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Festschrift zum 175-jährigen Jubiläum als PDF-Datei - Barmherzige ...

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1832 bis 2007


<strong>175</strong> Jahre<br />

<strong>Barmherzige</strong> Schwestern<br />

in Bayern 1832 bis 2007


Inhalt<br />

Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15<br />

Kapitel i <strong>Barmherzige</strong> Schwestern für Bayern –<br />

eine politische Entscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17<br />

Kapitel 2 Einführung der <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern am<br />

Allgemeinen Krankenhaus in München . . . . . . . . . . . . . . . 28<br />

Kapitel 3 Gründungsjahre der Kongregation in München . . . . . . . 48<br />

Kapitel 4 Erfolgreiche Entwicklung des Ordens<br />

unter Schwester Ignatia Jorth . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70<br />

Kapitel 5 Krise nach dem Tod von Schwester Ignatia . . . . . . . . . . . . 92<br />

Kapitel 6 40 Jahre Kontinuität<br />

unter Schwester M. Regina Hurler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96<br />

Kapitel 7 Die <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern und die Entwicklung<br />

der modernen Krankenpflege . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104<br />

Kapitel 8 Weitere Tätigkeitsbereiche<br />

der <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120<br />

Kapitel 9 Sondereinsätze in Zeiten von Seuchen und Kriegen . . . 136<br />

Kapitel 10 Blütezeit des Ordens zu Beginn des 20. Jahrhunderts . . 154<br />

Kapitel 11 Die <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern unter dem<br />

Nation<strong>als</strong>ozialismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183<br />

Kapitel 12 Wiederaufbau und neue Wege . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214<br />

Kapitel 13 Neue Herausforderungen für den Orden<br />

in einer säkularisierten Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245<br />

Kapitel 14 Die Kongregation heute . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 267<br />

Anhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 290<br />

Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 303<br />

Bildnachweis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 306<br />

Archivalienverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 307<br />

Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 309<br />

Anmerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 310<br />

Impressum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 319


Vorwort<br />

„Ein gutes, von Herzen kommendes, verständnisvolles<br />

Wort kann den Menschen zu Gott<br />

führen, ihm zu Geduld verhelfen, zu einem<br />

guten Sterben oder zu einem guten Leben<br />

nützlich sein.“ (Vinzenz von Paul)<br />

Mit großer Dankbarkeit und Freude feiern<br />

wir <strong>175</strong> Jahre <strong>Barmherzige</strong> Schwestern<br />

in Bayern. Wir feiern das Fest, an dem Gott<br />

die Gründung der Gemeinschaft gewollt<br />

hat. Miteinander lesen wir diese <strong>175</strong>-jährige<br />

Geschichte, die eine leuchtende Spur hinterlassen<br />

hat. Gott hat sich in seinem Großmut<br />

nicht übertreffen lassen, sein Segen begleitet die Kongregation und das Wirken<br />

der Schwestern. So dürfen wir der Vergangenheit eine Zukunft geben.<br />

Dieses <strong>Jubiläum</strong> gibt uns Anlass, aus dem Jetzt zurückzublicken, um<br />

gemeinsam in eine neue Zukunft zu gehen.<br />

Schauen wir auf den Anfang, wie alles begonnnen hat.<br />

Am 10. März 1832, nachmittags um 16.00 Uhr, kamen Schwester Ignatia<br />

Jorth und ihre Begleiterin, Schwester Apollonia Schmitt, mit der „Extrapost“<br />

von Straßburg an den Stadtrand Münchens in das Allgemeine Krankenhaus<br />

in der heutigen Ziemssenstraße vor dem Sendlinger Tor. Für König Ludwig<br />

I. war es eine Sternstunde der Geschichte Bayerns, <strong>als</strong> die beiden Schwestern<br />

auf sein fürsorgliches Bemühen hin den hingebenden Dienst an den<br />

Kranken im Geist des hl. Vinzenz in München einführten. Der Durchbruch<br />

für den neuen Beginn war geleistet. Ein Aufblühen, eine hoffnungsvolle<br />

Zukunft war geweckt und ein sichtbares Zeichen eines weltanschaulichen<br />

Wandels war markiert.<br />

Wie vielen Kranken in dieser langen Geschichte durch unsere Schwestern<br />

Hilfe geleistet worden ist, weiß nur Gott allein. Alles war ein Liebesdienst,<br />

ein Dienst der Barmherzigkeit, zu dem die Schwestern zu jeder<br />

Tages- und Nachtzeit bereit waren und sich von Gott Kraft erbaten. Der<br />

ungeheure Schatz an Barmherzigkeit, der in <strong>175</strong> Jahren gesammelt worden<br />

ist, bleibt ein Schatz der Kirche und der Menschheit und ist bei Gott nicht<br />

verloren.<br />

Papst Benedikt schreibt in seiner Enzyklika „Deus Caritas est“: „Wer<br />

zu Gott geht, geht nicht weg von den Menschen, sondern wird ihnen erst<br />

wirklich nahe.“


Vater Vinzenz rief den Schwestern immer wieder zu und sagt es uns<br />

auch heute: „Unsere Aufgabe ist das Handeln.“ Wir sollen Menschen dort<br />

abholen, wo ihr Lebensinhalt ist. Die barmherzige Liebe ist das Geheimnis<br />

der Erfolgsgeschichte der Gemeinschaft gewesen. Unser vinzentinisches<br />

Charisma gibt uns Kraft und den Mut, in die Zukunft zu gehen. Der Bau<br />

unseres neuen Mutterhauses trägt dazu bei, dass „Kloster“ und „Welt“ sich<br />

begegnen. Mit vielen Menschen und Mitarbeitern sind wir unterwegs. Entscheidend<br />

