Einstweiliger Rechtsschutz im Arbeitsgerichtsverfahren

Einstweiliger Rechtsschutz im Arbeitsgerichtsverfahren Einstweiliger Rechtsschutz im Arbeitsgerichtsverfahren

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04.02.2013 Aufrufe

Der Beschäftigungsanspruch während des Arbeitsverhältnisses Rz. 91 I steht jedoch nur bei einer entsprechenden vertraglichen Vereinbarung 1 . Zur angemessenen Beschäftigung iSd. NV Solo gehört auch die Teilnahme an Proben und die Übertragung so genannter Ansehrollen 2 . Gemäß § 11 Abs. 2a NV Solo kann sich der Arbeitgeber nicht vertraglich das Recht vorbehalten, durch einseitige Erklärungen das Mitglied unter Kürzung oder Wegfall der vertraglichen Vergütung zu beurlauben. Ähnliche Regelungen finden sich in § 4 Abs. 5, § 2 Abs. 2b NV Tanz und § 4 Abs. 4, § 2 Abs. 3b NV Chor. Allerdings kann der Arbeitgeber in Einzelfällen berechtigt sein, die Arbeitspflicht vorübergehend zu suspendieren, wenn der hinreichende Verdacht einer Pflichtverletzung besteht. Schließlich kommt bei einer Kündigung wegen Versagens der künstlerischen Leistungen eines Berufsmusikers gemäß § 42 Abs. 1b des Tarifvertrages für die Musiker in Kulturorchestern (TVK) ein Ausschluss des Beschäftigungsanspruches während der sozialen Auslauffrist in Betracht. Dabei ist auf der einen Seite zu beachten, dass ein Berufsmusiker ein starkes Interesse an der tatsächlichen Beschäftigung hat, da es für ihn darum geht, seine beruflichen Fertigkeiten gerade im Zusammenspiel zu erhalten. Auf der anderen Seite ist jedoch das arbeitgeberseitige Interesse schützenswert, bei Auftritten vor Publikum eine einwandfreie und den künstlerischen Ansprüchen genügende Orchesterleistung präsentieren zu können. Wenn die künstlerische Gesamtwirkung des Orchesters durch erhebliche Leistungsmängel eines einzelnen Mitgliedes gestört wird, kommt eine Suspendierung für die Zeit bis zum Ablauf der Kündigungsfrist in Betracht 3 . ee) Betriebsratsamt Eine besondere Bedeutung kommt dem Betriebsratsamt des Arbeitnehmers zu. Verweigert der Betriebsrat die Zustimmung zur Kündigung eines seiner Mitglieder, muss der Arbeitgeber gemäß § 103 BetrVG bei den Gerichten für Arbeitssachen die Ersetzung der Zustimmung beantragen. Bis hierüber rechtskräftig entschieden ist, hat das betroffene Betriebsratsmitglied grundsätzlich einen Beschäftigungsanspruch (zu dem davon unabhängigen Anspruch auf Amtsausübung s. K Rz. 15). Dieser entfällt nur dann, wenn der Weiterbeschäftigung überwiegende und schutzwürdige Interessen des Arbeitgebers entgegenstehen, die eine Verhinderung der Beschäftigung geradezu gebieten. Dies wurde von der Rechtsprechung angenommen bei dem objektiven Bestehen erheblicher Gefahren für den Betrieb oder dort beschäftigte Personen oder eines durch objektive Tatsachen gesicherten dringenden Verdachts einer strafbaren Handlung oder einer sonstigen schweren Arbeitsvertragsverlet- 1 § 6 Abs. 3 NV Solo. 2 MünchArbR/Richardi/Pallasch, § 199 Rz. 71. 3 LAG Berlin v. 9.1.1997 – 14 Ta 19/96, n.v. 239 91

I Rz. 92 Die einstweilige Verfügung im Individualarbeitsrecht zung 1 . Eine Störung des Betriebsfriedens kommt mE jedoch nur dann in Betracht, wenn sie erheblich ist 2 . Auch dann kommt eine einstweilige Verfügung auf Zustimmung gem. § 103 BetrVG nicht in Betracht 3 . ff) Allgemeine Interessenabwägung 92 Diese Interessen des Arbeitgebers sind dann in einer Gesamtschau gegen ein möglicherweise bestehendes besonderes Beschäftigungsinteresse des Arbeitnehmers abzuwägen. Der Arbeitnehmer kann aufgrund seiner besonderen beruflichen Situation ein gesteigertes Interesse an der Beschäftigung haben, wie zB das „Im-Geschäft-Bleiben“ im Verkaufsbereich, den Erhalt bestimmter technischer oder handwerklicher Fähigkeiten etc. In diesem Zusammenhang ist streitig, ob Bewerbungen aus einem aktiven Arbeitsverhältnis erfolgversprechender sind als solche, die während einer Freistellung erfolgen4 . 93 Ein Berufsfußballspieler kann seinen Anspruch auf Teilnahme am Training durchsetzen, wenn er glaubhaft macht, dass auch durch die zeitweilige Nichtteilnahme seine Chancen auf dem Markt erheblich sinken würden 5 . d) Verfügungsgrund 94 Es ist streitig, ob der Verfügungsgrund in diesen Fällen bereits dadurch vorgegeben ist, dass der Verfügungsanspruch besteht und durch Zeitablauf vereitelt wird, wenn dem Arbeitgeber die Beschäftigung nicht per einstweiliger Verfügung aufgegeben wird6 , oder ob der Arbeitnehmer auch vortragen und glaubhaft machen muss, dass er wegen einer Notlage auf die sofortige Erfüllung des Beschäftigungsanspruches dringend 1 LAG Köln v. 2.8.2005 – 1 Sa 952/05 unter 2a cc der Entscheidungsgründe; LAG Hamm v. 21.9.2004 – 12 SaGa 1212/04 und v. 12.12.2001 – 10 Sa 1741/01; 311; LAG Sachsen v. 14.4.2000 – 3 Sa 298/00; LAG Sachsen v. 14.4.2000 – 3 Sa 298/00 – lässt es hingegen ausreichen, dass den Kündigungsgründen „einiges Gewicht“ zukommt. 2 LAG Hamm v. 12.12.2001 – 10 Sa 1741/01 – lässt bereits eine einfache Störung ausreichen und nennt weiterhin betriebliche Ablaufstörungen; zur fortbestehenden Wählbarkeit eines Arbeitnehmers s. BAG v. 10.11.2004 – 7 ABR 12/04. 3 DKK/Kittner, § 103 Rz. 46. 4 Dafür ArbG Stuttgart v. 18.3.2005 – 26 Ga 4/05, dagegen LAG Köln v. 13.5.2005 – 4 Sa 400/05. 5 ArbG Solingen v. 16.1.1996 – 2 Ga 1/96; s. in diesem Zusammenhang zum Rechtsweg LAG Köln v. 22.4.2002 – 8 (13) Ta 8/02. 6 So LAG Hess. v. 3.3.2005 – 9 SaGa 2286/04 – und v. 19.8.2002 – 16 Sa Ga 1118/02, LAG München v. 7.5.2003 – 5 Sa 344/03 und v. 19.8.1992 – 5 Ta 185/92; Walker, Rz. 686; ArbG Stuttgart v. 18.3.2005 – 26 Ga 4/05. 240

