jagdgebieten<br />
von grossen Beutetieren ernähren, wie Käfer,<br />
Nachfalter, Köcherfl iegen und Schnaken, aber<br />
auch von kle<strong>in</strong>eren Insekten, die <strong>in</strong> grosser<br />
Anzahl vorkommen und Schwärme bilden wie<br />
Mücken o<strong>der</strong> gefl ügelte Ameisen.<br />
Empfohlene Schutzmassnahmen<br />
Der grösste Teil <strong>der</strong> von <strong>der</strong> Breitfl ügelfl e<strong>der</strong>maus<br />
<strong>zum</strong> jagen aufgesuchten Gebiete s<strong>in</strong>d<br />
zwischen 1950 und 1990 im Tess<strong>in</strong> selten<br />
geworden. Lei<strong>der</strong> s<strong>in</strong>d viele auch heute noch<br />
bedroht und stehen nicht unter Schutz.<br />
Es braucht deshalb speziell für die Erhaltung<br />
<strong>der</strong> Jagdgebiete ausgerichtete Massnahmen.<br />
Dies s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> erster L<strong>in</strong>ie:<br />
• Erhaltung und Neuschaffung von Hecken,<br />
Baumreihen Hochstammobstgärten, alle<strong>in</strong><br />
stehende Bäume, extensiven We<strong>in</strong>gärten<br />
• Vergrösserung <strong>der</strong> Fläche von extensiv<br />
bewirtschafteten Wiesen und Weiden<br />
• För<strong>der</strong>ung naturnaher Gärten mit e<strong>in</strong>heimischen<br />
Pfl anzen, Hochstammobstbäumen,<br />
Reben, Hecken und Sträuchern<br />
• Vermeidung von exotischen Pfl anzen (Tuja,<br />
Lorbeer o<strong>der</strong> Olean<strong>der</strong>n) und von Rasenteppichen<br />
• För<strong>der</strong>ung öffentlicher Parkanlagen mit<br />
hohem ökologischem Wert, reich an Strukturen<br />
und e<strong>in</strong>heimischen Pfl anzen<br />
• Beibehalten von grossen e<strong>in</strong>heimischen<br />
Bäumen auf Plätzen, Parkanlagen und<br />
Parkplätzen und für <strong>der</strong>en Ersatz sorgen<br />
• Schutz <strong>der</strong> Baumsäume entlang von Flüssen<br />
Bevorzugte Jagdgebiete <strong>der</strong> Breitfl ügelfl e<strong>der</strong>maus:<br />
FOTO: MARZIA MATTEI-ROESLI<br />
… e<strong>in</strong>e Weide am Waldrand, strukturiert durch Bäume<br />
FOTO: MARZIA MATTEI-ROESLI<br />
… e<strong>in</strong>e Baumreihe entlang dem Damm am Fluss Tic<strong>in</strong>o<br />
… e<strong>in</strong> «naturnaher» Garten<br />
FOTO: MARZIA MATTEI-ROESLI<br />
FOTO: MARZIA MATTEI-ROESLI<br />
… e<strong>in</strong>e Schlucht am E<strong>in</strong>gang des Valle Morobbia<br />
Das kräftige Gebiss <strong>der</strong> Breitfl ügelfl e<strong>der</strong>mäuse vermag<br />
selbst die Panzer von Maikäfern zu knacken.<br />
FOTO: WWW.FLEDERMAUSSCHUTZ.CH<br />
FOTO: WWW.FLEDERMAUSSCHUTZ.CH