ist dabei, dass wir Gott in unserem Leben und in unsere Aufgaben<br />

einlassen – das heißt glauben. Im Glauben dürfen wir die Erfahrung seiner<br />

Gegenwart machen. Der Münchner Jesuitenpater Alfred Delp hat dies in<br />

dem bekannten Wort ausgedrückt: „Lasst uns dem Leben trauen, weil Gott<br />

es mit uns lebt.“ Gott lebt das Leben von uns Schwestern mit. Darum dürfen<br />

wir dem Leben trauen; mögen unser Alltag und der Zustand der Welt<br />

noch so düster und leidvoll sein. Die Kirche lebt, die Kongregation lebt, sie<br />

lebt, weil Christus lebt, weil er die Geschichte der <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern<br />

unaufhaltsam belebt und fortsetzt. Jede Gemeinschaft ist ein Steinchen<br />

im Mosaik des Ganzen, ein lebendiger Stein am Haus Gottes.<br />

Der hl. Vinzenz sagt in einer Konferenz am 22. September 1647 über<br />

den Auftrag seiner Töchter der Christlichen Liebe: „Der Beruf einer <strong>Barmherzige</strong>n<br />

Schwester ist eine Einladung Gottes; ihre Berufung eine Erwählung.<br />

Sie soll Gott dienen in den Armen, Kranken, Notleidenden und Hilfesuchenden<br />

und so die barmherzige Liebe den Menschen erfahrbar werden<br />

lassen.“<br />

Unser Auftrag ist nicht altmodisch, nicht überholt, nicht verstaubt, er ist<br />

heute so aktuell, so not-wendig wie dam<strong>als</strong>.<br />

Mit den vielen Schwestern, die in den vergangenen <strong>175</strong> Jahren dem<br />

Mutterhaus München angehörten, danken wir Gott, dass er immer am Ufer<br />

ihres Lebens stand und sie mit großer Herzlichkeit und Güte Gottes Licht<br />

zu den Menschen gebracht haben. Vertrauend auf die göttliche Vorsehung,<br />

die sie nicht verlässt in Dingen, die sie auf ihre Führung hin unternehmen,<br />

haben sie den Menschen gedient. Jetzt stehen sie an Gottes Seite und sind<br />

uns große Fürsprecher.<br />

Großen Dank schulden wir den Schwestern unserer Tage, die sich mit<br />

ihrer Kraft und ihrer Liebe den ihnen Anvertrauten hingeben. Vater Vinzenz<br />

und Mutter Louise sind wahre Lichtträger der Geschichte, weil sie Menschen<br />

des Glaubens, der Hoffnung und der Liebe sind. In ihren Fußstapfen<br />

gehen und arbeiten wir.<br />

Wir dürfen, wie es uns Jesus selber sagt, zur Quelle werden, von der Ströme<br />

lebendigen Wassers kommen. Aber damit wir eine solche Quelle werden,<br />

müssen wir selbst immer wieder aus der ursprünglichen Quelle bei Jesus


Christus, aus dessen geöffnetem Herzen die Liebe Gottes selbst entströmt,<br />

schöpfen, um der Bedürftigkeit unserer Zeit, dem Hunger nach Geborgenheit,<br />

der Sehnsucht nach einem erfüllten Leben und der Suche nach Gott,<br />

eine Antwort zu geben.<br />

Gemeinsam schauen wir in die Zukunft, gemeinsam gehen wir in die<br />

Zukunft.<br />

Diese Kraft schöpfen wir aus dem lebendigen Glauben an Jesus und aus<br />

einer unverbrüchlichen Hoffnung.<br />

Der hl. Vinzenz sagt: „<strong>Barmherzige</strong> Liebe erobert die Welt.“ Wann<br />

beginnt die wahre Veränderung der Welt? Das Evangelium sagt es: wenn sie<br />

die Werke der Liebe verkündet <strong>zum</strong> Tun.<br />

Heute, <strong>175</strong> Jahre nach der Gründung, zählen der Glaube der Schwestern<br />

und die Niederlassungen, in denen wir unseren vinzentinischen Auftrag<br />

erfüllen. Der Gedanke an das viele Gute, Wertvolle und Kostbare, das durch<br />

unsere Schwestern getan wurde, erfüllt uns mit großem Dank. Wie viele<br />

Segensspuren zogen unsere Schwestern in der Erfüllung des Auftrags, den<br />

ewigen Plan des göttlichen Lebens zu erfüllen, wie Vinzenz sagt:<br />

die Verherrlichung des Vaters,<br />

die Nachahmungen der Handlungen Jesu Christi,<br />

die Ausbreitung seiner Liebe auf Erden.<br />

Darum haben sie die Welt verändert. Gott hat alles gut gemacht und uns<br />

gesegnet. Heute an dem Meilenstein der langen Straße der Barmherzigkeit<br />

lassen wir uns neu von der Liebe Christi berühren, um den Weg der erbarmenden<br />

Liebe gehen zu können.<br />

Mein Dank gilt beim <strong>175</strong>-<strong>jährigen</strong> <strong>Jubiläum</strong> allen Schwestern, allen<br />

Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die das Werk unseres Vaters Vinzenz<br />

mittragen und mitgestalten.<br />

Schwester M. Theodolinde Mehltretter<br />

Generaloberin der Kongregation der <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern<br />

vom hl. Vinzenz von Paul, Mutterhaus München


„Wir danken Gott für die reiche Frucht<br />

der Barmherzigkeit“<br />

Im Jahre 1832 rief König Ludwig I. die <strong>Barmherzige</strong>n<br />

Schwestern nach München. Seit <strong>175</strong><br />

Jahren steht die Kongregation in unserem<br />

Erzbistum im Dienst der Kranken und Armen.<br />

Unzählige Menschen haben durch sie Gottes<br />

Liebe und Erbarmen erfahren, am Krankenbett,<br />

im Altenheim, in der Suppenküche oder<br />

im Kinderheim.<br />

Im Geist ihres Stifters wollen sie Jesu<br />

Gebot erfüllen: Liebet einander! Wie ich euch<br />

geliebt habe, so sollt auch ihr einander lieben“<br />

(Joh 13,34).<br />

In seiner Enzyklika „Gott ist Liebe“ schreibt der Heilige Vater: „Der<br />

Glaube, das Innewerden der Liebe Gottes, die sich im durchbohrten Herzen<br />

Jesu am Kreuz offenbart hat, erzeugt seinerseits die Liebe. Sie ist das Licht<br />

– letztlich das einzige -, das eine dunkle Welt immer wieder erhellt und Mut<br />

<strong>zum</strong> Leben und <strong>zum</strong> Handeln gibt“ (Nr. 39). Diese Worte machen deutlich,<br />

worum es den <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern in ihrem täglichen Arbeiten geht:<br />

die ihnen im Glauben innegewordene Liebe Gottes weiterzuschenken. Gott<br />

allein weiß, wieviel Licht durch den selbstlosen Dienst der Schwestern die<br />

Herzen der Kranken und Armen erhellt und ihnen neuen Mut <strong>zum</strong> Leben<br />

geschenkt hat.<br />

Das <strong>Jubiläum</strong> ist ein Fest des Dankes. Wir danken Gott für die reiche<br />

Frucht der Barmherzigkeit, die das Wirken der Schwestern in den <strong>175</strong> Jahren<br />

bei uns getragen hat. Unser aufrichtiger Dank gilt allen Mitgliedern der<br />

Kongregation, den lebenden wie den verstorbenen, für all das, was sie aus<br />

dem Glauben und christlicher Hoffnung heraus in dienender Liebe getan<br />

haben.<br />

Im Vertrauen auf den Herrn mögen die Schwestern auch weiterhin hochherzig<br />

ihren Dienst tun. Der Herr begleite sie täglich mit seinem Segen und<br />

führe sie in eine gute Zukunft.<br />

Erzbischof Friedrich Kardinal Wetter<br />

Apostolischer Administrator von München und Freising


„An vorderster Linie gegen Armut,<br />

Krankheit und Verlassenheit“<br />

Meinen herzlichen Gruß an die <strong>Barmherzige</strong>n<br />

Schwestern vom hl. Vinzenz von Paul!<br />

Zweihundertsiebzig Jahre nach der Kanonisierung<br />

des hl. Vinzenz von Paul begehen<br />

die <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern, die sich der<br />

Fortsetzung seines Dienstes widmen, ein <strong>Jubiläum</strong>,<br />

das gefeiert zu werden verdient: Seit<br />

1832 ist die Kongregation in München ansässig<br />

und wirkt von dort aus <strong>als</strong> eine unermüdliche<br />

Kraft der Nächstenliebe.<br />

Die Lebensgeschichte des hl. Vinzenz von<br />

Paul liest sich wie eine Abenteuergeschichte. Sein Werdegang vom südfranzösischen<br />

Bauernjungen <strong>zum</strong> Priester, sein Erleben von Gefangenschaft und<br />

Not in der Fremde, seine Rückkehr nach Frankreich und sein Neubeginn<br />

<strong>als</strong> ebenso leidenschaftlicher wie selbstloser Anwalt der bedingungslosen<br />

Nächstenliebe sind bis auf den heutigen Tag Inspiration und Ermutigung.<br />

Dabei stehen die <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern vom hl. Vinzenz von Paul<br />

in der vordersten Linie im Kampf gegen Armut, Krankheit und Verlassenheit.<br />

In München gehören inzwischen drei Krankenhäuser sowie fünf Alten-<br />

und Pflegeheime zur Ordensgemeinschaft.<br />

Gern möchte ich meinen Gruß an die Ordensgemeinschaft mit dem<br />

Ausdruck meines tiefen Respekts und herzlichen Dankes verbinden. Gottes<br />

reichen Segen für die Fortsetzung ihres Dienstes!<br />

Dr. Edmund Stoiber<br />

Bayerischer Ministerpräsident


„Ein Aushängeschild<br />

katholischer Caritas“<br />

Antworten zu finden auf die Nöte unserer<br />

Zeit und dabei kein zurückgezogenes Leben<br />

hinter Klostermauern zu führen, sondern dort<br />

tätig zu sein, wo das Bedürfnis nach Hilfe und<br />

Zuwendung besonders groß ist: Das haben<br />

sich die <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern vom hl.<br />

Vinzenz von Paul zur Aufgabe gemacht. Und<br />

damit geben sie gerade in München seit nunmehr<br />

<strong>175</strong> Jahren ein leuchtendes Beispiel und<br />

Vorbild.<br />

Am 10. März 1832 kamen auf ausdrücklichen<br />

Wunsch König Ludwigs I. und nach langwierigen Verhandlungen<br />

zwischen dem Münchner Magistrat und dem Mutterhaus der „Filles de<br />

la Charité“ in Straßburg Schwester Ignatia Jorth und Schwester Apollonia<br />

Schmitt in unsere Stadt und gründeten hier die Kongregation der <strong>Barmherzige</strong>n<br />

Schwestern vom hl. Vinzenz von Paul, deren Wirkungskreis bald<br />

schon das ganze Königreich Bayern umfasste. Das Zentrum des Ordens aber<br />

war und blieb München, besonders hier hat sich die Arbeit der Ordensgemeinschaft<br />

