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Unterrichtsaufzeichnung in der DDR - Zeitschrift MedienPädagogik

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Unterrichtsdokumentation auf Video, mittlerweile selbst e<strong>in</strong> mediendidaktisches<br />

Unterrichtsmittel geworden ist.<br />

3. Das Material<br />

An <strong>der</strong> Humboldt-Universität zu Berl<strong>in</strong> wurde seit Beg<strong>in</strong>n <strong>der</strong> 70er Jahre<br />

im Medienkab<strong>in</strong>ett <strong>der</strong> Sektion Pädagogik, dem späteren audiovisuellen<br />

Zentrum (ZAL), Unterricht zu Lehrerausbildungszwecken aufgezeichnet.<br />

Die Aufzeichnungen wurden lange Zeit auf e<strong>in</strong>em spezifischen 1"-Videorekor<strong>der</strong><br />

und Bandmaterial <strong>der</strong> Firma Phillips vorgenommen. Diese Bän<strong>der</strong><br />

lagern bis heute unter archivarisch ungünstigen Bed<strong>in</strong>gungen im Medienzentrum<br />

<strong>der</strong> HU. Dieses Videomaterial ist kaum noch abspielbar, da die<br />

Magnetbeschichtung des Trägermediums ke<strong>in</strong>e lange Haltbarkeit besitzt.<br />

Zum zweiten gibt es kaum noch geeignete Abspielgeräte. In den 70ern war<br />

die Videotechnik noch auf den professionellen Nutzerbereich e<strong>in</strong>geschränkt,<br />

teuer und nur für wenige Anwen<strong>der</strong> zugänglich. Darüber h<strong>in</strong>aus<br />

ist dieses Material auf Geräten aufgenommen worden, die vor <strong>der</strong> Standardisierung<br />

<strong>der</strong> 1"-Videotechnik produziert wurden. Das Material ist also<br />

mit herkömmlichen 1"-Geräten, die die später entwickelten Standards z. B.<br />

A, B o<strong>der</strong> C unterstützen nicht abspielbar. So ist es nahezu unmöglich,<br />

Geräte ausf<strong>in</strong>dig zu machen, die diese Bän<strong>der</strong> lesen können. Die Geräte <strong>der</strong><br />

HU s<strong>in</strong>d lei<strong>der</strong> nicht mehr vorhanden.<br />

Nach <strong>der</strong> zufälligen Auff<strong>in</strong>dung e<strong>in</strong>iger dieser Bän<strong>der</strong> (s. o.) stiessen wir<br />

auf e<strong>in</strong>e Vielzahl dieser <strong>Unterrichtsaufzeichnung</strong>en zu verschiedensten<br />

Themen an <strong>der</strong> Berl<strong>in</strong>er Humboldt-Universität. Diese Aufzeichnungen<br />

stellen e<strong>in</strong>en nach unseren Recherchen deutschlandweit e<strong>in</strong>maligen Fundus<br />

an <strong>Unterrichtsaufzeichnung</strong>en aus <strong>der</strong> <strong>DDR</strong> dar. Diese Artefakte können<br />

<strong>der</strong> pädagogischen Forschung sowohl <strong>in</strong> den Bereichen <strong>der</strong> Medienpädagogik,<br />

<strong>der</strong> allgeme<strong>in</strong>en Pädagogik, <strong>der</strong> historischen Erziehungswissenschaft,<br />

<strong>der</strong> Unterrichtsforschung und den Fachdidaktiken und <strong>der</strong><br />

allgeme<strong>in</strong>en Didaktik wertvolles Material zur Verfügung stellen. Für die<br />

erziehungswissenschaftliche Forschung liegt gerade <strong>in</strong> <strong>der</strong> thematischen<br />

Breite des aufgezeichneten Unterrichts e<strong>in</strong>e beson<strong>der</strong>e Stärke des Materials.<br />

4. E<strong>in</strong>e kurze Geschichte <strong>der</strong> Unterrichtsdokumentation<br />

Schon früh <strong>in</strong> <strong>der</strong> Geschichte <strong>der</strong> Pädagogik wurden Überlegungen angestellt,<br />

wie die flüchtigen Prozesse pädagogischer Interaktion manifestiert<br />

werden könnten. Erste Bemühungen f<strong>in</strong>den sich bereits bei Herbart. Aloys<br />

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www.medienpaed.com06-1/schluss1.pdf<br />

