MICHAEL AEPLI
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MICHAEL AEPLI
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38 RECHT<br />
Höchstrichterliche Rechtsprechung zur Personenfreizügigkeit<br />
KEIN PERSILSCHEIN FÜR<br />
<strong>MICHAEL</strong> <strong>AEPLI</strong> UND STEPHAN FREI<br />
Das Freizügigkeitsabkommen FZA ist kein Persilschein.<br />
Wenn ein deutscher Zahnarzt seine Tätigkeit<br />
ohne Bewilligung ausübt, wird ihm auch die Übernahme<br />
der Praxis seines Arbeitgebers versagt.<br />
Obschon das FZA mit den bisherigen<br />
EU-Staaten erst am 1. Juni<br />
2002 in Kraft getreten ist, hat sich<br />
das Bundesgericht bereits mehrfach<br />
damit auseinandergesetzt.<br />
Der deutsche Zahnarzt A wollte<br />
die im Kanton Zürich gelegene<br />
Zahnarztpraxis von D übernehmen.A<br />
stellte deshalb bei der Gesundheitsdirektion<br />
des Kantons<br />
Zürich ein Gesuch um Praxisbewilligung<br />
zur selbständigen Ausübung<br />
des Zahnarztberufs. Sein<br />
deutsches Diplom als Zahnarzt<br />
wurde gestützt auf das FZA vom<br />
Leitenden Ausschuss für die eidgenössischen<br />
Medizinalprüfungen<br />
anerkannt.<br />
KEIN ILLEGALES BOHREN<br />
Anlässlich eines Kontrollbesuchs<br />
in der Praxis von D stellte die Behörde<br />
fest, dass A einer zahnärztlichen<br />
Tätigkeit ohne Bewilligung<br />
nachging. Nach Angaben der beiden<br />
Zahnärzte übte A rein konsiliarische<br />
und keine klinische Tätigkeit<br />
aus. Befragungen und weitere<br />
Untersuchungshandlungen<br />
zeigten jedoch, dass A – trotz<br />
STEPHAN<br />
FREI<br />
Stephan Frei, Dr. iur. arbeitet in<br />
der Kanzlei Stiffler & Nater Zürich.<br />
stephan.frei@stn.ch<br />
wiederholter Bestreitungen – seit<br />
Oktober 2000 ohne Bewilligung<br />
als Zahnarzt tätig war. Dadurch<br />
entzog er sich einer nicht zuletzt<br />
im Interesse der Patienten liegenden<br />
behördlichen Aufsicht. Er<br />
ging sogar noch weiter und übertrug<br />
Assistentinnen dem Zahnarzt<br />
vorbehaltene Tätigkeiten.<br />
Angesichts des Ausmasses der illegalen<br />
Tätigkeit von A und seines<br />
«renitenten und unverfrorenen»<br />
Verhaltens der Gesundheitsdirektion<br />
gegenüber war es<br />
gerechtfertigt, das Gesuch um Erteilung<br />
einer Praxisbewilligung<br />
abzuweisen. Es fehlte schlicht an<br />
der Vertrauenswürdigkeit von A.<br />
Eine mildere Massnahme kam<br />
nicht in Frage, da er sich vom eingeleiteten<br />
Strafverfahren und den<br />
wiederholten Warnungen nicht<br />
beeindrucken liess (Bundesgerichtsentscheid<br />
vom 29. September<br />
2003 [2P.159/2003]).<br />
STELLENSUCHE BESCHRÄNKT<br />
Da ein in der Schweiz sich aufhaltender<br />
Portugiese weder einer<br />
Arbeitstätigkeit nachging noch<br />
<strong>MICHAEL</strong><br />
<strong>AEPLI</strong><br />
Michael Aepli, Dr. iur. Rechtsanwalt<br />
arbeitet in der Kanzlei<br />
Stiffler & Nater Zürich.<br />
michael.aepli@stn.ch<br />
über ausreichende finanzielle<br />
Mittel für seinen Lebensunterhalt<br />
verfügte, kam für ihn lediglich die<br />
Erteilung einer Kurzauf-enthaltsbewilligung<br />
zur Stellensuche in<br />
Frage (Art. 2 Anhang I FZA).<br />
Das FZA verleiht Stellensuchenden<br />
das Recht, «sich während eines<br />
angemessenen Zeitraums von<br />
bis zu sechs Monaten dort aufzuhalten,<br />
sofern dies erforderlich<br />
ist, um von den ihrer beruflichen<br />
