aia 1 pdf - Slavko Kacunko

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weiter in der Geschichte zurückgehen, um ähnliche Beispiele für den
Gebrauch persönlicher Notizbücher in der ›Hypomnemata‹ der griechisch-römischen
Kultur zu finden:
Man schrieb darin Zitate nieder, Auszüge aus Büchern, Beispiele oder Geschehnisse, die
man beobachtet oder von denen man gelesen hatte, Reflexionen, die man gehört hatte oder
Gedankengänge, die einem in den Sinn kamen. Sie bildeten ein Zeugnis dessen, was man
gelesen, gehört oder gedacht hatte und stellten auf diese Weise eine Ansammlung von Schätzen
dar, die zu weiterem Nachlesen und -denken aufforderten. 17
Dies ist ein Auszug aus einem Aufsatz Michel Foucaults, in dem er
beschreibt, daß diese Form des Schreibens und Lesens weniger eine ›Erzählung
des Selbst‹ war, sondern vielmehr eine Sammlung dessen, ›was
man hatte hören oder lesen können‹, mit dem Ziel, ›das Selbst zu bilden‹.
Er zitiert Seneca in Bezug auf diese Funktion:
Wir sollten erkennen, daß, was immer wir aufgenommen haben, nicht unverändert bleiben
darf, ansonsten wird es nicht Teil von uns. Wir müssen es verdauen; sonst wird es bloß in das
Gedächtnis aufgenommen, nicht aber in die Kraft unseres Denkens. 18
XIII
Es gibt auch intime Schriften und Bilder, die nicht bewußt öffentlich
gemacht wurden, auf die man aber bisweilen zufällig stößt. Dein Herz
beginnt schneller zu schlagen. Die Röte steigt dir ins Gesicht, du schaust
und liest, du schämst dich etwas dafür, daß du in die private Welt eines anderen
eindringst, aber du liest weiter … Es muß 1963 gewesen sein, als ich
einen Sommer lang in einem besetzten Haus in Haarlem wohnte und die
Bildhauerklasse an einer neuen experimentellen Kunstakademie besuchte.
Es war ein Haus aus dem 17. oder 18. Jahrhundert, in der Stadt-
mentation findet man bei Estelle C. Jelinek: Women’s Autobiography: Essays and Criticism.
Bloomington, Indiana: Indiana University Press, 1980, S. 17.
17. Michel Foucault: ›Ethics, Subjectivity and Truth.‹ – The Essential Works of Michel Foucault,
Vol. 1. Hg. Paul Rabinow, London: Allen Lane, 1994, S. 211.
18. Ebd., S. 211f.