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MODELLVERSUCH »GAB - Institut Technik und Bildung ...

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<strong>MODELLVERSUCH</strong> <strong>»GAB</strong>«<br />

GEMEINSAMER ZWISCHENBERICHT<br />

UND<br />

1. SACHBERICHT<br />

Bremen, Januar 2001


Modellversuch <strong>»GAB</strong>«<br />

Gemeinsamer Zwischenbericht <strong>und</strong> 1. Sachbericht<br />

Autoren <strong>und</strong> Bearbeiter<br />

Felix Rauner<br />

Rainer Bremer<br />

Volker Brettschneider<br />

Bernd Haasler<br />

Wulf Heise<br />

Olaf Herms<br />

Manfred Huschka<br />

Michael Kleiner<br />

Michael Reinhold<br />

Koautoren<br />

Lehrer der Berufsbildenden Schulen<br />

Mitarbeiter der Volkswagen Coaching Gesellschaft mbH<br />

Redaktion<br />

Rainer Bremer<br />

Olaf Herms<br />

Bremen 2001


INHALT SEITE<br />

VORBEMERKUNG 7<br />

1 ALLGEMEINE ANGABEN 8<br />

1.1 <strong>MODELLVERSUCH</strong>STITEL 8<br />

1.2 STRUKTUR DES <strong>MODELLVERSUCH</strong>S 11<br />

2 CURRICULUMENTWICKLUNG 12<br />

2.1 ANSÄTZE UND AKTIVITÄTEN IN DER CURRICULUMENTWICKLUNG 12<br />

2.1.1 KONZEPT DER »BERUFLICHEN ARBEITSAUFGABEN« INNERHALB DER<br />

CURRICULUMENTWICKLUNG 12<br />

2.1.2 WEITERENTWICKLUNG DES LERNFELDKONZEPTS 18<br />

2.1.3 DAS INSTRUMENT »BAG–ERLEBEN« 25<br />

2.2 ARBEITSGRUPPEN IN DER CURRICULUMENTWICKLUNG 31<br />

2.3 ZWISCHENBILANZ UND STAND DER MATERIALIEN UND<br />

AUSBILDUNGSPLÄNE 35<br />

2.3.1 BERUFSBILDUNGSPLÄNE (BBP) 35<br />

2.3.2 ZUM AUFBAU DER BERUFSBILDUNGSPLÄNE 35<br />

2.3.3 ABGRENZUNG DER BERUFSBILDUNGSPLÄNE ZU DEN GELTENDEN<br />

ORDNUNGSMITTELN 35<br />

2.3.4 ZUR ENTWICKLUNG UND ZUM GEGENWÄRTIGEN STAND DER<br />

BERUFSBILDUNGSPLÄNE 36<br />

2.3.5 BETRIEBS– UND BERUFSERKUNDUNG 40<br />

2.3.6 SERVICE–PRODUKTIONS–LERNINSELN IM BETRIEB 42<br />

2.3.7 QUALIFIZIERUNGSKONZEPT: BETRIEBLICHE AUSBILDUNG BEI<br />

VOLKSWAGEN 54


3 WISSENSCHAFTLICHE BEGLEITUNG 57<br />

3.1 ORGANISATION UND ARBEITSPLAN 57<br />

3.1.1 ORGANISATION 57<br />

3.1.2 ARBEITSPLAN 62<br />

3.2 INSTRUMENTE UND METHODEN 64<br />

3.2.1 ANSATZ UND VERFAHREN DER EVALUATION ZU<br />

ENTWICKLUNGSLOGISCHEN VERLÄUFEN IM MV GAB 64<br />

3.2.1.1 BEZIEHUNG DER EXPERTEN–FACHARBEITER–WORKSHOPS ZUM<br />

GESAMTVORHABEN UND SEINER EVALUATION 64<br />

3.2.1.2 DAS EVALUATIONSKONZEPT UND SEINE UMSETZUNG 67<br />

3.2.1.3 PROBLEMHINTERGRUND 69<br />

3.2.2 ENTWICKLUNG VON HYPOTHESEN UND VERFAHREN — DIE<br />

BEZIEHUNG DER BEFRAGUNGSINSTRUMENTE ZU DEN AUF<br />

BERUFLICHEN ARBEITSAUFGABEN BASIERENDEN<br />

EVALUATIONSAUFGABEN 70<br />

3.2.2.1 BEZUGSTHEORIEN UND -MODELLE 74<br />

3.2.2.2 FORSCHUNGSINSTRUMENTE 76<br />

3.2.3 FORTSETZUNG DER EVALUATION 79<br />

3.2.3.1 KONSTRUKTION UND EINSATZ DER ENTWICKLUNGSAUFGABEN ALS<br />

EVALUATIONSAUFGABEN 79<br />

3.2.3.2 EINE HYPOTHETISCHE TYPOLOGIE 81


4 ERGEBNISSE UND WEITERES VORGEHEN 84<br />

4.1 HYPOTHESENABGLEICH UND ERGEBNISSE 84<br />

4.2 CURRICULUMENTWICKLUNG UND -IMPLEMENTATION 93<br />

4.3 ERFAHRUNGEN UND ANREGUNGEN ZUM TRANSFER 99<br />

4.3.1 VORBEREITUNGS– UND PILOTPHASE 100<br />

4.3.2 KONZEPTE 100<br />

4.3.3 PHASE DER AUSWEITUNG DES <strong>MODELLVERSUCH</strong>S 106<br />

4.3.4 STEUERUNGSINSTRUMENTE IM <strong>MODELLVERSUCH</strong> 107<br />

4.3.5 PROJEKTBEIRAT 109<br />

4.3.6 TRANSFER DURCH TAGUNGEN, VERÖFFENTLICHUNGEN UND<br />

VORTRÄGE 110<br />

4.3.7 AUSBLICK 112<br />

5 PROGRAMMBEITRAG 115<br />

6 VERZEICHNIS DER ANHÄNGE 117


Gemeinsamer Zwischenbericht MV GAB<br />

VORBEMERKUNG<br />

Dieser Zwischenbericht <strong>und</strong> 1. Sachbericht wurde von den drei Modellversuchsträgern<br />

Volkswagen Coaching Gesellschaft mbH (Wirtschaftsteil), den Ländern Hessen, Niedersachsen<br />

(federführend) <strong>und</strong> Sachsen (Schulteil) sowie dem ITB (Wissenschaftliche Begleitung)<br />

in Kooperation verfasst <strong>und</strong> untereinander abgestimmt.<br />

Der Gr<strong>und</strong> dafür liegt bei einem Doppelmodellversuch mit Betonung der Lernortkooperation<br />

auf der Hand: Wer in der Durchführung möglichst eng kooperieren soll, sollte<br />

dies auch bei den Berichten tun. Freilich gelten für die beiden Bereiche schulische <strong>und</strong><br />

außerschulische Modellversuche unterschiedliche Vorgaben für Gliederung, Umfang <strong>und</strong><br />

Zeitpunkte der Berichte. Um den daraus sich ergebenden Pflichten im Sinne von Kriterien<br />

Genüge zu tun, mussten eine Schnittmenge der Gliederungspunkte gebildet <strong>und</strong> darüber<br />

hinaus einzelne Abschnitte hinzugefügt werden. Zwangsläufig konnten dabei die<br />

Vorgaben für den Umfang nicht immer eingehalten werden.<br />

Die Gliederung, der dieser Bericht folgt, wurde unter den Beteiligten abgestimmt <strong>und</strong><br />

dem BMBF vorgelegt. Die Zustimmung wurde mit dem Hinweis erteilt, Abschnitte <strong>und</strong><br />

Passagen durch den Bezug auf den schulischen bzw. betrieblichen zu kennzeichnen.<br />

Überall da, wo sich nicht schon aus der Gliederungsüberschrift eindeutig dieser Bezug<br />

ergibt, wurden zu Anfang der betreffenden Textpassagen Marginalien eingefügt (»Schule«,<br />

»Betrieb«, »WB« [für Wissenschaftliche Begleitung] oder eine Kombination aus den Bezeichnungen).<br />

Im Gegensatz zum eigentlichen Berichtstext sind die Anhänge nach der jeweiligen Zuständigkeit<br />

getrennt entstanden. Dies trägt den prinzipiellen Unterschieden zwischen den<br />

Aufgaben <strong>und</strong> Verantwortlichkeiten auf der operativen Ebene Rechnung, die ja die eigentliche<br />

Basis der intensiven Kooperation darstellt <strong>und</strong> daher nicht Gegenstand der<br />

Kooperation auf der Berichtsebene werden kann. Eine Liste dieser Anhänge (»A« für<br />

Schule, »B« für Betrieb <strong>und</strong> »C« für die Wissenschaftliche Begleitung) ist am Ende dieses<br />

Berichts angefügt.<br />

7


Gemeinsamer Zwischenbericht MV GAB<br />

1 Allgemeine Angaben<br />

1.1 Modellversuchstitel<br />

BLK: Geschäfts– <strong>und</strong> arbeitsprozessbezogene, dual–kooperative<br />

Ausbildung in ausgewählten Industrieberufen<br />

mit optionaler Fachhochschulreife<br />

BIBB: Geschäfts– <strong>und</strong> arbeitsprozessbezogene Ausbildung<br />

in ausgewählten Industrieberufen mit optionaler<br />

Fachhochschulreife<br />

Projektträger schulischer Teil: Niedersächsisches Kultusministerium<br />

Projektträger betrieblicher Teil: Volkswagen Coaching GmbH<br />

Wissenschaftliche Begleitung: Prof. Dr. Felix Rauner, ITB, Universität Bremen<br />

Finanzierung des Modellversuchs: B<strong>und</strong>esministerium für <strong>Bildung</strong> <strong>und</strong> Forschung,<br />

Niedersächsisches Kultusministerium,<br />

Hessisches Kultusministerium,<br />

Sächsisches Staatsministerium für Kultus,<br />

Volkswagen Coaching GmbH<br />

B<strong>und</strong>esländer: Niedersachsen (federführend),<br />

Hessen,<br />

Sachsen<br />

Förderungskennzeichen: (BLK) K 2022.00 + B<br />

(BIBB) D 2020.00 + B<br />

Laufzeit des Versuchs: 1.2.1999 — 31.1.2003<br />

(schulischer Teil)<br />

1.3.1999 — 28.2.2003<br />

(betrieblicher Teil)<br />

1.2.1999 — 31.1.2003<br />

(WB Schule)<br />

1.3.1999 — 28.2.2003<br />

(WB Betrieb)<br />

Projektleitung schulischer Teil: Peter Limpke<br />

NLI<br />

Keßlerstr. 52<br />

31134 Hildesheim<br />

Projektleitung betrieblicher Teil: Hans–Herbert Jagla<br />

Volkswagen Coaching Gesellschaft mbH<br />

38436 Wolfsburg<br />

8


Gemeinsamer Zwischenbericht MV GAB<br />

Wissenschaftliche Begleitung: Prof. Dr. Felix Rauner<br />

Universität Bremen<br />

ITB<br />

Wilhelm–Herbst–Str. 7<br />

28359 Bremen<br />

Fachliche Betreuung: Dr. Dorothea Schemme<br />

Hans Weißmann<br />

B<strong>und</strong>esinstitut für Berufsbildung<br />

Hermann–Ehlers–Str. 10<br />

53113 Bonn<br />

1. Trägerschaft<br />

Die Volkswagen Coaching GmbH (VW CG) ist Träger des Modellversuchs (betrieblicher<br />

Teil) an sechs Standorten:<br />

Braunschweig,<br />

Emden,<br />

Hannover,<br />

Kassel,<br />

Salzgitter,<br />

Wolfsburg<br />

sowie das VW <strong>Bildung</strong>sinstitut GmbH am Standort<br />

Zwickau.<br />

Die Trägerschaft für den schulischen Teil liegt federführend beim Land Niedersachen<br />

mit fünf schulischen Standorten:<br />

Braunschweig,<br />

Emden,<br />

Hannover,<br />

Salzgitter,<br />

Wolfsburg;<br />

Hessen ist mit dem Standort<br />

Kassel<br />

beteiligt <strong>und</strong> Sachsen mit dem Standort<br />

Zwickau.<br />

2. Größe der <strong>Bildung</strong>seinrichtung<br />

Volkswagen bildet jährlich ca. 4.200 Auszubildende aus (Bestandszahl jeweils zum Ausbildungsbeginn<br />

im Spätsommer).<br />

9


Gemeinsamer Zwischenbericht MV GAB<br />

3. Zahlenangaben zum Modellversuch<br />

3.1 Zahl der Auszubildenden<br />

In der ersten Phase des Modellversuchs (Ausbildungsjahrgang 1999/2000) waren über<br />

alle Standorte 434 Auszubildende beteiligt, seit dem Jahrgang 2000/2001 sind mehr als<br />

1.040 hinzugekommen.<br />

3.2 Zahl <strong>und</strong> Größe der Gruppen<br />

Die Auszubildenden werden in der betrieblichen Ausbildung zu Gruppen von 12 bis 14<br />

zusammengefasst, in der Berufsschule bilden sie Klassen von 20 bis 30 Schülern. Wenn<br />

möglich, werden »VW–Klassen« gebildet.<br />

3.3 Personaleinsatz<br />

Da der Modellversuch auf eine neue Organisation der Gesamtausbildung im Umfang<br />

von ca. 80 % der VW–Auszubildenden zielt, sind praktisch alle bislang an der Ausbildung<br />

Beteiligten in den Modellversuch einbezogen (vgl. Abschnitt 2.3, S. 35 ff.). Hier<br />

wird nur das zentral im Modellversuch tätige <strong>und</strong> insofern auch mitfinanzierte Personal<br />

aufgeführt (zur Projektorganisation vgl. auch Abschnitt 3.1, S. 57 ff.). Für die Berufsschulen<br />

gilt Vergleichbares, auch hier arbeiten sehr viel mehr Fachlehrer mit, als durch das<br />

Modellversuchsvorhaben gefördert werden.<br />

Berufe BIBB BLK ITB<br />

KT BT KT BT WB<br />

Industriemechaniker 2 4 2 4 1 (ITB)<br />

Industrieelektroniker 2 5 2 4 1 (BLK)<br />

Werkzeugmechaniker 5 3 2 3 1 (BIBB)<br />

Automobilmechaniker<br />

Mechatroniker<br />

1<br />

1<br />

2<br />

1<br />

1<br />

1<br />

2<br />

2<br />

1 (BIBB)<br />

Kaufmännische Berufe 1 3 1 3 1 (BIBB)<br />

Projektsteuerung* 2 1 1 (ITB)<br />

Sekretariat 0,5(BIBB)<br />

Summe 12 18 10 18 6,5<br />

Tabelle 1: Personaleinsatz im Rahmen des Modellversuchs GAB<br />

Legende: BIBB = Finanzierung BIBB–Modellversuch; BLK = Finanzierung BLK–Modellversuch<br />

ITB = Finanzierung Wissenschaftliche Begleitung<br />

KT = Kernteam BIBB: 100 % der Arbeitszeit<br />

BT = Begleitteam BIBB: 30 % der Arbeitszeit<br />

KT = Kernteam BLK: fünf WS Entlastung<br />

BT = Begleitteam BLK: drei WS Entlastung<br />

Klammerangaben bei ITB: Finanzierung<br />

* 80 % der Arbeitszeit bei ITB<br />

10


Gemeinsamer Zwischenbericht MV GAB<br />

1.2 Struktur des Modellversuchs<br />

1. Population<br />

Der Modellversuch erfasst die folgenden Berufe:<br />

— Industriemechaniker (FR Produktionstechnik),<br />

— Industrieelektroniker (FR Produktionstechnik),<br />

— Werkzeugmechaniker (FR Stanz– <strong>und</strong> Umformtechnik),<br />

— Automobilmechaniker (mit Kfz–Elektrik),<br />

— Mechatroniker <strong>und</strong><br />

— Kaufmännische Berufe<br />

Die Auszubildenden werden durch ein über alle Standorte einheitliches Assessment ausgewählt.<br />

Durchweg ist die Bewerberzahl höher als Ausbildungsplätze zur Verfügung stehen.<br />

Trotzdem sind alle regulären <strong>Bildung</strong>sabschlüsse vertreten, also vom qualifizierten<br />

Hauptschulabschluss bis zum Abitur. Ca. 70 % aller Auszubildenden haben die Sek<strong>und</strong>arstufe<br />

I mit der Fachoberschulreife abgeschlossen, sie bringen damit in der großen<br />

Mehrheit die Voraussetzungen mit, die optionale Fachhochschulreife zu erwerben. Insgesamt<br />

dürften aus der Sicht schulischer Abschlüsse die Eingangsvoraussetzungen auf einem<br />

überdurchschnittlichen Niveau liegen. Der Anteil weiblicher Auszubildender liegt<br />

im Mittel bei 25 %. Getrennt nach gewerblich–technischen <strong>und</strong> kaufmännischen Berufen<br />

sinkt der Anteil auf 17 % bzw. steigt auf 73 %.<br />

2. Organisation der Ausbildung<br />

Eine Differenzierung zwischen den Auszubildenden findet nicht statt, es werden also<br />

keine Lerngruppen gebildet, die aus besonders leistungsstarken bzw. leistungsschwachen<br />

Auszubildenden bestehen. Die in der industriellen Berufsausbildung üblichen Leistungsüberprüfungen<br />

wie z. B. die Zwischenprüfung finden statt.<br />

3. Besondere Fördermaßnahmen<br />

Über die unter 2. genannten Formen der Leistungskontrolle <strong>und</strong> –bewertung hinaus wird<br />

ein vom Modellversuch unabhängiges Instrument zur Entwicklung <strong>und</strong> Förderung von<br />

Auszubildenden eingesetzt: »EFA« (Entwicklung <strong>und</strong> Förderung von Auszubildenden).<br />

Es handelt sich dabei um ein standardisiertes Verfahren, das an markanten Ausbildungs–<br />

<strong>und</strong> Einsatzstellen die Entwicklung der Auszubildenden jeweils individuell erfasst. Individuelle<br />

Maßnahmen zur Förderung <strong>und</strong> Entwicklung werden vereinbart. Das Gesamtergebnis<br />

der Entwicklung mit einer daraus abgeleiteten Einsatzempfehlung wird dokumentiert.<br />

4. Personal des Modellversuchs<br />

Die Aufgaben im Modellversuch sind sowohl bei Ausbildern als auch bei Lehrern berufsbezogen<br />

aufgeteilt, innerhalb der Berufsgruppen werden gr<strong>und</strong>sätzlich vergleichbare<br />

Arbeiten geleistet (näheres vgl. Abschnitt 3.1, S. 57 ff.). Umfang <strong>und</strong> Art der Vorbereitung<br />

im betrieblichen Teil ergibt sich aus Kap. 2.3, S. 35 ff.<br />

11


Gemeinsamer Zwischenbericht MV GAB<br />

2 Curriculumentwicklung<br />

2.1 Ansätze <strong>und</strong> Aktivitäten in der Curriculumentwicklung<br />

2.1.1 Konzept der »Beruflichen Arbeitsaufgaben« innerhalb der<br />

Curriculumentwicklung<br />

Ausgangslage<br />

Im Zusammenhang mit der Lernfelddebatte wird die Forderung erhoben, das berufliche<br />

Handlungsfeld bei der Entwicklung von Ausbildungs– <strong>und</strong> Lehrplänen stärker zu berücksichtigen.<br />

Gefordert wird ein deutlicher Bezug der Ausbildung auf die betrieblichen<br />

Arbeits– <strong>und</strong> Geschäftsprozesse. Somit ergibt sich die Notwendigkeit, die konkrete Facharbeit<br />

empirisch zu erfassen, um sie als Ausgangspunkt für die Curriculumentwicklung<br />

nutzen zu können. Im Rahmen des Modellversuches sind zur Analyse der beruflichen<br />

Arbeit Experten–Facharbeiter–Workshops durchgeführt worden. Zentrales Ergebnis dieser<br />

Workshops ist die Bestimmung von beruflichen Arbeitsaufgaben (BAG) zur Beschreibung<br />

der aktuellen Facharbeit für ausgewählte Industrieberufe (siehe Anhang C1).<br />

Somit bildet im Modellversuch die konkrete Facharbeit den Bezugspunkt für die Bestimmung<br />

der Ziele <strong>und</strong> Inhalte der Ausbildung. Gelingt die Beschreibung der Facharbeit<br />

anhand von beruflichen Arbeitsaufgaben, ist zugleich das Leitziel der beruflichen<br />

Erstausbildung bestimmt, nämlich die selbständige Ausführung der beschriebenen Aufgaben.<br />

Daraus wird ersichtlich, dass die Innovation des Modellversuches auf eine Ausbildung<br />

zielt, die von der realen Facharbeit ausgeht <strong>und</strong> nicht umgekehrt von einem<br />

konstruierten Berufsbild, das zu einem Ausbildungsplan »heruntergebrochen« wird.<br />

Anhand der Voruntersuchungen zum Modellversuch kann nachgewiesen werden, dass<br />

sich eine an den Arbeits– <strong>und</strong> Geschäftsprozessen ausgerichtete Berufsausbildung in einigen<br />

wenigen Industrieberufen zusammenfassen lässt. Somit konnte im Modellversuch die<br />

Anzahl der Ausbildungsberufe von ursprünglich 17 auf vier gewerblich–technische reduziert<br />

werden: Industriemechaniker, Industrieelektroniker, Werkzeugmechaniker, Automobilmechaniker<br />

<strong>und</strong> die Gruppe der kaufmännischen Berufe (siehe Abb. 1, S. 13 — zu den<br />

genauen Berufsbezeichnungen mit Fachrichtungen vgl. hier <strong>und</strong> im Folgenden S. 11).<br />

Zusätzlich erfolgt am Standort Zwickau die Ausbildung zum Mechatroniker, der als Referenzberuf<br />

zur Ausbildung zum Industriemechaniker <strong>und</strong> Industrieelektroniker genutzt<br />

wird. Allen genannten Ausbildungsberufen ist die Orientierung an den Kriterien der modernen<br />

Beruflichkeit gemeinsam: die Betonung des Arbeitszusammenhanges, die Rücknahme<br />

der horizontalen Spezialisierung von Berufen, die Berücksichtigung des Lebenszyklusses<br />

eines Berufes <strong>und</strong> die Ausrichtung an offenen dynamischen Berufsbildern (vgl.<br />

RAUNER 2000, S. 339 ff.).<br />

12<br />

Betrieb<br />

Schule


Gemeinsamer Zwischenbericht MV GAB<br />

Abbildung 1: Konzentration auf den Kernprozess mit fünf industriellen Berufen<br />

Abgrenzung <strong>und</strong> Definition beruflicher Arbeitsaufgaben<br />

Berufliche Arbeitsaufgaben (BAG), im Sinne des Modellversuches, beschreiben die konkrete<br />

Facharbeit anhand von charakteristischen Aufgaben, die für den Beruf typisch sind<br />

<strong>und</strong> die eine vollständige Handlung umfassen. Mit dieser Arbeitsdefinition sind zwei<br />

Abgrenzungen erfolgt.<br />

Zum einen werden keine einzelnen Tätigkeiten oder Verrichtungen analysiert, um sie in<br />

ein Curriculum zu übertragen, beispielsweise das Feilen von Radien oder das Erstellen<br />

eines Diagramms, sondern Aufgaben im Sinne einer vollständigen Handlung, die einer<br />

ganzheitlichen Verlaufsstruktur folgen. Eine allgemeine Verlaufsstruktur einer beruflichen<br />

Arbeitsaufgabe beinhaltet die Bestimmung der konkreten Aufgabe, deren Planung <strong>und</strong><br />

Durchführung sowie die Kontrolle <strong>und</strong> Bewertung des Arbeitsergebnisses (vgl. RÖBEN<br />

2000, S. 111 ff.). Durch diese Betonung des Arbeitszusammenhanges bei der Formulierung<br />

von beruflichen Aufgaben kann neben dem objektiven Wissen auch das Arbeitsprozesswissen<br />

berücksichtigt werden.<br />

Die zweite Abgrenzung beinhaltet, dass mit den beruflichen Arbeitsaufgaben nicht ein<br />

didaktisch aufbereiteter Lernweg aufgezeigt wird, sondern zunächst nur das Ziel der Ausbildung,<br />

nämlich die eigenständige Bewältigung der genannten Aufgaben durch die Auszubildenden.<br />

Die Ausgestaltung der eigentlichen Lernsituationen erfolgt schließlich anhand<br />

von Lern– <strong>und</strong> Arbeitsaufgaben (vgl. Abschnitt 3.2).<br />

Die Untersuchung der Facharbeit <strong>und</strong> deren Beschreibung anhand von beruflichen Arbeitsaufgaben<br />

erfolgt nicht zweckfrei oder allein mit dem Ziel, eine Momentaufnahme<br />

der Facharbeit in ausgewählten Industrieberufen zu erstellen. Vielmehr stand die Absicht,<br />

auf der Basis von charakteristischen Arbeitsaufgaben Curricula zu entwickeln, im Mittelpunkt<br />

des Forschungsinteresses. Um diesem übergeordneten Ziel zu entsprechen, müssen<br />

bei der Formulierung der beruflichen Arbeitsaufgaben folgende Forderungen berücksich-<br />

13


Gemeinsamer Zwischenbericht MV GAB<br />

tigt werden:<br />

— Die Arbeitsaufgaben müssen den übergeordneten Zusammenhang des beruflichen<br />

Arbeitsprozesses beinhalten <strong>und</strong> auf ein eigenständiges Berufsprofil verweisen.<br />

— Eine berufliche Arbeitsaufgabe beschreibt immer eine vollständige Arbeitshandlung,<br />

die den Zusammenhang zwischen Planen, Ausführen <strong>und</strong> Bewerten betont.<br />

— Die Formulierung der beruflichen Arbeitsaufgaben bezieht ebenfalls die Inhalte <strong>und</strong><br />

Formen der Facharbeit mit ein.<br />

— Bei der Ausführung einer beruflichen Arbeitsaufgabe sind deren Sinn, Funktion <strong>und</strong><br />

Bedeutung im Kontext des übergeordneten betrieblichen Geschäftsprozesses erkennbar.<br />

— Jede berufliche Arbeitsaufgabe besitzt bei der Bearbeitung ein Gestaltungspotential,<br />

das der Facharbeiter nutzen kann.<br />

Identifikation <strong>und</strong> Beschreibung von beruflichen Arbeitsaufgaben<br />

Zur Identifikation <strong>und</strong> Beschreibung der charakteristischen beruflichen Arbeitsaufgaben<br />

wurden für alle genannten Industrieberufe des Modellversuches Workshops mit Experten<br />

der Facharbeit durchgeführt. Experten–Facharbeiter–Workshops sind ganztägige Veranstaltungen,<br />

die aus moderierten Gruppengesprächen, Kartenabfragen im Sinne der Moderationsmethode<br />

<strong>und</strong> einem Fragebogen bestehen. Der Ablauf der Workshops besteht<br />

im wesentlichen aus vier Schwerpunkten: der Vorstellung der Teilnehmer, um deren Berufsbiographien<br />

zu bestimmen, der Sammlung <strong>und</strong> Analyse der charakteristischen Arbeitsaufgaben,<br />

der Befragung zur Entwicklung vom beruflichen Anfänger zum Experten<br />

der Facharbeit sowie der Einschätzung der Auszubildenden <strong>und</strong> der aktuellen Ausbildung.<br />

Die Ergebnisse dieser Workshops wurden mit den Erkenntnissen aus den Untersuchungen<br />

von betrieblichen Arbeitsplätzen <strong>und</strong> den Befragungen von Führungskräften abgeglichen.<br />

Somit ist ein umfassendes Bild der aktuellen Facharbeit entstanden, das zugleich<br />

die Perspektive des betrieblichen Wandels der Facharbeit beinhaltet.<br />

In Anlehnung an das DACUM–Verfahren 1 wird bei dem Konzept der Experten–Facharbeiter–Workshops<br />

davon ausgegangen, »dass die Facharbeiter, die heute schon auf modernen<br />

Arbeitsplätzen arbeiten <strong>und</strong> ein hohes Maß an Verantwortung im Zuge der Reduzierung<br />

der tayloristischen Arbeitsteilung übernommen haben, die geeigneten Auskunftgeber<br />

sind, wenn es darum geht, sich ein Bild von den Arbeitsaufgaben zu machen,<br />

die in der Zukunft für einen großen Teil der beruflich tätigen Arbeitnehmer zum Arbeitsalltag<br />

gehören werden« (RÖBEN, 2000, S. 121).<br />

Die Kriterien für die Auswahl der Teilnehmer an den Experten–Facharbeiter–Workshops<br />

begründen sich im wesentlichen aus den Anforderungen, die an dieses Instrument der<br />

Qualifikationsforschung gestellt werden. Um die konkrete Facharbeit einschließlich des<br />

1DACUM: Developing a curriculum, Variante einer Aufgabenfunktionsanalyse als Instrument zur Curriculumentwicklung<br />

von R. E. NORTON<br />

14


Gemeinsamer Zwischenbericht MV GAB<br />

Arbeitsprozesswissens abbilden zu können <strong>und</strong> zugleich Hinweise auf die zukünftige<br />

Strukturierung der Ausbildung zu erhalten, sind als Kriterien die derzeitige Aufgabe <strong>und</strong><br />

der aktuelle Arbeitsplatz der Teilnehmer bestimmend. »Experten–Facharbeiter repräsentieren<br />

durch ihre berufliche Biographie, ihre berufliche Kompetenz <strong>und</strong> die aktuellen<br />

Arbeitsaufgaben einen in die Zukunft weisenden Arbeitszusammenhang, der sich in der<br />

Form eines offenen, dynamischen Berufsbildes — als berufsförmige Arbeit — organisieren<br />

lässt« (Bremer/Rauner/Röben 2000, Anhang C5). Daher sollten sie die Facharbeit, die<br />

der Gegenstand der Untersuchung ist, selbst ausführen <strong>und</strong> nicht hauptamtlich in der<br />

Ausbildung oder in der Arbeitsvorbereitung beschäftigt sein. Um ein gegenseitiges Abhängigkeitsverhältnis<br />

der Teilnehmer zu vermeiden, sollten zudem keine direkten Vorgesetzten<br />

zu den Workshops eingeladen werden.<br />

Um Experten der Facharbeit von Facharbeitern unterscheiden zu können, sollten neben<br />

der formalen Voraussetzung, d. h. der qualifizierten Tätigkeit im untersuchten Beruf,<br />

folgende Eigenschaften bzw. Merkmale erfüllt sein:<br />

— Die Experten der Facharbeit verfügen über hinreichende Berufserfahrungen.<br />

— Sie haben sich in ihrem Berufsfeld kontinuierlich weitergebildet.<br />

— Ihre Facharbeit steht in einem engen Kontext zu ihrer ursprünglichen Ausbildung.<br />

— Sie arbeiten an technologisch fortgeschrittenen Arbeitsplätzen.<br />

— Sie arbeiten in einer flexiblen Arbeitsorganisation.<br />

— Die Aufgaben ihrer Facharbeit sind komplex <strong>und</strong> erneuern sich ständig.<br />

— In ihrem Aufgabenbereich besitzen die Experten der Facharbeit weitreichende Gestaltungsmöglichkeiten.<br />

Außerdem müssen die Teilnehmer in der Lage sein, ihr Wissen über die Gegenstände,<br />

Werkzeuge, Methoden <strong>und</strong> Organisation der Facharbeit sowie der Ausbildung zu beschreiben<br />

<strong>und</strong> auszudrücken. Dies setzt das Prinzip der freiwilligen Teilnahme an den<br />

Workshops voraus.<br />

Berufliche Arbeitsaufgaben für die Curriculumentwicklung<br />

Ausgangspunkt für eine arbeits– <strong>und</strong> geschäftsprozessnahe Ausbildung ist die konkrete<br />

Facharbeit, die sich anhand von charakteristischen beruflichen Arbeitsaufgaben beschreiben<br />

lässt. Dabei bezieht sich die konkrete Facharbeit auf empirisch identifizierte Arbeitsprozesse,<br />

die somit immer kontextbezogen sein müssen. Für die Entwicklung von<br />

beruflichen Curricula ist es jedoch notwendig, die beruflichen Aufgaben unabhängig von<br />

dem Betrieb <strong>und</strong> den beteiligten Facharbeitern darzustellen. Hierfür wurde in einem Verfahren<br />

der Dekontextualisierung das empirische Material der Experten–Facharbeiter–<br />

Workshops ausgewertet <strong>und</strong> interpretiert.<br />

Arbeitsaufgabe: Mechanische Herstellung von Einzelteilen <strong>und</strong> Baugruppen<br />

Erläuterung:<br />

Die berufliche Arbeitsaufgabe umfasst die Fertigung von Einzelteilen <strong>und</strong> Baugruppen,<br />

die für die Herstellung, den Aufbau, den Betrieb oder die Reparatur von<br />

technischen Systemen erforderlich sind. Anhand von technischen Unterlagen<br />

15


Gemeinsamer Zwischenbericht MV GAB<br />

16<br />

müssen die Werkstücke durch die verschiedenen manuellen <strong>und</strong> maschinellen<br />

Fertigungsverfahren hergestellt <strong>und</strong> zu Baugruppen zusammengefügt werden.<br />

Die Anforderungen an das Einzelteil oder an die Baugruppe bezüglich der Funktionalität,<br />

der Qualität (Oberflächengüte, Maßabweichungen sowie Form– <strong>und</strong><br />

Lagetoleranzen) <strong>und</strong> der Kosten sind zu beachten <strong>und</strong> zu kontrollieren.<br />

Betroffene Geschäftsfelder <strong>und</strong> Schnittstellen:<br />

Produktion, mechanische Fertigung, Werkzeugbau<br />

Betriebsspezifik:<br />

Die Entscheidung, ob ein benötigtes Einzelteil oder eine Baugruppe als Eigenfertigung<br />

hergestellt wird oder eine Fremdvergabe des Auftrages erfolgt, ist von verschiedenen<br />

Faktoren abhängig, die zudem die unterschiedlichen Standortspezifika<br />

berücksichtigen müssen. Hierzu zählen unter anderem die verfügbaren<br />

Werkzeugmaschinen <strong>und</strong> die Auslastung der jeweiligen Werkstätten.<br />

Voraussetzungen:<br />

Die mechanische Herstellung von Einzelteilen <strong>und</strong> Baugruppen wird in der klassischen<br />

metalltechnischen Berufsausbildung als Gr<strong>und</strong>lehrgang durchgeführt.<br />

Bei einer geeigneten Auswahl verfügbarer Arbeitsaufträge hinsichtlich der Komplexität,<br />

des Umfanges <strong>und</strong> des Termindruckes ist diese berufliche Arbeitsaufgabe<br />

im besonderen Maße geeignet, den Auszubildenden ein Überblicks– <strong>und</strong> Orientierungswissen<br />

über die unterschiedlichen mechanischen Fertigungsverfahren<br />

zu geben.<br />

Bemerkung:<br />

Es gibt vielfältige Möglichkeiten Einzelteile <strong>und</strong> Baugruppen als Aufträge durch<br />

Auszubildende fertigen zu lassen. Hierbei ist jedoch der Lerngehalt des jeweiligen<br />

Auftrages zu überprüfen, damit die Erwirtschaftung eines hohen Deckungsbeitrages<br />

nicht zum entscheidenden Kriterium wird.<br />

Die mechanische Herstellung von Einzelteilen <strong>und</strong> Baugruppen steht in enger<br />

Verbindung mit der sechsten beruflichen Arbeitsaufgabe, Neuanfertigung eines<br />

defekten Bauteiles.<br />

Abbildung 2: Beispiel einer beruflichen Arbeitsaufgabe aus der Industriemechanik<br />

Ergebnis dieser Auswertung ist eine Liste von repräsentativen beruflichen Arbeitsaufgaben,<br />

die das jeweilige Berufsprofil der untersuchten Berufe enthält, sowie das zu deren<br />

Ausübung notwendige subjektive <strong>und</strong> objektive Wissen (siehe Anhang C1).<br />

Jede Beschreibung der beruflichen Arbeitsaufgaben besteht aus dem Titel, der Erläuterung,<br />

den betroffenen Geschäftsfeldern <strong>und</strong> Schnittstellen, der Betriebsspezifik, den Voraussetzungen<br />

sowie weiteren Bemerkungen. Die Erläuterung stellt den Inhalt der Arbeitsaufgabe<br />

mit seinen Gegenständen, Werkzeugen <strong>und</strong> Methoden als vollständige Handlung<br />

dar. Um eine Einordnung der Aufgabe in den Geschäftsprozess zu geben, werden


Gemeinsamer Zwischenbericht MV GAB<br />

die angrenzenden Geschäftsfelder bzw. die Schnittstellen zu weiteren Fachabteilungen<br />

benannt. Mit der Betriebsspezifik werden Hinweise zu betrieblichen Besonderheiten bei<br />

der Ausführung der jeweiligen Arbeitsaufgabe gegeben sowie mögliche Alternativen hierzu.<br />

Für die Strukturierung der beruflichen Arbeitsaufgaben werden zum einen Voraussetzungen<br />

benannt, die für das Erlernen der Aufgabe notwendig sind, <strong>und</strong> zum anderen,<br />

unter dem Stichpunkt »Bemerkungen«, die Verknüpfung zu den übrigen beruflichen Arbeitsaufgaben<br />

angedeutet (vgl. Abschnitt 2.1.1, S. 12 ff.). Die Abbildung 2 (S. 16) zeigt<br />

als Beispiel die berufliche Arbeitsaufgabe »Mechanische Herstellung von Einzelteilen <strong>und</strong><br />

Baugruppen« aus der Berufsgruppe der Industriemechaniker.<br />

Strukturierung der beruflichen Arbeitsaufgaben<br />

Neben der eigentlichen Identifizierung <strong>und</strong> Beschreibung der beruflichen Arbeitsaufgaben<br />

wurden im Rahmen der Workshops die Experten der Facharbeit zu Hinweisen für<br />

eine Gliederung der Aufgaben anhand einer sachlogischen Struktur befragt, die einen<br />

zeitlichen Ablauf der Ausbildung ermöglichen.<br />

Abbildung 3: Darstellung der vier Lernbereiche<br />

Die Gliederung der Ausbildungsinhalte in vier Lernbereiche (vgl. Abb. 3, S. 17) berücksichtigt<br />

die berufliche Entwicklung vom Anfänger zum Experten (vgl. Rauner, 1999,<br />

S. 424 ff.). Dabei wird von der Prämisse ausgegangen, dass die beruflichen Arbeitsaufgaben<br />

den Lernbereichen zugeordnet werden können, d. h. die Aufgaben können in eine<br />

17


Schule<br />

Gemeinsamer Zwischenbericht MV GAB<br />

verbindliche Reihenfolge der Ausbildung gebracht werden. Allein innerhalb eines Lernbereiches<br />

sind die beruflichen Arbeitsaufgaben austauschbar, da sie hier gleichwertige<br />

Anforderungen <strong>und</strong> Ziele verfolgen.<br />

Die Anforderungen, denen die beruflichen Arbeitsaufgaben innerhalb eines Lernbereiches<br />

genügen müssen, sind von den Konstrukteuren des Curriculumkonzeptes normativ<br />

bestimmt. Sie sollen den Lernweg der Auszubildenden unterstützen, indem sie an die<br />

Alltagserfahrungen anknüpfen <strong>und</strong> zunächst ein Orientierungswissen über den Beruf<br />

vermitteln. Auf dieser Gr<strong>und</strong>lage wird im weiteren Verlauf der Ausbildung ein Zusammenhangswissen<br />

sowie ein Detail– <strong>und</strong> Funktionswissen erworben, das den Übergang<br />

von systematischen zu problembehafteten situativen Arbeitsaufgaben beschreibt. Abschließend<br />

wird ein fachsystematisches Vertiefungswissen vermittelt, das die Bewältigung<br />

von nicht vorhersehbaren Arbeitsaufgaben einschließt.<br />

Für jeden Beruf sind die oben genannten Kriterien in Lernbereichsbeschreibungen überführt<br />

worden, die eine Einordnung der beruflichen Arbeitsaufgaben in die vier Lernbereiche<br />

ermöglicht haben (siehe Anhang C1a–c). Somit ist zugleich eine sachlogische<br />

Struktur der beruflichen Arbeitsaufgaben als Ausgangspunkt für die weitere Curriculumentwicklung<br />

entstanden.<br />

2.1.2 Weiterentwicklung des Lernfeldkonzepts<br />

Mit dem Beschluss der Kultusministerkonferenz von 1996 wurde das Lernfeldkonzept<br />

Gr<strong>und</strong>lage für die Erarbeitung von Rahmenlehrplänen (vgl. KMK 1999). Lernfelder stellen<br />

didaktisch begründete, für Lehr–Lernprozesse aufbereitete Handlungsfelder dar, die<br />

durch Zielformulierungen, Inhalte <strong>und</strong> Zeitrichtwerte beschrieben werden <strong>und</strong> an beruflichen<br />

Handlungsabläufen <strong>und</strong> Aufgabenstellungen orientiert sind.<br />

Die KMK–Vereinbarung »Handreichungen für die Erarbeitung von Rahmenlehrplänen<br />

der Kultusministerkonferenz für den berufsbezogenen Unterricht in der Berufsschule<br />

<strong>und</strong> ihre Abstimmung mit Ausbildungsordnungen des B<strong>und</strong>es für anerkannte Ausbildungsberufe«<br />

vom 05.02.1999 gibt folgende Richtung vor, in der anstehende Curricula<br />

zu entwickeln sind:<br />

1. »Allerdings ist es erforderlich, die gr<strong>und</strong>legenden sozialen <strong>und</strong> ökonomischen Veränderungen<br />

auch in der Berufsausbildung zu berücksichtigen. Hierzu zählen insbesondere<br />

der Abbau von Hierarchien in Unternehmen, die Orientierung der Arbeitsaufgaben<br />

an Dienstleistungsfunktionen, Vernetzung von Kommunikation <strong>und</strong> Informationen.«<br />

(KMK 1999, S. 3)<br />

2. »Eine auf Veränderung in der Qualifikationsanforderung ausgerichtete Pädagogik hat<br />

sich stärker an den Prozessen beruflicher Tätigkeiten zu orientieren. Damit werden die<br />

beruflichen Tätigkeitsfelder zu einer wesentlichen Bezugsebene des Berufsschulunterrichts.<br />

Die Rahmenlehrpläne der KMK folgen diesen Anforderungen, indem sie nach<br />

Lernfeldern strukturiert sind, die an Tätigkeitsfeldern des Berufs zu entwickeln sind<br />

<strong>und</strong> den spezifischen <strong>Bildung</strong>sauftrag der Berufsschule einschließen.« (KMK 1999,<br />

S. 4)<br />

18


Gemeinsamer Zwischenbericht MV GAB<br />

3. In den Vorbemerkungen zum Muster eines Rahmenlehrplans heißt es: »Die Berufsschule<br />

<strong>und</strong> die Ausbildungsbetriebe erfüllen in der dualen Berufsausbildung einen<br />

gemeinsamen <strong>Bildung</strong>sauftrag.« (KMK 1999, S. 8)<br />

4. Unter »Didaktische Gr<strong>und</strong>sätze« (die Bestandteil eines Rahmenlehrplans sind) heißt<br />

es: »Lernen in der Berufsschule vollzieht sich gr<strong>und</strong>sätzlich in Beziehung auf konkretes,<br />

berufliches Handeln sowie in vielfältigen gedanklichen Operationen, auch gedanklichem<br />

Nachvollziehen von Handlungen anderer. Dieses Lernen ist vor allem an die<br />

Reflexion der Vollzüge des Handelns (des Handlungsplans, des Ablaufs, der Ergebnisse)<br />

geb<strong>und</strong>en. Mit dieser gedanklichen Durchdringung beruflicher Arbeit werden die<br />

Voraussetzungen geschaffen für das Lernen in <strong>und</strong> aus der Arbeit. Dieses bedeutet für<br />

den Rahmenlehrplan, dass die Beschreibung der Ziele <strong>und</strong> die Auswahl der Inhalte<br />

berufsbezogen erfolgen.« (KMK 1999, S. 10)<br />

Im Lernfeldkonzept fungieren nicht mehr die traditionellen Fächer <strong>und</strong> die Fachsystematik,<br />

sondern Handlungssituationen <strong>und</strong> Handlungssystematik als Ordnungssystem des<br />

gesamten Lehrplans, d. h. die Fachstruktur wird unter die handlungslogische Struktur<br />

subsumiert.<br />

Das Prinzip der Anordnung der Unterrichtsinhalte in den Fächern gemäß der Systematik<br />

der Bezugswissenschaften zielte darauf ab, bei Aufbau <strong>und</strong> Anordnung, Vermittlung <strong>und</strong><br />

Aneignung, Verarbeitung <strong>und</strong> Auswertung des <strong>Bildung</strong>sgutes der Eigengesetzlichkeit <strong>und</strong><br />

der Struktur jedes Faches gerecht zu werden (vgl. Hansis/Lohre/Manfraß 2000). Fächer<br />

<strong>und</strong> Lehrgänge stehen in der berufsbildenden Schule für eine sachlogische Struktur der<br />

Unterrichtsinhalte <strong>und</strong> systematische Wissensvermittlung.<br />

Grenzen <strong>und</strong> Probleme eines fachsystematisch orientierten Unterrichts zeigen sich beispielsweise<br />

darin, dass sich komplexe berufliche Problemstellungen selten nach den Fächergrenzen<br />

richten <strong>und</strong> häufig kaum auf der Basis eines Faches zu bewältigen sind. Die<br />

tayloristische »Zerschneidung« der ökonomisch–technischen Wirklichkeit <strong>und</strong> die Aufspaltung<br />

komplexer Aufgabenstellungen auf einzelne Fächer stimmt nicht mit der Realität<br />

überein; es besteht die Gefahr, dass ein Lernen in Fächern die Lernenden nicht adäquat<br />

auf die Bewältigung beruflicher Handlungssituationen vorbereitet <strong>und</strong> das erworbene<br />

Wissen »träge« bleibt, d. h. in Handlungssituationen nicht aktiviert werden kann.<br />

In der Wirtschaftspädagogik wird das Lernfeldkonzept als curriculare Gr<strong>und</strong>lage für den<br />

berufsschulischen Unterricht in Korrespondenz zur sogenannten »konstruktivistischen<br />

Lernauffassung« kritisch diskutiert. Dies ist naheliegend, da das Wissenschaftsprinzip<br />

durch das Situationsprinzip ergänzt <strong>und</strong> der Anwendungs– <strong>und</strong> Praxisbezug als didaktische<br />

Leitlinie institutionalisiert wurden. Damit wird der konstruktivistischen Unterrichtsauffassung<br />

entsprochen, die das Primat der Konstruktion in dem Sinne kennzeichnet,<br />

dass die lehrerzentrierte Unterrichtsführung zurückgenommen wird <strong>und</strong> eine aktiv–konstruktive<br />

Lerngestaltung durch die Lernenden selbst in den Vordergr<strong>und</strong> tritt. »Es interessiert<br />

weniger das Problem, wie Wissen zu vermitteln ist, als vielmehr die Frage, wie Wissen<br />

konstruiert wird <strong>und</strong> in welcher Verbindung Wissen zum Handeln steht […]« (Reinmann–Rothmeier/Mandl<br />

1997, S. 366) Ausgangspunkt ist die Überlegung, Lernen in<br />

bedeutungshaltige (Problem–)Situationen einzubetten, weshalb auch von situierten Ler-<br />

19


Gemeinsamer Zwischenbericht MV GAB<br />

numgebungen gesprochen werden kann.<br />

Die »gemäßigten Konstruktivisten« gehen — ohne wirklich die Möglichkeit einer »Mäßigung«<br />

von Maturanas Theorie (1993) zu erörtern (vgl. etwa Fischer 1993) — davon aus,<br />

dass einzelne Lerngebiete mit authentischen Problemen, d. h. Problemstellungen, die der<br />

Lebens– <strong>und</strong> Berufswirklichkeit entspringen, eingeleitet werden (vgl. Dubs 2000, S. 17 f.).<br />

Demzufolge analysieren die Lernenden das Problem, erkennen ihre Lücken im Wissen<br />

<strong>und</strong> Können, versuchen diese im Rahmen der Bearbeitung der Problemstellung zu<br />

schließen, indem sie das neu zu erwerbende Wissen <strong>und</strong> Können weitgehend selbst konstruieren<br />

<strong>und</strong> entwickeln. Hierbei ist die Qualität der Auseinandersetzung mit den Lerninhalten<br />

entscheidend für die zu erwerbende Handlungskompetenz. Letztendlich folgt<br />

daraus, Lernumgebungen entsprechend so zu gestalten, dass sie den Lernenden weitgehende<br />

Möglichkeiten zur Selbststeuerung des Lernens gewähren. Das Ziel des Lehrens<br />

(im Sinne einer Lernunterstützung) besteht darin, dass Lernende letztlich Denken <strong>und</strong><br />

Handeln wie Experten.<br />

Für die Berufs– <strong>und</strong> Wirtschaftspädagogik liegt unabhängig von der jeweiligen wissenschaftstheoretischen<br />

Bezugnahme eine Konsequenz offen: Im Rahmen der Lernfeldkonzeption<br />

ist die Bestimmung <strong>und</strong> Abgrenzung von betrieblichen Handlungsfeldern zentrale<br />

Aufgabe der Curriculumentwicklung. Wobei die Arbeit an Curricula eine letztlich didaktische<br />

Intention befolgen muss. Handlungsfelder beinhalten berufsbedeutsame Handlungssituationen<br />

<strong>und</strong> -muster, zu deren Bewältigung Auszubildende befähigt werden sollen.<br />

Handlungsfelder im betrieblichen Bereich dienen aus Sicht der Curriculumentwickler<br />

<strong>und</strong> Lehrenden als Reflexionsgegenstand zur Gewinnung von Lernfeldern auf schulischer<br />

Ebene (vgl. Kremer/Sloane 2000a, S. 73). Die Differenz zwischen einem Handlungsfeld<br />

<strong>und</strong> einem Lernfeld ergibt sich aus dem <strong>Bildung</strong>sauftrag der berufsbildenden<br />

Schule <strong>und</strong> ihrer »Orientierung am Lebensraum der Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler« (Kremer/Sloane<br />

2000b, S. 171). Lernfelder sind gerade als Curriculumbausteine didaktisch<br />

aufbereitete, exemplarische berufliche Handlungssituationen bzw. Tätigkeitsfelder, wobei<br />

die Lernfelder nicht deckungsgleich mit Handlungsfeldern sind, sondern von den Spezifika<br />

in einem Ausbildungsbetrieb abstrahieren <strong>und</strong> entsprechend dem <strong>Bildung</strong>sauftrag<br />

der berufsbildenden Schule zu entwickeln sind.<br />

Eben hier zeichnen sich Probleme in der Umsetzung ab. Zwar wird schon mit dem jetzigen<br />

Stand der Diskussion folgendes deutlich: »Die Intensität, mit der das Lernfeldthema<br />

nicht nur diskutiert, sondern auch in der Curriculumentwicklung konkret bearbeitet<br />

wird, deutet darauf hin, dass es sich nicht um eines der pädagogischen Modethemen zu<br />

handeln scheint, die rasch aufgegriffen <strong>und</strong> ebenso rasch wieder entsorgt werden, um<br />

sich dem nächsten Modebegriff zuzuwenden« (Rauner 2001, vgl. Anhang C8, S. 1). Aber<br />

es ist auch zu sehen, dass ein beliebiges, ausformuliertes Lernfeld mit der ihm strukturell<br />

eignenden didaktischen Intentionalität ein real existierendes Handlungsfeld ja nur abstrakt<br />

zum Gegenstand wählen kann, dass der Bezug darauf im Unterricht also selbst<br />

noch herzustellen ist. So ergibt sich zum jetzigen Zeitpunkt die wichtige Frage, wie die ja<br />

gerade im Sinne des »gemäßigten Konstruktivismus« ausschlaggebende Verknüpfung des<br />

curricular geplanten Elements beruflicher Realität mit dieser selbst gelingen kann.<br />

Letztendlich lassen sich die Ziele der KMK–Vereinbarung curricular im Prinzip nur da-<br />

20


Gemeinsamer Zwischenbericht MV GAB<br />

durch erreichen, dass die Lernfelder in Breite <strong>und</strong> Tiefe einen Beruf erfassen, d. h. von<br />

seinen Inhalten, Methoden <strong>und</strong> — besonders unter dem Kriterium Prozessbezogenheit —<br />

seiner Organisation als Facharbeit ausgehen. Nimmt man noch das Kooperationspostulat<br />

hinzu (»gemeinsamer <strong>Bildung</strong>sauftrag«, vgl. die KMK–Vereinbarung 1999 <strong>und</strong> oben,<br />