Fischer und Rudolf Lochner for<strong>der</strong>ten <strong>in</strong> <strong>der</strong> Abkehr von e<strong>in</strong>er philosophisch<br />

normativ argumentierenden Pädagogik die H<strong>in</strong>wendung zu den<br />

«pädagogischen Tatsachen» (vgl. Röhrs 2003). Systematisch widmet sich<br />

die auf Peter Petersen zurückgehende «Pädagogische Tatsachenforschung»<br />

diesem Feld (Peter und Else Petersen 1965; Koskenniemi 1971, S. 26).<br />

Beson<strong>der</strong>s <strong>in</strong> <strong>der</strong> Lehrerausbildung aber auch <strong>in</strong> <strong>der</strong> Reflexion pädagogischer<br />

Praxis wurde diese Frage immer wie<strong>der</strong> diskutiert, denn im Gegensatz<br />

zu naturwissenschaftlichen Experimenten s<strong>in</strong>d pädagogische Interaktionen<br />

ke<strong>in</strong>eswegs unter gleichen Bed<strong>in</strong>gungen wie<strong>der</strong>holbar, son<strong>der</strong>n<br />

strukturell e<strong>in</strong>malig. Wenn das Experiment an den gleichen Zögl<strong>in</strong>gen<br />

wie<strong>der</strong>holt wird, so s<strong>in</strong>d es nicht mehr die Gleichen, wie vor dem ersten<br />

Experiment, denn das pädagogische Experiment selbst hat zu <strong>der</strong>en Verän<strong>der</strong>ung<br />

beigetragen. Sie können nicht künstlich <strong>in</strong> den Status quo ante<br />

zurückversetzt werden. 5 Da also die Wie<strong>der</strong>holung von Experimenten im<br />

naturwissenschaftlichen S<strong>in</strong>ne <strong>in</strong> <strong>der</strong> Pädagogik nicht möglich ist, lag die<br />

Alternative e<strong>in</strong>er Protokollierung von Unterricht nahe. Allerd<strong>in</strong>gs stiess<br />

diese alle<strong>in</strong> durch die subjektive Perspektive des Protokollanten an enge<br />

Grenzen. Häufig wurden solche Unterrichtsprotokolle erst im Nachh<strong>in</strong>e<strong>in</strong><br />

von den Unterrichtenden erstellt (vgl. Grammes 1995). Auch die an<strong>der</strong>en<br />

Varianten <strong>der</strong> Unterrichtsdokumentation (Selbstbeobachtung und Nachbes<strong>in</strong>nung<br />

des Unterrichtenden o<strong>der</strong> die Dokumentation von Arbeitsergebnissen<br />

<strong>der</strong> Schüler) weisen spezifische Probleme auf (vgl. Hoof 1972,<br />

S. 25 ff.) E<strong>in</strong>e Alternative dazu beson<strong>der</strong>s im Bereich <strong>der</strong> Lehrer/<strong>in</strong>nenausbildung<br />

schien die direkte Beobachtung unterrichtlicher Vollzüge durch<br />

die Lehramtsaspiranten (Hospitation, z. T. mit medialer Dokumentation,<br />

z. B. Fotobildserie vgl. ebd.) zu se<strong>in</strong>. Allerd<strong>in</strong>gs stellte sich hier die Frage<br />

<strong>der</strong> Bee<strong>in</strong>flussung <strong>der</strong> Unterrichtssituation durch die Hospitationsgruppe.<br />

An <strong>der</strong> Pädagogischen Fakultät und später Sektion <strong>der</strong> Humboldt Universität<br />

wurde deshalb die Variante e<strong>in</strong>er direkten Unterrichtsbeobachtung<br />

5<br />

Dennoch gibt es freilich <strong>in</strong> <strong>der</strong> Pädagogik durchaus vergleichbare und ähnlich<br />

wie<strong>der</strong>kehrende Situationen. Immer wie<strong>der</strong> wurde versucht, aus solchen „Typischen<br />

Situationen“ Standards zu entwickeln, die für die LehrerInnenausbildung bedeutsam<br />

se<strong>in</strong> sollten. In <strong>der</strong> <strong>DDR</strong> gab es dazu e<strong>in</strong>e lebhafte, erstaunlich kritische, Debatte, die<br />

von Gerhard Neuner (1980) ausgelöst, von Bastian/Naumann (1981) Neuner (1982)<br />

fortgeführt und <strong>in</strong> gewisser Weise durch Eichler/Heimberger/Meumann/Werner<br />

(1984) beendet wurde. In jüngster Zeit bemüht sich vor allem Fritz Oser darum,<br />

Standards professionellen Lehrerhandelns zu f<strong>in</strong>den zu formulieren und auch<br />

mustergültig (mastery stage) filmisch zu dokumentieren (Oser 2005). Freilich ist<br />

dieses Verfahren auch heute nicht ohne Kritik geblieben (vgl. Herzog 2005).<br />

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