Tradierte Farben für historischeBauten - Fassade
Tradierte Farben für historischeBauten - Fassade
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FASSADEN-ARCHITEKTUR<br />
<strong>Tradierte</strong> <strong>Farben</strong> <strong>für</strong> historische Bauten<br />
Die farbige Behandlung denkmalgeschützter Architektur unterliegt bestimmten<br />
festgelegten Regeln, deren Einhaltung die Behörden mit sensiblen Augen überwachen<br />
– und das gewiss mit Recht. Insbesondere bei den Bauwerken aus den großen<br />
europäischen Stilepochen der Romanik und Gotik, der Renaissance, des Barock und<br />
Rokoko und des sich daran anschließenden Klassizismus weiß man auf Grund<br />
tradierter Überlieferungen und neuerer Forschungen ziemlich gut, welche Farbtöne<br />
und -klänge jeweils eingesetzt wurden. So ist es auch heute noch durchaus möglich,<br />
diesen Stilepochen die ihnen gemäße Farbtradition zuzuordnen.<br />
Ein altes Rathaus<br />
im denkmalgeschützten<br />
<strong>Fassade</strong>nton<br />
30<br />
Schweizer Stilfassade<br />
in kräftigen <strong>Farben</strong> und<br />
liebevoll bemalt<br />
N eben historischen Gebäuden aus<br />
den hier genannten Stilepochen<br />
werden heute aus bestimmten Überlegungen<br />
heraus auch viele Bauwerke aus<br />
neuerer Zeit unter Denkmalschutz gestellt<br />
– man denke hier nur an ältere Industriekomplexe,<br />
Arbeitersiedlungen und vieles<br />
mehr. Eine eindeutige Farbzuordnung ist<br />
hierbei nur bedingt möglich – wie übrigens<br />
auch bei Gebäuden des Historismus<br />
Mittelalter<br />
Romanik 1000–1200 n. Chr.<br />
Gotik 1150–1500 n. Chr.<br />
FASSADE 1/2000
und des sogen. Elektrizismus, bei denen<br />
häufig Elemente der verschiedenen Stilepochen<br />
an einem einzigen Bauwerk zusammengemischt<br />
wurden. Deshalb beschränken<br />
wir uns in diesem Beitrag<br />
zunächst auf die Stilepochen des Mittelalters,<br />
der Renaissance, des Barock und<br />
Rokoko sowie des Klassizismus. Es ist unser<br />
Anliegen, dabei auch aufzuzeigen,<br />
dass die bei der Außensanierung historischer<br />
Bauwerke von der Denkmalpflege<br />
geforderten Farbtöne sämtlich in der neuen<br />
3D-System-Farbtonkollektion von Caparol<br />
vorhanden sind und außerdem<br />
leicht gefunden werden können. Die<br />
1 162 Farbtöne umfassen das gesamte<br />
Farbspektrum, das heute <strong>für</strong> die Gestaltung<br />
von historischer und moderner Architektur<br />
benötigt wird. Den Schwerpunkt<br />
dieser Architektur-Kollektion bilden deshalb<br />
viele vergraute Nuancen aller Farbtonbereiche,<br />
die mit extrem hellen Weiß-<br />
Farbtönen ergänzt werden. In der Kollektion<br />
sind die folgenden Farbgruppen <strong>für</strong><br />
die praktische Anwendung enthalten:<br />
Steinfarben, betontypische <strong>Farben</strong>, Metallfarben,<br />
Dekorationsfarben, stilistisch<br />
orientierte <strong>Farben</strong>, zeitorientierte Modefarben<br />
und Alltagsfarben <strong>für</strong> die Praxis.<br />
Gemäß dem hier zu behandelnden Thema<br />
werden nachfolgend die „stilistisch orientierten<br />
<strong>Farben</strong>“ im Kontext zu den jeweiligen<br />
Stilepochen dargestellt.<br />
Das Mittelalter –<br />
Romanik und Gotik<br />
Bei den mittelalterlichen Sakralbauten<br />
hatten die <strong>Farben</strong> nicht nur eine<br />
schmückende Funktion, sondern auch –<br />
insbesondere in der Gotik – eine religiös<br />
begründete, symbolische Bedeutung, die<br />
von den tief gläubigen Menschen dieser<br />