S. 19), ergibt sich als Konsequenz: Ein Curriculum moderner Facharbeit hat sich notwendigerweise<br />

auf die betriebliche Arbeit, ihre Prozesse <strong>und</strong> Kontexte zu beziehen. Der<br />

Berufsbezug des schulischen Lernens kann nicht schon dadurch entstehen, dass die Curricula<br />

der Berufsschule mit den Ausbildungsrahmenplänen der Betriebe einfach abgestimmt<br />

werden. Notwendig ist der Bezug beider Lernorte auf ein gemeinsames Drittes,<br />

die betrieblichen Geschäfts– <strong>und</strong> Arbeitsprozesse.<br />

Es versteht sich von selbst, dass Arbeits– <strong>und</strong> Geschäftsprozesse nicht als unmittelbarer<br />

Gegenstand von Ausbildung <strong>und</strong> Unterricht genommen werden können. Arbeitsprozesse<br />

als Elemente von Geschäftsprozessen folgen sowohl eigenen Regeln als sie auch vom<br />

Geschäftsprozess definiert werden — davon rührt ihre Komplexität: Jeder Arbeitsprozess<br />

steht im Kontext eines Geschäftsprozesses <strong>und</strong> jeder Geschäftsprozess sitzt auf Bedingungen<br />

auf, die durch Arbeitsprozesse entstehen. Demgegenüber bleibt jede Berufsbildung<br />

unterkomplex, der es herkömmlich um die Vermittlung von »Fertigkeiten <strong>und</strong><br />

Kenntnissen« ohne Rücksicht auf den Kontext von Arbeitsplatz, Arbeitsplätzen <strong>und</strong> Betrieb<br />

bzw. Unternehmen geht. Die immer auch rekursive Wirkung des Geschäftsprozesses<br />

auf die einzelnen Arbeitsplätze fällt durch jede Matrix hindurch, anhand derer versucht<br />

wird, Qualifikationselemente eines Berufs zu finden. Das gilt nicht nur, weil die Geschäftsprozesse<br />

stark betriebsindividuell geprägt sind, sondern es geht gr<strong>und</strong>sätzlich<br />

nicht.<br />

Ein Beispiel aus dem »Entwurf des Ausbildungsrahmenplans »Konfektionsberufe« (Stand<br />

5.04.00): Dort steht unter der laufenden Nummer 7 das Lernfeld »Qualitätsmanagement«<br />

als »zu vermittelnde Fertigkeiten <strong>und</strong> Kenntnisse« <strong>und</strong> unter Punkt f) »unterschiedliche<br />

Kommunikationsformen <strong>und</strong> –mittel sowie Konfliktlösungsmöglichkeiten einsetzen«.<br />

Zweifellos handelt es sich hier um einen Baustein von Vorgängen, bei denen ein Mitarbeiter<br />

im Sinne der Qualitätssicherung etwas vorschlägt, augenscheinlich sogar etwas, das<br />

zu Konflikten führt. Aus diesen Konflikten soll der betreffende Mitarbeiter erfolgreich<br />

hervorgehen, um der Qualität der betrieblichen Fertigung oder Dienstleistung zu nutzen.<br />

In diesem Ausbildungsrahmenplan wird eine Anforderung gestellt, die im Prinzip nichts<br />

mit dem Beruf zu tun hat, die korrespondierende Kompetenz kann auch woanders erworben<br />

werden als in der betrieblichen Ausbildung. Entscheidend ist, dass es auf die<br />

zitierte Weise nicht gelingen kann, Aspekte der Berufsfähigkeit in Curricula einzubauen.<br />

Im »Kommunizieren«, dazu noch in Konflikten, lässt sich nicht nach der Art unterweisen<br />

wie im »Feilen«, »Drehen« oder »Kontieren«. Hinter dem Problem: »Wie kann man<br />

solche Kompetenzen als curricularen Inhalt benennen? Was ist das eigentlich?« verbirgt<br />

sich das weitere Problem: »Wie kann das jemandem beigebracht werden?« Die Antwort<br />

auf die Frage muss im Curriculum beachtet werden, damit im Unterricht der Punkt auch<br />

gebührend berücksichtigt wird.<br />

Wie bereits gesagt, was bisher fehlt, ist der Bezug beider Lernorte auf ein gemeinsames<br />

Drittes, die betrieblichen Geschäfts– <strong>und</strong> Arbeitsprozesse. Der bloße Bezug aufeinander,<br />

21


Gemeinsamer Zwischenbericht MV GAB<br />

also die gegenseitige Bezugnahme von betrieblicher Ausbildung <strong>und</strong> Schule, reicht nicht,<br />

um das Kooperationspostulat zu erfüllen, das hinter dem geforderten »Berufsbezug der<br />

Lernfelder« steckt.<br />

Die als »gemeinsames Drittes« bezeichnete Referenz zielt auf die in Frage stehenden »Arbeits–<br />

<strong>und</strong> Geschäftsprozesse«, die weder in der Lehrwerkstatt noch in der Berufsschule<br />

unmittelbar vorliegen. Die Frage muss also in Richtung auf Ausbildungsorganisation hin<br />

beantwortet werden. So gilt auch, dass Rahmenlehrpläne der konkreten Unterrichtsgestaltung<br />

nicht vorgreifen dürfen. Das Curriculum muss vielmehr — <strong>und</strong> dabei möglichst<br />

genau — die Inhalte des durch es angeleiteten Unterrichts benennen <strong>und</strong> deren — auch<br />

zeitliche — Gliederung vorgeben.<br />

Somit muss ein berufliches Curriculum zwei Anforderungen beantworten: Eine hinreichend<br />

berufsbezogene Differenzierung der Inhalte <strong>und</strong> deren Gliederung über die gesamte<br />

Ausbildungsdauer. Wenn nun — wie schon gesagt — gilt, dass Arbeits– <strong>und</strong> Geschäftsprozesse<br />

nicht umstandslos zum Gegenstand des Unterrichts gemacht werden können,<br />

dann wird der »Berufsbezug« des Curriculums, verstanden als Ausdruck der charakteristischen<br />

Arbeits– <strong>und</strong> Geschäftsprozesse, zum eigentlichen Problem der Curriculumentwicklung.<br />

Durch umfangreiche Untersuchungen hat die wissenschaftliche Begleitung herausgef<strong>und</strong>en,<br />

dass zu jedem Beruf sowohl eher einfache als auch schwierige Aufgaben zählen. Es<br />

bietet sich also an, die beruflichen Aufgaben nicht nur in ihrer Breite anzugeben, sondern<br />

auch in der Reihenfolge, in der ihre Schwierigkeit zunimmt. Demnach gibt es zu<br />

Beginn einer so geordneten Ausbildung die vergleichsweise einfacheren Aufgaben <strong>und</strong><br />

zum Ende die schwierigeren. Damit lassen sich die beiden Kriterien, Differenzierung <strong>und</strong><br />

zeitliche Gliederung, leicht erfüllen.<br />

Als großer Vorteil hat sich nun herausgestellt, dass in beiden Dimensionen — Breite <strong>und</strong><br />

Tiefe — des Berufs wegen des Prinzips der Beschreibung nach Arbeitsaufgaben immer der<br />

Bezug zu den kontextgeb<strong>und</strong>enen Arbeits– <strong>und</strong> Geschäftsprozessen vorliegt. Damit sind<br />

diese durchgängig Bestandteil des Curriculums <strong>und</strong> zwar gänzlich unabhängig von speziellen<br />

didaktischen Arrangements, die nicht in einem Rahmenlehrplan gehören. Der entsprechende<br />

prozessbezogene Kontext ist jeweils auch der Kontext, in dem die beruflichen<br />

Arbeitsaufgaben selbst stehen. Anders gesagt, der Wirklichkeitsbezug der beruflichen<br />

Arbeitsaufgaben entsteht nicht aus isolierten »Fertigkeiten <strong>und</strong> Kenntnissen«, die<br />

nur höchst vermittelt mit der Berufsarbeit zu tun haben, sondern aus dem starken Bezug<br />

zur Berufsarbeit <strong>und</strong> deren Einbettung in typische Geschäftsprozesse.<br />

Um einem Missverständnis zu begegnen: Gegen die vorgestellte Methode ließe sich einwenden,<br />

sie führe letztlich nur zur Abbildung vorhandener Arbeitsprozesse, wie sie sind.<br />

Aus zwei Gründen wäre das falsch. 1. gibt es eine methodisch–konzeptionelle Sicherung<br />

im Verfahren selbst <strong>und</strong> 2. hat der daraus entstehende Plan eine zusätzliche Dimension,<br />

die gezielte Gestaltungsmöglichkeiten ausdrücklich vorsieht.<br />

1. Der empirische Charakter, auf den es bei der Beschreibung der typischen beruflichen<br />

Arbeitsaufgaben ankommt, ist ein zwar ganz wesentlicher, aber nicht der einzige<br />

Aspekt. Bei der Erhebung dieser Aufgaben wurden diejenigen befragt, die als Profes-<br />

22


Gemeinsamer Zwischenbericht MV GAB<br />

sionelle diese Aufgaben bewältigen. Sie haben auch Auskunft über den Prozesscharakter<br />

ihrer Arbeit <strong>und</strong> Hinweise auf die Bewältigung des Wandels ihrer Arbeit gegeben.<br />

Wir haben also nicht statische, sondern dynamische Zustände der Berufsarbeit beschrieben.<br />

Dies allein reicht natürlich nicht, einen »konservativen« Ausschlag der Beschreibung<br />

zu vermeiden. Daher werden auch Ziele betrieblicher <strong>und</strong> schulischer Berufsbildung<br />

definiert:<br />

Die beruflichen<br />

Arbeitsaufgaben<br />

Gegenstand der<br />

(Fach-)Arbeit<br />

Werkzeuge,<br />

Methoden <strong>und</strong><br />

Organisation<br />

der Facharbeit<br />

Anforderungen<br />

an (Fach-)Arbeit<br />

<strong>und</strong> <strong>Technik</strong><br />

Ziele schulischer<br />

<strong>und</strong> betrieblicher<br />

Berufsbildung<br />

Abbildung 4: Zusammenhang »Beruflicher Arbeitsaufgaben« mit normativen Zielen der <strong>Bildung</strong> <strong>und</strong><br />

Ausbildung<br />

2. Die Beschreibung der beruflichen Arbeitsaufgaben <strong>und</strong> Ausdifferenzierung reicht allein<br />

nicht für die Curriculumentwicklung. Die zusätzliche Definition einer Gestaltungsdimension<br />

ist in paritätischer Rolle vorgesehen.<br />

Die charakteristischen beruflichen Arbeitsaufgaben sind jeweils für sich nach den drei<br />

Dimensionen »Gegenstand…«, »Werkzeuge…« <strong>und</strong> »Anforderungen…« differenziert. Daraus<br />

entsteht nicht nur ein genaueres Bild des Berufs für die Ausbildung im Sinne einer<br />

Übersicht über komplexe Elemente <strong>und</strong> ihren Zusammenhang, es ergeben sich darüber<br />

hinaus Ansatzpunkte für eine der Lernortspezifik gerecht werdende Deklination der drei<br />

Dimensionen.<br />

Insbesondere die Dimensionen »Werkzeuge, Methoden <strong>und</strong> Organisation« <strong>und</strong> die »Anforderungen<br />

an Facharbeit <strong>und</strong> <strong>Technik</strong>« laden geradezu dazu ein, die Betriebsspezifik<br />

der »Gegenstände der Facharbeit« in der Schule zu überschreiten. Die duale Kooperation<br />

kann auf diese Weise eine besondere Stärke entfalten, denn die Arbeits– <strong>und</strong> Geschäftsprozesse<br />

sind einerseits in empirischer Qualität für den Unterricht erschlossen, andererseits<br />

können sie unter der Frage »Warum sind sie so <strong>und</strong> nicht anders?« bzw. »Wie könnten<br />

sie andere sein?« zum Gegenstand gerade in der Schule gemacht werden. Fragen der<br />

Arbeitsorganisation, der Personalentwicklung, der K<strong>und</strong>enbeziehungen etc. finden also<br />

ihre Basis in der betrieblichen Realität, die Schule ist aber auch der Ort, darauf eine —<br />

bis hin zur Kritik — Beziehung im Lernprozess herzustellen. Es kann also gar keine Rede<br />

davon sein, dass nach diesem Modell nur eine unilineare »Abbildung« der Arbeits– <strong>und</strong><br />

Geschäftsprozesse möglich wäre.<br />

Der Ausgang von »Beruflichen Arbeitsaufgaben« einerseits <strong>und</strong> dem hier erläuterten Differenzierungsschema<br />

andererseits löst gleichsam nebenbei das schon erwähnte Problem<br />

der Harmonisierung von fachlichen Strukturen <strong>und</strong> inhaltlicher Organisation der Lernfelder<br />

(vgl. oben S. 19 f.). Dass Lernfelder nur sinnvoll sind, wenn sie statt auf berufliche<br />

23


Gemeinsamer Zwischenbericht MV GAB<br />

Fächer, auf Geschäfts– <strong>und</strong> Arbeitsprozesse bezogen werden, liegt auf der Hand: Der<br />

»Arbeitsprozess« ist kein Schulfach, die Arbeit selbst gehorcht einer anderen Systematik<br />

als ein Schulfach. Die Aussage der KMK, dass die Ordnung der Inhalte von Lernfeldern<br />

einer »Sachlogik« folgen soll, ist zu unbestimmt <strong>und</strong> lädt zu Missverständnissen ein,<br />

wenn »Sachlogik« mit »Fachsystematik« gleichgesetzt wird. Dann wird eine didaktische<br />

Ordnung der Inhalte als »Logik der Sache« ausgegeben. Mit einer didaktischen Ordnung<br />

ließe sich der »Berufsbezug« des Lernens aber nicht sichern, die inhaltliche Ordnung<br />

hätte im Gegenteil nur einen »Lernbezug«.<br />

Wenn die KMK mit »Sachlogik« nicht »Fachsystematik« gemeint hat, muss die »Logik<br />

der Sachen« in einem Beruf gef<strong>und</strong>en werden. Hier entsteht eine neue Schwierigkeit,<br />

nämlich die Suche nach Berufen, die einer »Sache« zuzuordnen sind, die dazu auch<br />

noch »logisch« aufgebaut ist, wie beim Hausbau, der mit dem F<strong>und</strong>ament oder Keller<br />

beginnt, mit dem Dach noch nicht endet, weil Maler <strong>und</strong> Lackierer, Elektriker <strong>und</strong> andere<br />

das Haus noch bewohnbar machen müssen. Industrielle Berufe <strong>und</strong> solche im<br />

Dienstleistungssektor weisen ein vergleichbares Kriterium nicht auf, selbst dann nicht,<br />

wenn die Arbeitsteilung insgesamt, etwa wegen Dezentralisierung, zurückgenommen <strong>und</strong><br />

die Entscheidungsstrukturen damit flacher werden. Was könnte dann aber eine »Sachlogik«<br />

sein, die dazu auf alle Berufe passt?<br />

Die Antwort ergibt sich aus dem Konzept der »Beruflichen Arbeitsaufgaben«. Unter Beachtung<br />

gewisser Regeln bei der Kategorienbildung (vgl. oben, S. 14), insbesondere bei<br />

der Festlegung des Abstraktionsniveaus, entstehen bei der in diesem Sinne »sachlichen«<br />

Beschreibung des Berufs etwa 14 bis 16 Aufgaben. Wesentlich mehr wären es bei der<br />

Anwendung von Kategorien, die ausschließlich (zergliederte) Tätigkeiten bezeichnen,<br />

praktisch nur noch eine Aufgabe käme heraus, wenn das Abstraktionsniveau so hoch<br />

ansetzte, dass nur noch z. B. »Hausbau« herauskäme. Damit würde aber die »Sache«<br />

nicht mehr aufgeschlüsselt, wie diese umgekehrt hinter zahllosen Verrichtungen verschwände,<br />

wenn ein zergliederndes, statt eines über den Beruf integrierenden Musters<br />

verwandt würde.<br />

Die wissenschaftliche Begleitung hat nun festgestellt, dass eine Aufschlüsselung von<br />

Lernfeldern, die durch »Berufliche Arbeitsaufgaben« differenziert sind, nach Inhalten<br />

immer dann leicht fällt, wenn das »richtige« Abstraktionsniveau getroffen wurde. Betont<br />

sei noch, dass die Ermittlung der »Beruflichen Arbeitsaufgaben« vollkommen unabhängig<br />

von der Arbeit an Lernfeldern geschah, zeitlich ging das eine dem anderen weit voraus.<br />

Ist aber einmal gelungen, einen konkreten Beruf vollständig in Tiefe <strong>und</strong> Breite<br />

durch »Berufliche Arbeitsaufgaben« zu beschreiben, dann fällt es leicht, diese nach den<br />

drei Kriterien »Werkzeuge…«, »Methoden…« <strong>und</strong> »Anforderungen…« zu beschreiben. Der<br />

Gr<strong>und</strong> liegt auf der Hand: Die »Beruflichen Arbeitsaufgaben« entfalten für sich jeweils<br />

eine sachlogische Strukturierung, sie zeichnen sich für den, der die Facharbeit kennt,<br />

durch einen immanenten Sinn aus, den sie im Kontext eben der Facharbeit haben —<br />

sonst würde die Arbeit anders organisiert. Entlang dieser sinnvollen Struktur, die unmittelbar<br />

aus dem jeweiligen Beruf erwächst, kann über die gesamte Ausbildung, also über<br />

alle Lernfelder, der angestrebte Berufsbezug in dem Maße sichergestellt werden, in dem<br />

die Ausdifferenzierung der Inhalte sachlogisch erfolgt. Dies gibt wiederum ein nach »Be-<br />

24


Gemeinsamer Zwischenbericht MV GAB<br />

ruflichen Arbeitsaufgaben« aufgeschlüsselter Beruf vor. Zu einem Widerspruch zwischen<br />

»Sachlogik« <strong>und</strong> »Berufsbezug« kann es daher gar nicht kommen.<br />

Der Lernort Schule kann seiner Rolle als gleichberechtigter Partner in der dualen Ausbildung<br />

nur dadurch gerecht werden, dass er seinen Teil zur Vermittlung der Berufsfähigkeit<br />

beiträgt. Diese ihrerseits bestimmt sich aus der Beherrschung von »Arbeits– <strong>und</strong> Geschäftsprozessen«.<br />

Die KMK–Forderung, dass die schulische Berufsbildung sich an diesen<br />

»Arbeits– <strong>und</strong> Geschäftsprozessen« orientieren soll, führt zwangsläufig dazu, dass sich der<br />

schulische <strong>Bildung</strong>sanspruch auf jene »Berufsfähigkeit« erstreckt <strong>und</strong> damit über die alten<br />

»Fertigkeiten« <strong>und</strong> »Kenntnisse« hinaus reicht. Der Bezug auf »Arbeits– <strong>und</strong> Geschäftsprozesse«<br />

bedeutet nicht eine Ergänzung des traditionellen Inventars an Inhalten<br />

<strong>und</strong> Methoden, sondern markiert eine qualitative Aufwertung des schulischen Lernorts.<br />

Dazu sind mit dem Lernfeldkonzept die notwendigen Voraussetzungen geschaffen worden.<br />

Die Arbeitsweise der Curriculumentwicklung im Modellversuch koinzidiert mit den Intentionen<br />

dieses Konzepts. Seine Realisierung ist damit jedoch noch nicht gewährleistet.<br />

Zum einen sind die »Beruflichen Arbeitsaufgaben« ohne Mitwirkung von Lehrern erhoben<br />

worden, die nun kooperativ in der Curriculumentwicklung tätig sind, zum anderen<br />

hilft bei aller erstrebenswerten Prägnanz der Aufgabenformulierungen die Papierlage sozusagen<br />

nicht weiter. Die curriculumstrukturierende Charakteristik des Differenzierungsschemas,<br />

also die Hilfe bei der sachlogischen Entfaltung des jeweiligen Berufs, kann<br />

nicht erfahrungsungeb<strong>und</strong>en geleistet werden. Wenn die identifizierten »Beruflichen Arbeitsaufgaben«<br />

sozusagen abstrakt den Gegenstand eines Lernfeldes liefern, dann bedarf<br />

es bei dessen Ausformulierung umso mehr der Kenntnis der Facharbeit. Dazu hat die<br />

wissenschaftliche Begleitung im Modellversuch folgendes Instrument entwickelt <strong>und</strong> erprobt.<br />

2.1.3 Das Instrument »BAG–Erleben«<br />

Als ein Hilfsmittel zur Unterstützung der dual–kooperativen Curriculumentwicklung<br />

wurde von der wissenschaftlichen Begleitung das Instrument »BAG–Erleben« entwickelt,<br />

wobei »BAG« für »Berufliche Arbeitsaufgabe« steht. Die nachfolgende Darstellung konzentriert<br />

sich auf die Zielsetzung der Lernfeldentwicklung, die jedoch nur eine Dimension<br />

darstellt, die mit dem Instrument unterstützt werden kann (weitere Ziele siehe Abschnitt<br />

2.1.2, S. 18 ff.). Ausgangspunkt der Entwicklung des Konzeptes waren Probleme,<br />

die Ausbilder <strong>und</strong> Berufsschullehrer damit hatten, die für jeden Ausbildungsberuf bereits<br />

vorliegenden beruflichen Arbeitsaufgaben in die Curriculumentwicklung einzubringen.<br />

Der plakative Titel »BAG–Erleben«, könnte den Schluss nahe legen, dass es erst eines<br />

Instrumentes bedurfte, welches erfahrenen Ausbildern <strong>und</strong> Lehrern in der großindustriellen<br />

Berufsausbildung einen Weg aufzeigt, wie sie Facharbeit, für die sie ausbilden, »erleben«<br />

können. Zutreffend ist hier, dass die meisten am Modellversuch beteiligten Berufsschullehrer<br />

<strong>und</strong> Ausbilder zuvor noch keine Erfahrung in der Curriculumentwicklung<br />

gesammelt hatten. Gerade für die Curriculumentwicklung, innerhalb derer Lernfelder zu<br />

konzipieren sind, sind detaillierte Kenntnisse über Gegenstände, Werkzeuge, Methoden<br />

25<br />

Betrieb<br />

Schule


Gemeinsamer Zwischenbericht MV GAB<br />

<strong>und</strong> Organisationsformen der aktuellen Facharbeit notwendig. Der Begriff »BAG–Erleben«<br />

wurde durch den Teilnehmerkreis selbst geprägt, wodurch verdeutlicht wird, dass<br />

einige Berufsschullehrer <strong>und</strong> Ausbilder die Durchführung als Exkursion in teilweise<br />

fremd gewordene Welten empfanden. Hier liegt die Vermutung nahe, dass durch die oft<br />

langjährigen Tätigkeiten an den Lernorten Schule <strong>und</strong> Ausbildungswerkstatt eine Entfremdung<br />

der Akteure von der betrieblichen Realität, in der letztendlich die Facharbeit<br />

geleistet wird, eingetreten ist.<br />

Beiträge aus »BAG–Erleben« für die Ausformulierung von Lernfeldern<br />

Die einzelnen Lernfelder in den Entwurfsfassungen der Berufsbildungspläne beziehen<br />

sich auf je eine berufliche Arbeitsaufgabe <strong>und</strong> entsprechen strukturell den Richtlinien der<br />

Handreichungen für die Erarbeitung von Rahmenlehrplänen der Kultusministerkonferenz<br />

(KMK 1999). Das Instrument »BAG–Erleben« kann Beiträge zur Ausformulierung<br />

folgender Gliederungselemente der einzelnen Lernfelder im Berufsbildungsplan (zur<br />

Struktur siehe Abschnitt 2.3.1, S. 35 ff.) beisteuern:<br />

— Beschreibung des beruflichen Handlungsfeldes<br />

— Identifizierung der Arbeits- <strong>und</strong> Lerninhalte (Gegenstände der Facharbeit/ Werkzeuge,<br />

Methoden <strong>und</strong> Organisation/ Anforderungen an Facharbeit <strong>und</strong> <strong>Technik</strong>).<br />

Beschreibung des beruflichen Handlungsfeldes<br />

Das berufliche Handlungsfeld beschreibt die berufliche Arbeitsaufgabe im Kontext der<br />

Arbeitsprozesse. Erst diese Einbindung der Arbeitsaufgabe in typische Arbeitsprozesse<br />

ermöglicht die Ermittlung solcher Lernfeldinhalte, die für eine gestaltungsorientierte Berufsbildung<br />

relevant sind. Die Beschreibung des beruflichen Handlungsfeldes beantwortet<br />

zwei Leitfragen:<br />

— Was wird durch die berufliche Arbeitsaufgabe erledigt?<br />

— Wie wird die berufliche Arbeitsaufgabe ausgeführt?<br />

Neben den Beschreibungen der beruflichen Handlungsfelder, die im Rahmen der Ermittlung<br />

der beruflichen Arbeitsaufgaben erfolgten, fließen auch Erkenntnisse aus »BAG–<br />

Erleben« in die Formulierungen ein. Dies gilt vor allem für die Präzisierung der<br />

konkreten Einbindung in typische Arbeitsprozesse.<br />

Identifizierung der Arbeits- <strong>und</strong> Lerninhalte<br />

Bei der Identifizierung der Arbeits– <strong>und</strong> Lerninhalte für die Gestaltung von Lernfeldern<br />

geht es um die Ausformulierung des Zusammenhanges von Arbeiten <strong>und</strong> Lernen bzw.<br />

um die Formulierung von geschäfts– <strong>und</strong> arbeitsprozessbezogenen Lehrinhalten. Bei der<br />

Aufschlüsselung der Arbeits– <strong>und</strong> Lehrinhalte wird differenziert nach:<br />

— dem Gegenstand der Facharbeit,<br />

— den Werkzeugen, Methoden <strong>und</strong> der Organisation der Facharbeit <strong>und</strong><br />

— den Anforderungen an die Facharbeit <strong>und</strong> deren Arbeitsgegenstand.<br />

Bei der Identifizierung <strong>und</strong> Formulierung der jeweiligen Inhalte wird einerseits Bezug<br />

genommen auf die beruflichen Arbeitsaufgaben sowie zugleich auf die übergeordneten<br />

26


Gemeinsamer Zwischenbericht MV GAB<br />

<strong>Bildung</strong>s– <strong>und</strong> Qualifizierungsziele, die für die vier Lernbereiche formuliert wurden (vgl.<br />

Abschnitt 2.3.2, S. 35 ff.).<br />

Gegenstand der Facharbeit<br />

Bei der Beschreibung des Gegenstandes der Facharbeit werden der Arbeitskontext <strong>und</strong><br />

der Arbeitsprozess berücksichtigt. Es geht also um den Gegenstand der Arbeit im Arbeitsprozess.<br />

So unterscheidet sich der Arbeitsprozess des Anlagenführers erheblich von<br />

dem des Instandhalters, obwohl beide Arbeitsprozesse dieselbe Werkzeugmaschine zum<br />

Arbeitsgegenstand haben. Die Arbeit des Anlagenführers setzt das störungsfreie Funktionieren<br />

der Anlage voraus, <strong>und</strong> er muss üblicherweise nur wenig von ihrer inneren Konstruktion<br />

<strong>und</strong> den Details ihres Funktionierens verstehen. Der Instandhalter dagegen<br />

muss die Ursache für einen Defekt der Anlage ermitteln <strong>und</strong> ist daher auf das detaillierte<br />

Wissen über den ungestörten Funktionsablauf verwiesen, um durch den Vergleich mit<br />

dem gestörten Zustand Hinweise auf mögliche Ursachen zu ermitteln. Der Arbeitsgegenstand<br />

wird als Moment des Arbeitsprozesses betrachtet. Als solcher verweist er sowohl<br />

auf die Sache in ihrer eigentlichen Bestimmung (hier die Werkzeugmaschine in ihrer<br />

ganzen Komplexität) als auch auf die Funktion für den Arbeitsprozess. Die technische<br />

Realisierung einer Werkzeugmaschine ist daraufhin ausgerichtet, dass zur Erfüllung ihrer<br />

Funktion im Arbeitsprozess des Anlagenführers nur relativ wenig Kenntnisse über die<br />

technische Konstruktion notwendig sind. Zugleich wird bei der Beschreibung des Arbeitsgegenstandes<br />

geprüft, ob die <strong>Bildung</strong>s– <strong>und</strong> Qualifizierungsziele es erforderlich machen,<br />

weitere Gegenstandsaspekte zu berücksichtigen. Dies kann im einen Fall der<br />

Aspekt der historischen Gewordenheit <strong>und</strong> in einem anderen Fall der besondere Aspekt<br />

alternativer, miteinander konkurrierender technischer Lösungen sein. Ist mit einem <strong>Bildung</strong>sziel<br />

intendiert, dass ein Arbeitsgegenstand den Anlass bietet, um daran gr<strong>und</strong>legende<br />

Prinzipien <strong>und</strong> Gesetzmäßigkeiten zu verdeutlichen, dann findet auch dies seinen<br />

Niederschlag in der Formulierung des Arbeitsgegenstandes. Damit wird die Richtung<br />

<strong>und</strong> der Umfang der Behandlung des Arbeitsgegenstandes im Lernprozess berücksichtigt.<br />

Werkzeuge, Methoden <strong>und</strong> Organisation der Facharbeit<br />

Die beruflichen Arbeitsaufgaben <strong>und</strong> ihre Beschreibung erlauben es, die Dimensionen<br />

»Werkzeuge, Methoden <strong>und</strong> Organisation der Facharbeit« unter Bezugnahme auf die<br />

übergeordneten <strong>Bildung</strong>s– <strong>und</strong> Qualifizierungsziele zu entschlüsseln. Auch hier ist der<br />

Kontext des Arbeitsprozesses entscheidend. Vor allem universelle Werkzeuge sind hier als<br />

Werkzeuge für einen spezifischen Arbeitsprozess zu analysieren. Dies gilt weniger für<br />

Arbeitsmethoden <strong>und</strong> Arbeitsverfahren, da diese in der Regel bereits arbeitsprozessbezogen<br />

definiert werden. Angaben zur Organisation der Facharbeit sind von gr<strong>und</strong>legender<br />

Bedeutung für die Curriculumentwicklung, da erst mit den Angaben zur Arbeitsorganisation<br />

die Qualität des Arbeitsprozesses für die Beschäftigten deutlich wird. Unterschiedliche<br />

organisatorische Varianten für berufliche Aufgaben führen zu erheblichen Unterschieden<br />

für die berufliche Verantwortung, den Aufgabenzusammenhang <strong>und</strong> die Kooperations–<br />

<strong>und</strong> Kommunikationsanforderungen an den Arbeitsprozess.<br />

27


Gemeinsamer Zwischenbericht MV GAB<br />

Anforderungen an Facharbeit <strong>und</strong> <strong>Technik</strong><br />

Identifiziert werden hier die unterschiedlichen Anforderungen, die an den Arbeitsprozess<br />

<strong>und</strong> den Arbeitsgegenstand von den verschiedenen Interessensgruppen gestellt werden.<br />

Der Betrieb setzt z. B. spezifische Qualitätsstandards, die sich aus dem Wettbewerb ergeben<br />

<strong>und</strong> bei der Facharbeit eingehalten werden müssen, <strong>und</strong> fordert die Einhaltung der<br />

Zeit– <strong>und</strong> Kostenvorgaben. Die Anforderungen von Seiten des Gesetz– <strong>und</strong> Verordnungsgebers<br />

z. B. in Form von technischen Normen <strong>und</strong> Unfallverhütungsvorschriften<br />

müssen eingehalten werden. Nicht zuletzt die Facharbeiter selbst stellen eigene Anforderungen<br />

an die Facharbeit. Erst in der Gegenüberstellung dieser unterschiedlichen, z. T.<br />

auch widersprüchlichen Anforderungen wird die Gestaltbarkeit <strong>und</strong> Gestaltungsnotwendigkeit<br />

von <strong>Technik</strong> <strong>und</strong> Facharbeit deutlich.<br />

Durchführung von »BAG–Erleben«<br />

Bei oberflächlicher Betrachtung könnte man zu dem Schluss kommen, es handele sich<br />

beim Konzept »BAG–Erleben« nur um eine Betriebsbesichtigung, wie sie an jedem »Tag<br />

der offenen Tür« durchgeführt wird. Dieser Eindruck ist falsch. Hier geht es um gezieltes<br />

Beobachten von Facharbeit eines Berufes, welche durch ein aufwändiges Verfahren bereits<br />

in einzelne repräsentative berufliche Arbeitsaufgaben vorstrukturiert wurde. Der<br />

Blick der Beobachter richtet sich hier auf die einzelne berufliche Arbeitsaufgabe, die in<br />

der realen Facharbeit zwar selten trennscharf isoliert von benachbarten anderen beruflichen<br />

Arbeitsaufgaben durchgeführt wird, aber dennoch einen erkennbaren Schwerpunkt<br />

bildet. Die Vorbereitung einer Exkursion beginnt mit der Auswahl der beruflichen Arbeitsaufgabe,<br />

die in der betrieblichen Realität genauer untersucht werden soll. In der Regel<br />

bereitet ein Ausbilder die Erk<strong>und</strong>ung vor, indem er (eventuell mit Hilfe betrieblicher<br />

Facharbeiter) geeignete Arbeitsplätze auswählt, an denen die ausgeübte Facharbeit die zu<br />

untersuchende berufliche Arbeitsaufgabe wiederspiegelt. Hier stehen vorrangig betriebliche<br />

Arbeitsplätze von Facharbeitern in den Fach- <strong>und</strong> Fertigungsbereichen zur Auswahl.<br />

Betriebliche Versetzungsstellen für Auszubildende an Facharbeitsplätzen können auch<br />

einbezogen werden, allerdings muss hier Facharbeit geleistet werden, welche repräsentativ<br />

für die berufliche Arbeitsaufgabe ist <strong>und</strong> welche am realen Geschäfts- <strong>und</strong> Arbeitsprozess<br />

durchgeführt wird. Die Exkursion wird mit drei bis vier Personen einer Gruppe aller an<br />

der Ausbildung Beteiligten vorgenommen (Ausbilder, betrieblicher Ausbilder, Berufsschullehrer)<br />

<strong>und</strong> dauert erfahrungsgemäß pro Arbeitsplatz ca. zwei St<strong>und</strong>en. Die nachfolgende<br />

Abbildung 5 stellt das Ablaufschema einer »BAG–Erleben«-Exkursion dar. Folgende<br />

Kernfragen für die Entwicklung eines Lernfeldes soll »BAG–Erleben« beantworten:<br />

— In welche Arbeits- <strong>und</strong> Geschäftsprozesse ist die Facharbeit eingeb<strong>und</strong>en?<br />

— An welchen Gegenständen wird bei der konkreten Aufgabe gearbeitet?<br />

— Welche Werkzeuge, Methoden <strong>und</strong> Organisationsformen werden dabei eingesetzt?<br />

— Welche Anforderungen an Facharbeit <strong>und</strong> <strong>Technik</strong> müssen dabei erfüllt werden?<br />

Zur Beantwortung der Fragen reicht eine einfache Beobachtung nicht aus, aufschlussreicher<br />

sind Leitfadeninterviews mit den Facharbeitern, die die berufliche Arbeitsaufgabe<br />

ausüben (vgl. Leitfragenkatalog Tabelle 2). Besonders die Frage, welche Anforderungen<br />

an Facharbeit <strong>und</strong> <strong>Technik</strong> erfüllt werden müssen, wird sich ohne Einbeziehung der vor<br />

28


Gemeinsamer Zwischenbericht MV GAB<br />

Ort tätigen Facharbeiter nur schwer beantworten lassen. Einzelheiten zu Organisationsformen<br />

der Facharbeit, zu Fertigungsanlagen, Werkzeugmaschinen u. ä. werden vom<br />

Ausbilder bereits in der Vorbereitungsphase der Exkursion mit erfahrenen Mitarbeitern<br />

der zu untersuchenden Arbeitsplätze erörtert <strong>und</strong> der Exkursions-Gruppe vorab mitgeteilt.<br />

Da einige Berufe im Modellversuch GAB an sechs verschiedenen Standorten der<br />

Volkswagen AG ausgebildet werden, stellt sich die Frage, wie repräsentativ einzelne<br />

»BAG–Erleben«- Exkursionen sind. Die zu betrachtenden beruflichen Arbeitsaufgaben<br />

spiegeln auch individuelle Verkörperungen der unterschiedlichen Geschäfts- <strong>und</strong> Arbeitsprozesse<br />

der einzelnen Standorte wieder. Die Durchführung des Konzeptes »BAG–<br />

Erleben« wird daher an mehreren Standorten realisiert, um anschließend die Ergebnisse<br />

verschiedener Standorte, aber auch verschiedener Arbeitsplätze, in die Lernfeldentwicklung<br />

einfließen zu lassen. Allein die Untersuchung eines Arbeitsplatzes wird nicht<br />

der Spannweite der Facharbeit einer beruflichen Arbeitsaufgabe gerecht. Auch hier werden<br />

unterschiedliche Arbeitsplätze ausgewählt, die typisch für die berufliche Arbeitsaufgabe<br />

sind.<br />

Auswahl<br />

repräsentativer<br />

Arbeitsplätze<br />

der BAG<br />

Beobachtungspunkte:<br />

•Gegenstände<br />

•Werkzeuge<br />

•Methoden der Facharbeit<br />

•Organisation der Facharbeit<br />

•Anforderungen an Facharbeit<br />

<strong>und</strong> <strong>Technik</strong><br />

Vorbereitung Durchführung Transfer<br />

Abbildung 5: Ablaufschema »BAG–Erleben«<br />

Dokumentation der Exkursionen<br />

Exkursionen Dokumentationen<br />

Ausformulierung<br />

des<br />

Lernfeldes<br />

Die Anwendung eines Gliederungsschemas zur Auswertung einer »BAG–Erleben«-<br />

Durchführung, hat sich nach den Erfahrungen der Berufsgruppen bewährt. Diese stringente<br />

Gliederung (siehe nachfolgende Tabelle 2) anhand von Leitfragen, zwingt dazu, die<br />

Facharbeit sehr gezielt zu betrachten <strong>und</strong> damit dem Problem auszuweichen, bei der<br />

anschließenden Dokumentation, geleitet von den vielfältigen, sich stark überlagernden<br />

Eindrücken »alles <strong>und</strong> nichts« zu beschreiben. Die zu dokumentierenden Beobachtungen<br />

werden dabei nicht zwanghaft in das angebotene Schema gepresst, sondern die Gliederungspunkte<br />

<strong>und</strong> Leitfragen bieten Anhaltspunkte, um bei der Beobachtung den Blick so<br />

einzustellen, dass die Erkenntnisse im nächsten Schritt für die Curriculumentwicklung<br />

nutzbar sind.<br />

29


Gemeinsamer Zwischenbericht MV GAB<br />

Die dual–kooperative Zusammensetzung der Exkursions-Gruppen wird auch in der anschließenden<br />

Aussprache über die Exkursion beibehalten, in der Vorarbeiten für die Dokumentation<br />

geleistet werden (siehe Praxisbeispiel der Berufsgruppe Werkzeugmechaniker<br />

im Anhang C3).<br />

Berufliche Arbeitsaufgabe Auf welche »Berufliche Arbeitsaufgabe« bezieht sich die Ausführung?<br />

Personen Wer hat den Arbeitsplatz untersucht?<br />

Arbeitsplatz Wo befindet sich der untersuchte Arbeitsplatz? (Standort, Halle,<br />

Arbeits– <strong>und</strong> Geschäftsprozess<br />

Gegenstände der Arbeitsaufgabe<br />

30<br />

Produktcenter …)<br />

In welchen Arbeits- <strong>und</strong> Geschäftsprozess ist die Arbeitsaufgabe<br />

eingeb<strong>und</strong>en? Welche Produkte werden erstellt? Welche Dienstleistungen<br />

werden erbracht? Woher kommen Vorprodukte? Wo<br />

werden die erstellten Produkte weiterverarbeitet? Wer ist Abnehmer<br />

für die Dienstleistung? (Material- <strong>und</strong> Informationsflussdia-<br />

gramme‚ Aufzeichnung des Auftragsdurchlaufs)<br />

Woran wird bei der konkreten Arbeitsaufgabe gearbeitet? (Technische<br />

Produkte <strong>und</strong> Prozesse, Dokumentationen, K<strong>und</strong>engespräch,<br />

Steuerungsprogramme …)<br />

Werkzeuge/Arbeitsmittel Mit welchen Werkzeugen <strong>und</strong> Arbeitsmitteln wird diese Arbeitsaufgabe<br />

durchgeführt? (Multimeter, Zollstock, PC mit Anwendersoftware…)<br />

Methoden Wie wird vorgegangen? (Fehlersuche, Qualitätssicherungsverfahren<br />

…)<br />

Organisation Wie ist die Arbeit organisiert? (Arbeitsaufbau- <strong>und</strong> Arbeitsablauforganisation:<br />

Gruppenorganisation, Arbeitsteilung, Hierarchien,<br />

Grenzen zu anderen Berufsgruppen <strong>und</strong> Abteilungen, Anordnungen<br />

der technischen Systeme, Vernetzung der Arbeitsplätze, Ko-<br />

Anforderungen an Facharbeit<br />

<strong>und</strong> <strong>Technik</strong><br />

operationen …)<br />

Welche Anforderungen müssen erfüllt werden? (Betrieb, Hersteller,<br />

K<strong>und</strong>e, Gesellschaft, Technische Normen, Gesetze, Regeln,<br />

Qualitätsstandards …)<br />

Anmerkungen Was ist sonst noch aufgefallen? (Bezüge zu anderen »Beruflichen<br />

Arbeitsaufgaben«, ähnliche Arbeitsplätze, Vergleich mit anderen<br />

Standorten, Möglichkeiten für Ausbildung …)<br />

Tabelle 2: Gliederungsschema <strong>und</strong> Leitfragenkatalog der BAG–Erleben-Dokumentation<br />

Allgemeine Ziele Curriculare Ziele Didaktisch-methodische Ziele (Umsetzungsinstrumente)<br />

Organisation <strong>und</strong> Ausformulierung von Entwicklung von Lern- <strong>und</strong> Arbeitsaufgaben<br />

Ausbau der Lernort- Lernfeldern<br />

Ausbildungsprojekte<br />

kooperation<br />

Akquisition betrieblicher Arbeitsaufträge<br />

Kontakte zu realer Revision bereits for- Akquisition neuer <strong>und</strong> Überprüfung beste-<br />

Facharbeit intensiviemulierter Lernfelder hender betrieblicher Ausbildungsstellen (Verrensetzungsstellen<br />

Entwicklung von Lernsituationen für die schulische<br />

Ausbildung.<br />

Einrichten von Service-Produktions-<br />

Lerninseln (SPL) <strong>und</strong> Ausbildungs-Service-<br />

Centern (ASC)<br />

Tabelle 3: Übersicht weiterer Modellversuchsziele die »BAG–Erleben« unterstützt


Gemeinsamer Zwischenbericht MV GAB<br />

Die Dokumentationen der »BAG–Erleben«–Exkursionen dienen im Fortgang als Beiträge<br />

zur Unterstützung der Entwicklung von Lernfeldern im Curriculum (passend zum Praxisbeispiel<br />

siehe Lernfeld 13 im Anhang C1c, welches mit Hilfe der Dokumentation<br />

formuliert wurde).<br />

Ausblick <strong>und</strong> weitere Einsatzmöglichkeiten des Instrumentes »BAG–Erleben«<br />

Neben der Hilfe, die das Konzept »BAG–Erleben« für die Lernfeldformulierung in der<br />

Curriculumentwicklung leistet, kann das Instrument weitere Ziele im Modellversuch unterstützen.<br />

Die folgende Tabelle 3 stellt eine Übersicht weiterer Modellversuchsziele dar,<br />

für deren Umsetzung »BAG–Erleben« hilfreich sein kann.<br />

Eine Zuweisung von Prioritäten, welche Ziele vorrangig durch das Instrument »BAG–<br />

Erleben« unterstützbar sind, ist nicht sinnvoll. Die Akquisition neuer betrieblicher<br />

Ausbildungsstellen oder die Organisation <strong>und</strong> der Ausbau der Lernortkooperation sind<br />

keine »Nebenprodukte«, die aus einer Exkursion hervorgehen können. Bei der<br />

Durchführung der Exkursionen sollten daher alle Ziele gegenwärtig sein. Gr<strong>und</strong>sätzlich<br />

ist es ratsam, das Instrument »BAG–Erleben« für alle beruflichen Arbeitsaufgaben eines<br />

Berufes an verschiedenen Standorten <strong>und</strong> Arbeitsplätzen anzuwenden. »BAG–Erleben«–<br />

Exkursionen sollten von allen Ausbildungsbeteiligten als Daueraufgabe regelmäßig<br />

durchgeführt werden, um mit der sich ständig wandelnden <strong>Technik</strong> <strong>und</strong> den Organisationsformen<br />

der Facharbeit vertraut zu sein. Auf der Ebene der Curriculumentwicklung<br />

bietet das Instrument eine weitere Perspektive. Die Berufsbilder der Ausbildungsberufe<br />

im Informations- <strong>und</strong> Telekommunikationssektor (IT–Berufe) sehen zum<br />

ersten Mal neben curricular fest beschriebenen Kernqualifikationen auch offen gestaltete<br />

Fachqualifikationen vor. Diese offen gestalteten Qualifikationen können nach fach- <strong>und</strong><br />

betriebsspezifischen Bedingungen gestaltet werden. Die Ausbildungsinhalte werden dabei<br />

auf der Ebene der Rahmenlehrpläne aus Wahlpflichtlernfeldern analog zur betrieblichen<br />

Ausbildung ausgewählt. Weitergehender ist das Drei–Säulen–Konzept der offenen<br />

dynamischen Berufsbilder (Heidegger/Rauner 1999), in dem die gesamte Ausbildungszeit<br />

zur Hälfte aus einem b<strong>und</strong>eseinheitlich geregelten Kernbereich besteht. Ein Viertel der<br />

Ausbildung bliebe betriebsspezifischen Vertiefungen vorbehalten, ein anderes Viertel der<br />

Ausbildungszeit stünde für die Vermittlung von branchen– <strong>und</strong> arbeitspezifischen<br />

Inhalten zur Verfügung. Gerade für die Identifizierung <strong>und</strong> Fixierung der<br />

Ausbildungsinhalte nach regionalspezifischen, branchenspezifischen <strong>und</strong> betriebsspezifischen<br />

Gesichtspunkten kann das Konzept »BAG–Erleben« eine unterstützende<br />

Hilfe sein.<br />

2.2 Arbeitsgruppen in der Curriculumentwicklung<br />

Die in Abschnitt 3.1 ausführlich dargestellte Organisation der Arbeit aller Modellversuchsbeteiligten<br />

legt den Schwerpunkt auf die berufsbezogen organisierten Entwicklungsgruppen<br />

an den Standorten. Im ersten Jahr des Modellversuchs — »Pilotphase«<br />

1999 — arbeiteten in der Hauptsache die für jeden Beruf eingerichteten Kern- <strong>und</strong> Begleitteams<br />

aus Schule <strong>und</strong> Betrieb sowie der zuständige wissenschaftliche Mitarbeiter<br />

zusammen. Im 2. Jahr, also nach der Ausweitung auf alle Standorte, ergab sich aus der<br />

31<br />

Betrieb<br />

Schule


Gemeinsamer Zwischenbericht MV GAB<br />

Übertragung der zunächst in Pilotfunktion erarbeiteten Materialien auf alle Standorte<br />

(vgl. die Übersicht der auf die Standorte verteilten Ausbildungsberufe auf S. 61) eine engere<br />

Einbindung der »Begleitteams«. Es entsprach durchaus der Arbeitsplanung, dass die<br />

Pilot–Entwicklung an die Standortbedingungen angepasst werden musste, um eine höhere<br />

Detaillierung der Curricula <strong>und</strong> Materialien zu erzielen. Freilich ist mit einem genaueren<br />

Konkretisierungsgrad auch verb<strong>und</strong>en, dass die letztlich zentral organisierte Arbeitsweise<br />

der Kern– <strong>und</strong> Begleitteams nicht mehr mit den Anpassungserfordernissen der jeweiligen<br />

Standorte kompatibel wird. Daher entstand gewissermaßen spontan eine Arbeitsorganisation,<br />

querstehend zur ursprünglichen <strong>und</strong> auch weiterhin beibehaltenen<br />

Arbeitsweise in Kernteams. Diese geht wesentlich standortgeb<strong>und</strong>ener vor, sie behält sich<br />

auch die Prüfung der im geschilderten Sinne zentral entwickelten Materialien vor.<br />

In der Realität der Entwicklungsarbeit spielten folgende Faktoren eine Rolle:<br />

— Die nach Berufen organisierten Entwicklungsgruppen aus Betrieb <strong>und</strong> Schule stoßen<br />

immer dann an die Grenze ihrer Kooperation, wenn gemeinsam gef<strong>und</strong>ene Elemente<br />

auf die in Schule <strong>und</strong> Betrieb herrschenden, prinzipiell unterschiedlichen Bedingungen<br />

eine Adaption erfordern, die gemeinsam nicht mehr sinnvoll zu leisten ist. Dann<br />

trifft man sich auch nach Lernorten getrennt.<br />

— Der Abstimmungsaufwand bei inhaltlichen Problemen, die umso eher auftreten, je<br />

ernster die Beteiligten ihren Auftrag nehmen, ließ bei der prinzipiell zu geringen Mittelausstattung<br />

nicht zu, weitere als die zunächst vorgesehenen Termine zu realisieren.<br />

Auch dies förderte die Tendenz zu standortspezifischen Arbeitsweisen <strong>und</strong> –lösungen.<br />

Plastisch gesprochen, viele Sitzungen dienten dem Austausch von Problemsichten,<br />

was dazu führte, dass — fallweise auch — beide Seiten noch im Nachhinein ihre<br />

»Hausaufgaben« erledigten.<br />

— Die Unterstützung durch den jeweiligen wissenschaftlichen Begleiter schloss ihrer Intention<br />

nach aus, die in erheblichem Umfang geleisteten Vorarbeiten (also etwa die<br />

Ergebnisse der Experten–Facharbeiter–Workshops <strong>und</strong> die Konzepte für die Erstellung<br />

eines Berufsbildungsplans) vom Gesamtvorhaben zu trennen <strong>und</strong> zugunsten standortindividueller<br />

Ansätze preiszugeben. Es war das Bestreben der wissenschaftlichen Begleitung,<br />

konzeptionell <strong>und</strong> evaluativ die Funktion einer Klammer zwischen formulierten<br />

Zielen des Modellversuchs <strong>und</strong> seiner Realisierung zu bewahren.<br />

— Der BLK–Modellversuch firmiert unter dem Förderprogramm »Neue Lernkonzepte in<br />

der dualen Berufsausbildung«. Die dort begonnene Diskussion über Lernfelder im<br />

Zwiespalt zwischen schulischen Fächern <strong>und</strong> inhaltlich zu realisierender dualer Kooperation<br />

reicht naturgemäß tief in die Entwicklungsarbeiten hinein, die im Modellversuch<br />

GAB zu leisten sind (vgl. z. B. S. 34 in diesem Abschnitt). Hier kommen relevante<br />

Transfergesichtspunkte in die Diskussion, wie sie innerhalb des Modellversuchs<br />

geführt wird: Mitglieder der Entwicklungsgruppen fragen sich im Interesse der Umsetzung<br />

des Modellversuchs, wie <strong>und</strong> womit sie ihre Kollegen <strong>und</strong> Kolleginnen an den<br />

Standorten für den Modellversuch gewinnen können, wenn bereits das Thema »Lernfeld«<br />

in den Kollegien überaus strittig ist. Diese Frage kann nach so kurzer Versuchsdauer<br />

gar nicht beantwortet werden, da eine Praxis der Umsetzung, die auch Skeptiker<br />

32


Gemeinsamer Zwischenbericht MV GAB<br />

überzeugen könnte, sich erst noch einstellen muss.<br />

Im Sinne einer lebendigen <strong>und</strong> zugleich exemplarischen Schilderung der Entwicklungsarbeiten<br />

folgen hier unmittelbar anschließend Berichte aus den Arbeitsgruppen, die die<br />

Arbeitsweise in ihrer Unterschiedlichkeit wiedergeben.<br />

Industriemechaniker<br />

Am 01.09.1999 wurde an den Pilot–Standorten (Hannover <strong>und</strong> Emden) mit der Ausbildung<br />

begonnen, wobei für den Standort Emden aufgr<strong>und</strong> des Berufgr<strong>und</strong>bildungsjahres<br />

