Best-Practice-Studie - IHI Zittau
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3 FORMEN UND RAHMENBEDINGUNGEN VON ÖPP IN DEUTSCHLAND<br />
Grenzen der Zusammenarbeit zwischen Kommunen bzw. staatlichen Einrichtungen und Privaten können<br />
sich dadurch ergeben, dass Bundes- und / oder Ländergesetze die partnerschaftliche Zusammenarbeit<br />
einengen oder sogar ausschließen. Für die Seite der (möglichen) öffentlichen Partner betrifft dies die<br />
Auftragsangelegenheiten und die pflichtigen Selbstverwaltungsaufgaben bzw. die Pflichtaufgaben zur<br />
Erfüllung. Die Gemeinden sind zur Ausführung dieser Aufgaben verpflichtet. Dies schließt nicht aus,<br />
dass eine Gemeinde bestimmte Aufgaben in Zusammenarbeit mit Privaten wahrnimmt. Die Gemeinde<br />
bleibt jedoch für die Erfüllung der Aufgabe verantwortlich. Eine solche Form der Verwaltungshilfe (funktionale<br />
Privatisierung) ist ohne gesetzliche Ermächtigungsgrundlage zulässig.<br />
3.3.3 Öffentliche Bedienstete<br />
Die (Teil-)Privatisierung öffentlicher Dienstleistungen ist für öffentliche Bedienstete eine Sonderform<br />
des Arbeitgeberwechsels. Dabei wird die öffentlich-rechtliche Aufgabenerfüllung auf privatrechtliche<br />
Träger überführt. Die Privatisierung öffentlicher Aufgaben bzw. die Ausgliederung von Verwaltungseinheiten<br />
kann für öffentliche Angestellte den Tatbestand eines Betriebsüberganges i. S. v. § 613a BGB<br />
bedeuten. Bisherige durch Tarifvertrag geregelte Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen werden in<br />
diesem Falle zum <strong>Best</strong>andteil des Arbeitsverhältnisses zwischen dem Arbeitnehmer und dem neuen<br />
Arbeitgeber. Wichtige Vereinbarungen der Tarifverträge für den öffentlichen Dienst betreffen Entgeltregelungen,<br />
Arbeitszeiten, Mehrarbeit, Urlaubs-, Aufstiegs- und Ruhestandsregelungen sowie spezielle<br />
Zusatzrentenversicherungen.<br />
Die Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen dürfen bei Betriebsübergängen durch den neuen Arbeitgeber<br />
nicht vor Ablauf eines Jahres nach dem Zeitpunkt des Übergangs zum Nachteil des Arbeitnehmers<br />
geändert werden. Einige Bundesländer bzw. Kommunen haben als zusätzliche Absicherung für öffentliche<br />
Angestellte im Fall des Betriebsübergangs (Rahmen-) Tarifverträge abgeschlossen. Darin sind beispielsweise<br />
über die bereits genannten Inhalte hinaus der Ausschluss betriebsbedingter Kündigungen und<br />
Rückkehrrechte bei Insolvenz und Liquidation geregelt. Notwendig für einen einvernehmlichen<br />
Personalübergang ist auch bei Nichtabschluss eines Tarifvertrages ein Personalüberleitungsvertrag zwischen<br />
der zuständigen Dienststelle und dem neuen Arbeitgeber. Darüber hinaus können bei gemischtwirtschaftlichen<br />
Unternehmen ergänzende Regelungen in den Gesellschaftsvertrag aufgenommen werden.<br />
Dabei kann es sich beispielsweise um die Verpflichtung des privaten Arbeitgebers handeln, neue<br />
Tarifverträge abzuschließen. Weitere Regelungsmöglichkeiten betreffen Themen wie Weiterbildung,<br />
Personalentwicklung und betriebliche Anreizsysteme.<br />
Aufgrund derartiger Regelungen können für private Partner Remanenzrisiken entstehen. Dies bedeutet,<br />
dass ehemals öffentliche Mitarbeiter auch bei einem sich verschlechternden Betriebsergebnis zu<br />
Bedingungen weiterbeschäftigt werden müssen, die zu Beginn ihres Beschäftigungsverhältnisses galten.<br />
Daraus können sich erhebliche finanzielle Verpflichtungen für den Privaten ergeben. Wesentlich ist, dass<br />
der beschriebene Betriebsübergang sich kraft Rechtsgeschäfts vollzieht und nicht durch ein Gesetz. Das<br />
Merkmal „kraft Rechtsgeschäft“ soll den Anwendungsbereich der rechtlichen Regelung nicht einschränken,<br />
sondern sie lediglich gegenüber den Fällen der Gesamtsrechtsnachfolge abgrenzen. Die reine Übertragung<br />
von Verwaltungsaufgaben einer öffentlich-rechtlichen Verwaltung auf eine andere ist kein Betriebsübergang<br />
i.S.v. § 613a BGB. Liegen die Voraussetzungen für einen Betriebsübergang i. S. v. § 613a BGB<br />
vor, dann haben die Beschäftigten in dessen Rahmen ein Widerspruchsrecht gegen den Übergang ihres<br />
Arbeitsverhältnisses sowie Kündigungsschutz.<br />
Für Beamte bestehen spezifische Möglichkeiten der Personalüberleitung im öffentlichen Dienstrecht.<br />
Für die Überleitung von Beamten gibt es zum einen die Variante der Versetzung in den einstweiligen<br />
Ruhestand nach § 20 BRRG. Dies gilt allerdings nur, wenn die Behörde aufgelöst wird und bedarf einer<br />