Zeit sehr wohl empfunden und verstanden<br />
wurde.<br />
In diesem Zusammenhang sei nur kurz<br />
darauf hingewiesen, dass bereits die<br />
Ägypter, die Griechen und Römer ihre<br />
Tempel, Paläste, Kultstätten und Götterfiguren<br />
in intensiven Farbtönen reich bemalt<br />
und geschmückt haben, dass aber<br />
schon hier die <strong>Farben</strong> teils religiöse, teils<br />
staatspolitische Bedeutung hatten. Die<br />
große Masse der mittelalterlichen Menschen<br />
waren Analphabeten, Lesen und<br />
Schreiben konnten nur Mönche und einige<br />
wenige Adlige. So wurde den Menschen<br />
damals die christliche Botschaft in<br />
Bildergeschichten und Symbolen in Form<br />
von Fresken, Glasfenstern und Figurenzyklen<br />
nahe gebracht, wobei der Symbol-<br />
FASSADE 1/2000<br />
wert der <strong>Farben</strong> eine eminente Rolle<br />
spielte.<br />
Gold (kräftiges Gelb) war das Symbol der<br />
Sonne und zugleich des Christus, generelles<br />
Symbol <strong>für</strong> das Göttliche, Überirdische.<br />
FASSADEN-ARCHITEKTUR<br />
Sorgfältig abgestimmter<br />
<strong>Farben</strong>klang <strong>für</strong> die <strong>Fassade</strong><br />
Renaissance (Neuzeit)<br />
1450 – 1600 n. Chr.<br />
Helles, fahles, grünliches Gelb stand aber<br />
auch <strong>für</strong> Neid, Falschheit und Schande.<br />
Weiß bedeutete die Teilhabe am Himmlischen.<br />
Es stand <strong>für</strong> Verklärung, Vergeistigung,<br />
Priestertum, Licht und Auferste-<br />
31
FASSADEN-ARCHITEKTUR<br />
Historische <strong>Farben</strong><br />
kennzeichnen<br />
historische Gebäude<br />
hung. Rot hatte eine doppelte Bedeutung,<br />
je nach Zusammenhang Symbol <strong>für</strong> hingebende,<br />
christliche Liebe oder Fleisch gewordene<br />
Sünde – Liebe, Blut, Feuer. Purpur<br />
signalisierte geistliche und weltliche<br />
Macht sowie Majestät. Es war die Farbe<br />
der Märtyrer und Kardinäle. Blau bedeutete<br />
Himmel, himmlische Schöpfung, Farbe<br />
der Hoffnung und des Glaubens. Grün<br />
symbolisierte Wachstum, Leben und Glauben,<br />
aber auch die Hoffnung auf Unsterb-<br />
32<br />
lichkeit. Schwarz stand <strong>für</strong> Finsternis, Unglauben,<br />
Sünde, Böses, Tod und Trauer.<br />
Grau und Braun bedeuteten Armut, Versuchung,<br />
Asche und Erde. Es waren auch<br />
<strong>Farben</strong> <strong>für</strong> die Trachten der niederen<br />
Stände. Die Romanik hat den Steinbau<br />
von den Römern übernommen. Ihren architektonischen<br />
Höhepunkt erreichte sie<br />
in den gewaltigen Kaiserdomen. Anfangs<br />
waren die Mauerflächen relativ geschlossen,<br />
später wurden die <strong>Fassade</strong>n plastisch<br />
Barock-Rokoko<br />
(Spätbarock)<br />
Barock<br />
1600 – 1720 n. Chr.<br />
Rokoko<br />
1720 – 1770 n. Chr.<br />
und farbig reicher gegliedert. Die Putzfelder<br />
– auch Mauerwerk – wurden meist<br />
weiß und hellgrau gestrichen oder geschlämmt:<br />
Architektonische Gliederungen<br />
wurden rot abgesetzt, manchmal auch im<br />
Wechsel Rot-Gelb mit weißen Scheinfugen,<br />
seltener mit grüner Erde oder in<br />
Schwarz. Schmückende Betonungen erzielte<br />
man auch durch verschiedenfarbigen<br />
Naturstein oder zweilagige, horizontale<br />
Steinschichten. Die Keilsteine der<br />
Rundbögen wurden häufig im Wechsel<br />
Rot-Weiß gestrichen, die Fugen schwarz<br />
konturiert. An vielen romanischen Bauten<br />
findet man auf verputzte Flächen aufgemalte<br />
Retikulate – auch aus verschiedenfarbigen<br />