<strong>als</strong> wahrer Segen erwiesen. Der Übernahme und Reformierung<br />

der Krankenpflege im damaligen städtischen allgemeinen Krankenhaus an<br />

der heutigen Ziemssenstraße folgte 1836 zunächst der Altenpflegedienst im<br />

Heiliggeistspital, das dam<strong>als</strong> noch an der Mathildenstraße beheimatet war,<br />

und nach und nach dann auch die Leitung und der Pflegedienst in allen<br />

städtischen Altenheimen.<br />

155 Jahre lang haben sich die Ordensschwestern um die städtische Altenpflege<br />

außerordentliche Verdienste erworben, ehe der Nachwuchsmangel<br />

sie zwang, sich von den elf städtischen Altenheimen, die sie einst betreuten,<br />

Zug um Zug wieder zu verabschieden.<br />

1991 war dieser für die Stadt sehr schmerzliche „Exodus“ mit der Aufgabe<br />

des Münchner Bürgerheims an der Dall‘ Armistraße beendet.<br />

Das segensreiche Wirken der <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern vom hl. Vinzenz<br />

von Paul aber ging <strong>zum</strong>indest an den ordenseigenen Einrichtungen<br />

gottlob weiter. Auch heute betreibt die Ordensgemeinschaft eine Reihe<br />

von Krankenhäusern und Altenpflegeheimen. Dazu zählen auch das Krankenhaus<br />

Neuwittelsbach, die Maria-Theresia-Klinik und das Altenheim St.<br />

Michael in München. Und dazu zählt noch vieles andere mehr, wie z. B.<br />

auch die Adelholzener Alpenquellen GmbH, das wirtschaftliche Standbein


des Ordens, der sich so auch zu einem respektablen Arbeitgeber entwickelt<br />

hat, mit über 1500 Beschäftigten.<br />

Dabei laufen die Fäden der Ordensarbeit nach wie vor am Mutterhaus in<br />

München zusammen, das sich seit 1839 an der Nußbaumstraße befand und<br />

das nun in Berg am Laim eine neue Bleibe gefunden hat. Am 10. März 2007,<br />

auf den Tag genau <strong>175</strong> Jahre nach der Gründung des Ordens, wurde dort,<br />

wo der Orden zuvor bereits das Altenheim St. Michael sowie Wohnungen<br />

für Bedienstete und ihre Familien errichtet hat, das neue Mutterhaus feierlich<br />

eingeweiht. Damit hat die Kongregation der <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern<br />

vom hl. Vinzenz von Paul ein neues Kapitel ihrer bewegten Geschichte aufgeschlagen<br />

– an einem Ort, der dafür wie geschaffen erscheint, <strong>zum</strong>al hier<br />

schon die Straße den Namen ihres Ordensgründers trägt.<br />

Und damit bleibt mir nur noch, <strong>zum</strong> stolzen <strong>175</strong>-<strong>jährigen</strong> <strong>Jubiläum</strong> von<br />

Herzen zu gratulieren, den Schwestern und den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern<br />

für ihr aufopferungsvolles Wirken ausdrücklich zu danken und<br />

dem Orden zu wünschen, dass er auch weiterhin bleibt, was er immer war:<br />

eine Stütze des sozialen Lebens und solidarischen Miteinanders in unserer<br />

Stadt, ein Aushängeschild katholischer Caritas!<br />

Christian Ude<br />

Oberbürgermeister der Stadt München


„Kräftiger Spross am Baum der<br />

weltweiten Vinzentinischen Familie“<br />

Die Zeit war notvoll und schwer, <strong>als</strong> 1633<br />

Vinzenz von Paul und Louise von Marillac<br />

in Paris die „Töchter der christlichen Liebe“<br />

gründeten.<br />

Die Zeit war notvoll und schwer, <strong>als</strong> 1832<br />

zwei <strong>Barmherzige</strong> Schwestern aus dem Mutterhaus<br />

Straßburg nach München kamen, um<br />

hier im Geist des hl. Vinzenz im allgemeinen<br />

Krankenhaus die Lage zu verbessern.<br />

Seitdem stehen die Schwestern in Bayern<br />

im Dienst an den Menschen und geben<br />

Kunde von der erbarmenden Liebe Gottes, die den Kindern, den kranken<br />

und alten Menschen, den Armen und Einsamen, kurz allen Hilfsbedürftigen,<br />

besonders nahe ist.<br />

Diese Liebe, so sagt Vinzenz von Paul, erobert die Welt.<br />

Das hat sich buchstäblich erfüllt. Die Kongregation der <strong>Barmherzige</strong>n<br />

Schwestern vom Mutterhaus München hat sich zu einem kräftigen Spross<br />

am Baum der weltweiten Vinzentinischen Familie entwickelt, der wiederum<br />

andere Gemeinschaften ins Leben rief. Auch wir vom Mutterhaus Augsburg<br />

sind ein „Ableger“ von München.<br />

Damit auch die Verbindung zu den Wurzeln erhalten bleibt, bilden 12<br />

Kongregationen, die unmittelbar oder mittelbar vom Mutterhaus Straßburg<br />

ihren Ausgang nahmen, eine Vinzentinische Föderation.<br />

Mehr <strong>als</strong> 3000 Schwestern stehen hinter mir, wenn ich der Münchner<br />

Kongregation <strong>zum</strong> <strong>175</strong>. Bestehen sehr herzlich gratuliere.<br />

<strong>175</strong> Jahre! Das bedeutet ebenso viele Jahre pulsierendes Leben, tätige<br />

