Einstweiliger Rechtsschutz im Arbeitsgerichtsverfahren

Einstweiliger Rechtsschutz im Arbeitsgerichtsverfahren Einstweiliger Rechtsschutz im Arbeitsgerichtsverfahren

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04.02.2013 Aufrufe

Entgeltzahlung Rz. 234 I einen Teil der Vergütung fordern. Hier kann es zu einem Nebeneinander von Arrest und einstweiliger Verfügung kommen. Hinsichtlich eines Teils der gesamten Entgeltforderung können die Voraussetzungen für den Erlass einer Befriedigungsverfügung vorliegen. Gleichzeitig kann aber eine Gefährdung der Gesamtforderung vorliegen, etwa wenn der Arbeitgeber Betriebs- und Privatvermögen ins Ausland verlagert (§ 917 Abs. 2 ZPO). Somit würde hinsichtlich des Gesamtanspruches ein Arrestbefehl beantragt werden können und hinsichtlich eines Teilanspruches ein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Befriedigungsverfügung. Diese Formen einstweiligen Rechtsschutzes können auch in einem Verfahren beantragt werden 1 . Weiter ist auch die hilfsweise Staffelung von Anträgen auf Befriedigungswirkung und Arrest möglich. Wenn es dem Antragsteller in erster Linie auf eine Befriedigungsverfügung ankommt, er aber gleichzeitig die Voraussetzungen eines Arrestes glaubhaft macht, kann er hinsichtlich der gesamten Forderung einen Arrestbefehl beantragen und hinsichtlich einer Teilforderung eine einstweilige Verfügung auf Zahlung. Der Arrestantrag kann allerdings nur insoweit Erfolg haben, wie er über den Zahlungsantrag hinausgeht, denn bezogen auf eine Forderung können Arrest und einstweilige Verfügung nicht kumulativ ergehen. 2. Verhältnis zur Hauptsacheklage Das Verfügungsverfahren kann nur eine vorläufige und meist teilweise Befriedigung bieten. Zur vollständigen Realisierung der Forderungen ist es daher aus Arbeitnehmersicht sachgerecht, zugleich mit dem Verfügungsantrag Klage in der Hauptsache über den vollen ausstehenden Betrag zu erheben. Dies bereitet den Verfahrensbevollmächtigten nicht viel Mehraufwand, denn die Begründung des Verfügungsantrages enthält bereits als Teilmenge die Darlegung des Anspruchs. Beraterhinweis: Wenn das Gericht, wie meistens, nicht ohne mündliche Verhandlung über den Verfügungsantrag entscheiden möchte, empfiehlt sich die Anregung, die Güteverhandlung in dem zeitgleich eingeleiteten Hauptsacheverfahren zur gleichen Terminstunde anzusetzen, um möglicherweise ein Versäumnis- oder Anerkenntnisurteil über die gesamte Forderung zu erwirken. 1 Walker, S. 115 Rz. 159. 311 233 234

I Rz. 235 Die einstweilige Verfügung im Individualarbeitsrecht 3. Verfügungsanspruch a) Anspruch nach erfolgter Arbeitsleistung 235 Der Arrest- und Verfügungsanspruch beruht bei einem fortbestehenden Arbeitsverhältnis regelmäßig auf § 611 BGB. Der Arbeitnehmer muss also darlegen und glaubhaft machen, dass ein Arbeitsverhältnis besteht, aufgrund dessen der Arbeitgeber zur Zahlung der arbeitsvertraglichen Vergütung verpflichtet ist. Entsprechendes gilt für ein zugesagtes Ruhegeld1 . Im fortbestehenden Arbeitsverhältnis muss der Arbeitnehmer auch darlegen, dass er die vertraglich geschuldeten Dienste erbracht hat, um den Anspruch aus § 611 BGB schlüssig darzulegen. Ein solcher Sachvortrag ist deswegen erforderlich, weil der Arbeitnehmer gemäß § 614 BGB grundsätzlich vorleistungspflichtig ist und der Vergütungsanspruch erst nach der Bewirkung der Arbeitsleistung fällig ist. Einen etwa vertraglich vereinbarten Ausnahmetatbestand hat der Arbeitnehmer vorzutragen und glaubhaft zu machen. b) Annahmeverzug 236 Hat der Arbeitnehmer die Arbeitsleistung nicht erbracht, so kommt unter dem Gesichtspunkt des Annahmeverzuges ein Anspruch aus § 615 BGB in Betracht. Ein solcher kann während des ungekündigten Arbeitsverhältnisses entstehen, wenn der Arbeitgeber die ihm obliegenden Mitwirkungshandlungen (Zurverfügungstellung eines funktionsfähigen Arbeitsplatzes und Zuweisung von Arbeit) unterlässt. Auch die Zahlung von Vergütung nach dem Entgeltfortzahlungsgesetz fällt hierunter. Problematisch kann die Darlegung des Verfügungsanspruches bei einem gekündigten Arbeitsverhältnis nach Ablauf der Kündigungsfrist sein, wenn über die Wirksamkeit der Kündigung noch nicht befunden worden ist. Hier ist der Arbeitnehmer gehalten, darzulegen und glaubhaft zu machen, dass die Kündigung mit überwiegender Wahrscheinlichkeit unwirksam ist2 . Auch die Voraussetzungen des Annahmeverzugs müssen dargestellt werden, wobei es in der Regel ausreicht, Kündigungsschutzklage zu erheben3 . Bestehen Zweifel an der Arbeitsfähigkeit, hat der Arbeitnehmer auch deren Bestehen zu beweisen4 . Als Anspruchsgrundlage kommt auch § 615 BGB i.V.m. § 102 Abs. 5 BetrVG in Betracht, wenn der Betriebsrat der ordentlichen Kündigung ordnungsgemäß widersprochen hat (zu den einzelnen Voraussetzungen s.o. I Rz. 162 ff.). In diesem Fall wird das Arbeitsverhältnis kraft Gesetzes 1 Schäfer, Rz. 136. 2 LAG Köln v. 26.6.2002 – 8 Ta 221/02. 3 LAG Köln v. 26.6.2002 – 8 Ta 221/02. 4 LAG Hess. v. 9.7.1995 – 13 Ta 242/95. 312