Steinen. Als weitere Farbträger<br />
kamen Giebelfelder, Wandflächen des<br />
Blendwerks, gestrichene Holzschindeln<br />
auf den Dächern und die Portaltüren in<br />
Betracht. Quaderungen unterschiedlicher<br />
Art kamen zur Anwendung. Die Gotik verwirklichte<br />
eine neue Bauweise, den in die<br />
Höhe strebenden Skelettbau. Geist und<br />
Materie sollten in Einklang gebracht werden.<br />
Die mächtigen gotischen Dome und<br />
Kathedralen galten als „himmlische Städte<br />
Gottes auf Erden“. Um die kaum überschaubare<br />
Formenvielfalt der gotischen<br />
Kirchenfassaden zu gliedern, wurde Farbe<br />
eingesetzt – vor allem in liturgisch wichtigen<br />
Zonen wie Portalen, Fensterrosen und<br />
Figurengalerien. Auch hier war der Symbolgehalt<br />
der <strong>Farben</strong> von großer Bedeutung.<br />
Der Dreiklang Gelb-Rot-Blau ist<br />
farbbestimmend, beispielsweise beim<br />
Straßburger Münster. Der Sockel in Blau<br />
mit weißer Verfugung, hochgezogen zu<br />
den Fialen, dem Maßwerk der Wimperge<br />
bis zum Maßwerk vor der Rose. Das<br />
Maßwerk der Rose wurde in Rot mit Vergoldungen<br />
abgefasst, um sie besonders zu<br />
betonen. Auch das Sockelgesims bis zum<br />
Abschluss der unteren <strong>Fassade</strong> wurde rot<br />
bemalt. Vielfach wurden auch die Dächer<br />
FASSADE 1/2000
mit farbig glasierten Ziegeln oder mit Blei,<br />
Kupfer und Zinn – häufig mit farbig gefassten<br />
oder vergoldeten Motiven – eingedeckt.<br />
Neben den Sakralbauten entstanden<br />
im Mittelalter natürlich auch<br />
profane Bauwerke – z. B. Burgen, Adelssitze,<br />
Rathäuser und Wohngebäude <strong>für</strong><br />
wohlhabende Bürger-Bauten, von denen<br />
heute begreiflicherweise nicht mehr allzu<br />
viele existieren. Sowohl die stilistischen<br />
Merkmale dieser Zeit als auch die Farbigkeit<br />
wurden <strong>für</strong> diese Bauten vom Sakralbau<br />
übernommen, wobei die religiöse<br />
Farbsymbolik wahrscheinlich nicht mehr<br />
im Vordergrund stand.<br />
Die Renaissance<br />
Anfang des 15. Jahrhunderts, von Florenz<br />
ausgehend, entwickelte sich die Renaissance,<br />
die „Wiedergeburt“ der Antike, um<br />
FASSADE 1/2000<br />
Leuchtendes Ocker –<br />
signifikant <strong>für</strong> ein herausragendes<br />
Bauwerk<br />
Fotos:<br />
Caparol Farbe Lacke Bautenschutz<br />
Klassizismus (Empire)<br />
1770 – 1840 n. Chr.<br />
1840 – 1900 Neoklassizismus (Historismus)<br />
im Laufe der folgenden Jahrzehnte fast<br />
ganz Europa zu erfassen. Allgemein wird<br />
diese Zeitepoche als Beginn der Neuzeit<br />
verstanden: Humanismus, aufstrebendes<br />
Bürgertum und die Reformation trugen<br />
dazu bei, die mittelalterliche Symbolik zu<br />
verdrängen. Die Entwicklung der Zentral-<br />
FASSADEN-ARCHITEKTUR<br />
perspektive war eine der fundamentalen<br />
Leistungen der Renaissancekunst. Nicht<br />
nur Sakralbauten wurden in dem neuen<br />
Stil errichtet, sondern auch Schlösser und<br />
in großer Zahl Rathäuser, Zunfthäuser, Patrizierbauten.<br />
Farbige Anstriche, reiches<br />
Fachwerk, prächtige <strong>Fassade</strong>nmalereien<br />
33
FASSADEN-ARCHITEKTUR<br />
und Vergoldungen verzieren die Bauwerke,<br />
wobei die Farbe nach ästhetischen Gesichtspunkten<br />
als Schmuck eingesetzt<br />
wird.<br />
Die Anwendung der Farbe kann wie folgt<br />
definiert werden. Sockel: Anfangs ungestrichener<br />
Haustein, die Ecksteine mit<br />
schwarzen oder farbigen Konturen abgesetzt,<br />
später wurden sie häufig gestrichen<br />