(BGJ) besondere Bedingungen gegeben sind. Die praktische Ausbildung wird hier nicht<br />

— wie am Standort Hannover in der VW CG — sondern in der Schulwerkstatt durchgeführt.<br />

Es wurden zwar kleinere Aufträge aus der VW CG bearbeitet <strong>und</strong> auch ein Betriebspraktikum<br />

durchgeführt, ein durchgängiger Bezug auf Geschäfts- <strong>und</strong> Arbeitsprozesse<br />

war aber nur partiell gegeben. Anders der Ansatz am Standort Hannover, hier wurde<br />

in einer sehr engen Kooperation der Lernorte VW CG einerseits <strong>und</strong> Berufsbildende<br />

Schule andererseits eine Umsetzung der vom ITB beschriebenen BAGs (Berufliche Arbeitsaufgaben,<br />

vgl. Anhang C1a) vorgenommen. In den gemeinsamen Arbeitssitzungen<br />

der Lehrer <strong>und</strong> Ausbilder der jeweiligen Kernteams an den Pilotschulen <strong>und</strong> der Begleitteam–Lehrer<br />

sowie Ausbilder (Ausbildungsbeginn mit Schülern zum 01.09.2000), die in<br />

der Regel alle 4 Wochen durchgeführt wurden, wurden zum einem die BAGs den vier<br />

Lernbereichen des entwicklungslogischen Ansatzes zugeordnet <strong>und</strong> basierend auf den<br />

BAGs die bislang sechs abgestimmten Lernfelder entwickelt (siehe Anhang A1). Die entgültige<br />

Zuordnung der BAGs zu den Lernbereichen erfolgte erst nach langer, z. T. kontroverser<br />

Diskussion, wobei die Bedenken eines Lehrers nicht vollständig ausgeräumt<br />

werden konnten. Einigkeit herrschte zwischen Lehrern <strong>und</strong> Ausbildern darüber, dass die<br />

BAG fünf »Materialwirtschaft <strong>und</strong> Ersatzteilbeschaffung« integriert zu behandeln ist.<br />

Diese BAG konnte auch im Rahmen der bisherigen Betriebsbegehungen zum Thema<br />

»BAG–Erleben« nicht isoliert betrachtet werden. Das Lernfeld fünf wurde aus diesem<br />

Gr<strong>und</strong> seitens der Lehrer z. Z. auch nicht explizit bearbeitet. Das Lernfeld drei »Analysieren<br />

von Funktionszusammenhängen in automatisierten technischen Systemen« interpretiert<br />

die BAG drei »Bedienen bzw. Fahren von Fertigungsanlagen« bewusst unter dem<br />

Aspekt, dass in der Gr<strong>und</strong>stufe die Gr<strong>und</strong>lagen der Steuerungs- <strong>und</strong> Informationstechnik<br />

unterrichtet werden sollen.<br />

Es hat sich gezeigt, dass eine Beurteilung der Qualität der Lernfelder nach einer ersten<br />

praktischen Umsetzung in der Schule erst möglich geworden ist <strong>und</strong> notwendige Korrekturen<br />

auch deutlich werden. Eine wichtige Rolle spielt dabei auch, inwieweit es im Handlungsfeld<br />

innerhalb der betrieblichen Ausbildung gelungen ist, lernhaltige Arbeitsaufträge<br />

mit Charakter von LAGs zu bearbeiten <strong>und</strong> diese zum Ausgangspunkt des Unterrichts<br />

zu machen.<br />

Gr<strong>und</strong>sätzlich wurde bei der Zielformulierung innerhalb der Lernfelder die Frage gestellt,<br />

ob das aus der BAG abzuleitende Ziel, das im Sinne einer beruflichen Handlung formuliert<br />

ist, schwerpunktmäßig eher im Lernort Schule oder im Lernort Betrieb zu erreichen<br />

bzw. zu vermitteln ist.<br />

33<br />

Schule


Gemeinsamer Zwischenbericht MV GAB<br />

Beispiele für die Aufteilung der Ziele:<br />

Lernfeld 1: Wartung <strong>und</strong> Inspektion von technischen Systemen<br />

Schule Betrieb<br />

Die Schüler <strong>und</strong> Schülerinnen planen nach<br />

Auftrag Wartungs- <strong>und</strong> Inspektionsarbeiten<br />

<strong>und</strong> dokumentieren sie für den K<strong>und</strong>en.<br />

Lernfeld 2: Herstellung einfacher mechanischer Systeme<br />

Schule Betrieb<br />

Die Schüler <strong>und</strong> Schülerinnen beherrschen<br />

die theoretischen Gr<strong>und</strong>lagen der für den<br />

Arbeitsauftrag in Frage kommenden Tech-<br />

nologien.<br />

Sie erstellen Prüfpläne, wählen die Prüfmittel<br />

aus <strong>und</strong> interpretieren Prüfprotokolle. Sie<br />

planen die Montage der Einzelteile <strong>und</strong> die<br />

Funktionsprüfung.<br />

Lernfeld 6: Neuanfertigung von defekten Bauteilen<br />

Schule Betrieb<br />

Die Schüler <strong>und</strong> Schülerinnen bestimmen die<br />

für die Neuanfertigung in Frage kommenden<br />

Fertigungsverfahren. Sie wählen die erforderlichen<br />

Maschinen, Werkzeuge <strong>und</strong> Spann-<br />

mittel aus.<br />

Sie ermitteln die notwendigen technologischen<br />

<strong>und</strong> geometrischen Daten für die<br />

Werkstückbearbeitung <strong>und</strong> entwickeln CNC-<br />

Programme.<br />

34<br />

Die Auszubildenden führen Wartungsaufgaben<br />

unter Anwendung geeigneter Methoden,<br />

Verfahren <strong>und</strong> Werkzeuge durch <strong>und</strong> beurteilen<br />

sie.<br />

Die für das fachgerechte mechanische Herstellen<br />

notwendigen manuellen <strong>und</strong> maschinellen<br />

Fertigungsverfahren wenden sie auf-<br />

tragsgemäß an.<br />

Sie führen abschließend eine Funktions- <strong>und</strong><br />

Qualitätskontrolle des Auftrages mit den einschlägigen<br />

Prüf- <strong>und</strong> Messmitteln durch.<br />

Die für die Neuanfertigung notwendigen manuellen<br />

<strong>und</strong> maschinellen Fertigungsverfahren<br />

wenden die Auszubildenden fachgerecht<br />

an.<br />

Unter der Berücksichtigung der Kosten <strong>und</strong><br />

Fertigungszeiten nutzen sie gegebenenfalls<br />

CNC-Werkzeugmaschinen.<br />

Die z. Zt. vorliegenden Lernfelder haben Eingang in den dual–kooperativen Lehrplanentwurf<br />

des ITB gef<strong>und</strong>en (vgl. Anhänge C1ff.). Die <strong>Bildung</strong>s– <strong>und</strong> Qualifizierungsziele<br />

der Schule wurden in den Arbeitssitzungen diskutiert <strong>und</strong> entsprechen weitestgehend<br />

den Zielformulierungen der Lernfelder der Schule. Die <strong>Bildung</strong>s– <strong>und</strong> Qualifizierungsziele<br />

von Schule <strong>und</strong> Betrieb stellen mit den BAGs <strong>und</strong> den Kategorien »Gegenstände der<br />

Facharbeit«, »Werkzeuge, Methoden, Organisation der Facharbeit« <strong>und</strong> »Anforderungen<br />

an Facharbeit <strong>und</strong> <strong>Technik</strong>« ein Lernfeld dar. Insbesondere aus schulpraktischer Sicht<br />

muss aber nachdrücklich darauf hingewiesen werden, dass die Kolleginnen <strong>und</strong> Kollegen<br />

es immer noch gewohnt sind, fachsystematisch zu denken <strong>und</strong> ihren Unterricht an Zielen<br />

<strong>und</strong> Inhalten auszurichten. Der Umgang mit den Kategorien des Punktes »Inhalte<br />

von Arbeit <strong>und</strong> Lernen« des dual–kooperativen Lehrplans setzt aber — wenn geschäfts–<br />

<strong>und</strong> arbeitsprozessbezogen ausgebildet werden soll — ein umfangreiches Umdenken sowohl<br />

schulischerseits von Lehrern als auch betrieblicherseits von Ausbildern voraus.<br />

Die vorläufig abgeschlossenen Arbeitsstände sind im folgenden Abschnitt 2.3.1 <strong>und</strong> vor<br />

allem in den Anhängen C1a bis C1f dargestellt.


Gemeinsamer Zwischenbericht MV GAB<br />

2.3 Zwischenbilanz <strong>und</strong> Stand der Materialien <strong>und</strong> Ausbildungspläne<br />

2.3.1 Berufsbildungspläne (BBP)<br />

Für drei der in der Konzeption des Modellversuchs ausgewiesenen Berufe sind am ITB<br />

Entwürfe für Berufsbildungspläne (BBP) entwickelt worden 2 . Die Erarbeitung der Pläne<br />

für den Automobilmechaniker <strong>und</strong> den Industriekaufmann steht noch aus (s. u.).<br />

2.3.2 Zum Aufbau der Berufsbildungspläne<br />

Ein Berufsbildungsplan besteht gr<strong>und</strong>sätzlich aus einem allgemeinen Teil <strong>und</strong> einem<br />

berufsspezifischen Teil.<br />

Der allgemeine Teil ist so gestaltet, dass er Bestandteil jedes Berufsbildungsplans sein<br />

kann. Die Zielgruppen 3 werden zunächst über die Konzeption eines Berufsbildungsplans<br />

informiert; es folgen Hinweise <strong>und</strong> Erläuterungen zur Formulierung des Berufsprofils<br />

sowie zu den Lernbereichen. Ein drittes Kapitel befasst sich mit der Ausgestaltung der<br />

Lernfelder.<br />

Der berufsspezifische Teil beginnt mit der Beschreibung des Berufsprofils. Diesem folgt<br />

eine Übersicht über die vier Lernbereiche mit den entsprechend zugeordneten Lernfeldern.<br />

Die Darstellung eines Lernfelds folgt in ihrem äußeren Erscheinungsbild nicht nur<br />

einem einheitlichen Schema, sie geht in ihrer Gesamtheit auch nicht über eine Seite hinaus.<br />

Die vier einer Entwicklungslogik folgenden Lernbereiche werden im weiteren Verlauf<br />

des Berufsbildungsplans näher beschrieben, indem sowohl die Aufgabenart <strong>und</strong> die Aufgabenbearbeitung<br />

der Facharbeit als auch die lernbereichsspezifischen <strong>Bildung</strong>s– <strong>und</strong><br />

Qualifizierungsziele auf den jeweiligen Lernbereich bezogen auf einer allgemeinen Ebene<br />

erläutert werden.<br />

2.3.3 Abgrenzung der Berufsbildungspläne zu den geltenden Ordnungsmitteln<br />

Ein Plan für beide Lernorte<br />

Die Berufsbildungspläne sind unterhalb der Ebene der Ordnungsmittel angesiedelt; sie<br />

sollen im Rahmen des Modellversuchs entwickelt <strong>und</strong> erprobt werden. Während bisher<br />

an den beiden Lernorten Betrieb <strong>und</strong> Schule nach unterschiedlichen Plänen ausgebildet<br />

wurde, überwindet der Berufsbildungsplan die durch die ordnungspolitischen Vorgaben<br />

nahegelegte Trennung der Pläne auf der curricularen Ebene (vgl. Anhang C6). Die Berufsbildungspläne<br />

sind gemeinsamer Bezugspunkt für die Ausbildung an beiden Lernor-<br />

2 Die Entwicklung der Berufsbildungspläne für den Industriemechaniker, den Industrieelektroniker<br />

sowie für den Werkzeugmechaniker befinden sich in den Anhängen C1a–C1c.<br />

3 Lehrer, Ausbilder, interessierte Experten aus den Bereichen Wissenschaft <strong>und</strong> Lehrplanentwicklung.<br />

35<br />

Betrieb<br />

Schule


Gemeinsamer Zwischenbericht MV GAB<br />

ten. Das gemeinsame Ganze manifestiert sich konkret an den »Inhalten von Arbeit <strong>und</strong><br />

Lernen«, aus denen sich die lernortspezifischen <strong>Bildung</strong>s– <strong>und</strong> Qualifizierungsziele gewinnen<br />

bzw. formulieren lassen.<br />

Die Struktur der Inhalte<br />

Die Inhalte der Ausbildungsrahmenpläne <strong>und</strong> der Rahmenlehrpläne sind nach fachsystematischen<br />

Gesichtspunkten gegliedert, die eines Berufsbildungsplans hingegen folgen<br />

einer Systematik, die den Verlauf der Kompetenzentwicklung der Jugendlichen vom Anfänger<br />

zum Experten in den Mittelpunkt der Überlegungen stellt. Auf der Gr<strong>und</strong>lage der<br />

beruflichen Arbeitsaufgaben sind für die drei Berufe jeweils zwischen 14 <strong>und</strong> 16 Lernfelder<br />

entwickelt <strong>und</strong> unter Berücksichtigung der Kompetenzentwicklung den vier Lernbereichen<br />

(vgl. Anhänge C1a–C1c) zugeordnet worden. Dieser Ansatz impliziert auch, dass<br />

die bisherige berufsfeldbreite Gr<strong>und</strong>bildung des 1. Ausbildungsjahres zugunsten einer<br />

kontinuierlichen Kompetenzentwicklung der Jugendlichen in den Hintergr<strong>und</strong> rückt.<br />

Die auf den Experten–Facharbeiter–Workshops (vgl. Anhang C5) ermittelten beruflichen<br />

Arbeitsaufgaben ermöglichen es, dass die Inhalte der Berufsbildungspläne nicht nur die<br />

konkrete berufliche Facharbeit auf der Ebene der erforderlichen Qualifikationen wiederspiegeln,<br />

sondern dass darüber hinaus als weiteres wichtiges Kriterium für die Strukturierung<br />

der Inhalte die Orientierung an den betrieblichen Arbeits– <strong>und</strong> Geschäftsprozessen<br />

erfolgt.<br />

Die Inhalte<br />

Bei den Ausbildungsrahmen– <strong>und</strong> Rahmenlehrplänen ist nicht nur die Struktur der Inhalte<br />

unter fachsystematischen Gesichtspunkten entstanden, auch die Inhalte selbst folgen<br />

vom Gr<strong>und</strong>satz her den Fachwissenschaften. Die BBPs hingegen gehen bei der Darstellung<br />

der »Inhalte von Arbeit <strong>und</strong> Lernen« von der konkreten beruflichen Wirklichkeit<br />

des Facharbeiters aus, die sich durch die Zuordnung von Begriffen <strong>und</strong> kurzen Beschreibungen<br />

zu den »Gegenständen« der Facharbeit sowie zu »Werkzeugen«, »Methoden« <strong>und</strong><br />

»Organisation« <strong>und</strong> schließlich den »Anforderungen« an die Facharbeit abbilden lässt.<br />

Die Inhalte sind so ausformuliert, dass die Lernfelder den Ausbildern <strong>und</strong> Lehrern nicht<br />

nur große Freiräume für eine gestaltungsoffene Umsetzung mit dem Ziel der Vermittlung<br />

vollständiger beruflicher Handlungskompetenz bieten, sie ermöglichen darüber hinaus<br />

die kontinuierliche Adaption <strong>und</strong> Integration zukünftiger, die berufliche Facharbeit tangierender<br />

Entwicklungen in Unterricht <strong>und</strong> Ausbildung.<br />

2.3.4 Zur Entwicklung <strong>und</strong> zum gegenwärtigen Stand der Berufsbildungspläne<br />

Überblick<br />

Als Basis für die Entwicklung der Berufsbildungspläne dienen die Ergebnisse der Experten–Facharbeiter–Workshops<br />

in Form der beruflichen Arbeitsaufgaben 4 . Dadurch soll<br />

sichergestellt werden, dass sowohl das erforderliche berufsspezifische Qualifikationsprofil<br />

4 Siehe hierzu auch die Ausführungen unter Abschnitt 2.1.1, S. 12<br />

36


Gemeinsamer Zwischenbericht MV GAB<br />

als auch die betrieblichen Arbeits– <strong>und</strong> Geschäftsprozesse als wichtigste Kristallisationspunkte<br />

für die Ausbildung in den Berufsbildungsplänen festgestellt werden. Bei der daran<br />

anknüpfenden Ausgestaltung der Pläne haben die Berufsgruppen, die sich aus den Kern–<br />

<strong>und</strong> Begleitteamlehrern <strong>und</strong> –ausbildern sowie aus einem Mitarbeiter der wissenschaftlichen<br />

Begleitung zusammensetzen, eine zentrale Rolle eingenommen. Immer wiederkehrende<br />

Kernpunkte in den Diskussionen waren u. a. die Bestimmung der »Inhalte von<br />

Arbeit <strong>und</strong> Lernen«. Die Ergebnisse der — in der jeweiligen Gruppe mit unterschiedlicher<br />

Intensität <strong>und</strong> Dauer geführten — Diskussionen waren <strong>und</strong> sind die wesentlichen Einflussgrößen<br />

bei der Ausgestaltung der Berufsbildungspläne in der vorliegenden, vorläufigen<br />

Form. Über diese Beiträge hinaus haben die Ergebnisse der Betriebsbesuche im<br />

Rahmen der Umsetzung des Konzepts »BAG–Erleben« 5 an allen Ausbildungsstandorten<br />

weitere wichtige Erkenntnisse für die Entwicklung der Berufsbildungspläne <strong>und</strong> die Lernfeldentwicklungen<br />

(vgl. Anhang A1) geliefert.<br />

Für die betriebliche Ausbildung können die Entwurfsfassungen der Berufsbildungspläne<br />

eine Anleitung sowohl für die Strukturierung <strong>und</strong> Organisation einer modernen, an den<br />

Geschäfts– <strong>und</strong> Arbeitsprozessen des Unternehmens orientierten Ausbildung sein als<br />

auch als Orientierungsrahmen <strong>und</strong> Quelle für die Ausgestaltung der Inhalte dienen. Die<br />

Schulen haben mit diesen Plänen ein Instrumentarium, das in Form <strong>und</strong> Inhalt über die<br />

aus den KMK–Handreichungen hervorgehenden Forderungen an einen nach Lernfeldern<br />

gegliederten Lehrplan hinausgeht. Für beide Lernorte schließlich bieten sich die Berufsbildungspläne<br />

als ein geeigneter Bezugspunkt für eine lebendige Lernortkooperation an.<br />

Im weiteren Verlauf des Modellversuchs sollen die Entwürfe der Berufsbildungspläne<br />

weiterentwickelt <strong>und</strong> erprobt werden. Den Berufsgruppen wird bei dieser Arbeit — wie<br />

bisher — eine entscheidende Bedeutung zukommen.<br />

Stand der Entwicklung in den Berufsgruppen<br />

Automobilmechaniker<br />

Für den Automobilmechaniker sind auf Basis der Ergebnisse der Experten–Facharbeiter–<br />

Workshops berufliche Arbeitsaufgaben ermittelt worden. Ein zentraler Aspekt in der<br />

Diskussion um die Neugestaltung der gewerblich–technischen Automobilberufe ist das<br />

Bestreben, einen gemeinsamen Beruf für Handwerk <strong>und</strong> Industrie zu entwickeln. (In diesem<br />

Kontext wurde in zwei aufeinanderfolgenden LEONARDO DA VINCI–Projekten<br />

mit Experten des europäischen Kfz–Sektors das Curriculum des »Car–mechatronic«<br />

[Kfz–Mechatroniker] entwickelt.) Die Liste der beruflichen Arbeitsaufgaben für den Kfz–<br />

Mechatroniker ist im Anhang C1d dargestellt. Die Validierung der BAGs wird z. Zt. in<br />

einem gemeinsamen Verfahren für den Automobilmechaniker <strong>und</strong> den Kfz–Mechatroniker<br />

durchgeführt.<br />

Industriekaufleute<br />

Die beruflichen Arbeitsaufgaben sind ermittelt <strong>und</strong> anschließend weiterentwickelt worden.<br />

Auch die entwicklungslogische Zuordnung der beruflichen Arbeitsaufgaben zu den<br />

5 Siehe hierzu auch die Ausführungen unter Abschnitt 2.1.3, S. 25 <strong>und</strong> Anhang C3<br />

37


Gemeinsamer Zwischenbericht MV GAB<br />

vier Lernbereichen ist bereits geleistet. Darüber hinaus ist ein »Kompetenzentwicklungsmodell<br />

K<strong>und</strong>e–Kaufmann« konzipiert worden, das sich ebenfalls auf ein Entwicklungsmodell<br />

stützt (vgl. Anhang C1f).<br />

Da das anstehende Neuordnungsverfahren für den Industriekaufmann abzuwarten war,<br />

ist von Seiten des Unternehmens der Beginn der Ausbildung in diesem Kernberuf zunächst<br />

um ein Jahr von 1999 auf 2000 <strong>und</strong> dann nochmals um ein Jahr verschoben<br />

worden, da die Ordnungsgeber in Verzögerung geraten sind.<br />

Kontinuierliche Arbeitssitzungen in der Berufsgruppe, wie sie von den anderen Berufsgruppen<br />

bekannt ist, haben sich bisher noch nicht etabliert. Es kann jedoch davon ausgegangen<br />

werden, dass es mit der Arbeitsaufnahme eines weiteren Mitarbeiters am ITB<br />

im November 2000 die Berufsgruppentreffen <strong>und</strong> die Entwicklung des Berufsbildungsplans<br />

intensiviert wird.<br />

Industriemechaniker, Industrieelektroniker, Werkzeugmechaniker<br />

Wie bereits w. o. erwähnt, sind für diese drei Berufe Entwürfe für Berufsbildungspläne<br />

nach dem beschriebenen Verfahren entstanden. Diese werden gegenwärtig in den Berufsgruppen<br />

mit dem Ziel der weiteren Optimierung diskutiert <strong>und</strong> weiterentwickelt. Dabei<br />

haben sich in den einzelnen Berufsgruppen durchaus unterschiedliche Vorgehensweisen<br />

herausgebildet. So hat sich z. B. die Berufsgruppe der Werkzeugmechaniker darauf verständigt,<br />

standortbezogen kleine Teams aus Ausbildern <strong>und</strong> Lehrern zu bilden, die bestimmte<br />

Lernfelder überarbeiten <strong>und</strong> die Ergebnisse bei den Treffen der Berufsgruppe<br />

diskutieren.<br />

Mechatroniker 6<br />

Die Mechatronikerausbildung wird im VW–<strong>Bildung</strong>sinstitut (VW–BI) in Sachsen durchgeführt.<br />

Es werden z. Zt. sechs Mechatroniker ausgebildet. In den ersten zwei Ausbildungsjahren<br />

erfolgt die Ausbildung nahezu ausschließlich im VW–BI. Im 3. Ausbildungsjahr<br />

werden die Auszubildenden in den Betrieben eingesetzt <strong>und</strong> kehren im letzten Halbjahr<br />

zur Prüfungsvorbereitung in das VW–BI zurück.<br />

Im Rahmen des Modellversuchs wurden berufliche Arbeitsaufgaben für den Mechatroniker<br />

ermittelt (vgl. Anhang C1e), wobei die Schwierigkeit darin bestand, dass keine Mechatronikerfacharbeiter<br />

beteiligt werden konnten, weil es sich um ein neues Berufsbild 7<br />

handelt. Stattdessen wurden in Abstimmung mit VW Sachsen Industrieelektroniker <strong>und</strong><br />

Industriemechaniker befragt, die mit den zukünftigen Aufgabenbereichen des Mechatronikers<br />

vertraut sind.<br />

Die Schwierigkeiten bei der Ermittlung der beruflichen Arbeitsaufgaben machen es erforderlich,<br />

weitere Experten–Facharbeiter heranzuziehen. U. a. sind Experten–Facharbeiter–Workshops<br />

in Zusammenarbeit mit dem Verband deutscher Maschinen- <strong>und</strong> Anlagenbau<br />

e. V. (VDMA) geplant.<br />

6 Eine ausführliche Beschreibung der Situation der Mechatronikerausbildung ist im Anhang C1e dargestellt.<br />

7 Die Ausbildungsordnung für den Mechatroniker ist 1998 in Kraft getreten.<br />

38


Gemeinsamer Zwischenbericht MV GAB<br />

Für den Ausbildungsberuf Mechatroniker wurde keine spezielle Arbeitsgruppe zur Curriculumentwicklung<br />

gebildet. Das ist darin begründet, dass für diesen Ausbildungsberuf<br />

(im Unterschied zu den anderen im Modellversuch zu untersuchenden Ausbildungsberufen)<br />

ein lernfeldstrukturierter KMK–Rahmenlehrplan vorliegt, der zum<br />

01.08.1998 in Kraft gesetzt wurde. In Sachsen wurde auf dieser Gr<strong>und</strong>lage ein landesspezifischer<br />

Erprobungslehrplan erarbeitet, dessen Einführung mit einer Evaluation begleitet<br />

wird.<br />

Lehrkräfte des Beruflichen Schulzentrums (BSZ) für <strong>Technik</strong> Zwickau arbeiten im Kernteam<br />

(Herr Häberer) <strong>und</strong> im Begleitteam Industrieelektroniker (Herr Bauer) mit. Vertreter<br />

der Volkswagen-<strong>Bildung</strong>sinstitut GmbH (Herr Döhnel, Herr Meinhold) nahmen bisher<br />

nur an ausgewählten Beratungen teil, weil vom <strong>Bildung</strong>sinstitut für eine umfassendere<br />

Mitwirkung nicht die Voraussetzungen geschaffen werden konnten.<br />

Schulinterne Arbeitsgruppe<br />

Im BSZ für <strong>Technik</strong> Zwickau haben die Lehrkräfte, die in den Mechatroniker–Klassen<br />

unterrichten, eine schulinterne Arbeitsgruppe gebildet. Diese Arbeitsgruppe ist mit dem<br />

Ziel tätig, vor allem schulische Probleme, die im Zusammenhang mit der Mechatroniker–Ausbildung<br />

entstehen, unmittelbar zu lösen. Die Arbeitsgruppe ist kontinuierlich<br />

tätig; Zeitablauf <strong>und</strong> beteiligte Personen variieren entsprechend der zu lösenden Probleme<br />

<strong>und</strong> Aufgaben.<br />

Regionale Arbeitsgruppe<br />

Es ist vorgesehen, eine regionale Arbeitsgruppe mit dem Beruflichen Schulzentrum Reichenbach<br />

zu bilden. Über den Rahmen des Modellversuches hinaus gibt es Ansätze zur<br />

überregionalen Zusammenarbeit mit anderen sächsischen Beruflichen Schulzentren, an<br />

denen Berufsschulunterricht für den Ausbildungsberuf Mechatroniker erteilt wird (im<br />

Berichtszeitraum weitere 8 Fachklassen–Standorte).<br />

Zusammenarbeit mit der Volkswagen–<strong>Bildung</strong>sinstitut GmbH Zwickau<br />

Am 16.12.1999 wurde vom BSZ für <strong>Technik</strong> Zwickau <strong>und</strong> von der Volkswagen-<br />

<strong>Bildung</strong>sinstitut GmbH ein gemeinsamer Workshop durchgeführt. Inhalte der Veranstaltung<br />

waren insbesondere der Zusammenhang zwischen den Beruflichen Arbeitsaufgaben<br />

(BAGs) <strong>und</strong> den Lern- <strong>und</strong> Arbeitsaufgaben (LAGs) sowie der ziel– <strong>und</strong> der handlungsorientierte<br />

Unterricht. Als Ergebnis entstand ein Fortbildungs– <strong>und</strong> Fragenkatalog, der<br />

für zentrale Fortbildungsveranstaltungen genutzt werden kann.<br />

Die Arbeiten zum Modellversuch erfordern eine permanente Zusammenarbeit zwischen<br />

den unmittelbaren Fertigungsbereichen, der Lehrwerkstatt (ggf. <strong>Bildung</strong>sinstitut) <strong>und</strong> der<br />

Berufsschule. Es ist festzustellen, dass alle Beteiligten diese Form der Zusammenarbeit<br />

wünschen <strong>und</strong> deren positive Auswirkung auf die Ausbildung erkannt haben. Allerdings<br />

ist es notwendig, das gemeinsame Vorgehen <strong>und</strong> die Zusammenarbeit entsprechend der<br />

Bedingungen vor Ort weiter zu qualifizieren.<br />

Vor allem die fehlende Möglichkeit zur Freistellung von Ausbildern für die gemeinsame<br />

Erarbeitung der Lern– <strong>und</strong> Arbeitsaufgaben (LAGs) ist ein Gr<strong>und</strong> dafür, dass seit der<br />

Übergabe der Beruflichen Arbeitsaufgaben (BAGs) durch das <strong>Institut</strong> <strong>Technik</strong> <strong>und</strong> Bil-<br />

39


Betrieb<br />

Schule<br />

Gemeinsamer Zwischenbericht MV GAB<br />

dung der Universität Bremen eine Stagnation eingetreten ist. Es ist z. B. notwendig,<br />

Lehrkräften den Zugang zu den Fertigungsbereichen zu ermöglichen <strong>und</strong> zu prüfen, welche<br />

Unterstützung durch Experten der Unternehmen möglich ist.<br />

Zusammenarbeit mit der wissenschaftlichen Begleitung<br />

Am 15.03. <strong>und</strong> 16.03.2000 fand in Zwickau eine Arbeitsberatung der Lehrkräfte des BSZ<br />

für <strong>Technik</strong> Zwickau, von Vertretern der Volkswagen–<strong>Bildung</strong>sinstitut GmbH Zwickau,<br />

der wissenschaftlichen Begleitung, des Regionalschulamtes Zwickau <strong>und</strong> des Sächsischen<br />

Staatsministeriums für Kultus statt. An der Beratung nahmen auch Lehrkräfte teil, die<br />

den sächsischen Erprobungslehrplan erarbeitet haben sowie weitere interessierte Lehrkräfte<br />

<strong>und</strong> Ausbilder.<br />

Gegenstand der Beratung waren:<br />

— die Auswertung der Experten- <strong>und</strong> Facharbeiterworkshops <strong>und</strong> die daraus resultierenden<br />

Aspekte zur weiteren Vorgehensweise der Lehrplanumsetzung,<br />

— die von der wissenschaftlichen Begleitung entwickelten BAGs <strong>und</strong><br />

— exemplarische Beispiele für die Erarbeitung von LAGs.<br />

2.3.5 Betriebs– <strong>und</strong> Berufserk<strong>und</strong>ung<br />

In der bisherigen Ausbildungsstruktur wurde die Frage »Was macht eigentlich ein Industrieelektroniker<br />

(Werkzeugmechaniker, etc.)?« erst sehr spät beantwortet: Das erste Ausbildungsjahr<br />

verbrachten die Auszubildenden mehr oder weniger komplett in den Ausbildungswerkstätten<br />

der VW CG, wo sie anhand von Lehrgängen <strong>und</strong> Ausbildungsprojekten<br />

die Gr<strong>und</strong>fertigkeiten des Berufes so lernten, wie sie in den Ausbildungsrahmenplänen<br />

niedergelegt sind: Recht abstrakt. Eine konkrete <strong>und</strong> realistische Berufsvorstellung<br />

konnte so natürlich nicht entstehen. So ganz ohne Vorbereitung sollten die Auszubildenden<br />

allerdings nicht in den Betrieb gehen: Die Ausbilder hatten Sicherheitsbedenken,<br />

der Betrieb empfand Auszubildende, die noch so »gar nichts können«, als »Störgröße«<br />

im Alltagsgeschäft.<br />

Im didaktischen Rahmenkonzept des Modellversuchs <strong>»GAB</strong>« soll jedoch bereits im ersten<br />

Lernbereich mit einer Orientierung über den Beruf aufgesetzt werden: Die Ausbildung<br />

soll zunächst die Frage beantworten, »worum es im Beruf in der Hauptsache geht«.<br />

Zu diesem Zweck ist ein Programm »Betriebs– <strong>und</strong> Berufserk<strong>und</strong>ung« aufgelegt worden,<br />

das hier am Beispiel der Berufserk<strong>und</strong>ung für die Industrieelektroniker in Kassel vorgestellt<br />

werden soll 8 .<br />

Die Auszubildenden werden bereits im ersten Monat in die Fertigung, in ausgewählte<br />

Anlagen versetzt. Sie sollen zweimal jeweils eine Woche unterschiedliche Fertigungsstationen<br />

kennen lernen. In den Anlagen werden sie von (wechselnden) Anlagenführern<br />

8 Betriebs– <strong>und</strong> Berufserk<strong>und</strong>ung unterscheiden sich in Ablauf <strong>und</strong> Organisation geringfügig zwischen<br />

den Standorten, folgen aber demselben Prinzip.<br />

40


Gemeinsamer Zwischenbericht MV GAB<br />

<strong>und</strong> Instandhaltern betreut, der zuständige Ausbilder aus der VW CG übernimmt die<br />

»Patenschaft« für bestimmte Ausbildungsstationen.<br />

Da die Auszubildenden in Normalschicht, also von 7:30 Uhr bis 15:30 Uhr arbeiten,<br />

lernen sie im Laufe der Woche jeweils das Anlagenpersonal beider Tagschichten kennen<br />

<strong>und</strong> erleben die Schichtübergabe.<br />

In den Fertigungsstationen werden den Auszubildenden durch die Betreuer Arbeiten<br />

zugeteilt, die durchaus ohne Vorkenntnisse zu verrichten oder schnell zu erlernen sind,<br />

die aber möglichst täglich wechseln <strong>und</strong> einen bestimmten Aspekt der Fertigung in der<br />

Anlage beleuchten. Zur Strukturierung des Einsatzes erhalten die Auszubildenden Leitfragen,<br />

die sie bearbeiten müssen (s. Anhang B1). Am Ende jedes Arbeitstages sammeln<br />

sich die Auszubildenden wieder für eine halbe St<strong>und</strong>e in der VW CG, um den Tag zu<br />

reflektieren <strong>und</strong> Absprachen für den nächsten Tag zu treffen. Zur Förderung der Reflexionsfähigkeit<br />

der Auszubildenden ihrer Arbeit gegenüber <strong>und</strong> um einen Überblick über<br />

den eigenen Einsatz hinaus zu bekommen, müssen die Auszubildenden am Ende der<br />

Berufserk<strong>und</strong>ung eine Präsentation erarbeiten, in der sie ihre Arbeitsstellen <strong>und</strong> ihre Erfahrungen<br />

vorstellen. Die Präsentationen werden zum Teil in Kooperation mit der Berufsschule<br />

vorbereitet, bei den Präsentationen ist auch die Leitung der VW CG zugegen,<br />

was den Auszubildenden ein besonderes Gefühl der Anerkennung gibt.<br />

Die bisherigen Erfahrungen mit diesem »kleinen« Instrument sind überraschend positiv:<br />

Durch eine vorgeschaltete Sicherheitsbelehrung <strong>und</strong> besondere Sicherheitseinweisungen<br />

vor Ort kam es auch an sensiblen Stellen nicht zu Zwischenfällen, was das Argument zur<br />

»Gefährlichkeit« eines Aufenthalts von »Laien« in der Fertigung deutlich relativiert hat.<br />

Die Auszubildenden zeigen sich noch lange nach der Berufserk<strong>und</strong>ung motiviert <strong>und</strong><br />

sich ihres Berufes bewusster. Die weitere Ausbildung kann auf die ersten Praxiserfahrungen<br />

der Auszubildenden bei der Vermittlung von Inhalten zurückgreifen <strong>und</strong> ihnen zumindest<br />

teilweise die Abstraktheit nehmen, was insbesondere von der Berufsschule begrüßt<br />

wird. Seitens des Betriebes sind Vorbehalte gegenüber »ganz neuen« Auszubildenden<br />

deutlich abgebaut worden, die Betreuer vor Ort haben sich fast ausnahmslos für die<br />

Auszubildenden etwas einfallen lassen bzw. sich intensiv um sie gekümmert.<br />

Die in der Berufserk<strong>und</strong>ung angelegte Reflexionsfähigkeit der Auszubildenden wird<br />

durch das Führen eines »Auftragsbuches« (s. Anhang B1) fortgeführt <strong>und</strong> vertieft. Jeder<br />

Auszubildende soll für einen Auftrag bzw. eine Aufgabe pro Monat eine ausführliche<br />

Dokumentation erstellen. Das Auftragsbuch dient als Leitfaden zur systematischen Bearbeitung<br />

von Aufträgen <strong>und</strong> es unterstützt den Auszubildenden bei der Nachbearbeitung<br />

von Lerninhalten. Im Auftragsbuch dokumentiert der Auszubildende seine persönliche<br />

Lernentwicklung.<br />

In das Auftragsbuch sollen alle auftragsbegleitenden Unterlagen wie z. B. Zeichnungen,<br />

Skizzen, Arbeitspläne, Material– oder Stücklisten, Prüfprotokolle etc. aufgenommen werden.<br />

Gerade auch für die Berufsschule bietet sich das Auftragsbuch als Anknüpfungspunkt<br />

an, um die Arbeitserfahrung der Auszubildenden im Unterricht aufzugreifen.<br />

41


Betrieb<br />

Gemeinsamer Zwischenbericht MV GAB<br />

2.3.6 Service–Produktions–Lerninseln im Betrieb<br />

Die inhaltlich–didaktische Ebene der betrieblichen Ausbildung wird durch sogenannte<br />

»Lern– <strong>und</strong> Arbeitsaufgaben« (LAG) beschrieben. Die LAGs bauen auf den »Beruflichen<br />

Arbeitsaufgaben« (BAG) auf, die die wissenschaftliche Begleitung erhoben <strong>und</strong> als die<br />

Berufsausbildung strukturierendes Element zur Verfügung gestellt hat. Entlang der durch<br />

die wissenschaftliche Begleitung vorgegebenen entwicklungslogischen Anordnung der<br />

BAGs sind in den LAGs die Lerninhalte <strong>und</strong> Lernziele formuliert worden. Die LAGs<br />

stellen derzeit also das betriebliche Curriculum dar <strong>und</strong> sollen den Ausbildern <strong>und</strong> betrieblichen<br />

Ausbildungsbeauftragten (ABBA — in der Regel Facharbeiter mit Ausbildungsfunktion)<br />

als Leitlinie zur sukzessiven Übersetzung der bisherigen (lehrgangsorientierten)<br />

Ausbildungsstruktur in die geschäfts– <strong>und</strong> arbeitsprozessorientierte Ausbildung<br />

dienen.<br />

Ein zentrales Element in der betrieblichen Umsetzung sind die »Service–Produktions–<br />

Lerninseln« (SPL). Insbesondere für die eher prozessorientierten Berufe wie Industrieme–<br />

chaniker <strong>und</strong> Industrieelektroniker gibt es kaum eine ähnlich effektive Form, die kom–<br />

plexe Fertigungswelt für die Ausbildung zu erschließen. Was in den eher produkt–<br />

orientierten Berufen wie Automobilmechaniker <strong>und</strong> — begrenzt — auch Werkzeug–<br />

mechaniker noch möglich erscheint: Den Gegenstand des Berufes in eine Lehrwerkstatt<br />

zu holen, ist für die Berufe, die sich bei Volkswagen überwiegend mit dem Betrieb <strong>und</strong><br />

der Instandsetzung von Fertigungsanlagen auseinandersetzen, kaum realistisch.<br />

Das Konzept der SPL ist genauer in Abschnitt 4.2 (S. 93 ff.) dargestellt. Hier sollen nun<br />

— nach Berufsgruppen geordnet — die derzeit vorhandenen SPLs vorgestellt werden. Dafür<br />

werden zu jeder SPL Inhalt, Aufbau <strong>und</strong> Organisation sowie etwaige Besonderheiten<br />

beschrieben. Die in der SPL abgearbeiteten LAGs sind im Anhang B2 exemplarisch beigefügt.<br />

Da die Organisation des Gesamtvorhabens darauf aufbaut, dass je ein VW–<br />

Standort für eine Berufsgruppe die Vorreiterrolle übernommen hat <strong>und</strong> die anderen<br />

Standorte die Entwicklungsarbeiten für den jeweiligen Beruf gerade erst übernehmen, ist<br />

der Ausbaustand der SPLs entsprechend an den »Pilotstandorten« weiter fortgeschritten.<br />

Industriemechaniker<br />

»Zentrale Instandhaltung« <strong>und</strong> »Instandhaltung–Montagen« — Hannover<br />

In Hannover sind SPLs in zentralen Instandhaltungsbereichen eingerichtet worden. Dabei<br />

handelt es sich um Werkstätten, die lokal am Rande der jeweiligen Fertigungsbereiche<br />

angesiedelt sind, aber für die Fertigung zentrale Aufgaben übernehmen: Die »direkte«<br />

Störungsbehebung an den Fertigungsanlagen ist im Laufe der Zeit zunehmend dezentralisiert,<br />

also in die räumliche Nähe der Anlagen verlagert worden. Dabei werden jedoch<br />

defekte Bauteile nur ausgetauscht <strong>und</strong> bei Anlagenumrüstungen geänderte oder neu gebaute<br />

Teile eingesetzt. Für die Reparatur der defekten bzw. den Neubau <strong>und</strong> die Änderung<br />

der umzurüstenden Bauteile bestehen vor Ort nicht die Möglichkeiten. Dies geschieht<br />

in den zentralen Werkstätten.<br />

In der »zentralen Instandhaltung« arbeiten je 12 Auszubildende aus dem ersten Ausbildungsjahr<br />

für zwei Monate in Zweiergruppen direkt mit einem Facharbeiter zusammen.<br />

42


Gemeinsamer Zwischenbericht MV GAB<br />

Das Aufgabengebiet umfasst z. B. das Warten von Transportgehängen, die Anfertigung<br />

von Lackhilfsbeschlägen, die Reparatur von Pneumatikzylindern etc. Dabei gehen die<br />

Auszubildenden durchaus in die Fertigungsbereiche hinein, um z. B. reparierte Transportgehänge<br />

wieder in Betrieb zu nehmen oder Reparaturen vor Ort durchzuführen. Ein<br />

Ausbildungsbeauftragter <strong>und</strong> ein Ausbilder koordinieren den Einsatz der Auszubildenden,<br />

so dass sie im Versetzungszeitraum möglichst die ganze Aufgabenbreite abgedeckt<br />

haben. Für ergänzende Unterweisungen steht in der SPL ein Arbeitsbereich mit Werkbänken<br />

zur Verfügung.<br />

Für die Auszubildenden im 2. Ausbildungsjahr ist gerade eine weitere SPL »Instandhaltung–Montagen«<br />

eingerichtet worden. Hier werden Instandhaltungsarbeiten bzw. Umrüstung<br />

<strong>und</strong> Neubau von Montage– <strong>und</strong> Montagehilfsvorrichtungen für das Cost Center<br />

»Montagen« vorgenommen. Die Tätigkeiten selbst decken eher den »schlosserischen«<br />

Anteil des Berufsbildes Industriemechaniker ab, dafür bietet die SPL besondere Herausforderungen<br />

an die konstruktive Kompetenz der Auszubildenden: Während in der Fertigung<br />

<strong>und</strong> Wartung die meisten Aufgaben vorgegeben sind <strong>und</strong> wenig Gestaltungsspielraum<br />

bieten, kommen hier oft Facharbeiter bzw. die dezentralen Instandhalter mit einer<br />

Idee, vielleicht einer einfachen Handskizze für ein Bauteil oder eine Vorrichtung, die sie<br />

benötigen. Die Auszubildenden haben dann weitgehende Gestaltungsmöglichkeiten bei<br />

der Umsetzung der Ideen, immer auch im Ausgleich von Anforderungen an Produkt,<br />

Zeithorizont, vorhandenem Material <strong>und</strong> Werkstattausstattung. Eine hohe Zahl von<br />

Verbesserungsvorschlägen durch die Auszubildenden zeigt, dass sie diese Gestaltungsspielräume<br />

tatsächlich als Herausforderung annehmen <strong>und</strong> nutzen.<br />

Um dauerhaft eine »Gr<strong>und</strong>auslastung« in der SPL gewährleisten <strong>und</strong> zugleich einen festen<br />

Satz an Qualifikationen anbieten zu können, bemüht sich diese SPL derzeit um eine<br />

Vereinbarung über die periodische Inspektion <strong>und</strong> Instandhaltung von sogenannten<br />

»großen Werkstückträgern«. Das sind relativ komplexe Transport– <strong>und</strong> Montageträger,<br />

auf denen Motor <strong>und</strong> Abgasanlage vormontiert <strong>und</strong> der Endmontage im Fahrzeug zugeführt<br />

werden. An diesen Werkstückträgern sind größere Wartungsumfänge abzuleisten:<br />

Es sind u. a. pneumatische/elektrische Spanner, Aufsatz– <strong>und</strong> Schrauberpunkte exakt zu<br />

justieren, um bei der automatischen Montage die erforderlichen Genauigkeiten zu erreichen<br />

etc. Bislang werden diese Werkstückträger nur unregelmäßig gewartet, was zu entsprechenden<br />

Fertigungsstörungen bzw. Qualitätsabweichungen führen kann. In der Art<br />

eines »Wartungsvertrages« mit dem Cost Center Montagen könnte die SPL diese Dienstleistung<br />

für die Fertigung anbieten <strong>und</strong> damit zugleich einen Beitrag zum Konzept »Total<br />

Productivity Maintenance« leisten, wie auch eine interessante Aufgabe für die Ausbildung<br />

sichern würde.<br />

Die SPL ist mit je 12 Auszubildenden besetzt. Als »Stammpersonal« stehen ein Ausbildungsbeauftragter<br />

(Facharbeiter) <strong>und</strong> ein Ausbilder zur Verfügung. Von Zeit zu Zeit<br />

kommen auch die dezentralen Instandhalter in die Werkstatt, um Arbeiten zu erledigen,<br />

für die ihnen vor Ort die Maschinenausstattung fehlt. Aus versetzungstechnischen<br />

Gründen bleiben die Auszubildenden derzeit nur zwei Monate in der SPL, für das nächste<br />

Ausbildungsjahr wird die Verweildauer in der SPL aber auf drei Monate heraufgesetzt.<br />

Auszubildende rotieren für je zwei Wochen auch in die dezentralen Instandhaltungen<br />

43


Gemeinsamer Zwischenbericht MV GAB<br />

»vor Ort«, um so den kompletten »Geschäftsprozess Instandhaltung« kennen zu lernen.<br />

Beide Werkstätten sind mit üblichem Standardwerkzeug, Werkzeugwagen, Dreh–, Bohr–,<br />

Schleif– <strong>und</strong> Fräsmaschinen sowie Schweißplätzen ausgestattet.<br />

»Dienstleistungs– <strong>und</strong> Wertschöpfungszentrum« — Emden<br />

Das »Dienstleistungs– <strong>und</strong> Wertschöpfungszentrum« in Emden deckt ein ähnliches Spektrum<br />

ab wie die Instandhaltungswerkstätten in Hannover: Neu– <strong>und</strong> Umbau <strong>und</strong> Reparatur<br />

von Vorrichtungen, Hilfswerkzeugen, kleinen Maschinen oder Anlagen für Rohbau<br />

<strong>und</strong> Montage des Emdener VW–Werkes, Umbau <strong>und</strong> Reparatur von Skids 9 , Transport–<br />

<strong>und</strong> Montagegehängen etc. Zusätzlich dazu werden noch Ersatzteile für die zentralen<br />

Instandhaltungen im Werk gefertigt. Im Unterschied zu den hannoverschen SPLs ist das<br />

Dienstleistungs– <strong>und</strong> Wertschöpfungszentrum jedoch in den Räumen der VW CG untergebracht.<br />

Das liegt darin begründet, dass es am Standort Emden bereits vor GAB eine<br />

gefestigte Tradition gab, Auftragsarbeiten aus der Fertigung an die VW CG zu vergeben,<br />

dass also bereits Geschäftsbeziehungen bestanden <strong>und</strong> die VW CG sich als kompetenter<br />

Ansprechpartner auch für anspruchsvollere Aufgaben etabliert hatte. Im Rahmen des<br />

Modellversuchs GAB ist die Auftragsbearbeitung allerdings zusammengezogen <strong>und</strong> eben<br />

im Dienstleistungs– <strong>und</strong> Wertschöpfungszentrum konzentriert worden. Damit ist die<br />

Auftragsbearbeitung als systematisches Element der Berufsausbildung erschlossen <strong>und</strong> in<br />

die Ausbildungsplanung integriert worden. Das Dienstleistungs– <strong>und</strong> Wertschöpfungszentrum<br />

verfügt neben dem eigentlichen Werkstattbereich mit Bank– <strong>und</strong> Schweißplätzen<br />

auch über ein eigenes Halbzeuglager <strong>und</strong> einen Maschinenpark, der als Bearbeitungszentrum<br />

überwiegend mit CNC–Maschinen bestückt ist. Im Bedarfsfall kann die<br />

SPL auf Industrieelektroniker <strong>und</strong> auf den Maschinenpark zurückgreifen.<br />

In der SPL arbeiten jeweils 30 Auszubildende, 15 aus dem zweiten Ausbildungsjahr, 15<br />

aus dem dritten 10. Die Auszubildenden bleiben dort für drei Monate. Darüber hinaus<br />

arbeiten dort noch fünf Facharbeiter (als ABM–Kräfte) <strong>und</strong> drei »Praxislerner«, junge<br />

Meister, die befristet eingestellt worden sind <strong>und</strong> als Ausbildungsbeauftragte die Auszubildenden<br />

unterstützen. Ein Ausbilder koordiniert die Auftragsbearbeitung so, dass einerseits<br />

die Terminstellungen eingehalten werden können, andererseits auf die Qualifikation<br />

der Auszubildenden geachtet wird.<br />

»CVT-Getriebe Fertigung« — Kassel<br />

Während die vorgenannten SPLs überwiegend Werkstattcharakter haben <strong>und</strong> vom Fertigungsfluss<br />

weitgehend unabhängig agieren, ist in Kassel eine fertigungsintegrierte SPL<br />

eingerichtet worden. Beim Neuaufbau einer kompletten Getriebelinie, in der ein neuer<br />

Getriebetyp, das CVT–Getriebe, vom Halbzeug bis zum fertigen Produkt hergestellt wird,<br />

konnte ein Anlagenbereich für die Ausbildung erschlossen werden. Das umfasst sowohl<br />

die Bedienung als auch die Qualitätssicherung <strong>und</strong> die Anlageninstandhaltung. Zunächst<br />

9 Transportsystem zum Verbringen der Karossen <strong>und</strong> Aggregate zwischen Fertigungs– <strong>und</strong> Montagebereichen.<br />

10 In Emden besteht noch das vollschulische BGJ, so dass die Auszubildenden erst im zweiten Ausbildungsjahr<br />

in die betriebliche Ausbildung kommen.<br />

44


Gemeinsamer Zwischenbericht MV GAB<br />

werden nur zwei Industriemechaniker–Auszubildende in der SPL eingesetzt. Mit jedem<br />

Versetzungszeitraum, also alle drei Wochen, kommen zwei hinzu, bis die SPL mit 14<br />

Auszubildenden besetzt ist. Mit dem weiteren Ausbau der Fertigungslinie soll auch die<br />

SPL ausgebaut werden, so dass auch Industrieelektroniker–Auszubildende, die derzeit in<br />

dem Bereich an einzelnen Versetzungsstellen eingesetzt werden, in die SPL integriert<br />

werden können. Die seltene Gelegenheit, bei einem kompletten Neuaufbau einer komplexen<br />

Anlage mit der Ausbildung einzusteigen, bietet auch eine Kontaktstelle zu innovativer<br />

Fertigungstechnik <strong>und</strong> Arbeitsorganisation. Da der gesamte Fertigungsbereich<br />

<strong>und</strong> damit die SPL sich noch im Aufbau befindet, können genauere Angaben erst zum<br />

nächsten Zwischenbericht gemacht werden.<br />

In den SPLs bearbeitete Lern– <strong>und</strong> Arbeitsaufgaben:<br />

LAG 1.1: Wartungs– <strong>und</strong> Inspektionsarbeiten.<br />

LAG 2.1: Manuelles <strong>und</strong>/oder maschinelles Herstellen von Einzelteilen <strong>und</strong>/oder Baugruppen.<br />

LAG 3.1: Sicherstellung <strong>und</strong> Überwachung der Ver– <strong>und</strong> Entsorgung von Produktionsmaterial<br />

sowie die Überwachung des Fertigungsablaufes.<br />

LAG 4.1: Vorbeugende Instandhaltung.<br />

LAG 6.1: Neuanfertigung von defekten Bauteilen.<br />

LAG 7.1: Einrichten <strong>und</strong> Umrüsten von Anlagen, Maschinen <strong>und</strong> Betriebsmitteln.<br />

