Einstweiliger Rechtsschutz im Arbeitsgerichtsverfahren

Einstweiliger Rechtsschutz im Arbeitsgerichtsverfahren Einstweiliger Rechtsschutz im Arbeitsgerichtsverfahren

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Der Beschäftigungsanspruch während des Arbeitsverhältnisses Rz. 67 I anspruch ergänzt notwendigerweise den Beschäftigungsanspruch 1 . Die Möglichkeit des Arbeitnehmers, die Ausübung der Tätigkeit zu verweigern, steht dem Anspruch nicht entgegen. Angesichts des Prognoserisikos des Arbeitnehmers hinsichtlich der Rechtswirksamkeit einer vom Arbeitgeber bei einer schlichten Verweigerung der Anweisung ausgesprochenen Kündigung erscheint es sachgerecht, den Anspruch auf vertragsgemäße Beschäftigung mit einem Anspruch zu flankieren, dem Arbeitnehmer keine vertragswidrigen Weisungen zu erteilen. Angesichts der Herleitung des Beschäftigungsanspruchs aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht erscheint es aber angebracht, den Anspruch auf die Fälle zu beschränken, in denen sich die rechtswidrige Weisung zugleich als ein konkreter Verstoß gegen das allgemeine Persönlichkeitsrecht darstellt. Ist eine solche Weisung bereits erteilt worden, kommt ein Beseitigungsanspruch entsprechend § 1004 BGB in Betracht. Der Erlass einer einstweiligen Verfügung erfordert aber einen Verfügungsgrund für diesen Anspruch auf Nichtzuweisung einer bestimmten Tätigkeit (s. dazu unter Direktionsrecht, I Rz. 50). 3. Beschäftigungspflicht bei Betriebsübergang Diese Grundsätze gelten auch dann, wenn ein Betriebsübergang iSv. § 613a BGB behauptet wird 2 . Aufhebungsverträge, verbunden mit einer Verpflichtung des Betriebserwerbers zur Neueinstellung, stellen eine Umgehung des § 613a BGB dar und sind unwirksam, wenn sie lediglich die Beseitigung der Kontinuität des Arbeitsverhältnisses bei gleichzeitigem Erhalt des Arbeitsplatzes bezwecken (Arbeitnehmer erhält sofort ein Angebot zur Weiterarbeit beim Betriebserwerber, dieser will nur den „sozialen Besitzstand“ nicht wahren). Ist der Aufhebungsvertrag hingegen auf das endgültige Ausscheiden des Arbeitnehmers aus dem Betrieb gerichtet, liegt keine Nichtigkeit vor 3 . Solange hier die Wirksamkeit des Aufhebungsvertrages nicht wegen Anfechtung, Wegfalls der Geschäftsgrundlage oder aus einem anderen Grunde beseitigt worden ist, besteht kein Fortsetzungsanspruch gegen den Betriebsübernehmer. Mithin kann auch kein Verfügungsanspruch im Eilverfahren bestehen. Ein Beschäftigungsanspruch gegen den Betriebsveräußerer besteht grundsätzlich auch denn, wenn der Arbeitnehmer dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses widersprochen hat. Ausnahmen bestehen nur dann, wenn eine Beschäftigung unmöglich ist oder in den engen Aus- 1 LAG Thüringen v. 10.4.2001 – 5 Sa 403/2000 unter III 3b dd der Entscheidungsgründe; aA LAG München v. 1.12.2004 – 5 Sa 913/04. 2 LAG Hamburg v. 3.9.1994 – 3 Sa 72/94. 3 BAG v. 10.12.1998 – 8 AZR 324/97. 229 66 67