gesetzlichen Grundlage. Eine Beurlaubung von Beamten ist nur für bestimmte Zeiträume möglich. Die<br />
Zuweisung eines Beamten nach § 123a I BRRG mit seiner Zustimmung ist nur vorübergehend und bei<br />
dringenden öffentlichen Interessen möglich. Die Anteile des privaten Partners im Falle eines gemischtwirtschaftlichen<br />
Unternehmens müssen dabei 50 % überschreiten. Eine derartige Zuweisung ohne<br />
Zustimmung nach § 123a II BRRG kann im Fall dringender öffentlicher Interessen erfolgen, wenn der<br />
Gesellschaftsanteil des privaten Partners 50 % unterschreitet. Dienstüberlassungsvereinbarungen sind<br />
theoretisch möglich, werden jedoch aufgrund ihrer hohen Komplexität in der Praxis nur in Ausnahmefällen<br />
angewendet. Vergleichbare Möglichkeiten bietet das Dienstrecht auch für öffentliche Angestellte.<br />
Diese Möglichkeiten stellen Alternativen zu einem Betriebsübergang i. S. v. § 613a BGB dar.<br />
3 FORMEN UND RAHMENBEDINGUNGEN VON ÖPP IN DEUTSCHLAND<br />
3.3.4 Öffentlicher Auftrag<br />
3.3.4.1 Vergaberecht<br />
Dem nationalen und europäischen Vergaberecht unterliegen sämtliche entgeltlichen Verträge zwischen<br />
einem öffentlichen Auftraggeber und einem privaten Unternehmen als Auftragnehmer. Ausnahmen bilden<br />
– für sich betrachtet – Verträge über Grundstücksmiete, Pacht und Grundstückserwerb sowie Verkauf<br />
oder Gesellschaftsanteilsveräußerungen durch die öffentliche Hand. Für die Zuordnung zum<br />
Vergaberecht ist die Rechtsform des zugrunde liegenden Vertrages unerheblich. Entscheidend ist allein,<br />
ob der öffentliche Auftraggeber von einem Dritten entgeltliche Leistungen beschafft.<br />
Die in § 98 GWB abschließend aufgezählten Auftraggeber sind dem Vergaberecht unterworfen. Klassisch<br />
sind dies Bund, Länder und Kommunen. Die Ausgestaltung regelt die Vergabeverordnung, insbesondere<br />
welche Abschnitte der verschiedenen Verdingungsordnungen Anwendung finden. Aufträge unterhalb<br />
der Schwellenwerte werden entsprechend des Haushaltsrechts in Verbindung mit Abschnitt 1 der<br />
Vergabeverordnung behandelt. Oberhalb der Schwellenwerte ist der öffentliche Auftraggeber grundsätzlich<br />
zu einer europaweiten Ausschreibung verpflichtet (Abschnitte 2 bis 4 der Vergabeverordnung).<br />
§ 98 GWB umfasst auch alle sonstigen Einrichtungen der öffentlichen Hand, die aufgrund ihrer<br />
Aufgabenerfüllung, Finanzierung etc. funktional als dem Staat zugehörig angesehen werden können.<br />
Dies schließt auch alle juristischen Personen des öffentlichen und privaten Rechts ein, die damit als<br />
öffentliche Auftraggeber zu behandeln sind. Auch sind gegebenenfalls private Subventionsempfänger<br />
bei bestimmten Investitionen als öffentliche Auftraggeber anzusehen (§98 Nr. 5 GWB). Im Rahmen von<br />
ÖPP-Projekten wird bei der Erteilung eines Auftrages oder einer Konzession regelmäßig davon auszugehen<br />
sein, dass § 98 GWB zur Anwendung kommt.<br />
Aufgrund eines Urteils des Europäischen Gerichtshofs vom 11. Januar 2005 mit dem Ergebnis, dass<br />
gemischtwirtschaftliche Unternehmen mit mehrheitlich öffentlichen Anteilen dem EU-weiten<br />
Vergaberecht unterliegen, werden ÖPP-Gesellschaften zukünftig mit hoher Wahrscheinlichkeit durch<br />
andere Modelle abgelöst. In Frage dafür kommen Bereitstellungs-, Betreiber-, Contracting- und<br />
Konzessionsmodelle sowie vergleichbare Vertragsmodelle oder ÖPP-Gesellschaften mit öffentlichen<br />
Minderheitsbeteiligungen (ca. 6 % als Richtlinie). Dies gilt nicht für befristete öffentlich-private Projektgesellschaften,<br />
die als reines Instrument der Projektsteuerung z. B. im Rahmen von Betreiber- und<br />
Konzessionsmodellen häufig eingesetzt werden und nicht an Vergabeverfahren beteiligt sind.<br />
3.3.4.2 Interessenbekundungsverfahren<br />
Ein Interessenbekundungsverfahren (IBV) dient der Feststellung, ob es zivile Anbieter in dem jeweiligen<br />
Markt gibt, die für ein geplantes ÖPP-Projekt als relevant eingeschätzt werden (Markterkundung in<br />
staatlicher Verantwortung). Dieses Verfahren kann nicht eine Wirtschaftlichkeitsuntersuchung bzw. einen<br />
-vergleich ersetzen und darf von öffentlichen Auftraggebern auch nicht dazu missbraucht werden, sich<br />
unentgeltlich Leistungsspezifikationen für ein Vergabeverfahren erarbeiten zu lassen. Grundsätzlich sollte<br />
jeder öffentliche Auftraggeber bei aufwändigeren Vorhaben in einer bezahlten Machbarkeitsstudie als<br />
Wirtschaftlichkeitsuntersuchung Einzelheiten des zu realisierenden Projektes abklären.<br />
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