Petra Kodré, Martin Roggenkamp, Christian Roth, Elke Scheffelt:
Petra Kodré, Martin Roggenkamp, Christian Roth, Elke Scheffelt:
Petra Kodré, Martin Roggenkamp, Christian Roth, Elke Scheffelt:
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
Beschäftigungspolitische Potenziale und Erfolgsfaktoren regionaler<br />
Kooperationen<br />
<strong>Petra</strong> <strong>Kodré</strong>, <strong>Martin</strong> <strong>Roggenkamp</strong>, <strong>Christian</strong> <strong>Roth</strong>, <strong>Elke</strong> <strong>Scheffelt</strong><br />
[Veröffentlicht in: <strong>Petra</strong> <strong>Kodré</strong>/ <strong>Martin</strong> <strong>Roggenkamp</strong>/ <strong>Christian</strong> <strong>Roth</strong>/ <strong>Elke</strong> <strong>Scheffelt</strong> (Hrsg.):<br />
Lokale Beschäftigungsbündnisse. Forschung aus der Hans-Böckler-Stiftung Bd. 58, Berlin:<br />
Edition Sigma 2005, S. 191-202.]<br />
Die Ausgangsfrage dieses Sammelbandes richtete sich auf die Potenziale zur Steigerung<br />
von Beschäftigung, die durch regionale Bündnisse entstehen. Dabei geht es<br />
weniger um konkrete inhaltliche Konzepte zur Verbesserung der Arbeitsmarktsituation.<br />
Da die Wirksamkeit regionaler beschäftigungspolitischer Problemlösungsansätze<br />
abhängig ist vom jeweiligen Kontext, lassen sich allgemeingültige Aussagen diesbezüglich<br />
nur mit begrenzter Gültigkeit treffen – nicht zuletzt auch deshalb, weil die jeweiligen<br />
Ergebnisse in hohem Maße durch schwer zu kontrollierende externe Faktoren<br />
bedingt sind wie die makroökonomische Entwicklung, national unterschiedliche<br />
institutionelle Rahmenbedingungen oder politische Entscheidungen auf übergeordneten<br />
Ebenen (vgl. auch Seyfried in diesem Band: S. 9, <strong>Roth</strong> u.a.: S. 69, Buchegger-<br />
Traxler/<strong>Kodré</strong>/<strong>Roggenkamp</strong>/<strong>Scheffelt</strong> in diesem Band S. 31f.)<br />
Im Vordergrund stehen vielmehr prozessuale Aspekte, die sich auf die Interaktion der<br />
verschiedenen arbeitsmarkt- und beschäftigungspolitischen Akteure in den Regionen<br />
beziehen: Inwieweit führen neue dezentrale Formen der Kooperation zwischen arbeitsmarkt-<br />
und beschäftigungspolitischen Akteuren zur Erschließung neuer oder<br />
zusätzlicher Handlungsspielräume bzw. einer verbesserten Nutzung bereits bestehender<br />
Handlungsspielräume auf regionaler Ebene? Auf welchem Wege lassen sich<br />
diese für die Erreichung regionaler Ziele oder aber die Umsetzung der Europäischen<br />
Beschäftigungsstrategie nutzen? Und: Welche Faktoren beeinträchtigen bzw. begünstigen<br />
die Entwicklung entsprechender Potenziale?<br />
Um diesen Fragen nachzugehen, sammelte der Band Perspektiven aus Theorie,<br />
Empirie und Praxis sowie Erfahrungen mit unterschiedlichen Kooperationsformen in<br />
verschiedenen Handlungsfeldern und auf verschiedenen Ebenen. Gemeinsam ist<br />
den Beiträgen, dass sie sich mit Formen sektorübergreifender Koordination auf regi-<br />
1
onaler Ebene befassen, wobei den beteiligten Akteuren unterschiedliche Modelle<br />
sozialer Ordnung und unterschiedliche Integrationslogiken zugrunde liegen (staatlich,<br />
marktvermittelt, verbandlich-organisatorisch, zivilgesellschaftlich/gemeinschaftlich),<br />
und sie nach den Vorteilen und Problemen der Koordination dieser Akteure fragen.<br />
Die Beiträge von <strong>Roth</strong>/Maier/Schmid sowie Straßheim öffnen zunächst theoretische<br />
Zugänge zu Potenzialen, Erfolgsfaktoren – aber auch möglichen Fehlentwicklungen<br />
von Formen dezentraler Kooperation beschäftigungspolitischer Akteure. Während<br />
<strong>Roth</strong>/Maier/Schmid dabei Aspekte politisch-administrativer Steuerung innerhalb des<br />
Mehrebenen-Systems der Europäischen Union in den Blick nehmen, befasst sich der<br />
Beitrag von Straßheim mit der Produktion von Wissen und Innovation in (interkommunalen)<br />
Netzwerken.)<br />
Das dritte Kapitel gibt einen Überblick über unterschiedliche dezentrale Kooperationsformen<br />
in Europa. Seyfried erörtert die möglichen Beiträge und Rollen der Akteure<br />
auf verschiedenen politisch-administrativen Ebenen im Rahmen der Europäischen<br />
Beschäftigungsstrategie. Besse/Guth stellen Entstehung, Struktur und ausgewählte<br />
Beispiele Territorialer Beschäftigungspakte in den Mittelpunkt ihres Beitrags. Birkhölzer/Lorenz/Schillat<br />
schildern Rahmenbedingungen und Aktivitäten Lokaler Partnerschaften<br />
in neun europäischen Ländern. Buchegger-<br />
Traxler/<strong>Kodré</strong>/<strong>Roggenkamp</strong>/<strong>Scheffelt</strong> analysieren die Erfolgsbedingungen Territorialer<br />
Beschäftigungspakte in Deutschland, den Niederlanden und Österreich.<br />
Zu guter letzt werden Einblicke in die Praxis dezentraler Kooperation anhand der Zusammenarbeit<br />
im Rahmen Territorialer Beschäftigungspakte vermittelt (Kapitel 4).<br />
Buchegger-Traxler/Scopetta stellen mit dem Territorialen Beschäftigungspakt in Niederösterreich<br />
ein Bündnis auf regionaler Ebene vor und erläutern die Vorteile der überregionalen<br />
Koordination regionaler Bündnisse in Österreich. Aster berichtet über<br />