Nächstenliebe und Hingabe an Gott nach dem Vorbild des hl. Vinzenz und<br />

der hl. Louise.<br />

Wie viele Lebensschicksale wurden den Schwestern in dieser Zeit anvertraut,<br />

wie viele Menschen haben sie liebevoll begleitet. Unzählige Male<br />

durften sie dem Leben dienen, dem irdischen und dem ewigen.<br />

<strong>175</strong> Jahre! Es war eine bewegte Zeit, mit Höhen und Tiefen, Kriegen<br />

und Frieden, Wechselfällen und Wandlungen.<br />

Richtschnur bleibt – auch in die Zukunft hinein – die Spiritualität des<br />

hl. Vinzenz von Paul.<br />

Sie ist gekennzeichnet durch Offenheit für den Anruf der Zeit, verankert<br />

im Glauben an Jesus Christus und bereit zur helfenden Tat. Dabei geht es


stets um den ganzen Menschen mit Leib und Seele und mit der Würde, die<br />

ihm von Gott her zukommt.<br />

Diese Spiritualität wird nie altmodisch, „verstaubt“ oder überholt. Sie<br />

bleibt unverbraucht und wertvoll und gibt eine sinnvolle Antwort auf die<br />

Bedürftigkeit unserer Zeit, auf den Hunger nach Geborgenheit, die Sehnsucht<br />

nach erfülltem Leben und die oft unbewusste Suche nach Gott.<br />

Deshalb schulden wir den Schwestern der Münchner Kongregation<br />

unermesslichen Dank für ihr Leben nach dieser inneren Ausrichtung für<br />

Güte, Herzlichkeit und Hilfsbereitschaft für alle, die ihnen anvertraut waren<br />

und sind.<br />

So wünsche ich jeder Schwester, dass sie ihr Leben in der Nachfolge<br />

Christi weiterhin mit Freude und Zuversicht leben kann.<br />

Der Segen und die Gnade Gottes mögen auf der ganzen Gemeinschaft<br />

ruhen und der Schutz der Gottesmutter Maria möge sie begleiten.<br />

Gemeinsam wollen wir uns der göttlichen Vorsehung anvertrauen, die<br />

stets das herbei zu führen weiß, was wir brauchen.<br />

Schwester M. Michaela Lechner<br />

Generaloberin, Mutterhaus Augsburg<br />

Vorsitzende der Föderation Vinzentinischer Gemeinschaften


Einleitung<br />

I m Jahr 2007 begeht die Kongregation der <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern vom<br />

hl. Vinzenz von Paul, Mutterhaus München, ihr <strong>175</strong>-jähriges <strong>Jubiläum</strong>.<br />

Vor <strong>175</strong> Jahren, im März 1832, kamen zwei <strong>Barmherzige</strong> Schwestern aus<br />

dem Mutterhaus Straßburg nach München, um hier ein neues Mutterhaus<br />

des Ordens zu gründen. Da sich die Gründungsphase jedoch über fast ein<br />

Jahrzehnt ausdehnte, wäre auch denkbar, ein anderes Datum <strong>als</strong> Gründungsdatum<br />

zu sehen und zu feiern. So wäre das Jahr 1827, in dem der bayerische<br />

König die Gründung des Ordens in Bayern beschlossen hatte, denkbar, oder<br />

das Jahr 1830, in dem eine Novizin des Ordens zusammen mit einigen<br />

Kandidatinnen einen ersten Anfang am Allgemeinen Krankenhaus wagte.<br />

Andererseits könnte man die eigentliche Ordensgründung auch erst in der<br />

offiziellen kirchlichen oder staatlichen Anerkennung in den Jahren 1834<br />

bzw. 1835 sehen. Es hat jedoch bei den Schwestern in München schon eine<br />

sehr lange Tradition, das Jahr 1832 <strong>als</strong> eigentliches Gründungsjahr der Kongregation<br />

in Bayern zu betrachten. Von Anfang an wurde die Ankunft der<br />

zukünftigen Generaloberin und ihrer Novizenmeisterin am 10. März 1832<br />

<strong>als</strong> das entscheidende Gründungsmoment gesehen und gefeiert.<br />

Dieses <strong>Jubiläum</strong> bietet den Anlass für einen Rückblick auf die interessante,<br />

aber auch wechselvolle Geschichte der <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern in<br />

Bayern.<br />

Von König Ludwig I. aus dem Elsass nach Bayern geholt, trug dieser<br />

vinzentinische Pflegeorden entscheidend zur Entwicklung des Krankenhauswesens<br />

im 19. und 20. Jahrhundert in Bayern und in ganz besonderer<br />

Weise in München bei.<br />

Unleugbar ist seine führende Rolle bei der Entwicklung der modernen<br />

Krankenpflege. So standen die <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern mit ihren markanten<br />

Flügelhauben, die sie bis in die 1960er Jahre trugen, für das Bild<br />

der Krankenschwester schlechthin und waren aus den Krankenhäusern und<br />

Pflegeeinrichtungen viele Jahrzehnte lang in Bayern nicht weg zu denken.<br />

Doch wie viele andere Ordensgemeinschaften leiden die <strong>Barmherzige</strong>n<br />

Schwestern seit Jahrzehnten an Nachwuchsmangel, der zur Folge hatte, dass<br />

sie sich nach und nach aus den städtischen und staatlichen Krankenhäusern<br />

in Bayern zurückziehen mussten. Heute sind die noch arbeitsfähigen<br />

Schwestern fast ausschließlich in den ordenseigenen Häusern beschäftigt<br />

und werden dabei von zahlreichen weltlichen Mitarbeitern unterstützt.<br />

15


16<br />

Angebracht scheint ein Rückblick auf die Geschichte des Mutterhauses<br />

umso mehr, <strong>als</strong> mit der Verlegung des Mutterhauses aus dem Klinikviertel<br />

in der Münchner Innenstadt nach Berg am Laim im Münchner Osten eine<br />

Ära zu Ende geht. Am Jahresanfang 2007 bezogen die Schwestern ihr neu<br />

gebautes, modernes Mutterhaus in Berg am Laim. Mit diesem Schritt wollen<br />

die Schwestern ein Zeichen setzen, dass sie, trotz aller Nachwuchssorgen,<br />

im Vertrauen auf Gott Zukunft wagen wollen.<br />

Die vorliegende <strong>Festschrift</strong> möchte anhand verschiedener Themenstellungen<br />

einen kleinen Einblick geben in die Geschichte der <strong>Barmherzige</strong>n<br />

