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6 Altlasten / Bodensanierung - IHI Zittau

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Einführung in die<br />

Umweltverfahrenstechnik<br />

Kapitel 6<br />

- <strong>Altlasten</strong>sanierung -<br />

G. Kayser


Stand 2002


6 <strong>Altlasten</strong> / <strong>Bodensanierung</strong><br />

Verhalten von Schadstoffen im Untergrund 213<br />

Als Boden wird der oberste Bereich der Erdrinde bezeichnet. Er bildet die Lebensgrundlage<br />

für alle nicht-aquatischen Organismen und ist somit Teil der Biosphäre und des<br />

gesamten Ökosystems [Jentzsch, 1997].<br />

Durch Versiegelung, Erosion, Deposition und den aktuellen oder historischen Eintrag<br />

von Schadstoffen ist der Boden ständigen Veränderungen unterworfen. Dadurch kann seine<br />

Funktion als Grundlage des Lebens stark eingeschränkt oder lokal sogar zerstört werden.<br />

Eingetragene Umweltchemikalien können sich aufgrund von Wechselwirkungen mit ihrer<br />

Umgebung verbreiten und Schäden bei Mensch und Umwelt verursachen.<br />

6.1 Verhalten von Schadstoffen im Untergrund<br />

<strong>Altlasten</strong>relevante Stoffe können in anorganische und organische Verbindungen eingeteilt<br />

werden. Ihr physikalisch-chemisches und biochemisches Verhalten wird durch ihre<br />

Struktur sowie die bodenmechanischen, -chemischen und hydrologischen Verhältnisse am<br />

Ort der Kontamination bestimmt. Schwermetalle können austauschbar an Tonmineralien,<br />

adsorptiv an Eisen- und Manganoxide oder komplex an Huminstoffe gebunden werden, bzw.<br />

als gelöste Ionen vorliegen. Niedermolekulare organische Verbindungen werden entsprechend<br />

ihres Dampfdrucks bzw. Löslichkeit in die Bodenluft oder das Bodenwasser verlagert.<br />

Auch eine Adsorption an die Bodenmatrix findet statt. Mineralölkohlenwasserstoffe sowie<br />

monocyclische Aromaten unterliegen zudem einem biologischen Abbau. Hochmolekulare<br />

organische Verbindungen werden vorwiegend an die organischen Bodenbestandteile gebunden.<br />

Sie sind in der Regel sehr schwer wasserlöslich und entsprechend wenig mobil. Bei<br />

alten Schadensfällen kann aufgrund der ausgeprägten Persistenz der meisten dieser Substanzen<br />

auch hier eine Verlagerung der Stoffe in das Grundwasser auftreten. Auch bei der<br />

Durchführung einer Sanierung ist zu beachten, wie die Schadstoffe im Untergrund verteilt<br />

sind, in welchem Aggregatzustand sie vorliegen und in welcher Form sie ggf. in den Boden<br />

eingetragen werden.<br />

In der ungesättigten Zone verdampfen flüchtige Kontaminanten (z.B. Kohlenwasserstoffe,<br />

Halogenkohlenwasserstoffe) in die Bodenluft. Ihre weitere Verbreitung erfolgt vorwiegend<br />

durch Diffusion [Mull, 1996].<br />

6.2 Rechtliche Regelungen<br />

Im Vergleich zu den Umweltkompartimenten Luft und Wasser wurde der Boden als<br />

schützenswertes Gut lange Zeit vernachlässigt. Das führte dazu, dass erst im Jahr 1998 ein<br />

bundesweit gültiges Bodenschutzgesetz verabschiedet wurde. Darin sind Schutzmaßnahmen<br />

festgelegt hinsichtlich:<br />

• der Inanspruchnahme von Flächen,<br />

• andauernden Schad- und Nährstoffeinträgen,<br />

• physikalischer Belastungen sowie<br />

• der Sanierung vorhandener Bodenbelastungen [BBodSchG, 1998].


214<br />

<strong>Altlasten</strong> / <strong>Bodensanierung</strong><br />

Bodenkontaminationen können auf industrielle, öffentliche oder landwirtschaftliche Flächennutzung<br />

und die dabei ablaufenden Prozesse zurückzuführen sein. Dies können Einträge<br />

aus Verkehrswegen sein, Dünge- und Pflanzenschutzmittel, versickerte Abwässer und<br />

Deponiesickerwässer, Stoffverluste aus defekten Pipelines oder ungesichert abgelagerte<br />

Abfälle.<br />

Als <strong>Altlasten</strong> werden lokal begrenzte Belastungen bezeichnet, deren Entstehung abgeschlossen<br />

ist. <strong>Altlasten</strong>verdachtsflächen sind demzufolge alle Grundstücke auf denen umweltgefährdende<br />

Stoffe produziert, verarbeitet, umgefüllt oder gelagert wurden. Eine Ausnahme<br />

hiervon bilden radioaktive Stoffe, die nicht von der <strong>Altlasten</strong>gesetzgebung erfasst<br />

werden.<br />

Entsprechend ihrer Entstehung werden <strong>Altlasten</strong> und -verdachtsflächen in Altstandorte<br />

und Altablagerungen unterteilt.<br />

• Altablagerungen sind “stillgelegte Abfallbeseitigungsanlagen sowie sonstige Grundstücke,<br />

auf denen Abfälle behandelt, gelagert oder abgelagert worden sind“,<br />

• Altstandorte sind “Grundstücke stillgelegter Anlagen und sonstige Grundstücke, auf denen<br />

mit umweltgefährdenden Stoffen umgegangen worden ist, ausgenommen Anlagen,<br />

deren Stilllegung einer Genehmigung nach dem Atomgesetz bedarf “ [BBodSchG, 1998].<br />

Militärische <strong>Altlasten</strong> stellen einen separaten Bereich dar. Sie werden nach den vorliegenden<br />

Kontaminationen charakterisiert, die militärspezifisch (Kampfstoffe, Sprengstoffe und<br />

Zündmittel, Geschosse, etc.) sein können oder Stoffe enthalten, die auch im zivilen Bereich<br />

auftreten (Treibstoffe, Öle, etc.).<br />

Eine als Altlast verdächtige Fläche (<strong>Altlasten</strong>verdachtsfläche) wird durch geeignete Erkundungsmaßnahmen<br />

entweder als Altlast bestätigt oder sie wird als nicht kontaminierte<br />

Fläche aus dem <strong>Altlasten</strong>register gestrichen. Eine erkannte Altlast muss saniert werden oder<br />

es sind Schutz- und Beschränkungsmaßnahmen bezüglich der betreffenden Fläche ergreifen.<br />

Als Sanierungsmaßnahmen werden nach dem Bundesbodenschutzgesetz 3 Arten von<br />

Maßnahmen begriffen:<br />

• Maßnahmen zur Beseitigung der Schadstoffe ( Dekontaminationsmaßnahmen),<br />

• Maßnahmen, die eine Ausbreitung der Schadstoffe langfristig verhindern oder einschränken,<br />

ohne die Stoffe zu beseitigen (Sicherungsmaßnahmen),<br />

• Maßnahmen zur Beseitigung oder Verminderung schädlicher Veränderungen der physikalischen,<br />

chemischen oder biologischen Beschaffenheit des Bodens. [BBodSchG, 1998].<br />

Es wird also unterschieden zwischen Sicherungsmaßnahmen, mit denen die Ausbreitungspfade<br />

für Schadstoffe unterbrochen werden und Dekontaminationsmaßnahmen, mit<br />

denen die Schadstoffe zerstört oder zumindest entfernt werden. Die im Bundesbodenschutzgesetz<br />

genannte dritte Art von Sanierungsmaßnahme bezieht sich auf die Rekultivierung<br />

anthropogen veränderter Flächen, wie z.B. Bergbaufolgelandschaften, sie ist für <strong>Altlasten</strong><br />

nicht relevant. Zusätzlich zur Sanierung können zur Gefahrenabwehr bei <strong>Altlasten</strong> folgende<br />

Maßnahmen ergriffen werden:


Rechtliche Regelungen 215<br />

• Erlass von Schutz- und Beschränkungsmaßnahmen (eingeschränkte Nutzung, etc.)<br />

• Umlagerung des kontaminierten Materials, ohne Behandlung (geordnete Deponierung).<br />

6.3 <strong>Altlasten</strong>verdachtsflächen<br />

In der Bundesrepublik waren Ende 1998 ca. 250.000 <strong>Altlasten</strong>verdachtsflächen erfasst<br />

[Schidlowski-Boos, 1999], wobei ca. 100.000 Altablagerungen, ca. 140.000 industrielle Altstandorte<br />

und ca. 10.000 militärische und sonstige Verdachtsflächen registriert waren. Es<br />

wird geschätzt, dass 15 bis 30% dieser Verdachtsflächen saniert werden müssen [Förstner,<br />

1995]. Für diese Sanierungen werden Kosten in Höhe von 100 bis 300 Milliarden DM erwartet<br />

[Förstner, 1995; Jentzsch, 1997]. Als Altstandort kommt praktisch jeder stillgelegte Industriestandort<br />

in Frage wobei sich einige Schwerpunkte nennen lassen, die in Tab. 6-1 zusammengestellt<br />

sind.<br />

Tab. 6-1 <strong>Altlasten</strong>verdächtige Standorte<br />

Chemieindustrie<br />

• Grundstoffproduktion und -verarbeitung<br />

• Kunststoffproduktion und -verarbeitung<br />

• Pharmazeutika<br />

• Farben, Lacke, Lösemittelproduktion und -aufbereitung<br />

• Pflanzenschutzmittel<br />

• Düngemittelproduktion<br />

• chemische Reinigungen<br />

Mineralölverarbeitung etc.<br />

• Raffinerien<br />

• Gaswerke, Kokereien<br />

• Tankstellen, Flugplätze, Tanklager, etc.<br />

Erzverarbeitung<br />

• Metallbergbau<br />

• Schmelzwerke, Metallhütten<br />

• Giessereien<br />

• Härtereien<br />

• Metallverarbeitende Betriebe<br />

Naturstoffbe- und -verarbeitung<br />

• Verarbeitung, Imprägnierung von Holz<br />

• Papiererzeugung<br />

• Lederherstellung und -verarbeitung


216<br />

<strong>Altlasten</strong> / <strong>Bodensanierung</strong><br />

Tab. 6-2 Altstandorte und dort zu erwartende Schadstoffe (verändert nach Jentzsch,<br />

1997)<br />

Altstandort mögliche Kontaminanten<br />

Herstellung von Akkumulatoren, Batterien Schwermetalle, Säuren, Basen, Flouride<br />

Chemische Reinigungen Benzin, Benzol, chlorierte Kohlenwasserstoffe<br />

Herstellung von Düngemitteln Schwermetalle, Fluorsilicate, Säuren, Basen<br />

Eisen- und Stahlerzeugung Schwermetalle, Cyanide, Fluoride, Säuren, Basen, Phenol, MKW 1<br />

Herstellung von Farben und Lacken MKW 1 , Benzol, Toluol, Xylole, PAK 2 , CKW 3 , Kresole, Phenol, Teeröle,<br />

Schwermetalle, Säuren, Basen, Flouride, Cyanide<br />

Flugplätze Benzin, MKW 1 , PCB 4 , Tetrachlorethen, Trichlorethen<br />

Gaswerke, Kokereien MKW 1 , Benzol, Toluol, Xylole, PAK 2 , Kresole, Teeröle, Schwermetalle,<br />

Säuren, Basen, Cyanide, Ammonium<br />

Glasherstellung und -verarbeitung Schwermetalle, Cyanide, Flouride, Benzol<br />

Herstellung anorganischer Grundstoffe und<br />

Chemikalien<br />

Schwermetalle, Cyanide, Flouride, Fluorsilicate, CKW 3 , Säuren,<br />

Basen<br />

Gummi-, Kunststoff-, Asbestverarbeitung Schwermetalle, Cyanide, Flouride, Benzin, Benzol, Toluol, PAK 2 ,<br />

CKW 3 , Phenol, Teeröle, Asbest<br />

Holzbe- und -verarbeitung, Imprägnierung Schwermetalle, Säuren, Basen, Cyanide, Fluoride, Fluorsilicate,<br />

MKW 1 , Benzin, Toluol, Xylole, PAK 2 , CKW 3 , Kresole, Teeröle,<br />

Pflanzenschutzmittel<br />

Kunststoffherstellung Schwermetalle, Säuren, Basen, Cyanide, Fluoride, MKW 1 , Benzol,<br />

Toluol, Phenole, PAK 2 , HKW 5 , Kresole, Pflanzenschutzmittel<br />

Lederherstellung und -verarbeitung Arsen, Chrom, Quecksilber, Flouride, Naphthalin, Pentachlorphenol,<br />

Kresole, Phenol, Tetrachlormethan<br />

Metallgiessereien Schwermetalle, Cyanide, Säuren, Basen<br />

Metallhärtung, Oberflächenveredelung Schwermetalle, Cyanide, Säuren, Basen, Flouride, Benzin, Benzol,<br />

CKW 3 ,<br />

Metallverarbeitung Schwermetalle, Cyanide, MKW 1 , CKW 3 ,<br />

Mineralölverarbeitung, -lagerung MKW 1 , Benzol, Toluol, Xylole, PAK 2 , PCB 4 , Phenole, Pentachlorphenol,<br />

Schwermetalle, Säuren, Basen, polychlorierte Dioxine<br />

und Furane, leichtflüchtige CKW 3<br />

Herstellung von Munition und Explosivstoffen<br />

Schwermetalle, Säuren, Basen, CKW 3 , Dinitrophenol, Dinitrotoluol,<br />

Nitrobenzol, Phenol<br />

NE-Metallerzbergbau Schwermetalle, Cyanide, Säuren, Basen, Phenol, Kresole<br />

NE-Metallhütten Schwermetalle, Cyanide, Säuren, Basen, Flouride<br />

NE-Metallumschmelzwerke Schwermetalle, Cyanide, Säuren, Basen, Fluoride, MKW 1<br />

Herstellung und Verarbeitung von Papier,<br />

Pappe, Textilien<br />

Herstellung von Pflanzenschutzmitteln,<br />

Schädlingsbekämpfungsmitteln, etc.<br />

Schwermetalle, Cyanide, Säuren, Basen, MKW 1 , Benzol, CKW 3<br />

Schwermetalle, Cyanide, Flouride, Fluorsilicate, Säuren, Basen,<br />

CKW 3 , Phenol, Kresole, Teeröle, Pflanzenschutzmittel<br />

Herstellung von Speiseölen und -fetten Benzin, Benzol, Nickel, Säuren, Basen, CKW 3<br />

Schrott- und Autowrackplätze Benzin, MKW 1 , PCB 4 , Tetrachlorethen, Trichlorethen<br />

Tierkörperbeseitigung und -verwertung Ammonium, Benzin, Tetrachlorethen<br />

1: Mineralölkohlenwasserstoffe<br />

2: Polycyclische aromatische Kohlenwasserstoffe<br />

3: Chlorierte Kohlenwasserstoffe<br />

4: Polychlorierte Biphenyle<br />

5: Halogenierte Kohlenwasserstoffe


Erkundung und Bewertung 217<br />

Die in <strong>Altlasten</strong> vorliegenden Kontaminanten stammen aus den Produktions-, Verar-<br />

beitungs- und Transportaktivitäten auf den betroffenen Standorten. Entsprechend der ver-<br />

wendeten Substanzen variiert das Stoffinventar von <strong>Altlasten</strong>, wobei die gleichen Schadstoffe<br />

in unterschiedlichen Altstandorten anzutreffen sind. In Tab 6-2 sind Altstandorte und die<br />

dort zu erwartenden Schadstoffe zusammengestellt.<br />

6.4 Erkundung und Bewertung<br />

Verdachtsflächen<br />

müssen einer Erkundung<br />

unterzogen werden, um so<br />

ihr Umweltgefährdungspotential<br />

bewerten zu können,<br />

bzw. sie als nicht<br />

gefährlich zu identifizieren.<br />

Die Erkundung und<br />

Bewertung von <strong>Altlasten</strong>verdachtsflächen<br />

erfolgt<br />

stufenweise mit zunehmend<br />

aufwendigeren und<br />

teureren Methoden. Wird<br />

eine Verdachtsfläche in<br />

einer Erkundungsstufe als<br />

nicht kontaminiert erkannt,<br />

wird sie aus dem <strong>Altlasten</strong>kataster<br />

gestrichen,<br />

ohne dass teure chemische<br />

Analysen in grossem<br />

Umfang durchgeführt werden<br />

mussten. Damit sollen<br />

Aufwand und Kosten der<br />

<strong>Altlasten</strong>erkundung und -<br />

bewertung minimiert werden.<br />

Der Ablauf einer <strong>Altlasten</strong>bearbeitung<br />

ist in<br />

Abb. 6-1 dargestellt.<br />

6.4.1 Historische Erkundung<br />

Abb. 6-1 Fliessbild der <strong>Altlasten</strong>bearbeitung [Umweltbundesamt,<br />

2002a]<br />

Im Rahmen einer historischen Erkundung werden Anhaltspunkte über Art und Menge<br />

potentiell vorhandener Schadstoffe sowie die geologischen und hydrologischen Verhältnisse


218<br />

<strong>Altlasten</strong> / <strong>Bodensanierung</strong><br />

am Standort zusammengestellt. Dazu werden Angaben aus Werksunterlagen, Bauämtern,<br />

Orts-, Kreis-, Bezirks- und Staatsarchiven herangezogen, es werden ehemalige Betriebsangehörige<br />

befragt sowie Luftbilder und Karten ausgewertet. Aus diesem Datenmaterial sollen<br />

folgende Informationen hervorgehen:<br />

• Lage der Verdachtsfläche,<br />

• mögliche Ausbreitungspfade für Schadstoffe,<br />

• aktueller Besitzer,<br />

• Besitzer zum Zeitpunkt der Verunreinigung (Schadensverantwortlicher),<br />

• Art der Stoffe, mit welchen am Standort umgegangen wurde, bzw. die abgelagert wurden<br />

(damit kann auch ihre Human- und Ökotoxizität sowie ihre Mobilität abgeschätzt werden),<br />

• Menge dieser Stoffe,<br />

• besondere Vorkommnisse, die zu einer Freisetzung von Schadstoffen geführt haben<br />

(können),<br />

• Empfindlichkeit der Umgebung auf den potentiellen Eintrag der Schadstoffe.<br />

6.4.2 Orientierende Untersuchung<br />

Wird durch die Ersterkundung der Verdacht, dass sich auf der Fläche eine Altlast<br />

befindet, nicht entkräftet, werden weitere Untersuchungen durchgeführt. Auf dieser Stufe der<br />

Erkundung werden Boden-, Bodenwasser- und Bodenluftproben gezogen und analysiert.<br />

Damit sollen<br />

• die hydrologischen und geologischen Verhältnisse im Untergrund genauer beschrieben<br />

werden,<br />

• das Stoffinventar genauer identifiziert und lokalisiert werden,<br />

• mögliche Ausbreitungspfade in das Grundwasser oder die Atmosphäre genauer erfasst<br />

werden.<br />

Die Zahl und Größe der Proben ist relativ gering, das Probenahmeraster wird anhand<br />

der Vorinformationen so angelegt, dass besonders kontaminationsverdächtige Stellen bevorzugt<br />

untersucht werden. Je nach Stoffinventar werden auf dieser Stufe Summen- oder Einzelsubstanzparameter<br />

bestimmt. Für die Bewertung des Gefährdungspotentials werden Bodenwerte<br />

(s. Kap. 6.4.4) herangezogen.<br />

Zeigt diese orientierende Untersuchung, dass von der Fläche keine Gefahr ausgeht,<br />

kann sie aus dem <strong>Altlasten</strong>kataster gestrichen werden, sie wird jedoch weiterhin regelmäßigen<br />

Kontrollen unterzogen. Wenn der <strong>Altlasten</strong>verdacht nicht ausgeräumt wird, muss eine<br />

genauere, detaillierte Untersuchung durchgeführt werden, die eine abschließende Beurteilung<br />

des Verdachtes und ggf. eine Sanierungsplanung zulässt. Wird bei der orientierenden<br />

Untersuchung festgestellt, dass von der Fläche eine akute Gefahr ausgeht, besteht sofortiger<br />

Handlungsbedarf und es werden zusätzlich zur detaillierten Untersuchung Sofortmaßnahmen<br />

eingeleitet.<br />

6.4.3 Detaillierte Untersuchung<br />

Mit der detaillierten Untersuchung soll genauer Aufschluss über die Art und Menge<br />

der Kontaminanten, ihre Verteilung und mögliche Ausbreitungswege gewonnen werden. Zu-


Erkundung und Bewertung 219<br />

sätzlich müssen vertiefende Analysen zu den hydrologischen und geologischen Verhältnissen<br />

durchgeführt werden. Diese sind vor allem von Bedeutung für die Festlegung bzw. den<br />

Transport von Schadstoffen im Untergrund und sie beeinflussen die verschiedenen Sanierungsverfahren<br />

in unterschiedlichem Ausmaß. In Tab. 6-3 sind die für die Bewertung einer<br />

<strong>Altlasten</strong>verdachtsfläche die wichtigen Parameter zusammengestellt.<br />