die Aktivitäten des Paktes in Berlin-Neukölln und verweist auf die Potenziale von Beschäftigungsbündnissen<br />
auf der lokalen Ebene. Der Beitrag von Evers/Schulz stellt<br />
Potenziale und Probleme von Formen einzelfallbezogener Kooperation verschiedener<br />
öffentlicher Akteure vor.<br />
2
1 Beschäftigungspolitische Potenziale regionaler Bündnisse<br />
Worin bestehen nun vor diesem Hintergrund die beschäftigungspolitischen Potenziale<br />
regionaler Bündnisse? Die verschiedenen Beiträge aus Theorie, Empirie und Praxis<br />
verorten den zentralen Mehrwert der unterschiedlichen Kooperationsformen vor<br />
allem in der Koordination arbeitsmarkt- und beschäftigungspolitischer Kompetenzen<br />
und Ressourcen verschiedener Träger im Sinne regionalpolitischer Zielstellungen<br />
und Strategien. So steht bei den Beispielen aus der Praxis die Abstimmung von Förderaktivitäten<br />
im Sinne regionaler Ziele und Gegebenheiten im Vordergrund. Die Territorialen<br />
Beschäftigungspakte in Österreich dienen vor allem der Systematisierung<br />
der Förderaktivitäten unterschiedlicher Träger im Sinne einer ganzheitlichen Konzeption<br />
(Bucheggger-Traxler/Scopetta). Der Berliner Pakt koordiniert Projekte, die durch<br />
verschiedene Förderquellen finanziert werden im Sinne einer kohärenten Strategie,<br />
in die auch private Unternehmen und Vereine eingebunden sind (Aster).<br />
Die zentrale Ausrichtung regionaler Bündnisse auf eine strategische Abstimmung der<br />
Aktivitäten verschiedener Träger arbeitsmarkt- und beschäftigungspolitischer Kompetenzen<br />
und Ressourcen spiegelt sich auch in den empirischen Studien wider. Das<br />
Ziel Lokaler Partnerschaften ist "die Bündelung von Energien, Kompetenzen und<br />
Ressourcen von wichtigen lokalen Akteuren aus dem öffentlichen, privaten und freigemeinnützigen<br />
(Dritten) Sektor, um lokale Strategien zur Bekämpfung von Arbeitslosigkeit,<br />
Armut und Arbeitslosigkeit zu entwickeln und umzusetzen." (Birkhölzer/Lorenz/Schillat:<br />
S. 78) Auch die vergleichende Untersuchung Territorialer Beschäftigungspakte<br />
in Deutschland, den Niederlanden und Österreich kommt zu dem<br />
Schluss, dass der unmittelbare Erfolg der Kooperationen darauf gründet, dass vorhandene<br />
Kompetenzen effizient gebündelt und/oder neue Kompetenzen erschlossen<br />
und im Sinne regionaler Zielstellungen eingesetzt werden (Buchegger-<br />
Traxler/<strong>Kodré</strong>/<strong>Roggenkamp</strong>/<strong>Scheffelt</strong>. Die Territorialen Beschäftigungspakte unterscheiden<br />
sich dabei von Lokalen Partnerschaften dadurch, dass Letztere eine in inhaltlicher<br />
Hinsicht weitere Zielstellung aufweisen und damit auch der Kreis möglicher<br />
relevanter Akteure größer ist. Im Rahmen des Fall-Managements schließlich geht es<br />
darum, die Eingliederungsleistungen verschiedener Träger im Hinblick auf Einzelfälle<br />
abzustimmen (Evers/Schulz). Diese Art der Kooperation unterscheidet sich von regionalen<br />
Bündnissen u.a. dadurch, dass ihr keine regionale Strategie zugrunde liegt,<br />
sondern individualisierte Problemstellungen.<br />
3
Steht aus der Perspektive der regionalen Akteure die Erweiterung der Handlungs-<br />
spielräume bzw. eine effektivere Nutzung derselben für regionalpolitische Zielstellun-<br />
gen durch die Koordinierung vorhandener bzw. die Erschließung zusätzlicher Kom-<br />
petenzen und Ressourcen als Erfolgspotenzial der Kooperationen im Vordergrund,<br />
bestehen die beschäftigungspolitischen Potenziale regionaler Bündnisse aus steue-<br />
rungstheoretischer Perspektive analog dazu in der Mobilisierung selbstregulativer<br />
Steuerungspotenziale und der Verringerung von Steuerungsdefiziten durch vertikale,<br />
horizontale und sachliche Koordinierung (vgl. dazu: <strong>Roth</strong>/Maier/Schmid und<br />
Seyfried). Hintergrund ist dabei die Frage, wie sich die politische Steuerung im Poli-<br />
tikfeld der Arbeitsmarkt- und Beschäftigungspolitik im Rahmen eines komplexen<br />
Mehrebenen-Systems der Europäischen Union und unter den Bedingungen einer<br />
hohen Heterogenität der betroffenen Ebenen und Akteure umsetzen lässt. Die Förde-<br />
rung dezentraler Kooperationen durch die Schaffung rechtlicher Rahmenbedingun-<br />
gen und die Finanzierung der organisatorischen Grundlagen kann in diesem Zusammenhang<br />
eine Bündelung der Handlungspotenziale von öffentlichen und privaten<br />
Akteuren sowie die Koordinierung unterschiedlicher Subsysteme im Sinne einer Europäischen<br />
Beschäftigungsstrategie gewährleisten.<br />
Aus einer handlungstheoretischen Perspektive nimmt Straßheim die Bedingungen<br />
und Potenziale der gemeinsamen Generierung von Wissen als einer wichtigen Ressource<br />
der Beschäftigungspolitik besonders auf lokaler Ebene in den Blick. Es zeigt<br />
sich dabei, dass der Austausch von Wissen zwischen verschiedenen Trägern aufgrund<br />
der Prozesshaftigkeit individueller Erfahrungsbildung unter bestimmten Bedingungen<br />
eine dynamische Wissensgenerierung im Rahmen von übergreifenden Wissensnetzwerken<br />