Schwestern in Bayern. Ausgehend von der spannenden Gründungsgeschichte<br />

in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts soll über die dann folgende fast<br />

unglaubliche Erfolgsgeschichte bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts ein<br />

Bogen geschlagen werden hin zu den Aktivitäten der Kongregation heute,<br />

im noch jungen 21. Jahrhundert.<br />

Erfolge, Schwierigkeiten und Wandel der Kongregation sollen auf dem<br />

jeweiligen Zeithintergrund beleuchtet und verständlich gemacht werden.<br />

Die Autorin hofft dabei aber auch, deutlich machen zu können, dass das<br />

segensvolle Wirken der Kongregation für die Menschen in Bayern getragen<br />

wurde und wird von den vielen Frauen, die im Geist ihres Gründervaters<br />

Vinzenz von Paul ihr Leben ganz in den Dienst ihrer hilfsbedürftigen Mitmenschen<br />

gestellt haben. Dabei mag, geprägt vom jeweiligen Zeitgeist, der<br />

eine oder andere Aspekt der Motivation mehr im Vordergrund gestanden<br />

haben, aber die Grundmotivation blieb immer die gleiche: die Christusnachfolge<br />

ohne Wenn und Aber durch die von Vinzenz von Paul vorgelebte<br />

Hingabe für den Nächsten.<br />

Stützen konnte sich die Autorin der <strong>Festschrift</strong> auf die seit der Gründung<br />

gemachten Aufzeichnungen des Ordens. Diese wurden zuletzt von Schwester<br />

M. Caritas Gebhardt, der erst kürzlich verstorbenen Chronistin des Mutterhauses,<br />

bearbeitet und ergänzt. Diese Fassung, die im Mutterhaus <strong>als</strong> Typoskript<br />

vorliegt, wird hier kurz <strong>als</strong> Mutterhauschronik bezeichnet. Zur Gründungsgeschichte<br />

des Ordens hat Scherer in seinem Buch <strong>zum</strong> 100-<strong>jährigen</strong><br />

<strong>Jubiläum</strong> von 1932 wichtige Vorarbeit geleistet. Für die Münchner Krankenhausgeschichte<br />

war das Buch von Kerschensteiner sehr aufschlussreich.<br />

Ausgewertet wurden zudem zahlreiche Originaldokumente aus dem<br />

hauseigenen Archiv. Aus den Anfangsjahren sind leider viele Unterlagen nur<br />

in Kopie vorhanden, da die Originale von der ersten Generaloberin ins<br />

Mutterhaus Straßburg geschickt worden sind. Ergänzend wurden Archivalien<br />

aus dem Hauptstaatsarchiv, Stadtarchiv und Erzbischöflichen Diözesanarchiv<br />

gesichtet. Als interessant erwiesen sich die Akten des ehemaligen<br />

Allgemeinen Krankenhauses im Institut für Geschichte der Medizin, die<br />

Akten des Staatsarchivs dagegen <strong>als</strong> wenig ergiebig.


Kapitel i<br />

<strong>Barmherzige</strong> Schwestern<br />

für Bayern – eine politische<br />

Entscheidung<br />

1.1. Krankenhaussituation in München<br />

vor Einführung des Ordens<br />

Um die Bedeutung der Einführung der <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern richtig<br />

einschätzen zu können, ist es unvermeidlich, die Krankenhaussituation in<br />

München vor der Einführung dieses Pflegeordens kurz zu beleuchten.<br />

Noch Ende des 18. Jahrhunderts bestand in München eine Reihe von<br />

Spitälern, die meist schon im Mittelalter <strong>als</strong> Pest- und Leprosenhäuser außerhalb<br />

der damaligen Stadtmauern entstanden waren. Die Bestimmung dieser<br />

Häuser ging schon bald über ihren ursprünglichen Zweck hinaus. Längst<br />

nahmen sie auch Kranke mit anderen, meist infektiösen Krankheiten auf,<br />

dienten teilweise <strong>als</strong> Gebäranstalten, Waisen- und Findelhäuser und bekamen<br />

vor allem große Bedeutung <strong>als</strong> so genannte Pfründneranstalten zur<br />

Versorgung alter Menschen.<br />

Das Älteste dieser Spitäler war das Heilig-Geist-Spital am heutigen Viktualienmarkt.<br />

Im Laufe der folgenden Jahrhunderte kamen das Gasteigspital,<br />

das Sondersiechenhaus in Schwabing, das Stadtbruderhaus am Kreuz,<br />

das Brechhaus und das Stadtkrankenhaus am Anger hinzu. Ergänzt wurden<br />

diese städtischen Einrichtungen im 17. und 18. Jahrhundert durch drei Stiftungen<br />

des kurfürstlichen Hofes, das Herzogspital, das Josephspital und das<br />

Hofkrankenhaus in Giesing.<br />

Aus heutiger Sicht würden wir die Zustände in diesen Spitälern in Bezug<br />

auf medizinische und pflegerische Versorgung der Kranken sicher <strong>als</strong> katastrophal<br />

bezeichnen. Dam<strong>als</strong> mag man dies nicht ganz so kritisch gesehen<br />

haben, aber wie Berichte von Zeitgenossen zeigen, empfanden auch diese<br />

schon die Situation <strong>als</strong> wenig zufrieden stellend.<br />

17


<strong>Festschrift</strong> der <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern<br />