Befähigung entsprechenden Stellenangeboten<br />
Kenntnis zu nehmen<br />
und gegebenenfalls die erforderlichen<br />
Massnahmen im<br />
Hinblick auf ihre Einstellung zu<br />
treffen» (Art. 2 Abs. 1 al. 2 Satz 1<br />
Anhang I FZA).<br />
Der stellenlose Portugiese hielt<br />
sich seit über zwei Jahren in der<br />
Schweiz auf und konnte in keiner<br />
Weise belegen, dass er tatsächlich<br />
Suchbemühungen unternommen<br />
hatte oder er kurz vor einer Anstellung<br />
stand. Demzufolge hat er<br />
nach Ansicht des Bundesgerichts<br />
keinen Anspruch auf Erteilung<br />
einer (Kurz-) Aufenthaltsbewilligung<br />
zur Stellensuche (BGE 130<br />
II 388).<br />
STRAFTÄTER AUSGESPERRT<br />
Einem straffällig gewordenen<br />
Italiener verweigerte das Bundesgericht<br />
die Aufenthaltsbewilligung,<br />
die er gestützt auf das<br />
FZA beansprucht hatte. Der in<br />
der Schweiz geborene Italiener<br />
wurde wegen mehrerer Delikte<br />
(unter anderem Förderung der<br />
Prostitution, schwerer Verstösse<br />
gegen das Ausländergesetz etc.)<br />
zu Freiheitsstrafen von insgesamt<br />
18 Monaten verurteilt. Diese<br />
Strafen musste er teilweise absitzen.<br />
Nach Ansicht des Bundesgerichts<br />
stellt der Ausländer eine echte,<br />
aktuelle und so schwere Bedrohung<br />
für die Gesellschaft dar,<br />
dass ihm gegenüber die Personenfreizügigkeit<br />
aus «Gründen<br />
der öffentlichen Ordnung,Sicherheit<br />
und Gesundheit» verweigert<br />
werden dürfe.<br />
Das Bundesgericht wies den Italiener<br />
jedoch darauf hin, dass er<br />
zu einem späteren Zeitpunkt<br />
ohne weiteres wieder um eine<br />
Aufenthaltsbewilligung ersuchen<br />
könne. Voraussetzung sei allerdings,<br />
dass er behördliche Entscheide<br />
respektiere und die<br />
Schweiz deshalb erst einmal für<br />
eine gewisse Zeit verlasse (BGE<br />
130 II 493).<br />
Mehrere Entscheide des Bundesgerichts<br />
betreffen den Familiennachzug<br />
von EU/EFTA-Staatsangehörigen,<br />
welche sich in der<br />
Schweiz aufhalten.<br />
FAMILIENNACHZUG BEDINGT<br />
Familienangehörige eines in der<br />
Schweiz sich aufhaltenden EU/<br />
EFTA-Staatsangehörigen haben<br />
ungeachtet ihrer Staatsangehörigkeit<br />
das Recht, bei ihm Wohnsitz<br />
zu nehmen. Der ausländische<br />
Ehegatte eines EU /EFTA-<br />
Staatsangehörigen hat deshalb<br />
gestützt auf das FZA grundsätzlich<br />
ein Recht auf Anwesenheit<br />
während der ganzen formellen<br />
Ehedauer. Ein dauerndes Zusammenleben<br />
im Haushalt des<br />
aufenthaltsberechtigten Ehepartners<br />
ist nicht zwingend.<br />
Sinn und Zweck dieser Regelung<br />
ist, dass die Familie am ausländischen<br />
Arbeitsort als Familiengemeinschaft<br />
zusammenleben kann.<br />
Keinen Anspruch auf Aufenthalt<br />
sollen aber Personen haben, die<br />
tatsächlich gar nicht beabsichtigen,<br />
eine Ehe mit einer aufenthaltsberechtigten<br />
Person zu führen.<br />
Fehlt der Ehewille und dient<br />
die Ehe beziehungsweise deren<br />
Aufrechterhaltung lediglich der<br />
Umgehung von Zulassungsvorschriften<br />
(Scheinehe), hat der<br />
Ehegatte keinen Anspruch auf<br />
eine Aufenthaltsbewilligung. Es<br />
ist rechtsmissbräuchlich, sich auf<br />
eine bloss formalrechtlich (noch)<br />
bestehende Ehe zu berufen. Eine<br />
rechtsmissbräuchliche Berufung<br />
auf die Ehe ist nicht leichthin anzunehmen.<br />
Namentlich nicht<br />
schon dann, wenn die Ehegatten<br />