hervorrufen kann.<br />
Die Beiträge fokussieren also insgesamt auf die Produktivität der Koordinierung von<br />
Kompetenzen und Ressourcen unterschiedlicher bzw. verschiedener Träger. Die beschäftigungspolitischen<br />
Potenziale, die hieraus resultieren lassen sich wiederum differenzieren<br />
nach einer institutionellen, einer prozeduralen und einer inhaltlichen Dimension,<br />
wobei sich diese Dimensionen gegenseitig bedingen.<br />
In institutioneller Hinsicht eröffnen sich Potenziale durch den Aufbau neuer Kooperationsstrukturen,<br />
in die verschiedene Akteure eingebunden sind, die sonst getrennt<br />
voneinander agieren. Einerseits kann es sich dabei um verschiedene öffentliche Ak-<br />
teure handeln, d.h. Kooperationsstrukturen können hier einer institutionellen Frag-<br />
4
mentierung entgegen wirken und auf diese Weise die Effizienz der Formulierung und<br />
Umsetzung politischer Maßnahmen steigern (für die österreichischen Territorialen<br />
Beschäftigungspakte vgl.: Buchegger-Traxler/Scopetta; vgl. auch: Buchegger-<br />
Traxler/<strong>Roggenkamp</strong>/<strong>Scheffelt</strong> 2003). Andererseits können über neue Kooperationsstrukturen<br />
weitere Akteure in die Formulierung und Umsetzung politischer Entscheidungen<br />
eingebunden werden. Durch die Einbindung von Verbänden, privaten Unternehmen<br />
und zivilgesellschaftlichen Gruppen in die Formulierung politischer Aktivitäten<br />
kann zum einen deren jeweiliges spezielles Wissen und ihre Erfahrungen zur<br />
Geltung gebracht und auf diesem Wege die Gestaltung der Maßnahmen optimiert<br />
werden. Der Austausch von Wissen und Erfahrungen unterschiedlicher Akteure im<br />
Rahmen der Kooperationsstrukturen kann darüber hinaus dynamische Lernprozesse<br />
ermöglichen, die zu innovativen Problemlösungen führen können (Straßheim).<br />
Die Einbindung privater, verbandlicher und zivilgesellschaftlicher Akteure in die Formulierung<br />
und Umsetzung politischer Entscheidungen kann weiterhin die Verpflichtung<br />
dieser Akteure gegenüber den jeweiligen Zielen und die Identifikation mit den<br />
Ergebnissen fördern (Seyfried und dazu führen, dass zusätzliche Ressourcen für die<br />
Umsetzung der Maßnahmen gewonnen werden (Buchegger-<br />
Traxler/<strong>Kodré</strong>/<strong>Roggenkamp</strong>/<strong>Scheffelt</strong> und <strong>Roth</strong>/Maier/Schmid). Die Kommunikation<br />
zwischen den Akteuren im Rahmen der neuen Kooperationsstrukturen fördert<br />
schließlich die Erwartungssicherheit der Beteiligten (Straßheim und Buchegger-<br />
Traxler/Scopetta) und kann zur Entwicklung von sozialem Kapital führen (Seyfried;<br />
Putnam u.a. 1993).<br />
In prozeduraler Hinsicht liegen die beschäftigungspolitischen Potenziale dezentraler<br />
Kooperationen vor allem darin begründet, dass die Kompetenzen und Ressourcen<br />
verschiedener Akteure im Sinne einer regionalen Strategie zusammengeführt werden<br />
können. Buchegger-Traxler/<strong>Kodré</strong>/<strong>Roggenkamp</strong>/<strong>Scheffelt</strong> unterscheiden in dieser<br />
Hinsicht fünf relevante Kompetenzen: Öffentliche Kompetenzen wie der Einfluss auf<br />
die Gesetzgebung, die Verfügung über den Einsatz von Fördermitteln und die Wahrnehmung<br />
von Verwaltungsaufgaben sind Mittel um unmittelbar auf die Ausgestaltung<br />
der Arbeitsmarkt- und Beschäftigungspolitik einzuwirken. Die Einbindung unternehmerische<br />
Kompetenzen bietet die Möglichkeit unmittelbar auf die Gestaltung betrieblicher<br />
Arbeits- und Ausbildungsplätze sowie anderweitiges unternehmerisches Handeln<br />
einzuwirken. Der Zugang zu Wissen – besonders zu fördertechnischem Wissen<br />
5
– ist eine notwendige Grundlage der Koordination von Fördermitteln. Ideen und Inno-<br />
vationspotenzial bietet die Voraussetzung für innovative Problemlösungen. Die Mög-<br />
lichkeiten zur Einflussnahme und Legitimation durch an den Bündnissen beteiligte<br />
Akteure wiederum fördert die Bereitschaft zur Kooperation sowohl unter den Beteilig-<br />
ten als auch die Bereitschaft Außenstehender, die Kooperation zu unterstützen. Eine<br />
sinnvolle Kombination dieser Kompetenzen ist dabei abhängig von den regionalen<br />
Gegebenheiten, der institutionellen Ebene, auf der die Kooperation angesiedelt ist,<br />
sowie ihren jeweiligen Zielen und Strategien (Buchegger-<br />
Traxler/<strong>Kodré</strong>/<strong>Roggenkamp</strong>/<strong>Scheffelt</strong>).<br />
Einerseits können dabei die Aktivitäten der verschiedenen Kompetenzträger inner-<br />
halb eines Politikfeldes gebündelt und auf gemeinsame Ziele hin ausgerichtet wer-<br />
den. In diesem Sinne ist es beispielsweise dem Territorialen Beschäftigungspakt in<br />
Niederösterreich gelungen, eine Abstimmung der drei zentralen arbeitsmarktpoliti-<br />
schen Akteure zu gewährleisten. Die Akteure, die konkret arbeitsmarktpolitische Mit-<br />
tel bereithalten, stellen diese im Rahmen des Paktes zur Umsetzung von gemeinsam<br />
beschlossenen Zielen zur Disposition. Durch die Transparenz über und die Bünde-<br />
lung der arbeitsmarktpolitischen Mittel der Akteure wird eine höhere Transparenz des<br />