18<br />

Erschwerend kam hinzu, dass mit diesen Spitälern die Krankenversorgung<br />

der Stadt München immer weniger gewährleistet werden konnte.<br />

Problem war weniger eine zu geringe Bettenzahl für die im 18. Jahrhundert<br />

noch relativ kleine Stadt, sondern vielmehr, dass alle diese Anstalten nur<br />

für privilegierte Bevölkerungsteile zugänglich waren. Begünstigt waren nur<br />

Menschen, die in irgendeiner Beziehung zur Stadt oder <strong>zum</strong> Hof standen,<br />

stiftungsberechtigt waren oder selbst zahlen konnten. So war es dringend<br />

notwendig, Krankenanstalten für Arme zu schaffen, die nicht stiftungsberechtigt<br />

waren, das heißt, keinen Anspruch auf ein aus irgendeinem Stiftungsfonds<br />

bezahltes Krankenbett hatten.<br />

Diese Mangelsituation erkennend, wurden Mitte des 18. Jahrhunderts<br />

der damalige Kurfürst Maximilian III. Joseph und seine Mutter Amalia aktiv.<br />

Sich im europäischen Umfeld umsehend, in dem schon längst gute Erfahrungen<br />

mit Krankenpflegeorden gemacht worden waren, entschlossen sie<br />

sich, ebenfalls Ordensleute für die Krankenpflege nach München zu holen.<br />

Dass sich in dem an Orden so reichen München bisher noch kein Orden für<br />

die Krankenpflege etabliert hatte, war ohnehin mehr <strong>als</strong> erstaunlich.<br />

Für die weibliche Krankenpflege fiel die Wahl auf die Elisabethinerinnen,<br />

die im Volksmund meist die „barmherzigen Schwestern“ genannt wurden,<br />

jedoch nicht mit den <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern vom hl. Vinzenz von<br />

Paul zu verwechseln sind. Der Orden der Elisabethinerinnen führt seine<br />

Gründung auf die hl. Elisabeth von Thüringen zurück und gehört zu den<br />

Gemeinschaften des III. Ordens vom hl. Franziskus.<br />

Für die männliche Krankenpflege wurde der Orden des hl. Johannes von<br />

Gott, kurz die <strong>Barmherzige</strong>n Brüder genannt, nach Bayern geholt.<br />

Mit Unterstützung des Kurfürsten und seiner Mutter entstanden so um<br />

<strong>175</strong>0 zwei neue Spitäler unter Ordensführung in München: das Maxspital<br />

der <strong>Barmherzige</strong>n Brüder für männliche Kranke vor dem Sendlinger Tor<br />

und in seiner nächsten Umgebung, in der heutigen Mathildenstraße, das<br />

Elisabethspital der Elisabethinerinnen für weibliche Kranke.<br />

Diese beiden neu gegründeten Spitäler stellten eine wichtige Bereicherung<br />

der Krankenhauslandschaft Münchens dar. Den Münchnern stand<br />

damit nicht nur eine deutlich höhere Zahl an Betten zur Verfügung, sondern<br />

einige Bevölkerungsschichten erhielten erst jetzt Zugang zu einer<br />

Krankenversorgung. Denn die beiden Spitäler nahmen nun auch die nicht<br />

stiftungsberechtigten Armen auf. Zudem wurden im Spital der <strong>Barmherzige</strong>n<br />

Brüder auch Menschen mit jüdischem und protestantischem Glauben<br />

versorgt.<br />

Zweifellos war mit diesen beiden Anstalten auch eine deutliche qualitative<br />

Verbesserung der Krankenpflege in München verbunden. An das<br />

in den städtischen Spitälern beschäftigte Pflegepersonal wurden keine


<strong>Barmherzige</strong> Schwestern für Bayern – eine politische Entscheidung<br />

hohen Ansprüche in Bezug auf Charakter und Ausbildung gestellt. Man<br />

musste froh sein, für die geringe Entlohnung überhaupt jemanden für den<br />

schweren Dienst zu finden. Bei den Angehörigen der beiden Krankenpflegeorden<br />

dagegen konnte man davon ausgehen, dass der Orden schon bei der<br />

Aufnahme gewisse Mindestvoraussetzungen an die charakterliche Eignung<br />

stellte. Zudem hatte ein durch einen Orden geführtes Spital den großen<br />

Vorteil, dass es auf jahrhundertelange Erfahrungen in der Krankenpflege<br />

und Organisation einer Krankenanstalt aufbauen und dieses Wissen an seine<br />

neuen Mitglieder weitergeben konnte.<br />

In zeitgenössischen Berichten über die Münchner Spitäler wird das<br />

Elisabethspital stets wegen seiner Reinlichkeit und der liebevollen Pflege<br />

durch die Schwestern lobend erwähnt. Das Maxspital trug entscheidend<br />

zur Entwicklung der Ärzteausbildung bei. So wurde dort bereits Ende des<br />

18. Jahrhunderts anatomischer und chirurgischer Unterricht erteilt und<br />

angehende Ärzte konnten dort ein für ihre Zulassung nötiges Zertifikat<br />

erwerben. Man kann somit zu Recht behaupten, dass die Einrichtung der<br />

beiden Klosterspitäler ein Meilenstein in der neuzeitlichen Entwicklung der<br />