LAG 8.1: Reparatur von defekten Einzelteilen <strong>und</strong>/oder Baugruppen.<br />

Industrieelektroniker<br />

»Service-Center« — Salzgitter:<br />

Bei der SPL im Bereich des »Service–Center« handelt es sich um eine Elektrowerkstatt<br />

am Rande einer Werkhalle im Werk Salzgitter. Die SPL ist der zentralen Elektroinstandhaltung<br />

angegliedert <strong>und</strong> setzt sich aus drei Bereichen zusammen: Der Demontage <strong>und</strong><br />

dem Bau von Schaltschränken, der Reparatur von Betriebsmitteln (überwiegend Handkräne<br />

<strong>und</strong> Hebezeuge/Kettenzüge) <strong>und</strong> der Ausführung von Elektroinstallationen im<br />

Werk.<br />

Für die Schaltschränke werden Schaltpläne <strong>und</strong> Stücklisten zentral in der Werkplanung<br />

(anderes Cost Center) erstellt <strong>und</strong> an die Werkstatt gegeben. Dort werden die Schränke<br />

nach den Vorgaben ausgerüstet. Die Schränke werden vor Auslieferung in einer Simulation<br />

auf Funktion getestet. An der eigentlichen Aufstellung <strong>und</strong> am Anschluss sind die<br />

Auszubildenden nicht mehr beteiligt. 11 Je nach Umfang arbeiten je zwei Auszubildende<br />

6–12 Arbeitstage an einem Schaltschrank.<br />

Die Betriebsmittel werden in einer Art »Zwischenlager« gesammelt, von dort abgearbeitet<br />

<strong>und</strong> nach der Reparatur auch wieder dort zwischengelagert. Sie werden von den Instand-<br />

11 Programmierung, Einbau <strong>und</strong> Einfahren der Schaltschränke werden von Fremdfirmen, i. d. R. am<br />

Wochenende, vorgenommen, um die Produktionsausfallzeit möglichst gering zu halten.<br />

45


Gemeinsamer Zwischenbericht MV GAB<br />

haltern (»Kranschlossern«) gebracht <strong>und</strong> auch wieder abgeholt. Die Durchlaufzeit beträgt<br />

im Schnitt 1 Woche. Ein »K<strong>und</strong>enkontakt« entsteht dabei nicht. Die meisten Reparaturen<br />

beziehen sich auf Motore <strong>und</strong> Schalter sowie gebrochene Kabel.<br />

Abbildung 6: Auszubildende reparieren Kettenzüge in der SPL »Service–Center Elektro« in Salzgitter<br />

Die Elektroinstallationen werden naturgemäß nicht in der Werkstatt ausgeführt. Typische<br />

Installationen sind z. B. das Auswechseln defekter Lampen, das Anschließen von Maschinen<br />

oder die Installation von Lampen, Schaltern <strong>und</strong> Steckdosen in einer Werkstatt<br />

oder Waschkaue o. ä. Die Arbeiten werden in Gruppen von bis zu drei Auszubildenden<br />

<strong>und</strong> einem Ausbildungsbeauftragten durchgeführt <strong>und</strong> dauern in der Regel einen halben<br />

bis einen Tag pro Auftrag.<br />

Die Ausbildungsbeauftragten ordnen die Arbeit vier BAGs zu. Drei liegen im ersten<br />

Lernbereich, die vierte erstreckt sich vom ersten bis in den dritten Lernbereich.<br />

Begleitend wird in der SPL ein Teil der Theorie vermittelt, die in den Zusammenhang<br />

der Arbeitsaufgaben passt. Ein fester Inhaltskanon dafür besteht nicht, der Ausbilder<br />

richtet sein Programm danach aus, welche Fehler von den Auszubildenden häufiger gemacht<br />

werden bzw. welche Probleme diese bei der Bearbeitung ihrer Aufgaben haben.<br />

In der SPL arbeiten i. d. R. je 18 Auszubildende aus dem 1. <strong>und</strong> 6 aus dem 3. Ausbildungsjahr,<br />

sowie drei (zwischenzeitlich 4) Ausbildungsbeauftragte <strong>und</strong> ein Ausbilder. Die<br />

Auszubildenden bleiben drei Monate in der SPL. Ausbilder vor Ort ist jeweils der<br />

»Stammausbilder« der Auszubildenden des 1. Ausbildungsjahres. Die Auszubildenden<br />

aus dem 3. Ausbildungsjahr fungieren als »Tutoren« für die des 1. Ausbildungsjahr. 12<br />

Die Werkstattausstattung ist von der zentralen Elektroinstandhaltung gestellt worden,<br />

Lehrmaterialien <strong>und</strong> die Ausstattung des Unterweisungsraums von der VW CG.<br />

12 Nach zwei Durchgängen, also 6 Monaten, sind alle Azubis eines 1. Ausbildungsjahres in der SPL<br />

gewesen. Weitere fünf Monate ist die SPL mit 12 Azubis des 2. Ausbildungsjahres belegt, die jeweils<br />

ein bis zwei Monate in der SPL bleiben. Einen Monat bleibt die SPL wegen Urlaub geschlossen. Damit<br />

können in der SPL das ganze Jahr über Aufträge bearbeitet werden, was für die Akzeptanz der<br />

SPL im Werk eine zwingende Voraussetzung ist.<br />

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Gemeinsamer Zwischenbericht MV GAB<br />

»Elektromontage/Installation EMI 3« — Kassel<br />

Die SPL »Elektromontage/Installation EMI 3« in Kassel deckt fast dasselbe Aufgabengebiet<br />

ab, wie das Service–Center Elektro in Salzgitter: Schaltschrankbau, Elektroinstallationen,<br />

Reparatur von Handgeräten, Prüfen von ortsveränderlichen Geräten (z. B. Ladegeräte<br />

u. ä.). Die SPL ist mit einem ABBA <strong>und</strong> zwei Facharbeitern sowie einem Ausbilder<br />

der VW CG besetzt. Neben 18 Auszubildenden aus dem ersten sind noch 4 bis 6 Auszubildende<br />

aus dem zweiten oder dritten Ausbildungsjahr eingesetzt. Die Organisation<br />

des SPL–Betriebes ist auf die besonderen Bedingungen der Ausbildung am Standort Kassel<br />

abgestimmt: Die Auszubildenden verbleiben für 15 Wochen in der SPL. Wegen der<br />

Organisation des Berufsschulunterrichts als Blockunterricht sind die Auszubildenden<br />

nach jeweils zwei Wochen im Betrieb je eine Woche in der Schule. Um die Arbeitsfähigkeit<br />

in der SPL aufrecht zu erhalten, wird darauf geachtet, dass die SPL mit Auszubildenden<br />

aus verschiedenen Ausbildungsjahren besetzt wird, damit die Auszubildenden<br />

immer versetzt in die Berufsschule kommen <strong>und</strong> immer einige in der SPL sind. Dies<br />

bringt jedoch einen recht komplexen Versetzungsplan über die gesamte Auszubildendengruppe<br />

mit sich.<br />

Als Besonderheit der SPL kann bezeichnet werden, dass viele standardisierte Schaltschränke<br />

<strong>und</strong> Schaltschränke in Kleinserien hergestellt werden. Die Fertigung von Standard–Schaltschränken<br />

bietet besonders gute Möglichkeiten, eine zugleich arbeitsprozessorientierte<br />

wie systematische Ausbildung zu befördern, da Auftragsvolumen <strong>und</strong> -inhalt<br />

in weiteren Zeitläufen planbar sind. Dafür lassen sich Regeln aufstellen <strong>und</strong> Standards<br />

definieren, wie es für die Bearbeitung von Aufgaben im ersten Lernbereich geboten ist.<br />

Abbildung 7: Der Ausbilder nimmt einen von einem Auszubildenden gebauten Schaltschrank ab<br />

Da auch in Kassel die Schaltschränke nicht von den Auszubildenden selbst installiert<br />

<strong>und</strong> an der Anlage in Betrieb genommen werden können, müssen zur Funktionsprüfung<br />

Simulationen herangezogen werden. Zu diesem Zweck haben Auszubildende für einen<br />

Standard–Schaltschrank, mit dem die Kühl–/Schmierflüssigkeitsversorgung in spanenden<br />

Fertigungsanlagen geregelt wird, einen Prüfstand entwickelt <strong>und</strong> gebaut.<br />

47


Gemeinsamer Zwischenbericht MV GAB<br />

»Schweißmaschinenbau« — Hannover<br />

Der Bereich Schweißmaschinenbau im Nutzfahrzeug–Werk Hannover ist verantwortlich<br />

für Aufbau, Wartung, Programmierung <strong>und</strong> Reparatur von Schweiß– <strong>und</strong> Handhabungsrobotern,<br />

wie sie vor allem im Karosserie-Rohbau in z. T. ausgedehnten <strong>und</strong> verketteten<br />

Schweißanlagen eingesetzt werden. Dort ist eine SPL als »Roboter–Prüffeld« eingerichtet<br />

worden. Die SPL ist mit 8 Auszubildenden aus dem 1. <strong>und</strong> 4 aus dem 2. Ausbildungsjahr<br />

sowie einem ABBA besetzt. Die Auszubildenden wechseln jeweils nach zwei Monaten,<br />

wobei eine Überdeckung von ein bis zwei Wochen als »Übergabezeitraum« angestrebt<br />

wird. In der SPL werden die Steuerleitungen <strong>und</strong> die Energieleitungen der Roboter<br />

auf Schäden (z. B. Kabelbrüche) <strong>und</strong> Funktion überprüft <strong>und</strong> ggf. repariert. Bei Bedarf<br />

werden auch neue Leitungen <strong>und</strong> Leitungspakete konfektioniert bzw. angefertigt. Zum<br />

Prüfen der Leitungen ist ein eigenes Prüffeld entwickelt <strong>und</strong> in der VW CG hergestellt<br />

worden.<br />

Abbildung 8: Der Auszubildende »fährt« eine Anlage in der CVT–Getriebefertigung<br />

Darüber hinaus werden in der SPL auch CO2–Schweißgeräte einer vorgeschriebenen Routineprüfung<br />

(Jahresprüfung) unterzogen, evtl. repariert <strong>und</strong> wieder für den Einsatz freigegeben.<br />

Die Hauptverschleißteile an den CO2–Schweißgeräten, die Schlauchpakete, werden<br />

in der SPL auch über die Jahresprüfungen hinaus geprüft, repariert, konfektioniert<br />

<strong>und</strong> gebaut.<br />

Die Aufgaben selbst, die in der SPL bearbeitet werden, sind einerseits recht einfach zu<br />

bewältigen, andererseits beinhalten sie durchaus eine hohe Verantwortung, sowohl was<br />

den Fertigungsfluss angeht, als auch in Bezug auf Gewährleistung <strong>und</strong> Sicherheit. Damit<br />

<strong>und</strong> aufgr<strong>und</strong> der überschaubaren, weitgehend routinisierbaren <strong>und</strong> regelmäßig auftretenden<br />

Aufgaben bietet sich die SPL insbesondere für eine arbeits– <strong>und</strong> geschäftsprozessorientierte<br />

Gr<strong>und</strong>lagenausbildung an, ein Bereich, für den es sonst recht schwierig ist,<br />

geeignete Aufgaben für die Ausbildung zu finden.<br />

In den SPLs bearbeitete Lern– <strong>und</strong> Arbeitsaufgaben:<br />

LAG 1.1: Montage, Leitungsverlegung, Verdrahtung <strong>und</strong> Inbetriebnahme unterschiedlicher<br />

Installationen der Beleuchtungs–, Energieversorgungs– <strong>und</strong> Datenverar-<br />

48


Gemeinsamer Zwischenbericht MV GAB<br />

beitungstechnik.<br />

LAG 3.1: Überprüfung <strong>und</strong> Instandsetzung ortsveränderlicher bzw. ortsfester elektrischer<br />

Betriebsmittel sowie einfacher Kraftstromanlagen.<br />

LAG 4.1: Durchführung <strong>und</strong> Dokumentation von Instandhaltungsarbeiten an Produktionsanlagen<br />

anhand von Instandhaltungsplänen.<br />

LAG 6.1: Montage, Installation <strong>und</strong> Überprüfung von elektrischen Schaltanlagen<br />

(Schaltschrankbau).<br />

LAG 6.2: Fehlersuche, Reparatur <strong>und</strong> Funktionsprüfung an defekten elektronischen<br />

Baugruppen der Analog– <strong>und</strong> Digitaltechnik.<br />

Werkzeugmechaniker<br />

SPL »Kleinfräsen« im Maschinen– <strong>und</strong> Werkzeugbau — Braunschweig<br />

In der SPL »Kleinfräsen« werden von je 10 Auszubildenden zusammen mit einem betrieblichen<br />

Ausbildungsbeauftragten <strong>und</strong> einem Ausbilder der VW CG an 6 CNC–gesteuerten<br />

<strong>und</strong> 4 konventionellen Fräsmaschinen kleinere Teile für den allgemeinen Maschinen–<br />

<strong>und</strong> Werkzeugbau der VW AG hergestellt. Die Auszubildenden verbleiben für<br />

je zwei Monate in der SPL 13.<br />

Die SPL ist direkt in die Maschinenzentrale des Werkzeugbaus eingeb<strong>und</strong>en, die in die<br />

Bereiche Großfräsen, Mittelfräsen, Kleinfräsen, Dreherei, Erodieren, Werkzeugschleiferei<br />

<strong>und</strong> Leitstand (Arbeits– <strong>und</strong> Materialvorbereitung, Fertigungssteuerung) unterteilt ist.<br />

Die SPL wird durch die Meisterschaft mit Fräsaufträgen versorgt, wobei Ausbilder <strong>und</strong><br />

ABBA eine Auswahl geeigneter Aufträge vornehmen. Bevorzugt werden dabei aber kleine<br />

Lose vergeben, um möglichst viel Abwechslung <strong>und</strong>, damit verb<strong>und</strong>en, Qualifikationszuwachs<br />

zu ermöglichen. »Grenzkriterium« für die Auswahl der Aufträge ist die Leistungsfähigkeit<br />

der Maschinen. Derzeit werden noch recht einfache Umfänge bearbeitet.<br />

Für die Bearbeitung komplexerer Bauteile fehlt noch die Ausrüstung mit PCs <strong>und</strong> geeigneter<br />

Konstruktionssoftware zur Berechung von Schnittpunkten, Schnittverläufen etc.<br />

PCs <strong>und</strong> Software werden aber gerade beschafft.<br />

Die SPL nimmt zwar nur eine einzelne Fertigungstechnologie auf, ist aber unmittelbar in<br />

die umgebende Arbeitsstruktur eingeb<strong>und</strong>en <strong>und</strong> nimmt so direkt die Arbeitsorganisation<br />

des Maschinen– <strong>und</strong> Werkzeugbaus auf.<br />

Die Auszubildenden haben in der Regel vor dem Durchlauf einen vierwöchigen CNC–<br />

Gr<strong>und</strong>kurs in der VW CG absolviert, bei dem sie allerdings nur am PC simulieren konnten.<br />

Auszubildende <strong>und</strong> Ausbilder berichten übereinstimmend, dass der Einsatz in der<br />

SPL ein großer Gewinn sei, da nicht nur das Schreiben von CNC–Programmen »mit<br />

Ernstcharakter« geübt werden kann, sondern vor allem, weil die hinter der CNC–Bearbeitung<br />

stehenden Fertigungsstrategien nur durch die Praxis erschlossen werden können.<br />

13 Nach 8 Monaten ist ein Einstelljahrgang durch die SPL durchgelaufen. Drei weitere Monate wird eine<br />

Auszubildendengruppe, die die Zerspanung vertiefen will, in die SPL versetzt. Einen Monat bleibt die<br />

SPL wegen Urlaubs geschlossen.<br />

49


Gemeinsamer Zwischenbericht MV GAB<br />

Zusätzlich zum SPL–Einsatz werden die Auszubildenden je 4 Wochen in der Werkzeugschleiferei<br />

<strong>und</strong> in den Leitstand versetzt. So lernen sie schließlich den vollen Geschäftsprozess<br />

der Maschinenzentrale kennen.<br />

Ähnliche SPLs bestehen in Braunschweig im Formenbau, wo ein betrieblicher Ausbilder<br />

mit 12 Auszubildenden kleinere Formen für Kunststoffteile (z. B. Kupplungspedale) herstellt,<br />

sowie im Werkzeugbau.<br />

Im weiteren Fortgang des Modellversuchs besonders interessant könnte ein Vergleich mit<br />

weiteren SPLs in Braunschweig im Bereich Werkzeugbau <strong>und</strong> Formenbau im Hinblick<br />

auf die Prägung einer beruflichen Identität der Azubis sein.<br />

In der SPL bearbeitete Lern– <strong>und</strong> Arbeitsaufgaben:<br />

LAG 1.1: Anfertigen von Einzelteilen/Baugruppen für verschiedene Werkzeuge/Vorrichtungen<br />

nach Modell/vorhandener Zeichnung manuell <strong>und</strong> maschinell.<br />

LAG 11.1: Erstellen <strong>und</strong>/oder Anpassen von Programmen an computergesteuerten Maschinen.<br />

Automobilmechaniker<br />

»Fahrzeug-Finish-Center NA 2« — Wolfsburg<br />

Die Automobilmechaniker stellen die kleinste Berufsgruppe innerhalb des Modellversuchs<br />

<strong>und</strong> zugleich die Berufsgruppe, die unmittelbar am Produkt selbst eingesetzt ist.<br />

Die Aufgaben der Automobilmechaniker beschränken sich überwiegend auf den Bereich<br />

Forschung <strong>und</strong> Entwicklung <strong>und</strong> Fertigung. Werkstattarbeit im eigentlichen Sinne, etwa<br />

wie im Kfz–Handwerk, fällt dagegen kaum an, da z. B. die Fahrzeuge des konzerneigenen<br />

Fuhrparks schon erneuert werden, bevor umfangreiche Servicearbeiten anfallen.<br />

In der Fertigung ist nun eine SPL in der Nacharbeit <strong>und</strong> Nachreparatur eingerichtet<br />

worden. Hier werden optische oder technische Mängel, die z. B. die Funktion von Aggregaten,<br />

Funktion <strong>und</strong> Passung von Türen <strong>und</strong> Schiebedächern bzw. Klappern etc. betreffen<br />

sowie Fehlbestückungen aufgr<strong>und</strong> falscher oder fehlender Teile behoben. Diese<br />

Mängel werden in der Fertigung an diversen Zählpunkten oder im Audit erfasst. In der<br />

Nacharbeit werden dann defekte Teile ausgetauscht oder fehlende Teile nachgerüstet <strong>und</strong><br />

Einstell– <strong>und</strong> Ausbesserungsarbeiten durchgeführt. Falls bestimmte Probleme öfter auftreten,<br />

findet in Kooperation mit den betroffenen Fertigungsbereichen eine Mängelverfolgung<br />

statt.<br />

Der Nacharbeitsbereich ist in verschiedene Funktionsgruppen gegliedert: Aggregate, Karosserie,<br />

Innenraum, Klimatechnik, Elektrik/Elektronik. Aktuell ist die SPL auf die<br />

Gruppe »Elektrik/Elektronik« beschränkt. Aber auch in anderen Nacharbeitsbereichen<br />

werden Auszubildende im Rahmen der betrieblichen Versetzung eingesetzt. Im Frühjahr<br />

2001 stehen größere Umstrukturierungen des gesamten Nacharbeitsbereichs an, daher ist<br />

derzeit die Einrichtung weiterer SPLs nicht sinnvoll. Es ist geplant, im Rahmen der Umstrukturierung<br />

die betrieblichen Versetzungsstellen zu einer SPL zusammenzufassen <strong>und</strong><br />

dann dort zu vermitteln, was im Umfeld funktional getrennt ist: Die vollständige Nacharbeit<br />

des ganzen Fahrzeugs »aus einer Hand«.<br />

50


Gemeinsamer Zwischenbericht MV GAB<br />

In der SPL bearbeitete Lern– <strong>und</strong> Arbeitsaufgaben:<br />

LAG 7.1: Defekte oder fehlerhafte Baugruppen/-teile an Neufahrzeugen austauschen<br />

oder instandsetzen.<br />

LAG 8.1: Systematische Fehlersuche an Systemen des Kraftfahrzeuges durchführen,<br />

komplizierte Störungen diagnostizieren <strong>und</strong> unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten<br />

beheben.<br />

Kaufmännische Berufsausbildung<br />

Ausbildungs–Service–Center 14 »Behälterdisposition« — Wolfsburg<br />

Im Werk Wolfsburg kursieren ca. 250.000 genormte Kleinteilebehälter («Kleinladungsträger«)<br />

verschiedener Sorten <strong>und</strong> Größen, in denen Kleinteile wie Schrauben, Bolzen,<br />

Schalter, Dichtungen, Leitungen, Kappen, Abdeckungen, Schellen, Griffe etc. der Fertigung<br />

zugeführt werden.<br />

Abbildung 9: Der von den Auszubildenden im ASC bearbeitete Abschnitt des Geschäftsprozesses<br />

»Behälterlogistik«<br />

Für die Fertigung ist wichtig, dass die Teile in den entsprechenden Behältern geliefert<br />

14 Im kaufmännischen Bereich werden die SPLs »Ausbildungs–Service–Center« (ASC) genannt.<br />

51


Gemeinsamer Zwischenbericht MV GAB<br />

werden, auf die die Handhabungstechnik ausgelegt ist. Dafür gibt es entsprechende Liefervereinbarungen<br />

zwischen Volkswagen <strong>und</strong> den Zulieferern. Falls dem Zulieferer nicht<br />

genügend Behälter zur Verfügung stehen, packt ein externer Logistikpartner die gelieferten<br />

Teile von den Lieferverpackungen in die Norm–Behälter auf Kosten von Volkswagen<br />

um. Liefert der Zulieferer jedoch in anderen Verpackungen als den Norm–Behältern,<br />

wird auf seine Kosten umgepackt. Die Aufgabe des ASC ist es nun, die leeren Behälter<br />

so auf die Zulieferer zu verteilen, dass einerseits die Speditionskosten möglichst niedrig<br />

bleiben, andererseits die Zulieferer so versorgt werden, dass möglichst keine Umpackkosten<br />

entstehen. Dazu müssen sie Liefervereinbarungen treffen, Engpässe managen, den<br />

Behälterfluss steuern, die Spediteure <strong>und</strong> die Werkseisenbahn koordinieren <strong>und</strong> mit dem<br />

externen Logistikpartner die korrekte Abrechnung der Umpackleistungen überwachen.<br />

Bis zur Gründung des ASC ist diese Aufgabe von Disponenten aus der Logistik »nebenbei«<br />

erledigt worden, was allein angesichts der ungeheuren Zahl an Behältern zu großen<br />

Verlusten bzw. Kosten geführt hatte. Das ASC erwirtschaftet also allein durch das verbesserte<br />

Management eines spezifischen Logistikbereiches einen Mehrwert für VW.<br />

In dem ASC arbeiten fünf Auszubildende aus verschiedenen Ausbildungsjahren unterschiedlicher<br />

kaufmännischer Berufe mit einem betrieblichen Ausbildungsbeauftragten<br />

zusammen. Neben den fachlichen Aufgaben übernehmen die Auszubildenden auch das<br />

Management ihres ASC selbst, einschließlich Anwesenheit (verschiedene Berufsschultage)<br />

<strong>und</strong> Aufgabenverteilung. In den bisher erfolgten Durchläufen haben die Auszubildenden<br />

zudem auch noch eine Struktur für die Bearbeitung der Aufgaben selbst entwickelt <strong>und</strong><br />

eingeführt, da es, wie erwähnt, diese Dienstleistung zuvor in organisierter Form noch gar<br />

nicht gab. Der Ausbildungsbeauftragte hat in dieser Zeit den nötigen Rückhalt gegenüber<br />

der »Mutterabteilung« sichergestellt <strong>und</strong> den Kontaktaufbau zu den internen <strong>und</strong><br />

externen Partnern begleitet. Derzeit baut er ein arbeitsbegleitendes »Qualifizierungssystem«<br />

auf, indem er Sachbearbeiter <strong>und</strong> Fachreferenten aus der »Mutterabteilung« <strong>und</strong><br />

den Nachbarbereichen zu einem festen Termin (ein Nachmittag pro Woche) einlädt, an<br />

dem alle Auszubildenden im ASC arbeiten. Die Fachkräfte sollen dort ihren jeweiligen<br />

Arbeitsbereich den Auszubildenden vorstellen, um sie in den gesamten Geschäftsprozess<br />

der Werkslogistik einzubinden.<br />

In der SPL bearbeitete Lern– <strong>und</strong> Arbeitsaufgaben:<br />

LAG 3.2: Disposition von Roh-, Hilfs– <strong>und</strong> Betriebsstoffen innerhalb eines festgelegten<br />

Regelkreises.<br />

LAG 4.1: Planung, Beschaffung <strong>und</strong> Vermarktung von logistischen Dienstleistungen.<br />

Zusammenfassung:<br />

Auf den ersten Blick erscheinen diese Beispiele vielleicht noch nicht besonders spektakulär:<br />

Auszubildende übernehmen Aufgaben im Betrieb — natürlich unter Betreuung durch<br />

professionelles Ausbildungspersonal. Der innovative Gehalt liegt jedoch vor allem darin,<br />

dass nicht zuerst lange Vorlaufqualifizierungen betrieben wurden, sondern dass die Auszubildenden<br />

bereits sehr frühzeitig — im ersten Ausbildungsjahr — an berufliche Aufgaben<br />

herangeführt werden <strong>und</strong> unter voller Verantwortung gegenüber ihrem Abnehmer —<br />

der Fertigung — stehen. Der Schritt aus der Lehrwerkstatt wurde also sehr früh gegangen,<br />

52


Gemeinsamer Zwischenbericht MV GAB<br />

die Auszubildenden erleben sehr früh »real life« anstatt reiner Ausbildungsprojekte, sie<br />

arbeiten unter realen Bedingungen in einer realen Arbeitsumgebung. Die dazugehörigen<br />

Wissensbestände müssen in der Arbeit selbst bzw. parallel zu ihr vermittelt werden. Zudem<br />

ist das Konzept in der Breite — über alle Berufsgruppen — <strong>und</strong> in der Tiefe — als<br />

systematisches Element von Ausbildung —, nicht nur als »Highlight«, wie etwa in der<br />

projektorientierten Ausbildung, eingeführt worden. Damit geht man deutlich über das in<br />

Modellversuchen übliche Maß hinaus.<br />

Es liegt auf der Hand, dass es eines recht anspruchsvollen Ausbildungskonzeptes bedarf,<br />

um auf dieser Basis Arbeiten <strong>und</strong> Lernen zu einem geschäfts– <strong>und</strong> arbeitsprozessorientierten<br />

Qualifizierungsmodell zu verbinden: Es muss sichergestellt sein, dass eine hinreichende<br />

Menge an geeigneten Aufträgen für die SPLs akquiriert werden kann. Die Aufträge<br />

müssen ausbildungsgerecht aufbereitet werden, damit die Ausbildung strukturiert <strong>und</strong><br />

nicht zufällig je nach Auftragslage erfolgt. Der Betrieb muss ein hohes Maß an Selbstdisziplin<br />

walten lassen, damit »Lernen« vor »Produzieren« kommt. Zugleich müssen Termine<br />

<strong>und</strong> Kosten bedacht <strong>und</strong> Qualitätsstandards eingehalten werden.<br />

Die Einrichtung von SPLs in der Fertigung ist ein mühseliges Geschäft: Viele Partner<br />

außerhalb des direkten Einflussbereiches des Modellversuches müssen gewonnen werden.<br />

Es müssen Schichtmodelle entwickelt werden, die einerseits den Fertigungsfluss nicht<br />

behindern, andererseits mit Jugendschutz <strong>und</strong> Ausbildungszeiten kompatibel sind. Die<br />

Fertigungsabteilungen, für die Ausbildung bislang z. T. eher einen Störfaktor darstellte,<br />

müssen Flächen, Anlagen, Fachpersonal zur Verfügung stellen <strong>und</strong> »die Ausbildung« in<br />

ihr Alltagsgeschäft mit engen Stückzahlvorgaben <strong>und</strong> Ertragszielen hineinlassen. Dort,<br />

wo das bislang gelungen ist, zeigen die Rückmeldungen, dass auch über das langfristige<br />

Ziel, qualifizierten Nachwuchs auch für die eigene Abteilung heranzubilden, beide Seiten<br />

von dem SPL–Modell profitieren: Die Auszubildenden arbeiten in den SPLs hochmotiviert<br />

<strong>und</strong> zeigen durchweg gute Leistungen. Zugleich erwirtschaften sie mehr als den Einsatz,<br />

der von der betrieblichen Abteilung eingebracht worden ist.<br />

Bislang sind SPLs überwiegend in Reparatur– <strong>und</strong> Instandhaltungswerkstätten bzw. in<br />

enttakteter Fertigung eingerichtet. Der Zugang zu den direkt produzierenden Bereichen<br />

ist aus den o. g. Gründen schwieriger, wird aber im nächsten Modellversuchsabschnitt<br />

verstärkt gesucht. Eine besondere Rolle kommt in den SPLs den betrieblichen Ausbildungsbeauftragten<br />

<strong>und</strong> dem Ausbilder zu: Die ABBAs liefern das Know–how aus der<br />

Praxis, der Ausbilder vermittelt »just in time« das Fachwissen, achtet auf Wissenslücken<br />

<strong>und</strong> schließt diese in kurzen ad–hoc Qualifizierungsblöcken mit einzelnen Auszubildenden<br />

bzw. kleinen Auszubildenden–Gruppen. In enger Absprache damit liefert der Berufsschullehrer<br />

das komplementäre Wissen dazu, das nun von den Auszubildenden in einen<br />

direkten Zusammenhang mit seiner Anwendung gebracht werden kann.<br />

Um nun insbesondere die über 1500 betrieblichen Ausbildungsbeauftragten, i. d. R.<br />

Facharbeiter, auf die hohen Anforderungen vorzubereiten, ist von der VW CG eine Qualifizierungsmaßnahme<br />

initiiert worden, in der die Ausbildungsbeauftragten <strong>und</strong> ihre Vorgesetzten<br />

informiert <strong>und</strong> geschult werden.<br />

53


Betrieb<br />

Gemeinsamer Zwischenbericht MV GAB<br />

2.3.7 Qualifizierungskonzept: Betriebliche Ausbildung bei Volkswagen<br />

Das Qualifizierungskonzept besteht aus vier Einzelmaßnahmen: Einer Informationsveranstaltung<br />

für Führungskräfte, einem Informationsworkshop für Unterabteilungsleiter,<br />

Meister <strong>und</strong> Teamsprecher, einem Einführungsworkshop für Ausbildungsbeauftragte <strong>und</strong><br />

einem Basismodul für Ausbildungsbeauftragte (s. Anhang B3).<br />

Die Informationsveranstaltungen sind im Prinzip gleich aufgebaut. Sie dauern jeweils<br />

zwei (Führungskräfte) bzw. drei St<strong>und</strong>en <strong>und</strong> sollen die Teilnehmer über die Veränderungen<br />

in der Berufsausbildung bei Volkswagen informieren <strong>und</strong> für notwendige Veränderungen<br />

in den eigenen Organisationsbereichen sensibilisieren. Mit den Veranstaltungen<br />

wird um Unterstützung bei der Einrichtung bzw. Umstrukturierung von betrieblichen<br />

Ausbildungsplätzen <strong>und</strong> SPLs geworben.<br />

Einführungsworkshop <strong>und</strong> Basismodul für Ausbildungsbeauftragte dienen bereits der<br />

direkten Qualifizierung der ausbildenden Facharbeiter <strong>und</strong> Angestellten. Das Basismodul<br />

gehört mittlerweile zur Pflichtqualifizierung für neue Ausbildungsbeauftragte.<br />

In der halbtägigen Einführungsveranstaltung bekommen die Ausbildungsbeauftragten<br />

zunächst einen Einstieg in die Auseinandersetzung mit den Berufsausbildungskonzepten<br />

<strong>und</strong> den daraus erwachsenden Anforderungen <strong>und</strong> mit ihrer eigenen Rolle. In Gruppenarbeit<br />

<strong>und</strong> auf einem »Marktplatz« (der auch bei den Informationsveranstaltungen eingesetzt<br />

wurde) werden dabei folgende Themenkomplexe bearbeitet:<br />

— Gr<strong>und</strong>lagen der Berufsausbildung bei Volkswagen (Leitlinien, Qualifizierungskonzept<br />

etc.),<br />

— Konzepte der Berufsausbildung (GAB, das Beurteilungssystem »EFA«) <strong>und</strong><br />

— Qualifizierungskonzept für Ausbildungsbeauftragte (Vorstellung des Basismoduls <strong>und</strong><br />

Erwartungsabfrage).<br />

Auf die Einführungsveranstaltung baut dann das zweitägige Basismodul auf. Hier werden<br />

in Partner– <strong>und</strong> Gruppenarbeit, durch Übungen <strong>und</strong> Rollenspiele die Themen vertieft<br />

<strong>und</strong> es werden Instrumente für die Ausbildungsbeauftragten eingeführt bzw. vorgestellt.<br />

Der Themenkatalog beinhaltet:<br />

— Gr<strong>und</strong>lagen <strong>und</strong> Konzepte der Berufsausbildung: GAB (insbesondere BAGs, LAGs),<br />

— das Beurteilungssystem EFA,<br />

— Profil, Rollen <strong>und</strong> Aufgaben der Ausbildungsbeauftragten,<br />

— Betreuung von Auszubildenden (z. B. Steuerungsgespräche, Integration ins Arbeitsfeld)<br />

<strong>und</strong><br />

— Organisation <strong>und</strong> Steuerung der Berufsausbildung an den Standorten (z. B. Ansprechpartner,<br />

Versetzungen etc.).<br />

Im Basismodul wird auch die »Allgemeine Handlungsanleitung« (s. Anhang B3) eingeführt,<br />

die als Handbuch für Ausbilder <strong>und</strong> Ausbildungsbeauftragte eine Leitlinie zur<br />

Umsetzung einer arbeits– <strong>und</strong> geschäftsprozessorientierten Ausbildung bieten soll. In der<br />

Allgemeinen Handlungsanleitung werden die Lernbereiche nach GAB aufgegliedert <strong>und</strong><br />

54


Gemeinsamer Zwischenbericht MV GAB<br />

es werden Hilfestellungen gegeben, welche Aufträge <strong>und</strong> Arbeiten für Auszubildende auf<br />

dem jeweiligen Entwicklungsstand ausgewählt werden können <strong>und</strong> wie sie aufzubereiten<br />

sind. Die Allgemeine Handlungsanleitung ist auf der Basis eines Curriculumpapiers der<br />

Wissenschaftlichen Begleitung entstanden <strong>und</strong> von der VW CG für die Ausbilder <strong>und</strong><br />

Ausbildungsbeauftragten erstellt worden.<br />

Angesichts der großen Zahl von Ausbildungsbeauftragten bei Volkswagen — über 1.500<br />

— ist das Qualifizierungsprogramm mit erheblichem finanziellen <strong>und</strong> organisatorischem<br />

Aufwand verb<strong>und</strong>en.<br />

Die Informationsveranstaltungen sind im 3. <strong>und</strong> 4. Quartal 2000 durchgeführt worden.<br />

Dabei wurden in 59 Veranstaltungen 1461 Teilnehmer registriert. Die Basisseminare haben<br />

im 3. Quartal 2000 begonnen <strong>und</strong> werden das ganze Jahr 2001 mit je zwei Veranstaltungen<br />

pro Woche andauern. Zum Jahresende 2000 sind bereits 28 Basismodule mit<br />

insgesamt 413 Ausbildungsbeauftragten durchgeführt worden (s. Anhang B3).<br />

Die Kosten für diese Maßnahmen werden von VW <strong>und</strong> der VW CG jenseits des Modellversuchsbudgets<br />

getragen. Die VW CG stellt ein Team aus 4 zentralen Trainern <strong>und</strong> 9<br />

Trainern der einzelnen VW-Standorte <strong>und</strong> trägt die Organisationskosten für die in den<br />

Werken <strong>und</strong> in Tagungshotels durchgeführten Veranstaltungen. VW trägt zudem die<br />

Freistellungen für die Ausbildungsbeauftragten.<br />

Literatur<br />

Dubs, R. (2000): Lernfeldorientierung: Löst dieser neue curriculare Ansatz die alten Probleme<br />

der Lehrpläne <strong>und</strong> des Unterrichts an Wirtschaftsschulen?, in: Lipsmeier, A.;<br />

Pätzold, G. (Hg.): Lernfeldorientierung in Theorie <strong>und</strong> Praxis, Beiheft 15 zur Zeitschrift<br />

für Berufs– <strong>und</strong> Wirtschaftspädagogik), Stuttgart, S. 15–32<br />

Fischer, Hans Rudi (1991): Murphys Geist oder die glücklich abhanden gekommene<br />

Welt. Zur Einführung in die Theorie autopoietischer Systeme, in: Fischer, Hans<br />

Rudi, Autopoiesis — Eine Theorie im Brennpunkt der Kritik, Heidelberg 1993,<br />

S. 9–41<br />

Hansis, H./Lohre, W./Manfraß, U. (2000): Verknüpfung von Handlungs– <strong>und</strong> Fachsystematik,<br />

Verband für Lehrer an Wirtschaftsschulen: Düsseldorf<br />

Heidegger, Gerald/Rauner, Felix: Reformbedarf in der beruflichen <strong>Bildung</strong>, Gutachten<br />

im Auftrag des Landes Nordrhein-Westfalen, Ministerium für Wirtschaft <strong>und</strong> Mittelstand,<br />

Technologie <strong>und</strong> Verkehr des Landes NRW, Düsseldorf 1997<br />

KMK — Sekretariat der ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder in der B<strong>und</strong>esrepublik<br />

Deutschland (1999): Handreichungen für die Erarbeitung von Rahmenlehrplänen<br />

der Kultusministerkonferenz für den berufsbezogenen Unterricht in der<br />

Berufsschule <strong>und</strong> ihre Abstimmung mit Ausbildungsordnungen des B<strong>und</strong>es für anerkannte<br />

Ausbildungsberufe, Bonn 05.02.1999<br />

Kremer H.–H./Sloane, P.F.E. (2000a): Lernfeldkonzeption als curricularer Rahmen, in:<br />

Sloane, P.F.E. (Hg.): Fächer– <strong>und</strong> Lernortübergreifender Unterricht (FäLoU). Bei-<br />

55


Gemeinsamer Zwischenbericht MV GAB<br />

56<br />

träge im Kontext des DFG–Schwerpunktprogramms ‚Lehr–Lern–Prozesse in der<br />

kaufmännischen Erstausbildung‘, Markt Schwaben, S. 71–80<br />

Kremer H.–H./Sloane, P.F.E. (2000b): Lernfelder implementieren — erste Umsetzungserfahrungen<br />

lernfeldstrukturierter Curricula, in: Lipsmeier, A.; Pätzold, G. (Hg.):<br />

Lernfeldorientierung in Theorie <strong>und</strong> Praxis8Beiheft 15 zur Zeitschrift für Berufs–<br />

<strong>und</strong> Wirtschaftspädagogik), Stuttgart, S. 170–182<br />

Maturana, Humberto (1991): The Origin of the Theory of Autopoitic Systems, in: Fischer,<br />

Hans Rudi, Autopoiesis — Eine Theorie im Brennpunkt der Kritik, Heidelberg<br />

1993, S.121–124<br />

Norton, R. E.: DACUM Handbook. Ohio, 1997<br />

Rauner, F.: Entwicklungslogisch strukturierte berufliche Curricula: Vom Neuling zur reflektierten<br />

Meisterschaft. In: Zeitschrift für Berufs– <strong>und</strong> Wirtschaftspädagogik, 95.<br />

Band, Heft 3, 1999, S. 424 — 446.<br />

Rauner, F.: Der berufswissenschaftliche Beitrag zur Qualifikationsforschung <strong>und</strong> zur Curriculumentwicklung.<br />

In: Pahl, J. –P.; Rauner, F. <strong>und</strong> Spöttl, G. (Hrsg.): Berufliches<br />

Arbeitsprozesswissen — Ein Forschungsgegenstand der Berufsfeldwissenschaften,<br />

Baden–Baden 2000, S. 329 — 352.<br />

Reinmann/Rothmeier, G./Mandl. H. (1997): Lehren im Erwachsenenalter. Auffassungen<br />

vom Lehren <strong>und</strong> Lernen, Prinzipien <strong>und</strong> Methoden, in: Weinert, F.G. Mandl. H.<br />

(Hg.): Psychologie der Erwachsenenbildung (Enzyklopädie der Psychologie, Bd. 4),<br />

Göttingen u. a., S. 355–403<br />

Röben, P.: Berufswissenschaftliche Arbeitsstudien. In: Bremer, R./Jagla, H.–H.: Berufsbildung<br />

in Geschäfts– <strong>und</strong> Arbeitsprozessen. Bremen 2000, S. 105–127.


Gemeinsamer Zwischenbericht MV GAB<br />

3 Wissenschaftliche Begleitung<br />

3.1 Organisation <strong>und</strong> Arbeitsplan<br />

3.1.1 Organisation<br />

Der Modellversuch GAB umfasst alle Standorte der Volkswagen AG in den Ländern<br />

Niedersachsen <strong>und</strong> Hessen. Für das Land Sachsen ist die Volkswagen GmbH beteiligt.<br />

Die Ausbildung wird von der VW CG, einer h<strong>und</strong>ertprozentigen Tochter der Volkswagen<br />

AG, durchgeführt (Sachsen: VW <strong>Bildung</strong>sinstitut GmbH). Die VW CG ist Modellversuchsbeteiligter<br />

für den betrieblichen Modellversuchsteil.<br />

Am schulischen Teil des Modellversuchs sind die Kultusministerien der Länder Niedersachsen,<br />

Hessen <strong>und</strong> Sachsen beteiligt. Das Land Niedersachsen hat hierbei die Federführung<br />

übernommen <strong>und</strong> mit der Durchführung des Modellversuchs GAB das Niedersächsische<br />

Landesinstitut für Fort- <strong>und</strong> Weiterbildung im Schulwesen <strong>und</strong> Medienpädagogik<br />

(NLI) betraut.<br />

Die wissenschaftliche Begleitung wird für den schulischen <strong>und</strong> den betrieblichen Teil<br />

vom <strong>Institut</strong> <strong>Technik</strong> <strong>und</strong> <strong>Bildung</strong> (ITB), Universität Bremen wahrgenommen.<br />

Das im Modellversuch angewandte Konzept der formativen, d. h. gestaltenden Evaluation,<br />

bedeutet für die wissenschaftliche Begleitung beobachtende, beratende <strong>und</strong> unterstützende<br />

Mitarbeit im Projekt <strong>und</strong> damit auch in den Projektgremien. Aus diesem<br />

Gr<strong>und</strong> ist das ITB an sämtlichen in der GAB–Projektstruktur (vgl. Abbildung 10) dargestellten<br />

Modellversuchsgremien beteiligt. Darüber hinaus wird deutlich, dass das Modell<br />

der dual-kooperativen Berufsbildung im Schul– <strong>und</strong> Betriebsverb<strong>und</strong> des Modellversuchs<br />

selbstverständlich auch dual–kooperative Gremien beinhaltet. Die personelle Besetzung<br />

ist dem Organigramm (siehe Abbildung 11) zu entnehmen.<br />

Projektleitungsgremium<br />

Das Projektleitungsgremium setzt sich aus Vertretern der VW CG, der Kultusministerien,<br />

des NLI, des Hessischen Landesinstituts für Pädagogik (HeLP) <strong>und</strong> des ITB zusammen.<br />

In dem Gremium werden richtungsweisende Beschlüsse gefasst, die i. d. R. berufsgruppen-<br />

<strong>und</strong> lernortübergreifend sind. Weiterhin dienen die Projektleitungssitzungen zur<br />

Information <strong>und</strong> Koordination.<br />

Projektbeirat<br />

Der Projektbeirat ist besetzt mit Vertretern:<br />

— der Kultusministerien der Länder Hessen, Niedersachsen <strong>und</strong> Sachsen<br />

— des B<strong>und</strong>esinstitutes für Berufsbildung (BIBB)<br />

— des B<strong>und</strong>esministeriums für <strong>Bildung</strong> <strong>und</strong> Forschung<br />

57<br />

WB<br />

Betrieb<br />

Schule<br />

WB


Gemeinsamer Zwischenbericht MV GAB<br />

— des Ministeriums für <strong>Bildung</strong>, Jugend <strong>und</strong> Sport des Landes Brandenburg als Vertreter<br />

für den Unterausschuss für »Berufliche <strong>Bildung</strong>« der KMK<br />

— des Gesamtverbandes der metallindustriellen Arbeitgeberverbände e. V.<br />

— des Deutschen Industrie– <strong>und</strong> Handelstages<br />

— der Industriegewerkschaft Metall<br />

— der Deutschen Angestellten Gewerkschaft<br />

— der Volkswagen AG<br />

— der Otto–von–Guericke Universität Magdeburg<br />

— des Wirtschaftsministeriums des Landes Nordrhein–Westfalen<br />

— der Ford Werke AG<br />

Die Beiratssitzungen finden einmal jährlich statt <strong>und</strong> haben i. d. R. gr<strong>und</strong>sätzliche Fragen<br />

zum Gegenstand (vgl. Abschnitt 4.3.5, S. 109).<br />

Projektkonferenz<br />

Die Projektkonferenz besteht aus den Projektsteuerungsgruppen Betrieb <strong>und</strong> Schule. Die<br />

Gruppen sind aus den jeweiligen Kernteammitgliedern <strong>und</strong> einem Vertreter der Wissenschaftlichen<br />

Begleitung zusammengesetzt. Die Gruppen behandeln schul- bzw. betriebsspezifische<br />

Themen. Diese Gremien sind als einzige Projektorgane nicht dual-kooperativ<br />

besetzt. Ein Austausch erfolgt auf der Ebene des Projektleitungsgremiums.<br />

Berufsbezogene Projektgruppen<br />

In den berufsbezogenen Projektgruppen sind jeweils mindestens ein Lehrer <strong>und</strong> ein Ausbilder<br />

aus jedem Standort vertreten. Jede Berufsgruppe wird von einem festen wissenschaftlichen<br />

Mitarbeiter beraten <strong>und</strong> betreut. Die Gruppen haben die Aufgabe, in Zusammenarbeit<br />

mit der Wissenschaftlichen Begleitung dual–kooperative Curricula für ihren<br />

Beruf zu entwickeln <strong>und</strong> zu erproben. Die Einbeziehung aller Standorte, die den<br />

entsprechenden Beruf ausbilden, ermöglicht einen Erfahrungsaustausch zwischen den<br />

Standorten <strong>und</strong> die Vorstellung <strong>und</strong> ggf. die Adaption gelungener Einzelvorhaben. Die<br />

Zusammensetzung der Projektgruppe durch die Ausbilder <strong>und</strong> die Lehrer ist eine Basis<br />

für die 1 : 1–Zusammenarbeit zur Umsetzung von dual–kooperativen Vorhaben.<br />

Im Jahr 1999 wurden an den als federführend für die einzelnen Berufe ausgewiesenen<br />

Standorten die berufsbezogenen Projektgruppen gebildet. Innerhalb der Projektgruppen<br />

wurden die Vorbereitungen für die Adaption des GAB–Konzepts für alle Standorte getroffen.<br />

Querschnitts-/themenbezogene Projektgruppen<br />

Die im Modellversuchsantrag vorgestellten querschnitts–/themenbezogenen Projektgruppen<br />

sind bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht implementiert worden. Es hat sich<br />

herausgestellt, dass die ursprünglich vorgesehenen Aufgaben durch die berufsbezogenen<br />

Projektgruppen besser bearbeitet werden können. Dazu zählen insbesondere die Akquisition<br />

von Lern– <strong>und</strong> Arbeitsaufgaben aus den Fach– <strong>und</strong> Fertigungsbereichen für Betrieb<br />

58


Gemeinsamer Zwischenbericht MV GAB<br />

<strong>und</strong> Schule <strong>und</strong> die Prüfung/Überarbeitung der Curricula für die standortweite Übertragung<br />

der ersten Ergebnisse.<br />

Projektleitungsgremium<br />

VW CG<br />

Kultusministerien, NLI/HeLP<br />

ITB<br />

Projektsteuerungsgruppe<br />

Betrieb<br />

Abbildung 10: GAB–Projektstruktur<br />

Projektkonferenz<br />

Projektbeirat<br />

Projektsteuerungsgruppe<br />

Schule<br />

IM IE WZM AM ME Kfm<br />

IM: Industriemechaniker<br />

IE: Industrieelektroniker<br />

WZM: Werkzeugmechaniker<br />

Berufsbezogene Projektgruppen<br />

AM: Automobilmechaniker<br />

ME: Mechatroniker<br />

Kfm: Kaufmännische Berufe<br />

59


Gemeinsamer Zwischenbericht MV GAB<br />

Abbildung 11: Organigramm des GAB–Modellversuches<br />

60


Gemeinsamer Zwischenbericht MV GAB<br />

Modellversuchsstandorte<br />

Der Modellversuch GAB wird an folgenden Standorten durchgeführt:<br />

— Niedersachsen: Braunschweig, Emden, Hannover, Salzgitter <strong>und</strong> Wolfsburg,<br />

— Hessen: Kassel,<br />

— Sachsen: Chemnitz <strong>und</strong> Mosel (Zwickau).<br />

Eine Zusammenstellung der Zahlen der am Modellversuch beteiligten Auszubildenden<br />

nach Ausbildungsberufen <strong>und</strong> Standorten ist für die Einstelljahrgänge 1999 <strong>und</strong> 2000 in<br />

der Tabelle 4 <strong>und</strong> Tabelle 5 dargestellt.<br />

Wolfsburg Hannover Braunschweig<br />

Kassel Emden Salzgitter Summe<br />

AM 66 ~ 0 ~ 0 0 66<br />

IE ~ ~ ~ 47 ~ 36 83<br />

IM ~ 71 ~ ~ 60 ~ 131<br />

WZM 139 ~ 39 ~ ~ 0 178<br />

IK 89 ~ 0 ~ ~ ~ 89<br />

Total 547<br />

(0=Beruf nicht ausgebildet; ~=Beruf wird ausgebildet, ist aber kein Pilotstandort)<br />

Tabelle 4: Auszubildendenzahl an den Pilotstandorten, Einstelljahrgang 1999<br />

Wolfsburg Hannover Braunschweig<br />

Kassel Emden Salzgitter Summe<br />

AM 66 24 0 6 0 0 96<br />

IE 66 36 24 60 35 36 257<br />

IM 107 61 41 56 45 45 355<br />

WZM 108 30 35 24 15 0 212<br />

IK 85 14 0 14 10 0 123<br />

Tabelle 5: Auszubildendenzahl an allen Standorten der VW CG, Einstelljahrgang 2000<br />

Total 1034<br />

Mechatroniker<br />

Seit 1998 wird im VW–<strong>Bildung</strong>sinstitut in Sachsen der Beruf des Mechatronikers ausgebildet.<br />

In dem Jahrgang 1999 sind 6 Auszubildende eingestellt worden.<br />

Gesamtzahl der Auszubildenden<br />

An dem Modellversuch werden voraussichtlich bis zum Ende der Laufzeit im Januar<br />

61<br />

Betrieb<br />

Schule


WB<br />

Gemeinsamer Zwischenbericht MV GAB<br />

2003 ca. 3.500 Auszubildende 15 beteiligt sein.<br />

3.1.2 Arbeitsplan<br />

Der Arbeitsplan ist im wesentlichen entsprechend der ursprünglichen Angaben durchgeführt<br />

worden. Die wichtigsten Arbeitspakte sind in der folgenden Auflistung dargestellt.<br />

Der Zeitraum bis 9/2000 stellt den tatsächlichen, die nachfolgenden Zeiträume den geplanten<br />

Verlauf, dar. Die Einteilung in die Zeiträume, die für den Modellversuchsantrag<br />

gewählt wurden, haben sich als sinnvoll erwiesen <strong>und</strong> wurden deshalb übernommen. Die<br />

im Modellversuch anfallenden Querschnittsaufgaben sind gesondert dargestellt.<br />

Zeitraum: 2/99 - 9/99<br />

— Adaption der berufswissenschaftlichen Arbeitsanalyse der betrieblichen Arbeitsaufgaben<br />

in den fünf ausgewählten Industrieberufen<br />

— Beratung <strong>und</strong> Betreuung bei der Entwicklung der fünf Curricula der ausgewählten<br />