Mitteleinsatzes gewährleistet, Doppelgleisigkeiten werden vermieden (Buchegger-<br />
Traxler/Scopetta und Buchegger-Traxler/<strong>Kodré</strong>/<strong>Roggenkamp</strong>/<strong>Scheffelt</strong>). Darüber<br />
hinaus können im Rahmen regionaler Bündnisse mehrere Politikbereiche miteinan-<br />
der verknüpft und auf eine regionalpolitische Zielsetzung hin ausgerichtet werden. So<br />
greift der Pakt in Berlin-Neukölln unterschiedliche Politikbereiche auf und bündelt sie<br />
innerhalb der verschiedenen Aktionsfelder (Aster). Die Territorialen Beschäftigungs-<br />
pakte sind teilweise auf eine Verknüpfung der Politikfelder Arbeitsmarkt- und Strukturpolitik<br />
hin ausgerichtet. In einigen Fällen wurden auch bildungspolitische Akteure<br />
hinzugezogen (Buchegger-Traxler/<strong>Kodré</strong>/<strong>Roggenkamp</strong>/<strong>Scheffelt</strong>). Eine umfassendere<br />
Verknüpfung verschiedener Politikbereiche nehmen dagegen die Lokalen Partnerschaften<br />
vor, deren Zielsetzung mit der Förderung sozialer Kohäsion über die beschäftigungspolitischen<br />
Ziele der Territorialen Beschäftigungspakte hinausgeht (Birkhölzer/Lorenz/Schillat).<br />
Die institutionellen und prozeduralen Aspekte der sektorübergreifenden Einbindung<br />
von Akteuren in neuen Kooperationsstrukturen sowie der Koordinierung verschiedener<br />
Ressourcen im Sinne regionaler Strategien im Rahmen dezentraler Kooperatio-<br />
6
nen bedingen wiederum beschäftigungspolitische Potenziale auf der inhaltlichen E-<br />
bene der Ausgestaltung der jeweiligen politischen Aktivitäten. Eine dezentrale Zu-<br />
sammenarbeit beschäftigungspolitischer Akteure kann über eine Kanalisierung über-<br />
geordneter politischer Maßnahmen oder über die Einflussnahme auf übergeordnete<br />
politische Ebenen einerseits zur Anpassung der Politiken übergeordneter Ebenen an<br />
die jeweiligen regionalen Gegebenheiten führen (im Einzelnen siehe unten).<br />
Eine sektor- und politikfeldübergreifende Einbindung und Koordinierung von Akteu-<br />
ren in die Formulierung und Umsetzung politischer Maßnahmen kann ferner bedin-<br />
gen, dass den regionalen Aktivitäten ein multidimensionaler Ansatz zugrunde liegt,<br />
der verschiedene Politikfelder sinnvoll miteinander verknüpft und zu nachhaltigen<br />
Ergebnissen führt (Birkhölzer/Lorenz/Schillat). Darüber hinaus führt der gegenseitige<br />
Erfahrungsaustausch zwischen unterschiedlichen Akteuren günstigstenfalls zu Lern-<br />
effekten und innovativen Lösungsansätzen (Straßheim).<br />
Im Folgenden werden die Bedingungen, unter denen sich diese beschäftigungspoliti-<br />
schen Potenziale entwickeln können, anhand verschiedener Stadien des Aufbaus<br />
von Kooperationsstrukturen erläutert.<br />
2 Erfolgsbedingungen regionale Beschäftigungsbündnisse<br />
2.1 Initiierung<br />
Zentrale Erfolgsbedingung für die Initiierung von Beschäftigungsbündnissen dürfte<br />
"die Besetzung eines freien Felds" sein. Dies wird sowohl in den theoretischen wie<br />
auch in den empirischen Beiträgen deutlich. In der Theorie wird in diesem Zusammenhang<br />
in prozeduraler Hinsicht von der Entwicklung neuer Governancestrukturen<br />
gesprochen. So stellt Seyfried in seinem Beitrag fest: "Wie in anderen Politikbereichen<br />
soll und kann das Governance-Konzept auch in der Beschäftigungspolitik dazu<br />
beitragen, die Dominanz zentralstaatlicher Akteure abzubauen und die Relevanz der<br />
regionalen resp. lokalen Ebene zu stärken, um die auf dieser Ebene vorhandenen<br />
Potenziale zur strategischen Politikentwicklung in größerem Maße zu nutzen". Diese<br />
Strategie lässt sich vor allem dann erfolgreich in der Praxis umsetzen, so die empirischen<br />
Beiträge, wenn auf der lokalen Ebene das Thema Beschäftigung noch nicht<br />
durch schon bestehende Institutionen abgedeckt wird. Dies war – so der Beitrag von<br />
Buchegger-Traxler/Scopetta – in Österreich auch auf der Ebene der Länder vor Ein-<br />
7
ichtung der Beschäftigungspakte nur ungenügend der Fall. Für die deutschen Pakte<br />
– und dies zeigt u.a. der Artikel von Aster – trifft diese Bedingung insbesondere auf<br />
die lokale Ebene zu. Dort werden die beschäftigungspolitischen Probleme als drän-<br />
gend empfunden und gleichzeitig gibt es unzureichende oder geteilte institutionelle<br />
Zuständigkeiten, die durch die Initiierung von Beschäftigungsbündnissen überkom-<br />
men werden können. Generell zeigt sich im europäischen Vergleich, dass die Möglichkeiten<br />
zur Initiierung von Beschäftigungsbündnissen sehr stark vom jeweiligen<br />
institutionellen Gefüge der Staaten geprägt sind. Die jeweiligen Zuständigkeiten auf<br />
den unterschiedlichen Ebenen bestimmen dabei die Chancen für eine erfolgreiche<br />
Initiierung von Beschäftigungsbündnissen. Darüber hinaus wurde deutlich – so der<br />
Artikel von Buchegger-Traxler/<strong>Kodré</strong>/<strong>Roggenkamp</strong>/<strong>Scheffelt</strong> – dass die Ausrichtung<br />
und Zusammensetzung der Bündnisse dadurch bestimmt werden, wer diese initiiert.<br />