oder verputzt, gestrichen und gequadert.<br />
Meistens wurden dunkle Steinfarben<br />
da<strong>für</strong> verwendet in Grau, Braun, Gelbbraun<br />
bis Rotbraun. <strong>Fassade</strong>n: Im Süden<br />
herrschten meist kühle <strong>Farben</strong> wie Weiß,<br />
Blaugrau, Grüngrau und Hellgelb vor, im<br />
Norden bevorzugte man eher warme Töne<br />
wie kraftvolles Rot, Hellrot, Gelb, Gelbrot<br />
und Hellbraun. Portale, Erker, Treppentürme<br />
wurden betont, Hausplastiken und<br />
Wappen polychromiert und vergoldet,<br />
Plastiken naturnah bemalt. Schlösser<br />
wurden vielfach hellrot gestrichen,<br />
Schmuckelemente polychromiert, auch<br />
gemalte „Scheinarchitektur“ war sehr beliebt.<br />
Fachwerk: Es zeigte starke Hell-<br />
Dunkel-Kontraste mit grafischer Wirkung.<br />
Das Gebälk wurde in Braun, Schwarzbraun,<br />
Grau, Oxidrot oder Dunkelgrün gestrichen.<br />
Die Gefache wurden in Weiß<br />
oder Ockergelb, Hellblau, Gelbrot oder<br />
Hellrot gehalten. <strong>Fassade</strong>nmalereien wurden<br />
in Sgraffito-, Fresko- oder Seccotechnik<br />
ausgeführt.<br />
Barock und Rokoko<br />
Der Barockstil entwickelte sich Anfang<br />
des 17. Jahrhunderts und wirkte bis in die<br />
ersten Jahrzehnte des 18. Jahrhunderts<br />
hinein. Er verbreitete sich in fast ganz Europa<br />
und auch in Südamerika. Es war die<br />
Zeit der Gegenreformation, des Absolutismus<br />
und der Fürstenherrschaft. Der oft<br />
prunkvolle und theatralische Stil diente<br />
unter anderem dazu, die Macht der katholischen<br />
Kirche und der absolutistischen<br />
Könige und Fürsten zu demonstrieren.<br />
War die Barockarchitektur anfangs<br />
noch schwer, so wurde sie im Laufe der<br />
Entwicklung zunehmend leichter, um<br />
dann in den heiteren und beschwingten<br />
Rokokostil überzugehen. Diese Tendenz<br />
gilt gleichermaßen auch <strong>für</strong> die Farbgebung,<br />
die zum illusionistischen Mittel<br />
wurde, um Wirkung und Effekt der Architektur<br />
zu steigern. Doch auch die Aufgabe<br />
des Klärens, Ordnens und Sichtbar-Machens<br />
kam der Farbe an den reich gegliederten<br />
und formenüberladenen Barockund<br />
Rokokogebäuden zu.<br />
Den farbigen Gestaltungstedenzen liegen<br />
folgende Gesichtspunkte zu Grunde: Der<br />
34<br />
Haustein, der <strong>für</strong> Sockel, Erdgeschoss und<br />
architektonische Gliederungen verwendet<br />
wurde, war meistens im Steinton gestrichen.<br />
Für die Gestaltung der <strong>Fassade</strong>nflächen<br />
sind vier Grundkonzeptionen<br />
nachweisbar:<br />
Rottöne: Die Skala reicht von Pompejanischrot<br />
über Terra di Siena gebrannt bis<br />
Gelbrot <strong>für</strong> die Putzflächen. Die gliedernden<br />
Elemente wurden in Hellgrau, Mittelgrau,<br />
Umbra oder Ocker, seltener in Weiß<br />
oder Naturstein ausgeführt. Insgesamt<br />
wurde eine warme, kräftige Farbgebung<br />
bevorzugt, die vor allem im Frühbarock<br />
dominierte. Gelbtöne: Hier reicht die Skala<br />
von Terra di Siena ungebrannt über<br />
Ocker dunkel und hell, Goldgelb (Amberger<br />
Gelb) bis Neapelgelb. Die Gliederungen<br />
im Frühbarock erfolgten in Grau, Umbra<br />
oder grüner Erde, im Spätbarock fast<br />
nur noch in Weiß oder Altweiß. Pastellfarben:<br />
Stark aufgehellte <strong>Farben</strong> wie Rosa,<br />
Hellgelb, Hellblau, Hellgrün und Hellgrau<br />
mit Gliederungen in Weiß, Altweiß oder<br />
Hellgrau ergaben eine leichte, graziöse<br />
Farbgebung, die besonders im Spätbarock<br />
