GeotechnischeRisikobewertung_2002_de.pdf - iC group of companies

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RISIKOANALYSE 34 SCHUBERT UND BERGMAIR: GEOTECHNISCHE RISIKOBEWERTUNG UND RISIKOMANAGEMENT Bild 2 Risikomanagement während der Bauausführung durch die Beobachtungsmethode nach EC 7. Fig. 2 Risk management during construction after the observational method according to EC 7. Bild 3 E-W Schnitt durch das Museum im Mönchsberg mit einer schematischen Darstellung der geologisch-geotechnischen Risikofaktoren: 1 – Lockermaterialähnliches Gebirge; 2 – Wasserzutritte; 3 – Keilversagen durch Großklüfte; 4 – Antreffen von natürlichen Höhlen. Fig. 3 E-W section through the museum complex with geotechnical risk factors: 1 – unconsolidated rocks, 2 – water ingress, 3 – wedge failure at geological structures and 4 – natural caves. FELSBAU 20 (2002) NR. 5 kennt, und solche, die nie erkannt wurden. Entsprechend den rechtlichen Randbedingungen und den Bedingungen des Bauvertrags tragen der Auftraggeber und der Auftragnehmer unterschiedliche Anteile am Restrisiko. Im allgemeinen trägt der Auftraggeber das Risiko der Baugrundverhältnisse und der Auftragnehmer das Risiko des detaillierten Bauverfahrens und des Ressourceneinsatzes. Für den Bereich der Sicherheit können für österreichische Verhältnisse das Risiko der Standsicherheit dem Auftraggeber und das Risiko der Arbeitssicherheit dem Auftragnehmer zugeordnet werden. Natürlich gibt es dort, wo ein Mangel an Standsicherheit die Sicherheit der Arbeitnehmer gefährden kann, eine starke Überschneidung der Verantwortung. Traditionell wurde diese Problematik zum Beispiel durch die gemeinsame Ausbaufestlegung der befugten Vertreter des Auftraggebers und Auftragnehmers im Konsens gelöst. Im Sinn der gestiegenen Anforderungen der Sicherheit im allgemeinen und der Nachvollziehbarkeit der Entscheidungsprozesse ist es heute erforderlich und sinnvoll, als Teil eines Projektmanagementsystems einen Risikomanagementplan (auch Sicherheitsplan genannt) für die Ausführung zu erstellen. Aus der Perspektive des Auftraggebers, der primär für die Standsicherheit des Bauwerks Sorge zu tragen hat, sind die Grundpfeiler des Sicherheitsplans folgende: ➮ Die Definition des erwarteten Verhaltens des Bauwerks während der Herstellung mit der Angabe von meß- oder beobachtbaren Toleranzgrenzen, ➮ Der Aufbau einer Organisation und Technik zur Überwachung der für das Verhalten des Bauwerks wichtigen Eigenschaften und Größen wie geologische Dokumentation und Vorhersage und geotechnische Messungen und deren Interpretation, ➮ Der Soll-Ist-Vergleich zwischen erwartetem Verhalten und tatsächlichem Verhalten und die Fortschreibung des erwarteten Verhaltens aufgrund von neuen Erkenntnissen, die während der Bauausführung gewonnen werden, ➮ Die dokumentierte Reaktion auf Abweichungen vom Sollverhalten, ➮ Alarmkriterien, Organisation, Schutzprioritäten und Vorgangsweisen im Krisenfall. Hier kreuzen sich heute die Wege der NÖT mit ihrem traditionellen Ansatz der Ausbaufestlegung aufgrund von Beobachtungskriterien (3) und dem anglo-amerikanischen, mehr formalen Ansatz der „observational method“ (4) und dessen Variante im Eurocode 7 (5). Im EC 7 werden für den Nachweis der Standsicherheit in der Geotechnik neben einer geeigneten Berechnung die Beobachtungsmethode, eine Probebelastung oder konstruktive Maßnahmen zugelassen. Die Beobachtungsmethode benötigt als hinreichende Bedingungen: ➮ Eine Prognose und definierte Toleranzgrenzen, ➮ Die Messungen am Bauwerk zur Bestätigung, daß das wirkliche Verhalten innerhalb der akzeptierten Grenzen liegt und ➮ Eine hinreichende Reaktionszeit bei Abweichungen für die Einleitung und Umsetzung von Korrekturmaßnahmen. Diese Systematik läßt sich sehr gut auf kritische Tunnelbauwerke während der Ausführung