Demnach sind Pakte, die korporative oder private Akteure initiiert werden, eher erfolgreich<br />
darin, Unternehmen (auf lokaler Ebene) einzubinden und eine strukturpolitische<br />
Zielsetzung einzunehmen.<br />
2.2 Einbindung von Akteuren<br />
Wie oben beschrieben besteht ein wichtiges Potenzial regionaler Bündnisse in der<br />
Einbindung von – vor allem für dieses Politikfeld – neuen Akteuren eine zentrale Rolle.<br />
In der Literatur werden neben der wichtigen Rolle, die die Sozialpartner für die<br />
Bündnisse spielen, unter anderen private Unternehmen, zivilgesellschaftliche und<br />
intermediäre Akteure genannt. So legt Seyfried dar, dass den öffentlichen Akteuren<br />
oftmals die Rolle der Initiierung von Beschäftigungsbündnissen zukommt, deren zentrales<br />
Ziel es sein müsste, neue Akteure zu aktivieren und einzubinden. Der Beteiligung<br />
der Akteure des Marktes und der lokalen Unternehmen komme dabei eine<br />
Schlüsselrolle für die Entwicklung lokaler Beschäftigung zu. Hier ist von Seiten der<br />
öffentlichen Akteure aber auch ein hohes Maß an Überzeugungsarbeit zu leisten<br />
(vgl. Seyfried). Dies belegen auch die empirischen Arbeiten. Danach sind es vor allem<br />
die Bündnisse und Partnerschaften auf der lokalen Ebene, denen es gelingt private<br />
Akteure und Unternehmen einzubinden (vgl. Birkhölzer/Lorenz/Schillat und Buchegger-Traxler/<strong>Kodré</strong>/<strong>Roggenkamp</strong>/<strong>Scheffelt</strong>).<br />
Sie gehen in diesem Fall mit einer<br />
eher strukturpolitischen Ausrichtung einher. Neu ist, dass in einigen Pakten Unternehmen<br />
als Akteure auftreten. Dies ist in Amberg-Sulzbach und Zeitz der Fall. Die<br />
Einbindung hatte hier allerdings unterschiedliche Zielsetzungen. Die Formen der Ein-<br />
8
indung sind dabei unterschiedlich. Sie reichen von einer Zusammenarbeit von Un-<br />
ternehmen in netzwerkartiger Form (Clusterbildung) bis dahin, dass versucht wird,<br />
unternehmerische Akteure in die Formulierung regional- und wirtschaftspolitischer<br />
Programme und Projekte mit einzubeziehen und die unternehmerischen Kompeten-<br />
zen bei der Umsetzung zu nutzen. Die Integrationsfähigkeit von privaten Unterneh-<br />
men unterliegt aber relativ hohen Anforderungen. Da eine Beteiligung an den Be-<br />
schäftigungsbündnissen für private Unternehmer/innen eine zusätzliche Belastung im<br />
Arbeitsalltag darstellt, bedarf deren Engagement in den Pakten in besonderer Weise<br />
der Begründung durch die Notwendigkeit und Effektivität der Paktaktivitäten. Dage-<br />
gen tun sich Bündnisse auf der Länderebene eher schwer mit der Integration von<br />
einzelnen Unternehmen. Dies ist auch oftmals nicht die Zielsetzung dieser Bündnisse.<br />
Die Repräsentation erfolgt in diesem Fall über die Verbände.<br />
Für die Entwicklung der lokalen Beschäftigungspolitik kann weiterhin die Einbindung<br />
von bildungspolitische Akteuren eine wesentliche Bereicherung darstellen. Verbindungen<br />
zu regionalen Fachhochschulen und Universitäten stellen Innovationspotenziale<br />
dar, die für die lokalen Beschäftigungs- und Arbeitsmarktpolitik genutzt werden<br />
können.<br />
Mit der Einbindung von zivilgesellschaftlichen Akteuren können vor allem Ziele der<br />
sozialen Integration und politischen Dimension der Gleichheit auf lokaler Ebene umgesetzt<br />
werden. Die Bündnisse bekommen damit eine wesentliche sozial- und gesellschaftspolitische<br />
Dimension. Diese Funktion erfüllen vor allem die von Birkhölzer/Lorenz/Schillat<br />
beschriebenen lokalen Partnerschaften. Sie haben eine primäre<br />
Zielsetzung der Förderung der sozialen Kohäsion und beziehen dazu auch z.B. kulturelle<br />
Themen in die Agenda ein.<br />
Die territorialen Beschäftigungspakte dagegen kreisen primär um das Thema "Arbeit<br />
und Wirtschaft" und haben damit – zumindest in der deutschen und österreichischen<br />
Praxis – von der Einbindung zivilgesellschaftlicher Akteure weitgehend abgesehen.<br />
So wurde in den von Buchegger-Traxler/<strong>Kodré</strong>/<strong>Roggenkamp</strong>/<strong>Scheffelt</strong> untersuchten<br />
Fällen keine Bündnisse gefunden, die gesellschaftspolitische Gruppierungen, wie<br />
Arbeitsloseninitiativen, Umweltverbände, Kirchen oder soziale Gruppen eingebunden<br />
haben. Dies mag damit zusammenhängen, dass das Abstraktionsniveau dieser Pakte<br />
relativ hoch ist und die Initiierung einzelner konkreter arbeitsmarktpolitischer Pro-<br />
jekte eine nur untergeordnete Rolle spielt. Darüber hinaus wurde festgestellt, dass<br />
9
die Territorialen Beschäftigungspakte überwiegend jene Akteure anderer Politikfelder<br />
einbezogen, die einen ähnlichen institutionellen oder kulturellen Hintergrund wie die<br />
herkömmlichen relevanten Akteure der Arbeitsmarktpolitik aufweisen. Damit bleiben<br />
die Pakte in gewisser Weise weiterhin „unter sich“. Eine Öffnung, wie sie etwa durch<br />
die Europäische Kommission befürwortet wurde, trat überwiegend nicht ein. Hier<br />
könnte allerdings eine Chance von Pakten liegen. Neben neuen thematischen Sicht-<br />
weisen könnten auch andere soziokulturelle Perspektiven in die Politikformulierung<br />