Tab. 6-3 Für die Bewertung einer <strong>Altlasten</strong>verdachtsfläche wichtige Parameter (verändert<br />

nach Jentzsch, 1997)<br />

Bezugssystem Parameter<br />

allgemein Masse des kontaminierten Materials<br />

Boden Bodentyp und -gefüge<br />

Partikelgröße und -größenverteilung<br />

Durchlässigkeit des Bodens<br />

Schadstoffe Art, Konzentration und Menge der Schadstoffe<br />

räumliche Verteilung der Schadstoffe im Boden<br />

integrierte Parameter Schadstoffverteilung in Abhängigkeit von Partikelgröße und -dichte<br />

Schadstoffgehalte in Bodenwasser und Bodenluft<br />

Grundwasser Schadstoffgehalte im Grundwasser<br />

Grundwasserstand und -fließrichtung<br />

Für die abschließende Bewertung des von der Verdachtsfläche ausgehenden Gefährdungspotentials<br />

werden wiederum Bodenwerte (s. Kap. 6.4.4) herangezogen. Ergab die<br />

Untersuchung, dass keine Gefährdung vorliegt, so kann die Fläche endgültig aus dem Verdacht<br />

entlassen werden. Liegt eine akute Gefährdung vor, so werden Sofortmaßnahmen<br />

ergriffen. Wurde ein Gefährdungspotential festgestellt, hängt das weitere Vorgehen vom<br />

Ausmaß des Schadensfalles und den unmittelbaren und potentiellen Auswirkungen auf die<br />

betroffenen Schutzgüter ab. Aufgrund der großen Zahl festgestellter <strong>Altlasten</strong> und der mit<br />

einer Sanierung verbundenen hohen Kosten werden in der Regel Prioritätenlisten aufgestellt,<br />

die nach der Umweltrelevanz der einzelnen <strong>Altlasten</strong> gegliedert sind. Die Reihenfolge der<br />

Sanierung richtet sich dann nach diesen Listen.<br />

Die Ergebnisse der Detailuntersuchung werden benötigt, um die in Frage kommenden<br />

Sanierungsverfahren zu selektieren und eines davon auszuwählen. Sie stellen auch die<br />

Grundlage für die Sanierungsplanung dar.<br />

6.4.4 Bodenwerte und Sanierungsziele<br />

Die Beurteilung des Gefährdungspotentials, das von einer Altlast ausgeht erfolgt anhand<br />

von Bodenwerten. Dabei wird von “Referenzwerten“, “Prüfwerten“ und “Maßnahmewerten“<br />

gesprochen.<br />

• Die Referenzwerte (oder Hintergrundwerte) stellen die durchschnittliche Hintergrundbelastung<br />

eines nicht anthropogen beeinflussten Bodens mit den untersuchten Schadstoffen


220<br />

<strong>Altlasten</strong> / <strong>Bodensanierung</strong><br />

dar. Die (standortübliche) Multifunktionalität des Bodens ist bei Einhaltung der Referenzwerte<br />

gewährleistet.<br />

• Prüfwerte (oder Toleranzwerte) sollen sicherstellen, dass bei der tatsächlichen oder geplanten<br />

Nutzung keine Beeinträchtigung von Schutzgütern zu erwarten ist. Bei Überschreitungen<br />

von Prüfwerten müssen Nutzungsbeschränkungen oder technische Maßnahmen<br />

eingeleitet werden, um die Gefahren für betroffene Schutzgüter zu verhindern.<br />

Die Prüfwerte werden regelmäßig als Sanierungszielwerte festgelegt.<br />

• Wenn Maßnahmenwerte (oder Eingreif-, Interventionswerte) überschritten werden, ist<br />

eine Bodenkontamination mit (entsprechend hohem) Gefährdungspotential vorhanden<br />

und es müssen Sanierungsmaßnahmen eingeleitet werden [Lühr, et al., 1996].<br />

Die Prüf- und Maßnahmenwerte werden von Landes- bzw. Bundesbehörden festgelegt.<br />

Sie richten sich nach der vorgesehenen Nutzung und den betroffenen Schutzgütern. Als<br />

besonders schutzwürdig werden die menschliche Gesundheit und das Grundwasser angesehen.<br />

Tiere, Pflanzen, Bodenorganismen, Bodenqualität oder die natürliche Umwelt werden<br />

weniger oft berücksichtigt [Jentzsch, 1997]. Die Nutzungsbezogenheit von Bodenwerten ergibt<br />

sich daraus, dass für unterschiedliche (vorgesehene) Nutzungen einer Fläche für den<br />

gleichen Schadstoff unterschiedliche Bodenwerte festgelegt werden. In Tab. 6-4 sind die<br />

verschiedenen Nutzungsarten zusammengestellt, die bei der Festlegung von Bodenwerten<br />

spezifisch berücksichtigt werden.<br />

Als Beispiel für Prüf- und Maßnahmenwerte sind entsprechende Werte der LAWA<br />

(Länderarbeitsgemeinschaft Wasser) für einige anorganische und organische Schadstoffe in<br />

Grundwasser in Tab. 6-5 angegeben.<br />

Tab. 6-4 Flächennutzungsarten, für die spezifische Bodenwerte festgelegt sind<br />

• Kinderspielplätze<br />

• Wohngebiete, Haus- und Kleingärten mit Nutzpflanzenanbau<br />

• Sportplätze<br />

• Park- und Freizeitanlagen<br />

• Industrie- und Gewerbeflächen<br />

• landwirtschaftliche Nutzflächen<br />

• nicht agrarisch genutzte Flächen (Wald und Forstgebiete, Ödland)<br />

• Grundwasserschutzgebiete<br />

• Naturschutzgebiete


Erkundung und Bewertung 221<br />

Tab. 6-5 Prüf- und Maßnahmenschwellenwerte für einige Leitparameter der Untersuchung<br />

von Grundwasser [LAWA, 1994]<br />

Parameter Einheit Prüfwert Maßnahmenwert<br />

Antimon (Sb) µg/l 2 - 10 20 - 60<br />

Arsen (As) µg/l 2 - 10 20 - 60<br />

Barium (Ba) µg/l 100 - 200 400 - 600<br />

Blei (Pb) µg/l 10 - 40 80 - 200<br />

Cadmium (Cd) µg/l 1 - 5 10 - 20<br />

Chrom, gesamt (Cr) µg/l 10 - 50 100 - 250<br />

Chrom VI (Cr) µg/l 5 - 20 30 - 40<br />

Kobalt (Co) µg/l 20 - 50 100 - 250<br />

Kupfer (Cu) µg/l 20 - 50 100 - 250<br />

Molybdän (Mo) µg/l 20 - 50 100 - 250<br />

Nickel (Ni) µg/l 15 - 50 100 - 250<br />

Quecksilber (Hg) µg/l 0,5 - 1 2 - 5<br />

Selen (Se) µg/l 5 - 10 20 - 60<br />

Zink (Zn) µg/l 100 - 300 500 - 2000<br />

Zinn (Sn) µg/l 10 - 40 80 - 200<br />

Cyanid, gesamt (CN - ) µg/l 30 - 50 100 - 250<br />

Cyanid, frei (CN - ) µg/l 5 - 10 20 - 50<br />

Fluorid (F - ) µg/l 500 - 1500 2000 - 3000<br />

PAK, gesamt 1 ) µg/l 0,1 - 0,2 0,4 - 2<br />

- Naphthalin als Einzelstoff µg/l 1 - 2 4 - 10<br />

LHKW, gesamt 2 ) µg/l 2 - 10 20 - 50<br />

- S LHKW, karzinogen 3 ) µg/l 1 - 3 5 - 15<br />

PBSM, gesamt 4 ) µg/l 0,1 - 0,5 1 - 3<br />

PCB, gesamt 5 ) µg/l 0,1 - 0,5 1 - 3<br />

Kohlenwasserstoffe 6 ) µg/l 100 - 200 400 - 1000<br />

(außer Aromaten)<br />

BTX-Aromaten, gesamt 7 ) µg/l 10 - 30 50 - 120<br />

- Benzol als Einzelstoff µg/l 1 - 3 5 - 10<br />

Phenole, wasserdampfflüchtig µg/l 10 - 20 30 - 100<br />

Chlorphenole, gesamt 8 ) µg/l 0,5 - 1 2 - 5<br />

Chlorbenzole, gesamt 8 ) µg/l 0,5 - 1 2 - 5<br />

1) PAK, gesamt: Summe der polycyclischen aromatischen Kohlenwasserstoffe, in der Regel Summe<br />

von 16 Einzelsubstanzen nach der Liste der US Environmental Protection Agency (EPA) ohne<br />

Naphthalin; ggf. unter Berücksichtigung weiterer relevanter Einzelstoffe (z. B. Methylnaphthalin)<br />

2) LHKW, gesamt: Leichtflüchtige Halogenkohlenwasserstoffe, d. h. Summe der halogenierten C1-<br />

und C2-Kohlenwasserstoffe<br />

3) S LHKW, karzinogen: besondere Festlegung für die Summe der erwiesenermaßen karzinogenen<br />

LHKW Tetrachlormethan (CCl4), Chlorethen (Vinylchlorid, C2H3Cl) und 1,2-Dichlorethan<br />

4) PBSM, gesamt: Organisch-chemische Stoffe zur Pflanzenbehandlung und Schädlingsbekämpfung<br />

einschliesslich ihrer toxischen Hauptabbauprodukte<br />

5) PCB, gesamt: Summe der polychlorierten Biphenyle; in der Regel 6 Kongenere nach Ballschmitter<br />

(bzw. Altöl-VO), ggf. unter Berücksichtigung weiterer relevanter Einzelstoffe<br />

6) Bestimmung mittels IR-Spektroskopie nach DIN 38409-H18<br />

7) BTX-Aromaten, gesamt: Leichtflüchtige aromatische Kohlenwasserstoffe (Benzol, Toluol, Xylole,<br />

Ethylbenzol, Styrol, Cumol etc.); besondere Festlegung für Benzol<br />

8) Wenn ein PBSM (z. B. PCP, HCB) oder ein Abbauprodukt eines PBSM vorliegt, dann gelten die o.<br />

a. Prüf- bzw. Sanierungsschwellenwerte für PBSM


222<br />

<strong>Altlasten</strong> / <strong>Bodensanierung</strong><br />

Die Bodenwerte sind zum Teil toxikologisch begründet (Kinderspielplätze, Nutzgärten),<br />

zum Teil ist eine solche Ableitung jedoch nicht möglich und die Werte werden ohne eine<br />

entsprechende Begründung festgelegt [Jentzsch, 1997]. In Tab. 6-6 sind Beispiele für nutzungsbezogene<br />

Prüfwerte der <strong>Altlasten</strong>verordnung [BBodSchV, 1999] zusammengestellt.<br />

Tab. 6-6 Nutzungsbezogene Prüfwerte für Schadstoffe in Böden, Schutzgut Mensch, direkter<br />

Kontakt. Angaben in mg/kg TS [BBodSchV, 1999].<br />

Nutzungsart As Cd Cr Hg Ni Pb Aldrin Benzo-<br />

(a)pyren<br />

Kinderspielplätze<br />

25 10 1)<br />

Wohngebiete 50 20 1)<br />

Park- und<br />

Freizeitanlagen<br />

Industrie- und<br />

Gewerbe-<br />

grundstücke<br />

PCB 2) Hexachlorbenzol<br />

200 10 70 200 2 2 0,4 4<br />

400 20 40 400 4 4 0,8 8<br />

125 50 1000 50 350 1000 10 10 2 20<br />

140 60 1000 80 900 2000 - 12 40 200<br />

1) In Haus- und Kleingärten, die sowohl als Aufenthaltsbereiche für Kinder als<br />

auch für den Anbau von Nahrungspflanzen genutzt werden, ist für Cadmium der<br />

Wert von 2,0 mg/kg TM als Prüfwert anzuwenden.<br />

2) Soweit PCB-Gehalte bestimmt werden, sind die ermittelten Meßwerte durch den<br />

Faktor 5 zu dividieren.<br />

6.5 Sanierungsplanung<br />

Wenn die Ergebnisse der detaillierten Untersuchung vorliegen und die Altlast hinsichtlich<br />

ihres Gefährdungspotentials bewertet ist, muss das weitere Vorgehen geplant werden.<br />

Es muss entschieden werden, ob eine sofortige Sanierung oder Umlagerung des kontaminierten<br />

Materials erfolgt oder ob Nutzungsbeschränkungen ausgesprochen werden, mit<br />

denen lediglich die Gefährdung von Menschen verringert werden kann. Langfristige Überwachungsmaßnahmen<br />

und sind in der Regel nur Zwischenlösungen für den Zeitraum bis eine<br />

Sanierung erfolgt. Ein Ausräumen (“Auskoffern“) des kontaminierten Bodens mit anschließender<br />

Ablagerung in einer gesicherten Abfalldeponie stellt keine Sanierungsmaßnahme<br />

dar. Diese Vorgehensweise wird jedoch in vielen Fällen aus Kostengründen gewählt und ist<br />

bei der Wahl der weiteren Vorgehensweise mit zu berücksichtigen. In Abb.6-2 sind die möglichen<br />

Schutz- und Nachsorgemaßnahmen für kontaminierte Böden zusammengestellt.<br />

Aus den zur Verfügung stehenden Sanierungsverfahren werden die prinzipiell geeigneten<br />

Methoden ausgewählt. Für diese Verfahren wird im Rahmen einer Machbarkeitsstudie<br />

ein Vergleich angefertigt, der technische Durchführbarkeit, Kosten, Genehmigungsfähigkeit,<br />

Sanierungsdauer, Sicherheit und öffentliche Akzeptanz berücksichtigt. Aufgrund dieser Studie<br />

wird ein Verfahren oder eine Verfahrenskombination für die Sanierung endgültig ausgewählt


Sicherung 223<br />

Abb. 6-2 Schutz- und Nachsorgemaßnahmen für kontaminierte Böden [Jentzsch, 1997]<br />

6.6 Sicherung<br />

Mit Sicherungsverfahren werden die Ausbreitungspfade für die Schadstoffe unterbrochen.<br />

Die Kontaminanten werden dabei nicht beseitigt und es muss langfristig eine ständige<br />

Überwachung der Sicherungsmaßnahmen erfolgen. Zu den Sicherungsverfahren werden die<br />

Immobilisierung der Schadstoffe, die Einkapselung des kontaminierten Bereichs, sowie passive<br />

hydraulische und pneumatische Maßnahmen. Die reine Umlagerung des belasteten<br />

Materials auf eine geordnete Deponie kann - mit Einschränkungen - ebenfalls als Sicherung<br />

bezeichnet werden.<br />

6.6.1 Immobilisierung<br />

Immobilisierungsverfahren werden eingesetzt, um die Auslaugung von schadstoffhaltigen<br />

Feststoffen oder Schlämmen zu verhindern. Sie erleichtern gleichzeitig die Handhabung<br />

der kontaminierten Materialien und verhindern eine Staubemission.<br />

Verfahren zur Immobilisierung existieren für anorganische und organische Kontaminanten.<br />

Sie sind grundsätzlich auch für hochbelastete Böden oder Abfälle geeignet. Bei der


224<br />

<strong>Altlasten</strong> / <strong>Bodensanierung</strong><br />

Immobilisierung findet eine Einbindung der Schadstoffe in eine feste Matrix statt. Die bestimmenden<br />

Prozesse können Fällung, Adsorption, physikalischer Einschluss oder Verfestigung<br />

sein. Das entstehende Produkt darf weder mit Wasser reagieren, noch durch wässrige<br />

Lösungen auslaugbar sein. Es muss mechanisch, chemisch und biologisch über lange Zeiträume<br />

(mehrere Jahrzehnte) beständig sein.<br />

Schwermetalle können durch Erhöhung des pH-Werts, Zugabe von Fällmitteln (Sulfide,<br />

Phosphate, Carbonate) in schwerlösliche Hydroxide bzw. Salze überführt werden. Chromate<br />

können mit Fe(II)-Sulfat zu weit weniger toxischen, schwerlöslichen Chrom(III)-<br />

Verbindungen umgesetzt werden.<br />

Freisetzbare Cyanide werden durch Zugabe von Fe(II)-Sulfat in lösliches Hexacyanoferrat<br />

überführt, das anschließend mit Fe(III)-Salzen als schwerlösliches “Berliner Blau“ gefällt<br />

wird.<br />

Organische Flüssigkeiten, wie z.B. Sickeröle aus Altdeponien, können durch die Zugabe<br />

von reaktiven anorganischen Feststoffen in disperse, pulverförmige Zubereitungen überführt<br />

werden. Technisch wird für diesen Zweck v.a. Calciumoxid eingesetzt. Es reagiert in<br />

wässrigen Lösungen zu Calciumhydroxid und bildet mit CO2 schwer lösliches Calciumcarbonat,<br />

das dann ausfällt. Bei wasserhaltigen organischen Phasen muss das Calciumoxid<br />

vor der Umsetzung “hydrophobiert” werden, um so sicherzustellen, dass nur die organische<br />

Phase aufgenommen wird. Bei der Behandlung ist durch die alkalische Reaktion des CaO<br />

intermediär eine pH-Wertanhebung festzustellen. Bei der Reaktion mit CO2 erfolgt jedoch<br />

eine Neutralisation. Da die Hydratation des Calciumoxids exotherm verläuft und teilweise<br />

Temperaturen über 100°C erreicht werden, muss auf die Anwesenheit niedrig siedender oder<br />

wasserdampfflüchtiger Verbindungen geachtet und die Verfestigung ggf. in einer geschlossenen<br />

Anlage durchgeführt werden. Die Reaktionen bei diesem Behandlungsverfahren<br />

sind in Abb. 6-3 schematisch dargestellt.<br />

In der Regel werden Immobilisierungsverfahren on site angewandt [Jentzsch, 1997]<br />

und das behandelte Material direkt wieder eingebaut oder sicher deponiert. Beim Widereinbau<br />

kann eine Basisabdichtung mit Drainagesystem eingebaut werden, um so die vertikale<br />

Ausbreitung der Schadstoffe zusätzlich zu unterbinden.<br />

In geringem Maße werden auch in situ-Immobilisierungsverfahren eingesetzt<br />

[Jentzsch, 1997]. Dabei muss zwischen dem Einpflügen in oberflächennahe und der Injektion<br />

in tiefe Bodenschichten unterschieden werden. Bei lediglich oberflächlicher Kontamination<br />

des Bodens kann das belastete Material ausgebreitet und anschließend das Immobilisierungsmittel<br />

eingestreut werden. Als Reagenzien werden Adsorptionsmittel, Fällungsmittel<br />

und Ionenaustauscher eingesetzt [Jentzsch, 1997].


Sicherung 225<br />

Abb. 6-3 Schematische Darstellung der Wirkung des Verfahrens zur chemischen Dispergierung<br />

von Stoffen und Stoffgemischen.<br />

I: CaO (kugelförmige Agglomerate) reagiert mit Wasser (Tropfen) unter Oberflächenvergrösserung<br />

zu Ca(OH)2.<br />

II: Wird CaO zuerst mit flüssigem Schadstoff beladen (schwarzer Tropfen) und<br />

danach mit Wasser behandelt, wird der Schadstoff homogen dispergiert.<br />

III: unbehandeltes CaO reagiert bevorzugt mit Wasser, wenn ein Gemisch aus<br />

Schadstoff und Wasser vorliegt, wird die organische Phase nicht dispergiert.<br />

IV: Hydophobiertes CaO nimmt unter denselben Bedingungen zuerst den Schadstoff<br />

auf und reagiert dann mit Wasser zur feindispersen Feststoffzubereitung.<br />

[Bösing, 1993].<br />

Injektionsverfahren werden für die nachträgliche Sicherung von Altablagerungen eingesetzt<br />

[Jentzsch, 1997]. Dabei werden - in einem vorher ausgearbeiteten Raster - Bohrungen<br />

niedergebracht und das Bindemittel in die Porenräume eingepresst. Es erfolgt so ein<br />

physikalischer Einschluss der Schadstoffe und die Wasserdurchlässigkeit des verfestigten<br />

kontaminierten Bodenbereichs wird stark eingeschränkt. Das Bindemittel muss entsprechend<br />

der Bodeneigenschaften gewählt werden. Zur Anwendung kommen Zement-<br />

Abb. 6-4 Anwendungsbereiche für Bindemittel, die bei der in situ-Injektion eingesetzt werden<br />

[Jentzsch, 1997]


226<br />

<strong>Altlasten</strong> / <strong>Bodensanierung</strong><br />

und Tonsuspensionen, Wasserglas und Kunststofflösungen. Die Einsatzbereiche der verschiedenen<br />

Bindemittel sind in Abb. 6-4 dargestellt.<br />

Ein spezielles Injektionsverfahren für stark bindige kontaminierte Feststoffe stellt das<br />

“Soilcrete-Verfahren” dar. Dabei wird eine Bohrung niedergebracht und der Boden anschliessend<br />

durch einen rotierenden Hochdruckwasserstrahl im Bereich der Bohrung von<br />

unten nach oben gelockert. Parallel zur Auflockerung wird das Bindemittel zugegeben mit<br />

dem die suspendierten Partikel intensiv durchmischt werden. Dieses Verfahren ist in Abb. 6-<br />

5 schematisch dargestellt.<br />

Abb. 6-5 In situ-Immobilisierung nach dem Soilcrete-Verfahren [Jentzsch, 1997]<br />

6.6.2 Einkapselung<br />

Durch die Einkapselung eines kontaminierten Bereichs wird der Stoffaustausch mit<br />

der unbelasteten Umgebung verhindert. Die Schadstoffe können weder in das Grundwasser<br />

noch in die Luft entweichen und gleichzeitig können keine Niederschlagswässer eindringen.<br />

Für die Einkapselung sind eine Oberflächenabdichtung und vertikale Dichtwände erforderlich.<br />

Als Basisabdichtung kann eine wasserundurchlässige Bodenschicht (Grundwasserstauer)<br />

oder eine künstliche Dichtungssohle dienen. Innerhalb des eingekapselten Bereichs<br />

wird das Grundwasser abgesaugt, was eine zusätzliche Sicherheit gegen den unkontrollierten<br />

Austritt von belastetem Grundwasser gibt. Das abgesaugte Wasser in der Regel gereinigt<br />

und in einen Vorfluter entlassen. Die vertikalen Dichtungswände können ein- oder mehrschalig<br />

ausgeführt werden. Die Einkapselung einer Bodenkontamination ist in Abb. 6-6<br />

schematisch dargestellt.<br />

Die Dichtungssysteme müssen unter den herrschenden Bedingungen chemisch und<br />

mechanisch beständig sein und den Stofftransport sicher verhindern. Als Transportmechanismen<br />

können Diffusion (durch Konzentrationsgradienten verursacht) und Konvektion<br />

(durch Druckgefälle verursacht) auftreten. Zwischen dem Dichtungsmaterial und den<br />

(Schad)stoffen können auch sorptive Wechselwirkungen stattfinden.