I Rz. 68 Die einstweilige Verfügung im Individualarbeitsrecht nahmefällen der wirtschaftlichen Unzumutbarkeit 1 . Dabei ist nicht auf den Beschäftigungsbetrieb abzustellen, sondern auf das Unternehmen. Dies ergibt sich aus der Wertung des § 1 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. b KSchG, wonach die Kündigung auch dann unwirksam ist, wenn der Arbeitnehmer auf einem anderen freien Arbeitsplatz in einem anderen Betrieb desselben Unternehmens beschäftigt werden kann. Der Beschäftigungsanspruch steht im inneren Zusammenhang mit dem Bestandsschutz des Arbeitsverhältnisses. Daher müssen die Wertungen des Kündigungsrechts auch auf diesen Bereich übertragen werden 2 . Umgekehrt hat der Arbeitnehmer keinen Anspruch auf Beschäftigung bei einem anderen Unternehmen desselben Konzerns, wenn der Betrieb geschlossen wird, in dem er bislang beschäftigt war 3 . 68 Ein Beschäftigungsanspruch gegen den Betriebserwerber besteht bei einem unstreitig erfolgten Betriebsübergang. Er ist auch dann gegeben, wenn es zu einem zunächst nicht beabsichtigten Betriebsübergang erst während des Laufs der Kündigungsfrist der vom Veräußerer ausgesprochenen Kündigung kommt. Auf deren Wirksamkeit kommt es für den Beschäftigungsanspruch bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht an 4 . 4. Besonderheiten im gekündigten Arbeitsverhältnis 69 Der Beschäftigungsanspruch besteht grundsätzlich auch nach Ausspruch einer Kündigung bis zum Ablauf der Kündigungsfrist 5 . Dem kann ausnahmsweise ein berechtigtes Interesse des Arbeitgebers entgegenstehen (s. dazu unter Interessenabwägung, I Rz. 77). Der Arbeitgeber hat auch grundsätzlich die Möglichkeit, den Urlaub einseitig in der Kündigungsfrist gewähren. Der Arbeitnehmer hat kein Recht, die Annahme dieses Urlaubs zu verweigern, um einen Anspruch auf Urlaubsabgeltung gemäß § 7 Abs. 4 BUrlG zu erwerben 6 . Eine Ausnahme kann nur dann gelten, wenn der Urlaub bereits vor der Kündigung für einen Zeitraum nach Ablauf der Kündigungsfrist gewährt worden ist. Wenn der Arbeitnehmer im Vertrauen darauf bereits Dispositionen ge- 1 ArbG Berlin v. 7.6.2005 – 84 Ga 10842/05; s. zu den Einzelheiten I Rz. 80. 2 ArbG Berlin v. 7.6.2005 – 84 Ga 10842/05; s. hierzu auch BAG v. 27.2.2002 – 9 AZR 562/00 unter B II 4b der Entscheidungsgründe, worin der Eingriff der Tarifparteien in Art. 12 Abs. 1 GG für gerechtfertigt angesehen wurde, weil Wertentscheidungen des KSchG berücksichtigt wurden. 3 Ruhl/Kassebohm, NZA 1995, 497, 500; vgl. BAG v. 14.10.1982 – 2 AZR 568/80, SAE 1984, 139 u. v. 22.5.1986 – 2 AZR 612/85, SAE 1987, 129 zu den kündigungsrechtlichen Wertungen. 4 LAG Köln v. 3.8.2001 – 11 Sa 215/01; s. weiter LAG Hamm v. 9.6.2006 – 19 Sa 881/06. 5 BAG v. 19.8.1976 – 3 AZR 173/75 u. v. 26.5.1977 – 2 AZR 632/76. 6 LAG Köln v. 16.3.2000 – 10/11 Sa 1280/99. 230