und –umsetzung mit einbezogen und damit das „soziale Kapital“ (Putnam 1993) einer<br />
Region weiter gefördert werden (vgl. Seyfried 2001: 2). Ein Pakt, der diese Chance in<br />
hohem Maße für sich genutzt hat und damit auch eine Ausnahme in der deutschen<br />
Pakt-Landschaft darstellt, ist der Territoriale Beschäftigungspakt Berlin-Neukölln. Hier<br />
ist es in beispielgebender Weise gelungen, verschiedene Themen aufzugreifen und<br />
unterschiedlichste Akteure damit auf lokale Ebene in parallel laufenden Netzwerken<br />
einzubinden.<br />
2.3 Agendabildung und Qualität der Zusammenarbeit<br />
Da die Grundlage einer zielgerichteten Koordination verschiedener Akteure in der<br />
Verfolgung einer gemeinsamen Strategie besteht, ist die Festlegung von konkreten<br />
Zielsetzungen für die Bündnisse von entscheidender Bedeutung. Dazu ist es notwendig,<br />
Ziele, Strategien und Instrumente in einen kohärenten Zusammenhang zu<br />
bringen. Welche inhaltlichen Ziele verfolgt werden, ist durchaus unterschiedlich. So<br />
können Partnerschaften, wie bereits aus dem Blickwinkel der Einbindung der Akteure<br />
dargestellt, eher sozial- und gesellschaftspolitische Zielsetzungen verfolgen. Zu nennen<br />
sind hier v.a. kulturelle Themenstellungen oder Projekte, die keine enge Orientierung<br />
auf Beschäftigung am ersten Arbeitsmarkt aufweisen (vgl. Birkhölzer/Lorenz/Schillat).<br />
Die territorialen Beschäftigungspakte verfolgen dagegen eher arbeitsmarkt-, beschäftigungs-<br />
und strukturpolitische Zielsetzungen im engeren Sinne und orientieren sich<br />
dabei stark an der Schaffung von Arbeitsplätzen am ersten Arbeitsmarkt. Hinsichtlich<br />
der Agendabildung gehen eher normative Herangehensweise teilweise davon aus,<br />
dass Bündnisse dann nicht erfolgreich im Sinne von nachhaltig arbeiten, wenn eine<br />
wesentliche Ausrichtung ihrer Agenda auf der Akquisition von Fördermittel liegt (vgl.<br />
Seyfried). Dem ist insofern zuzustimmen, als Pakte darüber hinaus eine inhaltliche<br />
Motivation und einen gemeinsamen Zusammenhalt brauchen, der die Zielsetzung<br />
10
der Mittelakquisition ummantelt. In dieser Kombination sind einzelne Beschäftigungs-<br />
bündnisse, wie etwa der Zeitzer Pakt, sehr erfolgreich.<br />
Eine wesentliche inhaltliche Zielsetzung im Rahmen der Agendabildung von Beschäf-<br />
tigungsbündnissen kann es darüber hinaus sein, Politiken übergeordneter Ebenen an<br />
die Bedürfnisse der regionalen bzw. lokalen Ebene anzupassen. Eine Dezentralisie-<br />
rung der Politikumsetzung zielt vor allem darauf ab, die Ergebnisse der jeweiligen<br />
Maßnahmen dadurch zu verbessern, dass sie durch die Einbindung der Akteure vor<br />
Ort besser an den unterschiedlichen örtlichen Rahmenbedingungen und Problemla-<br />
gen ausgerichtet werden können. Hierbei sind zwei Formen zu unterscheiden:<br />
Regionale Bündnisse können einerseits versuchen, Politiken übergeordneter Ebe-<br />
nen, etwa in Form von Maßnahmen und Programmen, aber auch in Form neuer Ver-<br />
fahrensabläufe zur Politikformulierung auf der regionalen Ebene durch das Mittel der<br />
Netzwerkbildung umzusetzen. Sie können dabei als erfolgreich angesehen werden,<br />
wenn sie sowohl von der Region als auch von der übergeordneten Ebene als die<br />
entscheidende Plattform für die Umsetzung solcher Maßnahmen oder Prozesse angesehen<br />
werden. Zum anderen können sie versuchen, durch regionale Netzwerkbildung<br />
die nationale bzw. Länderpolitik so zu beeinflussen, dass sie regionale Unterschiedlichkeiten<br />
und Gegebenheiten aufgreift und berücksichtigt bzw. als Inspiration<br />
für nationale oder auch europäische Programme dient.<br />
Darüber hinaus wird Bündnissen in der Literatur oft die Fähigkeit zugeschrieben, im<br />
Rahmen ihrer Agenda umfassende regionalen Strategien zu entwickeln. Hierbei gilt<br />
es zunächst zu untersuchen, ob es den Bündnissen im Rahmen ihrer Zusammenarbeit<br />
gelingt, zu einer besseren Abstimmung und effizienteren Gestaltung zunächst<br />
innerhalb eines Politikfeldes zu kommen. Hier sind vor allem Beschäftigungspakte<br />
erfolgreich, die auf der regionalen Ebene agieren. Die weitestgehende und wohl effizienteste<br />
Form der Abstimmung ist hier, wenn die Partner so weit gehen, dass sie die<br />
ihnen zur Verfügung stehenden beschäftigungs- oder arbeitsmarktpolitischen Mittel in<br />
das Bündnis einbringen. Durch die Transparenz über und die Bündelung der arbeitsmarktpolitischen<br />
Mittel der Akteure könnte eine höhere Effizienz des Mitteleinsatzes<br />
gewährleistet werden. Diese hohe Bereitschaft zur Kooperation und zur Koordination<br />
innerhalb eines Politikfeldes, führt aber andererseits wiederum dazu, dass<br />
der Akteurskreis klein gehalten wird. Über die konkreten Fragen des Mitteleinsatzes<br />
bestimmen auch nur jene, die die Mittel bereitstellen, während andere Akteure, wie<br />
11
Sozialpartner und Verbände lediglich über die generellen Zielsetzungen beratschla-<br />
gen.<br />
Eine andere Ausprägung der Koordinierung innerhalb eines Politikfeldes ist die Ziel-<br />