I Rz. 235 Die einstweilige Verfügung <strong>im</strong> Individualarbeitsrecht<br />

3. Verfügungsanspruch<br />

a) Anspruch nach erfolgter Arbeitsleistung<br />

235 Der Arrest- und Verfügungsanspruch beruht bei einem fortbestehenden<br />

Arbeitsverhältnis regelmäßig auf § 611 BGB. Der Arbeitnehmer muss<br />

also darlegen und glaubhaft machen, dass ein Arbeitsverhältnis besteht,<br />

aufgrund dessen der Arbeitgeber zur Zahlung der arbeitsvertraglichen<br />

Vergütung verpflichtet ist. Entsprechendes gilt für ein zugesagtes Ruhegeld1<br />

. Im fortbestehenden Arbeitsverhältnis muss der Arbeitnehmer<br />

auch darlegen, dass er die vertraglich geschuldeten Dienste erbracht<br />

hat, um den Anspruch aus § 611 BGB schlüssig darzulegen. Ein solcher<br />

Sachvortrag ist deswegen erforderlich, weil der Arbeitnehmer gemäß<br />

§ 614 BGB grundsätzlich vorleistungspflichtig ist und der Vergütungsanspruch<br />

erst nach der Bewirkung der Arbeitsleistung fällig ist. Einen<br />

etwa vertraglich vereinbarten Ausnahmetatbestand hat der Arbeitnehmer<br />

vorzutragen und glaubhaft zu machen.<br />

b) Annahmeverzug<br />

236 Hat der Arbeitnehmer die Arbeitsleistung nicht erbracht, so kommt unter<br />

dem Gesichtspunkt des Annahmeverzuges ein Anspruch aus § 615<br />

BGB in Betracht. Ein solcher kann während des ungekündigten Arbeitsverhältnisses<br />

entstehen, wenn der Arbeitgeber die ihm obliegenden<br />

Mitwirkungshandlungen (Zurverfügungstellung eines funktionsfähigen<br />

Arbeitsplatzes und Zuweisung von Arbeit) unterlässt. Auch die Zahlung<br />

von Vergütung nach dem Entgeltfortzahlungsgesetz fällt hierunter.<br />

Problematisch kann die Darlegung des Verfügungsanspruches bei einem<br />

gekündigten Arbeitsverhältnis nach Ablauf der Kündigungsfrist sein,<br />

wenn über die Wirksamkeit der Kündigung noch nicht befunden worden<br />

ist. Hier ist der Arbeitnehmer gehalten, darzulegen und glaubhaft<br />

zu machen, dass die Kündigung mit überwiegender Wahrscheinlichkeit<br />

unwirksam ist2 . Auch die Voraussetzungen des Annahmeverzugs müssen<br />

dargestellt werden, wobei es in der Regel ausreicht, Kündigungsschutzklage<br />

zu erheben3 . Bestehen Zweifel an der Arbeitsfähigkeit, hat<br />

der Arbeitnehmer auch deren Bestehen zu beweisen4 . Als Anspruchsgrundlage<br />

kommt auch § 615 BGB i.V.m. § 102 Abs. 5 BetrVG in Betracht,<br />

wenn der Betriebsrat der ordentlichen Kündigung ordnungsgemäß<br />

widersprochen hat (zu den einzelnen Voraussetzungen s.o.<br />

I Rz. 162 ff.). In diesem Fall wird das Arbeitsverhältnis kraft Gesetzes<br />

1 Schäfer, Rz. 136.<br />

2 LAG Köln v. 26.6.2002 – 8 Ta 221/02.<br />

3 LAG Köln v. 26.6.2002 – 8 Ta 221/02.<br />

4 LAG Hess. v. 9.7.1995 – 13 Ta 242/95.<br />

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