nicht mehr zusammenleben oder<br />
ein Eheschutz- oder Scheidungsverfahren<br />
eingeleitet wurde. Erforderlich<br />
sind klare Hinweise<br />
darauf, dass die Führung einer<br />
Lebensgemeinschaft nicht mehr<br />
beabsichtigt und nicht mehr zu<br />
erwarten ist (vgl.BGE 130 II 113).<br />
Im Entscheid vom 6. August 2004<br />
(2A.94/2004) beurteilte das Bundesgericht<br />
das Aufenthaltsrecht<br />
einer kolumbianischen Staatsangehörigen.<br />
Sie heiratete 1999 einen<br />
in Basel niedergelassenen<br />
Spanier. Zusammen mit ihrem<br />
vorehelichen Sohn nahm sie bei<br />
ihrem Ehemann Wohnsitz. Nachdem<br />
sie sich von ihrem Ehegatten<br />
trennte, wurde ihr die Aufenthaltsbewilligung<br />
verweigert. Da<br />
von beiden Seiten kein Willen<br />
mehr zur Weiterführung der Ehe
DESPERADOS<br />
©BILDERBOX<br />
EU-Examen werden anerkannt<br />
vorhanden war, wurde der kolumbianischen<br />
Ehefrau nach Ansicht<br />
des Bundesgerichts die Aufenthaltsbewilligung<br />
zu Recht verweigert.<br />
Anders lag der Fall einer Kubanerin,<br />
welchen das Verwaltungsgericht<br />
des Kantons Bern zu beurteilen<br />
hatte (Entscheid vom 4.<br />
August 2003, VGE 21527). Die<br />
Kubanerin war mit einem in der<br />
Schweiz arbeitenden spanischen<br />
Staatsangehörigen verheiratet,<br />
lebte jedoch getrennt von ihm.<br />
Sie hatte eine minderjährige voreheliche<br />
Tochter von einem anderen<br />
Mann. Nach der Trennung gebar<br />
sie ein weiteres Kind. Die Kubanerin<br />
selbst hatte gestützt auf<br />
das FZA keinen Anspruch auf<br />
eine Aufenthaltsbewilligung, da<br />
die Ehe endgültig als gescheitert<br />
betrachtet werden musste.<br />
In Bezug auf ihre in keiner Weise<br />
mit ihrem spanischen Ehemann<br />
verwandten Kinder hielt das<br />
Verwaltungsgericht fest, dass sie<br />
gestützt auf das FZA keinen eigenen<br />
Anspruch auf eine Aufenthaltsbewilligung<br />
haben. Ein<br />
Rechtsanspruch auf eine Aufenthaltsbewilligung<br />
könne sich indessen<br />
aus dem in der EuropäischenMenschenrechtskommission<br />
garantierten Schutz des Familienlebens<br />
ableiten. Darauf<br />
kann sich in einem Verfahren zur<br />
Erlangung einer Aufenthaltsbewilligung<br />
berufen, wer nahe Verwandte<br />
mit einem gefestigten<br />
Anwesenheitsrecht in der Schweiz<br />
hat. Dies gilt namentlich für das<br />
Verhältnis von Eltern zu ihren<br />
minderjährigen Kindern, die im<br />
gleichen Haushalt leben. Bei getrennt<br />
lebenden Eltern gilt dies<br />
dann, wenn die Kinder zu dem in<br />
der Schweiz aufenthaltsberech-<br />
KMU Manager Nr. 8/2005<br />
tigten Elternteil die vorrangige<br />
familiäre Beziehung unterhalten.<br />
Da die Kinder nicht in enger<br />
familiärer Beziehung zum spanischen<br />
Ehemann ihrer Mutter<br />
standen, hatten sie demzufolge<br />
ebenfalls kein Aufenthaltsrecht<br />
in der Schweiz.<br />
FAZIT<br />
Die Rechtsprechung zeigt, dass<br />
allfällige Missbräuche des FZA<br />
verhindert werden. Dass sich<br />
das Bundesgericht häufiger mit<br />
Abweisungen von Gesuchen als<br />
mit der Erteilung von Gesuchen<br />
zu beschäftigen hat, ist nicht<br />
weiter überraschend: Die Abweisung<br />
eines Gesuchs ist für<br />
die Betroffenen und deren Familie<br />
ein schwerwiegender Entscheid<br />
– und wird, wenn nötig,<br />
bis ans Bundesgericht weitergezogen.<br />
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