I Rz. 92 Die einstweilige Verfügung <strong>im</strong> Individualarbeitsrecht<br />

zung 1 . Eine Störung des Betriebsfriedens kommt mE jedoch nur dann in<br />

Betracht, wenn sie erheblich ist 2 . Auch dann kommt eine einstweilige<br />

Verfügung auf Zust<strong>im</strong>mung gem. § 103 BetrVG nicht in Betracht 3 .<br />

ff) Allgemeine Interessenabwägung<br />

92 Diese Interessen des Arbeitgebers sind dann in einer Gesamtschau gegen<br />

ein möglicherweise bestehendes besonderes Beschäftigungsinteresse<br />

des Arbeitnehmers abzuwägen. Der Arbeitnehmer kann aufgrund seiner<br />

besonderen beruflichen Situation ein gesteigertes Interesse an der<br />

Beschäftigung haben, wie zB das „Im-Geschäft-Bleiben“ <strong>im</strong> Verkaufsbereich,<br />

den Erhalt best<strong>im</strong>mter technischer oder handwerklicher Fähigkeiten<br />

etc. In diesem Zusammenhang ist streitig, ob Bewerbungen aus<br />

einem aktiven Arbeitsverhältnis erfolgversprechender sind als solche,<br />

die während einer Freistellung erfolgen4 .<br />

93 Ein Berufsfußballspieler kann seinen Anspruch auf Teilnahme am Training<br />

durchsetzen, wenn er glaubhaft macht, dass auch durch die zeitweilige<br />

Nichtteilnahme seine Chancen auf dem Markt erheblich sinken<br />

würden 5 .<br />

d) Verfügungsgrund<br />

94 Es ist streitig, ob der Verfügungsgrund in diesen Fällen bereits dadurch<br />

vorgegeben ist, dass der Verfügungsanspruch besteht und durch Zeitablauf<br />

vereitelt wird, wenn dem Arbeitgeber die Beschäftigung nicht per<br />

einstweiliger Verfügung aufgegeben wird6 , oder ob der Arbeitnehmer<br />

auch vortragen und glaubhaft machen muss, dass er wegen einer Notlage<br />

auf die sofortige Erfüllung des Beschäftigungsanspruches dringend<br />

1 LAG Köln v. 2.8.2005 – 1 Sa 952/05 unter 2a cc der Entscheidungsgründe; LAG<br />

Hamm v. 21.9.2004 – 12 SaGa 1212/04 und v. 12.12.2001 – 10 Sa 1741/01; 311;<br />

LAG Sachsen v. 14.4.2000 – 3 Sa 298/00; LAG Sachsen v. 14.4.2000 – 3 Sa<br />

298/00 – lässt es hingegen ausreichen, dass den Kündigungsgründen „einiges<br />

Gewicht“ zukommt.<br />

2 LAG Hamm v. 12.12.2001 – 10 Sa 1741/01 – lässt bereits eine einfache Störung<br />

ausreichen und nennt weiterhin betriebliche Ablaufstörungen; zur fortbestehenden<br />

Wählbarkeit eines Arbeitnehmers s. BAG v. 10.11.2004 – 7 ABR 12/04.<br />

3 DKK/Kittner, § 103 Rz. 46.<br />

4 Dafür ArbG Stuttgart v. 18.3.2005 – 26 Ga 4/05, dagegen LAG Köln v.<br />

13.5.2005 – 4 Sa 400/05.<br />

5 ArbG Solingen v. 16.1.1996 – 2 Ga 1/96; s. in diesem Zusammenhang zum<br />

Rechtsweg LAG Köln v. 22.4.2002 – 8 (13) Ta 8/02.<br />

6 So LAG Hess. v. 3.3.2005 – 9 SaGa 2286/04 – und v. 19.8.2002 – 16 Sa Ga<br />

1118/02, LAG München v. 7.5.2003 – 5 Sa 344/03 und v. 19.8.1992 – 5 Ta<br />

185/92; Walker, Rz. 686; ArbG Stuttgart v. 18.3.2005 – 26 Ga 4/05.<br />

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