Sicherung 227<br />

Abb. 6-6 Einkapselung mit natürlicher (a) oder künstlicher (b) Dichtungssohle [Müller-<br />

Kirchenbauer et al., 1993]<br />

6.6.2.1 Oberflächenabdichtung<br />

Die Oberflächenabdich-<br />

tung soll den Eintritt von Niederschlags-<br />

und Oberflächenwasser<br />

in den kontaminierten Boden,<br />

sowie den Austritt von schadstoffhaltigen<br />

Gasen verhindern.<br />

Entsprechend diesen Anforderungen<br />

sind Oberflächenabdichtungen<br />

aufgebaut: Über dem<br />

kontaminierten Bereich wird eine<br />

Ausgleichsschicht aus Sand oder<br />

Feinkies aufgebracht, in die eine<br />

Gasdrainage integriert ist. Darüber<br />

liegt die eigentliche Dichtung.<br />

Sie besteht aus einer mindestens<br />

zweilagigen Schicht verdichteten<br />

Tons oder Schluffs und<br />

ggf. aus einer zusätzlichen<br />

Kunststoffolie (HDPE). Oberhalb<br />

dieses Dichtungssystems befindet<br />

sich eine Drainage zur Ableitung<br />

von Wässern, die wiederum<br />

Abb. 6-7 Schematischer Aufbau einer Oberflächenabdichtung<br />

[Jentzsch, 1997]


228<br />

<strong>Altlasten</strong> / <strong>Bodensanierung</strong><br />

von (bewachsenem) Mutterboden bedeckt ist. Der Mutterboden dient als Schutz der Dichtung<br />

vor mechanischen oder frostbedingten Schäden und als Aufwuchssubstrat für Pflanzen.<br />

Die Begrünung der Fläche erfolgt aus ästhetischen Gründen. Die ganze Abdeckung wird -<br />

wenn möglich - mit einem Gefälle von 3 bis 5% angelegt, um so den oberflächlichen Abfluss<br />

von Wasser zu unterstützen. Der Aufbau einer solchen Oberflächenabdichtung entspricht<br />

damit weitgehend dem Aufbau entsprechender Dichtungssysteme für Deponien (s. Kap.<br />

7.7.2). Er ist in Abb. 6-7 schematisch dargestellt.<br />

6.6.2.2 Vertikale Abdichtung<br />

Als wesentliche Anforderungen, denen eine Dichtungswand genügen muss, sind zu<br />

nennen:<br />

• Dichtigkeit<br />

• lange Lebensdauer, auch bei Einwirkung aggressiver Chemikalien<br />

• Unempfindlichkeit gegenüber Herstellungsmängeln<br />

• Kontrollierbarkeit der Überlappungen einzelner Elemente im Fugenbereich<br />

• Eignung auch für inhomogenen Untergrund<br />

• ausreichende Dichtigkeit der Einbindung in die Basisschicht<br />

In Tab. 6-7 sind die vertikalen Dichtungstechniken mit den verwendeten Materialien, Wandstärken<br />

und (bisher) erreichbaren Tiefen zusammengestellt.<br />

Tab. 6-7 Derzeit verfügbare vertikale Dichtungstechniken (verändert nach Lühr et. al.,<br />

1996)<br />

Verfahren Baustoffe Wanddicke<br />

(cm)<br />

maximale<br />

Tiefe<br />

(m)<br />

Kosten bei einschaligerAusführung<br />

(DM/m 2 )<br />

Spundwände Stahl 1 -2 15 - 20 200 - 300<br />

Bohrpfahlwände Beton, Dichtwandsuspensionen<br />

Schmalwände Dichtwandsuspensionen<br />

Schlitzwände, Zweimassensystem<br />

Schlitzwände, Einmassensystem<br />

Gerammte Schlitzwand<br />

Beton, Dichtwandsuspensionen <br />

Dichtwandsuspensionen<br />

Injektionsdichtungen Stabilisierte HOZ-<br />

Suspensionen, Dichtinjektionsmassen,<br />

chem.<br />

Lösungen<br />

Jet-Grouting-Verfahren Dichtwandsuspensionen <br />

Kombinationsdichtungen<br />

mit Folie<br />

60 - 150 25 - 30 400 - 450<br />

5 - 20 15 - 20 80 - 110<br />

40 - 150 > 50 400 - 600<br />

40 - 150 20 - 30 200 - 300<br />

Beton, Erdbeton 40 8 - 10 200 - 300<br />

Dichtwandsuspensionen<br />

kombiniert mit<br />

HDPE-Folien<br />

100 bis beliebig > 100 350 - 450<br />

100 bis beliebig 20 - 30 450 - 600<br />

Folie: 0,2<br />

Dichtwand:<br />

50 -100<br />

20 - 25 250 - 350


Sicherung 229<br />

Stahlspundwände bestehen aus einzelnen Formblechen, den sog. Spundbohlen, die<br />

mit Verbindungsgliedern miteinander verbunden werden. Sie werden einzeln oder in Gruppen<br />

in den Boden eingerammt. Die Verbindungsstellen sind nicht vollständig wasserdicht, so<br />

dass diese Dichtwände nur zur Sicherung relativ ungefährlicher <strong>Altlasten</strong> oder als zeitlich<br />

begrenzte Sofortmaßnahme eingesetzt werden sollten.<br />

Bohrpfahlwände bestehen ebenfalls aus einzelnen, vertikal angeordneten Elementen,<br />

die sich gegenseitig überlappen. Die Dichtungselemente werden am Ort der Anwendung<br />

hergestellt. Üblicherweise wird im ersten Arbeitsgang jeder zweite Pfahl (Primärpfähle) gesetzt,<br />

um so Abweichung von der Vertikale zu minimieren. Im zweiten Arbeitsgang werden<br />

die dazwischen liegenden Pfähle überlappend eingebracht. Dieser Arbeitsgang erfolgt, bevor<br />

die Primärpfähle ausgehärtet sind, die dabei teilweise aufgebohrt werden. Die große Zahl an<br />

Verbindungsstellen begünstigt das Auftreten von undichten Fehlstellen.<br />

Zur Errichtung von Schmalwänden werden so genannte Vortriebskörper in den Boden<br />

eingerammt, -gespült oder -vibriert. Diese sind mit Düsen versehen. Beim Herausziehen<br />

der Vortriebskörper wird eine Dichtungssuspension in den entstehenden Hohlraum gedrückt.<br />

Das Dichtungsmaterial ist in der Regel eine Suspension aus Bentonit, Zement, Wasser und<br />

eventuell Füllstoffen (Gesteinsmehl, Flugasche). Durch Überlappung der einzelnen Lamellen<br />

kann eine kontinuierliche Dichtungswand aufgebaut werden. Durchlässigkeitskoeffizienten<br />

gegenüber Wasser von 10 -8 bis 10 -7 m/s sind erreichbar. Bei nicht zu gesteinsreichen oder<br />

schwer zu durchdringenden Untergründen stellt dieses Verfahren eine wirtschaftlich günstige,<br />

an unterschiedliche Bodenverhältnisse anpassungsfähige Dichtungsmethode dar<br />

[Jentzsch, 1997]. In Abb. 6-8 sind Stahlspundwand, Bohrpfahlwand und Schmalwand schematisch<br />

dargestellt.<br />

a) Stahlspundwand aus einzelnen Spundbohlen<br />

b) Herstellung einer Bohrpfahlwand<br />

c) Dichtungsschmalwand<br />

Abb. 6-8 Schemata von a) Stahlspund-, b) Bohrpfahl- und c) Schmaldichtungswand (verändert<br />

nach Jentzsch, 1997)


230<br />

<strong>Altlasten</strong> / <strong>Bodensanierung</strong><br />

Bei der Herstellung von Schlitzwänden wird zwischen dem Einmassenverfahren und<br />

dem Zweimassenverfahren unterschieden. In beiden Fällen wird ein Graben ausgehoben.<br />

Dieser ist während der Aushubphase zur Stützung der seitlichen Erdwände mit einer Suspension<br />

gefüllt. Schlitzwände werden bevorzugt zur Umschließung von <strong>Altlasten</strong> eingesetzt,<br />

da sie Vorteile hinsichtlich der fehlerfreien Herstellung bieten.<br />

Abb. 6-9 Schlitzwandherstellung im Einmassenverfahren [Jentzsch, 1997]<br />

Beim Einmassenverfahren werden - wie bei den Bohrpfahlwänden - im ersten Arbeitsgang<br />

Primärlamellen ausgehoben. Wenn die Dichtungsmasse in den Primärlamellen<br />

erstarrt ist, werden die Sekundärlamellen überlappend hergestellt. Das Verfahren ist in Abb.<br />

6-9 dargestellt. Es bietet die Vorteile, dass die ursprüngliche Stützsuspension als Dichtmasse<br />

im Graben verbleibt, dass eine gute Verzahnung der einzelnen Lamellen erfolgt und dass<br />

es vergleichsweise billig ist [Jentzsch, 1997].<br />

Beim Zweimassenverfahren wird eine Bentonitsuspension zur Stützung des Schlitzes<br />

eingebracht. Wenn die Endtiefe erreicht ist, wird die Dichtmasse eingedrückt, die ver-<br />

Abb. 6-10 Herstellung einer Dichtwand im Zweimassenverfahren [Jentzsch, 1997]


Sicherung 231<br />

drängte Stützsuspension abgesaugt und für den Neueinsatz regeneriert. Die Vorteile diese<br />

Verfahrens sind: Eine Dichtmasse mit hohem spezifischen Gewicht (hoher Mineralanteil), die<br />

auf das anstehende Sickerwasser abgestimmt werden kann. Eine Rücksichtnahme auf<br />

Fliesseigenschaften, die für den Aushub notwendig sind ist nicht erforderlich. Allerdings können<br />

bei nicht sachgemäßer Herstellung Reste der Bentonitsuspension im Schlitz verbleiben,<br />

die dann zu Imperfektionen mit erhöhter Durchlässigkeit führen. In Abb. 6-10 ist die Herstellung<br />

einer Dichtwand im Zweimassenverfahren dargestellt.<br />

Kombinationsdichtwände bestehen aus einer Schlitzwand, die im Einmassenverfahren<br />

hergestellt wurde und in die Kunststofffolien integriert wurden. Diese Folien werden,<br />

ähnlich wie Stahlspundwände, mittels “Schlössern” miteinander verbunden. Doppellagige<br />

Kunststoffbahnen mit dazwischen liegenden Dränkörpern erlauben die abschnittsweise Kontrolle<br />

der Dichtwand [Jentzsch, 1997].<br />

Als Dichtungsmassen werden für Einmassenverfahren bevorzugt Natriumbentonit-<br />

Zement-Mischungen eingesetzt. Die Feststoffgehalte der resultierenden Wand liegen bei bis<br />

zu 500 kg/m 3 , ihr Wasseranteil bei ca. 90 Vol.-%. Die Wasserdurchlässigkeitskoeffizienten<br />

liegen (ohne Schadstoffeinwirkung) bei ca. 10 -9 m/s. Für Zweimassenverfahren werden feststoffreichere<br />

Mischungen aus Bentonit, Tonmehl, Zement, Gesteinsmehl und Zuschlägen<br />

aus Sand und anderen Mineralstoffen verwendet. Es werden Durchlässigkeitskoeffizienten<br />

von 10 -11 bis 10 -12 m/s erreicht [Jentzsch, 1997].<br />

6.6.2.3 Basisabdichtung<br />

Wenn die vertikalen Abdichtungen einer Einkapselung nicht in eine Grundwasser<br />

sperrende Schicht münden, muss eine nachträgliche Basisabdichtung errichtet werden. Hierfür<br />

stehen Injektionsverfahren zur Verfügung, die obertägig vom Erdboden aus durchgeführt<br />

werden. Methoden, die bergmännische Untertagearbeiten erfordern, bestehen aus Kombinationen<br />

von Bohr-, Tunnelbau- und Injektionstechniken. Diese Verfahren sind für einige <strong>Altlasten</strong>fälle<br />

in Diskussion, wurden aber bisher nicht im kontaminierten Bereich durchgeführt [Müller-Kirchenbauer,<br />

1996].<br />

Das Prinzip zur Herstellung einer Injektionssohle ist in Abb. 6-11 dargestellt. Im abzudichtenden<br />

Bereich werden Bohrungen niedergebracht, durch welche die Dichtmasse eingepresst<br />

wird. Der Abstand der Bohrungen wird durch die Reichweite der Injektionen bestimmt,<br />

sie liegen in der Regel bei ca. 1,2 bis 1,5 m. Es wird zwischen Poren- und Kluftinjektion<br />

bzw. dem Jet-Grouting-Verfahren unterschieden. Bei den Poren- und Kluftinjektionen<br />

werden die natürlichen Hohlräume im Untergrund mit fließfähigen Massen unter Druck gefüllt.<br />

Nach Erstarren der Dichtmasse ergibt sich eine Abdichtung oder Verfestigung (oderbeides)<br />

des Bodens. Als Injektionsmassen werden verwendet:<br />

• Anorganische Suspensionen: Mischungen aus Wasser, Zement, Ton und ggf. Zuschlägen<br />

und Additiven,<br />

• chemische Lösungen: Meist Silikate, die durch ein Reagens ausgefällt werden und im<br />

Untergrund ein Gel bilden,


232<br />

<strong>Altlasten</strong> / <strong>Bodensanierung</strong><br />

• Pasten und Mörtel: Anorganische Suspensionen mit erhöhtem Feststoffanteil,<br />

• Kunststoffinjektionen: In Entwicklung befindlich [Müller-Kirchenbauer, 1996].<br />

Die Wahl des einzusetzenden Injektionsmittel ist von den Bodenverhältnissen abhängig, Die<br />

Anwendungsbereiche sind die gleichen, wie sie für in situ-Immobilisierungen gelten (s. Abb.<br />

6-4), die mit denselben Stoffen durchgeführt werden.<br />

Abb. 6-11 Schematische Darstellung einer Sohleabdichtung nach dem Injektionsverfahren<br />

[Müller-Kirchenbauer, 1996]<br />

Beim Jet-Grouting-Verfahren wird in die Bohrungen ein rotierendes Rohrgestänge<br />

eingebracht, das am unteren Ende nach oben gerichtete Düsen trägt. Aus diesen Düsen tritt<br />

ein Hochdrucksuspensionsstrahl aus (600 - 3200 bar), der das Lockergestein löst und mit<br />

dem Suspensionsstrom nach oben fördert. In den entstandenen Hohlraum wird anschließend<br />

eine abbindende Suspension eingebracht.<br />

Sohleabdichtungen können durch zusätzliche Maßnahmen, wie z.B. Absaugen von<br />

Grundwasser in ihrer Sicherungswirkung unterstützt werden.<br />

6.6.3 Hydraulische und pneumatische Sicherungsmaßnahmen<br />

Hydraulische Sanierungsmaßnahmen werden durchgeführt, um (situationsabhängig)<br />

eines oder mehrere der folgenden Ziele zu erreichen:<br />

• Vermeidung einer Grundwasserverunreinigung,<br />

• Minimierung oder Verhinderung der Schadstoffausbreitung bei gegebener Grundwasserverunreinigung,<br />

• Verhinderung von Gefährdungen von Objekten im Grundwasserbereich,<br />

• Wiederherstellung einer akzeptablen Grundwassergüte (Dekontamination).<br />

Hydraulische Sicherungsmaßnahmen kommen vor allem dann in Betracht, wenn die<br />

Schadstoffe im Untergrund diffus verteilt vorliegen und somit keine Zuordnung zu einer


Sicherung 233<br />

Schadstoffquelle gemacht werden kann oder als Sofortmaßnahme, um im Zeitraum bis eine<br />

Dekontamination erfolgt, die Ausbreitung der Schadstoffe zu verhindern.<br />

6.6.3.1 Abpumpen von Schadstoffen als flüssige Phase<br />

Liegen flüssige (organische) Schadstoffe in der gesättigten Zone des Untergrunds als<br />

eigene Phase vor, so können sie über Brunnen abgepumpt werden. Diese Brunnen sind im<br />

Zentrum der Kontamination zu<br />

setzen und so zu betreiben, dass<br />

der gesamte Bereich der Schadstoffphase<br />

von der Strömung<br />

erfasst wird. Es müssen zwei<br />

Fälle unterschieden werden:<br />

• die organische Phase ist spezifisch<br />

leichter als Wasser (in<br />

der Praxis sind dies vorwiegendMineralölkohlenwasserstoffe),<br />

Abb. 6-12 Lage des Filters im Brunnenrohr und Strömungsverhältisse<br />

beim Abpumpen von flüs-<br />

• die organische Phase ist spesigen<br />

Phasen, die leichter als Wasser sind<br />

zifisch schwerer als Wasser<br />

(z.B. Kohlenwasserstoffe) [Mull, 1996]<br />

(oftmals Chlorkohlenwasserstoffe).<br />

Durch das Abpumpen wird eine<br />

Absenkung des Grundwasserspiegels<br />

mit Strömung zu den<br />

Förderbrunnen verursacht, die<br />

eine Ausbreitung der Schadstoffe<br />

mit dem Grundwasserstrom verhindert.<br />

In Abb. 6-12 bzw. Abb. 6-<br />

13 sind die hydraulischen Verhältnisse<br />

im Untergrund für die beiden<br />

Fälle schematisch dargestellt.<br />

In der ungesättigten Bodenzone<br />

kann eine Entfernung von Schad- Abb. 6-13 Lage des Filters im Brunnenrohr und Strömungsverhältisse<br />

beim Abpumpen von flüssigen<br />

stoffen in Flüssigphase durch hyd-<br />

Phasen, die schwerer als Wasser sind (z.B.<br />

raulische Sicherungsmaßnahmen<br />

Halogenkohlenwasserstoffe) [Mull, 1996]<br />

nicht oder nur unter Vorbehalt<br />

erfolgen. Um dies zu ermöglichen ist es notwendig, ein flüchtiges organisches Lösemittel in<br />

den Boden zu infiltrieren (z.B. kurzkettige Kohlenwasserstoffe) in dem die Schadstoffe gelöst


234<br />

<strong>Altlasten</strong> / <strong>Bodensanierung</strong><br />

und ins Grundwasser transportiert werden. Aus dem Grundwasser erfolgt dann eine Elimination<br />

durch Entnahmebrunnen. In der ungesättigten Zone verbliebene Lösemittel- und Schadstoff-Reste<br />

müssen über Bodenluftabsaugung entfernt werden. Dieses Verfahren ist aus<br />

zwei Gründen bedenklich:<br />

• Es wird ein zusätzlicher Schadstoff (das Lösemittel) in den Boden eingebracht, um einen<br />

anderen zu entfernen.<br />

• Bei heterogenem Untergrund können wenig durchlässige Bereiche nicht oder nur unzureichend<br />

extrahiert werden.<br />

6.6.3.2 Entfernen von im Grundwasser gelösten Schadstoffen<br />

Im Grundwasser<br />

gelöst vorliegende Schadstoffe<br />

können durch Abpumpen<br />

des belasteten<br />

Grundwassers aus dem<br />

Untergrund entfernt werden.<br />

Die Brunnen sollten im<br />

Zentrum der Verschmutzung<br />

bzw. der Verschmutzungsfahne<br />

angeordnet<br />

sein. Bei großen Ausdehnungen<br />

des kontaminierten<br />

Bereichs müssen oft mehrere<br />

Brunnenstaffeln gesetzt<br />

werden, um die gesamte<br />

Schadstoffahne zu erfassen.<br />

In Abb. 6-14 ist eine<br />

entsprechende Anordnung<br />

von Brunnenstaffeln schematisch<br />

dargestellt.<br />

Als gezielter Schutz<br />

für Entnahmebrunnen, die<br />

im Abstrombereich einer<br />

Verschmutzungsquelle liegen,<br />

können Abwehrbrunnen<br />

oder Infiltrationsbrunnen<br />

gesetzt werden. Bei<br />

Abwehrbrunnen (s. Abb. 6-<br />

15) ist darauf zu achten,<br />

dass die gesamte Breite der<br />

Abb. 6-14 Schema der Anordnung von Brunnenstaffeln bei<br />

weit ausgedehnten Schadstoffahnen (Fließ-<br />

Richtung von rechts nach links) [Mull, 1996]<br />

Abb. 6-15 Anordnung eines Abwehrbrunnens zum Schutz eines<br />

Entnahmebrunnens bei geringer Ausdehnung der<br />

Schadstofffahne [Mull, 1996]


Schadstoffahne erfasst wird.<br />

Durch Infiltrations-<br />

brunnen wird (s. Abb. 6-16)<br />

Sicherung 235<br />

unbelastetes Wasser in<br />

den Untergrund eingetragen,<br />

womit die Schadstoffahne<br />

vom Infiltrationsbrunnen<br />

abgelenkt wird. Allerdings<br />

muss die infiltrierte<br />

Wassermenge pro Zeitein-<br />

Abb. 6-16 Anordnung eines Infiltrationsbrunnens zum<br />

heit größer sein als die im<br />

Schutz eines Entnahmebrunnens im Abstrombe-<br />

Entnahmebrunnen entzoreich<br />

einer Kontaminationsquelle [Mull, 1996]<br />

gene Menge.<br />

Bei allen hydraulischen Sicherungsmaßnahmen muss auf sachgemäße Anordnung<br />

und Betrieb der Brunnen geachtet werden. Die Grundwasserfließrichtung und -menge, sowie<br />

der Einfluss der vorgesehenen Maßnahmen auf die hydraulischen Verhältnisse im Untergrund<br />

müssen bestimmt, bzw. mit entsprechenden Modellrechnungen abgeschätzt werden.<br />

Bei Fehlern können vorher unbelastete Bodenbereiche kontaminiert werden.<br />

6.6.3.3 Bodenluftabsaugung<br />

Schadstoffe, die im Untergrund<br />

vorliegen, gehen - entsprechend ihres<br />

Dampfdruckes - zum Teil in die Bodenluft<br />

über. Diese Luft kann abgesaugt<br />

und z.B. mit Aktivkohlefiltern<br />

gereinigt werden. Mit dem Verfahren<br />

können das unkontrollierte Austreten<br />

von schadstoffhaltigen Gasen in die<br />

Umgebungsluft sowie das Zusickern<br />

von flüssigen Stoffen aus<br />

der ungesättigten Zone in das Grundwasser<br />

minimiert oder unterbunden Abb. 6-17 Bodenluftabsaugung zur Entfernung<br />

werden. Bei entsprechender Be-<br />

von Schadstoffdämpfen aus der ungetriebsweise<br />

und Vorliegen flüchtiger<br />

sättigten Zone [Mull, 1996]<br />

Schadstoffe ist die Methode auch zur<br />

Dekontamination des Bodens geeignet. Sie wird im Kapitel 6.7.5 näher behandelt. Schematisch<br />

ist das Verfahren in Abb. 6-17 dargestellt.