anwenden (Bild 2). Besonders beachtenswert sind unseres Erachtens die Fragen der ausreichenden Reaktionszeit und der Fortschreibung des erwarteten Verhaltens. In der Realität wird man nämlich sehr häufig feststellen, daß die Prognosewerte aus der Planung während der Ausführung verletzt werden, aber genügend andere Beurteilungselemente zur Verfügung stehen, die eine ausreichende Sicherheit annehmen lassen. Deshalb müssen Instrumente vorgesehen werden, die gewährleisten, daß das erwartete Verhalten durch neue Information während der Ausführung fortgeschrieben werden kann. Diesen Zweck können direkte Messungen von Beanspruchungen, neue geeichte Rückrechnungen, neue Baugrundbewertungen und die statistische Auswertung von rezenten Meßergebnissen erfüllen. Bei konsequenter Anwendung der in Bild 2 dargestellten Vorgehensweise kann nicht nur das faktische Sicherheitsniveau bei der Ausführung eines schwierigen geotechnischen Bauwerks signifikant angehoben werden, sondern auch ein formal korrekter und hinreichender Nachweis für die Sicherheit erfolgen. Fallbeispiel Museum im Mönchsberg Das Museum im Mönchsberg beschäftigt seit etwas mehr als zehn Jahren die Salzburger Politik und die internationale Architekturszene. Der Entwurf von Professor Hans Hollein sieht einen großteils unterirdisch angelegten Museumskomplex vor, mit Ausstellungshallen, Vortragssälen, Depots, Museumsshops und diversen Infrastrukturbauten wie Zufahrtstunnels und Versorgungsschächte. Herzstück der Anlage ist die sogenannte Rotunde, ein sich nach unten verjüngender Schacht mit einem Anfangsdurchmesser von etwa 30 m. Dieses Bauteil muß nach den Vorstellungen von Professor Hollein ohne sichtbare Stützmittel oder Auskleidung bleiben, das anstehende Gebirge soll als architektonisches Element den Charakter dieses Zentralraums formen. Im Jahr 1990 wurde zu dem Museumsprojekt eine Machbarkeitsstudie erstellt, die damals ohne Erkundungsbohrungen auskommen mußte. Eine neue Studie im Jahr 2001 konnte neben den geologisch-geotechnischen Erkenntnissen vom Bau der Luftschutzstollen während des 2. Weltkriegs und der Errichtung der Parkgaragen auch auf zwei Kernbohrungen im Bereich der Rotunde und mehrere Baggerschürfe sowie auf Felslabordaten zurückgreifen. Die neue Machbarkeitsstudie 2001 sollte mehr als die Studie 1990 auf die geotechnischen Risiken des Bauvorhabens eingehen und insbesondere die Machbarkeit der freien Felsoberflächen überprüfen. Der gesamte Komplex liegt im Mönchsberg, der natürlichen westlichen Begrenzung der Altstadt Salzburgs. Der Mönchsberg ist der Rest eines nacheiszeitlichen Schotterdeltas, das durch Zementationsvorgänge zu Konglomerat verfe- SCHUBERT UND BERGMAIR: GEOTECHNISCHE RISIKOBEWERTUNG UND RISIKOMANAGEMENT stigt wurde. Im Rahmen der geotechnischen Bearbeitung des Projekts wurden folgende Risikoszenarien identifiziert (Bild 3): ➮ Örtlich gering oder nicht verfestigtes, lockergesteinsähnliches Konglomerat besitzt keine ausreichende Festigkeit. Neben den zu erwartenden Schwierigkeiten beim Ausbruch werden Verfestigungsinjektionen oder eine Oberflächenbehandlung des Konglomerats erforderlich. ➮ Wasser tritt aus den freien Felsoberflächen zu, die Folge ist unzulässig hohe Feuchtigkeit in den Besucherräumen mit hohem Klimatisierungsaufwand. ➮ Durch den ungünstigen Verschnitt von Großklüften kommt es zu Instabilitäten in Hohlraumnähe, umfangreiche Sicherungsmaßnahmen (zum Beispiel mit vorgespannten Ankern) müssen getroffen werden. ➮ Natürliche Höhlen liegen im Bereich des Ausbruchrands. Daraus resultierende Stabilitätsprobleme bedingen Verfüll- und Sicherungsarbeiten. Für die Eingangsdaten der Risikoanalyse wurden Lösungsansätze, die sich während der Bearbeitung des Projekts ergaben, berücksichtigt. So konnte für das Problem der Wasserzutritte eine innovative technische Lösung gefunden werden, die das finanzielle Risiko stark RISIKOANALYSE FELSBAU 20 (2002) NR. 5 35