Industrieberufe<br />

— Beratung <strong>und</strong> Betreuung bei der Entwicklung von Lern- <strong>und</strong> Arbeitsaufgaben der fünf<br />

ausgewählten Industrieberufe an den 6 Standorten<br />

— Beratung <strong>und</strong> Betreuung bei der Umsetzung der fünf Curricula an den 6 Standorten<br />

— Beratung <strong>und</strong> Betreuung bei der Entwicklung der Curricula für das 1. Ausbildungsjahr<br />

— Entwicklung von fünf schulischen Gr<strong>und</strong>bildungskonzepten für die ausgewählten<br />

Ausbildungsberufe<br />

— Beratung <strong>und</strong> Betreuung bei der schulischen Adaption der Anforderungen an betrieblichen<br />

Ausbildungsstützpunkten<br />

— Konstituierung des Projektleitungsgremiums, der Projektkonferenz, den berufsbezogenen<br />

Arbeitsgruppen <strong>und</strong> des Beirates<br />

— Organisation <strong>und</strong> Ausrichtung der Fachtagung „Berufsbildung in Geschäfts- <strong>und</strong> Arbeitsprozessen“<br />

am 14/15.06.1999 in Hannover<br />

— Sek<strong>und</strong>äranalyse der relevanten wissenschaftlichen Literatur<br />

Zeitraum: 9/99 - 9/00<br />

— Begleitung der Erprobung der Curricula für das 1. Ausbildungsjahr an den Pilotstandorten<br />

— Evaluierung der Erprobung der Curricula für das 1. Ausbildungsjahr<br />

— Beratung <strong>und</strong> Betreuung bei der Entwicklung der Curricula für das 2. Ausbildungsjahr<br />

— Beratung <strong>und</strong> Betreuung bei der Entwicklung eines Konzeptes für den Transfer der<br />

15 Die Anzahl der Einstellungen an den jeweiligen Standorten variiert, weil die Zahl der angebotenen<br />

Ausbildungsplätze jährlich neu festgelegt wird.<br />

62


Gemeinsamer Zwischenbericht MV GAB<br />

Curricula zwischen den Standorten<br />

— Beratung <strong>und</strong> Betreuung bei der Entwicklung eines Konzeptes für den Transfer der<br />

Lern- <strong>und</strong> Arbeitsaufgaben zwischen den Standorten<br />

— Implementation von betrieblichen Ausbildungsplätzen<br />

— Beratung <strong>und</strong> Betreuung bei der schulischen Adaption der Anforderungen an den<br />

weiter entwickelten <strong>und</strong> ausgebauten betrieblichen Ausbildungsstützpunkten<br />

— Beratung <strong>und</strong> Betreuung bei der Anpassung <strong>und</strong> Weiterentwicklung der schulischen<br />

Lern- <strong>und</strong> Arbeitsaufgaben in Hinblick auf die Bedingungen des neuen Standortes<br />

— Erstellung einer Publikation über die Fachtagung des Modellversuchs<br />

Zeitraum: 9/00 - 9/01<br />

— Beratung <strong>und</strong> Begleitung bei der Erprobung der Curricula für das 1. Ausbildungsjahr<br />

an den neuen Standorten<br />

— Begleitung der Erprobung der Curricula für das 2. Ausbildungsjahr an den Pilotstandorten<br />

— Evaluierung der Erprobung der Curricula des 2. Ausbildungsjahres<br />

— Evaluation der fünf erprobten Curricula des 2. Ausbildungsjahres unter dem Aspekt<br />

des Transfers der Pilotphase von dem jeweiligen Erprobungsstandort auf alle übrigen<br />

Standorte<br />

— Beratung <strong>und</strong> Betreuung bei der Entwicklung der Curricula für das 3. Ausbildungsjahr<br />

— Beratung <strong>und</strong> Betreuung bei der schulischen Adaption der Anforderungen an den<br />

weiter entwickelten <strong>und</strong> ausgebauten betrieblichen Ausbildungsstützpunkten<br />

— Erstellung eines gemeinsamen Zwischenberichtes (BLK + BIBB) zum 31.01.2001<br />

Zeitraum: 9/01 - 9/02<br />

— Beratung <strong>und</strong> Begleitung bei der Erprobung der Curricula für das 2. Ausbildungsjahr<br />

an den neuen Standorten<br />

— Begleitung der Erprobung der Curricula für das 3. Ausbildungsjahr an den Pilotstandorten<br />

— Evaluierung der Erprobung der Curricula des 3. Ausbildungsjahres<br />

— Evaluation der fünf erprobten Curricula des 3. Ausbildungsjahres unter dem Aspekt<br />

des Transfers der Pilotphase von dem jeweiligen Erprobungsstandort auf alle übrigen<br />

Standorte<br />

— Beratung <strong>und</strong> Betreuung bei der Entwicklung der Curricula für das 4. Ausbildungsjahr<br />

— Evaluation für das Transfermodell<br />

Zeitraum: 9/02 - 1/03<br />

— Begleitung der Erprobung der Curricula für das 4. Ausbildungsjahr an den Pilotstandorten<br />

63


WB<br />

Gemeinsamer Zwischenbericht MV GAB<br />

— Evaluierung der Erprobung der Curricula des 4. Ausbildungsjahres<br />

— Evaluation der fünf erprobten Curricula des 4. Ausbildungsjahres unter dem Aspekt<br />

des Transfers der Pilotphase von dem jeweiligen Erprobungsstandort auf alle übrigen<br />

Standorte<br />

— Abschluss der Curriculumentwicklung einschließlich Revision<br />

— Auswertung der Abschlussprüfung<br />

— Organisation <strong>und</strong> Ausrichtung der Abschlusstagung<br />

— Erstellung einer Publikation zur Abschlusstagung<br />

— Abschlussbericht<br />

Querschnittsaufgaben<br />

— Reguläre Betreuung der Projektgruppen<br />

— Koordination <strong>und</strong> Kooperation zwischen dem betrieblichen <strong>und</strong> dem schulischen<br />

Modellversuch<br />

— Publikationen<br />

— Teilnahme <strong>und</strong> Mitwirkung an Fachtagungen<br />

— Transfer der Modellversuchsergebnisse<br />

3.2 Instrumente <strong>und</strong> Methoden<br />

3.2.1 Ansatz <strong>und</strong> Verfahren der Evaluation zu entwicklungslogischen Verläufen<br />

im MV GAB<br />

3.2.1.1 Beziehung der Experten–Facharbeiter–Workshops zum Gesamtvorhaben <strong>und</strong><br />

seiner Evaluation<br />

Das Basismaterial zu entwicklungslogischen Verläufen wurde in den Experten–Facharbeiter–Workshops<br />

erhoben. Der Stellenwert der dort gewonnenen Erkenntnisse <strong>und</strong> deren<br />

Gebrauch <strong>und</strong> Nutzen für die anstehenden evaluativen Feldstudien ergeben sich vollständig<br />

erst aus dem Evaluationskonzept. Daher sollten beide, die Experten–Facharbeiter–Workshops<br />

<strong>und</strong> das Evaluationskonzept, kurz noch einmal in ihrem Zusammenhang<br />

dargestellt werden:<br />

Die Experten–Facharbeiter wurden zu zwei Gegenständen befragt: Zu ihren Beruflichen<br />

Arbeitsaufgaben <strong>und</strong> zur eigenen beruflichen Entwicklung. Die Aussagen zum Verlauf<br />

der eigenen beruflichen Entwicklung stehen einerseits in engem Zusammenhang mit den<br />

Beruflichen Arbeitsaufgaben, andererseits muss bei der Interpretation <strong>und</strong> Aufbereitung<br />

dieser Aussagen für die Umgestaltung der Ausbildung selbstverständlich die »biographische<br />

Wörtlichkeit« dieser Aussagen zugunsten einer Verallgemeinerung von Anforderun-<br />

64


Gemeinsamer Zwischenbericht MV GAB<br />

gen der Beruflichen Arbeitsaufgaben beachtet werden. Es kann ja nicht sein, dass die<br />

Befragten, die ihren Experten–Facharbeiter–Status eng an die Beherrschung der beruflichen<br />

Anforderungen knüpfen, mit ihrer damit sichtbar werdenden eigenen Entwicklung<br />

(z. B. wo sie gelernt haben, bei welchem Unterabteilungsleiter sie eingesetzt <strong>und</strong> durch<br />

den sie gefördert wurden etc.) einen direkten Maßstab für die Umgestaltung der Ausbildung<br />

liefern. Durch ein solches Verfahren würde der MV GAB zu einer Maßnahme der<br />

möglichst genauen Kopie vorhandener Entwicklungsverläufe bis in ihre biographisch<br />

zufälligen Randbedingungen. Das wäre nicht nur organisatorisch <strong>und</strong>urchführbar, sondern<br />

auch eine völlige Fehlinterpretation des in jeder beruflichen Ausbildung liegenden<br />

<strong>und</strong> gestaltbaren Entwicklungspotentials. Eine umgekehrte Schlussfolgerung wäre zu ziehen:<br />

Die befragten Experten–Facharbeiter haben eine »günstige« Entwicklung durchlaufen<br />

<strong>und</strong> in ihrem Resultat (=hohe fachliche Identität <strong>und</strong> berufliche Kompetenz), das wir<br />

in den Beruflichen Arbeitsaufgaben abgebildet haben, einen Maßstab für eine möglichst<br />

vielen Jugendlichen zu eröffnende Entwicklung benannt. Die Frage ist demnach: Was<br />

sind die vorbildlichen, den MV GAB leitenden Kriterien der Entwicklung beruflicher<br />

Identität <strong>und</strong> fachlicher Kompetenz?<br />

Der Ausweis dieser Kriterien müsste zugleich die Aufgabe der Verallgemeinerbarkeit solcher<br />

Aussagen lösen, die ihrer Natur nach biographisch gefärbt <strong>und</strong> letztlich zufällig<br />

sind, im Kern aber immer das Entwicklungsprodukt sozusagen benennen, um das es im<br />

MV GAB geht: Die Geschäfts– <strong>und</strong> Arbeitsprozessorientierung der fachlichen Ausbildung,<br />

die die Einsatzfähigkeit der Facharbeit erst vollständig ausmacht. Daraufhin haben<br />

wir die Experten–Facharbeiter–Workshops in bezug auf den entwicklungslogischen Verlauf<br />

ausgewertet.<br />

Auch aus einer ganz anderen Blickrichtung betrachtet, ist dieses Verfahren zwingend: Im<br />

Antrag zum MV war die Rede davon, dass die in der Allgemeinbildung (Sek<strong>und</strong>arstufe<br />

II) schon lange üblich gewordene entwicklungslogische Strukturierung der Curricula<br />

in einer modernen Berufsbildung nachgeholt werden müsste. Ganz kurz zur Veranschaulichung:<br />

Der Abschluss »Allgemeine Hochschulreife« (AHR) besagt die Studierfähigkeit<br />

an Universitäten, also eine Kompetenz, die im Lernverlauf natürlich an Fächer, Inhalte<br />

<strong>und</strong> Leistungen geb<strong>und</strong>en wird. Diese Kompetenz hat aber nicht nur einen systematischen<br />

Aspekt, sondern sie hängt sozusagen auch an einem ausgebildeten individuellen<br />

»Gerüst« von Fähigkeiten, die über das Fachliche hinausgehen. Ein ganz wesentlicher<br />

Baustein ist z. B. die Fähigkeit zur selbständigen Orientierung im künftigen Studium<br />

gleich welcher Fachrichtung — dorthin muss das Lernen führen, also eine Entwicklung<br />

dahin stattfinden. Hier kann keine Rolle spielen (vgl. dazu S. 72), in welchem Umfang<br />

dieser Anspruch an einer durchschnittlichen gymnasialen Oberstufe eingelöst wird, vielmehr<br />

sind die Konsequenzen für eine Berufsbildung ausschlaggebend, die Vergleichbares<br />

anstrebt. Dieses Vergleichbare haben wir im MV »Geschäfts– <strong>und</strong> Arbeitsprozessorientierung«<br />

genannt, es entsteht aus der Auseinandersetzung mit den Beruflichen Arbeitsaufgaben<br />

(=inhaltlich–curriculare Ebene), aber nach Auskunft der Experten–Facharbeiter<br />

erschöpft es sich nicht darin, sondern die Auseinandersetzung mit beruflichen Anforderungen<br />

muss in der individuellen Entwicklung über die Beherrschung der Inhalte hinausführen.<br />

65<br />

Schule


Betrieb<br />

Gemeinsamer Zwischenbericht MV GAB<br />

Abbildung 12: Die drei Dimensionen der Facharbeit<br />

Damit verläuft die Entwicklung beruflicher Identität <strong>und</strong> fachlicher Kompetenz in drei<br />

Dimensionen:<br />

1. Die Beherrschung der <strong>Technik</strong> oder Verfahren (Methoden der Facharbeit) im Sinne<br />

von Werkzeugen;<br />

2. Die Beherrschung der Facharbeit im Sinne der Anforderungen an Aufgabe, Mittel <strong>und</strong><br />

Zweck bzw. erwünschtem Resultat;<br />

3. Die Beherrschung der Regeln sozialer Organisation der Facharbeit, also der Umgang<br />

mit Kollegen <strong>und</strong> Vorgesetzten sowie »K<strong>und</strong>en«, die hinter jedem betrieblichen Auftrag<br />

stehen.<br />

Besonders der Punkt drei wurde von den Experten–Facharbeitern betont. Die von ihnen<br />

berichteten Details ihrer fortgeschrittenen persönlich–beruflichen Entwicklung fielen<br />

zusammen mit den Regeln, die in Industrie–Soziologie <strong>und</strong> Berufspädagogik als die bekannt<br />

sind, nach denen sich »Berufliche Praxisgemeinschaften« selbst definieren <strong>und</strong><br />

nach außen abgrenzen. Die Anerkennung als Mitglied einer solchen Praxisgemeinschaft<br />

ist ein extrem wichtiger Vorgang <strong>und</strong> bietet sich als klar definiertes Ziel einer geschäfts–<br />

<strong>und</strong> arbeitsprozessorientierten Ausbildung an:<br />

1. In Beziehung auf die kritischen Aussagen der Experten–Facharbeiter — sie verweigern<br />

durchweg auch den erfolgreich Ausgebildeten diesen Status, weil diese zahlreiche Defizite<br />

aufweisen, die aus der Sicht einer Praxisgemeinschaft nicht persönliche, sondern<br />

im weiteren Sinn fachliche sind. Die Azubis sind nach der Ausbildung (noch) keine<br />

»Mitarbeiter«.<br />

2. In Beziehung auf die Dynamik, die eine moderne Berufsausbildung aufweisen muss,<br />

weil deren technologisch eng gefassten Inhalte schnell veralten, wohingegen Praxisgemeinschaften<br />

ihre fachlichen Maßstäbe rapide entwickeln <strong>und</strong> den Anforderungen<br />

insgesamt bis zu dem Punkt hin anpassen, dass gerade der Anerkennung findet, der<br />

den Wandel bewältigt.<br />

66


Gemeinsamer Zwischenbericht MV GAB<br />

3. In Beziehung auf die mit dem MV strategisch verfolgten Ziele, die Qualitätsanforderungen<br />

an die Ausbildung möglichst mit den steigenden Qualitätsanforderungen unmittelbar<br />

an das Produkt <strong>und</strong> mittelbar an dessen Herstellung anzuschließen.<br />

Als beeindruckendes Fazit kann gesagt werden, dass die Experten–Facharbeiter direkt mit<br />

ihren Aussagen zu den drei Dimensionen der Facharbeit <strong>und</strong> indirekt durch ihre Kritik<br />

an der jetzigen Ausbildung die Ziele des MV GAB bestätigt haben.<br />

3.2.1.2 Das Evaluationskonzept <strong>und</strong> seine Umsetzung<br />

Das Konzept <strong>und</strong> die eingesetzten Methoden beruhen auf der Verallgemeinerbarkeit der<br />

Ergebnisse aus den Experten–Facharbeiter–Workshops zum überprüfbaren Potential entwicklungslogischer<br />

Verläufe. Das heißt, dass mit Instrumenten, die auf den entsprechenden<br />

Erkenntnissen beruhen, die Qualität der Ausbildung im Rahmen ihrer Umgestaltung<br />

(Lern– <strong>und</strong> Arbeitsaufgaben, Service–Produktions–Lerninseln, betriebliche Versetzungsstellen,<br />

Stützung durch vorbereitete <strong>und</strong> geschulte Ausbilder <strong>und</strong> Ausbildungsbeauftragte)<br />

gezielt überprüft werden. Besonders wichtig ist hierbei, dass nicht nur »abstrakte«<br />

Kriterien zur Bewertung der Zwischen– <strong>und</strong> Endergebnisse herangezogen werden müssen,<br />

sondern auch »konkrete« im Sinne von empirisch erhobenen Daten zu erreichten Entwicklungsständen,<br />

von denen Anhaltspunkte zu erwarten sind, wie die Ausbildungsumgestaltung<br />

ggf. korrigiert werden sollte.<br />

Abbildung 13: Einsatzfähigkeit der Facharbeiter<br />

In einem ersten Schritt der Abbildung von Aussagen der Experten–Facharbeiter auf die<br />

Belange der Evaluation ergeben sich nicht nur die drei Dimensionen der Facharbeit, innerhalb<br />

derer die Experten–Facharbeiter die eigene Entwicklung weitgehend abgeschlossen<br />

haben, sondern auch die drei Dimensionen, innerhalb derer »Anfänger« ihre Entwicklung<br />

beginnen:<br />

Die Experten–Facharbeiter haben deutlich davon berichtet, dass auf der einen Seite ihre<br />

67<br />

WB


Gemeinsamer Zwischenbericht MV GAB<br />

Kompetenzen, die Beruflichen Arbeitsaufgaben zu erledigen, immer in diesen drei Dimensionen<br />

(linke Spiegelpunkte) verlaufen, <strong>und</strong> dass auf der anderen Seite berufliche<br />

Veränderungen ebenfalls stets mit Auswirkungen auf die korrespondierenden Dimensionen<br />

(rechte Spiegelpfeile) zu bewältigen sind. Selbst wenn nur isoliert eine »neue <strong>Technik</strong>«<br />

eingeführt wird, so verfügen Experten–Facharbeiter auf ein in allen drei Dimensionen<br />

entwickeltes Potential, sowohl auf »kleine« wie »große« Veränderungen zu reagieren<br />

(z. B. gestiegene Qualitätsanforderungen oder ein vollständiger Arbeitsplatzwechsel): Dieses<br />

in drei Dimensionen ausgedehnte Potential sichert erst in seiner Vollständigkeit die<br />

Anerkennung in der Praxisgemeinschaft, die Vollständigkeit ist somit Merkmal beruflicher<br />

Identität <strong>und</strong> fachlicher Kompetenz.<br />

Übersetzt in die Belange einer geschäfts– <strong>und</strong> arbeitsprozessorientierten Ausbildung<br />

heißt dies als leitende Hypothese der Evaluation:<br />

Abbildung 14: Entwicklungskonzepte der Auszubildenden<br />

Die Überlegung ist recht einfach diese: Für einen Auszubildenden als Absolventen der<br />

Sek<strong>und</strong>arstufe I oder auch II ist jede <strong>Technik</strong>, jeder Arbeitsauftrag <strong>und</strong> jeder Arbeitsplatz<br />

neu. Dies gilt auch, wenn schon Vorkenntnisse <strong>und</strong> Erfahrungen vorliegen, denn das<br />

»Neue«, das auf die Azubis zukommt, ist der Startpunkt einer Entwicklung beruflicher<br />

Identität <strong>und</strong> fachlicher Kompetenz, für deren Fortgang <strong>und</strong> Erfolg die Entwicklung der<br />

drei genannten Konzepte zwingend notwendig werden: Für Lernen, Arbeiten <strong>und</strong> Team<br />

mit dem Ziel, anerkanntes Mitglied der Praxisgemeinschaft zu werden. Anders gesagt:<br />

Jeder Auszubildende hat schon ein Lernkonzept, höchstwahrscheinlich auch eins zum<br />

Arbeiten <strong>und</strong> zur sozialen Integration mit Sicherheit auch, aber diese Konzepte müssen<br />

sich auf die Bedingungen hin entwickeln <strong>und</strong> verändern, die in Praxisgemeinschaften<br />

typisch sind <strong>und</strong> deren Zugehörigkeit ausmachen — dies begründet die Dringlichkeit<br />

einer evaluativen Beobachtung der Entwicklungen, die die konkrete <strong>und</strong> im MV umgestaltete<br />

Ausbildungsorganisation anstoßen, fördern <strong>und</strong> möglichst weit führen soll.<br />

68


Gemeinsamer Zwischenbericht MV GAB<br />

3.2.1.3 Problemhintergr<strong>und</strong><br />

Untersuchungen zum »Wissen«, »Können«, »Denken« <strong>und</strong> »Handeln« stehen forschungslogisch<br />

vor einer gr<strong>und</strong>sätzlichen Entscheidung, ob sie nämlich ihre Fragen an Probanden<br />

untersuchen, denen gr<strong>und</strong>sätzlich unterstellt werden kann, dass sie all das schon<br />

beherrschen, was als ihr Vermögen untersucht werden soll, oder ob sich diese Untersuchung<br />

an solche Probanden richtet, die während des Erwerbs beobachtet werden können.<br />

Welche das Ergebnis determinierenden Folgen eine Entscheidung in dieser Frage<br />

haben kann, muss zuvor erwogen werden.<br />

Zunächst ist das Forschungsfeld von den Aussagen der Facharbeiter umschrieben. Aus<br />

der Sicht der Forschung ist die Ebene der Fachlichkeit, auf der sich die Kompetenzen<br />

ausgebildet haben, unproblematisch, d. h. diese Ebene kann curricular ohne Probleme<br />

aufgearbeitet (Rauner 2000) werden. Hier liegt der Ausgang von der Schilderung der empirisch<br />

vorliegenden »beruflichen Arbeitsaufgaben« nahe. Sie bilden das ab, was unter<br />

»fachlicher Kompetenz« verstanden wird.<br />

Interessant <strong>und</strong> in gewisser Weise auch offen ist die weitere Ebene der »beruflichen Identität«.<br />

Das, worauf diese Kategorie zielt, kann nur an Indikatoren abgelesen werden, es ist<br />

nicht ohne weiteres sichtbar, es muss daher sichtbar gemacht werden. Hier bietet sich an,<br />

auf die Entwicklung »beruflicher Identität« zu rekurrieren. Mit diesem Begriff liegt jedoch<br />

ein Problem vor, das kurz zu entfalten ist, um den Ansatz des Untersuchungsvorhabens<br />

begründen zu können.<br />

Mit dem Begriff der Identität wird Individuen unterstellt, allgemeine, aber jeweils bestimmte<br />

Attribute ihres Denkens, Handelns <strong>und</strong> Fühlens nicht nur aufzuweisen, sondern<br />

auch zu einem mehr oder weniger unverwechselbaren Ganzen der Person zu integrieren<br />

(vgl. die klassische Definition von Krise <strong>und</strong> Identität bei Habermas 1973). In der sozialwissenschaftlichen<br />

Diskussion der letzten 30 Jahre ist dieser Begriff mit seinen normativen<br />

Implikationen in Frage gestellt worden, besonders unter dem Gesichtspunkt, der<br />

Begriff der Identität enthalte selbst eine soziale Norm, die die Individuen unter Druck<br />

stelle: Die Forderung, mit sich selbst identisch zu sein, stelle ein vorübergehendes Phänomen<br />

der bürgerlichen Gesellschaft dar, das selbst der allgemeinen Entwicklung unterliege.<br />

Somit gehöre er zu den Rollenzumutungen, die die Gesellschaft an ihre Mitglieder<br />

stelle <strong>und</strong> durch die ein gewisser Integrationsdruck ausgeübt werde (vgl. Adorno 1979).<br />

Schließlich hat die feministische Kritik an der Psychoanalyse das Ich–Ideal des bürgerlichen<br />

Individuums f<strong>und</strong>amental in Frage gestellt <strong>und</strong> statt dessen den bis in die Identitätsbildung<br />

des einzelnen gr<strong>und</strong>legenden Unterschied zwischen den Geschlechtern behauptet.<br />

Außerhalb der speziellen sozialwissenschaftlichen Problematisierungen von individueller<br />

Identität jedoch hat sich ihr Begriff erhalten, ja seine Evidenz sogar gesteigert. Selbstverständlich<br />

ist beispielsweise die Rede von kultureller Identität. Allgemein lässt sich sagen,<br />

dass die Rede von Identität vorherrschend nicht mehr der Unterscheidung zwischen den<br />

Individuen selbst dient, sondern zwischen Gruppen von Individuen, denen Merkmale<br />

zugerechnet werden, die sich aus Gruppenzugehörigkeiten ergeben. Diese Merkmale sind<br />

typisch keine äußerlichen, mehr oder weniger biologischen, sondern soziale in dem ge-<br />

69


Gemeinsamer Zwischenbericht MV GAB<br />

nauen Sinn, dass aus der Sozialisation von Individuen in sozio–kulturellen Einheiten<br />

deren (beobachtbare) besondere Gemeinsamkeiten zu einer kollektiven Identität zusammengefasst<br />

werden.<br />

In diesem Sinn kann auch von beruflicher Identität gesprochen werden, die in durch<br />

gemeinsame Berufszugehörigkeit konstituierten Praxisgemeinschaften erworben wird.<br />

Den Ausschlag gibt dabei, dass diese Identität bzw. ihr Erwerb — ähnlich wie die <strong>Bildung</strong><br />

kultureller Identität — 1. kein bewusster oder individuell beeinflussbarer Akt ist <strong>und</strong><br />

2. dass dieser die Individuen nur partial erfasst, das heißt die <strong>Bildung</strong> z. B. einer gemeinsamen<br />

beruflichen Identität lässt individuelle Unterschiede der Mitglieder — vor allem in<br />

der Betrachtung derselben untereinander — unberührt bzw. bestehen. Insofern kann man<br />

feststellen, dass berufliche Identität nach außen durch die Übernahme einer Rolle dokumentiert<br />

wird, die mit der beruflichen Existenz oder Erwerbsarbeit stets aufs Neue<br />

entsteht, dass jedoch nach innen die Personen durch die mehr oder weniger gelingende<br />

Erfüllung von Anforderungen, die die beruflichen Aufgaben stellen, ihre individuelle<br />

Identifizierung mit dem Beruf unter Beweis stellen müssen — gelingt dies, entsteht berufliche<br />

Identität. So kann man sagen, dass die Zugehörigkeit zu beruflichen Praxisgemeinschaften<br />

nach außen eine Abgrenzung der Personen, nach innen hingegen eine partielle<br />

Verschmelzung bewirkt.<br />

Die Anwendung des Begriffs der Identität auf Gruppen führt bei der Betrachtung unter<br />

Kategorien der Identitätsbildung ihrer Mitglieder in eine Paradoxie: Gruppenidentität<br />

grenzt die Mitglieder einer beruflichen Praxisgemeinschaft als Gleiche nach außen ab,<br />

innen bleiben jedoch individuelle Unterschiede erhalten, die in Nichtidentität resultieren.<br />

Insofern fragt sich, wie der Begriff beruflicher Identität operationalisiert werden<br />

kann, wenn dort, wo diese Identität entsteht, keine abgrenzende, kollektive Identität entsteht,<br />

sondern eine nur individuell zu bewältigende Herausforderung an <strong>Bildung</strong> <strong>und</strong><br />

Entwicklung der Person zu Berufsfähigkeit bezeichnet. Insofern setzt das Vorhaben bei<br />

der Entwicklung der Auszubildenden an.<br />

3.2.2 Entwicklung von Hypothesen <strong>und</strong> Verfahren — die Beziehung der<br />

Befragungsinstrumente zu den auf Beruflichen Arbeitsaufgaben<br />

basierenden Evaluationsaufgaben<br />

Mit dem bisher Ausgeführten ist zunächst einmal nur begründet worden, warum eine<br />

Evaluation, die mit gewisser Konsequenz auf die Experten–Facharbeiter–Workshops zurückgreift,<br />

im Prinzip sinnvoll <strong>und</strong> notwendig ist. Insofern ist noch offen geblieben, wie<br />

<strong>und</strong> durch welche Instrumente genau der vor dem Hintergr<strong>und</strong> anderer Ansätze der Evaluationsforschung<br />

vergleichsweise hohe Anspruch eingelöst werden kann. Eine sehr einfache<br />

Überlegung zu den prinzipiell verfügbaren Instrumenten besagt, dass jeder Versuch,<br />

Entwicklungen beobachtend zu »messen«, ihren Beginn, ihren Verlauf <strong>und</strong> ihr zumindest<br />

zeitlich erreichtes Ergebnis erfassen können muss. In unserem Fall geht es jeweils<br />

um die Entwicklung (»Elaborierung«) der drei Konzepte zum Lernen, Arbeiten <strong>und</strong><br />

Team.<br />

70


Gemeinsamer Zwischenbericht MV GAB<br />

Abbildung 15: Evaluationsinstrumente <strong>und</strong> -hypothesen<br />

In diesem groben Aufgabenrahmen muss der Forschungsanspruch sich insbesondere in<br />

der Absicht bewegen, durch wichtige Bef<strong>und</strong>e über den Verlauf des MV zu informieren<br />

<strong>und</strong> Interventionskritierien zu liefern. In Abbildung 15 wird der Rahmen präzisiert:<br />

— Zunächst muss der Anfängerstatus erhoben werden, wesentlich sind dafür die Erwartungen<br />

der Jugendlichen an ihre Ausbildung, ihr Bild vom zu erlernenden Beruf <strong>und</strong><br />

auch ihr Bild vom Unternehmen, da diese drei Blöcke Aufschluss über Motivation,<br />

Lernstrategien <strong>und</strong> schließlich auch über die Orientierungen bieten, mit denen die Befragten<br />

den auf sie zu kommenden Anforderungen begegnen werden. Es ist davon<br />

auszugehen, dass die meisten Erwartungen noch nicht realistisch sind <strong>und</strong> weiter entwickelt<br />

oder auch korrigiert werden müssen. Dies wird kontinuierlich überprüft.<br />

— Die erwartbare Notwendigkeit zur Korrektur einer Erwartung (vgl. o.), eines Motivs<br />

oder Bildes (vom Beruf oder Unternehmen) deutet sich in der Graphik als »Kritische<br />

Schwelle« an. Allgemein verlaufen Entwicklungen (vor allem im Jugendalter <strong>und</strong> in<br />

der Adoleszenz) nicht einfach kontinuierlich ab, sondern über Schwellen, die erklommen<br />

werden müssen (oder nicht konnten!). Diese Schwellen sind im Prinzip »kritisch«,<br />

weil sie immer eine gewisse Bewährung gegenüber Entwicklungsanforderungen<br />

markieren (vgl. S. 74 ff.). Im pädagogischen Sinne sind dann Hilfen angezeigt, die allerdings<br />

ein klares Bild von allen in Frage kommenden Gründen verlangen, wozu nur<br />

eine evaluativ ansetzende Beobachtung beitragen kann.<br />

— »Entwicklungsstände« sollten in vertretbaren <strong>und</strong> sinnvoll auf die Gesamtorganisation<br />

der Ausbildung abgestimmten Zeitabständen mit dem Ziel erhoben werden, den im<br />

engeren Sinne (Bezug zu den Experten–Facharbeiter–Workshops) erreichten Stand der<br />

Entwicklung beruflicher Identität <strong>und</strong> fachlicher Kompetenz festzustellen.<br />

— Dabei ist mit »Entwicklungsvarianten« zu rechnen, die sich im positiven wie negativen<br />

Sinne unterscheiden können. Die zuvor erhobenen Beruflichen Arbeitsaufgaben bilden<br />

den jeweiligen Beruf (»Kernberuf«) in Breite <strong>und</strong> Tiefe ab, die die Ausbildung<br />

selbstverständlich abdecken muss. Aus der Sicht der einzelnen Auszubildenden wer-<br />

71


Schule<br />

Gemeinsamer Zwischenbericht MV GAB<br />

72<br />

den mit großer Sicherheit Faktoren ins Spiel kommen wie Interesse, Belastung, Gruppenzwang,<br />

soziale Beziehungen zu Ausbildern <strong>und</strong> Ausbildungsbeauftragten etc., die<br />

dazu führen werden, dass sie das Gesamtangebot beruflicher <strong>Bildung</strong> <strong>und</strong> Qualifizierung<br />

im Sinne von beruflichen Anforderungen der Beruflichen Arbeitsaufgaben selektiv<br />

wahrnehmen <strong>und</strong> entsprechend darauf reagieren. Eine zu starke Selektion wird zu<br />

sichtbaren Betonungen bzw. Defiziten im gesamten Ausbildungsabschnitt führen. Das<br />

wäre sicherlich eher negativ. Umgekehrt bieten die erwartbaren Varianten aber genau<br />

das Potential der Spezialisierung, das die größten Lernfortschritte bietet, wenn z. B.<br />

ein Werkzeugmechaniker in der Bearbeitung von Oberflächen Leistungen erzielt, die<br />

seine Fähigkeit der Instandhaltung von Werkzeugen weit überragen. Das wäre sicherlich<br />

dann positiv, wenn die letzteren Leistungen für eine Berufsausübung auch reichen.<br />

Hier ist zu sehen, dass die herkömmlichen Lernerfolgsüberprüfungen keineswegs<br />

überflüssig werden, sondern eine zwingend notwendige Ergänzung der auf Entwicklungslogik<br />

gerichteten Evaluation darstellen.<br />

Allerdings kann diese Evaluation auch nicht nach dem Vorbild von Lernerfolgskontrollen<br />

durchgeführt werden. Dies sei an einem Beispiel aus dem allgemeinbildenden Unterricht<br />

illustriert: Lernerfolgskontrollen sind aus hier nicht weiter zu erörternden Gründen<br />

auf zwei Referenzpunkte der Beurteilung angewiesen: 1. den »curricularen Input«, der<br />

den variablen Maßstab für die Messung des »curricularen Outputs« liefert <strong>und</strong> 2. die<br />

statistische Verteilung von Leistungen auf einer Skala von »1« bis »6«.<br />

Zu 1. Schon aus Gründen der Fairness kann nur das geprüft werden (Lernleistung=Output),<br />

was zuvor unterrichtet wurde (Lehrstoff=Input). Damit steht bei Lernerfolgskontrollen<br />

zwingend die Ebene der Fachlichkeit im Vordergr<strong>und</strong>, sie wird als Input<br />

verstanden <strong>und</strong> in den Leistungen (Output) gemessen, z. B. beim Dreisatz.<br />

Zu 2. Sicherlich würden bei einer Mathematik–Arbeit zum Dreisatz alle fehlerfreien Arbeiten<br />

mit »1« bewertet — auch wenn niemand einen Fehler gemacht hat, also die gesamte<br />

Lerngruppe die Note »1« erhielte. Das ist zwingend <strong>und</strong> z. B. beim Deutschunterricht<br />

(Aufsatzthema) bei weitem nicht mit gleicher Objektivität möglich. Doch die Folge eines<br />

solchen hervorragenden Klassenarbeitsergebnisses wäre, dass der Input (Dreisatz) als zu<br />

anspruchslos, also als ungerecht <strong>und</strong> der Leistungsfähigkeit der Klasse unangemessen<br />

gewertet würde (das gleiche passierte auch, wenn alle eine »6« erzielt hätten). Die Anforderungen<br />

werden immer so gestellt, dass sich eine Verteilung zwischen »1« <strong>und</strong> »6« ergibt<br />

mit einer Häufung um die Note »3« (Gaußsche Normalverteilung). Daher müssen die<br />

Leistungen vergleichbar sein.<br />

Um das Beispiel des Dreisatzes kurz zu vertiefen: In einer solchen Klassenarbeit wird es<br />

zwei Sorten von Aufgaben geben, die eine Sorte prüft die Rechentechnik ab, die andere<br />

die Fähigkeit, mit dem Dreisatz einen quantitativen Sachverhalt zu mathematisieren, also<br />

einen Algorithmus anzuwenden. Diese Sorte von Aufgaben ist zweifellos die schwierigere<br />

<strong>und</strong> auch fast beliebig zu »komplizieren«. Damit werden Leistungsfähige identifiziert,<br />

während diejenigen, die nur die Rechentechnik aufweisen, eine gewisse Chance erhalten,<br />

mindestens eine »4« zu erzielen.


Gemeinsamer Zwischenbericht MV GAB<br />

Was bei einer solchen Leistungskontrolle jedoch unterbleibt, ist die Prüfung der Gründe,<br />

warum die einen erfolgreich sind, die anderen nicht. Hier wird ausschließlich der Input<br />

<strong>und</strong> dessen Beherrschung als erbrachter Output gemessen. Würde aber nun nicht die<br />

Schülerleistung geprüft, sondern der Mathematikunterricht evaluiert, dann könnte diese<br />

Art der Leistungskontrolle nicht mehr angewandt werden. Dann müsste vielmehr — nach<br />

wie vor gemessen am Input, der den Anspruch des Unterrichts ausdrückt — gefragt werden,<br />

warum die einen das erwartete Verständnis — das der Unterricht ja vermitteln will —<br />

erbringen <strong>und</strong> die anderen nicht oder nur unvollkommen. Einen erkenntnisreichen Zugang<br />

zu dem, was der Unterricht tatsächlich bewirkt, bietet nur die Rekonstruktion der<br />

Fehler, die viele machen, um zu verstehen, was ihnen fehlt, damit der Mathematikunterricht<br />

tatsächlich seine Lernziele auch erreicht. Dazu sind dann andere Aufgaben zur Prüfung<br />

bzw. Evaluation notwendig als die Reproduktion des leicht veränderten, aber eigentlich<br />

schon im Unterricht geübten Stoffs. — Dies ist übrigens ein sehr aktuelles Beispiel,<br />

da der deutsche Mathematikunterricht, genauer das, was er an mathematischen<br />

Fähigkeiten <strong>und</strong> Verständnis vermittelt, sich im internationalen Vergleich auf dem Niveau<br />

von Entwicklungsländern befindet (vgl. TIMSS).<br />

Auch in der Berufsausbildung können Lernerfolgskontrollen nicht unabhängig vom Input<br />

<strong>und</strong> der »Normalverteilung« durchgeführt werden. Damit wird jedoch die Leistung<br />

der Ausbildenden als Variable, die Qualität der Ausbildung hingegen als Konstante behandelt.<br />

Zwar bieten sich die Beruflichen Arbeitsaufgaben durchaus als »Input« einer<br />

solchen Lernerfolgskontrolle an, aber damit stünde wieder nur die Leistungsfähigkeit der<br />

Auszubildenden auf dem Prüfstand, nicht die Leistungsfähigkeit der Ausbildung. Insofern<br />

kommt es in einer Evaluation, die den Einfluss der (umgestalteten) Ausbildung auf<br />

die Entwicklung fachlicher Identität <strong>und</strong> beruflicher Kompetenz untersuchen muss, darauf<br />

an, auch die Ausbildung als Variable zu handhaben. Die im engeren Sinne fachlichen<br />

Leistungen der Auszubildenden lassen Rückschlüsse nur auf ihre »Arbeitskonzepte« zu,<br />

nicht jedoch auf die beiden Dimensionen des Lernens <strong>und</strong> des Teams, die immer einen<br />

Kontext der Arbeit dann darstellen, wenn es um die »Arbeits– <strong>und</strong> Geschäftsprozessorientierung«<br />

geht. Um auf den Vergleich mit dem Dreisatz aus dem Mathematikunterricht<br />

zurückzukommen: Diese, im MV GAB zielgebende Orientierung ist sozusagen der Algorithmus<br />

des Dreisatzes, die Fähigkeit zu mathematisieren, zu deren Entwicklung <strong>und</strong><br />

Förderung die Ausbildung beitragen soll.<br />

Die Beruflichen Arbeitsaufgaben dienen in allen Berufen dazu, die dem MV GAB angemessene<br />

Didaktik beruflichen Lernens als Formulierung der LAGs zu realisieren. LAGs<br />

selbst liefern das Vorbild für die fachlichen Elemente der sogenannten »Entwicklungsaufgaben«<br />

(EA), die fester Bestandteil der Evaluation sind. Je nach Ausgestaltung befördern<br />

sie Lösungen, die den Stand der Kompetenz– <strong>und</strong> Identitätsentwicklung der Azubis<br />

einzuschätzen helfen.<br />

Quer zu den individuellen Verläufen werden nach der Anfängerbefragung <strong>und</strong> vor der<br />

abschließenden Aufgabenstellung an bestimmten Stufen mittels Entwicklungsaufgaben<br />

die typischen, nicht individuellen Entwicklungsstände erhoben, um den Gesamtverlauf<br />

der Entwicklung vom Anfänger zum Experten unter dem Einfluss einer zunehmend arbeits–<br />

<strong>und</strong> geschäftsprozessorientierten Ausbildung abbilden, verstehen <strong>und</strong> beurteilen<br />

73<br />

WB<br />

Betrieb<br />

WB


Gemeinsamer Zwischenbericht MV GAB<br />

zu können. Zunächst werden die Lernkonzepte (LK) erhoben, dann gehen wir bei der<br />

1. Entwicklungsaufgabe (EA) davon aus, dass die Auszubildenden bereits ein Arbeitskonzept<br />

(AK) entwickelt haben. Bei den anschließenden Untersuchungen werden wir ein<br />

Teamkonzept (TK) abfragen, bei dem wir unterstellen, dass sein Elaborierungsgrad bereits<br />

ein fachliches Niveau erreicht hat, also schon den Regeln der Praxisgemeinschaft<br />

folgt.<br />

3.2.2.1 Bezugstheorien <strong>und</strong> -modelle<br />

In der Terminologie von Havighurst (1972) stehen alle Jugendlichen vor »Entwicklungsaufgaben«,<br />

d. h. auf dem Weg von der Pubertät bis zur Adoleszenz verstreicht nicht einfach<br />

nur die Zeit der Reifung, sondern es stellen sich Aufgaben, deren Bewältigung zu<br />

qualitativen Fortschritten in der Reifung führt. Eine ganz hervorragende Rolle spielt hier<br />

die Berufswahl bzw. die Orientierung zum Studium, letztlich also die Auseinandersetzung<br />

mit der Frage der eigenen künftigen ökonomischen Reproduktion innerhalb der<br />

prinzipiell gesellschaftlich erreichbaren Möglichkeiten (Punker oder Broker?) bzw. den<br />

konkret erreichbaren individuellen (Schichtzugehörigkeit, Hautfarbe, Geschlecht etc.).<br />

Für Havighurst stellte sich ein forschungslogisches Problem in zwei Dimensionen dar:<br />

Die Breite der Lösungen (1) <strong>und</strong> die Tiefe der Entwicklung (2).<br />

1. Wie schon angedeutet, kann es niemals nur eine Lösung für eine Entwicklungsaufgabe<br />

geben (Punker — Broker), sondern mehrere, wobei die einzelne Lösung jeweils tragfähiger<br />

oder weniger tragfähig sein kann. In dieser Dimension bietet sich die Kategorie<br />

des »Musters« an, dem die Lösung einer Entwicklungsaufgabe folgt: Um ein triviales<br />

Beispiel zu nehmen, ein Jugendlicher orientiert sich eher an seinen Interessen (z. B.<br />

<strong>Technik</strong>), ein anderer eher am Geld. Der mit dem Muster »Interesse« wird sein Lernen<br />

<strong>und</strong> Handeln im Beruf anders organisieren als der mit dem Muster »Geld«. Beide verfügen<br />

aber über tragfähige Muster, daher haben sie potentiell die Entwicklungsaufgabe<br />

gelöst.<br />

2. Weniger trivial ist nun die andere Frage, die nach der Tiefe der Entwicklung. Wie weit<br />

kommt jemand, der die 1. Entwicklungsaufgabe nach seinem Muster gelöst hat? Sind<br />

Entwicklungen prinzipiell abgeschlossen oder nicht? Wahrscheinlich ist der Grad der<br />

Abgeschlossenheit wiederum vom eingesetzten Muster abhängig, ansonsten vom biologischen<br />

Verfall determiniert. Mit dieser Frage berührt Havighurst das allgemeine<br />

entwicklungslogische Erkenntnisproblem mit dem Beginn, der Stufung <strong>und</strong> dem Ende<br />

von logisch verlaufenden Entwicklungen.<br />

Es fällt leicht, sich vorzustellen, dass die Hypostase einer Logik der Entwicklung in bezug<br />

auf die Varianz, den Wechsel von Mustern <strong>und</strong> besonders angesichts des Phänomens<br />

der Regression prekär wird. Eine prinzipiell im Jugendalter noch als offen dargestellte<br />

Entwicklung droht mit der Kategorie der Logik ein Korsett, eine reine Zwangsapparatur<br />

zu werden. Andererseits, wenn keine logische Konsistenz in den Lösungen wäre, bliebe<br />

jede Entwicklung ein Rätsel bis zur Preisgabe der Vorstellung von Entwicklung.<br />

Dagegen kann eingewandt werden, Entwicklungslogiken bildeten lediglich den gesellschaftlichen<br />

Identitätszwang ab (vgl. o.). Theoretisch rational ist daran, dass jede entwick-<br />

74


Gemeinsamer Zwischenbericht MV GAB<br />

lungslogische Konstruktion mit dem begrifflichen Element des Logischen zugleich<br />

Zwang ausdrückt. Noch gravierender wiegt, dass mit dem Zwang pädagogisch–berufspädagogisch<br />

die Möglichkeit zu entstehen scheint, die Entwicklung Jugendlicher zu<br />

manipulieren, d. h. in Kenntnis der Verläufe müsste sich die Gelegenheit bieten, diese zu<br />

steuern. Andererseits steht dem in der Realität die nicht nur normative Kategorie der<br />

Reife entgegen. Nach allem, was man empirisch weiß, erstreckt sich die Möglichkeit der<br />

Manipulation lediglich auf die Auslösung einer Entwicklung, nicht auf deren Steuerung<br />

selbst (vgl. Rousseau 1985). Außerdem: Die Entwicklung zum Erwachsenen — zu dessen<br />

diskriminierenden Attributen vornehmlich seine Fähigkeit zur ökonomischen Reproduktion<br />

zählt — ist schlechterdings alternativlos.<br />

Diese gr<strong>und</strong>sätzlichen Überlegungen können bei der Entwicklung von Forschungsinstrumenten<br />

nicht übergangen werden, da sich aus ihnen deren Reichweite hypothetisch<br />

abzeichnet. Zu diesem Problem geben in grober Übersicht drei Typen entwicklungslogischer<br />

Modelle Aufschluss. Zu unterscheiden sind der<br />

1. piagetsche,<br />

2. kohlbergsche <strong>und</strong><br />

3. havighurstsche Typ.<br />

Ad 1.<br />

Piaget hat das Kindes– <strong>und</strong> frühe Jugendalter untersucht. Den Ansatz kann man als anthropologisch<br />

kennzeichnen, da er sich auf elementare Entwicklungen bezieht, die jeder<br />

Mensch in der Kindheit durchlaufen muss. Piaget zielt auf eine anthropogene Entwicklungslogik,<br />

im Gr<strong>und</strong>e auf eine entwicklungslogische Erkenntnistheorie, die Varianten<br />

ausschließt <strong>und</strong> letztlich als subjektiven Faktor nur Intelligenzunterschiede zulässt. Prüfstein<br />

der Adaption sind seine Untersuchungen zum moralischen Denken, deren theoretische,<br />

d. h. auch kategoriale Entfaltung weit hinter die zum kognitiven Denken zurückfällt<br />

(vgl. Piaget 1983 u. Bremer 1999a). Augenscheinlich birgt die Anwendung entwicklungslogischer<br />

Hypothesen auf andere als quasi–natürliche (»anthropogene«) Vorgänge<br />

Schwierigkeiten, die sich mit einem naturwissenschaftlich geprägten Methodenverständnis<br />

nicht mehr lösen lassen.<br />

Ad 2.<br />

Kohlberg (1974) hat die Entwicklung des moralischen Bewusstseins weiter getrieben, was<br />

er vermutlich nur dadurch konnte, dass er sich auf »soziogene« Faktoren der Entwicklung<br />

einließ — pointiert gesprochen, auf Widersprüche in der Entwicklung selbst. Piagets<br />

Experimente zur Entwicklung des moralischen Bewusstseins des Kindes gingen von Fällen<br />

aus, deren Beurteilung durch die Probanden dazu diente, diese altersmäßig zu differenzieren<br />

<strong>und</strong> in den Differenzen die Entwicklungsstufen des moralischen Bewusstseins<br />

zu identifizieren. Kohlberg hingegen untersuchte seine Probanden unter der Hypothese,<br />

dass die Stufen des moralischen Bewusstseins nicht altersverteilt sind, sondern sich qualitativ<br />

unterscheiden. Interessant ist deshalb sein Instrumentarium: Die Aufgaben, die er<br />

seinen Probanden zur Beurteilung stellte, gehen von einer methodischen, prinzipiellen<br />

Offenheit aus, d. h. die Lösungen — das Material seiner »Messungen« — bestehen aus<br />

75


Gemeinsamer Zwischenbericht MV GAB<br />

zwei Vektoren, einem gesellschaftlichen (individuelle Interessendefinitionen) <strong>und</strong> einem<br />

ethischen, wenn man Moral als die praktische Seite der Ethik versteht. Deshalb sind die<br />

den Probanden gestellten Aufgaben — anders als bei Piaget — nicht aufschlussreich in<br />

bezug auf ihre Lösung (richtig/falsch), sondern in bezug auf ihre Begründung (darum/darum).<br />

Formuliert sind sie als moralische Dilemmata, die gar keine eindeutige, immer<br />

nur eine bedingte »Lösung« haben. Kohlberg bezieht somit den Kontext der »Sittlichkeit«<br />

(vgl. Habermas 1983) ein, der die Lösungen relativiert. Abstrakt gesprochen,<br />

führt er ein »Drittes« ein, etwas, das zwischen der Entwicklung als solcher <strong>und</strong> ihren Stufen<br />

(Logik) plaziert ist, indem es die Zahl <strong>und</strong> die Differenzierung direkt <strong>und</strong> die Entwicklung<br />

somit indirekt faktoriell determiniert. Dieses »Dritte« ist gesellschaftlich, somit<br />

ein Artefakt, das Kohlberg auf der Forschungsebene konstruiert <strong>und</strong> in die Dilemmata<br />

einbaut — es ist deshalb nicht im gleichen Grade objektivierbar wie Piagets experimentelle<br />

Aufgabenstellungen, die z. B. in der Mathematik/Logik verankert sind. Dieses Dritte<br />

konstituiert sich auf der Messebene <strong>und</strong> ist somit nicht mehr bloß hypothetischer Bestandteil<br />

seiner Theorie, sondern ein handfest forschungslogischer.<br />

Ad 3.<br />

Bei Havighurst nun wird dieses »Dritte« nochmals im Entwicklungsbegriff verallgemeinert.<br />

Dessen Logik bezieht es nicht mehr aus der Entwicklung eines subjektiven Faktors<br />

(kognitives oder moralisches Bewusstsein), sondern aus der Aufgabe, die Entwicklung<br />

auslöst, hier spielen die Artefakte — z. B. solche des Berufs — endgültig die ausschlaggebende<br />

Rolle zur Beurteilung der Entwicklung. Forschungslogisch bedeutet dies, dass<br />

Entwicklung nicht mehr die Hypothese <strong>und</strong> ihre Ausprägungen die Variablen der die<br />

Logik beschreibenden Stufen sind, sondern umgekehrt, die Variable ist die Entwicklung,<br />

<strong>und</strong> die Aufgaben, deren Bewältigung jene indiziert, werden zu Hypothesen über den<br />

Verlauf.<br />

3.2.2.2 Forschungsinstrumente<br />

Im Untersuchungsvorhaben kommt es nun darauf an, die behaupteten entwicklungslogischen<br />

Verläufe in den ausgewählten Berufen zu rekonstruieren. Dies muss unter Berücksichtigung<br />

der Implikationen aller drei genannten Typen entwicklungslogischer Modelle<br />

geschehen. Eine Prüfung der methodologischen Gr<strong>und</strong>annahmen bei Piaget (entwicklungslogisches<br />

Immanenzpostulat), Kohlberg (unklare Beziehung zwischen Entwicklung<br />

<strong>und</strong> ihrem Kontext) ergibt, dass eine Anlehnung an Havighurst in Frage kommt, weil<br />

dessen Theorie die Artefakte als Auslöser von Entwicklungen überhaupt sowie zugleich<br />

als Messinstrumente zulässt.<br />

Damit ist Havighurst prinzipiell berufspädagogisch adaptierbar. Die Experten–Facharbeiter–Workshops<br />

geben Hinweise auf die beruflichen Anforderungen, deren Bewältigung<br />

die Berufsfähigkeit ausmacht. Es wurden dort drei Dimensionen ausgemacht, die zusammengeführt<br />

die Bedingungen beschreiben, die erfolgreiche Facharbeit subjektiv voraussetzt:<br />