236<br />

6.7 Dekontamination<br />

<strong>Altlasten</strong> / <strong>Bodensanierung</strong><br />

Während bei den Sicherungsverfahren das Ziel ist, lediglich die Ausbreitung von<br />

Schadstoffen zu verhindern, wird mit den Dekontaminationsverfahren eine Entfernung der<br />

Stoffe aus dem Boden angestrebt. Damit muss nach Abschluss der Sanierung keine dauerhafte<br />

Überwachung der Altlast erfolgen. Thermische und biologische Dekontaminationsverfahren<br />

sind bei entsprechender Betriebsweise dazu geeignet, organische Schadstoffe zu<br />

zerstören und so aus der Umwelt zu entfernen. Bei den anderen Dekontaminationsverfahren<br />

werden schadstoffhaltige Restmassen entweder deponiert oder es muss eine entsprechende<br />

Behandlungsstufe nachgeschaltet werden, in der die Stoffe zerstört werden können.<br />

6.7.1 Bodenwäsche<br />

Die Bodenwäsche beruht auf der Verwendung von Wasser oder wässrigen Lösungen<br />

und Suspensionen zur Reinigung kontaminierter Böden. Die Schadstoffe können dabei im<br />

Wasser gelöst, emulgiert oder in wässrige Suspension überführt werden. Durch eine Separation<br />

von Fest- und Flüssigphase gelingt es somit, die Kontaminanten vom Boden zu trennen.<br />

Das schadstoffhaltige Waschwasser muss vor der Einleitung in einen Vorfluter gereinigt werden.<br />

Es kann nach einer Aufbereitung auch als Prozesswasser wiederverwendet und somit<br />

im Kreislauf geführt werden. Der Boden kann - entsprechend des erreichten Dekontaminationsgrades<br />

- wiederverwendet werden. In Abb. 6-18 ist der Verfahrensablauf bei der Bodenwäsche<br />

schematisch dargestellt. Flüchtige Komponenten werden abgesaugt und müssen in<br />

einer Abluftreinigungsanlage eliminiert werden.<br />

Abb. 6-18 Schema des Verfahrensablaufs bei der Bodenwäsche [Heimhard et al., 1996]


6.7.1.1 Boden- und schadstoffspezifische Einflussparameter<br />

Dekontamination 237<br />

Die Reinigung eines kontaminierten Bodens durch Bodenwäsche ist nur möglich,<br />

wenn einerseits die Schadstoffe vom Boden abgelöst und andererseits diese dann gelösten<br />

oder dispergierten Schadstoffe von den suspendierten Bodenkörnern abgetrennt werden<br />

können. Entscheidend für die Eignung der Bodenwäsche sind vor allem die Bodeneigenschaften.<br />

Insbesondere sind die Korngrößenverteilung und der Gehalt an organischer Substanz<br />

des Bodens von Bedeutung.<br />

Mit abnehmender Korngröße wird es zunehmend schwieriger, Schadstoffe von den<br />

Bodenpartikeln anzulösen, der dafür notwendige apparative Aufwand steigt. Von Feinschluff-<br />

und Tonfraktionen können Schadstoffe nur unzureichend abgetrennt werden, was<br />

auf deren große spezifische Oberfläche zurückzuführen ist [Heimhard et al., 1996]. Deshalb<br />

liegen die technisch-wirtschaftlichen Grenzen für die Anwendung der Bodenwäsche bei Partikeln<br />

< 63 µm, die nicht mehr gereinigt werden und einem Anteil der Feinkornfraktionen am<br />

ursprünglichen Boden von 20 bis 30%, die nicht überschritten werden sollten. In Tab. 6-8<br />

sind die Korngrößenbereiche verschiedener Bodenfraktionen sowie deren spezifische Oberflächen<br />

zusammengestellt.<br />

Tab. 6-8 Korngrößenbereiche von Bodenfraktionen (verändert nach Heimhard et al., 1996)<br />

Bodenart spezifische Oberfläche () Korndurchmesser<br />

Ton 150 - 250 m 2 /g TS < 0,002 mm<br />

Schluff 5 - 20 m 2 /g TS 0,002 mm - 0,06 mm<br />

Sand 0,03 m 2 /g TS 0,06 mm - 2 mm<br />

Kies < 0,01 m 2 /g TS 2 mm - 63 mm<br />

Steine, Blöcke > 63 mm<br />

Sind die Kontaminanten in den Feststoffen eingeschlossen, wie z.B. bei kontaminierten<br />

Straßenbelägen oder porösen Schlacken, ist die Bodenwäsche nur beschränkt zur Reinigung<br />

geeignet. Die starke Zerkleinerung der Feststoffe, die notwendig ist, um die Kontaminanten<br />

besser zugänglich zu machen, führt zu einem starken Anstieg des Anteils an schwer<br />

abtrennbarem Feinkorn. Auch wenn die Bodenpartikel an bituminösen Teeren und ähnlichen<br />

Materialien anhaften, führt die Bodenwäsche in der Regel nur zu unzureichenden Reinigungserfolgen.<br />

Die spezifischen Eigenschaften der Schadstoffe sind für die Anwendbarkeit der Bodenwäsche<br />

weniger relevant als die Bodeneigenschaften. In gewissen Grenzen können die<br />

Verfahrensparameter den Schadstoffeigenschaften angepasst werden. Günstig ist es, wenn<br />

die Schadstoffe im Wasser gelöst oder emulgiert werden können oder wenn sie sich in Dichte,<br />

Benetzbarkeit oder Partikelgröße vom Boden unterscheiden [Jentzsch, 1997].<br />

Die Lösung von Schwermetallen kann durch Zugabe von Komplexbildnern oder Säuren<br />

deutlich verbessert werden. Organische Kontaminanten können durch die Zugabe von<br />

Tensiden (oberflächenaktiven Substanzen) in höheren Konzentrationen und stabiler disper-


238<br />

<strong>Altlasten</strong> / <strong>Bodensanierung</strong><br />

giert werden als ohne diese Zusätze. Auch Salze und Basen können eingesetzt werden, um<br />

die Oberflächenladung dispergierter Teilchen zu verändern und so die Dispersionen zu stabilisieren<br />

oder aufzubrechen.<br />

6.7.1.2 Verfahrenstechniken<br />

Die Bodenwäsche kann prinzipiell in folgenden Schritte unterteilt werden:<br />

• Bodenaufbereitung<br />

• Abtrennung dispergierter Schadstoffe<br />

• Klassierung der Bodenfraktionen mit Ausschleusung der belasteten Feinkornfraktion<br />

(“Schadstoff” in Abb. 6-18)<br />

• Trennung von Waschwasser und Bodenfraktionen bzw. Schadstoffen.<br />

6.7.1.2.1 Bodenvorbereitung<br />

Grobe Partikel (Steine etc.) werden mit Backenbrechern oder Hammerwerken verkleinert.<br />

Das Brechen erfolgt in quetschenden oder bevorzugt in schlagenden Brechern, die<br />

zum Teil eine Einstellung der Korngröße der ausgetragenen Partikel erlauben [Heimhard et<br />

al., 1996].<br />

Um das Bodengefüge bei bindigen Böden zu zerstören müssen die Kohäsionskräfte<br />

zwischen den Bodenpartikeln (v.a. Tonmineralien) aufgehoben werden. Dies kann durch<br />

mechanische Beanspruchung (z.B. Vibration) oder fluiddynamisch, durch Erhöhung des<br />

Wassergehalts bis ein schlammig-breiiger Zustand erreicht ist, erfolgen. Das Feststoff-<br />

Wasser-Gemisch wird in (drehenden oder festen) Trommeln gerührt und in Bewegung gesetzt.<br />

Dabei werden die feinen Bodenanteile im Wasser verteilt [Heimhard, 1996].<br />

Fremdstoffe, wie nicht gebrochene Steine, Wurzelstücke, Metall- und Holzteile etc.<br />

werden aussortiert bzw. durch Siebe oder Magnetabscheider zurückgehalten. Holz und andere<br />

organische Fremdstoffe schwimmen auf der Waschflotte auf und können oberflächlich<br />

abgezogen werden.<br />

6.7.1.2.2 Abtrennung der Schadstoffe von den Bodenpartikeln<br />

Um die Schadstoffe vom Boden zu trennen, müssen die Adhäsionskräfte zwischen<br />

den aufgeschlossenen Bodenpartikeln und den Schadstoffen überwunden werden. Dies erfolgt<br />

vorwiegend mechanisch durch den Eintrag kinetischer Energie. Der Prozess kann aber<br />

auch durch den Zusatz von Chemikalien oder durch Erwärmung des Wasser-Boden-<br />

Gemisches unterstützt werden.<br />

Bei der mechanischen Beanspruchung sollen - unabhängig von der eingesetzten<br />

Technik - möglichst alle Bodenkörner von allen Seiten Scher-, Reibungs- oder Schwingungskräften<br />

ausgesetzt sein. Hierzu werden unterschiedliche Verfahren verwendet:<br />

• Wird das Waschwasser einem starken Ultraschallfeld ausgesetzt, so kann es zur Bildung<br />

von Dampfblasen (Kavitation) kommen, die beim anschließenden Kollabieren erhebliche<br />

mechanische Kräfte freisetzen. Bei einer Schallstärke von 10 V/cm 2 treten Schall-


Dekontamination 239<br />

wechseldrücke von mehr als 5 bar auf [Heimhard et al., 1996]. Die Schadstoffe werden<br />

durch die mechanische Beanspruchung von den Bodenpartikeln abgelöst und im Wasser<br />

dispergiert.<br />

• Auch durch Scher- und Reibungskräfte, die beim intensiven Rühren auftreten können<br />

Schadstoffe abgelöst werden. Ab Strömungsgeschwindigkeiten von 14 m/s tritt bei Wasser<br />

mit einer Temperatur von 20°C Kavitation auf. Der Geschwindigkeitsgradient in den<br />

Waschtrommeln kann durch Verändern des Abstandes von rotierenden und stehenden<br />

Bauteilen variiert werden [Heimhard et al., 1996]. In Abb. 6-19 sind einige der dafür eingesetzten<br />

Apparaturen schematisch dargestellt.<br />

Abb. 6-19 Apparaturen zur Scher-, Reib-, und Prallbeanspruchung von Bodenpartikeln<br />

[Jentzsch, 1997]


240<br />

<strong>Altlasten</strong> / <strong>Bodensanierung</strong><br />

Im Hochdruckstrahlrohr wird das Waschwasser mit ca. 350 bar aus einem umlaufenden<br />

Düsenkranz in ein Stahlrohr gepresst. Das mit einer Geschwindigkeit von ca. 250 m/s austretenden<br />

Wasser erzeugt (wie bei einer Wasserstrahlpumpe) einen Unterdruck im Rohr, der<br />

den zudosierten Boden zusammen mit Luft in den Wasserkegel zieht, wo er stark verwirbelt,<br />

homogenisiert und hohen Scherkräften ausgesetzt wird. In Abb. 6-20 ist das Hochdruckstrahlrohr<br />

schematisch dargestellt.<br />

Wasseranschluss<br />

Hochdruckpumpe<br />

Bohrungen mit<br />

aufgesetzten Düsen<br />

Eintrag Boden-Luft-Gemisch<br />

Hochdruck-Ringleitung<br />

Strahlkegel<br />

Austrag Boden-Luft-Gemisch<br />

Abb. 6-20 Hochdruckstrahlrohr der Fa. Oecotec<br />

• Durch die Zugabe von Säuren oder Laugen kann die Wirkung einer Bodenwäsche unterstützt<br />

werden: Schwermetalle sind im sauren Milieu besser löslich und können durch Säureeinwirkung<br />

von den Bodenpartikeln getrennt werden. Suspendierte Partikel lagern gelöste<br />

Ionen an und werden dadurch elektrisch aufgeladen. Diese Ladung ist vom pH-Wert<br />

des Umgebungsmilieus abhängig. Sind Boden- und Schadstoffpartikel gleichsinnig geladen,<br />

so bleiben sie nach einer Separation getrennt. Tonmineralien, Kohlenwasserstoffe,<br />

Fette und Ruß laden sich in wässriger Suspension negativ auf [Heimhard et al., 1996].<br />

• Durch die Zugabe von Komplexbildnern können Schwermetalle verstärkt gelöst bzw. in<br />

Lösung gehalten werden. Die Konzentration der freien Ionen wird durch die Bindung an<br />

die gelöst vorliegenden Komplexbildner stark herabgesetzt.<br />

• Mit Tensiden lässt sich die Oberflächenspannung einer wässrigen Suspension herabsetzen<br />

und die abgelösten Schadstoffe werden in Dispersion gehalten. Sie werden in Tensidmicellen<br />

eingeschlossen, wobei der hydrophobe Teil der Tensidmoleküle zu den<br />

Schadstoffen, der hydrophile zum umgebenden Wasser ausgerichtet ist.


Dekontamination 241<br />

• Durch Erwärmung des Boden-Wasser-Gemisches kann die Wirkung einer Bodenwä-<br />

sche z.T. deutlich erhöht werden. Dies beruht auf mehreren Prozessen:<br />

1. Die Bindungskräfte zwischen Boden und Schadstoff werden herabgesetzt,<br />

2. die Diffusionsgeschwindigkeit gelöster Schadstoffe wird erhöht (dies ist v.a. für die<br />

Grenzschicht in der Nähe der Bodenkörner relevant, da die Diffusionsgeschwindigkeit<br />

in diesem Bereich die Ablösungskinetik bestimmt),<br />

3. die dynamische Viskosität der Aufschlämmung wird herabgesetzt.<br />

Bei der Sattdampfinjektion in schon durchmischte Boden-Wasser-Gemische erfolgt zusätzlich<br />

zur Erwärmung eine intensive Verwirbelung des Gemisches. Ein Teil des Dampfes<br />

kondensiert bei diesem Prozess.<br />

6.7.1.2.3 Abtrennung der Schadstoffe<br />

Die vom Boden abgewaschenen Schadstoffe müssen anschließend von den gereinigten<br />

Partikeln getrennt werden. Dazu können sie in das Waschwasser, die umgebende Luft<br />

oder die Feinstkornfraktion des Bodens übertragen werden. In weiteren Behandlungsschritten<br />

muss dann das belastete Medium abgetrennt werden.<br />

• Im Wasser gelöste Substanzen können durch physikalisch-chemische und/oder biologische<br />

Verfahren der Abwasserreinigung (s. Kap. 5.5) aus dem Waschwasser entfernt werden.<br />

Dabei kommen für die unterschiedlichen Kontaminanten jeweils angepasste Methoden<br />

zur Anwendung:<br />

• Fällung: V.a. Schwermetalle werden als Sulfide oder Hydroxide ausgefällt und anschließend<br />

durch Sedimentation abgetrennt. Durch eine Mitfällung können so auch<br />

organische Belastungsstoffe zum Teil aus dem Wasser eliminiert werden.<br />

• Adsorption: Unpolare Stoffe können an oberflächenreiche Feststoffe, wie z.B. Aktivkohle<br />

angelagert werden. In Molekularsieben (natürliche oder synthetische Zeolithe)<br />

werden selektiv Stoffe adsorbiert, die kleiner sind als die Mikroporen der Molekularsiebe.<br />

• Membranfiltration: Durch Ultra- und Nanofiltration können Partikel mit Durchmessern<br />

zwischen ca. 5 nm und 10 µm abgetrennt werden. Sie werden v.a. zur Abtrennung<br />

kolloidal gelöster Stoffe eingesetzt. Mit der Umkehrosmose lassen sich<br />

auch echt gelöste Substanzen (Organika und Salze) entfernen.<br />

• Ionenaustausch: An Kationenaustauschern können Metallionen reversibel angelagert<br />

werden. Dabei gehen andere Kationen (i.d.R. Na + oder H + ) in Lösung. Bei<br />

der Regeneration der Ionenaustauscher werden die abgetrennten Ionen in eine<br />

konzentrierte Lösung überführt.<br />

• Biologischer Abbau: Organische Verbindungen können unter gewissen Voraussetzungen<br />

durch Bakterien abgebaut werden. Sie müssen dazu abbaubar sein und<br />

dürfen nicht zu stark bakterientoxisch wirken. Die Verfahren können sowohl aerobe<br />

als auch anaerobe Schritte in Festbett- oder Suspensionsreaktoren enthalten.


242<br />

<strong>Altlasten</strong> / <strong>Bodensanierung</strong><br />

• Flüchtige Komponenten, die beim Waschvorgang in die Gasphase übergegangen sind,<br />

können durch die Prozesse der Abluftreinigung (s. Kap. 3.4) aus dem Gasstrom entfernt<br />

werden:<br />

• Absorption: In Gaswäschern (Rieseltürme, Rotationswäscher oder Venturiabscheider)<br />

können die Abluftinhaltsstoffe ausgewaschen werden. Belastetes<br />

Waschwasser wird mit den Methoden der Abwasserbehandlung gereinigt.<br />

• Adsorption: An Aktivkohle und andere Feststoffe mit großer spezifischer Oberfläche<br />

können Substanzen auch aus einem Gasstrom heraus angelagert werden.<br />

• Kondensation: Durch Abkühlen des Abgases unter die Verdampfungstemperatur<br />

der Schadstoffe können diese aus der Luft entfernt werden. Es kommt zur Bildung<br />

von Niederschlägen an den Behälterwänden und von Nebeln, die z.T. vom Abgasstrom<br />

mitgerissen werden. Diese Nebel können mittels Massenabscheidern (Venturiwäscher<br />

etc.) oder Filtern eliminiert werden [Heimhard et al., 1996].<br />

• Partikuläre gebundene Schadstoffe liegen v.a. an die Feinstkornfraktion des Bodens<br />

sorbiert vor. Sie können durch Prozesse der Dichtetrennung aus dem Wasser entfernt<br />

werden:<br />

• Sedimentation: Für eine Sedimentation des belasteten Feinkorns werden einfache<br />

Sedimentationsbecken eingesetzt oder Hydrozyklone bzw. Zentrifugen, bei<br />

denen eine Zentrifugalkraft wirkt, welche die Schwerkraft um ein Vielfaches übertrifft.<br />

Die Sedimentation kann durch Zugabe von Flockungsmitteln unterstützt werden,<br />

die zur Bildung größerer und besser abscheidbarer Partikel führt.<br />

Die weitere Trennung von Feinkorn und Waschwasser erfolgt durch Filtration oder<br />

Auspressen.<br />

• Flotation: Feinverteilte Partikel können durch die Anlagerung von Gasblasen<br />

(meist Luft) an die Flüssigkeitsoberfläche transportiert werden. Die Wirkung des<br />

eingeblasenen Gases kann durch die Zugabe von Flotationshilfsmitteln verbessert<br />

werden, durch welche die Partikel stabilisiert bzw. hydrophobiert werden.<br />

6.7.1.2.4 Abtrennen des gereinigten Bodens<br />

Die Abtrennung des gereinigten Bodens aus der belasteten Waschflüssigkeit erfolgt<br />

üblicherweise durch Klassierung nach der Korngröße. Grobe Fraktionen wie Kies und Sand<br />

werden durch Siebung abgetrennt. Dabei erfolgt gleichzeitig auch eine Entwässerung dieser<br />

Fraktion. Mittlere Korngrößenklassen (ca. 0,1 bis 10 mm) werden üblicherweise durch Spiralklassierer<br />

(Schnecken- oder Schraubenklassierer) abgetrennt in denen sich diese Partikel<br />

absetzen und Schwebstoffe mit der Suspension ausgetragen werden. Die feineren Körner<br />

können in Hydrozyklonen weiter klassiert (0,005 bis 0,2 mm) und aus dem Wasser entfernt<br />

werden.<br />

Die abgetrennten Bodenfraktionen sind nach der Trennung noch mit Wasser bedeckt,<br />

das Schadstoffe enthält. Um eine Rückkontamination zu verhindern wird das Waschwasser<br />

(meist in mehreren Schritten) durch unbelastetes Spülwasser ersetzt.


