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39<br />
Große Messe in h-Moll<br />
Eine große Messe in h-Moll<br />
Anhand <strong>de</strong>r großen Messe in h-Moll von Bach kann das Verhältnis von Textform und <strong>musik</strong>alischer Form<br />
veranschaulicht wer<strong>de</strong>n. Darüber hinaus ist das Crucifixus Beispiel für eine Eigenbearbeitung (Kontrafaktur<br />
<strong>de</strong>s zweiten Satzes <strong>de</strong>r Kantate Weinen, Zagen, Sorgen, Klagen BWV 12, Unterrichtssheft → S. 24)<br />
sowie für eine Passacaglia (Unterrichtsheft → S. 12), die in <strong>de</strong>r Tradition herausragen<strong>de</strong>r Lamentokompositionen<br />
gesehen wer<strong>de</strong>n kann.<br />
Track 39 – Anfänge <strong>de</strong>r Ordinariumsabschnitte<br />
1. Kyrie<br />
2. Gloria<br />
3. Credo<br />
4. Benedictus<br />
5. Agnus Dei<br />
Track 40 – Crucifixus (Credo)<br />
hromatischen Durchgang (h-cis-d) an <strong>de</strong>r vierten Bassposition (fis) ein tonartenfrem<strong>de</strong>r fis-Moll-Klang erklingen<br />
fgang Ama<strong>de</strong>us Mozart, Messe in c-Moll KV 427, ›Qui tollis‹.<br />
40<br />
Der chromatische passus duriusculus abwärts (Lamentobass):<br />
ariante <strong>de</strong>s Mo<strong>de</strong>lls wird auch die Mittelstimme (Parallelführung zum Bass) chromatisiert bzw. ›gefärbt‹.<br />
Messe in h-Moll BWV 232.<br />
Herausragen<strong>de</strong> Harmonisierung zum Beginn <strong>de</strong>s zweiten Crucifixus-Abschnittes:<br />
t eine typische Generalbassaussetzung, wobei die beson<strong>de</strong>re Harmonisierung <strong>de</strong>s Basses zu zahlreichen<br />
hrt (Quintbeziehungen fin<strong>de</strong>n sich zwischen <strong>de</strong>n Harmonien H-Dur, E-Dur, A-Dur, D-Dur sowie zwischen<br />
nd E-Dur): wer<strong>de</strong>n. In diesem Sinne veranschaulicht<br />
nisierungsvariante lässt sich kontrapunktisch durch eine 5-6-Seitenbewegung zur Basstimme erklären. In <strong>de</strong>r<br />
ohne Chromatik) ist dieses Mo<strong>de</strong>ll nur gelegentlich und in sehr früher Musik anzutreffen. Aus dogmatischer Sicht<br />
armonisierungsvariante die Akzentquinten als störend empfun<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n. Eine dritte Stimme verläuft in<br />
Bass:<br />
50 Ulrich Kaiser – Johann Sebastian Bach<br />
http://www.<strong>musik</strong>theorie-aktuell.<strong>de</strong>/tutorials/lamentobass.aspx<br />
Zur Form:<br />
Musik hat keine ›richtige‹ Form, die sich voraussetzungslos beschreiben lässt. Es können nur <strong>de</strong>m <strong>musik</strong>alischen<br />
Gegenstand angemessene Beschreibungen im Dienste einer bestimmten Absicht gegeben<br />
• das erste Diagramm das Passacaglia-Prinzip bzw. die Wie<strong>de</strong>rholungen eines wie<strong>de</strong>rkehren<strong>de</strong>n<br />
Bassmo<strong>de</strong>lls sowie <strong>de</strong>n Begriff <strong>de</strong>r Reihungsform (Form durch Reihung von Abschnitten),<br />
• das zweite Diagramm die formale Be<strong>de</strong>utung von Kontrasten (polyphon-homophon) und einer<br />
Reprise für die Wahrnehmung einer Form als dreiteilig und<br />
• das dritte Diagramm die zweiteilige Form <strong>de</strong>s Textes.<br />
Die Zahlenproportionen für das zweite und dritte Formmo<strong>de</strong>ll (36:17 ≈ 2:1 bzw. 28:8:17 ≈ 3:1:2) sind nur<br />
Näherungswerte, <strong>de</strong>ren Be<strong>de</strong>utung fragwürdig ist. Es gibt vehemente Verfechter <strong>de</strong>r Ansicht, die Zahlenproportionen<br />
in Bachs Musik seien wesentlicher Bestandteil seiner Kunst. Heute gilt das Thema vielen<br />
als überschätzt. C. Ph. Emanuel Bach schrieb am 13. Januar 1775 an Forkel: Der seelige war, wie ich und<br />
alle eigentlichen Musici, kein Liebhaber, von trockenem mathematischen Zeuge. Und Walter Kolne<strong>de</strong>r<br />
resümiert zu diesem Thema: Fazit: Je<strong>de</strong> Zahl hat eine beson<strong>de</strong>re Be<strong>de</strong>utung, es kann also bei Anwendung<br />
von Zahlensymbolen nie schiefgehen, irgend etwas symbolisches muss dabei herauskommen […]. Und<br />
immer wie<strong>de</strong>r begegnet man <strong>de</strong>m gleichen Trugschluss, daß an sich richtige mathematische Verfahren<br />
<strong>musik</strong>alische o<strong>de</strong>r theologische Aussagekraft haben müssen […]. Die Pariser Nationalbibliothek besitzt<br />
ein Autograph Bachs, auf <strong>de</strong>ssen letzter Seite er Mühe hatte, zehn Zahlen, wie sie sich im Alltag ergeben,<br />
zu addieren. Das war <strong>de</strong>r ›große Rechenmeister‹ in Wirklichkeit.