1. Dimension der <strong>Technik</strong> (oder ihrer Äquivalente) im engeren Sinne.<br />

2. Dimension der Facharbeit im weiteren Sinne (z. B. Arbeitsorganisation).<br />

76


Gemeinsamer Zwischenbericht MV GAB<br />

3. Dimension des Sozialen (z. B. Umgang mit Kollegen/Vorgesetzten).<br />

Die drei Dimensionen stehen für eher abstrakte Anforderungen an die Entwicklungsverläufe<br />

vom Anfänger zum Experten. Dahinter verbergen sich nochmals Anforderungen,<br />

die der <strong>Technik</strong>, der Arbeitsorganisation <strong>und</strong> dem sozialen Umfeld zuzurechnen sind.<br />

Dass hier zwei Ebenen vorliegen, ist nicht verw<strong>und</strong>erlich, da »Berufsfähigkeit« eine individuell<br />

nur zuschreibbare Eigenschaft ist, die also nicht ausschließlich dem jeweiligen<br />

Beruf angepasst ist. Insofern liegt es auf der Hand, zwischen Facharbeit als solcher <strong>und</strong><br />

ihrer berufsspezifischen Ausprägung zu unterscheiden.<br />

Um eine Untersuchung auf beiden Ebenen zu ermöglichen, müssen diese nach den Anforderungen<br />

getrennt werden.<br />

1. Auf der ersten Ebene lässt sich an die Ergebnisse der Experten–Facharbeiter–Workshops<br />

unmittelbar anschließen. Die darin identifizierten Anforderungen verlangen von<br />

den Auszubildenden die Entwicklung eines:<br />

— Konzepts des Lernens<br />

— Konzepts des Arbeitens <strong>und</strong><br />

— Konzepts zur Zusammenarbeit (Team).<br />

2. Für die Erhebung auf der berufsspezifischen Ebene wird es nötig sein, die Entwicklungsaufgaben<br />

stark auf die beiden Dimensionen »<strong>Technik</strong>« <strong>und</strong> »Facharbeit« hin zu<br />

präzisieren. Hierzu sind Hypothesen (das eigentliche »Dritte«) zu formulieren, die die<br />

spezifischen Entwicklungsanforderungen fachlich/sachlich aus der Perspektive des<br />

Lernens erfassen (die sich dann — im Bewältigungsfall — als Bestandteil des Arbeitskonzepts<br />

ergeben werden). Die entsprechenden Instrumente können nur fachlich<br />

konstruiert werden, die Hinweise auf die entsprechenden »Schwierigkeiten« ergeben<br />

sich aus der Befragung zur 1. Ebene. Hier bietet sich im ersten Schritt der berufsspezifischen<br />

Adaption eine mögliche Typologisierung der Zugänge zur technisch–fachlichen<br />

Bewältigung (aus der Anfänger–/Lernerperspektive) der beruflichen Anforderungen<br />

an.<br />

Die methodische Leitfrage bei der Formulierung jeder Entwicklungsaufgabe zielt in Anlehnung<br />

an Havighurst immer auf objektivierbare Anforderungen des Berufs. Dazu liegen<br />

die beruflichen Arbeitsaufgaben vor. Diese können <strong>und</strong> müssen für die Konstruktion<br />

der Entwicklungsaufgaben herangezogen werden, um in den drei Dimensionen des Lernens,<br />

Arbeitens <strong>und</strong> der Zusammenarbeit aufgefächert zu werden. Prinzipiell offen bleibt<br />

bisher noch die Zahl der Niveaus <strong>und</strong> Stufen (die kategorial wissensunabhängig zu formulieren<br />

sind), die sich aus den fachlichen Anforderungen im engeren Sinne ergeben.<br />

Die angedeutete Parallelität zwischen Kategorien des Wissens <strong>und</strong> der Entwicklung spiegelt<br />

sich in den zwei Ebenen eines beruflichen Entwicklungsverlaufs:<br />

1. Auf der der Zunahme des Wissens (lineares oder kontinuierliches Wachstum) <strong>und</strong><br />

2. auf der der qualitativen Veränderung der sich entwickelnden Person (nichtlineare, gestufte,<br />

von divergenten Mustern geprägte Entwicklung).<br />

Forschungspraktisch sollten die konstruierten Entwicklungsaufgaben an noch zu identifizierenden<br />

Schwellen liegen, damit festgestellt werden kann, 1. ob die Probanden diese<br />

77


Gemeinsamer Zwischenbericht MV GAB<br />

Schwellen überwinden <strong>und</strong> 2. wie sie sie überwinden — indem sie ihr »Muster« offenbaren<br />

— <strong>und</strong> welche Orientierung sie dabei verfolgen, möglicherweise auch wechseln.<br />

Das hier geschilderte Untersuchungsverfahren zielt auf eine berufswissenschaftliche Entwicklungshermeneutik<br />

(vgl. Habilitationsvorhaben Bremer 1999b). Die prinzipielle<br />

Schwäche aller hermeneutischen Verfahren besteht darin, dass die Regeln, nach denen<br />

Verhalten <strong>und</strong> Äußerungen von Probanden interpretiert werden, zugleich die der Wahrnehmung<br />

von Verhalten <strong>und</strong> Äußerungen sind, insofern liegt bereits in der Wahrnehmung<br />

die Interpretation, die sich gleichsam selbst überprüfen muss. U. Oevermann (exemplarisch<br />

1983) will mit dem Verfahren der »Objektiven Hermeneutik« den Vorgang<br />

der Interpretation dadurch objektivieren, dass alle »Lesarten« einer Äußerung geprüft<br />

werden, es wird also die Täuschungsmöglichkeit der Interpretation auf der Basis des<br />

Hermeneutik schlechthin konstituierenden Vorverständnisses dadurch zu umgehen versucht,<br />

dass jedes mögliche interpretationsrelevante Vorverständnis zu ermitteln ist. Dergleichen<br />

kann aber bei im engeren Sinne fachlichen Frage– <strong>und</strong> Aufgabenstellungen unterbleiben,<br />

weil die Gegenstände einer berufswissenschaftlichen Entwicklungshermeneutik<br />

jenseits von Kommunikation liegen, mithin eindeutig sind. Hier kann die Fachlichkeit<br />

solcher Fragestellungen ihre methodologische Stärke ausspielen.<br />

Gleichwohl bleibt die Aufgabe bestehen, vor dem Hintergr<strong>und</strong> der Fachlichkeit weitere<br />

Faktoren zu objektivieren, nämlich solche Faktoren, die in die Entwicklungsaufgaben<br />

hypothesenförmig eingehen <strong>und</strong> dabei auf das »Material« der Aufgabe sozusagen eingestellt,<br />

die aber im Einzelfall vielleicht nur außerhalb der unterstellten Fachlichkeit zu<br />

verstehen sind. Wenn z. B. ein Auszubildender zu einer Entwicklungsaufgabe eher eine<br />

schwache, in der Logik der Aufgabe inkonsistente Lösung findet, so ist prinzipiell möglich,<br />

dass er sich noch unterhalb der hypothetisch angenommenen Schwelle befindet.<br />

Hier würde im Rückgriff auf Fachlichkeit nicht erklärt werden können, warum das Lösungspotential<br />

der Aufgabe praktisch abgewehrt wird. Dazu gäbe seine Lösung nichts<br />

her, sie wäre ebenso wenig eindeutig wie das weiße Blatt Papier, das nach einer Klausur<br />

in Mathematik abgegeben wird.<br />

Daher untersuchen wir auch das Milieu, in dem sich die fachliche Identität entwickelt.<br />

Wir unterstellen damit einen Kontext der Entwicklung, den wir durch drei Größen bestimmt<br />

sehen: Die Ausbildung, den gewählten Beruf <strong>und</strong> das Unternehmen, in dem ausgebildet<br />

wird. Im Rahmen einer Totalerhebung werden alle Auszubildenden in bestimmten<br />

Abschnitten schriftlich nach dem Bild befragt, das sie sich<br />

— von ihrer Ausbildung,<br />

— von ihrem Beruf <strong>und</strong><br />

— vom Unternehmen<br />

gemacht haben bzw. das sie als Anfänger mitbrachten. Für die Längsschnittuntersuchung<br />

ist es außerordentlich wichtig, möglichst früh die Einstellungen <strong>und</strong> Erwartungen zu<br />

erheben, um in folgenden Befragungen die Transformationen dieser Einstellungen <strong>und</strong><br />

Erwartungen vor dem Hintergr<strong>und</strong> der Erfahrungen mit der Ausbildung rekonstruieren<br />

zu können. Für das Untersuchungsvorhaben ist von denkbar großem Interesse zu erfahren,<br />

nicht nur welche Entwicklung in welchen Varianten stattfindet, sondern in welche<br />

78


Gemeinsamer Zwischenbericht MV GAB<br />

Richtung diese geht <strong>und</strong> welcher Zusammenhang sich dabei mit der Umgestaltung der<br />

Ausbildung ergibt. Deren Verbesserung nach transferierbaren Prinzipien auf der Gr<strong>und</strong>lage<br />

gesicherter Erkenntnisse über empirische Entwicklungsverläufe von beruflicher Identität<br />

<strong>und</strong> fachlicher Kompetenz ist das praktische Ziel des Modellversuchs, zu dem das<br />

vorgestellte Untersuchungsvorhaben beitragen will.<br />

Zu den allgemeinen <strong>und</strong> weiter zu den berufsbezogenen Ergebnissen vgl. die Anhänge<br />

C4 <strong>und</strong> C4a bis C4f: »Ergebnisse der Erstbefragung im Rahmen des Pretests«.<br />

3.2.3 Fortsetzung der Evaluation<br />

3.2.3.1 Konstruktion <strong>und</strong> Einsatz der Entwicklungsaufgaben als Evaluationsaufgaben<br />

Neben der Totalerhebung mittels standardisierter, teilweise berufsbezogener Fragebögen<br />

werden in Stichprobengröße je Beruf insgesamt vier sogenannte Evaluationsaufgaben<br />

gestellt. Sie dienen dazu, die Stände der Lern–, Arbeits– <strong>und</strong> Teamkonzepte präzise vor<br />

allem nach Typen bzw. Varianten zu erheben. Gr<strong>und</strong>sätzlich liefert dazu eine Berufliche<br />

Arbeitsaufgabe das Thema, genauer die Anforderungen, die diese enthält. Für die Evaluation<br />

kommt es weniger auf die konkrete Durchführung an, vielmehr auf die Art <strong>und</strong><br />

Weise, wie die Gruppen die Aufgabenlösung angehen <strong>und</strong> welches Muster diese Lösungen<br />

zeigen. Denn nur das Muster gibt den »Elaborierungsgrad«, also das erreichte Entwicklungsniveau<br />

der Konzepte zum Lernen <strong>und</strong> Arbeiten wieder — das beobachtbare<br />

Team–Konzept ergibt sich hauptsächlich aus der »Bewährung« der Gruppenarbeit. Das<br />

primäre Interesse an der Ausbildung tragfähiger Muster besagt auch, dass der »praktische«<br />

Teil der Aufgabe sich auf einen Arbeitsplan — der natürlich zu begründen ist —<br />

beschränken soll, so dass der Durchführungsaufwand begrenzt werden kann (auf einen<br />

halben, maximal einen Arbeitstag). Die angestrebte Stichprobengröße liegt bei 20 Auszubildenden,<br />

die in zwei Gruppen von je 10 Teilnehmern gebildet wird:<br />

— Die eine Gruppe erhält die Aufgabe als Einzelarbeit, alle müssen also jeweils für sich<br />

eine Lösung finden;<br />

— die 10 Auszubildenden der anderen Gruppe bearbeiten ihre Aufgabe in fünf Zweiergruppen.<br />

Wir erwarten hier einen messbaren Einfluss der kollegialen Arbeitsform, wie<br />

sie für Praxisgemeinschaften typisch ist <strong>und</strong> gehen davon aus, dass bei zunehmender<br />

Entwicklung der Einfluss der Arbeitsform indikatorisch ansteigt.<br />

Nach Bearbeitung der Aufgabe werden die Auszubildenden zu ihrem Eindruck von der<br />

Aufgabe, zu ihren eventuell auch fehlenden Vorerfahrungen <strong>und</strong> zur gef<strong>und</strong>enen Lösung<br />

einschließlich der Gruppenarbeit <strong>und</strong> der damit verb<strong>und</strong>enen Leistung befragt. Dies geschieht<br />

durch Interviews.<br />

Das Prinzip der Evaluationsaufgaben, dem wir in den qualitativen Untersuchungsabschnitten<br />

folgen, weicht aus sachlichen Gründen von dem ab, was Havighurst (1972) als<br />

»Developmental task« bezeichnet. Er bezog sich hypothetisch <strong>und</strong> messtheoretisch auf<br />

einen Typus schwieriger Entwicklungsaufgaben in Sozialisiationsvorgängen, die im Bereich<br />

des Technisch–Ökonomischen gar nicht vorliegen. Das bedarf einer kurzen Erläu-<br />

79<br />

WB


Gemeinsamer Zwischenbericht MV GAB<br />

terung.<br />

Generell gilt, dass jede Entwicklungsaufgabe für den leicht zu lösen wäre, der sie schon<br />

einmal gelöst hat — in Sozialisationszusammenhängen stellen sich diese unausweichlichen<br />

Aufgaben jedoch nur ein einziges Mal (vgl. Gruschka 1985 <strong>und</strong> Bremer 1988). Anders<br />

gesagt, sie sind nur für den schwierig, der sie noch nicht gelöst hat, er muss sie aber<br />

lösen, da sie sich ihm unausweichlich stellen (Moratorien <strong>und</strong> Regressionen bestätigen<br />

dies <strong>und</strong> widerlegen es nicht etwa). Dies scheint mehr als trivial <strong>und</strong> bleibt es auch solange,<br />

wie man fälschlich das Konzept der Entwicklungsaufgaben auf <strong>Technik</strong> <strong>und</strong> Ökonomie<br />

überträgt. Hier liegt immer ein fachliches Problem vor, das für den Könner eben<br />

kein Problem ist, nur für den Anfänger. Die Konstruktion von Evaluationsaufgaben<br />

muss nun hypothetisch von einer realen Schwierigkeit ausgehen <strong>und</strong> messtechnisch so<br />

ausgelegt sein, dass in der Bewältigung der Aufgabe etwas sichtbar wird, das über die<br />

Kompetenzen des Bearbeiters Aufschluss gibt. Die Tatsache nun, dass es in <strong>Technik</strong> oder<br />

Ökonomie im Berufszusammenhang von Facharbeitern bzw. Angestellten Aufgaben <strong>und</strong><br />

Probleme gibt, die sich sachlich einfach formulieren lassen <strong>und</strong> nur für den Anfänger<br />

außerordentlich schwer sind, macht die Entwicklung solcher Aufgaben keineswegs leichter,<br />

sondern ungeheuer schwierig, da sie konstruiert werden müssen — im Gegensatz zu<br />

Sozialisationsaufgaben oder solchen, die Piaget Kindern stellte. Havighurst <strong>und</strong> Piaget<br />

haben objektive Entwicklungszusammenhänge in ihrer ganzen Zwangsläufigkeit rekonstruiert,<br />

also nicht Aufgaben inhaltlich konstruiert, vielmehr solche genommen, vor denen<br />

die sich entwickelnden Subjekte tatsächlich standen. Ihre Entwicklungshypothesen<br />

sind daher zuinnerst mit dem theoretischen Problem ihrer Messung verwachsen. Der<br />

Zusammenhang zwischen Hypothesen zur Entwicklung <strong>und</strong> deren »Messung« durch<br />

Evaluationsaufgaben stellt sich im Bereich von <strong>Technik</strong> <strong>und</strong> Ökonomie gr<strong>und</strong>sätzlich<br />

anders dar.<br />

Zum einen gibt es für alle beruflichen Aufgaben mehr oder weniger divergierende Lösungen<br />

auf mehr oder weniger unterschiedlichen Niveaus bis hin zur spezifischen Beliebigkeit<br />

von technischen Artefakten — an die Stelle der Zwangsläufigkeit bzw. Unausweichlichkeit<br />

tritt also etwas, das selbst Teil der Professionalität im Sinne von Beruflichkeit<br />

ist, entweder Reproduktionszwang oder Berufsethos oder eine Mischung von beidem.<br />

Zum anderen sind sie aber nicht konfliktuell, schon gar nicht dilemmatisch wie<br />

Entwicklungsaufgaben im Jugendalter (etwa Lösung vom Elternhaus) oder eine interessengeleitete<br />

Handlung unter moralischer Legitimation. Methodologisch formuliert, weisen<br />

Entwicklungsaufgaben in <strong>Technik</strong> <strong>und</strong> Ökonomie keine wirklich sachlich sistierbare<br />

Immanenz von Lösungen auf, im Gegenteil, sie sind von einer charakteristischen Offenheit<br />

<strong>und</strong> beruflich daher von erheblichen Vorgaben umgrenzt, die nicht zur Eigenlogik<br />

einer Sache gehören. Ob nun Anfänger oder Experte, vor eine technische Aufgabe gestellt,<br />

werden beide erfahren, dass die Reichweite ihrer Lösung nicht technisch, sondern<br />

vor allem ökonomisch begrenzt wird. Weiter differenziert heißt das, dass die »Unlösbarkeit«<br />

technischer Aufgaben entweder von Naturgesetzen oder von ökonomischen Vorgaben<br />

determiniert wird. Anders gesagt: Artefakte folgen keiner immanenten, sondern einer<br />

projektiven Logik des Auftrags selbst.<br />

80


Gemeinsamer Zwischenbericht MV GAB<br />

3.2.3.2 Eine hypothetische Typologie<br />

Daher lautet die Frage, welche Hypothese der Entwicklung bei der Konstruktion der<br />

Evaluationsaufgaben zugr<strong>und</strong>e gelegt werden kann — die Fachlichkeit der Aufgabenstellung<br />

allein kann sie nicht hergeben. Wir haben zur Beantwortung eine Typologie herangezogen,<br />

die aus den Experten–Facharbeiter–Workshops stammt. Sie schließt an die bereits<br />

erläuterte Hypothese über das Ziel beruflicher Entwicklung, die anerkannte Mitgliedschaft<br />

in einer Praxisgemeinschaft an (vgl. S. 66). Wir haben Typen derer gebildet,<br />

die als Experten in den Workshops befragt wurden <strong>und</strong> eine charakteristische Herangehensweise<br />

an die Aufgaben der Facharbeit zeigen. Diese Typen sind nicht durch Aufgabenbeherrschung<br />

oder Professionalität an sich zu erfassen, sondern durch den Zugang,<br />

den sie zu ihrem Beruf gewonnen haben. Wir gehen daher davon aus, dass die Auszubildenden<br />

nach einer gewissen Zeit sich ebenfalls einen korrespondieren Zugang zum Beruf<br />

<strong>und</strong> seinen Aufgaben verschaffen, innerhalb dessen sie sich entwickeln.<br />

Die Semantik der folgenden Typologie ist bewusst prägnant, anschaulich gewählt worden.<br />

Unvermeidlich ist daher ein gewisser Zug der distanzierenden Beschreibung, wenn<br />

nicht gar der scheinbaren Herabwürdigung. Das Gegenteil ist aber der Fall, denn es kann<br />

nicht der geringste Zweifel daran bestehen, dass alle Typen eine hohe Professionalität im<br />

Beruf verkörpern.<br />

Die Typologie für die Industriemechanik<br />

Der Steuerer oder Demiurg, der seine Anlage beherrscht <strong>und</strong> als »Macher« oder »Programmierer«<br />

am Laufen hält.<br />

Der Schrauber montiert <strong>und</strong> baut zusammen.<br />

Der Olympiker schätzt die Kräfte seiner Maschine <strong>und</strong> ihre Bewegungen.<br />

Der Zerleger sucht das Geheimnis der <strong>Technik</strong> in ihren Teilen.<br />

Der Amateur mag die <strong>Technik</strong> ganz allgemein.<br />

Die Typologie für die Industrieelektroniker<br />

Der CB–Funker oder der Computer–Spezialist.<br />

Der Entwickler geht die Probleme von der theoretischen Seite an.<br />

Der Löter interessiert sich für die funktionale, die gegenständliche Seite der E–<strong>Technik</strong>.<br />

Der Starkstromelektriker beschäftigt sich mit der Wirkung des elektrischen Stroms.<br />

Der Elektriker beschäftigt sich mit Kabeln, Schaltern <strong>und</strong> Lampen.<br />

Die Typologie für die Werkzeugmechanik<br />

Der Werkzeugmaschinen–Kapitän wird von den Maschinen <strong>und</strong> der Steuerung (CNC)<br />

angezogen, er ist von der Zerspanung fasziniert.<br />

Der Präzisionsfanatiker (Mikrometermann) hat den Beruf wegen der genauen Arbeit<br />

gewählt.<br />

Der Oberfächen–Kunsthandwerker schätzt die gestaltende Komponente des Berufs bei<br />

Formen <strong>und</strong> Oberflächen.<br />

Der objektorientierte (artikelorientierte) Typ sieht sich als praktischer Umsetzer von<br />

Industriedesign, als Massenschöpfer von Millionen von Nutzteilen, die sein Werkzeug<br />

81


Gemeinsamer Zwischenbericht MV GAB<br />

produziert.<br />

Der Optimierer widmet sich am liebsten der Einarbeitung von Werkzeugen in den Fertigungsprozess.<br />

Die Typologie für die Automobilmechanik<br />

82<br />

Der Fahrer ist zum Auto über das Fahren gekommen <strong>und</strong> gebrauchswertorientiert.<br />

Der Optimierer möchte am liebsten alle Automobile tunen.<br />

Der Zerleger sucht das Geheimnis der <strong>Technik</strong> in ihren Teilen.<br />

Der <strong>Technik</strong>er fühlt sich bei der Diagnose <strong>und</strong> der Kfz–Elektronik am wohlsten.<br />

Den Konstrukteur interessieren der Aufbau <strong>und</strong> die Sonderbauten am meisten.<br />

Die Typologie für die Kaufleute<br />

Der Buchhalter ist sowohl sparsam als auch genau bis zum Selbstzweck.<br />

Den Darsteller findet man vorzugsweise im Vertrieb/Marketing.<br />

Den Statistiker faszinierenden weniger die Zahlen als die Beziehungen zwischen ihnen.<br />

Der Regisseur arbeitet in Stabs– <strong>und</strong> Assistenzfunktion.<br />

Dem Händler oder Spekulanten liegen der Einkauf <strong>und</strong> Verkauf am Herzen, wobei<br />

ihn die erzielbaren Preisunterschiede am meisten interessieren.<br />

Mit dieser Typologie versuchen wir, den Entwicklungsraum aus den möglichen Zugängen<br />

zu erschließen <strong>und</strong> dann einzugrenzen. Mit dieser Mehrdimensionalität suchen wir<br />

Kriterien für die Formulierung von Evaluationsaufgaben, die andernfalls implizit bleiben<br />

würden, weil sich sonst die Evaluationsaufgaben an einen »Gesamttypus« richten müssten,<br />

den es gar nicht gibt. Es geht darum, die sachlich in unendlicher Zahl <strong>und</strong> entsprechender<br />

Beliebigkeit wählbaren beruflichen Artefakte von Aufgaben <strong>und</strong> Lösungen an<br />

Muster <strong>und</strong> Perspektiven ihrer Bearbeitung zu binden, die eine subjektive Logik der<br />

Entwicklung aufweisen — eine objektive fehlt aus den geschilderten Gründen.<br />

Der Stellenwert dieser Typologie <strong>und</strong> ihre Operationalisierbarkeit kann an einem Beispiel<br />

aus dem Werkzeugbau gezeigt werden: Eine erhebliche, über die Fachlichkeit von Werkzeugmechanikern<br />

entscheidende Fähigkeit liegt in der Bewältigung der Negativ–Darstellung<br />

des herzustellenden Teils durch die Form, die dazu gebaut wird. Eine möglichst<br />

hohe Sicherheit darin muss jeder Werkzeugmechaniker im Laufe des Lernens <strong>und</strong> Arbeitens<br />

entwickeln. Diese Fähigkeit ließe sich einfach prüfen, aber das Ergebnis einer entsprechenden<br />

Aufgabe wäre nicht besonders aufschlussreich — fiktiv könnte es im Falle<br />

einer darauf gezielt formulierten Entwicklungsaufgabe lauten: »Im 2. Lehrjahr haben<br />

28 % der Auszubildenden diese Fähigkeit noch nicht erworben.« Dies würde nichts über<br />

die Entwicklung aller besagen, sie bliebe im dunkeln, man wüsste nur, dass die einen es<br />

gelernt haben, die anderen hingegen nicht. Im Untersuchungskonzept kommt es jedoch<br />

auf das »Warum« an. Dieses »Warum« erschließt sich erst mit der Typologie, den ein<br />

Werkzeugmechaniker, der sich primär durch die erzielbaren Oberflächen seinen beruflichen<br />

Anforderungen nähert, wird das Negativ–Positiv–Problem zuallererst lösen, im Gegensatz<br />

zu jenem, den die Kräfte faszinieren, die er an seinen Presswerkzeugen beherrschen<br />

muss. Idealtypisch ist von einer Spannung bzw. Bandbreite der Professionalität<br />

zwischen »Mechanik« <strong>und</strong> »Formgebung« auszugehen. Stellt man nun noch in Rechnung,<br />

dass jede Berufsausbildung auf eine Standardisierung von Mindestanforderungen


Gemeinsamer Zwischenbericht MV GAB<br />

hinausläuft <strong>und</strong> dass jeder Beruf hervorragende, subjektgeb<strong>und</strong>ene Fähigkeiten voraussetzende<br />

Spezialisierungsmöglichkeiten bietet, wird verständlich, dass die Entwicklungsdimension<br />

im Zusammenhang mit Aufgaben der Facharbeit primär im Zugang zu diesen<br />

Aufgaben liegt, die sowohl einen Mindeststandard der Beherrschung erfordern als auch<br />

sehr spezifische Möglichkeiten zur Weiterentwicklung bieten. Um beides — sowohl die<br />

Standards als auch die Potentiale — evaluativ zu erfassen, abzubilden <strong>und</strong> zu interpretieren,<br />

müssen die Untersuchungsinstrumente, also die Evaluationsaufgaben, messtechnisch<br />

von divergierenden Zugängen zu den impliziten Anforderungen ausgehen <strong>und</strong> sie hypothetisch<br />

zugleich unterstellen. Das haben sie schließlich wieder mit den Instrumenten<br />

Havighursts gemeinsam.<br />

Literatur<br />

Adorno, Theodor W. 1979: Gesellschaft, in: Soziologische Schriften I, Frankfurt am<br />

Main, S. 9–19<br />

Bremer, Rainer 1988: Wie Kollegschüler lernen — Zusammenfassung von <strong>Bildung</strong>sgangstudien<br />

der Wissenschaftlichen Begleitung Kollegstufe–NRW, Soest<br />

Ders. 1999a: Entwicklungslogische Curricula in der Berufsbildung — ein bildungstheoretischer<br />

Begründungsversuch, Bremen, Ms. S. 12<br />

Ders. 1999b: Bericht zum Stand des Habilitationsvorhabens »<strong>Technik</strong> <strong>und</strong> <strong>Bildung</strong>«,<br />

Forschungsbericht des ITB, Bremen<br />

Habermas, Jürgen 1973: Legitimationsprobleme im Spätkapitalismus, Frankfurt am<br />

Main, S. 10 ff.<br />

Ders. 1983: Moralbewußtsein <strong>und</strong> kommunikatives Handeln, in: Moralbewußtsein <strong>und</strong><br />

kommunikatives Handeln, Frankfurt, S. 127–205<br />

Gruschka, Andreas 1985: Wie Schüler Erzieher werden, Wetzlar<br />

Havighurst, Robert J. 1972: Developmental Tasks and Education, New York (1948)<br />

Kohlberg, Lawrence 1974: Zur kognitiven Entwicklung des Kindes, Frankfurt am Main<br />

Oevermann, Ulrich 1983: Zur Sache, in: Ludwig von Friedeburg/Jürgen Habermas<br />

(Hrsg.), Adorno–Konferenz 1983, Frankfurt am Main, S. 234–289<br />

Piaget, Jean 1983: Das moralische Urteil beim Kinde, Stuttgart<br />

Rauner, Felix 2000: Der berufswissenschaftliche Beitrag zur Qualifikationsforschung <strong>und</strong><br />

zur Curriculumentwicklung. In: Pahl, J.-P.; Rauner, F.; Spöttl, G. (Hrsg.): Berufliches<br />

Arbeitsprozesswissen — Ein Forschungsgegenstand der Berufsfeldwissenschaften.<br />

Baden-Baden<br />

Rousseau, Jean–Jacques 1985: Emile oder Über die Erziehung, Paderborn<br />

83


Betrieb<br />

Gemeinsamer Zwischenbericht MV GAB<br />

4 Ergebnisse <strong>und</strong> weiteres Vorgehen<br />

4.1 Hypothesenabgleich <strong>und</strong> Ergebnisse<br />

In den beiden Antragsteilen A <strong>und</strong> B zum Modellversuch im außerschulischen Bereich<br />

der Berufsbildung sind jeweils drei Hypothesen formuliert worden, die eng zusammenhängen<br />

<strong>und</strong> sich auf jeweils einen identischen Kern beziehen. Daher basieren der folgende<br />

Abgleich <strong>und</strong> die Darstellung der Ergebnisse auf diesen drei Hypothesen.<br />

Folgende Hypothesen wurden formuliert:<br />

1a. Eine geschäfts– <strong>und</strong> arbeitsprozessbezogene Ausbildung muss die Trennungslinien<br />

zwischen den Berufen überschreiten (Antrag A)<br />

Die insgesamt in modernen Industrieunternehmen zu leistende Arbeit wird sich auf allen<br />

Stufen der betrieblichen Hierarchien mittel– <strong>und</strong> langfristig organisatorisch an der Wertschöpfungskette<br />

orientieren. »Produktivität« <strong>und</strong> »Qualität« dürfen dabei in keinem Widerspruch<br />

stehen. Daraus ergeben sich neue Anforderungen an die Berufsaus– <strong>und</strong><br />

-weiterbildung, beide müssen dichter an den betrieblichen Arbeitsprozessen erfolgen, die<br />

sich ihrerseits der vollständigen technologischen Determinierung entziehen: Die Technologien<br />

prägen zwar die Mittel <strong>und</strong> Verfahren der Arbeit, nicht aber deren Zweck, der<br />

insofern eine Konstante des Arbeitsprozesses auch angesichts des Wandels von Technologien<br />

<strong>und</strong> Facharbeit bleibt. So beziehen sich die nach 1987 neugeordneten, aus der<br />

Anpassung an die technologische Entwicklung entstandenen <strong>und</strong> nach dieser ausdifferenzierten<br />

Berufe in den Berufsfeldern Elektro– <strong>und</strong> Metalltechnik auf die berufsförmig<br />

organisierte Facharbeit. Es kommt darauf an, diese Facharbeit über ihre technologie–<br />

<strong>und</strong> verfahrensbeherrschende Dimensionen hinaus für die Ausbildung in industriellen<br />

Berufen zu erschließen.<br />

1b. Die Notwendigkeit der Überwindung der Trennlinie zwischen den Berufen (Antrag<br />

B)<br />

Diese Hypothese reflektiert auf die Notwendigkeit, dass die Orientierung der Ausbildung<br />

an den Arbeits– <strong>und</strong> Geschäftsprozessen bereits durch viele Untersuchungen nahegelegt<br />

wird. Allerdings gibt es kaum systematische empirische Untersuchungen auf einer breiten<br />

Basis. In dem beantragten Modellversuch wird eine solche Analyse zum ersten Mal in<br />

der Geschichte der Berufsbildung auf der Basis der Einbeziehung aller Standorte eines<br />

Großunternehmens in den verschiedenen Fach– <strong>und</strong> Fertigungsbereiche der gesamten<br />

Fertigung durchgeführt. Entsprechend wichtig ist die Auswertung des dabei gewonnenen<br />

empirischen Materials <strong>und</strong> die Präzisierung der Hypothese.<br />

Ad 1a. <strong>und</strong> 1b.<br />

Beide Hypothesen können als vollständig bestätigt gelten. In vier Untersuchungsdimen-<br />

84


Gemeinsamer Zwischenbericht MV GAB<br />

sionen haben wir die Frage zu beantworten versucht, ob die modernen Geschäfts– <strong>und</strong><br />

Arbeitsprozesse ausbildungsseitig nicht einen Neuansatz in der Festlegung der curricularen<br />

Basis erfordern. Leitend war dabei die Idee sogenannter Kernberufe, mit denen die<br />

bisher im Unternehmen benötigten Berufsbilder »gegen den Strich gebürstet« werden<br />

sollten: Waren bislang die eingesetzten Technologien <strong>und</strong> Verfahren mehr oder weniger<br />

ausschlaggebend für die Berufsbilder, haben wir umgekehrt vermutet, dass die Beruflichen<br />

Arbeitsaufgaben, deren Erledigung den Gebrauchswert der Arbeitskraft ausmachen,<br />

hinreichend trennscharfe Unterscheidungen zwischen den Berufen liefern können, mit<br />

denen die Kernaufgaben eines Unternehmens bewältigt werden können.<br />

In der ersten Untersuchungsdimension haben wir umfangreiche Experten–Facharbeiter–<br />

Workshops (23 Workshops verteilt über alle Standorte der VW AG mit ca. 230 Teilnehmern)<br />

durchgeführt. Die Auswahlkriterien für die Teilnehmer besagten lediglich, dass aus<br />

jenen Fachkräften am jeweiligen Standort solche Facharbeiter bzw. Angestellte benannt<br />

werden sollten, die in der erforderlichen Weise kompetent sind <strong>und</strong> an Arbeitsplätzen<br />

beschäftigt werden, die mittelfristig — besser auch künftig — nicht entfallen werden. Einen<br />

bestimmten Beruf haben wir bewusst nicht angegeben, wünschenswert war ein eher<br />

geringes Alter (um 30 Jahre). Die Workshops dauerten zwischen 6 <strong>und</strong> 8 St<strong>und</strong>en, die<br />

Befragten sollten die Etappen ihrer beruflichen Entwicklung schildern <strong>und</strong> auf einem<br />

bestimmten Abstraktionsniveau ihre charakteristischen Beruflichen Arbeitsaufgaben benennen.<br />

Bereits die Schilderungen zur eigenen beruflichen Entwicklung zeigten, dass die jeweils<br />

absolvierte Erstausbildung allenfalls eine (wenn auch wichtige) Gr<strong>und</strong>lage der weiteren<br />

Berufskarriere war, die eigentlich mit dem Einsatz an einem modernen Arbeitsplatz mit<br />

moderner Arbeitsorganisation begann. Die Experten–Facharbeiter haben bestätigt, dass<br />

sowohl ihre eigene berufliche Entwicklung als auch die der derzeitigen Auszubildenden<br />

möglichst frühzeitig an realen betrieblichen Arbeitslätzen geschehen sollte, wobei die<br />

Aufgabenstellung den Ausschlag für die Berufsqualifikation geben müsste.<br />

In der zweiten Untersuchungsdimension haben wir Führungskräfte befragt, also diejenigen,<br />

die in Leitungsfunktionen ihrer Abteilungen über Investitionen, Organisation <strong>und</strong><br />

Personal entscheiden. Die Bedeutung dieser Befragtengruppe ergibt sich zunächst aus<br />

dem Ausgleich eines systematisch–strukturellen Defizits der Befragung von Experten–<br />

Facharbeitern: Diese können auf höchstem Niveau über den erreichten Stand der<br />

Anforderungen in ihrem Beruf Auskunft geben, jedoch nicht über die erwartbaren<br />

Veränderungen, da sie über diese nicht zu befinden haben. Wenngleich sie durchaus<br />

stringent aus Tendenzen der Technologie, der Verfahren <strong>und</strong> der Arbeitsorganisation<br />

extrapolieren können, würde ihren Aussagen jedoch der weitere Bezug zum<br />

Geschäftsprozess fehlen müssen.<br />

Die Führungskräfte nun haben die von den Experten–Facharbeitern antizipierten Veränderungen<br />

weitgehend bestätigt, besonders was die Qualitätsanforderungen betraf. Vorgelegt<br />

wurden ihnen in einer ersten R<strong>und</strong>e die Aussagen der Experten–Facharbeiter. Die<br />

sich dort abzeichnenden »Geschäftsfelder« der Facharbeit als die »heimlichen« Grenzen<br />

zwischen den Berufen (z. B. »Werkzeugbau« mit Werkzeugmechanik <strong>und</strong> Zerspanung im<br />

Unterschied zur Industriemechanik) wurden teilweise gleichlautend angeführt. Auf dieser<br />

85


Betrieb<br />

Schule<br />

Gemeinsamer Zwischenbericht MV GAB<br />

empirischen Untersuchungsebene deckten sich die exemplarisch gefassten Aufgaben der<br />

Facharbeit (z. B. die Integration von Automobilmechanik <strong>und</strong> –elektrik) in den Aussagen<br />

beider Befragtengruppen, <strong>und</strong> zwar immer dann, wenn nicht traditionelle Berufsbilder<br />

zur Diskussion standen, sondern die charakteristischen Arbeitsaufgaben.<br />

Mit diesen beiden Untersuchungsdimensionen wurde die empirische Ebene der Fragestellung<br />

bzw. Hypothese erfasst. In zwei weiteren Dimensionen galt es, die Konsequenzen<br />

für die Ausbildung zu ziehen, also die Hypothese der »Kernberuflichkeit« auf die<br />

Belange der Ausbildung zu beziehen.<br />

Dazu wurden zum einen die »Betriebsrealitäten« (1) erk<strong>und</strong>et, zum anderen die geltenden<br />

Ausbildungsordnungen durchgesehen (2).<br />

1. Anhand der vorläufigen Bef<strong>und</strong>e der Workshops haben hauptsächlich VW CG–Mitarbeiter<br />

an ihren Standorten Arbeitsplätze erk<strong>und</strong>et, die zu den beruflichen Arbeitsaufgaben<br />

passten, die die Experten–Facharbeiter genannt hatten, um deren Aussagen<br />

sozusagen zu verifizieren. Es kam darauf an, einen Überblick über die Einsatzorte<br />

künftig nach dem GAB–Modell ausgebildeter Facharbeiter zu gewinnen. Dies geschah<br />

aus prospektiver Absicht, also aus der Absicht heraus, die neue Ausbildungsorganisation<br />

verstärkt an Arbeitsplätze zu verlagern, die dem geschilderten Typ entsprachen.<br />

Es stellte sich erwartungsgemäß heraus, dass es sich dabei in der Mehrzahl um Arbeitsplätze<br />

handelte, die die bisherige, an Abschlussprüfungen orientierte, Ausbildung<br />

nicht im Blick hat.<br />

2. Der Abgleich der Ordnungsmittel ergab, dass so etwas wie »Kernberufe« bereits existiert.<br />

Dies kann an der hohen Deckungsgleichheit zwischen den Fachrichtungen einzelner<br />

Berufe abgelesen werden (z. B. Industriemechaniker FR Betriebstechnik <strong>und</strong> FR<br />

Produktionstechnik). Ziel des Abgleichs war weiter, genau den bestehenden Ausbildungsberuf<br />

auszuwählen, der den weitesten Spielraum in der Ausgestaltung z. B.<br />

durch die festgestellten beruflichen Arbeitsaufgaben gewährleistet: In diesem Beruf<br />

sollten dann die GAB–Auszubildenden einen Ausbildungsvertrag erhalten.<br />

Resümierend kann gesagt werden, dass es starke empirische Konvergenzen zwischen den<br />

modernen Berufen gibt, wenn der Blick auf die Aufgaben gerichtet <strong>und</strong> angenommen<br />

wird, dass sich die Unterschiede der Berufe an »Geschäftsfeldern« festmachen lassen, die<br />

sowohl durch Technologien als auch durch Verfahren <strong>und</strong> Organisation bestimmt sind.<br />

Vor allem kann gesagt werden, dass diese »Geschäftsfelder« der Facharbeit weitaus stabiler<br />

sind <strong>und</strong> bleiben werden als einzelne Berufsbilder. Der entsprechend interessierte<br />

Blick in die in Frage kommenden Ausbildungsordnungen verweist ebenfalls darauf, dass<br />

identische »Kerne« der Berufe existieren <strong>und</strong> dass deren Differenzierungen in Bezug auf<br />

die reale Facharbeit eher künstlich sind.<br />

2a. Eine moderne Berufsausbildung benötigt Kooperationsbeziehungen in einem Modell<br />

Ausbildung–Produktion–Schule (Antrag A)<br />

Das in der »Ist–Analyse« ermittelte Dilemma zwischen einer Deckungsbeiträge erwirtschaftenden<br />

Beteiligung der Ausbildung an Wertschöpfungsprozessen <strong>und</strong> den verfolgten<br />

bzw. vorgegebenen Ausbildungszielen ist vor dem Kontext einer Qualitäts- <strong>und</strong> Kosten-<br />

86


Gemeinsamer Zwischenbericht MV GAB<br />

senkungspolitik der Unternehmen zu betrachten, die dabei auf die Bedingungen der internationalen<br />

Märkte verweisen — im Hintergr<strong>und</strong> steht immer die Forderung, alle Unternehmensbereiche<br />

auf den wertschöpfenden Sektor hin zu konzentrieren. Im Kurzschluss<br />

scheint dies zu verlangen, die Ausbildung für die Fertigung in Anspruch zu<br />

nehmen. In unverkürzter Betrachtung erscheint jedoch die Alternative entweder Organisations–<br />

bzw. Personalentwicklung oder dual verfasste Ausbildung hinfällig. Diese wird<br />

dabei immer als unproduktiver Faktor den wertschöpfenden Bereichen der Unternehmen<br />

gegenübergestellt. Tatsächlich verlangt aber eine Konzentration auf den wertschöpfenden<br />

Sektor während einer Ausbildung, dass sie sich an diesem orientiert <strong>und</strong> zwar an seiner<br />

jeweils modern ausgeprägten Form. Insofern bedeutet die Erfüllung der Forderung, die<br />

Ausbildung müsse fertigungsnäher in Wertschöpfungsprozessen erfolgen, einen erhöhten<br />

Anspruch an die pädagogisch–qualifikatorische Qualität der Ausbildung: Sie muss dicht<br />

an den betrieblichen Brennpunkten erfolgen, wo die betrieblichen Aufgaben gestaltet<br />

<strong>und</strong> gelöst werden.<br />

Eine methodisch–didaktisch an den Arbeitsprozess angenäherte Berufsausbildung z. B. in<br />

»Lerninseln« beseitigt zwar die Distanz zur Fertigung, die für Lehrwerkstätten charakteristisch<br />

ist, jedoch schöpft auch die Bearbeitung »lernhaltiger Arbeitsaufgaben« noch nicht<br />

die Möglichkeiten einer modernen, mit der Produktion über betriebliche Gestaltungsaufgaben<br />

verwickelten Ausbildung aus. Fertigung <strong>und</strong> Ausbildung müssen im Sinne<br />

praktischer Aufgaben kooperieren, damit die künftigen Facharbeiter die Fähigkeit zur<br />

Innovation erwerben.<br />

2b. Integration der Ausbildung in die Wertschöpfungskette (Antrag B)<br />

Die Abkopplung der Ausbildung von den produktiven Funktionen der Wertschöpfungskette<br />

der Unternehmen wird in zunehmenden Maße als Fehler erkannt. Die Umkehrung<br />

dieses Prozesses ist eingeleitet <strong>und</strong> in der Ausbildung wird in sich verstärkendem Maße<br />

die Nähe zum Fertigungsprozess gesucht. Diese Entwicklung hat allerdings nicht dazu<br />

geführt, dass die Ausbildung eine kooperative Beziehung zu den in der Wertschöpfungskette<br />

integrierten Abteilungen eingegangen ist. Dies führt dazu, dass in der Ausbildung<br />

der Fertigungsprozess vielfach nachgeahmt wird, anstatt die bereits vorhandenen Fähigkeiten<br />

der Auszubildenden in den realen Fertigungsprozess einzubringen. Wo dies geschieht,<br />

beispielsweise bei der Deutschen Bahn AG, wo Auszubildende kleinere Niederlassungen<br />

eigenständig betreuen <strong>und</strong> neue Dienstleistungskonzepte für diese entwickeln,<br />

kann man beobachten, dass die Integration von wertschöpfenden <strong>und</strong> ausbildenden<br />

Funktionen während der Lehre durchaus kein Widerspruch sein muss. Welche Voraussetzungen<br />

allerdings erfüllt sein müssen, damit sich diese beiden Funktionen ergänzen,<br />

gehört zu den zu untersuchenden Fragestellungen der Wissenschaftlichen Begleitung.<br />

Ad 2a. <strong>und</strong> 2b.<br />

Ein Abgleich dieser Hypothese mit der Wirklichkeit führt zu einer differenzierten Bilanz,<br />

die vom Hinweis auf bereits etablierte Strukturen bis zur Weiterentwicklung von Konzepten<br />

reicht, die bisher noch nicht umgesetzt werden konnten. In Anlehnung an einige<br />

Bef<strong>und</strong>e der »Ist–Analyse« von 1998 konnte in Bezug auf »Wertschöpfung« ein Akquisitionsmodell<br />

betrieblicher Aufträge ausgebaut werden, das sich zeitlich <strong>und</strong> inhaltlich in<br />

87<br />

Betrieb


Betrieb<br />

Gemeinsamer Zwischenbericht MV GAB<br />

die neue Ausbildungsorganisation einfügt. Es werden in weitaus stärkerem Maße als bisher<br />

in der Ausbildung Aufträge aus dem Unternehmen bearbeitet, die nach einem vorgegebenen<br />

Kriteriensystem nicht nur auftrags–, sondern auch lernbezogen, also lernhaltig<br />

sind. Anders gesagt, bei der Erledigung der Aufträge wird nicht nur Routine erworben,<br />

sondern es werden auch Anforderungen der modernen Facharbeit bewältigt. Die wünschenswerte<br />

Verlagerung der ausbildungszugehörigen Arbeitsplätze direkt in die Fach–<br />

<strong>und</strong> Fertigungsabteilungen ist demgegenüber noch unterentwickelt. Allerdings hat sich<br />

herausgestellt, dass die reine Ortsangabe sozusagen kein hinreichendes Qualitätsmerkmal<br />

für die erreichte Umstellung der Ausbildungsorganisation ist. Eine direkt in der Fertigung<br />

tätige Ausbildungsstelle muss nicht per se lernhaltiger sein als eine Auftragsbearbeitung<br />

innerhalb der Lehrwerkstatt. Entscheidend ist stets die Qualität des Auftrags einerseits<br />

<strong>und</strong> die Organisation seiner Abwicklung andererseits. Unter Gesichtspunkten einer<br />

gestaltungsorientierten Berufsbildung können z. B. in einer Lehrwerkstatt bei einem betrieblichen<br />

Auftrag neue Wege beschritten werden, was in einer linienimplementierten<br />

Fertigungsanlage nicht so leicht möglich wäre. Von selbst versteht sich der Unterschied<br />

zugunsten der Lehrwerkstatt, wenn an diese Aufträge erteilt werden, die nicht alltäglich<br />

sind wie z. B. eine »Motorölwaage« in Salzgitter. Hier war auch der Lernort Schule beteiligt.<br />

Unter dem Gesichtspunkt der Wertschöpfung einschließlich der damit avisierten größeren<br />

Geschäfts– <strong>und</strong> Arbeitsprozessnähe der Ausbildung haben wir die dazu gewählten<br />

Konzepte präzisiert (vgl. zum Folgenden auch Bremer/Jagla 2000).<br />

Akquisition betrieblicher Aufträge für die Lehrwerkstatt<br />

Aufträge, die von den Lehrwerkstätten übernommen werden, müssen eine pädagogisch–<br />

qualifikatorische Qualität aufweisen: Aus Arbeitsaufträgen müssen Lern– <strong>und</strong> Arbeitsaufgaben<br />

werden. Zwei Organisationsmodelle sind denkbar:<br />

1. Die systematische Umsetzung der Ideen aus dem »innerbetrieblichen Vorschlagswesen«.<br />

2. Die systematische Beteiligung an Auftragsausschreibungen der Fertigung.<br />

Daraus sich ergebende Aufträge werden in der Lehrwerkstatt erledigt <strong>und</strong> dort als curriculare<br />

Elemente in die Ausbildung integriert, wobei jeweils zu entscheiden ist, welche<br />

Berufsgruppen <strong>und</strong> welche Jahrgänge in welcher Zusammensetzung mit welchen Ausbildern<br />

zusammenarbeiten. Die kaufmännische Ausbildung kann gr<strong>und</strong>sätzlich die damit<br />

zusammenhängenden, begleitenden Arbeiten übernehmen. Im Prinzip ist natürlich auch<br />

denkbar, dass entweder, weil die Ausrüstung oder die Kompetenz nicht ausreichen, aus<br />

den Arbeitsaufträgen Unteraufträge herausgelöst werden, die an Fachabteilungen — evtl.<br />

an dort phasenweise tätige Auszubildende — weitergegeben werden. Auch dies würde zu<br />

einer punktuellen Umkehr der Beziehungen zwischen Ausbildung <strong>und</strong> Fertigung führen<br />

<strong>und</strong> mithin die Verflechtungen beider, insbesondere die gegenseitige Kenntnis <strong>und</strong> das<br />

Vertrauen, stärken.<br />

Ebenso, wie die curriculare Integration solcher Arbeitsaufträge zu Lern– <strong>und</strong> Arbeitsaufgaben<br />

im Prinzip leichtfällt, scheinen der praktischen Durchführung doch erhebliche<br />

Schwierigkeiten im Wege zu stehen. Aus entwicklungslogischer Perspektive stellen nach<br />

88


Gemeinsamer Zwischenbericht MV GAB<br />

ihrer Anforderung kontingente Arbeitsaufträge kein Problem dar, weil alle Ausbildungsjahrgänge<br />

beteiligt werden können — was weit über die Fähigkeiten der Auszubildenden<br />

im 3. Jahr hinaus geht, darf dann nicht akquiriert werden (oder wird als Unterauftrag<br />

wieder in Fachabteilungen weitergegeben, s. o.). Praktisch schwierig dürfte nicht die inhaltliche,<br />

sondern die zeitliche Kontingenz der Arbeitsaufträge als curricularen Bestandteilen<br />

sein: Was passiert, wenn eine zeitlang kein passender Arbeitsauftrag ausgeschrieben<br />

wird? Lässt diese Ungewissheit überhaupt die Integration von Arbeitsaufträgen der geschilderten<br />

Art in Curricula zu?<br />

Solche Arbeitsaufträge fallen häufig in einem Umfang an, der die Kapazität der Ausbildungsabteilungen<br />

übersteigt. Folglich besteht das Problem darin, bei Angeboten berücksichtigt<br />

zu werden, was die Gewährung von Chancen (Vertrauensvorschuss) auf der einen<br />

Seite <strong>und</strong> die Qualitätssteigerung der Ausbildung (Vertrauenssicherung) auf der anderen<br />

Seite zur Bedingung hat. Beide Bedingungen konvergieren im Modellversuchsvorhaben.<br />

Freilich sind Probleme aufgetaucht: Herrscht ausschließlich Kostendruck vor, dann dürften<br />

solche Aufträge nur in einer wesentlich kürzeren Zeitspanne »lehrreich« sein als ihre<br />

Abarbeitung insgesamt dauert — vor allem, wenn es auf Stückzahlen ankommt. Abgesehen<br />

vom nur geringen qualifikatorischen Wert solcher Aufträge, wird überdies die Zeit<br />

für die qualifikatorisch wichtigen Ausbildungsinhalte knapp — sozusagen eine Schere,<br />

zwischen deren Klingen die Ausbildung zu geraten droht.<br />

Auch besteht das Problem des Vertrauens in die Qualität der Leistung von Auszubildenden<br />

<strong>und</strong> ihren Ausbildern. Aber, die »offizielle« Bewerbung um einen Auftrag mittels<br />

eines Angebots besitzt einen nur schwer bestreitbaren seriösen Charakter. Abgesehen<br />

vom wahrscheinlich niedrigen Preis bleibt die Entscheidung darüber, was der Ausbildung<br />

zugetraut werden sollte, bei dieser, indem sie sich bewirbt. Zwar ist damit das Angebot<br />

noch nicht realisiert, aber immerhin wird ein »Aufschlag« auf den Anspruch möglich, im<br />