Dekontamination 243<br />

Die Feinstkornfraktion muss in der Regel als belastet angesehen und separat abge-<br />

trennt werden (s. partikulär gebundene Schadstoffe). Sie wird entweder weiter behandelt<br />

oder deponiert.<br />

Als Beispiel für eine Bodenwaschanlage mit den gesamten notwendigen Begleittechniken<br />

ist in Abb. 6-20 eine Hochruck-Bodenwaschanlage schematisch dargestellt.<br />

Abb. 6-21 Schema der OECOTEC-Hochdruck-Bodenwaschanlage [Wille, 1993]<br />

1: Materialaufgabe und Magnetabscheider, eingehaust mit Luftabsaugung<br />

2: Homogenisator<br />

10: Materialaustrag 8 - 50 mm<br />

3: Dampfinjektion<br />

11: Materialaustrag 0,025 - 8 mm<br />

4: Hochdruckstrahlrohr<br />

12: Humuspartikel-Austrag<br />

5: Attritionsmühle<br />

13: Materialaustrag gereinigter Boden<br />

6: Ultraschall-Behandlung<br />

14: Prozesswasser-Kreislaufbehälter<br />

7: Multizyklon (25 µm)<br />

15: Flotatschlammaustrag<br />

8: Entwässerungsschnecke<br />

16: Schlammeindicker<br />

9: Kaskadenfrischwasserspülung<br />

17: Sedimentfilterkuchen<br />

6.7.2 Extraktion<br />

Bei der Extraktion werden die Schadstoffe in einem geeigneten Lösemittel gelöst bis<br />

das Verteilungsgleichgewicht zwischen gelöster und sorbierter Schadstofffraktion eingestellt<br />

ist. Für polare Stoffe wie z.B. Schwermetalle stellen wässrige Systeme die am besten geeigneten<br />

Lösemittel dar. Die Reinigung schwermetallbelasteter Böden durch Bodenwäsche<br />

kann somit auch als Extraktion bezeichnet werden. Organische Schadstoffe sind in der Regel<br />

nur wenig oder nicht polar, für sie sind organische Lösungsmittel wie aliphatische Kohlenwasserstoffe,<br />

niedere Alkohole und Ketone geeignet. Halogenkohlenwasserstoffe besitzen<br />

zwar exzellente Lösungseigenschaften und sind unbrennbar, sie sind jedoch selbst


244<br />

<strong>Altlasten</strong> / <strong>Bodensanierung</strong><br />

Schadstoffe und dementsprechend mit einem Verwendungsverbot belegt [GefStoffV,1993].<br />

Höhersiedende Lösemittel können nur schwer von den extrahierten Schadstoffen abgetrennt<br />

werden und scheiden deshalb für die Anwendung aus [Weßling und Machlitt, 1996].<br />

Da das Auflösen der Schadstoffe nur bis zur Gleichgewichtseinstellung erfolgt, kann<br />

der Boden mit einem einzigen Extraktionsschritt nicht vollständig gereinigt werden, sondern<br />

es müssen mehrere Behandlungsschritte hintereinander erfolgen. Durch Mehrfachextrak-tion<br />

kann jede gewünschte Schadstoff-Restkonzentration erreicht werden, wobei jedoch der spezifische<br />

Aufwand mit jedem Extraktionsschritt steigt, da die gleiche Menge Lösemittel für<br />

immer geringere Schadstoffmengen eingesetzt werden. In Tab. 6-9 ist die abnehmende<br />

Restkonzentration in Abhängigkeit von der Zahl der Extraktionsschritte für das Beispiel einer<br />

1:2-Verteilung zwischen Fest- und Flüssigphase aufgelistet.<br />

Tab. 6-9 Verteilung eines Stoffes zwischen Fest- und Flüssigphase bei mehrfacher Extraktion<br />

(verändert nach Weßling, 1993)<br />

Extraktionsschritt<br />

0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10<br />

gelöste Menge 0 200 66 22 7,3 2,5 0,8 0,27 0,09 0,027 0,009<br />

sorbierte Menge 300 100 33 11 3,7 1,2 0,4 0,13 0,04 0,013 0,004<br />

Restgehalt (%) 100 33 11 3,7 1,2 0,4 0,13 0,04 0,01<br />

Abb. 6-22 Schema der Gegenstromextraktion von Boden [Weßling, 1993]<br />

3<br />

0,004 0,0015<br />

In der Praxis wird anstelle einer Mehrfachextraktion auch die Gegenstromextraktion<br />

angewandt, bei der das Lösemittel und der belastete Boden von entgegengesetzten Enden<br />

in die Extraktionskolonne eintragen werden. Dadurch kommt der hochbelastete Boden mit<br />

beladenem Lösemittel in Kontakt während der weitgehend gereinigte Boden mit frischem


Dekontamination 245<br />

Extraktionsmittel behandelt wird. Das beladene Lösemittel wird - meist durch Destillation -<br />

gereinigt und wieder eingesetzt. Damit wird die verbrauchte Lösemittelmenge deutlich vermindert.<br />

In Abb. 6-22 ist das Gegenstromextraktionsverfahren schematisch dargestellt.<br />

6.7.3 Thermische Bodenbehandlung<br />

Die thermischen Verfahren zur Behandlung kontaminierter Böden beruhen auf der<br />

Verdampfung der Schadstoffe und deren anschließender vollständiger Oxidation in der Gasphase<br />

[Jentzsch, 1997]. Saure Gase, Stäube und flüchtige nicht zerstörbare anorganische<br />

Schadstoffe werden mit den Verfahren der Rauchgasreinigung (s. Kap. 3.4) aus der Abluft<br />

eliminiert. Schwermetalle können bei entsprechender Verfahrensführung in der Bodenmatrix<br />

immobilisiert werden.<br />

Thermische Behandlungsverfahren sind grundsätzlich für alle auftretenden altlastenrelevante<br />

Schadstoffe geeignet, die zu reinigenden Böden sind allerdings für eine sinnvolle<br />

Anwendung in ihrem Wassergehalt und dem Anteil an bindigen Fraktionen begrenzt. Von der<br />

Art der Schadstoffe hängen die Verdampfungstemperatur und die notwendige Aufenthaltszeit<br />

im Verbrennungsraum ab. Unproblematisch sind kurzkettige halogenfreie organische Verbindungen,<br />

wie Mineralölkohlenwasserstoffe, monocyclische aromatische Kohlenwasserstoffe<br />

und flüchtige polycyclische aromatische Kohlenwasserstoffe, die bei Temperaturen bis ca.<br />

550°C verdampfen und bei 750 bis 1000°C verbrannt werden [Jentzsch, 1997]. Bei der thermischen<br />

Behandlung von chlorierten Verbindungen müssen in der Regel höhere Temperaturen<br />

aufgebracht werden (bis 1300°C) und bei der Rauchgasreinigung müssen Maßnahmen<br />

gegen die Neubildung polychlorierter Dibenzodioxine und -furane getroffen werden. Insbesondere<br />

muss der Temperaturbereich zwischen 250 und 400°C sehr schnell überstrichen<br />

werden und katalytisch wirkende Schwermetalle (v.a. Cu) müssen ausgeschlossen sein.<br />

Der Einschluss von Schwermetallen in die Bodenmatrix erfordert ein “Keramisieren”<br />

des Bodens, der damit seinen multifunktionalen Charakter als Nahrungsquelle, Aufwuchssubstrat<br />

und Lebensraum für unterschiedlichste Organismen verliert.<br />

6.7.3.1 Verfahren<br />

Abhängig vom Sauerstoffangebot bei der Aufheizung des kontaminierten Bodens wird<br />

zwischen Verbrennung, Vergasung und Pyrolyse unterschieden.<br />

Bei der Pyrolyse wird der Boden über die Reaktorwand erhitzt. Der Wärmeübergang<br />

erfolgt durch Wärmeleitung im Boden, die Schadstoffe werden ausgegast und im Fall organischer<br />

Verbindungen teilweise gecrackt [Jentzsch, 1997].<br />

Bei der Verbrennung und der Vergasung werden im Reaktionsraum Brenner betrieben,<br />

so dass der Wärmetransport durch Konvektion und Wärmestrahlung erfolgt. Die Vergasung<br />

erfolgt unter Sauerstoffmangel, wodurch die Schadstoffe nur unvollständig oxidiert werden<br />

und in einer Nachverbrennungskammer zerstört werden müssen. Bei der Verbrennung<br />

wird angestrebt, die Schadstoffe schon in dem Reaktor, der den Boden enthält, vollständig<br />

zu oxidieren. Die Behandlung ähnelt sehr stark den entsprechenden Verfahren zur Eliminati-


246<br />

<strong>Altlasten</strong> / <strong>Bodensanierung</strong><br />

on von besonders überwachungsbedürftigen Abfällen (s. Kap. 7.6.5). Durch den geringen<br />

Heizwert der kontaminierten Böden ist jedoch hier - im Gegensatz zur Sondermüllverbrennung<br />

- immer eine Zufuhr von Gas oder Öl zum Brennerbetrieb notwendig.<br />

Wie alle Bodenreinigungsverfahren erfordert auch die thermische Behandlung eine<br />

Vorbereitung des Bodens, um Störstoffe zu entfernen. Sie erfolgt durch Magnetabscheidung<br />

(für ferromagnetische<br />

Stücke), Brechen<br />

und Sieben.<br />

Oftmals wird der Boden<br />

in einer separaten<br />

Prozessstufe getrocknet<br />

bevor er in den<br />

Vergasungs- oder<br />

Verbrennungsreaktor<br />

gelangt. In Abb. 6-23<br />

ist ein Schema des<br />

Verfahrensprinzips<br />

dargestellt.<br />

Die eigentliche<br />

Behandlung erfolgt in<br />

Drehrohr- oder Wirbelschichtreaktoren.<br />

Drehrohröfen stellen<br />

eine bewährte Technologie<br />

dar, sie sind<br />

relativ unempfindlich Abb. 6-23 Verfahrensschema der thermischen Bodenbehandlung<br />

[Jentzsch, 1997]<br />

gegenüber Inhomogenitäten<br />

im zu behandelnden<br />

Material. Die Innenwände der Drehrohre müssen mit (gegenüber Temperaturwechsel<br />

empfindlichen) Schamotteausmauerungen versehen werden. Durch die Drehung der<br />

Trommel wird der Boden durchmischt.<br />

Wirbelschichtöfen werden mit Luftüberschuss und zirkulierender oder rotierender<br />

Wirbelschicht betrieben [Jentzsch, 1997]. Sie erfordern homogeneres Material mit einer<br />

Korngröße < 20 mm. Ihr Vorteil liegt in der besseren Durchmischung des Bodens mit der<br />

Verbrennungsluft, was den Wärme- und Stoffübergang zwischen Boden und Luft beschleunigt.<br />

Zusätzlich besteht die Möglichkeit, saure Schadgase und Stickoxide schon im<br />

Verbrennungsraum durch die Zugabe von Kalk bzw. Harnstoff zu neutralisieren bzw. zu reduzieren.


Dekontamination 247<br />

Die ausgetriebenen Gase werden vor der Nachverbrennung mit Zyklonen oder Ke-<br />

ramikfiltern entstaubt. Da die Abgase aus der Bodenbehandlung Katalysatorgifte enthalten<br />

können, erfolgt die Nachverbrennung rein thermisch. Es werden über Stützbrenner Temperaturen<br />

von ca. 1300°C bei Aufenthaltszeiten von 1 bis 3 s erreicht [Jentzsch, 1997]. In Abb. 6-<br />

24 ist ein Beispiel für Verbrennungsanlagen dargestellt.<br />

Abb. 6-24 Schema einer Anlage zur thermischen Bodenreinigung [Wille, 1993]<br />

Die Verfahren zur Reinigung der entstehenden Abgase entsprechen den bei der<br />

thermischen Behandlung besonders überwachungsbedürftiger Abfälle und zum Teil auch bei<br />

der Rauchgasreinigung in Kraftwerken angewandten Techniken. Sie werden ausführlich in<br />

den jeweiligen Kapiteln 7.6.5 bzw. 3.4 behandelt.<br />

• Stäube werden mit Gewebe- oder Elektrofiltern abgeschieden.<br />

• Saure Gase (Salzsäure, schweflige Säure, Fluorwasserstoff) können mit trockenen,<br />

halbtrockenen und nassen Neutralisationsverfahren eliminiert werden.<br />

• Stickoxide werden in der Regel durch selektive Reduktion mittels Ammoniak oder<br />

Harnstoff in elementaren Stickstoff überführt.<br />

• Zur Verminderung der Neubildung polychlorierter Dibenzodioxine und -furane wird<br />

das Abgas sehr schnell abgekühlt, was durch das Einsprühen von kaltem Wasser<br />

(“Quenching“) erfolgt. Vor allem der Temperaturbereich zwischen 250 und 400°C<br />

muss schnell durchlaufen werden.


248<br />

<strong>Altlasten</strong> / <strong>Bodensanierung</strong><br />

• Um eventuell vorhandene nicht oxidierte organische Schadstoffe sowie elementa-<br />

res Quecksilber abzuscheiden werden Adsorptionsstufen nachgeschaltet. Sie werden<br />

mit Aktivkoks oder Herdofenkoks beschickt [Jentzsch, 1997].<br />

Der gereinigte Boden wird auf Temperaturen von 40 bis 70°C abgekühlt und auf<br />

einen Feuchtigkeitsgehalt von 7 bis 10% eingestellt. Das Material kann im Deponie- und<br />

Wegebau eingesetzt oder am ursprünglichen Herkunftsort wieder eingebaut werden. Eine<br />

Rekultivierung durch die Zugabe von Düngern und Humus ist grundsätzlich möglich.<br />

6.7.4 Biologische <strong>Bodensanierung</strong><br />

6.7.4.1 Grundlagen<br />

Bei biologischen <strong>Bodensanierung</strong>sverfahren werden Schadstoffe durch die Stoffwechselaktivität<br />

von Organismen (teilweise oder vollständig) abgebaut oder in andere Bindungsformen<br />

überführt. Für die Anwendung biologischer Verfahren müssen einige Voraussetzungen<br />

erfüllt sein:<br />

• Die Schadstoffe müssen prinzipiell einem biologischen Angriff zugänglich sein. Das heißt,<br />

sie müssen unter Bedingungen, die organisches Leben ermöglichen, Redox-, Hydrolyse-,<br />

Mobilisierungs- oder Fällungsreaktionen eingehen können.<br />

• Die Schadstoffe müssen bioverfügbar sein, was in der Regel bedeutet, dass sie ausreichend<br />

wasserlöslich sind oder durch Zugabe von lösungsvermittelnden Substanzen gelöst<br />

werden können und, dass an die Bodenmatrix gebundene Anteile nach einer Elimination<br />

des gelösten Anteils in Lösung gehen.<br />

• Die Toxizität der Schadstoffe bzw. des Schadstoffgemisches gegenüber den behandelnden<br />

Organismen darf nicht so hoch sein, dass deren Stoffwechsel zum Erliegen kommt.<br />

• Die Dichte der relevanten Organismen im Boden muss ausreichend hoch sein, um eine<br />

sinnvolle Umsatzgeschwindigkeit zu gewährleisten.<br />

• Der Transport von im Wasser gelösten, notwendigen Nährsubstraten im Boden muss gewährleistet<br />

sein. Diese Bodendurchlässigkeit ist abhängig von der Poren- und Korngrößenverteilung<br />

des Bodens. In bindigen Böden wird die Verfügbarkeit von Nährstoffen zum<br />

limitierenden Faktor.<br />

6.7.4.1.1 Schadstoffe<br />

Als anorganische Stoffe, die durch enzymatisch kontrollierte Reaktionen umgewandelt<br />

werden können, sind vor allem Stickstoff- und Schwefelverbindungen zu nennen. Aber<br />

auch Ionen der Elemente Eisen und Mangan können biochemisch oxidiert bzw. reduziert<br />

werden. Durch die Wirkung biogener Säuren oder Laugen können Schwermetalle all-gemein<br />

mobilisiert bzw. gefällt werden.<br />

Organische Substanzen unterliegen vielfältigen, strukturspezifischen biochemischen<br />

Umsetzungen, die einen zumindest teilweisen Abbau der Stoffe zur Folge haben. Für<br />

die einzelnen Abbauschritte müssen adäquate Milieubedingungen vorherrschen bzw. durch<br />

technische Maßnahmen eingestellt werden. So erfolgen z.B. Dehalogenierungsschritte (v.a.


Dekontamination 249<br />

bei mehrfachhalogenierten Substanzen) unter anaeroben Bedingungen wesentlich schneller<br />

als im aeroben Milieu. Dagegen verläuft der Abbau halogenfreier Substanzen aerob schneller<br />

als unter anaeroben Bedingungen [Scholz-Muramatsu und Flemming, 1991].<br />

Für eine große Zahl - zum Teil extrem toxischer - Verbindungen konnten in den letzten<br />

Jahren Bakterien- und Pilzstämme isoliert und gezüchtet werden, die zum Abbau dieser<br />

Substanzen befähigt sind [Meusel und Rehm, 1993; Pothulur et al., 1995; Takizawa et al.,<br />

1995; Siciliano und Germida, 1998]. Allerdings sind Sanierungsmaßnahmen mit diesen Organismen<br />

bisher selten über Labor- oder Pilotversuche hinaus gelangt. In der Praxis werden<br />

ganz überwiegend Mineralölkohlenwasserstoffe (MKW) und in geringerem Maß polycyclische<br />

aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK) sowie chlorierte Kohlenwasserstoffe (CKW)<br />

biologisch behandelt. Auch niedermolekulare Alkohole, Ketone und Aldehyde, sowie Benzolderivate<br />

(BTEX) sind für eine biologische Behandlung gut geeignet. Schadensfälle mit diesen<br />

Stoffen treten jedoch zahlenmäßig gegenüber MKW-Schadensfällen weit zurück.<br />

6.7.4.2 Eingesetzte Organismen<br />

6.7.4.2.1 Pflanzen<br />

Verschiedene Pflanzenarten sind in der Lage, Schadstoffe aufzunehmen und durch<br />

Ablagerung in speziellen Organellen oder durch Metabolisierung (auch in der Rhizosphäre)<br />

zu entgiften. Ihr Einsatz zur Sanierung kontaminierter Böden wird seit einigen Jahren weltweit<br />

verstärkt untersucht und wurde an wenigen Modellstandorten versucht. Ihre Vorteile<br />

liegen darin, dass sie erneuerbar und selbst reproduzierend sind, keine zusätzlich Belastung<br />

sondern eine Bereicherung für das Ökosystem darstellen, dass bewährte, einfache landwirtschaftliche<br />

Techniken eingesetzt werden können und dass die Pflanzen nach der Sanierungsmaßnahme<br />

u.U. wirtschaftlich verwendet werden können [Gerth, 1994]. Gegenüber<br />

physikalisch-chemischen oder mikrobiellen Verfahren sind diese Techniken (noch) nicht konkurrenzfähig,<br />

da die Behandlung zu lange dauert. Sie können prinzipiell für unterschiedliche<br />

Schadstoffklassen angewandt werden:<br />

Schwermetalle<br />

Es sind mehrere hundert Pflanzenarten bekannt, die Schwermetalle verstärkt aufnehmen<br />

und gegenüber dem Boden, auf welchem sie wachsen, anreichern. Solche Pflanzen<br />

werden als Hyperakkumulatoren bezeichnet [Flathman und Lanza, 1998]. Vereinzelt werden<br />

dabei Metallgehalte von über 10g je kg Trockenmasse erreicht [Baker und Brooks, 1989].<br />

Einzelne Pflanzenspezies reichern selektiv ein oder wenige Metalle an, während sie andere<br />

Schwermetalle nur nicht verstärkt aufnehmen. Problematisch ist die Tatsache, dass es sich<br />

bei Hyperakkumulatoren um langsam wachsende Arten handelt, die insgesamt wenig Biomasse<br />

bilden. Damit entziehen sie dem Boden in einer Vegetationsperiode entsprechend<br />

geringe Mengen an Schwermetallen so, dass sich die notwendigen Sanierungszeiten über<br />

einige Jahrzehnte erstrecken.