RISIKOANALYSE<br />

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SCHUBERT UND BERGMAIR: GEOTECHNISCHE RISIKOBEWERTUNG UND RISIKOMANAGEMENT<br />

Bild 2 Risikomanagement<br />

während <strong>de</strong>r<br />

Bauausführung durch<br />

die Beobachtungsmetho<strong>de</strong><br />

nach EC 7.<br />

Fig. 2 Risk management<br />

during construction<br />

after the observational<br />

method<br />

according to EC 7.<br />

Bild 3 E-W Schnitt<br />

durch das Museum<br />

im Mönchsberg mit<br />

einer schematischen<br />

Darstellung <strong>de</strong>r geologisch-geotechnischen<br />

Risik<strong>of</strong>aktoren:<br />

1 – Lockermaterialähnliches<br />

Gebirge;<br />

2 – Wasserzutritte;<br />

3 – Keilversagen durch<br />

Großklüfte;<br />

4 – Antreffen von<br />

natürlichen Höhlen.<br />

Fig. 3 E-W section<br />

through the museum<br />

complex with geotechnical<br />

risk factors:<br />

1 – unconsolidated<br />

rocks,<br />

2 – water ingress,<br />

3 – wedge failure at<br />

geological structures<br />

and 4 – natural caves.<br />

FELSBAU 20 (<strong>2002</strong>) NR. 5<br />

kennt, und solche, die nie erkannt wur<strong>de</strong>n. Entsprechend<br />

<strong>de</strong>n rechtlichen Randbedingungen<br />

und <strong>de</strong>n Bedingungen <strong>de</strong>s Bauvertrags tragen<br />

<strong>de</strong>r Auftraggeber und <strong>de</strong>r Auftragnehmer unterschiedliche<br />

Anteile am Restrisiko. Im allgemeinen<br />

trägt <strong>de</strong>r Auftraggeber das Risiko <strong>de</strong>r Baugrundverhältnisse<br />

und <strong>de</strong>r Auftragnehmer das<br />

Risiko <strong>de</strong>s <strong>de</strong>taillierten Bauverfahrens und <strong>de</strong>s<br />

Ressourceneinsatzes. Für <strong>de</strong>n Bereich <strong>de</strong>r Sicherheit<br />

können für österreichische Verhältnisse<br />

das Risiko <strong>de</strong>r Standsicherheit <strong>de</strong>m Auftraggeber<br />

und das Risiko <strong>de</strong>r Arbeitssicherheit <strong>de</strong>m Auftragnehmer<br />

zugeordnet wer<strong>de</strong>n. Natürlich gibt<br />

es dort, wo ein Mangel an Standsicherheit die<br />

Sicherheit <strong>de</strong>r Arbeitnehmer gefähr<strong>de</strong>n kann,<br />

eine starke Überschneidung <strong>de</strong>r Verantwortung.<br />

Traditionell wur<strong>de</strong> diese Problematik zum Beispiel<br />

durch die gemeinsame Ausbaufestlegung<br />

<strong>de</strong>r befugten Vertreter <strong>de</strong>s Auftraggebers und<br />