setzung der Vernetzung der regionalen Wirtschaft und des Aufbaus sowie der Förde-<br />
rung von entsprechenden Netzwerken zwischen Unternehmen sowie Forschungs-<br />
und Bildungseinrichtungen. Hintergrund dieser Zielstellung sind die Annahmen der<br />
neuen Regionalökonomie, die die Bedeutung der Region für Standortentscheidungen<br />
und endogene Wachstumsprozesse hervorhebt. Angesichts der raumübergreifenden<br />
Verfügbarkeit von traditionellen Standortfaktoren infolge von Globalisierungsprozes-<br />
sen treten demnach im Rahmen der regionalen Standortkonkurrenz spezifische, zu-<br />
sätzliche Standortvorteile in den Vordergrund, die Unternehmen nur in einer bestimmten<br />
Region realisieren können. Diese werden in regionalen Milieus oder Netzwerken<br />
verortet, die auf der Grundlage von Kooperationsbeziehungen zwischen Unternehmen,<br />
Forschungs- und Bildungsträgern endogene Wachstumsimpulse erzeugen<br />
und Innovationspotenziale entfalten und zugleich eine einzigartige Attraktion für<br />
ansiedlungswillige Unternehmen im interregionalen Wettbewerb darstellen. "Daher ist<br />
die embedded firm und das sie umgebende Netzwerk strategischer Bezugspunkt für<br />
Überlegungen zur Wirtschaftsförderung vor Ort geworden." (Schönig; Zerche 2000:<br />
225) Ziel regionaler Wirtschaftspolitik in diesem Sinne ist eine regionale Spezialisierung<br />
der Wirtschaftsstruktur, in deren Rahmen Kooperationsbeziehungen aufgebaut<br />
werden, die auf die räumliche Vernetzung sich gegenseitig beeinflussender und verstärkender<br />
Fähigkeiten zur Wertschöpfung abzielen. Die Netzwerke sind durch die<br />
Bereitstellung komplementärer öffentlicher Güter zu unterstützen. Diese Zielsetzung<br />
ist in wirtschaftsstruktureller Hinsicht auf die Bildung von regionalen Clustern ausgerichtet,<br />
der Agglomeration von Betrieben bestimmter zusammenhängender Branchengruppen,<br />
die untereinander eng verflochten sind (Schönig; Zerche 2000; Weichhardt<br />
2001; Dörre 1999; Porter 1999; Rehfeld 1998; Kujath 1998).<br />
Wesentlich schwieriger dürfte aber eine Agenda umzusetzen sein, die versucht, verschiedene<br />
Politikbereiche miteinander zu verknüpfen. Die Programmatik enthält – im<br />
Falle der Beschäftigungspakte – zumeist die Zielsetzung der Zusammenführung von<br />
Arbeitsmarkt, Beschäftigungs- und Wirtschaftspolitik auf lokaler Ebene. Teilweise<br />
sind außerdem bildungspolitische Themen involviert. Dennoch kann im Allgemeinen<br />
beobachtet werden, dass die Zusammenführung verschiedener Themenfelder und<br />
12
Politikbereiche nur in Ansätzen gelingt. Oftmals werden Politikfelder werden besten-<br />
falls parallel und von unterschiedlichen Akteurskreisen innerhalb des Paktes bearbei-<br />
tet, aber kaum innerhalb eines Prozesses gebündelt. Die getrennten Zuständigkeiten<br />
und institutionellen Besonderheiten werden damit nicht aufgebrochen. Eine Ausnah-<br />
me stellen hier teilweise Pakte auf der lokalen Ebene dar. So konnte gezeigt werden,<br />
dass der Berliner Pakte unterschiedlichste Politikbereiche aufgreift und innerhalb der<br />
verschiedenen Aktionsfelder bündelt.<br />
Generell gilt es aber festzustellen, dass es offenbar auch für Beschäftigungsbündnis-<br />
se sehr schwierig ist, eine umfassende regionale Strategie zu entwickeln und dazu<br />
auch etwa sozial-, jugend- und familienpolitische oder stadtplanerische Fragen in die<br />
Agenda mit einzubeziehen. Ein Grund hierfür könnte sein, dass die Entwicklung von<br />
regionalen Strategien unter Einbeziehung aller relevanten Politikfelder für die Paktstruktur<br />
zu komplex ist. Darüber hinaus könnte an solchen Strategien bereits an anderer<br />
Stelle gearbeitet und entschieden werden. Die Entwicklung einer regionalen<br />
Strategie dürfte für Pakte nur handhabbar sein, wenn einige wenige Zielsetzungen<br />
herausgegriffen werden und diese dann durch verschiedene Politikbereiche flankiert<br />
werden. Darüber hinaus müssen die jeweilige Entscheidungskompetenzen und auch<br />
entsprechende Mittel der Umsetzung wiederum auf der entsprechenden Ebene vorhanden<br />
sein. Hinzu kommt weiterhin, dass sich die Pakte zugleich in einem Widerspruch<br />
zwischen der schnellen Erreichung von Erfolgen und konkreten Ergebnissen<br />
einerseits und der Formulierung einer umfassenden mittel- oder langfristigen Strategie<br />
andererseits befinden.<br />
Die Frage schließlich, ob durch die Maßnahmen des Paktes unterschiedliche, auch<br />
benachteiligte Zielgruppen, also eine "Agenda der sozialen Kohäsion" erreicht werden,<br />
kann nicht eindeutig beantwortet werden. Die Bündnisse mit einem stark auf<br />
den ersten Arbeitsmarkt ausgerichteten Fokus dürften dazu weniger in der Lage sein,<br />
als breite gesellschaftliche lokale Partnerschaften.<br />
Betrachtet man regionale Bündnisse dagegen aus dem Blickwinkel der Europäischen<br />
Union, so wird deutlich, dass die Beschäftigungsbündnisse durchaus in der Lage<br />
sind, einen inhaltlichen wie prozeduralen Beitrag zur Durchsetzung der europäischen<br />