250<br />

Organische Schadstoffe<br />

<strong>Altlasten</strong> / <strong>Bodensanierung</strong><br />

Vereinzelt wird von einem beschleunigten Abbau organischer Schadstoffe im Wurzel-<br />

raum von Pflanzen im Vergleich zum nicht bewachsenen Boden berichtet. Bei den untersuchten<br />

Schadstoffen handelt es sich um MKW, PAK und Trichlorethylen. Auch die Aufnahme<br />

und Metabolisierung von chlorierten Verbindungen, Triazinherbiziden, BTEX und<br />

Sprengstoffen vor allem aus belasteten Grundwässern wurde nachgewiesen. [Flathman und<br />

Lanza, 1998].<br />

6.7.4.2.2 Mikroorganismen<br />

Alle derzeit etablierten Verfahren zur biologischen Bodenreinigung beruhen auf dem<br />

Einsatz von Mikroorganismen. Die Vorteile der mikrobiellen Verfahren gegenüber Pflanzen<br />

liegen in den vergleichsweise hohen Umsatzraten von Mikroorganismen und ihrer ubiquitären<br />

Verbreitung. Diese führt dazu, dass in der Regel lediglich eine Aktivierung der autochthonen<br />

Mikroflora eines Bodens notwendig ist, um eine Behandlung zu ermöglichen. Die<br />

Persistenz der Schadstoffe am Ort der Altlast ist somit darauf zurückzuführen, dass die dort<br />

herrschenden Milieubedingungen eine biogene Eliminierung nicht zulassen. Die Gründe hierfür<br />

können im mangelnden Angebot an Nährstoffen (abbaubare Organik, N, P, O2, Spurenelemente),<br />

der zu hohen Toxizität der vorliegenden Schadstoffe oder deren mangelnder Bioverfügbarkeit<br />

liegen. Durch geeignete Maßnahmen müssen die Milieubedingungen für die<br />

Organismen so verändert werden, dass sie - möglichst stark - stoffwechselaktiv werden.<br />

Auch bei der mikrobiellen <strong>Bodensanierung</strong> muss zwischen der Anwendung auf Schwermetalle<br />

bzw. organische Verbindungen unterschieden werden.<br />

Schwermetalle<br />

Die mikrobielle Sanierung von schwermetallbelasteten Böden befindet sich - ähnlich<br />

wie der Einsatz von Pflanzen für diesen Zweck - im Entwicklungsstadium, allerdings wird die<br />

prinzipiell gleiche Technik schon seit Jahrzehnten bei der Erzlaugung eingesetzt. Die Konzepte<br />

sehen vor, die Schwermetalle durch die Stoffwechselaktivität von Säure- oder Komplexbildner<br />

produzierenden Organismen aus ihrer Bindung an den Boden zu lösen und auszuwaschen<br />

[Fischer et al., 1996; Jentzsch, 1997; Papassiopi et al., 1998; Schuster et al.,<br />

1998]. Das schwermetallhaltige Prozesswasser wird anschließend - meist mittels Fällung -<br />

gereinigt und dann nach Zugabe von Nährstoffen wieder eingesetzt werden. Als Organismen<br />

werden hier bevorzugt schwefeloxidierende Bakterien der Gattung Thiobacillus bzw. Pilze,<br />

die organische, komplexierend wirkende Säuren produzieren, wie z.B. Aspergillus niger, eingesetzt.<br />

Organische Schadstoffe<br />

Alef (1994) und Filip (1996) nennen 45 unterschiedliche Spezies von Bakterien und 35<br />

Spezies von Pilzen, die aliphatische und/oder aromatische Kohlenwasserstoffe abbauen. An<br />

spezielle Schadstoffe adaptierte Arten sind darin nicht enthalten. Für die Reinigung von


Dekontamination 251<br />

MKW-belasteten Böden stellt der mikrobielle Abbau eines der hauptsächlich angewandten<br />

Verfahren dar. Es sind jedoch auch andere altlastenrelevante Schadstoffklassen biologisch<br />

abbaubar.<br />

6.7.4.3 Optimierung des mikrobiellen Schadstoffabbaus<br />

Eine Erhöhung der mikrobiellen Aktivität im Boden kann durch die Zugabe von unterschiedlichen<br />

Reagenzien bewirkt werden. Dabei ist zu differenzieren zwischen Substanzen,<br />

die als Nährstoffe dienen, solchen, welche die Bioverfügbarkeit oder durch chemische Reaktionen<br />

die Abbaubarkeit der Schadstoffe erhöhen und Stoffen, die Einfluss auf die Enzymausstattung<br />

der Mikroorganismen nehmen. Zusätzlich besteht auch die Möglichkeit, die Zahl<br />

der aktiven Organismen im Boden durch die Zugabe von extern angezüchteten Stämmen<br />

gezielt zu erhöhen, sowie durch Verbesserung der Bodenstruktur und Eintrag von Aufwuchsflächen<br />

die .Luft- und Substratversorgung der Mikroorganismen zu verbessern bzw. die Bildung<br />

von Mikrokonsortien zu fördern, in denen ein Austausch von Metaboliten stattfinden<br />

kann.<br />

6.7.4.3.1 Nährstoffzugabe<br />

Für aerobe Abbauvorgänge ist die ausreichende Versorgung der Organismen mit<br />

Sauerstoff oder einem anderen geeigneten terminalen Elektronenakzeptor unverzichtbar. In<br />

der Regel ist die Sauerstoffversorgung bei Schadensfällen (vor der Sanierung) ungenügend.<br />

Sauerstoff kann molekular (O2) oder in Form von sauerstoffabspaltenden Verbindungen mit<br />

dem Prozesswasser in den Untergrund eingebracht werden. Auch Nitrat ist als Elektronenakzeptor<br />

geeignet.<br />

Sauerstoff (O2)<br />

Molekularer Sauerstoff ist in Wasser nur gering löslich. Bei 10°C liegt die Sättigungskonzentration<br />

bei ca. 11 mg/l [Hulpke et al., 1993]. Für den biologischen Abbau von 1 kg<br />

Kohlenwasserstoffen werden ca. 3 kg Sauerstoff benötigt. Aufgrund der geringen Löslichkeit<br />

kann die Versorgung mit molekularem Sauerstoff auch bei kontinuierlicher Nachlieferung<br />

unzureichend sein.<br />

Wasserstoffperoxid (H2O2) und Ozon (O3)<br />

Ozon und Wasserstoffperoxid wirken in höheren Konzentrationen desinfizierend. Sie<br />

dürfen als “Sauerstoffquelle“ nur gering konzentriert eingesetzt werden. Aufgrund ihrer hohen<br />

Reaktivität sind sie in der Lage, organische Verbindungen zu oxidieren. Bei einer unvollständigen<br />

Oxidation hat dies zur Folge, dass diese Substanzen in der Regel besser wasserlöslich<br />

und damit leichter bioverfügbar werden. Das dabei verbrauchte Ozon oder Peroxid steht<br />

allerdings nicht mehr zur Sauerversorgung zur Verfügung. Bei einem schnellen Zerfall der<br />

Sauerstoffabspalter kann auch die Löslichkeitsgrenze des Sauerstoffs überschritten werden<br />

[Filip, 1996].


252<br />

Nitrat (NO3 - )<br />

<strong>Altlasten</strong> / <strong>Bodensanierung</strong><br />

Nitrat kann von vielen aeroben Mikroorganismen anstelle von molekularem Sauerstoff<br />

als Elektronenakzeptor verwendet werden (s. Kap. 1.1.3.3.1). Der Energiegewinn ist dabei<br />

ca. 10 % geringer als bei der Verwendung von O2 [Mudrack und Kunst, 1994]. Um die Menge<br />

Organik zu oxidieren, die mit 1 kg Sauerstoff umgesetzt wird, müssen ca. 1,55 kg Nitrat eingesetzt<br />

werden. Nitratsalze sind jedoch sehr gut wasserlöslich so dass hier kein Problem mit<br />

der Nachlieferung besteht. Beim Einsatz von Nitrat sind dagegen umwelthygienische Gesichtspunkte<br />

zu beachten: Die Nitratkonzentrationen in Trinkwasser darf 50 mg/l nicht überschreiten,<br />

die entsprechenden Grenzwerte für Natrium und Kalium liegen bei 150 bzw. 12<br />

mg/l. Natrium und Kalium treten als Gegenion in den eingesetzten Nitratsalzen auf, wobei mit<br />

1000 g Nitrat 370 g Natrium oder 630 g Kalium in den Untergrund eingebracht werden. Eine<br />

Verminderung der Konzentration an gelöstem Kalium kann durch Ionenaustauschvorgänge<br />

an der Bodenmatrix erfolgen [Filip, 1996].<br />

Neben einer mangelnden Sauerstoffversorgung kann auch die Verfügbarkeit von<br />

Stickstoff und Phosphor die mikrobielle Stoffwechselaktivität begrenzen. Die Versorgung mit<br />

diesen Stoffen kann mit handelsüblichen Düngern erfolgen. Nach einer Düngung sollte ein<br />

C/N/P-Verhältnis von ca. 250:10:3 im Boden vorliegen [Filip, 1996]. Um die Gefahr einer Überdüngung<br />

zu vermeiden, muss vor der Düngung eine Nährstoffanalyse des Bodens erfolgen.<br />

6.7.4.3.2 Verbesserung der Bioverfügbarkeit<br />

Schwer lösliche Schadstoffe können durch die Zugabe von synthetischen oder biogenen<br />

Tensiden verstärkt in Lösung gebracht werden. Bei den Tensiden handelt es sich um<br />

Substanzen mit hydrophilen und hydrophoben Gruppen, die sich an der Grenzfläche zwischen<br />

Wasser und unpolarer Phase anreichern und so die unpolaren Kontaminanten ins<br />

Wasser transportieren. Beim Einsatz von Tensiden sind einige Randbedingungen zu beachten,<br />

die sich zum Teil gegenseitig widersprechen:<br />

• Die Tenside müssen mit den Schadstoffen in Kontakt gebracht bzw. vermischt werden.<br />

Dies ist v.a. bei in situ-Maßnahmen nur schwer realisierbar;<br />

• für die Herstellung einer Emulsion muss ein ausreichend hoher Wassergehalt gewährleistet<br />

werden, was bei in situ-Anwendungen ebenfalls schwierig ist;<br />

• die Tenside dürfen nicht toxisch wirken;<br />

• die Tenside müssen biologisch abbaubar sein;<br />

• der Tensidabbau sollte nicht schneller verlaufen, als der Schadstoffabbau.<br />

Eine Gefahr beim Einsatz von Tensiden bei in situ-Maßnahmen ist darin zu sehen, dass die<br />

Schadstoffe in den Emulsionen gebunden im Boden weitertransportiert werden können [Filip,<br />

1996].


6.7.4.3.3 Zugabe von Cosubstraten<br />

Dekontamination 253<br />

Die mikrobielle Umsetzung von Stoffen, die selbst nicht zur Zellvermehrung genutzt<br />

werden können, in Gegenwart eines leicht verwertbaren Substrates (Cosubstrat) wird als<br />

Cometabolismus bezeichnet. Dieser Effekt ist für eine ganze Reihe unterschiedlicher<br />

(Schad)stoffe bekannt und er kann zur Aktivierung einer Mikrobiozönose zum Schadstoffabbau<br />

in Böden genutzt werden. Der Mechanismus beruht - soweit bekannt - darauf, dass Enzyme,<br />

die den Abbau der schwerabbaubaren Stoffe ermöglichen, im Zuge des Cosubstrat-<br />

Abbaus gebildet werden [Schlegel, 1992].<br />

6.7.4.3.4 Zugabe von “Starterkulturen”<br />

Ergeben Voruntersuchungen, dass in dem zu behandelnden Boden nur eine geringe<br />

Mikroorganismendichte vorliegt oder wenn eine Beschleunigung der Dekontaminationsmaßnahme<br />

gewünscht wird, können vorgezüchtete Mikroorganismenkulturen in den Boden eingebracht<br />

werden. Bei diesen sog. Starterkulturen kann es sich um Reinkulturen eines einzigen<br />

Stammes oder um Mischkulturen handeln. Sie können aus Proben des kontaminierten<br />

Standortes oder aus anderen entsprechend belasteten Proben stammen. Kommerziell angeboten<br />

werden sowohl Trockenpräparate als auch Fermenterkulturen [Filip, 1996]. Probleme<br />

bei ihrem Einsatz sind v.a. dann zu erwarten, wenn nur geringe Mengen zur Animpfung eingesetzt<br />

werden und die Laborstämme sich unter den veränderten Bedingungen im Freiland<br />

gegenüber der autochthonen Mikroflora durchsetzen müssen (was selten gelingt). Ihr Einsatz<br />

ist v.a. dann sinnvoll, wenn mit einer hohen Animpfdichte ein schneller Abbau der Kontaminanten<br />

angestrebt wird [Müller et al., 1998].<br />

6.7.4.4 Verfahren<br />

Biologische Dekontaminationsmaßnahmen können in situ, on site oder off site durchgeführt<br />

werden. Die größten Ansprüche an Verfahrensführung, Vor- und Begleituntersuchungen<br />

stellen sicherlich die in situ-Verfahren, da hier die Einflussmöglichkeiten auf die<br />

gesamten Milieubedingungen am geringsten sind. Die erforderlichen Behandlungszeiten bei<br />

biologischen Verfahren liegen zwischen wenigen Wochen und mehreren Jahren [Filip, 1996].<br />

6.7.4.4.1 Landfarming<br />

Das Landfarming stellt die technologisch einfachste Variante einer biologischen <strong>Bodensanierung</strong><br />

dar. Der Boden wird ausgekoffert und auf einer abgedichteten Fläche ausgebracht.<br />

Vor der Verteilung des Bodens erfolgt wenn notwendig eine Vorbehandlung, bei der<br />

Störstoffe aussortiert werden und der Boden homogenisiert wird. Die Dicke der ausgebrachten<br />

Schicht beträgt 20 bis 40 cm. Als Basisabdichtung wird in der Regel eine Kunststoffbahn<br />

verwendet. Die weitere Behandlung des kontaminierten Materials erfolgt mit landwirtschaftlichen<br />

Methoden. Durch wiederholtes Umpflügen wird der Boden belüftet und erforderlichenfalls<br />

bewässert und gedüngt [Jentzsch, 1997].


254<br />

<strong>Altlasten</strong> / <strong>Bodensanierung</strong><br />

Die Behandlungsfläche wird nicht abgedeckt, so dass ein intensiver Gasaustausch<br />

mit der Umgebung stattfinden kann. Dies begünstigt einerseits die Aktivität der Mikroorganismen,<br />

andererseits werden dadurch flüchtige Schadstoffe schnell an die Atmosphäre abgegeben.<br />

Für die Behandlung solcher Schadensfälle ist diese Methode somit nicht geeignet.<br />

Aufgrund der großen spezifischen Austauschfläche ist das Landfarming gegenüber niedrigen<br />

Außentemperaturen empfindlich [Filip, 1996].<br />

6.7.4.4.2 Mietenverfahren<br />

Die mikrobielle Behandlung kontaminierter Böden in Mieten entspricht verfahrenstechnisch<br />

weitgehend der Kompostierung von biogenen Abfällen. In beiden Fällen wird ein<br />

aerober Abbau der Inhaltsstoffe durch gezielte Maßnahmen begünstigt. Unterschiede bestehen<br />

in der Zielsetzung: während bei der Bodenbehandlung der vollständige Schadstoffabbau<br />

angestrebt wir, soll die Abfallkompostierung ein Produkt liefern, das zur Bodenverbesserung<br />

eingesetzt werden kann und gleichzeitig die anfallenden Abfallmengen reduzieren. Der Aufbau<br />

und Betrieb einer Behandlungsmiete erfordert folgende Maßnahmen:<br />

• Vor dem Aushub des Bodens:<br />

• Errichtung einer Basisabdichtung am Platz der Miete;<br />

• Installation von Einrichtungen zur Sammlung, Ableitung und ggf. Behandlung des<br />

Sickerwassers;<br />

• Installation von Einrichtungen zur Belüftung der Miete;<br />

• Bodenvorbereitung<br />

• Auskoffern des belasteten Materials;<br />

• Aussortieren von Störstoffen (Holz, Schutt, grobe Steine);<br />

• eventuell Brechen grober Stücke;<br />

• Homogenisierung des Bodens;<br />

• Zugabe von Auflockerungs- oder Bindematerial;<br />

• Zugabe von Nährstoffen, evtl. Tensiden und/oder Starterkulturen;<br />

• Aufbau der Miete<br />

• schichtweises Aufbringen des Bodens<br />

• Einbau von Belüftungs- und Bewässerungssystemen;<br />

• Überdachung oder evtl. Begrünung der Miete;<br />

• ggf. Einbau einer Luftbehandlungsanlage;<br />

• Mietenbetrieb<br />

• Kontrolle und Steuerung von<br />

• Sauerstoff;<br />

• Wassergehalt;<br />

• Nährstoffen;<br />

• Reinigung und Recycling des Prozesswassers;<br />

• ggf. Reinigung der Abluft;<br />

• Analyse der Schadstoffgehalte<br />

• Abtransport und Wiederverwendung des gereinigten Bodens.


Dekontamination 255<br />

Wird auf den Einbau von Belüftungssystemen verzichtet, dann muss die Miete regelmäßig<br />

umgesetzt werden, um so belüftet und gleichzeitig nochmals homogenisiert zu werden.<br />

Die Behandlung kontaminierter Böden in Mieten stellt ein bewährtes Verfahren dar,<br />

das insbesondere für den Abbau von Kohlenwasserstoffen verbreitet eingesetzt wird. Abb. 6-<br />

25 zeigt eine Schemazeichnung des Mietenverfahrens.<br />

Abb. 6-25 Beispiel für die Bodenreinigung im Mietenverfahren [Förstner,1995]; oben: Bio-<br />

Beet der Fa. Biodetox, Mitte: Regenerationsmiete der Firma Shell-Este, unten:<br />

Bio-Beet der Firma Umweltschutz Nord (ähnlicher Aufbau bei Klöckner-Oecotec<br />

und Deurag-Nerag)


256<br />

6.7.4.4.3 Behandlung in Bioreaktoren<br />

<strong>Altlasten</strong> / <strong>Bodensanierung</strong><br />

Die beste Kontrolle über die Milieubedingungen bei der Behandlung erlauben Bioreaktoren.<br />

Sie sind technisch anspruchsvoll aber auch entsprechend leistungsfähig. Nach dem<br />

Wassergehalt im Reaktor wird zwischen Suspensions-, Schlamm- und Trockenreaktoren<br />

unterschieden. Bei Trockenbehandlung beträgt der Feuchtigkeitsgehalt ca. 50 bis 70% der<br />

Wasserhaltekapazität des Bodens. In Schlammreaktoren bestehen ca. 30 bis 40% des Reaktorinhalts<br />

aus Wasser, während in Suspensionsreaktoren der Feststoffanteil bei 30 bis<br />

50% liegt. Zur Bodenbehandlung in Bioreaktoren müssen die folgenden Schritte durchgeführt<br />

werden:<br />

• Auskoffern des kontaminierten Bodens;<br />

• Vorbehandlung durch Sortieren, Brechen, Sieben, Homogenisieren;<br />

• Zugabe von Nährstoffen, ggf. Zuschlagstoffen und/oder Starterkulturen<br />

• Behandlung des vorbereiteten Bodens mit Kontrolle und Regelung von:<br />

• Sauerstoffgehalt;<br />

• Nährstoffkonzentrationen;<br />

• Wassergehalt;<br />

• pH-Wert;<br />

• ggf. Temperatur;<br />

• Austrag und Wiederverwendung des gereinigten Bodens.<br />

Da die Milieubedingungen in Bioreaktoren kontinuierlich überwacht und weitgehend<br />

optimal eingestellt werden können, erfolgt ein biologischer Schadstoffabbau in diesen Systemen<br />

in der Regel schneller und zum Teil auch vollständiger als beim Einsatz der einfacheren<br />

Technologien. Bei entsprechender Vorbereitung können rechnergestützte Prozessüberwachungs-<br />

und steuerungstechniken verwendet werden. In der Abb. 6-26 ist als Beispiel für<br />

ein Trockenverfahren ein Flachbettreaktor dargestellt.<br />

Abb. 6-26 Flachbettreaktor (Fa. HP-Biotechnologie) [Alef, 1994]. Die Darstellung zeigt eine<br />

Aufsicht auf drei Ebenen des Reaktors: 1: Lochboden, 2: Begasungsröhren, 3:<br />

Rührwellen, 4: Antriebskupplung


Dekontamination 257<br />

Abb. 6-27 zeigt als Beispiel für einen Suspensionsreaktor einen Reaktor, bei dem die<br />

Durchmischung kombiniert mit einem externen Airlift und einer Flüssigkeitsumwälzung erfolgt.<br />

Der Airlift dient auch zur zusätzlichen Belüftung.<br />

Abb. 6-27 Airlift-Suspensionsreaktor zur Behandlung feinkörniger Böden (EIMCO) [Alef,<br />

1994]<br />

6.7.4.4.4 In situ-Verfahren<br />

Bei in situ-Maßnahmen wird auf das Auskoffern des kontaminierten Materials verzichtet.<br />