Fall, dass der Auftrag tatsächlich erteilt wird, ergibt sich die große Chance, mit dem Ergebnis<br />

überzeugen zu können. Danach wachsen zwangsläufig das Vertrauen <strong>und</strong> die Bereitschaft,<br />

das nächste Gebot ebenfalls ernst zu nehmen.<br />

Betriebseinsätze<br />

Die Betriebseinsätze, bei denen die Auszubildenden von ca. 1.500 Ausbildungsbeauftragten<br />

betreut werden, stellen quantitativ das größte Potential sowohl der Geschäfts– <strong>und</strong><br />

Arbeitsprozessorientierung als auch der Wertschöpfung dar. Zudem haben sie den Vorzug,<br />

schon zu existieren. Allerdings verdankt sich ihr Zustandekommen derart verschiedener<br />

Gründe, dass ihre Integration in den Modellversuch GAB einer kriteriengeleiteten<br />

Überprüfung bedarf, damit das Potential auch ausgeschöpft werden kann. Das Folgende<br />

umreißt das Problem <strong>und</strong> die zeitlichen Dimensionen seiner Lösung (vgl. auch Bremer/Jagla<br />

2000).<br />

Bisher kommen Auszubildende ab dem 2. Ausbildungsjahr bereits in den Betrieb, sie<br />

werden dort eingewiesen <strong>und</strong> müssen bestimmte Aufgaben erledigen. Dabei werden sie<br />

von Ausbildungsbeauftragten betreut. Die Begründung dieser Einsätze liegt auf der<br />

Hand: Nach über zwei Jahren Ausbildung können die künftigen Facharbeiter schon etwas,<br />

daher sollten sie auch schon »richtig« arbeiten. Dieser Schluss ist natürlich richtig,<br />

89


Gemeinsamer Zwischenbericht MV GAB<br />

kann aber auf einer durchaus problematischen Voraussetzung beruhen <strong>und</strong> zu ebenso<br />

fragwürdigen Konsequenzen führen:<br />

1. Die Auszubildenden haben schon einiges gelernt, das sie für die Arbeit qualifiziert.<br />

Darauf aufbauend, müssen sie nur kurz eingearbeitet werden, dann können sie »richtig«<br />

arbeiten.<br />

2. Weil Fehler teuer sind <strong>und</strong> volle Verantwortung daher nicht möglich ist, werden sie<br />

mit Arbeiten betreut, bei denen sie nicht überfordert werden können.<br />

Vorausgesetzt wird also ein gewisser Vorrat an Kompetenzen, die im Prinzip für die Arbeit<br />

ausreichen müssten. Einweisung <strong>und</strong> Einarbeitungszeit wird zugebilligt, weil der betriebliche<br />

Arbeitseinsatz fremd ist. Folglich soll an den Arbeitsplätzen eigentlich nicht<br />

mehr im Sinne von fortschreitender Kompetenzentwicklung gelernt werden. In der Konsequenz<br />

würde dies zu Betriebseinsätzen an Arbeitsplätzen führen, an denen nur noch<br />

wenig oder gar nichts für den Beruf gelernt werden kann.<br />

Diese Überlegung soll verdeutlichen, worum es bei der Auswahl <strong>und</strong> Gestaltung betrieblicher<br />

Arbeitsplätze im Modellversuch gehen muss. An einem Beispiel soll das eigentliche<br />

Problem noch einmal beleuchtet werden, es stammt aus der kaufmännischen Ausbildung,<br />

was insofern die problematischen Aspekte hervorhebt, als diese Ausbildung bei<br />

VW schon heute zu 80 % dezentral, das heißt in den Fachabteilungen stattfindet.<br />

Die Struktur der kaufmännischen Ausbildung beteiligt die zentrale Ausbildung im Umfang<br />

von nur noch 20 %. Zentral werden die Auszubildenden in den Gebrauch der bei<br />

kaufmännischen Tätigkeiten üblichen »Werkzeuge« <strong>und</strong> Prozeduren unterwiesen. »Werkzeuge«<br />

sind Telephon, Kopierer <strong>und</strong> Computer, Prozeduren betreffen die Abfassung interner<br />

Mitteilungen zum Beispiel. Die Gr<strong>und</strong>übung besteht dann darin, immer daran zu<br />

denken, dass stets irgendwo ein passendes Formular vorgesehen ist. Bei PCs wird es<br />

schwieriger, aber es bleibt im Gr<strong>und</strong>satz auch die Aufteilung des Lernens in Beherrschung<br />

»an sich« <strong>und</strong> »am Arbeitsplatz«. So spielen die eingesetzten Programme eine<br />

große Rolle. Beispielsweise müssen immer wieder Daten aufbereitet <strong>und</strong> zu Diagrammen<br />

verarbeitet werden. Deshalb gibt es einen »Excel–Gr<strong>und</strong>kurs«, der in den Programmschritten<br />

von der Zahlen– oder Wertereihe hin zum Diagramm unterweist. Danach kann<br />

aber folgendes passieren: Ein Auszubildender kommt in eine kaufmännische Fachabteilung<br />

<strong>und</strong> soll dort anhand von Zahlen ein Diagramm für die mittägliche Sitzung erstellen,<br />

an der der Unterabteilungsleiter teilnimmt. Der junge Mann müht sich, irgendeine<br />

Graphik bringt er auch zustande. Aber: Diese Graphik sagt nichts aus oder gar das Falsche.<br />

Das Produkt ist unbrauchbar, weil der junge Mann zwar Programmschritte beherrscht,<br />

aber keine Idee davon hat, worauf es bei der Präsentation ankommt <strong>und</strong> unter<br />

welchen Kriterien die Datenaufbereitung schließlich beurteilt wird. Diese Kriterien sollte<br />

er nach der Konzeption dezentralen Lernens genau in der Fachabteilung kennenlernen.<br />

Eine schlichte, aber gravierende Konsequenz muss deshalb sein, dass dezentrales Lernen<br />

nicht bloß im realen Einsatz Vorqualifizierter besteht, sondern dass diese am jeweiligen<br />

Arbeits– <strong>und</strong> Einsatzplatz weiterlernen, sprich in ihrer Entwicklung gefördert werden<br />

müssen. Die Auszubildenden sollen ja all das noch lernen, was sie nicht können <strong>und</strong> sie<br />

kommen in die Abteilungen ja nicht, weil sie schon etwas können, sondern weil sie es<br />

90


Gemeinsamer Zwischenbericht MV GAB<br />

noch lernen müssen. Das erfordert jedoch, dass sich alle Beteiligten über den Beitrag<br />

verständigen, den der Betriebseinsatz zum Lernen beisteuern kann.<br />

Zugespitzt formuliert, müssen Auszubildende immer in der Rolle des Lernenden arbeiten,<br />

aber in der Rolle des Arbeitenden auch lernen. Sonst bleibt es bei dem alten Modell,<br />

nach dem eine zeitlang auf Vorrat gelernt wird, um dann Arbeitseinsätze zu ermöglichen,<br />

die nicht zugleich Weiterlernen bzw. -entwicklung zulassen. Zum jetzigen Zeitpunkt<br />

wird an einer Sachstandserhebung der betrieblichen Versetzungsstellen <strong>und</strong> einer<br />

Kriterienliste gearbeitet.<br />

Service–Produktions–Lerninseln oder Ausbildungs–Service–Center<br />

Im Prinzip ist nicht auszuschließen, dass betriebliche Versetzungsstellen stets unter dem<br />

ein oder anderen Kriterium unterkomplex bleiben, regelmäßig dürfte das bei Wartungs–<br />

<strong>und</strong> Instandhaltungsarbeiten der Fall sein, die wegen der horrenden Stillstandskosten nur<br />

schwerlich längere Lernzeiten von Auszubildenden dulden können. Insofern liefern sie<br />

bei sonst womöglich hervorragenden Ausbildungsbeiträgen nur einen Ausschnitt, der<br />

unvollständig bleibt. Besonders das Kriterium der Gestaltungsorientierung moderner<br />

Ausbildung verlangt ihre Beteiligung an der Arbeit in »betrieblichen Brennpunkten«.<br />

Solche Brennpunkte entstehen regelmäßig bei Modellwechseln, neuen Anlagen, neuen<br />

Verfahren oder generell in der Forschung <strong>und</strong> Entwicklung. Die didaktisch–methodische<br />

Qualität einer Service–Produktions–Lerninsel (SPL) oder eines Ausbildungs–Service–Centers<br />

(ASC) wird für die Facharbeit z. B. schon genutzt, so gibt es »Try–out–Räume« für<br />

die Mitarbeiter an bestimmten Prozessabschnitten, wo diese selbst nach Lösungen von in<br />

der Regel auch von ihnen selbst identifizierten Problemen suchen. Das gesamte Thema<br />

»Organisation« <strong>und</strong> »Qualität« der Facharbeit überragt ja in seiner Bedeutung den jeweils<br />

aktuell erreichten Stand, es drängt darüber hinaus. An dieser Dynamik muss die Ausbildung<br />

partizipieren, sie braucht dafür einen »logischen Ort« im Unternehmen, von dem<br />

aus sie einerseits dicht an die Realität der Arbeit anschließen kann, innerhalb dessen ihr<br />

andererseits aber Spielräume zur Ausgestaltung bleiben.<br />

Die »neue« kaufmännische Ausbildung wird deshalb so organisiert, dass sie Auszubildende<br />

sowohl an anspruchsvollen kaufmännischen Arbeitsplätzen als auch in sogenannten<br />

»Ausbildungs–Service–Centers« (ASC) beschäftigt. Diese sind in die Geschäftsprozesse<br />

verwickelt <strong>und</strong> intern nach den Arbeitsprozessen organisiert. Sie erbringen Dienstleistungen,<br />

die vergütet werden, damit unterliegen sie Kosten,– Zeit– <strong>und</strong> Qualitätsstandards.<br />

Drinnen sozusagen arbeiten die Ausbilder mit den Auszubildenden, so dass diese<br />

lernen können, z. B. auch, wie man die logistischen Abläufe verbessert.<br />

Zahlreiche Möglichkeiten bestehen auch in der gewerblich–technischen Ausbildung, Service–Produktions–Lerninseln<br />

einzurichten, maßgeblich strukturiert nach den curricular<br />

ausgewiesenen Arbeitsaufgaben <strong>und</strong> dem entwicklungslogischen »Anfänger–Experten–<br />

Modell«. Die bislang konzeptionelle Lösung benötigt ein entlastendes Lernmilieu. Die<br />

SPLs <strong>und</strong> ASCs ziehen die Arbeit in dieses Milieu hinein. Dort werden Ausbildungsbeauftragte<br />

<strong>und</strong> auch Ausbilder die Auszubildenden betreuen. Hinzu kommt nach dreijähriger<br />

Laufzeit eine voll ausgebildete Lerner–Lerner–Coach–Struktur, das heißt Auszubildende<br />

des dritten Ausbildungsjahres arbeiten mit Auszubildenden des ersten<br />

91


Betrieb<br />

Schule<br />

WB<br />

Gemeinsamer Zwischenbericht MV GAB<br />

zusammen <strong>und</strong> betreuen sie damit auch im Sinne der Verantwortung für das Ergebnis.<br />

Die Entwicklungsrichtung <strong>und</strong> die Dynamik dieses Aspekts im Modellversuch ergibt sich<br />

aus der Zwischenbilanz unter Abschnitt 2.3.6 (S. 42 ff.).<br />

3a. Curriculuar orientiert sich die Berufsausbildung am Entwicklungsprozess der Jugendlichen<br />

(Antrag A)<br />

Ausbildungs– sowie Lehrpläne bauen auf einer beruflichen Gr<strong>und</strong>bildung auf, die zunächst<br />

Gr<strong>und</strong>fertigkeiten <strong>und</strong> -kenntnisse vermittelt <strong>und</strong> erst in der Fachbildung schrittweise<br />

eine Anwendung des Gelernten auf praxisnahe Aufgaben vorsieht. Daraus ergeben<br />

sich für die Ausbildung zwei Konsequenzen: Erstens werden die auf die Gr<strong>und</strong>bildung<br />

folgenden Anwendungen des Gelernten von definierten Fachrichtungen bestimmt, weshalb<br />

der so konstruierte Praxisbezug als Spezialisierung kein »betriebliches Zusammenhangswissen«<br />

enthält; zweitens folgt eine solche inhaltliche Ausbildungsorganisation dem<br />

Bild einer Profession, die in dem Maße ausgeübt werden kann, in dem Regeln beherrscht<br />

werden.<br />

Der Entwicklungsweg vom »Anfänger« zum »Experten« verläuft hingegen genau umgekehrt.<br />

Der »Anfänger« bringt allgemeines, regelbasiertes, also abstraktes Wissen mit, während<br />

»Experten« unstrukturierte berufliche Situationen bewältigen müssen. Es kommt in<br />

der konkreten Situation nicht darauf an, die Regeln als solche zu kennen, sondern zu<br />

entscheiden, welche die zutreffende ist: Die Auswahl der abstrakt bekannten Regel bestimmt<br />

die konkrete Situation, den Experten zeichnet somit nicht das Regelwissen als<br />

solches aus, sondern die Fähigkeit, von diesem den richtigen Gebrauch zu machen. Dies<br />

erfordert Erfahrungen. Die Erfahrungen, die Jugendliche in ihrer Ausbildung vom »Anfänger«<br />

zum »Experten« machen, werden von den herkömmlichen Curricula nicht aufgegriffen,<br />

da die Erfahrungsinhalte nur exemplarisch für die Gültigkeit von theoretischen<br />

Erkenntnissen stehen sollen. Da aber auf dem Entwicklungsweg die Erfahrungsfähigkeit<br />

selbst <strong>und</strong> die angemessene Verarbeitung von Erfahrungen erworben werden muss, müssen<br />

die beruflichen Curricula diesen Weg weisen, steuern <strong>und</strong> begleiten. In gewisser Weise<br />

ist es darum notwendig, die Organisation vom Kopf auf die Füße zu stellen. Eine Berufsbildung,<br />

die den »natürlichen« Lernweg vom Anfänger zum Experten in Anspruch<br />

nimmt, erfordert entsprechende betriebliche Ausbildungspläne, also solche, die der Erfahrung<br />

der Anfänger hinreichend konkrete Anlässe zu einer Weiterentwicklung bis zum<br />

Experten bieten, denn erst der Experte beherrscht den Arbeitsprozess unter Einschluss<br />

der betrieblichen Prozessketten. Gleichzeitig weisen solche entwicklungslogisch strukturierten<br />

betrieblichen Ausbildungspläne Merkmale der subjektiven Entwicklung von<br />

Kompetenzen in einem <strong>Bildung</strong>sprozess auf, der verstehend–didaktisch bislang der Allgemeinbildung<br />

vorbehalten war.<br />

3b. Entwicklungslogische Curricula bedürfen der Überprüfung durch lernbiographische<br />

Verläufe (Antrag B)<br />

Die Orientierung der beruflichen Curricula am Entwicklungsprozess der Jugendlichen,<br />

wie sie ausführlich im betrieblichen Antrag dargelegt ist, stellt die Wissenschaftliche Begleitung<br />

vor die konzeptionelle Frage, wie die individuell höchst unterschiedlichen Er-<br />

92


Gemeinsamer Zwischenbericht MV GAB<br />

fahrungen — Resultat der Lernbiographien jedes Auszubildenden — durch das institutionalisierte<br />

Lernen aufgegriffen <strong>und</strong> entwicklungslogisch positiv weitergeführt werden sollen.<br />

Da üblicherweise der zu beruflicher Meisterschaft gelangte Lerner über seinen dabei<br />

zurückgelegten Weg wohl um so weniger reflektiert, je erfolgreicher <strong>und</strong> schneller er dabei<br />

war, kann die Befragung der Facharbeiterexperten nur wenig zur Beantwortung dieser<br />

Frage beitragen. Es ist daher unumgänglich, diesen Prozess an einigen Auszubildenden<br />

zu dokumentieren <strong>und</strong> zu diesem Zweck ein geeignetes Fallstudienkonzept zu entwikkeln.<br />

Ad 3a. <strong>und</strong> 3b.<br />

Die Hypothese zum entwicklungslogischen Aufbau von Curricula, die die Entwicklung<br />

Auszubildender vom Anfänger zum Experten begünstigen sollen, hat eine normative <strong>und</strong><br />

eine empirische Dimension. Die normative Dimension ist prinzipiell zu verstehen, sie<br />

rührt vom normativen Charakter aller Pläne, Curricula <strong>und</strong> Ordnungsmittel. In dieser<br />

Dimension ist eine entwicklungslogische Strukturierung vorgenommen worden <strong>und</strong> abgeschlossen,<br />

sie spiegelt sich in der Lernbereichsgliederung der <strong>Bildung</strong>spläne (vgl. Anhang<br />

C1) anhand von Lernfeldern. Die dazu weiterentwickelte konzeptionelle Ebene ist<br />

in Abschnitt 2.1.2 (S. 18 ff.) dargestellt <strong>und</strong> in Anhang C6 weiter begründet. Als normative<br />

Dimension von Curricula bedarf das Konzept der entwicklungslogischen Anordnung<br />

von Lernfeldern der empirischen Überprüfung, die die reale Entwicklung der Auszubildenden<br />

mit dem, was beabsichtigt wurde, konfrontiert. Die dazu angekündigten<br />

»Fallstudien« sind im Rahmen eines umfassenden Evaluationskonzepts zeitlich platziert<br />

worden <strong>und</strong> stehen kurz vor dem Einsatz. Die diesen Fallstudien zunächst vorgeschalteten<br />

Befragungen, die auch später parallel laufen werden, haben bisher einmalig stattgef<strong>und</strong>en,<br />

die Ergebnisse sind in Anhang C4 ff. dokumentiert. Zum Konzept der Evaluation<br />

vgl. Abschnitt 3.2.1.2 (S. 67 ff.).<br />

4.2 Curriculumentwicklung <strong>und</strong> -implementation<br />

Wie unter Kapitel zwei (vgl. S. 12 ff.) <strong>und</strong> in den Anhängen C1 ff. ausführlich dargestellt<br />

wurde, ist der Stand der Curriculumentwicklung weitgehend revisionsfähig, d. h. es<br />

kommt in der weiteren Arbeit nun darauf an, die curricular fixierten Strukturen umzusetzen<br />

<strong>und</strong> je nach den danach gemachten Erfahrungen die Curricula zu revidieren. Die<br />

in den Abschnitten 3.2 <strong>und</strong> 4.2 jeweils aus unterschiedlicher Perspektive angesprochenen<br />

Instrumente <strong>und</strong> Methoden spielen bei der Implementation der Curricula eine große<br />

Rolle. Dabei handelt es sich um Lern– <strong>und</strong> Arbeitsaufgaben, die Etablierung von weiteren<br />

betrieblichen Einsatzorten <strong>und</strong> schließlich die SPLs <strong>und</strong> ASCs.<br />

Im Folgenden stellen wir ein Modell vor, mit dem die Erfahrungen aus der unter Abschnitt<br />

3.2 (S. 64 ff.) erläuterten Evaluationsmethode genutzt werden sollen, um die ihr<br />

inhärente didaktische Qualität dem Modellversuch insgesamt zur Verfügung zu stellen.<br />

Die didaktische Funktion von Lern– <strong>und</strong> Arbeitsaufgaben als »Entwicklungsaufgaben«<br />

Die curriculare Umsetzung beruflicher Aufgaben verlangt im Modellversuch die Anwen-<br />

93<br />

Betrieb<br />

Schule<br />

WB<br />

WB


Gemeinsamer Zwischenbericht MV GAB<br />

dung neuer Lehr– <strong>und</strong> Lernformen. Ausgangspunkt ist eine konkrete Aufgabe (eine<br />

Lern– <strong>und</strong> Arbeitsaufgabe, in der die diskreten Elemente von Lehrplänen <strong>und</strong> Ausbildungsordnungen<br />

kumulieren). Lernanforderungen werden durch die Schwierigkeiten gestellt,<br />

die die Bewältigung der Aufgabe errichtet. Die Aufgabenstellung ist »ergebnisoffen«<br />

formuliert, das heißt es wird nicht auf dem Wege einer Rekonstruktion aus dem »besten<br />

technologisch möglichen Ergebnis« zu einer Ausgangsaufgabe, die genau zu diesem<br />

führt, ein Resultat vorgegeben. Demgegenüber zielt die curriculare bzw. didaktische Reorganisation<br />

der verbindlichen Inhalte auf »Gestaltungsoptionen« des Lernens, das (intentional<br />

im Sinne des Curriculums <strong>und</strong> der Didaktik) anhand von Arbeitsaufträgen angestoßen<br />

wird.<br />

Der Begriff des »Arbeitsprozesswissens« hat in der einschlägigen berufspädagogischen<br />

Diskussion die Rolle einer Kategorie übernommen, die der Verschiebung der Arbeitserfahrung<br />

zur unaufklärbaren Restgröße von beruflichen Lernprozessen widersprechen soll.<br />

Martin Fischers Habilitation trägt deshalb den Untertitel »Von der Arbeitserfahrung zum<br />

Arbeitsprozesswissen« (Fischer 2000). Damit wird theoretisch versucht, die Funktion des<br />

»Arbeitsprozesswissens« von der einer alltagstheoretisch–nebelhaften Bestimmung der<br />

Erfahrung, »die man halt macht <strong>und</strong> zum Beruf gehört« zu emanzipieren. Das übliche,<br />

defizitäre Verständnis von »Erfahrung« macht etwas zur Selbstverständlichkeit, das keineswegs<br />

gegenüber dem systematisch aufgeklärten Wissen — das auf dem Wege des Studiums<br />

erworben wird — als inferior <strong>und</strong> trivial gelten kann. Für die Berufsfähigkeit ist es<br />

in doppelter Hinsicht ausschlagend:<br />

— Reines Buchwissen liefert nicht die Fähigkeit, es anzuwenden. Auf Anwendung, nicht<br />

auf Potentialität kommt es in der Berufsarbeit aber an.<br />

— Arbeitsprozesswissen ist wahrscheinlich sogar mehr als bloßes Komplement des<br />

Buchwissens. Einige Untersuchungen (vgl. Fischer 2000) deuten darauf hin, dass es eine<br />

vom theoretischen Wissen gr<strong>und</strong>sätzlich verschiedene, eigenständige Wissensform<br />

repräsentiert.<br />

Wenn sich Arbeitsprozesswissen zum systematischen Wissen nachweislich nicht einfach<br />

nur komplementär verhält <strong>und</strong> deshalb eine völlig eigenständige Rolle im Erwerb beruflicher<br />

Handlungsfähigkeit spielt, dann ist damit wohl einerseits ein berufspädagogischer<br />

Erkenntnisfortschritt verb<strong>und</strong>en — der z. B. die Vorstellung einer naturwüchsigen Erfahrungsakkumulation<br />

korrigiert —, andererseits aber ein Problem aufgeworfen, das um so<br />

gravierender erscheinenden muss, je diskreter die Sphären theoretischen <strong>und</strong> praktischen<br />

Wissens geschieden werden können. Es besteht darin, anzugeben, was die der Wissensform<br />

des Arbeitsprozesswissens angemessene Lernform sein kann — oder anders: Welche<br />

didaktischen Entscheidungen <strong>und</strong> Methoden erfordert ein beruflicher Unterricht, der das<br />

Arbeitsprozesswissen zum Gegenstand von <strong>Bildung</strong> <strong>und</strong> Ausbildung macht?<br />

Die Antwort auf diese Frage müsste auf zwei Ebenen oder in zwei Dimensionen erfolgen:<br />

Eine curriculumtheoretische (1) <strong>und</strong> eine praktische (2).<br />

1. In Richtung auf Curriculumtheorie müsste die Differenz zwischen systematischer Wissensaneignung<br />

<strong>und</strong> der beruflichen Kompetenzentwicklung auf der Gr<strong>und</strong>lage eines<br />

zunehmenden Arbeitsprozesswissens erklärt <strong>und</strong> berücksichtigt werden. Es ist davon<br />

94


Gemeinsamer Zwischenbericht MV GAB<br />

auszugehen, dass der kontinuierlichen Akkumulation theoretischen Wissens — typisch<br />

für die systematische Lernform — keine ähnliche, verwandte oder gar direkt entsprechende<br />

Lernform im Medium von beruflicher Erfahrung gegenübersteht. Denn das<br />

hieße, in die alltagstheoretische Vorstellung von Erfahrungswissen zurückzufallen, die<br />

mit der Kategorie des Arbeitsprozesswissens ja überw<strong>und</strong>en wurde (etwa: »Je länger einer<br />

was macht, desto erfahrener wird er schon werden«). Letztlich liefe das wieder auf<br />

einen Automatismus hinaus, der keine Funktion der Didaktik, sondern einer der Zeit<br />

wäre. Die curriculumrelevante Vermittlung von systematischem Wissen <strong>und</strong> Arbeitsprozesswissen<br />

müsste dort ansetzen, wo die beiden spezifischen Wissensformen sich<br />

berühren, wo also die Theorie die Erfahrung aufklärt <strong>und</strong> umgekehrt die Erfahrung<br />

kognitiv verarbeitet werden muss: »Ohne Sinnlichkeit würde uns kein Gegenstand gegeben<br />

<strong>und</strong> ohne Verstand keiner gedacht werden. Gedanken ohne Inhalt sind leer,<br />

Anschauungen ohne Begriffe sind blind. Daher ist es eben so nothwendig, seine Begriffe<br />

sinnlich zu machen (d. i. ihnen den Gegenstand in der Anschauung beizufügen),<br />

als seine Anschauungen sich verständlich zu machen (d. i. sie unter Begriffe zu bringen)«<br />

(Kant 1787, B77). Die Geltung dieser erkenntnistheoretischen Einsicht erstreckt<br />

sich auch auf berufliches Lernen — grobe Verstöße dagegen dürften verhindern, dass<br />

sich berufliche Handlungsfähigkeit sukzessive, verlaufsförmig einstellt.<br />

Im Modellversuch gehen wir umgekehrt von entwicklungslogischen Prämissen (Niveaus<br />

<strong>und</strong> Stufen) aus, die mit der Vorstellung einer linear verlaufenden Wissensakkumulation<br />

nicht mehr zu erklären wären. Das hat für die Curricula erhebliche Bedeutung.<br />

2. In Richtung auf die praktische Handhabung einer dem Arbeitsprozesswissen genügenden<br />

Didaktik stellt sich das Problem der Gestaltung von Lernprozessen, wofür ein<br />

curriculumtheoretisch abgesicherter Plan selbstverständlich nur die notwendige, nicht<br />

schon die hinreichende Bedingung ist. Was aber sichert Erfahrungsvermittlung nicht–<br />

akkumulativ ab? Um das Problem noch einmal zu benennen: Es wäre nicht nur in 3½<br />

Jahren nicht zuschaffen, alle möglichen, zur beruflichen Handlungsfähigkeit führenden<br />

Erfahrungen zu ermöglichen, sondern auch eine wenig überzeugende berufspädagogische<br />

bzw. didaktische Lösung, einfach nur »Erfahrungen« zu vermitteln, also<br />

»machen lassen«. Wesentlich offensiver wäre darauf hinzuarbeiten, dass die »hinreichende«<br />

Bedingung für ein Lernen im Arbeitsprozess erfüllt wird, nämlich die Erfahrungsfähigkeit<br />

der Auszubildenden zu fördern. Denn es kommt im Sinne des oben<br />

erwähnten Berührungspunktes zwischen systematischem <strong>und</strong> Erfahrungswissen darauf<br />

an, dass nicht irgendeine Erfahrung gemacht, sondern dass sie auch entsprechend zu<br />

der dem Arbeitsprozess angemessenen Wissensform verarbeitet wird. So bilden sich<br />

berufliche Identität <strong>und</strong> fachliche Kompetenz erst aus.<br />

Die didaktische Unterstellung besteht u. a. auch darin, dass nicht alle Auszubildenden in<br />

gleicher Weise die ihrem Beruf adäquate Erfahrungsfähigkeit schon mitbringen. Ein didaktisches<br />

Mittel, diese Fähigkeit zu fördern, sehen wir in dem entwicklungslogisch weiterzutreibenden<br />

Konzept der Lern– <strong>und</strong> Arbeitsaufgaben.<br />

Bei der Transformation der Lern– <strong>und</strong> Arbeitsaufgaben zu Entwicklungsaufgaben sind<br />

die beruflichen Arbeitsaufgaben leitend, sie geben das Ziel der Qualifizierung an beiden<br />

95


Gemeinsamer Zwischenbericht MV GAB<br />

Lernorten vor, insofern entsteht aus ihnen auch das Berufsbild. Im Modellversuch wurden<br />

in Experten–Facharbeiter–Workshops die Beruflichen Arbeitsaufgaben ermittelt. Einer<br />

der Gesichtspunkte der Auswertung dieser Workshops war die Erstellung einer vollständigen<br />

Liste dieser Aufgaben im Umfang von 14 bis 16. Zunächst beschreiben sie auf<br />

einem weitgehend einheitlichen Niveau — es ist insofern abstrakt, als es oberhalb von<br />

Tätigkeiten liegt — die Arbeitsaufgaben. In ihrer Breite sollen sie die kernberuflichen<br />

Facharbeit <strong>und</strong> ihre konkreten Einsatzorte erfassen. Sie beschreiben ein Kompetenzniveau<br />

<strong>und</strong> zwar ein recht hohes, das mindestens am Ende einer beruflichen Erstausbildung<br />

liegt, teilweise auch darüber.<br />

Daraus ergibt sich, dass die Beruflichen Arbeitsaufgaben in der Summe keineswegs immer<br />

schon identisch mit Entwicklungsaufgaben sein müssen: In einer dreieinhalbjährigen<br />

Ausbildung müsste das Ziel zum Ausgangspunkt der Qualifizierung gemacht werden,<br />

wenn alle Beruflichen Arbeitsaufgaben auf einem ähnlich hohen Niveau der Anforderungen<br />

an ihre Bewältigung liegen. Angesichts dessen fragt sich, wo entlang der Weg von<br />

beruflichen Arbeitsaufgaben zu Entwicklungsaufgaben führt, um akzeptable Aufgaben<br />

auf Anfängerniveau zu finden. Der Ansatzpunkt muss in den identifizierten Beruflichen<br />

Arbeitsaufgaben selbst liegen.<br />

Die Bedeutung dieser Frage wiegt besonders bei beginnender Umstellung schwer: Ein<br />

Ausbildungs– <strong>und</strong> <strong>Bildung</strong>skonzept, das vom Anfänger zum Experten ausgeht, ist zu<br />

Beginn mit dem Abstand des vermutbaren Anfängerkönnens zu den in den Beruflichen<br />

Arbeitsaufgaben abgebildeten Expertenqualifikationen konfrontiert. Anders gesagt, zum<br />

Anfang der Berufsausbildung geben die beruflichen Arbeitsaufgaben anscheinend das<br />

geringste für die Konstruktion von Entwicklungsaufgaben her. Man kann sich leicht vorstellen,<br />

dass ein Auszubildender am Ende des 3. Lehrjahres eine Optimierungsaufgabe<br />

am Abschnitt einer Fertigungsstraße löst, umgekehrt ist es unvorstellbar, damit einen<br />

Anfänger zu betrauen, er müsste scheitern <strong>und</strong> verzweifeln, wenn er die Aufgabe ernst<br />

nähme.<br />

Allerdings erschließt das oberhalb von Tätigkeiten ansetzende Beschreibungsniveau der<br />

Beruflichen Arbeitsaufgaben durch den Kontext eine auf der einen Seite konsistente Verknüpfung<br />

von Tätigkeiten oder Fertigkeiten sowie Fachwissen, das auf der anderen Seite<br />

keineswegs auf einem durchgängig hohen, einheitlichen Niveau angesiedelt sein muss.<br />

Welche Schwierigkeiten sich daraus für die Implementierung von Entwicklungsaufgaben<br />

ergeben, sollen die beiden folgenden Beispiele zeigen.<br />

Z. B. Automobilmechaniker:<br />

Eine wichtige Berufliche Arbeitsaufgabe ist der Standardservice am Auto. Diese Aufgabe<br />

erscheint bei allen Befragungen im Kfz–Sektor ebenso wie eine Reparatur am Automatikgetriebe<br />

oder der Umbau eines Polizeifahrzeugs. Der Standardservice (Regelinspektion,<br />

Übergabeinspektion) eignet sich unter den drei Beispielen ganz hervorragend für Anfänger:<br />

Sie können »richtig« arbeiten, ohne überfordert zu werden. Dabei lernen sie das Auto<br />

kennen, von außen sozusagen. Viele Teilaufgaben des Standardservice übernehmen die<br />

K<strong>und</strong>en mittlerweile selbst, beim Tanken wird der Ölstand kontrolliert, auch korrigiert,<br />

die Scheibenwaschanlage muss nachgefüllt werden, bei älteren Kfz auch die Batteriesäure.<br />

96


Gemeinsamer Zwischenbericht MV GAB<br />

Im Unterschied jedoch zu K<strong>und</strong>en, die sich vom Reifendruck über den Ölstand bis zur<br />

Batterie selbst helfen, wird ein mit dem Standardservice beauftragter Auszubildender des<br />

1. Ausbildungsjahres jedoch über diese »einfachen« Arbeiten an die Kfz–<strong>Technik</strong> herangeführt.<br />

Das fängt schon bei der Wahl des Frostschutzes in der Scheibenwaschanlage an <strong>und</strong><br />

setzt sich bei der Ölstandsmessung fort, wenn z. B. Wasser am Peilstab zu sehen oder<br />

Kühlflüssigkeit zu riechen ist. An einem Fahrzeug auf der Hebebühne fallen Undichtigkeiten<br />

am Antrieb <strong>und</strong> beschädigte Reifen praktisch sofort ins Auge. Beim Standardservice<br />

lässt sich schon diagnostisch <strong>und</strong> damit vertiefend sehr viel lernen, die »Black–box«<br />

Auto erhellt sich in dem Maße, in dem die Serviceprozeduren an der »Oberfläche« des<br />

Autos genutzt werden, um ein Verständnis des technischen Innenlebens zu entwickeln,<br />

der Weg führt dann über einfache Instandsetzungen bis hin zu komplizierten Diagnosen<br />

<strong>und</strong> Reparaturen — von einem bestimmten Niveau des Verständnisses an erschließt sich<br />

aus dem Funktionswissen auch die Kfz–Elektrik <strong>und</strong> Elektronik. Der Standardservice fügt<br />

sich ideal der Idee des entwicklungslogisch aufgebauten Lernens vom Anfänger zum Experten:<br />

Die Beruflichen Arbeitsaufgaben als solche bieten sich in einer identifizierbaren<br />

Stufung dar, die der Entwicklung zum Experten entspricht.<br />

Z. B. Werkzeugmechaniker:<br />

Im Werkzeugbau stellen sich die Dinge anders dar, Herstellung, Montage <strong>und</strong> Oberflächenbehandlung<br />

setzen bei Werkzeugen im Rahmen vollständiger beruflicher Arbeitsaufgaben<br />

ein ziemlich konstantes, hohes Niveau von Können <strong>und</strong> Wissen voraus. Wohl<br />

gibt es im Beruf schwierigere <strong>und</strong> einfachere, komplexere <strong>und</strong> überschaubarere Aufgaben,<br />

aber in der Übernahme einer beruflichen Arbeitsaufgabe in die Ausbildung ohne<br />

didaktische Entscheidung — außer etwa der Wartung eines kleinen Werkzeugs — keine<br />

wirkliche Aufgabe, die ein Anfänger — unter Anleitung — vollständig ausführen könnte.<br />

Auch kleine Formbauteile oder Werkzeuge stellen hohe Anforderungen an die Bearbeitung,<br />

die Unterschiede zu Großwerkzeugen bestehen eher in der Dauer der Herstellung<br />

als im Anspruchsniveau der Facharbeit. Eine didaktische Entscheidung für die Übernahme<br />

einer beruflichen Arbeitsaufgabe in eine Entwicklungsaufgabe könnte so aussehen,<br />

dass statt eines Werkzeugs oder Formbauteils eine Vorrichtung gebaut wird, wie sie<br />

die Fertigung regelmäßig anfordert. Die Parallelen liegen in der Arbeitsorganisation,<br />

nicht in der handwerklichen Ausführung: Die Fertigung verlangt eine Konstruktion, die<br />

erst als Skizze, dann als Zeichnung vorgelegt wird. Häufig muss auch das Bauteil als Vorlage<br />

reichen, das mit einer neuen Vorrichtung in der Montage verbaut werden soll. Dann<br />

kommt es bei der Herstellung der Vorrichtung auf die Maßabnahme, die Erstellung einer<br />

Zeichnung etc. an. Diese Abläufe, die auch spezialisierte Industriemechaniker beherrschen<br />

müssen, finden sich auch im Werkzeugbau, mit dem Unterschied, dass eine so<br />

gefertigte Haltevorrichtung nun einmal nicht in tausendfacher Verwendung für die Fertigung<br />

qualitätsentscheidender Bauteile benutzt wird. Eine solche Entwicklungsaufgabe<br />

würde also eher dem Geschäfts– als dem Arbeitsprozess im Werkzeugbau zugehören <strong>und</strong><br />

daher eine gewisse Einschränkung des Anspruchs darstellen, wie im Beispiel des Automobilmechanikers<br />

eine im Verlauf abgeschlossene berufliche Arbeitsaufgabe zu sein.<br />

Ersichtlich wird die wichtige Aufgabe der Werkzeugeinarbeitung etwa von den Möglich-<br />

97


Gemeinsamer Zwischenbericht MV GAB<br />

keiten solcher Reduktion des Anspruchs Beruflicher Arbeitsaufgaben nicht berührt. Auch<br />

wenn nicht in allen Berufen die Dinge so anschaulich <strong>und</strong> bequem geordnet vorliegen<br />

wie beim Automobilmechaniker, der Ansatz, aus beruflichen Arbeitsaufgaben zu lernförderlichen<br />

Entwicklungsaufgaben zu kommen, dürfte immer einzulösen sein:<br />

— Auch in schwierigen Fällen bieten die Beruflichen Aufgaben hinreichend Unterschiede<br />

in den Anforderungen, um sie in eine Reihenfolge zu stellen, die den Lernweg <strong>und</strong> –<br />

zuwachs der Auszubildenden berücksichtigt.<br />

— Hinzu kommt, dass sich aus praktisch jeder Beruflichen Arbeitsaufgabe ein mehr oder<br />

weniger nennenswerter Anteil von Aufgaben herausnehmen lässt, die auch von Anfängern<br />

erledigt werden können. Im Gr<strong>und</strong>e trifft dies ja auch auf den Standardservice<br />

in der Kfz–Werkstatt zu, da z. B. bei der Diagnostik von Zylinderkopfdichtungsschäden<br />

anhand von Kühlmittelspuren im Motoröl oder Bremsflüssigkeitsspuren an<br />

Bremstrommeln beim Wechsel von Sommer– auf Winterreifen verlaufslogisch in die<br />

Kette von der »Anfängertätigkeit« bis zum »Spezialfall« einreihen, in der der Anfänger<br />

zunächst eine echte berufliche Tätigkeit ausübt, um (wie im Beispiel) in einem Störungsfall<br />

nicht mehr selbständig weiterzukommen.<br />

Im Folgenden sollen vier Merkmale erläutert werden, der alle Entwicklungsaufgaben genügen<br />

müssen:<br />

1. Was müsste schon ein Anfänger lernend bewältigen können?<br />

Aus den in der Regel komplexen Beruflichen Arbeitsaufgaben werden verlaufslogische<br />

Teilaufgaben oder Tätigkeiten unter dem Gesichtspunkt der Zumutbarkeit ausgewählt.<br />

Das wird beim Automobilmechaniker der Standardservice, beim Werkzeugmechaniker<br />

der Vorrichtungsbau sein. Folgende Schritte bei der Konstruktion von Entwicklungsaufgaben<br />

dienen dazu, weitere Kriterien für deren Extrapolation aus Beruflichen Arbeitsaufgaben<br />

zu erfüllen.<br />

2. Was bedeutet die Aufgabe im Beruf?<br />

Die Teilaufgaben müssen in der Gesamtaufgabe tatsächlich verankert sein, indem sie<br />

in einem eindeutigen, d. h. nicht nur exemplarischen Kontext zur übergeordneten beruflichen<br />

Aufgabe stehen. Wird beispielsweise eine Geschäftsgraphik für eine Präsentation<br />

ausgewählt, so muss sie als Teil einer tatsächlichen Präsentation konzipiert werden.<br />

Die Generalisierbarkeit der Entwicklungsaufgabe im Sinne der für den Ausbildungsbeginn<br />

charakteristischen Vermittlung von Überblicks– <strong>und</strong> Orientierungswissen<br />

verlangt eine Exemplarizität, die im Detail authentisch ist: Die Präsentation kann<br />

durchaus eine beliebige unter den vermutlich zahllosen, täglich anfallenden sein, die<br />

Geschäftsgraphik dagegen nicht, sie muss als Teil einer dieser Präsentationen konzipiert<br />

werden.<br />

3. Worauf kommt es bei der Bewältigung der Aufgabe wirklich an?<br />

Um im Beispiel der Geschäftsgraphik zu bleiben: Müssen die »Daten« »richtig« verstanden<br />

werden, damit sie »richtig« dargestellt werden können oder geht es »nur« darum,<br />

den Umgang mit einem bestimmten Computerprogramm zu lernen oder zu<br />

üben? Eine Geschäftsgraphik als solche, die in einer Lern– <strong>und</strong> Arbeitsaufgabe zum<br />

Gegenstand wird, kann sowohl die eigentliche Erstellung im technischen Sinne zum<br />

98


Gemeinsamer Zwischenbericht MV GAB<br />

Problem machen als auch die Interpretation der Daten, die der eigentlichen Erstellung<br />

vorausgehen muss. Die Kriterien zwei <strong>und</strong> drei unterscheiden sich in der Tiefe der Bearbeitung<br />

bzw. den Voraussetzungen. Die Bedeutung einer Entwicklungsaufgabe für<br />

den Beruf (2) ist meistens schon durch die Auswahl präziser beruflicher Gegenstände<br />

gegeben, wobei der »springende« Punkt — also das, worauf es bei der Lösung ankommen<br />

soll (3) — bei der Auswahl nicht zwingend bewusst sein muss. Es versteht sich<br />

aber von selbst, dass sich die Entwickler darüber Rechenschaft ablegen müssen.<br />

4. Welche Einsichten lassen sich daran gewinnen?<br />

Diese Frage zielt auf die Zusammenhänge, auf ein Verständnis, eben auf alles, was<br />

über die bloßen Fertigkeiten <strong>und</strong> Kenntnisse hinaus weist <strong>und</strong> damit auf die berufliche<br />

Entwicklung, zu der die Entwicklungsaufgaben beitragen sollen. Dies hat einige<br />

Konsequenzen: Zunächst für den Zusammenhang der Entwicklungsaufgaben über<br />

einzelne Abschnitte. Darüber hinaus ergibt sich hiermit eine breite Kontaktfläche zwischen<br />

den Lernorten, die zum Beispiel die Annahmen über erzielte Fortschritte sich<br />

gegenseitig als Kooperationsbasis anbieten. Und schließlich bieten die Annahmen<br />

über Lernfortschritte den Ansatzpunkt für gezielte Unterstützung bei der Kompetenzentwicklung<br />

— nicht alle Auszubildenden werden die entsprechend ausgewählten<br />

Entwicklungsaufgaben mit dem gleichen Erfolg meistern. Insofern bietet der vierte<br />

Schritt beiden Lernorten eine ihrer Qualifizierungsaufgabe angemessene Reaktionsmöglichkeit<br />

auf die Individualisierung der Lernwege, indem Stärken der Auszubildenden<br />

gestützt <strong>und</strong> Schwächen gezielt aufgedeckt <strong>und</strong> ausgeglichen werden können.<br />

Wir streben mit dem hier skizzierten Instrument der Entwicklungsaufgaben an, das implizite<br />

Förderungspotential der Evaluationsaufgaben (vgl. Abschnitt 3.2.3.1, S. 79 ff.)<br />

direkt der Ausbildung zur Verfügung zu stellen. Damit würde ein Instrument entstehen,<br />

das es erlaubt, das »Prinzip Coaching« offensiv umzusetzen. Es würde die bereits in der<br />

Ausbildung vorhandenen entwicklungsbezogenen Instrumente wie z. B. »EFA« (Entwicklung<br />

<strong>und</strong> Förderung der Auszubildenden) sinnvoll ergänzen, weil nicht nur sozusagen<br />

diagnostisch — wie bei den Evaluationsaufgaben — der individuell erreichte Stand sichtbar<br />

gemacht, sondern auch perspektivisch jeweils eine Unterstützungsmöglichkeit eröffnet<br />

wird.<br />

4.3 Erfahrungen <strong>und</strong> Anregungen zum Transfer<br />

Die bisherigen Erfahrungen im Modellversuch sollen in diesem Abschnitt zum einem<br />

vor dem Hintergr<strong>und</strong> der am ITB entwickelten Konzepte <strong>und</strong> zum anderen mit Blick<br />

auf die im Rahmen des Modellversuchs implementierten Steuerungsinstrumente dargestellt<br />

werden.<br />

Transferaktivitäten sind bisher überwiegend innerhalb des Modellversuchs zum Tragen<br />

gekommen. Um das GAB–Konzept sowie die bereits vorliegenden ersten Ergebnisse <strong>und</strong><br />

Erfahrungen der (Fach–)Öffentlichkeit zugänglich zu machen, sind Fachtagungen sowie<br />

Publikationen geplant.<br />

99<br />

WB


Gemeinsamer Zwischenbericht MV GAB<br />

4.3.1 Vorbereitungs– <strong>und</strong> Pilotphase<br />

Im Rahmen der Vorbereitung des Modellversuchs sind am ITB eine Reihe von Konzepten<br />

neu– bzw. weiterentwickelt worden. Einige von ihnen wurden dabei erstmals in der<br />

Modellversuchspraxis angewandt <strong>und</strong> erprobt 16 .<br />

4.3.2 Konzepte<br />

Experten–Facharbeiter–Workshops<br />

Für die ausgewählten Berufe sind auf der Gr<strong>und</strong>lage von Experten–Facharbeiter–Workshops<br />

Berufliche Arbeitsaufgaben (BAG) ermittelt worden. Die dabei zur Anwendung<br />

gekommenen Methoden bezüglich der Planung, Strukturierung, Durchführung <strong>und</strong><br />

Auswertung dieser Workshops haben im Wesentlichen zu den Ergebnissen in Form der<br />

Listen von berufsbezogenen Arbeitsaufgaben <strong>und</strong> — für die Berufe Industrieelektroniker,<br />

Industriemechaniker <strong>und</strong> Werkzeugmacher — Berufsbildungsplänen geführt. Damit ist<br />

die Basis für die intendierte geschäfts– <strong>und</strong> arbeitsprozessbezogene Berufsausbildung in<br />

den genannten Berufen vorhanden. Bildeten bisher die Fachwissenschaften die Gr<strong>und</strong>lage<br />

für die inhaltliche Ausgestaltung der Ordnungsmittel, so sind es in den im Modellversuch<br />

zum Tragen kommenden Entwürfen für Berufsbildungspläne nunmehr das Fachwissen<br />

<strong>und</strong> das auf der beruflichen Sozialisation beruhende Expertenwissen derjenigen, die<br />

über die erforderlichen beruflichen Qualifikationen aktuell am besten Bescheid wissen<br />

<strong>und</strong> Auskunft geben können: die Experten–Facharbeiter.<br />

Transferpotential<br />

Die bisher durchgeführten Experten–Facharbeiter–Workshops haben bei den Beteiligten<br />

eine positive Resonanz hervorgerufen. Das Konzept ist insbesondere auch bei dem betrieblichen<br />

Partner VW auf Akzeptanz gestoßen <strong>und</strong> hat diesen dazu veranlasst, für das<br />

Jahr 2001 Experten–Facharbeiter–Workshops für die IT–Berufe zu planen, die VW ausbildet.<br />

Insbesondere vor dem Hintergr<strong>und</strong> der Diskussionen über das Reformpotential des Dualen<br />

Systems, in denen u. a. die Forderung nach einer stärkeren Orientierung beruflicher<br />

Curricula an den betrieblichen Geschäfts– <strong>und</strong> Arbeitsprozessen einen immer breiteren<br />

Raum einnimmt 17 , erscheint das Konzept der Experten–Facharbeiter–Workshops in nahezu<br />

idealer Weise geeignet, diesen Anspruch einlösen zu können.<br />

16 So beispielsweise das Konzept der »Experten–Facharbeiter–Workshops« <strong>und</strong> das Konzept »BAG–Erleben«.<br />

17 Vgl. KMK (Sekretariat der Ständigen Konferenz der Länder in der B<strong>und</strong>esrepublik Deutschland):<br />

Handreichungen für die Erarbeitung von Rahmenlehrplänen der Kultusministerkonferenz (KMK) für<br />

den berufsbezogenen Unterricht in der Berufsschule <strong>und</strong> ihre Abstimmung mit Ausbildungsordnungen<br />

des B<strong>und</strong>es für anerkannte Ausbildungsberufe, Stand: 05.02.1999<br />

100


Gemeinsamer Zwischenbericht MV GAB<br />

Berufsbildungspläne<br />

Wie bereits in Abschnitt 2.3.1 (S. 35 ff.) aufgezeigt, sollen die Entwurfsfassungen der Berufsbildungspläne<br />

die gemeinsame Gr<strong>und</strong>lage für die Ausbildung an beiden Lernorten<br />

bilden. Die Betriebe an den Pilotstandorten haben zunächst weitgehend unabhängig von<br />

der Entstehung der Berufsbildungspläne die Struktur <strong>und</strong> die Inhalte der Ausbildung auf<br />

der Gr<strong>und</strong>lage der nach entwicklungslogischen Gesichtspunkten gegliederten Beruflichen<br />

Arbeitsaufgaben umgestellt. Die zeitlichen <strong>und</strong> inhaltlichen Veränderungen sind dabei<br />

stets in Kooperation mit den Schulen vorgenommen worden. Auf der Basis der nun im<br />

Entwurf vorliegenden Pläne kann dieser Prozess befördert <strong>und</strong> methodisch–didaktisch<br />

ausgestaltet werden.<br />

Transferpotential<br />

Im September 2000 hat VW die Ausbildung in den ausgewählten Berufen an allen<br />

Standorten im Sinne des GAB–Konzepts umgestellt. Für die beteiligten Ausbilder <strong>und</strong><br />

Lehrer können die Entwürfe der Berufsbildungspläne die Arbeitsgr<strong>und</strong>lage sowohl für die<br />

konkrete Ausgestaltung der Ausbildung vor Ort als auch für den Einstieg in eine Intensivierung<br />

<strong>und</strong> nachhaltige Verstetigung der Lernortkooperation sein.<br />

Unabhängig von dem Stellenwert, den die Entwürfe der Berufsbildungspläne im Modellversuch<br />

GAB genießen (vgl. dazu auch Abschnitt 2.2, S. 31 u. 2.3.4, S. 36 ff.), wurden<br />

diese bereits als Muster für einen für beide Lernorte geltenden Berufsbildungsplan weiteren<br />

Fachleuten <strong>und</strong> Berufsbildungsexperten zur Verfügung gestellt. Im Rahmen des Modellversuchs<br />

GAPA (Geschäfts- <strong>und</strong> arbeitsprozessbezogene Ausbildung) in NRW ist der<br />

Entwurf des Berufsbildungsplans für den Industriemechaniker in Seminaren für Ausbilder<br />

<strong>und</strong> Lehrer eines Berufskollegs sowie Vertretern von mittelständischen Industriebetrieben<br />

des Landes Nordrhein–Westfalen vorgestellt <strong>und</strong> diskutiert worden.<br />

BAG–Erleben<br />

»BAG–Erleben« ist bereits vom Ansatz als »Transferkonzept« entwickelt <strong>und</strong> innerhalb<br />

des Modellversuchs auf der Gr<strong>und</strong>lage der Beruflichen Arbeitsaufgaben mehrfach angewendet<br />

<strong>und</strong> erprobt worden 18. Der Nutzen für die beteiligten Ausbilder <strong>und</strong> Lehrer liegt<br />

einerseits u. a. in der Intensivierung <strong>und</strong> konkreten Ausgestaltung von Lernortkooperation<br />

mit dem Ziel, ein gemeinsames Verständnis über die berufliche Wirklichkeit der Auszubildenden<br />

auf der Ebene der »Inhalte von Arbeit <strong>und</strong> Lernen« zu erlangen <strong>und</strong> darüber<br />

neue, innovative Ansätze bei der Umsetzung dieser Inhalte zu entwickeln. Andererseits<br />

kann »BAG–Erleben« als wichtiges Instrument zur Verdichtung sowohl der »<strong>Bildung</strong>s–<br />