Auftragnehmers im Konsens gelöst.<br />

Im Sinn <strong>de</strong>r gestiegenen Anfor<strong>de</strong>rungen <strong>de</strong>r<br />

Sicherheit im allgemeinen und <strong>de</strong>r Nachvollziehbarkeit<br />

<strong>de</strong>r Entscheidungsprozesse ist es heute<br />

erfor<strong>de</strong>rlich und sinnvoll, als Teil eines Projektmanagementsystems<br />

einen Risikomanagementplan<br />

(auch Sicherheitsplan genannt) für die Ausführung<br />

zu erstellen. Aus <strong>de</strong>r Perspektive <strong>de</strong>s<br />

Auftraggebers, <strong>de</strong>r primär für die Standsicherheit<br />

<strong>de</strong>s Bauwerks Sorge zu tragen hat, sind die<br />

Grundpfeiler <strong>de</strong>s Sicherheitsplans folgen<strong>de</strong>:<br />

➮ Die Definition <strong>de</strong>s erwarteten Verhaltens <strong>de</strong>s<br />

Bauwerks während <strong>de</strong>r Herstellung mit <strong>de</strong>r<br />

Angabe von meß- o<strong>de</strong>r beobachtbaren Toleranzgrenzen,<br />

➮ Der Aufbau einer Organisation und Technik<br />

zur Überwachung <strong>de</strong>r für das Verhalten <strong>de</strong>s<br />

Bauwerks wichtigen Eigenschaften und Größen<br />

wie geologische Dokumentation und Vorhersage<br />

und geotechnische Messungen und<br />

<strong>de</strong>ren Interpretation,<br />

➮ Der Soll-Ist-Vergleich zwischen erwartetem<br />

Verhalten und tatsächlichem Verhalten und<br />

die Fortschreibung <strong>de</strong>s erwarteten Verhaltens<br />

aufgrund von neuen Erkenntnissen, die während<br />

<strong>de</strong>r Bauausführung gewonnen wer<strong>de</strong>n,<br />

➮ Die dokumentierte Reaktion auf Abweichungen<br />

vom Sollverhalten,<br />

➮ Alarmkriterien, Organisation, Schutzprioritäten<br />

und Vorgangsweisen im Krisenfall.<br />

Hier kreuzen sich heute die Wege <strong>de</strong>r NÖT mit<br />

ihrem traditionellen Ansatz <strong>de</strong>r Ausbaufestlegung<br />

aufgrund von Beobachtungskriterien (3)<br />

und <strong>de</strong>m anglo-amerikanischen, mehr formalen<br />

Ansatz <strong>de</strong>r „observational method“ (4) und <strong>de</strong>ssen<br />

Variante im Euroco<strong>de</strong> 7 (5). Im EC 7 wer<strong>de</strong>n<br />

für <strong>de</strong>n Nachweis <strong>de</strong>r Standsicherheit in <strong>de</strong>r<br />

Geotechnik neben einer geeigneten Berechnung<br />

die Beobachtungsmetho<strong>de</strong>, eine Probebelastung<br />

o<strong>de</strong>r konstruktive Maßnahmen zugelassen. Die<br />

Beobachtungsmetho<strong>de</strong> benötigt als hinreichen<strong>de</strong><br />

Bedingungen:<br />

➮ Eine Prognose und <strong>de</strong>finierte Toleranzgrenzen,<br />

➮ Die Messungen am Bauwerk zur Bestätigung,<br />

daß das wirkliche Verhalten innerhalb <strong>de</strong>r<br />

akzeptierten Grenzen liegt und<br />

➮ Eine hinreichen<strong>de</strong> Reaktionszeit bei Abweichungen<br />

für die Einleitung und Umsetzung von<br />

Korrekturmaßnahmen.<br />

Diese Systematik läßt sich sehr gut auf kritische<br />

Tunnelbauwerke während <strong>de</strong>r Ausführung

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