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20 Jahre Heim- und Pflegedienstleitung im «Gosmergartä»<br />
Vom Bürgerheim zum Pflegeheim<br />
Nach 22 Jahren Heim- und Pflegedienstleitung im «Gosmergartä» sind Lisbeth und Edi<br />
Betschart Ende März in Pension gegangen. Was sie aus der Zeit in <strong>Bürglen</strong> mitnehmen,<br />
was sie vermissen werden und warum es gut ist, wenn Einheimische ihresgleichen pflegen<br />
– wir haben uns mit dem gebürtigen Muotathaler Ehepaar unterhalten.<br />
Sie erinnern sich noch beide gut an den<br />
Sommer 1989. Damals, im August, hat Edi<br />
Betschart als neuer Heimleiter den Umzug<br />
vom Bürgerheim ins Altersheim miterlebt.<br />
Drei Monate später kam dann auch seine<br />
Frau Lisbeth als Pflegedienstleiterin zum<br />
Team. Sie bezogen eine Dienstwohnung im<br />
Altersheim und waren seitdem die treibende<br />
Kraft des «Gosmergartä». Dass daraus über<br />
22 Jahre werden würden, das hätten die<br />
beiden Eheleute auch nicht gedacht.<br />
Zurück zu den Anfängen: Am 13. November<br />
1989 wurde das alte Bürgerheim aufgelöst<br />
und stattdessen das Alters- und Pflegeheim<br />
«Gosmergartä» eingeweiht. Damals zogen 44<br />
Bewohnerinnen und Bewohner mit in den<br />
«Gosmergartä» ein. Lisbeth Betschart erinnert<br />
sich, dass zur damaligen Zeit eine einzige<br />
Pflegeperson für 24 Menschen auf zwei<br />
Stockwerken zuständig war. Eine aussergewöhnliche<br />
Vorstellung, wenn man bedenkt,<br />
dass heute täglich acht Pflegepersonen für<br />
30 Personen im Einsatz sind. Einen Grund<br />
sieht die Pflegedienstleiterin darin, dass die<br />
Menschen heute durch die Spitex oder auch<br />
durch Angehörige so lange es geht zu Hause<br />
gepflegt werden. Entsprechend pflegebedürftiger<br />
sind sie dann beim Eintritt ins Altersheim.<br />
Auch finden heute psychisch<br />
angeschlagene Menschen eher ein zu Hause<br />
in den Pflegeheimen als früher. Im Gegenzug<br />
verzeichnen Psychiatrien einen Rückgang<br />
von älteren Patienten. «Ein Zeichen der Zeit»,<br />
meint die gelernte Psychiatrieschwester.<br />
Vor der Herausforderung «<strong>Bürglen</strong>» lebte<br />
das Ehepaar vier Jahre in Lesotho im südlichen<br />
Teil von Afrika. Sie waren dort als Entwicklungshelfer<br />
tätig. Eine prägende Zeit sei<br />
das gewesen, erzählen sie und eine Rückkehr<br />
dorthin war immer irgendwie ein<br />
Thema. Solange, bis im Jahr 2006 nach<br />
einem 3-monatigen Besuch in Lesotho der<br />
Entscheid endgültig fiel: Wir kehren wieder<br />
zurück nach <strong>Bürglen</strong>, und wir bleiben dort.<br />
Denn: «Auch hier brauchen Menschen<br />
Hilfe», meint Edi Betschart. «Man sieht es<br />
zwar nicht so vordergründig, aber auch wir<br />
im Westen haben Armut. Armut menschlicher<br />
und sozialer Art. Wir werden hier im<br />
Heim auch oft mit dem Thema Einsamkeit<br />
8 x Neues aus <strong>Bürglen</strong><br />
konfrontiert, nicht nur mit körperlichen oder<br />
psychischen Gebrechen.»<br />
Wenn Einheimische ihresgleichen pflegen<br />
Um all diese und andere Gebrechen kümmern<br />
sich nebst den Betscharts die rund 85<br />
Mitarbeitenden. Dass der «Gosmergartä» so<br />
viel einheimisches Personal beschäftigt, die<br />
ihresgleichen pflegen, ist ein grosser Vorteil.<br />
«Es ist gut, wenn Einheimische quasi ihre<br />
eigenen Mitmenschen pflegen», ist das Ehepaar<br />
Betschart überzeugt. Man verstehe<br />
den betagten Menschen manchmal einfach<br />
schon deshalb besser, weil man seine Lebens-<br />
und Verwandtengeschichte kenne. Da<br />
gebe es kein grosses Tamtam, man verstehe<br />
sich ohne grosse Worte. «Wir sind überhaupt<br />
in der glücklichen Lage, dass wir<br />
fachlich und vor allem menschlich sehr<br />
kompetentes Personal beschäftigen dürfen,»<br />
so das Heimleiterpaar. Es ist überzeugt,<br />