<strong>und</strong> Qualifizierungsziele von Schule <strong>und</strong> Betrieb« als auch der »Inhalte von Arbeit<br />

<strong>und</strong> Lernen« bei der weiteren Ausgestaltung der Lernfelder in den Berufsbildungsplänen<br />

angewendet werden.<br />

Transferpotential<br />

Das Konzept »BAG–Erleben« kann als Instrument zur Implementierung <strong>und</strong> Absicherung<br />

einer effizienten Lernortkooperation einen wichtigen Beitrag leisten. Es ermöglicht<br />

18 Vgl. hierzu die Ausführungen in Abschnitt 2.1, S. 12 sowie Anhang C3<br />

101


Schule<br />

Gemeinsamer Zwischenbericht MV GAB<br />

vor allem den Lehrern, die aufgr<strong>und</strong> ihrer beruflichen (akademischen) Sozialisation<br />

i. d. R. einem kontinuierlichen — in bezug auf die Facharbeit — fachlichen Dequalifizierungsprozess<br />

unterworfen sind, an die häufig vorgängige eigene betriebliche Berufspraxis<br />

anzuknüpfen. Sie erhalten dadurch die Möglichkeit, den Berufsschulunterricht nicht nur<br />

an den betrieblichen Anforderungen auszurichten, sondern darüber hinaus Inhalte betrieblicher<br />

Qualifikation mit Inhalten schulischer <strong>Bildung</strong> beispielsweise in Form von<br />

Lern– <strong>und</strong> Arbeitsaufgaben zusammen mit den Ausbildern im Sinne eines gestaltungsoffenen,<br />

projektförmigen Lernens <strong>und</strong> Arbeitens zu vermitteln.<br />

Die sich verkürzenden Zeiträume (Innovationszyklen) bei der Anwendung neuer Technologien<br />

verändern die Inhalte beruflicher Facharbeit mit nahezu derselben Geschwindigkeit.<br />

Eng damit verknüpft sind Auswirkungen auf die berufliche Ausbildung in Betrieb<br />

<strong>und</strong> Schule, die sich sowohl auf der curricularen als auch auf der didaktischen Ebene<br />

manifestieren müssen. »BAG–Erleben« kann einen wesentlichen Beitrag leisten, diese<br />

Veränderungen im Sinne einer kontinuierlichen Revision <strong>und</strong> Weiterentwicklung von<br />

Berufsbildungsplänen mitzugestalten.<br />

Durch die Ausweitung des Modellversuchs auf alle Standorte des Unternehmens ist eine<br />

größere Anzahl von Ausbildern, Ausbildungsbeauftragten <strong>und</strong> Lehrern in die Ausbildung<br />

eingeb<strong>und</strong>en worden. Dieser Kreis wird zukünftig noch erweitert werden müssen, wenn<br />

im Einstellungsjahr 2001/2002 der dritte Jahrgang von Auszubildenden nach GAB–Kriterien<br />

ausgebildet wird. Dieser Personenkreis muss nicht nur mit dem GAB–Konzept vertraut<br />

gemacht werden, den Beteiligten sollte auch die Möglichkeit gegeben werden, sich<br />

mit den Zielen von GAB zu identifizieren. Die Anwendung des Konzepts »BAG–Erleben«<br />

kann wesentlich zu diesem (Identifikations–)Prozess beitragen.<br />

Lernfelder<br />

Die im Rahmen des Modellversuchs entwickelten <strong>und</strong> in den Entwurfsfassungen der Berufsbildungspläne<br />

zum Tragen kommenden Lernfelder greifen einerseits die Empfehlungen<br />

in den KMK–Handreichungen vom 05.02.1999 zur Entwicklung von Lernfeldern<br />

auf, andererseits gehen sie über diese Anleitung in ihrer äußeren <strong>und</strong> inhaltlichen Gestaltung<br />

— wie aus der folgenden Abbildung ersichtlich — hinaus. Das Lernfeld wird kurz<br />

<strong>und</strong> prägnant benannt <strong>und</strong> im Kontext mit dem beruflichen Handlungsfeld näher beschrieben.<br />

Auf der Ebene der Zielformulierungen finden sich die <strong>Bildung</strong>s– <strong>und</strong> Qualifizierungsziele<br />

für beide Lernorte. Damit ist auch ein wichtiger Gr<strong>und</strong>stein für die angestrebte<br />

neue Qualität in der Lernortkooperation gelegt. Das gemeinsame Ganze, auf das<br />

sich die Ausbildung bezieht, manifestiert sich in der Formulierung der »Inhalte von Arbeit<br />

<strong>und</strong> Lernen«. Hier weist die KMK in ihrer Anleitung u. a. darauf hin, dass bei der<br />

Auswahl dieser Inhalte eine »fachsystematische Vollständigkeit, wie sie für die verschiedenen<br />

Bezugswissenschaften kennzeichnend ist, nicht erreicht werden (muss)« 19 , <strong>und</strong> weiter<br />

heißt es: »Für das Erkennen von Zusammenhängen ist jedoch ein sachlogischer Aufbau<br />

der berufsfachlichen Inhalte innerhalb der einzelnen Lernfelder sowie über die Ge-<br />

19 KMK 1999, S 16<br />

102


Gemeinsamer Zwischenbericht MV GAB<br />

samtheit aller Lernfelder sicherzustellen«. 20 Bei der Ausgestaltung der Lernfelder der Berufsbildungspläne<br />

wird ein sachlogischer Aufbau im Kontext mit der Entwicklungslogik<br />

Jugendlicher zugr<strong>und</strong>egelegt. Dies wird zum einen durch die Differenzierung auf der<br />

inhaltlichen Ebene deutlich (»Gegenstände«, »Werkzeuge, Methoden <strong>und</strong> Organisation«<br />

<strong>und</strong> »Anforderungen«), zum anderen in der Folge der Anordnung der Lernfelder.<br />

Lernbereich n<br />

Benennung der beruflichen Arbeitsaufgabe als<br />

Lernfeld n<br />

Beschreibung des beruflichen Handlungsfeldes<br />

<strong>Bildung</strong>s-- <strong>und</strong> Qualifizierungsziele an den Lernorten<br />

Betrieb<br />

Inhalte von Arbeit <strong>und</strong> Lernen:<br />

Gegenstände Werkzeuge, Methoden<br />

<strong>und</strong> Organisation<br />

Schule<br />

Zeit<br />

Anforderungen<br />

Betrieb …W<br />

Schule …Std.<br />

Abbildung 16: Struktur der Lernfelder der Berufsbildungspläne im Modellversuch GAB<br />

Auf der Gr<strong>und</strong>lage der entwicklungslogischen Anordnung der Beruflichen Arbeitsaufgaben<br />

sowie deren Inhalte ist die betriebliche Ausbildung umstrukturiert worden. Die Ausbildung<br />

ist nicht nur wesentlich stärker an den Geschäfts– <strong>und</strong> Arbeitsprozessen orientiert,<br />

die Auszubildenden werden bereits im 1. Ausbildungsjahr mit Aufgaben betraut, an<br />

die sie nach der herkömmlichen Ausbildung erst im 2. oder 3. Ausbildungsjahr herangeführt<br />

worden sind.<br />

Transferpotential<br />

Von der Struktur sowie in der Ausgestaltung der Inhalte können die hier beschriebenen<br />

Lernfelder in Gestalt von Berufsbildungsplänen dazu beitragen, derartigen Plänen langfristige<br />

Gültigkeit zu verschaffen.<br />

Lernortkooperation<br />

Die personellen Ressourcen werden an den Standorten für die GAB–konzeptgetreue Planung<br />

der Ausbildung stark ausgelastet, sodass die direkte Kooperation von Ausbildern<br />

<strong>und</strong> Lehrern an der Basis noch intensiviert werden kann. Möglichkeiten bieten sich über<br />

20 Ebenda<br />

103


Gemeinsamer Zwischenbericht MV GAB<br />

die originären Aufgaben wie Berufsgruppentreffen im Rahmen der Ausbildung in Schule<br />

<strong>und</strong> Betrieb hinaus durch zahlreiche informelle Zusammenkünfte von Ausbildern <strong>und</strong><br />

Lehrern an den verschiedenen Standorten. Dazu wird eine Konzeption zur Durchführung<br />

<strong>und</strong> Auswertung von Fortbildungen sowie von »außerplanmäßigen« Veranstaltungen<br />

wie beispielsweise die »Standortwerkstätten« 21 erarbeitet.<br />

Transferpotential<br />

Im weiteren Verlauf des Modellversuchs GAB muss sich erweisen, wie die Zusammenarbeit<br />

auch ohne zusätzliche Ressourcen auf der Gr<strong>und</strong>lage der w. o. genannten Konzeptionen<br />

konsolidiert werden kann, um dadurch eine neue Qualität von Lernortkooperation<br />

zu erreichen.<br />

Entwicklungsaufgaben<br />

Das Evaluationskonzept des Modellversuchs weist für jeden Beruf entsprechend dem<br />

entwicklungslogischen Verlauf der Ausbildung die Formulierung von vier Evaluationsaufgaben<br />

aus, die exemplarisch von einer Gruppe von etwa 30 Auszubildenden bearbeitet<br />

<strong>und</strong> anschließend am ITB ausgewertet werden 22. Für den Beruf des Werkzeugmechanikers<br />

ist in einem Pretest die 1. Evaluationsaufgabe durchgeführt worden; für die Auszubildenden<br />

der anderen Berufe wird dies bis Mai 2001 erfolgen.<br />

Transferpotential<br />

Über das hinaus, was zum überdauernden Nutzen dieser Evaluationsmethode in Abschnitt<br />

3.2.3.1 (S. 79 ff.) ausgeführt wurde, kann zum jetzigen Berichtszeitpunkt nichts<br />

gesagt werden.<br />

SPL/ASC<br />

Das Konzept <strong>und</strong> die Aktivitäten zur Umsetzung von SPLs <strong>und</strong> ASCs sind an anderer<br />

Stelle des Berichts ausführlich dargestellt worden 23. Die Erfahrungen beispielsweise mit<br />

den SPLs an den verschiedenen Standorten zeigen, dass die Ausbildung durch die Umsetzung<br />

dieses Ansatzes zum einen näher an den betrieblichen Arbeitsprozess herangeführt<br />

werden kann, zum anderen ermöglichen die SPLs im Kontext mit den vor– <strong>und</strong><br />

nachgeschalteten Qualifizierungsblöcken, dass Ausbildungsinhalte — insbesondere auch<br />

nach entwicklungslogischen Gesichtspunkten — zeitlich vorverlegt werden können. So<br />

werden zum Beispiel im Rahmen der SPL »Schaltschrankbau« Auszubildende in der ersten<br />

Hälfte des 1. Ausbildungsjahres mit Inhalten konfrontiert, die ihren Vorgängern, die<br />

nicht nach dem GAB–Konzept ausgebildet werden, frühestens zu Beginn 2. Ausbildungsjahres<br />

vermittelt wurden.<br />

Problematisch könnte die Ausbildung an bestimmten SPLs unter dem Gesichtspunkt der<br />

Anzahl der darin lernenden Auszubildenden werden. Nicht jede SPL ist so auszulegen,<br />

dass sie von allen Auszubildenden eines Jahrgangs genutzt werden kann. Hier sollte über<br />

21 Siehe hierzu auch w. u. S 106<br />

22 Siehe hierzu Abschnitt 3.2, S. 64<br />

23 Siehe hierzu Abschnitt 2.3, S. 31 sowie Anhang B2<br />

104


Gemeinsamer Zwischenbericht MV GAB<br />

Alternativen nachgedacht werden, so könnte z. B. neben der Implementierung zusätzlicher<br />

SPLs die Optimierung der Durchlaufpläne in Abstimmung mit den Lehrern an den<br />

Schulen zu Verbesserungen i. S. der skizzierten Problematik beitragen.<br />

Die Einrichtung von SPL/ASC begünstigt vom Ansatz her die Kooperation der beiden<br />

»betrieblichen Lernorte« VW CG <strong>und</strong> VW AG. Dem konzeptionellen Ansatz folgend,<br />

können mit den SPL/ASC die ihnen zugeschriebenen Funktionen im Rahmen der Ausbildung<br />

nach GAB nur dann erfüllen, wenn diese in den Geschäfts– <strong>und</strong> Arbeitsprozess<br />

eingeb<strong>und</strong>en sind. Der aber findet nur im Betrieb <strong>und</strong> nicht in der VW CG statt.<br />

Transferpotential<br />

Eines der gr<strong>und</strong>legenden Ziele der Ausbildung nach GAB ist die stärkere Anbindung der<br />

Ausbildung an die Geschäfts– <strong>und</strong> Arbeitsprozesse des Unternehmens. Wie die bisherigen<br />

Erfahrungen zeigen, ist die Implementierung von SPL/ASC geeignet, diesem Ziel (im<br />

Kontext mit weiteren Zielen) ein gutes Stück näher zu kommen. Bei der Ausweitung des<br />

Modellversuchs auf die übrigen Standorte können die bisherigen Erfahrungen mit den<br />

SPL/ASC an den Pilotstandorten genutzt <strong>und</strong> weiterentwickelt werden.<br />

Darüber hinaus bietet sich die Anwendung des Konzepts der SPL/ASC generell in den<br />

Bereichen von Unternehmen an, in denen die Ausbildung stärker an die betrieblichen<br />

Geschäfts– <strong>und</strong> Arbeitsprozesse herangeführt werden soll.<br />

Optionale Fachhochschulreife<br />

Die Option, innerhalb des Modellversuchs GAB die Fachhochschulreife zu erlangen, ist<br />

an allen Standorten auf breiter Basis angenommen worden. Nach Ablauf des<br />

1. Schulhalbjahres ist an allen Schulen ein entsprechendes Angebot in additiver Form<br />

gemacht worden, dessen Ausgestaltung auf organisatorischer, zeitlicher <strong>und</strong> inhaltlicher<br />

Ebene jedoch an den verschiedenen Schulen durchaus unterschiedlich ist. Es reicht von<br />

der Durchführung des zusätzlichen Unterrichts in den Räumen der VW CG über das<br />

Angebot, während der ersten Monate ausschließlich Mathematik zu unterrichten bis hin<br />

zum Unterricht, der nur an Sonnabenden stattfindet. Im Berufsgr<strong>und</strong>bildungsjahr an den<br />

BBS Emden wird der zusätzliche Unterricht zur Erlangung der Fachhochschulreife im<br />

Anschluss an den »regulären« Unterricht erteilt.<br />

Die relativ hohe Zahl der Auszubildenden, die sich von dem Zusatzunterricht wieder<br />

abgemeldet haben, legt die Vermutung nahe, dass die Bedingungen offenbar als belastend<br />

empf<strong>und</strong>en werden. Im Rahmen der Evaluation des Modellversuchs wird bei der<br />

Zweitbefragung — in allgemeingehaltener Form — u. a. auch danach gefragt.<br />

Transferpotential:<br />

Aufgr<strong>und</strong> der 1998 von der KMK neu gefassten Bestimmungen zum Erwerb der Fachhochschulreife<br />

ist diese kein exklusives Angebot mehr, das von Auszubildenden ausschließlich<br />

im Rahmen von Modellversuchen wahrgenommen werden kann. Sollte sich<br />

jedoch die w. o. geäußerte Vermutung bestätigen, dass die Bereitschaft zur Teilnahme an<br />

dem Programm zur optionalen Fachhochschulreife wesentlich von den damit verb<strong>und</strong>enen<br />

zusätzlichen Belastungen abhängt, so ist gr<strong>und</strong>sätzlich zu überlegen, welche Bedingungen<br />

erfüllt sein sollten bzw. welche Maßnahmen getroffen werden können, um den<br />

105


Gemeinsamer Zwischenbericht MV GAB<br />

Anreiz für die Auszubildenden zu erhöhen, die Fachhochschulreife im Rahmen ihrer<br />

Ausbildung zu erwerben. Bezogen auf die Erfahrungen im Modellversuch GAB hieße das<br />

konkret, die Anzahl der »Abbrecher« bei den kommenden Jahrgängen drastisch zu verringern.<br />

4.3.3 Phase der Ausweitung des Modellversuchs<br />

Einbindung weiterer Ausbildungsbeauftragter (ABBAs), Ausbilder <strong>und</strong> Lehrer<br />

Durch die Ausweitung des Modellversuchs von den Pilotstandorten, d. h. an alle Standorte,<br />

sind seit September 2000 weitere Ausbilder <strong>und</strong> Lehrer in die neue Ausbildung involviert.<br />

Das erfordert die Einbindung dieser Akteure in das GAB–Konzept. Die VW CG<br />

hat nun vor Beginn der Ausweitung nach einem aufwendigen Verfahren in 59 Veranstaltungen<br />

mit ca. 2.500 Teilnehmern über den Modellversuch informiert 24 .<br />

Auf Initiative der schulischen Seite des Modellversuchs sollen ab Januar 2001 an allen<br />

Standorten sogenannte »Standortwerkstätten« stattfinden. Ziel dieser Veranstaltungen ist<br />

es, die neu hinzugekommenen Ausbilder <strong>und</strong> Lehrer mit den Zielen <strong>und</strong> Konzepten des<br />

Modellversuchs vertraut zu machen. Neben einer allgemeinen Einführung ist vorgesehen,<br />

die eine Klasse betreuenden Ausbilder <strong>und</strong> Lehrer mit dem Ziel zusammenzubringen, zu<br />

Verabredungen über die Umsetzung <strong>und</strong> Ausgestaltung der »Inhalte von Arbeit <strong>und</strong><br />

Lernen« zu kommen. In einer weiteren zeitlichen Sequenz sollen die Kern– bzw. Begleitteamlehrer<br />

den neu hinzugekommenen Lehrern <strong>und</strong> Ausbildern ihre bisherigen Erfahrungen<br />

weitervermitteln sowie »Rede <strong>und</strong> Antwort stehen«.<br />

Transferpotential<br />

Bei der Schulung von weiteren ABBAs <strong>und</strong> Führungskräften auf betrieblicher Ebene haben<br />

erfahrene Mitarbeiter aus den Kern– <strong>und</strong> Begleitteams mitgewirkt <strong>und</strong> ihre Erfahrungen<br />

weitergegeben; gleiches gilt für die in naher Zukunft stattfindenden Standortwerkstätten.<br />

Der »Erfahrungstransfer« durch die Einbindung der konzeptionell vorgesehenen<br />

Ausbilder <strong>und</strong> Lehrer der Kern– <strong>und</strong> Begleitteams findet statt <strong>und</strong> scheint sich zu<br />

bewähren.<br />

Prüfungen<br />

Wenn die Inhalte <strong>und</strong> die Struktur der Berufsausbildung wie beim Modellversuch GAB<br />

reformiert werden, müssten sich diese Veränderungen auch in den Prüfungen wiederspiegeln.<br />

Zentraler Bestandteil des Modellversuchs ist die Überführung der nach fachsystematischen<br />

Gesichtspunkten gegliederten Rahmenpläne in für beide Lernorte gültige Berufsbildungspläne<br />

nach dem Lernfeldansatz.<br />

Um diesen Veränderungen Rechnung zu tragen <strong>und</strong> entsprechende Abschlussprüfungen<br />

durchführen zu können, hat die VW–CG das Gespräch mit Vertretern der beteiligten<br />

24 Siehe hierzu auch Anhang B3<br />

106


Gemeinsamer Zwischenbericht MV GAB<br />

<strong>Institut</strong>ionen 25 gesucht. Während einer ersten Gesprächsr<strong>und</strong>e im Oktober 2000 wurde<br />

beraten, die Abschlussprüfungen für die GAB–Auszubildenden in den Berufen »Industriemechaniker«<br />

<strong>und</strong> »Werkzeugmechaniker« zeitlich begrenzt unter der Bedingung zu<br />

verändern, dass sich diese Modifizierungen im Rahmen der geltenden Prüfungsordnungen<br />

bewegen. Für diese Berufe sollen die Prüfungsmodelle in den bestehenden Projektgruppen<br />

weiterentwickelt werden. Für die Berufe »Industrieelektroniker« <strong>und</strong> »Automobilmechaniker«<br />

soll — ebenfalls in den Projektgruppen — die Möglichkeiten einer Umsetzung<br />

der Vorschläge geprüft werden.<br />

Ungeachtet dieser Bemühungen werden alle GAB–Auszubildenden die Zwischenprüfung<br />

ablegen müssen. Nach dem gegenwärtigen Informationsstand werden diese Prüfungen<br />

nach dem alten Muster durchgeführt. An diesem Sachstand orientieren sich gezwungenermaßen<br />

auch die Ausbilder <strong>und</strong> Lehrer. Konkret bedeutet das, dass an beiden Lernorten<br />

bezüglich der zeitlichen Abfolge Inhalte berücksichtigt werden (müssen), die — würde<br />

man sich ausschließlich an den entwicklungslogisch strukturierten Entwürfen der Berufsbildungspläne<br />

orientieren — zu einem anderen Zeitpunkt vermittelt würden.<br />

Transferpotential<br />

In bezug auf die Ausgestaltung der Abschlussprüfungen muss abgewartet werden, wie<br />

diese verlaufen <strong>und</strong> welche Ergebnisse dabei mit Blick auf die GAB–Zielsetzungen erreicht<br />

werden. Lenkt man das Augenmerk auf die Zwischenprüfungen, so darf schon<br />

jetzt — mit aller gegebenen Vorsicht — gesagt werden, dass sich auch diese Prüfungen<br />

zukünftig in Inhalt <strong>und</strong> Struktur der veränderten Ausbildung angleichen müssen. Unabhängig<br />

davon sollten die an der Erstellung der Prüfungen Mitwirkenden bemüht sein,<br />

Verhältnisse, wie sie von den Abschlussprüfungen der IT–Berufe bekannt sind, zu vermeiden<br />

26.<br />

4.3.4 Steuerungsinstrumente im Modellversuch<br />

Zur Steuerung des Modellversuchs sind Gremien auf unterschiedlichen Ebenen implementiert<br />

worden; das w. o. gezeigte Organigramm 27 vermittelt einen Überblick über die<br />

Gesamtstruktur.<br />

Das oberste Projektleitungsgremium ist der so genannte »Steuerkreis«, in dem alle am<br />

Modellversuch beteiligten Partner vertreten sind. Die Mitglieder des Steuerkreises treffen<br />

sich etwa fünf mal jährlich an unterschiedlichen Orten, um die umgesetzten Aktivitäten<br />

innerhalb des Modellversuchs darzustellen <strong>und</strong> zu diskutieren <strong>und</strong> die für den weiteren<br />

Verlauf des Modellversuchs notwendigen Verabredungen zu treffen.<br />

Die Projektkonferenz besteht aus den Projektsteuerungsgruppen Betrieb <strong>und</strong> Schule, die<br />

innerhalb des Modellversuchs auch als »Kernteam Betrieb« bzw. »Kernteam Schule« bezeichnet<br />

werden. Die Kernteammitglieder sind an den verschiedenen Pilotstandorten für<br />

25 Im wesentlichen Vertreter der örtlichen IHK <strong>und</strong> Niederlassungsleiter der VW CG<br />

26 Vgl. Meyer 2000<br />

27 Siehe Abschnitt 3.1.1, S. 57 ff.<br />

107


Gemeinsamer Zwischenbericht MV GAB<br />

die Implementierung der Ausbildung nach der GAB–Konzept sowie für die kontinuierliche<br />

Steuerung des Modellversuchs vor Ort verantwortlich. Sie sind bereits in der Planungsphase<br />

des Modellversuchs identifiziert <strong>und</strong> für die Mitarbeit im Modellversuch<br />

gewonnen worden. Die Kernteamlehrer werden dafür mit fünf Unterrichtsst<strong>und</strong>en entlastet.<br />

Je Berufsgruppe gibt es — u. a. in Abhängigkeit von der Zahl der Pilotstandorte sowie<br />

von der Anzahl der Auszubildenden — jeweils ein bis drei Ausbilder <strong>und</strong> Lehrer in<br />

dieser Funktion.<br />

Das Kernteam Betrieb trifft sich monatlich für zwei Tage im Wechsel an den sechs<br />

Standorten. Es versteht sich u. a. als Forum für standortspezifische Lösungen standort–<br />

bzw. berufsgruppenunabhängiger Modellversuchsprobleme sowie zur Diskussion von<br />

Modellversuchskonzepten. Außerdem initiiert <strong>und</strong> koordiniert das Kernteam Betrieb<br />

Querschnittsprojektgruppen zur Bearbeitung standort– bzw. berufsgruppenunabhängiger<br />

Aufgaben <strong>und</strong> gleicht den Stand der Umsetzung ab 28 . So werden bei den Treffen regelmäßig<br />

z. B. besondere betriebliche Einsatzstellen oder Service–Produktions–Lerninseln<br />

(SPL) <strong>und</strong> Ausbildungs–Service–Center (ASC) besichtigt <strong>und</strong> unter den genannten Gesichtspunkten<br />

diskutiert.<br />

Die Mitglieder des Kernteams Schule kommen bei Bedarf zusammen; bisher haben vier<br />

Treffen stattgef<strong>und</strong>en. Themen waren u. a. die Organisation des schulischen Teils des<br />

Modellversuchs, die Berufsbildungspläne, Lernfelder, die Ausgestaltung des Angebots zur<br />

optionalen Fachhochschulreife, Prüfungen sowie der Austausch von Erfahrungen <strong>und</strong><br />

Informationen.<br />

Auf der Ebene der berufsbezogenen Projektgruppen werden die Kernteammitglieder<br />

durch die Ausbilder <strong>und</strong> Lehrer der Begleitteams ergänzt. Hier haben sich unterschiedliche<br />

Vorgehensweisen bezüglich Häufigkeit <strong>und</strong> Dauer der Zusammenkünfte etabliert.<br />

Während sich die Berufsgruppen der Industriemechaniker, der Automobilmechaniker<br />

<strong>und</strong> der Werkzeugmechaniker im Jahresdurchschnitt etwa 10 mal für i. d. R. einen Tag<br />

treffen, kommt die Berufsgruppe der Industrieelektroniker in derselben Zeitspanne etwa<br />

acht mal für zwei Tage zusammen. Die Berufsgruppe der Mechatroniker trifft sich aufgr<strong>und</strong><br />

der von der Ausbildungsstruktur an den anderen Standorten abweichenden Organisation<br />

der Ausbildung in unregelmäßigen Abständen. Dieses soll sich ändern, wenn die<br />

Auszubildenden im 3. Ausbildungsjahr in den Betrieb gehen 29.<br />

Die Themen, mit denen sich die berufsbezogenen Projektgruppen auseinandersetzen,<br />

betreffen die gesamte Bandbreite des Modellversuchs. Folgende Schwerpunkte seien im<br />

Folgenden beispielhaft genannt:<br />

— Umsetzung der Beruflichen Arbeitsaufgaben,<br />

— betriebliche Lern– <strong>und</strong> Arbeitsaufgaben/Aufträge,<br />

— Berufsbildungspläne <strong>und</strong> Lernfelder,<br />

— Abgleich betrieblicher <strong>und</strong> schulischer Ausbildung,<br />

— Durchlaufpläne,<br />

28 Zitiert nach einem Arbeitspapier des Kernteams Betrieb.<br />

29 Siehe hierzu auch die Ausführungen im Anhang C1e<br />

108


Gemeinsamer Zwischenbericht MV GAB<br />

— Überarbeitung/Revision von Lernfeldern,<br />

— Zwischen– <strong>und</strong> Abschlussprüfungen <strong>und</strong><br />

— Gestaltung der Schulzeugnisse.<br />

Die Zusammenkünfte der Ausbilder <strong>und</strong> Lehrer im Rahmen der berufsbezogenen Projektgruppen<br />

bieten ausgezeichnete Bedingungen, Lernortkooperation lebendig auszugestalten.<br />

An den Zusammenkünften <strong>und</strong> Sitzungen der Gremien auf allen Ebenen der Projektsteuerung<br />

nimmt ein Mitarbeiter der Wissenschaftlichen Begleitung aus dem ITB teil.<br />

Transferpotential<br />

Vorhaben, die vom Umfang <strong>und</strong> der Größe Ausmaße wie beim Modellversuch GAB<br />

erreichen, bedürfen einer gut durchdachten Steuerungsstruktur. Die im Rahmen dieses<br />

Modellversuchs implementierten Gremien haben sich auf allen Ebenen gr<strong>und</strong>sätzlich<br />

bewährt. Dies gilt insbesondere für die berufsbezogenen Projektgruppen, deren Mitglieder<br />

als Multiplikatoren wirken <strong>und</strong> somit an jedem Standort berufsbezogen alle beteiligten<br />

Ausbilder <strong>und</strong> Lehrer nicht nur über den Fortgang des Modellversuchs auf dem laufenden<br />

halten <strong>und</strong> gemeinsam die Ausbildung gestalten, sondern — umgekehrt — aus den<br />

Gesprächen <strong>und</strong> Diskussionen mit ihnen wertvolle Informationen <strong>und</strong> Anregungen konstruktiv<br />

in die Projektgruppenarbeit einbringen.<br />

Vor der Implementierung eines entsprechenden Instrumentariums müssen sich die Beteiligten<br />

jedoch auch über die Kosten im Klaren sein, die für die Funktion <strong>und</strong> Aufrechterhaltung<br />

solcher Gremien erforderlich sind.<br />

4.3.5 Projektbeirat<br />

Der Projektbeirat ist mit hochrangigen Vertretern aus den Selbstverwaltungsorganen der<br />

Industrie, aus B<strong>und</strong>es– <strong>und</strong> Landesministerien, Gewerkschaften, aus der <strong>Bildung</strong>sadministration<br />

<strong>und</strong> aus der Wissenschaft besetzt. Er tagt im März jedes Jahres. In seiner konstituierenden<br />

Sitzung anlässlich der 1. Fachtagung am 14./15. Juni 1999 hat die Vertreterin<br />

des B<strong>und</strong>esinstituts für Berufsbildung (BBIB) die Aufgaben von Projektbeiräten wie folgt<br />

skizziert:<br />

»Zum einen soll eine laufende Evaluierung über den gesamten Modellversuchszeitraum<br />

erfolgen, <strong>und</strong> zwar von Beginn an, um so früh als möglich den Transfer in weitere Betriebe/Schulen<br />

vorzubereiten. Zum anderen sollen durch den Projektbeirat Impulse für<br />

den Modellversuch gegeben werden, die die Zielerreichung durch konstruktive <strong>und</strong> kritische<br />

Begleitung fördern.« 30<br />

Auf seiner ersten turnusmäßigen Sitzung im März 2000 hat sich der Projektbeirat mit<br />

dem damaligen Sachstand im Modellversuch auseinandergesetzt. Darüber hinaus sind die<br />

Themen »Neuordnungsverfahren« <strong>und</strong> »Prüfungen« intensiv diskutiert worden. Der Beirat<br />

hat hier wie auch bei anderen Themen im Zusammenhang mit dem bereits erwähn-<br />

30 Ergebnisprotokoll der konstituierenden Sitzung des Projektbeirats.<br />

109


Gemeinsamer Zwischenbericht MV GAB<br />

ten »Sachstand« für den weiteren Verlauf des Modellversuchs wichtige Impulse gegeben.<br />

4.3.6 Transfer durch Tagungen, Veröffentlichungen <strong>und</strong> Vorträge<br />

Für den erfolgreichen Transfer von Erfahrungen <strong>und</strong> Ergebnissen aus Modellversuchen<br />

<strong>und</strong> die damit verb<strong>und</strong>ene Akzeptanz sind Fachtagungen, Veröffentlichungen <strong>und</strong> Vorträge<br />

von großer Bedeutung.<br />

Tagungen<br />

Im Rahmen des Modellversuchs GAB hat die 1. Fachtagung am 14. <strong>und</strong> 15. Juni 1999 in<br />

Hannover stattgef<strong>und</strong>en. Die Ergebnisse dieser Tagung sind in Form eines Buchs veröffentlicht<br />

<strong>und</strong> interessierten Experten zugeleitet worden 31 .<br />

Schließlich sind im Zusammenhang mit dem Modellversuch Vorträge gehalten worden,<br />

in denen die Ansätze <strong>und</strong> Ziele des Modellversuchs GAB vorgestellt <strong>und</strong> im Kontext der<br />

wissenschaftlichen Theorien begründet wurden.<br />

Vorträge<br />

Felix Rauner<br />

»Veränderungen der Berufsbilder im Wandel der Qualifikationsanforderungen« Staatliche<br />

Akademie für Lehrerfortbildung, Esslingen, 29.–30.04.1998.<br />

»Zukunft der Facharbeit« 10. Fachtagung der HGTB (Arbeitsgemeinschaft der Hochschulinstitute<br />

für gewerblich–technische Berufsbildung) »Berufliches Arbeitsprozesswissen«,<br />

Universität Flensburg, 04.–06.06.1998.<br />

»Fragestellungen <strong>und</strong> Methoden der berufswissenschaftlichen Qualifikationsforschung«<br />

10. Fachtagung der HGTB (Arbeitsgemeinschaft der Hochschulinstitute für gewerblich–<br />

technische Berufsbildung) »Berufliches Arbeitsprozesswissen«, Universität Flensburg, 04.–<br />

06.06.1998.<br />

»Berufswissenschaftliche Qualifikationsforschung als Gr<strong>und</strong>lage einer Neuordnung der<br />

Berufe <strong>und</strong> neuer Berufsbilder« Tagung, Berlin, 19.06.1998.<br />

»Reformbedarf in der beruflichen <strong>Bildung</strong>« <strong>Bildung</strong>spolitische Konferenz des DGB »Bewegt<br />

<strong>Bildung</strong> — Schlüssel zur Zukunft!«, Bonn, 30.06.–01.07.1998.<br />

»Moderne Beruflichkeit. Duale Berufsausbildung an der Schwelle zum nächsten Jahrtausend«<br />

7–Länder–Konferenz zur dualen Berufsausbildung in Dänemark, Deutschland<br />

Liechtenstein, Österreich <strong>und</strong> Schweiz, BMBF Bonn, 01.–02.07.1998.<br />

»Reformbedarf in der beruflichen <strong>Bildung</strong>« Bremer <strong>Bildung</strong>skonferenz 1998, Kooperative<br />

Berufsausbildung in Bremen, 09.09.1998.<br />

»Eckpunkte für ein Reformprojekt Berufliche <strong>Bildung</strong>« Fachkongress »Kompetenz,<br />

Dienstleistung, Personalentwicklung«, AVZ Logenhaus Berlin, 09.–10.12.1998.<br />

31 Bremer, Rainer/Jagla, Hans–Herbert 2000<br />

110


Gemeinsamer Zwischenbericht MV GAB<br />

»Entwicklungsmöglichkeiten <strong>und</strong> Grenzen des Berufskollegs zum Dienstleistungszentrum<br />

einer Region« Berufskolleg–Kongress des Verbands der Lehrerinnen <strong>und</strong> Lehrer an Berufskollegs<br />

in NRW (vlbs), Düsseldorf, 19.02.1999.<br />

»100 Berufe sind genug. Ein Plädoyer für »offene dynamische Berufsbilder« Berufsbildungsreform,<br />

Plenumsveranstaltung des »Kompetenztisch Berufliche <strong>Bildung</strong>«: Berliner<br />

Wirtschaftsgespräche e. V. Berlin, 20.04.1999.<br />

»Die Erfolgsgeschichte <strong>und</strong> Krise der Industriegesellschaft — Potentiale, Chancen <strong>und</strong><br />

Herausforderungen für die berufliche <strong>Bildung</strong>« Vortrag anläßlich der Jahrestagung der<br />

Arbeitskreise Schule-Wirtschaft (Südhessen), »Zukunft der Arbeit« in Darmstadt,<br />

27.05.1999.<br />

»Gestaltungsoffene Berufsbildung für eine dynamische Beruflichkeit« 1. Fachtagung Modellversuch<br />

GAB in Hannover, 14.–15.06.1999.<br />

»Weiterentwicklung der Berufsbildung« Das Reformkonzept der KMK. Dialog zur Weiterentwicklung<br />

der Berufsbildung im Hans–Böckler–Berufsbildungszentrum in Mainz,<br />

20.10.1999.<br />

»Lernen <strong>und</strong> Lehren in neuen Ausbildungsberufen <strong>und</strong> Lernfeldern« Fachtagung der<br />

BAG Elektrotechnik/ Metalltechnik in Mannheim, 11.11.1999.<br />

»Berufsbildung für morgen« Einführungsvortrag zum 20. Hessischen Berufsbildungstag<br />

in Oberursel, 16.11.1999.<br />

»Berufsbildung für morgen.« Einführungsvortrag zum 20. Hessischen Berufsbildungstag,<br />

»Zukunft der Berufsschule«, TU Berlin, 08.12.1999.<br />

»Qualifizieren für Mitarbeiterprofile der Zukunft«, Fachtagung auf der NORTEC 2000<br />

»Mitarbeiterprofil der Zukunft«, Hamburg, 27.01.2000.<br />

»Berufsbildung für den Strukturwandel im Handwerk — Ergebnisse der Expertise«, »Expertenr<strong>und</strong>e<br />

zur Berufsbildung für den Strukturwandel im Handwerk«, Handwerkskammer<br />

Berlin, Berlin–Schöneberg, 28.02.2000.<br />

»Berufsbildung im Handwerk, Innovationsbedarf im Handwerk <strong>und</strong> Herausforderungen<br />

für die Berliner Oberstufenzentren«, Plenumsveranstaltung »Kompetenztisch Berufliche<br />

<strong>Bildung</strong>«, Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung, Berlin (Tiergarten),<br />

28.02.2000.<br />

»Eckpunkte für die Neuordnung der Elektroberufe — Schlussfolgerungen aus einer empirischen<br />

Untersuchung«, Fachtagung »Berufsbildung zwischen innovativer Programmatik<br />

<strong>und</strong> offener Umsetzung«, 11. Hochschultage »Berufliche <strong>Bildung</strong> 2000«, Hamburg,<br />

23.03.2000.<br />

»Warum ist eine Neuorientierung bei der Berufsausbildung erforderlich?«, Vortrag auf der<br />

Auftaktveranstaltung des Modellversuchs »Geschäfts– <strong>und</strong> arbeitsprozessbezogene Ausbildung<br />

(GAPA)«, Vertretung des Landes Nordrhein–Westfalen beim B<strong>und</strong>, Bonn<br />

23.05.2000.<br />

»Beiträge der Berufsbildungsforschung für die Entwicklung neuer Lernkonzepte« — Ein-<br />

111


Gemeinsamer Zwischenbericht MV GAB<br />

führungsvortrag auf der Fachtagung des BLK–Programmträgers, »Konferenz Berufsbildung<br />

für Arbeitsprozesse im 21. Jahrh<strong>und</strong>ert«, Bremen, 23.–24.06.2000.<br />

»Von einer dualen zu einer kooperativen Berufsbildung« Vortrag im Rahmen der BAG–<br />

Tagung »Elektrotechnik <strong>und</strong> Metalltechnik« am Berufskolleg Moers, 07.11.2000.<br />

Rainer Bremer<br />

»Zur Lage des dualen Systems im europäischen Vergleich — Reformbedarf in der Berufsbildung«,<br />

Pädagogische Konferenz der DMT im Schulzentrum Bergkamen, 09.11.1998.<br />

»Wandel der Facharbeit im Beruf des Werkzeugmechanikers«, 11. Fachtagung der HGTB<br />

(Arbeitsgemeinschaft der Hochschulinstitute für gewerblich–technische Berufsbildung)<br />

»Mensch-Maschine-Interaktion«, Universität Rostock, 18.06.1999.<br />

»Basisberufe, Kernberufe, Satellitenmodell — tragfähige Konzepte für die künftige Berufsausbildung?«,<br />

Hessische Berufsbildungstage in Kassel, 15.09.1999.<br />

»Der Modellversuch GAB« (»Geschäfts- <strong>und</strong> Arbeitsprozessorientierte, dual–kooperative<br />

Ausbildung in ausgewählten Industrieberufen mit optionaler Fachhochschulreife«),<br />

Herbstkonferenz der Gesellschaft für Arbeitswissenschaften in Hannover, 01.10.1999.<br />

»Experten–Facharbeiter–Workshops als Instrument der Curriculumentwicklung«, <strong>Bildung</strong>sausschuss<br />

der IG–Metall, Frankfurt, 06.12.1999.<br />

»Kernberufe — Ein Konzept von GAB für GAPA«, Mitgliedsfirmen des VDMA, Hannover,<br />

18.02.2000.<br />

»Kernberufe — Ein Konzept von GAB für GAPA«, Schulleiter, Düsseldorf, 17.03.2000.<br />

»Vorstellung des Modellversuchs GAB«, Treffen der Modellversuche zur Geschäfts– <strong>und</strong><br />

Arbeitsprozessorientierung in der Berufsausbildung, Berlin, 19.10.2000.<br />

»Der Modellversuch GAB«, Deutsch–Niederländisches Expertentreffen, Kleve,<br />

30.10.2000.<br />

Peter Röben<br />

»Berufswissenschaftliche Arbeitsstudien«, Vortrag auf der 1. Fachtagung Modellversuch<br />

GAB in Hannover, 14.–15.06.1999.<br />

»Berufswissenschaftliche Arbeitsanalyse. Gegenstand <strong>und</strong> Methode der empirischen Untersuchung<br />

beruflicher Facharbeit im GAB–Projekt«, 11. Fachtagung der HGTB (Arbeitsgemeinschaft<br />

der Hochschulinstitute für gewerblich–technische Berufsbildung) »Mensch–<br />

Maschine–Interaktion«, Universität Rostock, 17.–19.06.1999.<br />

4.3.7 Ausblick<br />

Mit Blick auf die skizzierten Ergebnisse hat der bisherige Verlauf des Modellversuchs<br />

gezeigt, dass einige der in den Anträgen formulierten Ziele ganz, andere teilweise erreicht<br />

112


Gemeinsamer Zwischenbericht MV GAB<br />

worden sind 32 :<br />

— Die auf der Gr<strong>und</strong>lage der Befragungsergebnisse der Experten–Facharbeiter–Workshops<br />

formulierten Beruflichen Arbeitsaufgaben bilden die Basis für die Berufsausbildung<br />

in den für den Modellversuch ausgewählten Industrieberufen.<br />

— Die Ausbildung verläuft insgesamt nach entwicklungslogischen Gesichtspunkten. Das<br />

Element der optionalen Fachhochschulreife ist in Form schulischer Angebote Bestandteil<br />

der schulischen Berufsausbildung.<br />

— Für drei Berufe sind vom ITB Entwürfe für Berufsbildungspläne entwickelt worden,<br />

die für beide Lernorte als Gr<strong>und</strong>lage für die Ausbildung in diesen Berufen dienen<br />

können.<br />

— Die Ausbildung insgesamt verläuft näher an den Arbeits– <strong>und</strong> Geschäftsprozessen des<br />

Unternehmens. Außer den bereits w. o. erwähnten Veränderungen hat die Implementierung<br />

der Konzepte »SPL/ASC« <strong>und</strong> »BAG–Erleben « dazu beigetragen, der Zielsetzung<br />

vom »Lernen am Arbeitsplatz« einen wichtigen Schritt näher zu kommen.<br />

— Die Kooperation zwischen den beiden Lernorten ist weit über das übliche Maß der<br />

Zusammenarbeit in Form von »Abstimmungsprozessen« hinausgewachsen.<br />

Im weiteren Verlauf des Modellversuchs nun müssen die Ergebnisse gefestigt, weiterentwickelt<br />

<strong>und</strong> verstetigt werden:<br />

— Die noch ausstehenden Berufsbildungspläne sollten auf der Gr<strong>und</strong>lage der bisherigen<br />

Erfahrungen entwickelt werden.<br />

— Die im Entwurf bereits bestehenden Berufsbildungspläne sollten angewendet <strong>und</strong> auf<br />

der Gr<strong>und</strong>lage der praktischen Erfahrungen kontinuierlich weiterentwickelt <strong>und</strong> einer<br />

ständigen Revision unterzogen werden.<br />

— Die SPL/ASC sollten mit Blick auf die Lernhaltigkeit qualitativ <strong>und</strong> quantitativ ausgebaut<br />

werden.<br />

— Die Konzeption »BAG–Erleben« sollte in der Lernortkooperation dauerhaft fest verankert<br />

werden.<br />

— Es sollte darauf hingewiesen werden, dass die Modalitäten der Zwischenprüfungen —<br />

wie auf der Beiratssitzung vom März 2000 empfohlen — verändert werden <strong>und</strong><br />

schließlich für alle Berufe an die veränderte Ausbildung angepasste Abschlussprüfungen<br />

durchgeführt werden sollten.<br />

Literatur<br />

Bremer/Jagla 2000: Bremer, Rainer/Jagla, Hans–Herbert (Hrsg.), Berufsbildung in Geschäfts–<br />

<strong>und</strong> Arbeitsprozessen, Bremen<br />

Kant 1787: Immanuel Kant, Kritik der reinen Vernunft, Akademieausgabe<br />

32 Siehe hierzu auch die Ausführungen zu Abschnitt 4.2, S. 93 ff.<br />

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Gemeinsamer Zwischenbericht MV GAB<br />

Meyer 2000: Meyer, Angelika, Durchgefallen — Die Abschlußprüfungen in den neuen<br />

IT–Berufen lösen heftige Kritik aus, in c’t, Nr.11/2000, S. 40–41<br />

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Gemeinsamer Zwischenbericht MV GAB<br />

5 Programmbeitrag<br />

Das Evaluationskonzept des Programmträgers sieht drei Schritte vor:<br />

1. Das Antragsverfahren aller unter die Trägerschaft des Programms »Neue Lernkonzepte<br />

in der Berufsbildung« beantragten Projekte sah für die Bewilligung durch eine Expertenkommission<br />

vor, dass die Anträge nach einer mehrere Kriterien umfassenden Liste<br />

mit Punkten versehen wurden. Dies sollte eine Gewichtung der beantragten Vorhaben<br />

ergeben, anhand deren über die Bewilligung zu entscheiden war. Den Verantwortlichen<br />

der bewilligten Vorhaben sollte nach einer gewissen Laufzeit ihrer Projekte die<br />

Ergebnisse der Experteneinschätzung mit der Aufgabe vorgelegt werden, deren Gewichtungen<br />

zur Kenntnis zu nehmen <strong>und</strong> durch eigene zu ergänzen, wobei zugelassen<br />

war, eigene »Unterkriterien« zu formulieren.<br />

2. Nach einer weiteren Frist, innerhalb derer eine Etablierung der Durchführungsinstrumente<br />

bzw. –methoden unterstellt werden kann, sollte in einem möglichst großen<br />

Kreis der Verantwortlichen <strong>und</strong> Durchführenden eine moderierte, zeitlich <strong>und</strong> inhaltlich<br />

gegliederte Diskussion über das aktuell Erreichte <strong>und</strong> die Aussichten, die ursprünglichen<br />

Ziele in einem einzuschätzenden Umfang zu erreichen, stattfinden.<br />

3. Im letzten Schritt sollten die ausgewerteten Ergebnisse der als zweiter Schritt erfolgten<br />

Diskussion den Beteiligten zurückgespiegelt werden. Dies wird wiederum auf einem<br />

gemeinsamen Treffen stattfinden, da der Programmträger zu seiner qualifizierten Einschätzung<br />

des Verlaufs der Vorhaben die Reaktionen <strong>und</strong> Kommentare der Verantwortlichen<br />

<strong>und</strong> Durchführenden benötigt, um diese dreischrittige Phase der Evaluation<br />

abschließend berichten zu können.<br />

Im Falle des Modellversuchs <strong>»GAB</strong>« konnte das Verfahren bis zur Auswertung der<br />

3. Evaluationssitzung nicht vor Vorlage des Zwischenberichts abgeschlossen werden. Die<br />

Gründe sind ausschließlich zeitlicher Natur, da die Terminabstimmung mit einem so<br />

umfangreichen Projekt prinzipielle Schwierigkeiten aufwirft.<br />

Bisher wurden folgende Schritte abgearbeitet:<br />

— Innerhalb der sinnvollen Frist zwischen Beginn des Vorhabens <strong>und</strong> ersten Erfahrungen<br />

mit gefestigten Instrumenten <strong>und</strong> Methoden gab es eine erste Sitzung mit allen<br />

Verantwortlichen (der drei B<strong>und</strong>esländer, der Wissenschaftlichen Begleitung <strong>und</strong> 2<br />

Vertretern der VW CG) im November 1999 anlässlich der Tagung des Programmträgers<br />

in Ohlstadt.<br />

— Im März 2000 wurden die Ergebnisse der erweiterten Kriterienliste des Ohlstädter<br />

Treffens im Rahmen einer Lehrerfortbildung in Wolfenbüttel allen Kern– <strong>und</strong> Begleitteamlehrern<br />

(ca. 30) sowie den Verantwortlichen vorgestellt. Danach wurden entsprechend<br />

dem Evaluationskonzept des Programmträgers die Einschätzung zum Erreichten<br />

<strong>und</strong> zu den weiteren Aussichten erhoben.<br />

Der dritte Schritt war für den November 2000 geplant, das Treffen kam jedoch aus Ter-<br />

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Schule


Gemeinsamer Zwischenbericht MV GAB<br />

mingründen nicht zustande, es musste auf den März 2001 verschoben werden.<br />

Sobald die Ergebnisse <strong>und</strong> Auswertungen vorliegen, wird der Programmträger diesen Berichtsteil<br />

dem Mittelgeber zuleiten.<br />

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Gemeinsamer Zwischenbericht MV GAB<br />

6 Verzeichnis der Anhänge<br />

Anhang Titel Autor<br />

A1 Lernfeldentwicklungen NLI<br />

A2 Lehrplanerprobung CI<br />

B1a Betriebserk<strong>und</strong>ung VW CG<br />

B1b Berufserk<strong>und</strong>ung VW CG<br />

B1c Auftragsbuch (gewerblich–technische Ausbildung) VW CG<br />

B1d Auftragsbuch (kaufmännische Ausbildung) VW CG<br />

B1e Allgemeine Handlungsanleitung für Ausbilder <strong>und</strong> Ausbildungsbe- VW CG<br />

auftragte (gewerblich–technische Ausbildung)<br />

B1f Allgemeine Handlungsanleitung für Ausbilder <strong>und</strong> Ausbildungsbe- VW CG<br />

auftragte (kaufmännische Ausbildung)<br />

B2 In den Service–Produktions–Lerninseln bearbeitete Lern– <strong>und</strong> Ar- VW CG<br />

beitsaufgaben<br />

B3 ABBA–Qualifizierung VW CG<br />

C1a Berufsbildungsplan für den »Industriemechaniker« ITB<br />

C1b Berufsbildungsplan für den »Industrieelektroniker« ITB<br />

C1c Berufsbildungsplan für den »Werkzeugmechaniker« ITB<br />

C1d Berufliche Arbeitsaufgaben »Automobilmechaniker« ITB<br />

C1e Berufliche Arbeitsaufgaben »Mechatroniker« ITB<br />

C1f Struktur für den <strong>Bildung</strong>splan »Industriekaufmann« ITB<br />

C2 Berufsentwicklung im industriellen Dienstleistungssektor ITB<br />

C3 Das Instrument »BAG–Erleben« ITB<br />

C4 Evaluationsergebnisse der Erstbefragung, Allgemeine, berufsübergrei- ITB<br />

fende Auswertung<br />

C4a Auswertung für den Beruf »Industriemechaniker« ITB<br />

C4b Auswertung für den Beruf »Industrieelektroniker« ITB<br />

C4c Auswertung für den Beruf »Werkzeugmechaniker« ITB<br />

C4d Auswertung für den Beruf »Automobilmechaniker« ITB<br />

C4e Auswertung für den Beruf »Industriekaufmann« ITB<br />

C5 Experten-Facharbeiter-Workshops als Instrument der berufswissen- ITB<br />

schaftlichen Qualifikationsforschung<br />

C6 Beiträge zur BLK–Tagung ITB<br />

C7 Wandel der Facharbeit im Beruf des Werkzeugmechanikers ITB<br />

C8 Dimensionen der Facharbeit als Entwicklungslinien beruflicher ITB<br />

Kompetenz <strong>und</strong> Identität<br />

Die Anhänge können beim ITB unter der Telefonnummer 0421–218–4630 (FAX 4637)<br />

angefordert werden. Sie stehen auch unter www.gab.uni–bremen.de zum Download bereit.<br />

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