Beschäftigungsstrategie zu leisten. Bei der Umsetzung der Europäischen Beschäftigungsstrategie<br />
verfolgt die Kommission der Vorstellung, dass Arbeitslosigkeit und<br />
Armut in Europa nur dann erfolgreich bekämpft werden kann, wenn alle verfügbaren<br />
13
Ressourcen, insbesondere auf regionaler und lokaler Ebene, mobilisiert werden. Zu-<br />
dem sollte die Ausgrenzung bestimmter gesellschaftlicher Gruppen (Langzeitarbeits-<br />
lose, behinderte oder ältere Menschen, unzureichend Qualifizierte) gerade durch Ak-<br />
tivitäten auf der lokalen oder kommunalen Ebene verhindert werden. Im Besonderen<br />
setzte die Kommission dabei auf den Dienstleistungssektor (Tourismus, Verkehr, so-<br />
zialer Sektor, Umweltbereich, Vermarktung lokaler Produkte, Verbesserung des<br />
Wohnumfeldes), der auf lokaler Ebene weiter entwickelt werden sollte (vgl.<br />
http://europa.eu.int/comm/employment_social/local_employment/index_de.htm,<br />
9.6.2003).<br />
Die Europäische Kommission resümiert selbst: „Lokale Entwicklungspolitik und lokale<br />
Initiativen haben inzwischen (...) an Bedeutung gewonnen und sind heute wesentlich<br />
besser als jemals zuvor in die nationalen und europäischen Strategien integriert. Lo-<br />
kale Aktionen nehmen inzwischen den ihnen gebührenden Platz in der Politik ein:<br />
immer mehr lokale Akteure wirken nicht nur an der Umsetzung, sondern auch an der<br />
Planung und Weiterentwicklung der Maßnahmen zur Arbeitsplatzschaffung und Förderung<br />
der Eingliederung mit“ (vgl.<br />
http://europa.eu.int/comm/employment_social/local_employment/index_de.htm,<br />
9.6.2003).<br />
Schließlich lässt sich das Thema der Agendabildung auch aus prozessualen Gesichtspunkten<br />
beleuchten. Hierbei steht im Vorgrund wie die Erstellung und Umsetzung<br />
einer gemeinsamen Agenda bewerkstelligt werden kann. Hier wird in den Beiträgen<br />
deutlich, dass etwa eine Einbindung der Bündnispartner in den Erstellungsprozess<br />
der Agenda von hoher Bedeutung ist. Des Weiteren muss der Inhalt der Agenda<br />
nach außen vermittelt werden, wobei das jeweilige Konzept der Öffentlichkeitsarbeit<br />
eine große Rolle spielt.<br />
Die wohl zentrale Herausforderung der Bündnisse ist es aber, gegenseitiges Lernen<br />
und damit besonderes Innovationspotenzial zu entfalten. Über diesen Prozess gibt<br />
der Beitrag von Holger Straßheim in diesem Band Auskunft. Auf der Basis einer Untersuchen<br />
von Städtenetzwerke und interkommunale Verbünde kommt er zu dem<br />
Schluss, dass Krisen ein wichtiger Auslöser für Innovation in Netzwerken darstellen.<br />
Werden diese nicht überwunden, so droht den Bündnissen Stagnation. Um die beschriebenen,<br />
immer wieder auftretenden Krisen im Sinne einer innovativen Weiter-<br />
entwicklung meistern zu können, braucht es außerdem ein aktives und professionel-<br />
14
les Paktmanagement. Die höchste Kompetenz dazu wird oftmals intermediären Or-<br />
ganisationen zugeschrieben, die am besten zwischen den unterschiedlichen Akteu-<br />
ren vermitteln können (siehe Seyfried).<br />
3 Bibliographie<br />
Buchegger-Traxler, A./<strong>Roggenkamp</strong>, M./<strong>Scheffelt</strong>, E. 2003: Territoriale Beschäftigungspakte<br />
im Institutionengefüge nationaler Arbeitsmarktpolitik in Österreich, den Niederlanden und<br />
Deutschland. ZeS-Arbeitspapier 8<br />
Dörre, K. 1999: Global Players, Local Heroes. Internationalisierung und regionale Industriepolitik.<br />
In: Soziale Welt, 50. Jg., H. 2, S. 187-206.<br />
Kujath, H. J. 1998: Regionen im globalen Kontext. In: ders. (Hg.): Strategien der regionalen<br />
Stabilisierung. Wirtschaftliche und politische Antworten auf die Internationalisierung des<br />
Raumes, Berlin, S. 13-37.<br />
Porter, M. E. 1999: Unternehmen können von regionaler Vernetzung profitieren. In: Harvard<br />
Business Manager; H. 3; S. 51-63.<br />
Putnam, R.D./Leonardi, R./Nanetti, R.Y. 1993: Making Democracy Work. Civic Tradition in<br />
Modern Italy. Princeton.<br />
Rehfeld, D. 1998: Unternehmensstrategien zwischen Regionalisierung und Globalisierung.<br />
In: Kujath, H. J. (Hg.): Strategien der regionalen Stabilisierung. Wirtschaftliche und politische<br />
Antworten auf die Internationalisierung des Raumes, Berlin, S. 41-59.<br />
Schönig, W./Zerche, J. 2000: Perspektiven kommunaler Wirtschafts- und Sozialpolitik. Illustration<br />
grundsätzlicher Aspekte am Beispiel Kölns. In: Hamburger Jahrbuch für Wirtschafts-<br />
und Gesellschaftspolitik, 45. Jg., S. 223-242.<br />
Streeck, W./Schmitter, P. C. 1985: Community, Market, State – and Associations? The Prospective<br />
Contribution of Interest Governance to Social Order. In: Streeck, W./Schmitter<br />
P. C. (Hg.): Private Interest Government: Beyond Market and State. Beverly Hills und<br />
London: Sage, S. 1-29.<br />
Weichhart, P. 2001: Kreative Milieus auf der Suche nach ihrem politischen Raum. In: Comparativ.<br />
Leipziger Beiträge zur Universalgeschichte und vergleichenden Gesellschaftsforschung,<br />
11, 3, S. 129-140.<br />
4 Internet<br />
http://europa.eu.int/comm/employment_social/local_employment/index_de.htm, 9.6.2003<br />
15