und Rokoko typisch war. Weißtöne: Eine<br />
Variante im Spätbarock und Rokoko war<br />
die Behandlung der Putzflächen in Weiß,<br />
Altweiß, Rötlichweiß oder Gelblichweiß.<br />
Die Gliederungen wurden mit dunkleren<br />
<strong>Farben</strong> in Grau, Ocker, Umbra oder Grün,<br />
seltener auch in Rot, abgesetzt. Wichtige<br />
Bauteile wurden oft farblich betont, z. B.<br />
Eck- und Mittelrisalite, tiefer liegende<br />
Flächen wurden häufig dunkler, höher liegende<br />
heller gestrichen, um die plastische<br />
Wirkung noch zu verstärken (Stengelbarock<br />
in Saarbrücken). Polychrome Fassungen<br />
und Vergoldungen oder die Verwendung<br />
edler Natursteine steigerten den<br />
prächtigen, oft prunkvollen Ausdruck der<br />
Bauwerke im Barock und Rokoko.<br />
Der Klassizismus<br />
Der Klassizismus, der wiederum auf das<br />
Stil- und Formenvokabular der Antike<br />
zurückgriff, erreichte seinen Höhepunkt<br />
zwischen 1770 und 1840. Es war der erste<br />
Weltumspannende Stil, denn fast in allen<br />
zivilisierten Ländern wurden klassizistische<br />
Bauten errichtet (Capitol in Washington).<br />
Schlichte, große Grundformen,<br />
geometrische und stereometrische Formen,<br />
Dreiecke, Pyramide, Quadrat, Würfel,<br />
Kreis und Kugel charakterisieren die klassizistische<br />
Architektur (ein wichtiger<br />
Wegbereiter dieses Stils war Johann Joachim<br />
Winckelmann, 1717–1768). Bedeutende<br />
deutsche Baumeister des Klassizismus<br />
waren Schinkel in Berlin, Klenze in<br />
München und Weinbrenner in Karlsruhe,<br />
die mit ihren imposanten Bauten das Erscheinungsbild<br />
dieser Städte prägen.<br />
Im klassizistischen Stil wurden Kirchen,<br />
Schlösser, Paläste, aber auch Museen,<br />
Theater, Behördenbauten, Kaufhäuser,<br />
Banken und natürlich auch Wohnhäuser<br />
errichtet. Merkwürdig ist die insgesamt<br />
zurückhaltende unaufdringliche, oft blasse<br />
Farbgebung dieser Stilperiode. Man<br />
legte mehr Wert auf die Darstellung der<br />
reinen Form. Die Farbe war eher untergeordnet<br />
– vielleicht auch als Reaktion auf<br />
den <strong>Farben</strong>rausch des Barock und Rokoko.<br />
Folgende Farbgestaltungen sind tradiert:<br />
Der Haustein blieb naturfarben, er oder<br />
die verputzten Wandflächen wurden<br />
steinfarben oder grau (in verschiedenen<br />
Nuancen) gestrichen. Wandflächen wurden<br />
mit blassen, stark aufgehellten Gelb-,<br />
Rot-, Blau- oder Grautönen behandelt,<br />
Gliederungen wurden weiß oder hellgrau<br />
abgesetzt. Wandflächen wurden in Weiß<br />
oder Altweiß gestrichen, die Gliederungen<br />
in Hell-, Mittel- oder Dunkelgrau betont.<br />
Wandflächen konnten auch in einem<br />
kräftigen Rot (Pompejanischrot) behandelt<br />
sein mit mittel- und hellgrauen Gliederungen,<br />
seltener in Weiß. Türen und<br />
Klappläden wurden in verschiedenen<br />
Grautönen, in Braun, Russischgrün, Graugrün<br />
oder Weiß gehalten.<br />
Fazit<br />
Trotz ständiger Konfrontation und Bedrohung<br />
durch Witterungseinflüsse, Brandkatastrophen,<br />
Kriegseinwirkungen und<br />
menschlicher Unvernunft sind doch noch<br />
erstaunlich viele Bauwerke aus den geschilderten<br />
Stilepochen bis in unsere heutige<br />
Zeit bewahrt geblieben. Sie vor Verfall<br />
zu schützen, zu erhalten und farbig<br />
stilgerecht in Stand zu setzen, ist eine<br />
zentrale Aufgabe des Denkmalschutzes<br />
und des fachkundigen Handwerks.<br />
Manfred Engelmann<br />
Herbert Schmidt<br />
FASSADE 1/2000