I Rz. 68 Die einstweilige Verfügung <strong>im</strong> Individualarbeitsrecht<br />

nahmefällen der wirtschaftlichen Unzumutbarkeit 1 . Dabei ist nicht auf<br />

den Beschäftigungsbetrieb abzustellen, sondern auf das Unternehmen.<br />

Dies ergibt sich aus der Wertung des § 1 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. b KSchG,<br />

wonach die Kündigung auch dann unwirksam ist, wenn der Arbeitnehmer<br />

auf einem anderen freien Arbeitsplatz in einem anderen Betrieb<br />

desselben Unternehmens beschäftigt werden kann. Der Beschäftigungsanspruch<br />

steht <strong>im</strong> inneren Zusammenhang mit dem Bestandsschutz<br />

des Arbeitsverhältnisses. Daher müssen die Wertungen des Kündigungsrechts<br />

auch auf diesen Bereich übertragen werden 2 . Umgekehrt<br />

hat der Arbeitnehmer keinen Anspruch auf Beschäftigung bei einem anderen<br />

Unternehmen desselben Konzerns, wenn der Betrieb geschlossen<br />

wird, in dem er bislang beschäftigt war 3 .<br />

68 Ein Beschäftigungsanspruch gegen den Betriebserwerber besteht bei einem<br />

unstreitig erfolgten Betriebsübergang. Er ist auch dann gegeben,<br />

wenn es zu einem zunächst nicht beabsichtigten Betriebsübergang erst<br />

während des Laufs der Kündigungsfrist der vom Veräußerer ausgesprochenen<br />

Kündigung kommt. Auf deren Wirksamkeit kommt es für den<br />

Beschäftigungsanspruch bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht an 4 .<br />

4. Besonderheiten <strong>im</strong> gekündigten Arbeitsverhältnis<br />

69 Der Beschäftigungsanspruch besteht grundsätzlich auch nach Ausspruch<br />

einer Kündigung bis zum Ablauf der Kündigungsfrist 5 . Dem<br />

kann ausnahmsweise ein berechtigtes Interesse des Arbeitgebers entgegenstehen<br />

(s. dazu unter Interessenabwägung, I Rz. 77). Der Arbeitgeber<br />

hat auch grundsätzlich die Möglichkeit, den Urlaub einseitig in<br />

der Kündigungsfrist gewähren. Der Arbeitnehmer hat kein Recht, die<br />

Annahme dieses Urlaubs zu verweigern, um einen Anspruch auf Urlaubsabgeltung<br />

gemäß § 7 Abs. 4 BUrlG zu erwerben 6 . Eine Ausnahme<br />

kann nur dann gelten, wenn der Urlaub bereits vor der Kündigung für<br />

einen Zeitraum nach Ablauf der Kündigungsfrist gewährt worden ist.<br />

Wenn der Arbeitnehmer <strong>im</strong> Vertrauen darauf bereits Dispositionen ge-<br />

1 ArbG Berlin v. 7.6.2005 – 84 Ga 10842/05; s. zu den Einzelheiten I Rz. 80.<br />

2 ArbG Berlin v. 7.6.2005 – 84 Ga 10842/05; s. hierzu auch BAG v. 27.2.2002 – 9<br />

AZR 562/00 unter B II 4b der Entscheidungsgründe, worin der Eingriff der Tarifparteien<br />

in Art. 12 Abs. 1 GG für gerechtfertigt angesehen wurde, weil Wertentscheidungen<br />

des KSchG berücksichtigt wurden.<br />

3 Ruhl/Kassebohm, NZA 1995, 497, 500; vgl. BAG v. 14.10.1982 – 2 AZR<br />

568/80, SAE 1984, 139 u. v. 22.5.1986 – 2 AZR 612/85, SAE 1987, 129 zu den<br />

kündigungsrechtlichen Wertungen.<br />

4 LAG Köln v. 3.8.2001 – 11 Sa 215/01; s. weiter LAG Hamm v. 9.6.2006 – 19 Sa<br />

881/06.<br />

5 BAG v. 19.8.1976 – 3 AZR 173/75 u. v. 26.5.1977 – 2 AZR 632/76.<br />

6 LAG Köln v. 16.3.2000 – 10/11 Sa 1280/99.<br />

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