Dies hat zur Folge, dass eine Einstellung der Milieubedingungen nur sehr begrenzt möglich<br />

ist. Eine in situ-Behandlung ist unverzichtbar, wenn eine eventuell vorhandene Bebauung<br />

über dem Schadstoffherd erhalten werden soll. Die Durchführung von in situ-Dekontaminationen<br />

erfordert:<br />

• Erfassung der Grundwasserströmung(en) im Umfeld der Kontamination<br />

• Aufbau von Förder- und Infiltrationsbrunnen (zur Nährstoffversorgung und zur Förderung<br />

von Prozesswasser)<br />

• Installation von Schutzbrunnen (um die Ausbreitung von kontaminiertem Grundwasser zu<br />

verhindern)<br />

• Errichtung einer Prozesswasserreinigungsanlage<br />

• Sauerstoff-, Nährstoff- und ggf. Organismenzufuhr mit dem infiltrierten Wasser<br />

• Kreislaufführung des Prozesswassers (nach der Reinigung)<br />

• bei Vorliegen flüchtiger Kontaminanten eine Abluftsammel- und -reinigungsanlage<br />

Die Sauerstoffversorgung kann durch Dosierung von Luft, Reinsauerstoff oder Peroxiden<br />

in das Prozesswasser erfolgen, ersatzweise kann auch Nitrat [Battermann, 1989]<br />

zugegeben oder Luft bzw. Reinsauerstoff gasförmig in den Untergrund gepumpt werden [Zamojski<br />

et al., 1999]. Im Allgemeinen sind Peroxide sehr instabil und zerfallen innerhalb kurzer


258<br />

<strong>Altlasten</strong> / <strong>Bodensanierung</strong><br />

kurzer Zeit, so dass eine kontinuierliche Sauerstoffversorgung der Mikroorganismen damit<br />

nur schwer zu realisieren ist [Stieber et al., 1999]. Diesem Problem soll durch den Einsatz<br />

spezieller Magnesiumperoxide begegnet werden [Defibaugh und Fischman, 1999].<br />

In Abb. 6-28 ist eine situ-Sanierungsmaßnahme schematisch dargestellt. In diesem Beispiel<br />

wird dem Prozesswasser Nitrat als terminaler Elektronenakzeptor zugesetzt.<br />

Abb. 6-28 Schema einer biologischen in situ-Dekontaminationsmaßnahme mit Nitrat als<br />

Elektronenakzeptor [Battermann, 1989]<br />

Nachteilig bei in situ-Dekontaminationsmaßnahmen sind die z.T. sehr langen Zeiten<br />

(1 bis 3 Jahre), die notwendig sind, um die Sanierungszielwerte zu erreichen. Problematisch<br />

ist auch, dass es durch Ausfällungen anorganischer Komponenten und/oder Massenwachstum<br />

von Mikroorganismen im Untergrund zu Verstopfungen kommen kann. In solchen Fällen<br />

werden bestimmte Bereiche des kontaminierten Erdreichs nicht oder unzureichend vom Prozesswasser<br />

durchströmt, was eine Unterversorgung der Mikroorganismen und damit einen<br />

eingeschränkten Abbau zur Folge hat [Schäfer-Treffenfeld, 1996]. Darüber hinaus können<br />

bei in situ-Maßnahmen im vergleich zu ex situ-Techniken vermehrt Verluste an zugesetzten<br />

Chemikalien auftreten: Reaktionen mit natürlichen Bodenbestandteilen verbrauchen zugesetzte<br />

Oxidationsmittel, Nährstoffe können von Mikroroganisen verbraucht werden, die nicht<br />

am Abbau der Kontaminanten beteiligt sind [Höhener et al., 1996].<br />

6.7.5 Bodenluftabsaugung<br />

Die Bodenluftabsaugung stellt ein einfaches Verfahren zur Entfernung leichtflüchtiger<br />

Schadstoffe aus der wasserungesättigten Bodenzone dar. Die dabei erhaltene kontaminierte<br />

Abluft muss anschließend gereinigt werden, was beispielsweise durch Adsorption der<br />

Schadstoffe an Aktivkohle oder durch deren katalytische bzw. thermische Oxidation erfolgen<br />

kann. Als Schadstoffe, die durch Bodenluftabsaugung aus dem Boden eliminiert werden<br />

können, kommen Stoffe in Frage, deren Dampfdruck (bei Normalbedingungen)


Dekontamination 259<br />

und deren Sättigungskonzentration mindestens 10g/m 3 beträgt [Jentzsch, 1997]. Dies trifft<br />

v.a. für leichtflüchtige Halogenkohlenwasserstoffe (LHKW), monocyclische aromatische Kohlenwasserstoffe<br />

(Benzol, Toluol, Ethylbenzol, Xylole) und niedrig siedende aliphatische Kohlenwasserstoffe<br />

(Pentan bis Oktan) zu [Bruckner et al., 1996]. Die Bodenluftabsaugung hat<br />

sich für entsprechende Schadensfälle bewährt und wird verbreitet als alleinige Maßnahme<br />

oder in Kombination mit anderen Verfahren angewandt [Anonym, 1989].<br />

6.7.5.1 Theoretische Grundlagen<br />

Für die Durchführung des Verfahrens sind boden- und schadstoffspezifische Parameter<br />

entscheidend, welche die Wechselwirkungen zwischen Boden und Schadstoffen bestimmen.<br />

Diese Wechselwirkungen werden durch folgenden Verteilungskoeffizienten beschrieben:<br />

• Henry-Konstante (H): Die Henry-Konstante beschreibt die Verteilung eines Stoffes zwischen<br />

der Gasphase und einer Lösung. Dabei wird eine lineare Abhängigkeit der beiden<br />

Konzentrationen angenommen, so dass die Henry-Konstante im Allgemeinen nur für verdünnte<br />

Lösungen und Gase gilt. Sie wird als Verhältnis des Partialdrucks im Gas und der<br />

(molaren) Konzentration in der Lösung angegeben [Fogg und Gerrard, 1990]. In der Praxis<br />

wird die Henry-Konstante auch als Verhältnis der massenbezogenen Stoffkonzentrationen<br />

im Gas und der Lösung angegeben [Bruckner et al., 1996].<br />

• Verteilungskoeffizient Boden/Wasser (KD): Die Verteilung von Stoffen zwischen Boden<br />

und Wasser wird hauptsächlich durch deren Sorption an den Boden bestimmt [Seibel et<br />

al., 1996]. Es wird von einem zweistufigen Prozess ausgegangen bei dem erst die Anlagerung<br />

des freien Stoffes an die äußere Kornoberfläche erfolgt und anschließend der weitere<br />

Transport des angelagerten Stoffes in das Porensystem [Bruckner et al., 1996]. Bodenspezifische<br />

Einflussparameter auf die Sorption gelöster Substanzen sind die Art, Konzentration,<br />

Struktur und spezifische Oberfläche der sorptiv wirksamen Bodenbestand-teile<br />

[Kästner et al., 1993]. Dabei wird zwischen anorganischen (Tonminerale) und organischen<br />

(Huminstoffe) Komponenten unterschieden [Parfitt et al., 1995; Reeves und Chudek,<br />

1998].<br />

Schadstoffspezifisch ist die Hydrophobizität der jeweiligen Substanz entscheidend.<br />

Mit abnehmender Polarität und der damit verbundenen abnehmenden Wasserlöslichkeit<br />

werden Stoffe hydrophober und somit leichter sorbierbar. Allgemein nimmt die Sorptionstendenz<br />

von Substanzen auch mit zunehmendem Molekulargewicht und abnehmendem<br />

Dampfdruck zu [Bruckner et al., 1996].<br />

• Stofftransport: Entscheidend für den Transport von Stoffen aus den Bodenporen bzw.<br />

dem Porenwasser in die Bodenluft ist die Diffusion. Sie ist unter den im Boden herrschenden<br />

Bedingungen mit der dort herrschenden Porenstruktur gegenüber der Diffusion im<br />

freien Raum behindert [Schachtschabel et al., 1992]. Zusätzlich ist die Diffusionsgeschwindigkeit<br />

vom Wassergehalt bzw. dem Anteil luftgefüllter Poren abhängig, der je nach


260<br />

<strong>Altlasten</strong> / <strong>Bodensanierung</strong><br />

Bodenart zwischen ca. 5 und 40% des Porenvolumens ausmacht. Im Wasser liegt sie um<br />

3 bis 4 Größenordnungen niedriger als in der Gasphase [Bruckner et al., 1996]. Darüber<br />

hinaus ist die Struktur und mineralogische Zusammensetzung des Untergrunds für den<br />

Stofftransport im Boden relevant.<br />

Bei der Bodenluftabsaugung wird eine künstliche Konvektionsströmung im Porenraum<br />

erzeugt, die zu einer Absenkung der im Gasraum vorhandenen Schadstoffkonzentration<br />

führt. Die Geschwindigkeit des dadurch hervorgerufene Stoffübergangs aus der<br />

flüssigen Phase wird durch den Henry-Koeffizienten bestimmt, der Transport innerhalb<br />

der Flüssigphase und der Übergang aus der festen Phase in die Lösung wird durch die<br />

Diffusion bestimmt. Er ist somit temperatur-, druck- und konzentrationsabhängig [Bruckner<br />

et al., 1996].<br />

6.7.5.2 Verfahrenstechnik<br />

Anlagen zur Bodenluftabsaugung bestehen im Wesentlichen aus den Absaugbrunnen,<br />

den Pumpen und den Einrichtungen zur Reinigung der geförderten Bodenluft. In Abb. 6-<br />

29 ist das Verfahren schematisch dargestellt.<br />

Abb. 6-29 Verfahrensschema einer Anlage zur Bodenluftabsaugung [Jentzsch, 1997]<br />

Mit den Absaugbrunnen werden Schadstoffherde in größerer Tiefe oder definierten<br />

Untergrundschichten zugänglich gemacht. Der zentrale Schadensbereich wird in der Regel<br />

durch mehrere Brunnen erschlossen. Aufgrund der Strömungswiderstände im Boden sind<br />

mehrere kleine Brunnen günstiger als ein großer, da mit ihnen bei gleichem Energieeintrag<br />

ein größerer Einzugsbereich erfasst wird. Die Position und Reichweite der Brunnen sind entscheidend<br />

für die Effizienz einer Bodenluftabsaugung. Die Position sollte im Schadenszent-


um liegen. Die Brunnen sollten<br />

Dekontamination 261<br />

möglichst tief gebohrt werden, um<br />

so das Ansaugen von Atmosphärenluft<br />

zu verhindern wodurch die<br />

Reichweite erhöht wird. Eine Oberflächenversiegelung<br />

über dem<br />

Schadenszentrum erhöht ebenfalls<br />

die Reichweite. Mitgefördertes Bodenwasser<br />

sowie Schmutzpartikel<br />

müssen vor der Pumpe in einem<br />

Wasserabscheider aus dem Luftstrom<br />

entfernt werden. Der Aufbau<br />

eines Bodenluftabsaugbrunnens ist<br />

in Abb. 6-30 dargestellt. Es ist zu<br />

beachten, dass in inhomogenen<br />

Böden gering durchlässige Bereiche<br />

(Schichten, Linsen) nicht oder<br />

nur unzureichend durchströmt wer-<br />

Abb. 6-30 Schema eines Bodenluftabsaugpegels<br />

[Jentzsch, 1997]<br />

den. Diese Bereiche können mit<br />

dem Verfahren nur gereinigt werden, wenn ein vertikaler diffusionsgetriebener Stofftransport<br />

in durchlässige Schichten stattfindet [Bruckner et al., 1996].<br />

Tab. 6-10 Zuordnung üblicherweise eingesetzter Absauganlagen zu unterschiedlichen<br />

Bodenarten (verändert nach Bruckner et al., 1996)<br />

Bodenart<br />

Kies, grobkörniger<br />

Sand<br />

Mittelkörniger<br />

bis<br />

schluffiger<br />

Sand<br />

toniger<br />

Schluff, Ton<br />

Durchlässigkeit Absaugaggregat<br />

DIN 18130 kf-Wert *<br />

(m/s)<br />

stark durchlässig<br />

> 10 -4<br />

durchlässig 10 -4 - 10 -6<br />

gering<br />

durchlässig<br />

< 10 -6<br />

Typ Volumenstrom<br />

(m 3 /h)<br />

Hochdruckventilator <br />

Seitenkanalverdichter <br />

Vakuumpumpe<br />

Unterdruck<br />

(mbar)<br />

el. Leistg.<br />

(kW)<br />

300 - 2000 max. 100 2 - 6<br />

150 - 500 max. 450 1,5 - 10<br />

25 - 400 max. 980 0,75 - 11<br />

* k f-Wert: Durchlässigkeitsbeiwert, er stellt ein Maß für den Energieverlust des Grundwassers bei der laminaren<br />

Durchströmung fester Medien dar


262<br />

<strong>Altlasten</strong> / <strong>Bodensanierung</strong><br />

Die Absauganlage muss mit ihrer Förderleistung und dem erzielbaren Unterdruck an<br />

die Bedingungen des Schadensfalls angepasst werden. Zum einen muss eine ausreichende<br />

Durchströmung des Untergrunds gewährleistet werden, zum anderen ist eine weitere Verminderung<br />

des Drucks nur solange sinnvoll, wie dadurch auch ein erhöhter Luftdurchsatz<br />

erzielt wird. Für gut durchlässige Böden sind deshalb “Hochdruckanlagen“ mit großen Luftförderleistungen<br />

geeignet, während für gering durchlässigen Untergrund Aggregate eingesetzt<br />

werden, die niedrigere Drücke erzielen, was in der Regel mit einem geringeren Luftdurchsatz<br />

verbunden ist. In Tab. 6-10 sind die üblichen Absauganlagen den entsprechenden<br />

Bodentypen zugeordnet. Bei Vorliegen brennbarer Schadstoffe müssen die Absauganlagen<br />

explosionsgeschützt ausgeführt werden.<br />

• Die abgesaugte Luft muss einer Abluftreinigung unterzogen werden. Das gewählte Verfahren<br />

hängt im Wesentlichen von der Schadstoffart, deren Konzentration in der Luft, sowie<br />

den Volumenströmen ab.<br />

Das breiteste Anwendungsspektrum weist die Adsorption an Aktivkohle auf, weshalb<br />

sie auch das meist angewandte Verfahren darstellt [Bruckner et al., 1996]. Sie ist v.a. für<br />

die Elimination unpolarer Stoffe wie Kohlenwasserstoffe und Halogenkohlenwasserstoffe<br />

geeignet. Die Aktivkohleschüttung der Adsorber kann nach der Beladung ausgetauscht<br />

und verbrannt oder vor Ort bzw. an zentraler Stelle regeneriert werden. Die Regeneration<br />

erfolgt in der Regel thermisch mit Wasserdampf oder Heißluft, es werden Temperaturen<br />

von bis zu 800°C erreicht. Um ein Durchbrechen von Schadstoffen in die gereinigte Abluft<br />

zu verhindern ist eine zwei- oder mehrstufige Adsorptionsanlage vorzusehen. Hohe Temperaturen<br />

(< 40°C) verschieben das Adsorptionsgleichgewicht und führen zu einer merklich<br />

verringerten Beladung der Kohlen und damit zu einem früheren Durchbruch der<br />

Schadstoffe in die Reinluft. Ebenso vermindern hohe Feuchtigkeitsgehalte der Abluft (><br />

50% rel. Feuchte) die Reinigungsleistung von Aktivkohleadsorbern [Bruckner et al., 1996].<br />

Eine katalytische Oxidation wird bevorzugt bei Schadstoffen mit hohem Heizwert, wie<br />

aliphatischen und aromatischen Kohlenwasserstoffen, eingesetzt. Die schadstoffhaltige<br />

Luft wird in einem Wärmetauscher erwärmt und in den mit einer Katalysatorschüttung versehenen<br />

Reaktor eingeblasen. Dort erfolgt die Oxidation der Organik zu Kohlendioxid und<br />

Wasser bei ca. 300°C. Das saubere, heiße Abgas wird über den Wärmetauscher in die<br />

Atmosphäre entlassen. Lediglich bei sehr niedrigen Schadstoffkonzentrationen oder Stoffen<br />

mit geringer Verbrennungswärme und zum Anfahren der Anlage muss extern beheizt<br />

werden. Zum Schutz des Katalysators vor Überhitzung und um Explosionen zu verhindern,<br />

müssen Maximalkonzentrationen bezüglich der Schadstoffe in der Luft eingehalten<br />

werden [Bruckner et al., 1996].<br />

Unter den gleichen schadstoffspezifischen Bedingungen wie sie für die katalytische<br />

Oxidation günstig sind, kann auch eine thermische Nachverbrennung eingesetzt werden.<br />

Biologisch leicht abbaubare Schadstoffe können durch Biofilter und leicht zu verflüssigen-


Dekontamination 263<br />

de Schadstoffe können mittels Kondensation aus der Abluft eliminiert werden [Jentzsch,<br />

1997].<br />

• Als besonders effektive Betriebsweise für eine Bodenluftabsaugung hat sich ein intermittierender<br />

Betrieb erwiesen, bei dem die Absauganlage wiederholt an- und abgeschaltet<br />

wird [Jentzsch,<br />

1997]. Dies ist auf<br />

folgenden Effekt zurückzuführen:<br />

In der<br />

Anfangsphase einer<br />

Maßnahme wird<br />

schadstoffgesättigte<br />

und somit hochbelastete<br />

Luft abgesaugt.<br />

Die Stoffkonzentration<br />

und damit<br />

die Austragsrate<br />

nimmt nach den ersten<br />

Stunden bis Wo-<br />

Abb. 6-31 Zeitlicher Verlauf der Schadstoffkonzentration in der<br />

chen rasch auf we- Luft bei einer intermittierend betriebenen Bodenluftabsaugung<br />

nige Prozente des [Jentzsch, 1997]<br />

Ausgangswertes ab<br />

[Bruckner et al., 1996], da jetzt lediglich durch Verdunstung nachgelieferte Schadstoffe in<br />

der Bodenluft vorliegen und durch die vergleichsweise hohe Strömungsgeschwindigkeit<br />

die Sättigungskonzentration nie erreicht wird. Durch das Abstellen der Absauganlage<br />

kann sich das Gleichgewicht wieder einstellen und es wird nach der erneuten Inbetriebnahme<br />

hochbelastete Luft gefördert. Der zeitabhängige Konzentrationsverlauf bei einer<br />

solchen intermittierenden Betriebsweise ist in Abb. 6-31 schematisch dargestellt. Wird<br />

nicht intermittierend gearbeitet, dann erfolgt die Sanierung nach der Anfangsphase durch<br />

Austrag niedrig kontaminierter Luft, deren Belastung durch den so genannten Verdunstungsaustrag<br />

bestimmt ist [Bruckner et al., 1996].<br />

• Bei der Thermodesorption wird das Verteilungsgleichgewicht eines sorbierten Stoffes<br />

durch Erhöhung der Bodentemperatur zur Gasphase hin verschoben. Zusätzlich wird die<br />

Diffusion desorbierter Substanzen im Untergrund beschleunigt. Dieser Effekt kann zur Effizienzsteigerung<br />

einer Bodenluftabsaugung genutzt werden. Dazu wird erwärmte Luft oder<br />

Wasserdampf in den Boden eingeblasenen [Jentzsch, 1997].<br />

Eine Kombination der Bodenluftabsaugung mit einer Grundwassersanierung stellt der<br />

Unterdruckverdampferbrunnen dar. Dabei wird ein in zwei Schichten verfiltertes Pegelrohr<br />

bis auf die Grundwassersperrschicht eingebracht. Die beiden Schichten sind im Pegel durch<br />

eine Platte voneinander getrennt, die durch ein Pumpenrohr überbrückt wird. Mit der dort


264<br />

<strong>Altlasten</strong> / <strong>Bodensanierung</strong><br />

nach oben saugenden Pumpe und<br />

durch das Anlegen eines Unterdrucks<br />

im oberen Bereich des Pegelrohrs<br />

wird eine Zirkulation des<br />

Grundwassers (im Rohr nach oben,<br />

im umliegenden Boden nach unten)<br />

erreicht. Durch ein Zuluftrohr im<br />

Pegel, das unter der Wasseroberfläche<br />

endet wird Atmosphärenluft<br />

angesaugt, die zum Strippen flüchtiger<br />

Kontaminanten aus dem<br />

Grundwasser dient. Gleichzeitig<br />

wird aus der ungesättigten Bodenzone<br />

schadstoffbelastete Bodenluft<br />

angesaugt und mit den Strippgasen<br />

nach oben transportiert. Aufgrund<br />

der Konzentrationsgradienten er- Abb. 6-32 Schematischer Aufbau eines Unterdruckfolgt<br />

eine Diffusion der Schadstoffe<br />

Verdampfer-Brunnens [Bott-Breuning und Alesi,<br />

1993]<br />

zum UVB hin. Die Reinigung der<br />

abgesaugten Luft erfolgt mit den üblichen Verfahren, wie z.B. Adsorption an Aktivkohle. In<br />

Abb. 6-32 ist das Verfahren schematisch dargestellt.<br />

6.7.6 Elektrische Verfahren<br />

Elektrische Methoden zur in situ-Dekontamination von Böden wurden in den letzten<br />

Jahren verstärkt entwickelt. Sie beruhen auf dem Schadstofftransport, der sich ergibt, wenn<br />

an den Boden ein elektrisches Feld angelegt wird. Entsprechend der transportierten Stoffe<br />

bzw. der bestimmenden Prozesse wird zwischen Elektrolyse, Elektroosmose und Elektrophorese<br />

unterschieden. Bei allen Verfahren werden Elektroden in den Boden eingebracht mit<br />

deren Hilfe ein elektrisches Feld im Boden erzeugt wird.<br />

6.7.6.1 Elektrolyse<br />

Bei der Elektrolyse werden Ionen bewegt, die sich im Grund- bzw. im Porenwasser<br />

befinden. Aufgrund der hohen Beweglichkeit der Ionen sind hier nur relativ niedrige Energieeinträge<br />

erforderlich. Das Verfahren eignet sich besonders für die Behandlung von Schwermetallkontaminationen.<br />

Die Elektroden werden dabei mit wässrigen Lösungen umspült, um<br />

so das Reaktionsmilieu im Elektrodenraum zu kontrollieren und die zur Elektrode migrierten<br />

Kontaminanten abfangen zu können [Wille, 1993].