dass die meisten Mitarbeitenden<br />
nebst dem ordentlichen Gehalt ihre Arbeit<br />
als «zweiten Zahltag» ansehen. «Die meisten<br />
unserer Mitarbeiter sind bereit, bei Bedarf<br />
mehr zu leisten, als dass sie müssten<br />
und betrachten ihre Arbeit als persönliche<br />
Entfaltung. Das ist sehr wertvoll und macht<br />
ein gutes Alters- und Pflegeheim schlussendlich<br />
aus.» Edi Betschart hat immer Wert<br />
gelegt auf einen demokratischen Führungsstil<br />
mit dem Ziel, die Entscheidungsfähigkeit<br />
des einzelnen Mitarbeitenden zu fördern.<br />
Veränderungen<br />
Auf die Frage, was sich in den vergangenen<br />
22 Jahren am meisten verändert hätte, antwortet<br />
der Heimleiter nach einiger Überlegung:<br />
«Der ‹Gosmergartä› musste sich in den<br />
vergangenen Jahren vermehrt der Klientel<br />
anpassen». Beispielsweise im Angebot von<br />
betreuten Wohnungen oder einer geschützten<br />
Wohngruppe. Auch hat man die Wohnzimmer<br />
vergrössert oder die Pflegezimmer<br />
verändert. Inzwischen ist im «Gosmergartä»<br />
dank diesen baulichen Veränderungen eine<br />
zeitgemässe Infrastruktur vorhanden, die den<br />
heutigen Bedürfnissen gerecht wird. «Man<br />
müsste heute ganz anders planen, sowohl<br />
baulich als auch infrastrukturell. Aber das ist<br />
nicht nur im ‹Gosmergartä› so, sondern überall,<br />
wo vor über 20 Jahren gebaut wurde»,<br />
meint Edi Betschart. Das Heimleiterpaar betont<br />
aber, dass sie in all den baulichen Veränderungen<br />
immer auf eine sehr gute<br />
Zusammenarbeit mit den Behörden und dem<br />
Betriebsrat zählen durften. Besonders mit<br />
den jeweiligen Betriebsratspräsidenten – und<br />
davon gab es immerhin vier in der Geschichte<br />
des Heimleiterehepaares – fand<br />
immer wieder ein sehr gutes Einvernehmen<br />
statt. «Das ist ein wichtiges Fundament für<br />
einen funktionierenden Betrieb», so der<br />
Heimleiter.<br />
In der Natur abschalten<br />
Man spürt, wie sehr die beiden Eheleute<br />
mit dem Urnerland verwurzelt sind. Beide<br />
waren sie jahrelang gesanglich in hiesigen<br />
Vereinen engagiert, ihre drei Kinder sind<br />
hier aufgewachsen. Vor allem mit der Urner<br />
Bergwelt verbindet sie zahlreiche einzigartige<br />
Erlebnisse auf unzähligen Wander- und<br />
Skitouren. Eine bleibende Verbindung,<br />
denn «die Natur und die Berge halfen<br />
immer abzuschalten,» erzählt Edi Betschart.<br />
Und dies, obwohl er und seine Frau<br />
oft in ihrer Freizeit auf die Tätigkeit im<br />
«Gosmergartä» angesprochen wurden.<br />
«Manchmal fühlte man sich wie ein Dorfdoktor»,<br />
blickt Edi Betschart zurück. «Man<br />
war eine Art Vertrauensperson für viele Lebens-<br />
und Krankheitsgeschichten. Manche<br />
wollten auch wissen, wann denn jetzt endlich<br />
ein Platz für den Vater oder die Mutter<br />
frei würde». Das sei manchmal schon belastend<br />
gewesen. Überhaupt, ergänzt seine<br />
Frau, war die Zeit, in der die beiden Wohnung<br />
und Heim unter dem gleichen Dach<br />
teilten, nicht immer einfach. «Manchmal<br />
braucht man das Abschalten mehr,<br />
manchmal weniger. Aber in den Ferien<br />
mussten wir einfach weg. Und auch schon<br />
haben wir uns nach den Ferien in unsere<br />
Wohnung geschlichen in der Hoffnung,<br />
dass uns niemand vor Montagmorgen<br />
sieht,» schmunzelt sie.<br />
Loslassen<br />
Seit einem Jahr wohnt das Ehepaar Betschart<br />
wieder im Kanton Schwyz. Zurück<br />
zum alten Heimatland habe es die beiden<br />
wieder gezogen. Aber sie wollten auch<br />
nicht alles auf einmal im Urnerland aufgeben<br />
und hatten sich entschieden, zwei<br />
Jahre vor der Pensionierung Wohnsitz in<br />
Schwyz zu nehmen. Ein sukzessiver Abschied?<br />
«Das könnte man so sagen,»<br />
meint Edi Betschart. «Wir haben die Menschen<br />
und die Gegend hier in all den Jah-