Einstweiliger Rechtsschutz im Arbeitsgerichtsverfahren
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I Rz. 63 Die einstweilige Verfügung <strong>im</strong> Individualarbeitsrecht<br />
2. Grundsätze<br />
63 Der Arbeitnehmer hat <strong>im</strong> unbestritten bestehenden Arbeitsverhältnis<br />
grundsätzlich einen Anspruch auf tatsächliche Beschäftigung 1 . Rechtsgrundlage<br />
des Beschäftigungsanspruches sind die §§ 611, 613 BGB<br />
i.V.m. § 242 BGB. Dieser wird ausgefüllt durch die Wertentscheidung<br />
der Art. 1, 2 und 12 GG. Danach ist die tatsächliche Beschäftigung <strong>im</strong><br />
Arbeitsleben neben der reinen Vergütungszahlung ein wesentliches Element<br />
bei der sozialen Wertschätzung des Arbeitnehmers. Eine Freistellung<br />
auch <strong>im</strong> Rahmen eines tarifvertraglich angelegten unfreiwilligen<br />
Vorruhestandes greift gravierend in das Grundrecht des Arbeitnehmers<br />
aus Art. 12 GG ein 2 .<br />
64 Voraussetzung für den Beschäftigungsanspruch ist das Bestehen eines<br />
Arbeitsvertrages. Der Anspruch auf Abschluss eines solchen reicht<br />
nicht aus 3 . Bei einem rechtskräftigen Urteil, das die Willenserklärung<br />
des Arbeitgebers ersetzt, ist dies mE jedoch anders, da aufgrund dieser<br />
Entscheidung das Bestehen eines Arbeitsvertrages feststeht 4 . Die Beschäftigungspflicht<br />
besteht auch dann, wenn der Arbeitsvertrag zwar<br />
abgeschlossen, aber noch nicht in Vollzug gesetzt wurde. Hat der Betriebsrat<br />
jedoch seine gemäß § 99 BetrVG notwendige Zust<strong>im</strong>mung zur<br />
Einstellung nicht erteilt, besteht ein Beschäftigungshindernis 5 . Dieses<br />
kann der Arbeitgeber grundsätzlich dem Beschäftigungsanspruch entgegenhalten,<br />
auch wenn er das Zust<strong>im</strong>mungsersetzungsverfahren nicht<br />
einleitet. Etwas anderes kann gelten, wenn die Zust<strong>im</strong>mungsverweigerung<br />
offensichtlich unbegründet ist oder gar auf einem kollusiven Zusammenwirken<br />
zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat beruht.<br />
65 Der Anspruch ist auf eine vertragsgemäße Beschäftigung gerichtet. Die<br />
Zuweisung anderer Tätigkeiten stellt keine Erfüllung des Beschäftigungsanspruchs<br />
dar. Darüber hinaus steht dem Arbeitnehmer ein Anspruch<br />
zu, mit best<strong>im</strong>mten Tätigkeiten nicht beschäftigt zu werden, etwa<br />
solchen, die seiner Gewissensentscheidung zuwiderlaufen oder vom<br />
Arbeitsvertragsinhalt nicht gedeckt sind. Ein solcher Unterlassungs-<br />
1 St. Rspr. des BAG, s. nur Beschluss des Großen Senats des BAG v. 27.2.1985 –<br />
GS 1/84; Überblick über die Grundzüge bei Stück, AuA 2005, 704.<br />
2 BAG v. 27.2.2002 – 9 AZR 562/00 unter B II 4a der Entscheidungsgründe zum<br />
TV Ruhestand be<strong>im</strong> Südwestrundfunk.<br />
3 BAG v. 28.9.1983 – 5 AZR 255/81 – LAG Schl.-Holst. v. 25.3.1985 – 5 Sa 65/85,<br />
Erman/Edenfeld, § 611 Rz. 354, MünchArbR/Blomeyer, § 95 Rz. 15.<br />
4 AA zum Arbeitnehmerüberlassungsrecht LAG Köln v. 3.7.1992 – 13 Sa 130/92<br />
sowie ohne Begründung Erman/Edenfeld, 11. Aufl., § 611 Rz. 354.<br />
5 Herbert/Oberrath, NZA 2001, 121, 128.<br />
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