6.7.6.2 Elektrophorese<br />

Dekontamination 265<br />

Unter Elektrophorese wird die Bewegung von Partikeln im Poren- bzw. Grundwasser<br />

verstanden. Die Teilchen übertragen Ladungen und beeinflussen so die Leitfähigkeit, das<br />

resultierende elektrische Feld und den elektroosmotischen Strom [Wille, 1993]. Das Verfahren<br />

entspricht weitgehend der Elektrolyse.<br />

6.7.6.3 Elektroosmose<br />

Bei der Elektroosmose erfolgt eine Bewegung des Wasserkörpers zur Kathode hin.<br />

Die Kontaminanten werden dabei aus dem Boden eluiert und mit dem Wasser transportiert.<br />

Bestimmende Einflussparameter sind:<br />

• Die Ladung von Ionen, deren Beweglichkeit und Hydratation<br />

• die Konzentration der Ionen im Wasser<br />

• die Viskosität der Porenlösung<br />

• die Leitfähigkeit und die Dielektrizitätskonstante der Porenlösung<br />

• die Temperatur<br />

• die Porosität und der Feuchtigkeitsgehalt des Bodens [Wille, 1993].<br />

Das Verfahren ist für ein Beispiel mit kationischen Schadstoffen schematisch in Abb. 6-33<br />

dargestellt.<br />

Abb. 6-33 Schemadarstellung der elektroosmostischen Dekontamination einer Schwermetallverunreinigung<br />

[Wille, 1993]<br />

6.7.7 Grundwassersanierung<br />

Sind Schadstoffe aus belasteten Böden in den Aquifer gelangt, so werden Maßnahmen<br />

zur Reinigung des Grundwassers notwendig. Im Grundwasser werden die Stoffe mit der<br />

Wasserströmung sehr viel leichter und schneller transportiert, als dies bei reinen Bodenkontaminationen<br />

der Fall ist. Ihre Mobilität hängt primär von ihrer Wasserlöslichkeit, ihrer Adsorbierbarkeit<br />

und der Durchlässigkeit des Aquifers ab. Wenn Trinkwasserbrunnen gefährdet<br />

sind, sind Sofortmaßnahmen erforderlich.


266<br />

<strong>Altlasten</strong> / <strong>Bodensanierung</strong><br />

Die Brunnen zur Förderung des Grundwassers sollten möglichst zentral im Kontaminationsherd<br />

angeordnet werden und die Förderleistung der Pumpen muss ausreichend hoch<br />

sein, um den gesamten kontaminierten Bereich des Grundwassers zu erfassen. Zur Reinigung<br />

des geförderten, verschmutzten Wassers werden bewährte Verfahren aus der industriellen<br />

Abwasserreinigung und der Wasseraufbereitung eingesetzt. Dabei stellt die Adsorption<br />

der Schadstoffe an Aktivkohle direkt aus dem Wasser oder nach vorherigem Strippen die<br />

am meisten angewandte Technik dar [Jentzsch, 1997].<br />

6.7.7.1 Schadstoffe<br />

Die häufigsten Grundwasserkontaminationen werden durch Mineralölkohlenwasserstoffe,<br />

aromatische Lösemittel (Toluol, Benzol, Ethylbenzol, Xylole), Phenole und chlorierte<br />

Kohlenwasserstoffe verursacht. Neben diesen organischen Kontaminanten sind verbreitet<br />

auch Schwermetalle sowie toxische Anionen (Chromat und Cyanid) als Grundwasserverunreinigungen<br />

anzutreffen [Winkler, 1996; Jentzsch, 1997].<br />

In Phase vorliegende organische Flüssigkeiten unterscheiden sich hinsichtlich ihres<br />

Verhaltens im Grundwasser entsprechend ihrer Dichte: Die spezifisch leichten Mineralölkomponenten<br />

schwimmen auf dem Wasserkörper, die dichteren Halogenverbindungen sinken<br />

auf den Grund des Aquifers (s. Kap. 6.6.3.1 bzw. Abb. 6-12 und Abb. 6-13).<br />

6.7.7.2 Adsorption<br />

Unpolare Verbindungen können direkt aus dem kontaminierten Grundwasser oder<br />

nach dem Austrag in die Gasphase (Strippen) an oberflächenreiche Festkörper adsorbiert<br />

werden. Hierfür werden ganz überwiegend Aktivkohlen (regenerierbare Kornkohle oder Pulverkohle,<br />

die nach der Beladung verbrannt wird) eingesetzt. Teilweise werden auch synthetische<br />

Adsorberharze verwendet.<br />

6.7.7.2.1 Adsorption an Aktivkohle<br />

Hydrophobe Stoffe können entweder direkt aus dem Wasser oder nach vorheriger<br />

Überführung in die Gasphase an oberflächenreiche Festkörper adsorbiert werden. Als Adsorbens<br />

werden in beiden Fällen überwiegend Aktivkohlen eingesetzt. Kornkohlen werden<br />

nach der Beladung in der Regel regeneriert, Pulverkohlen werden mit den Schadstoffen beladen<br />

verbrannt. Bei der direkten Adsorption aus dem Wasser müssen eventuell vorhandene<br />

Schwebstoffe vor dem Adsorber durch Filtration oder ein anderes geeignetes Verfahren eliminiert<br />

werden.<br />

Organische Verbindungen bilden entsprechend ihrer Struktur und der damit zusammenhängenden<br />

Hydrophobizität verschieden starke Wechselwirkungen mit Aktivkohle aus.<br />

In erster Näherung ist ein Stoff umso leichter adsorbierbar, je weniger gut wasserlöslich er<br />

ist. Neben der Bindungsstärke ist auch die Sorptionskapazität einer Aktivkohle substanzabhängig.<br />

Damit ergeben sich stoffspezifische Verteilungsgleichgewichte zwischen Lösung und<br />

Adsorbens (Adsorptionsisothermen), wie sie in Abb. 6-34 für drei Chlorkohlenwasserstoffe


Dekontamination 267<br />

dargestellt sind. Aus der Abbildung geht hervor, dass bei ca. 0,1 mg/L Tetrachlorethen in<br />

wässriger Lösung eine ca. 5%-ige Beladung der Aktivkohle resultiert, während ca.<br />

Abb. 6-34 Adsorptionsisothermen von drei leichtflüchtigen Chlorkohlenwasserstoffen aus<br />

wässriger Lösung gegenüber einer Aktivkohle [Winkler, 1996]<br />

0,2 mg/L 1,1,1-Trichlorethan lediglich zu einer spezifischen Beladung von < 1% führen.<br />

Die Beladung eines Adsorbers erfolgt allmählich von der Eintrittsseite her. Der Übergang<br />

von vollständig belegten Bereichen der Aktivkohle zu noch nicht genutzten Volumina<br />

verläuft fließend (dieser Bereich ist in Abb. 6-35 als arbeitende Schicht gekennzeichnet). Ein<br />

Durchbruch des zu adsorbierenden Stoffes in das Auslaufwasser ist somit schon vor der<br />

vollständigen Nutzung aller Bindungsoberflächen festzustellen. Zur besseren Ausnutzung<br />

der Aktivkohle können zwei Adsorber hintereinander angeordnet werden. Die zweite Stufe ist<br />

aktiv nachdem im ersten Adsorber der Durchbruch erfolgt ist. Eine Regeneration oder Neubefüllung<br />

der ersten Stufe wird nach deren vollständiger Beladung durchgeführt. Konzentrationsverlauf<br />

und die verschiedenen Bereiche eines Adsorbers sind in Abb. 6-35 dargestellt.<br />

Abb. 6-35 Adsorptionszone und Konzentrationsverlauf der adsorbierten Stoffe in Aktivkohleadsorbern<br />

[Winkler, 1996]


268<br />

<strong>Altlasten</strong> / <strong>Bodensanierung</strong><br />

Die unterschiedliche Affinität verschiedener<br />

Stoffe zur Aktivkohle kann im Fall von Stoffgemischen<br />

zu Chromatographieerscheinungen<br />

führen. Man versteht darunter den Effekt, dass<br />

leichter gebundene Stoffe früher im Ablauf der<br />

Anlage erscheinen, als stärker gebunden Substanzen.<br />

Dabei können Stoffe, die schwächere<br />

Wechselwirkungen mit der Kohle eingehen, durch<br />

Substanzen, die stärker gebunden werden, von<br />

den Oberflächen verdrängt und somit wieder desorbiert<br />

werden [Winkler, 1996]. Ein Beispiel für<br />

die technische Ausführung von Aktivkohleadsorbern<br />

ist in Abb. 6-36 dargestellt.<br />

6.7.7.2.2 Adsorption an Adsorberharze<br />

Neben den Aktivkohlen können auch unpolare<br />

synthetische Harze zur Adsorption von<br />

Schadstoffen aus Luft- und Wasserströmen eingesetzt<br />

werden. Diese Harze stellen in der Regel<br />

Copolymerisate auf Styrolbasis dar. Sie sind zur<br />

selektiven Adsorption organischer Substanzen<br />

aus wässrigen Lösungen besonders geeignet.<br />

Ihre spezifischen Oberflächen liegen im Bereich<br />

von 50 bis >1000 m 2 Abb. 6-36 Aktivkohleadsorber (Lurgi<br />

Werksfoto)<br />

/g. Die Kapazität der Harze für eine bestimmte Substanz ist stoff- und<br />

konzentrationsabhängig, mit steigender Konzentration in der Lösung nimmt die Sorptionskapazität<br />

zu [Winkler, 1996].<br />

Zur Regeneration der Harze (Desorption der Schadstoffe unter Anreicherung in der<br />

Flüssigphase) haben sich niedere Alkohole, wie Methanol, Ethanol oder Isopropanol bewährt.<br />

6.7.7.3 Strippen<br />

Unter Strippen wird das Überführen gelöster Stoffe aus dem Wasser in die Gasphase<br />

verstanden. Diese Technik ist vor allem für leichtflüchtige Schadstoffe geeignet, die entsprechend<br />

ihrer Henry-Konstante weitgehend in die Strippluft übergehen. In der Praxis wird der<br />

erforderliche intensive Kontakt zwischen Grundwasser und Luft dadurch erreicht, dass das<br />

Wasser im Kopf einer Füllkörperkolonne verdüst wird, durch die von unten Luft geleitet wird.<br />

Das Wasser und die Luft strömen somit gegenläufig. Der Luftvolumenstrom liegt beim 10- bis<br />

20-fachen des Wasservolumenstroms [Winkler, 1996].<br />

Die belastete Luft muss anschließend gereinigt werden. Dies geschieht verbreitet<br />

durch Adsorption der Schadstoffe an Aktivkohle. Die Effektivität der Schadstoffadsorption


Dekontamination 269<br />

aus der Luft hängt vom Wassergehalt der Strippluft ab, er sollte 60% rel. Feuchte nicht überschreiten<br />

[Jentzsch, 1997].<br />

Da der Übergang der Schadstoffe in die Luft einem Verteilungsgleichgewicht folgt, ist<br />

das Grundwasser nach dem Strippen nicht vollständig gereinigt. Zur Nachreinigung (“Polishing”)<br />

wird wiederum verbreitet die Aktivkohleadsorption eingesetzt [Winkler, 1996]. Eisen<br />

und Mangan werden (wie bei der Wasseraufbereitung) gefällt, wobei die anfallenden<br />

Schlämme mit den Schadstoffen belastet sind und als Sonderabfall zu entsorgen sind<br />

[Jentzsch, 1997].<br />

Nachteilig am Strippen ist die Tatsache, dass dabei das Kalk-Kohlensäuregleichgewicht<br />

des Grundwassers gestört wird und dieses Wasser in der Regel nicht wieder in den<br />

Untergrund verbracht werden darf [Winkler, 1996]. Durch die intensive Belüftung des Wassers<br />

werden nicht nur flüchtige Schadstoffe sondern auch CO2 ausgetragen, so dass das<br />

Wasser anschließend an CO2 untersättigt ist. Durch eine Kreislaufführung der Strippluft<br />

kann dieser Effekt jedoch vermieden werden. Dabei reichert sich die Luft mit Kohlendioxid<br />

an, bis das Verteilungsgleichgewicht zwischen Gas- und Wasserphase erreicht ist und kein<br />

CO2 an die Atmosphäre abgegeben wird.<br />

Vorteilhaft ist beim Strippen mit anschließender<br />

Adsorption, dass eine konkurrierende<br />

Adsorption natürlicher organischer<br />

Wasserinhaltsstoffe, wie sie bei der direkten<br />

Adsorption aus dem Grundwasser auftritt,<br />

vermieden wird.<br />

Ein Kostenvergleich zwischen der Direktadsorption<br />

aus dem Grundwasser und<br />

dem zweistufigen Verfahren Strippen/Adsorption<br />

aus der Luft ergibt, dass bei<br />

kurzen Sanierungszeiten die Direktadsorption<br />

günstiger ist. Dagegen lohnen sich die zusätzlichen<br />

Investitionskosten für den Stripper bei<br />

langen Sanierungszeiträumen, da die Be-<br />

Abb. 6-37 Kostenvergleich zwischen<br />

triebskosten beim zweistufigen Verfahren<br />

der Direktadsorption aus<br />

niedriger sind. In Abb. 6-37 sind die Ergebnis-<br />

dem Grundwasser und der<br />

se dieses Vergleiches für einen konkreten Sa-<br />

Adsorption aus Luft nach<br />

vorherigem Strippen [Winknierungsfall<br />

dargestellt.<br />

ler, 1996]<br />

6.7.7.4 Nassoxidation<br />

Bei der Nassoxidation erfolgt die Zerstörung der Schadstoffe ohne vorherige Überführung<br />

in ein anderes Medium direkt im Grundwasser. Als Oxidationsmittel werden Ozon und<br />

UV-angeregtes Wasserstoffperoxid eingesetzt. Bei vollständiger Oxidation entstehen Koh-


270<br />

<strong>Altlasten</strong> / <strong>Bodensanierung</strong><br />

lendioxid, Wasser und Halogenide. Ozon muss vor Ort in einem Ozongenerator erzeugt werden,<br />

Wasserstoffperoxid ist in wässriger Lösung lagerfähig und kann von externen Produzenten<br />

bezogen werden.<br />

Die Reaktion beruht auf dem radikalischen Angriff des Ozon bzw. der durch die UV-<br />

Bestrahlung freigesetzten Hydroxylradikale an die organischen Verbindungen. Das Verfahren<br />

ist deshalb vor allem für Substanzen mit ungesättigten Bindungen in der Molekülstruktur<br />

geeignet [Jentzsch, 1997]. Die Reaktionszeiten liegen im Bereich weniger Minuten, so dass<br />

hohe Durchsatzraten (bis 500 m 3 /h) erreichbar sind [Winkler, 1996].<br />

In den USA wird die Nassoxidation zur Grundwasseraufbereitung und zur Grundwassersanierung<br />

verbreitet eingesetzt [Winkler, 1996; Jentzsch, 1997].<br />

6.7.7.5 Ionenaustausch<br />

Ionogene Stoffe können mit synthetischen Ionenaustauschern aus dem Grundwasser<br />

entfernt werden. Als grundwasserrelevante toxische Ionen sind v.a. Chromate und Cyanide<br />

sowie Schwermetalle zu nennen.<br />

Aus Sicherheitsgründen werden grundsätzlich zwei Ionenaustauscher in Reihe betrieben,<br />

um so den Durchbruch der Kontaminanten in das gereinigte Wasser sicher zu verhindern.<br />

Zusätzlich kann die Anlage dann auch weiterarbeiten, während der erste Ionenaustauscher<br />

regeneriert wird.<br />

• Als Anionenaustauscher werden in der Regel schwach- bis mittelbasische Typen eingesetzt,<br />

die vor ihrer Verwendung mit Chlorid oder Sulfat beladen werden [Winkler, 1996].<br />

Sie dienen zur Elimination von Chromat und Cyanid aus den Wässern. Diese Anionen<br />

werden deutlich stärker gebunden als die natürlicherweise im Grundwasser vorliegenden<br />

Anionen wie, Carbonat, Nitrat, Chlorid und Sulfat. Zur Entfernung von Chromate können<br />

nur oxidationsresistente Harze verwendet werden. Die Kapazität der Harze ist pH-abhängig,<br />

sie steigt mit fallendem pH-Wert und liegt für Chromat bei ca. 30 - 45 g/l Harz (berechnet<br />

als CrO3). Ablaufkonzentrationen von deutlich kleiner 50 µg/l Chromat sind erreichbar.<br />

Die Regeneration von Anionenaustauschern erfolgt mit Natronlauge.<br />

• Als Kationenaustauscher kommen Harze zur Elimination von Schwermetallen mit Iminodiessigsäuregruppen<br />

sowie quecksilberselektive Harze mit Thioharnstoffgruppen zum<br />

Einsatz.<br />

• Die Kationenaustauscher mit Iminodiessigsäuregruppen werden bevorzugt mit Calcium<br />

beladen verwendet. Die Bindungsstärke zu einzelnen Metallionen und damit die<br />

Selektivität der Kationenaustauscher differieren entsprechend folgender Reihe:<br />

Cu 2+ > Pb + > Ni + > Zn 2+ > Co + > Cd 2+ > Fe 2+ > Mn 2+ > Ca 2+ .<br />

Die nutzbare Kapazität der Harze für Schwermetalle liegt ca. 25 bis 30 g/l Harz unter<br />

der Voraussetzung üblicher Calcium- und Magnesiumgehalte im Grundwasser. Ab-


Dekontamination 271<br />

laufkonzentrationen von < 20 µg/l für Cu, Ni, Pb und Zn sowie von < 5µg/l für Cd sind<br />

erreichbar [Winkler, 1996].<br />

Die Regeneration dieser Kationenaustauscher erfolgt in der Regel mit Salzsäure.<br />

• Quecksilberselektive Ionenaustauscher besitzen nutzbare Kapazitäten von ca. 100 g/l<br />

Harz. Die Bindung der Quecksilberionen an die Thioharnstoffgruppen ist so fest, dass<br />

eine chemische Regeneration mit Säuren nicht möglich ist. Sie kann mit einer konzentrierten<br />

Natriumsulfidlösung unter Bildung von schwerlöslichem Quecksilbersulfid<br />

erfolgen. Auch eine thermische Regeneration durch Erhitzen auf ca. 400°C ist möglich<br />

[Winkler, 1996].<br />

6.7.7.6 Verfahrenskombinationen<br />

Die alleinige Behandlung von Grundwässern ist nur dann sinnvoll, wenn kein weiterer<br />

Eintrag von Schadstoffen aus belasteten Bodenbereichen erfolgt. Dies ist in der Regel nicht<br />

gegeben. Deshalb werden Grundwassersanierungsmaßnahmen üblicherweise mit anderen<br />

in situ-Techniken kombiniert angewendet, die eine Dekontamination des Bodens zum Ziel<br />

haben. Hierfür kommen die mikrobielle Behandlung der Schadstoffe sowie die Bodenluftabsaugung<br />

in Frage. In Abb. 6-38 ist die kombinierte Anwendung einer Grundwasserreinigung<br />

durch Strippen/Adsorption und der Bodenluftabsaugung dargestellt. Bodenluft und Grundwasser<br />

werden dabei separat durch Adsorption der Schadstoffe an<br />

Aktivkohle bzw. Strippen gereinigt, das dekontaminierte Grundwasser in den Untergrund<br />

zurückgeleitet.<br />

Abb. 6-38 Kombinierte Grundwasserreinigung und Bodenluftabsaugung [Wille, 1993]


272<br />

<strong>Altlasten</strong> / <strong>Bodensanierung</strong><br />

Der im Kapitel 6.7.5 (Bodenluftabsaugung) behandelte Unterdruckverdampferbrun-<br />

nen stellt ebenfalls eine Kombination von Bodenluftabsaugung und Grundwasserbehandlung<br />

dar. Hier wird das Wasser allerdings nicht an die Oberfläche gefördert sondern in situ gereinigt.<br />

Eine weitere in situ-Grundwasserreinigungstechnik besteht im Einblasen von Druckluft<br />

in den Grundwasserleiter. Dabei werden flüchtige Stoffe gestrippt und müssen aus der<br />

Bodenluft beispielsweise durch Adsorption eliminiert werden [Jentzsch, 1997].<br />

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<strong>Altlasten</strong> / <strong>Bodensanierung</strong>

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