Krankenpflege in München war.<br />

Trotz ihrer unbestreitbaren Verdienste fielen die beiden Krankenpflegeorden<br />

jedoch schon nach einem halben Jahrhundert ihres Bestehens der großen<br />

Umwälzung in Bayern Anfang des 19. Jahrhunderts, der Säkularisation,<br />

<strong>zum</strong> Opfer. Bis zu ihrer endgültigen Aufhebung am 16. März 1809 hatten<br />

sie noch vergeblich gehofft, von der Säkularisation verschont zu bleiben,<br />

was aber dem neuen Staatsverständnis des gerade entstandenen bayerischen<br />

Königreichs widersprochen hätte.<br />

Im neuen Bayern unter Max I. Joseph und seinem Minister Montgelas,<br />

in dem möglichst alle Bereiche der Gesellschaft staatlich kontrolliert werden<br />

sollten, konnte ein so wichtiger Teilbereich wie die Gesundheitsversorgung<br />

nicht außerstaatlichen, schon gar nicht kirchlichen Organisationen wie den<br />

<strong>Barmherzige</strong>n Brüdern und den Elisabethinerinnen überlassen werden: „Es<br />

kann ein so wichtiger Zweig der öffentlichen Polizeyverwaltung einem religiösen,<br />

nach ganz anderen Absichten handelnden Orden nicht willkührlich überlassen bleiben.<br />

Der Genius unseres Zeitalters scheint sich mit religiösen, aus der Vorwelt auf<br />

uns übergegangenen Instituten nicht zu vertragen.“ 1<br />

Ein Mann in München, der schon lange die Verstaatlichung des Krankenhauswesens<br />

gefordert hatte, sah sich nun mit der Aufhebung der beiden<br />

Klosterspitäler der Erfüllung seiner Ziele ein großes Stück näher gekommen:<br />

Franz Xaver Häberl, der langjährige Oberarzt am Maxspital. Häberl<br />

hatte sich, inspiriert durch seine positiven Erfahrungen am Allgemeinen<br />

Krankenhaus in Wien, schon lange mit Plänen für ein neues, in seinen<br />

Augen ideales Krankenhaus für München befasst. Er war davon überzeugt,<br />

19


<strong>Festschrift</strong> der <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern<br />

20<br />

dass München ein großes neues Krankenhaus brauchte, das nach neuesten<br />

wissenschaftlichen Erkenntnissen geplant und ausgeführt, für die allgemeine<br />

Bevölkerung zugänglich und unter der Aufsicht und Leitung des Staates<br />

stehen sollte. Häberl stieß bei der neuen Regierung auf offene Ohren.<br />

So erließ König Max I. Joseph bereits am 7. März 1808, <strong>als</strong>o noch ein<br />

Jahr vor Aufhebung des Ordens der <strong>Barmherzige</strong>n Brüder, die Anordnung,<br />

an der Stelle des alten Maxspit<strong>als</strong> vor dem Sendlinger Tor ein neues, für alle<br />

Kranken unabhängig von Geschlecht und sozialem Status offenes, <strong>als</strong>o allgemeines<br />

Krankenhaus zu errichten. Unmittelbar nach der Aufhebung des<br />

Maxspit<strong>als</strong> im Frühjahr 1809 wurde mit dem Bau des neuen Krankenhauses<br />

begonnen. Es handelte sich dabei nicht um einen völligen Neubau, wohl<br />

aber um einen sehr großzügigen Um- und Erweiterungsbau des alten Maxspit<strong>als</strong>.<br />

Der zweistöckige monumentale Bau im klassizistischen Stil erregte<br />

allgemeines Aufsehen in ganz Europa. Noch mehr <strong>als</strong> die Monumentalität<br />

des Baus sorgte die für die damalige Zeit sehr fortschrittliche Infrastruktur<br />

für allgemeine Bewunderung. Das vom kgl. Ingenieur von Reichenbach<br />

geschaffene Wasserleitungssystem und die von Franz Xaver Häberl konstruierte<br />

neue Belüftungs- und Heizungsvorrichtung galten <strong>als</strong> sensationell<br />

und zukunftsweisend. Das Allgemeine Krankenhaus in München, das nach<br />

4 Jahren Bauzeit 1813 eröffnet werden konnte, wurde lange Zeit <strong>als</strong> das<br />

ideale Krankenhaus betrachtet und diente beim Bau anderer Krankenhäuser<br />

in Deutschland <strong>als</strong> Vorbild.<br />

Durch ein königliches Reskript vom August 1813 wurden alle alten Spitäler<br />

Münchens mit Ausnahme des Gasteigspit<strong>als</strong> geschlossen und anderen<br />

Zwecken, in erster Linie der reinen Pfründnerversorgung, zugeführt. Das<br />

Das Allgemeine<br />

Krankenhaus in<br />

München um 1830<br />

(Lithographie<br />

von Carl August<br />

Lebschée)


<strong>Barmherzige</strong> Schwestern für Bayern – eine politische Entscheidung<br />

Stiftungsvermögen der alten Spitäler ging auf die neu geschaffene Krankenhausstiftung<br />

über, die die Grundlage für die Finanzierung des neuen Krankenhauses<br />

bilden sollte. Diese Finanzierungsgrundlage erwies sich jedoch<br />

schnell <strong>als</strong> unzureichend, woran die Entwicklung des Krankenhauses über<br />

Jahrzehnte litt. Als im Jahr 1818, aufgrund der Wiederbelebung der Gemeindeverfassung,<br />

der bayerische Staat das Krankenhaus der Stadt München<br />

übergab, war deshalb schon längst die Euphorie über das neue Krankenhaus<br />

einer starken Ernüchterung gewichen. Der Münchner Magistrat war alles<br />

andere <strong>als</strong> begeistert, die Zuständigkeit für diese Einrichtung zu übernehmen,<br />

von der die dafür eigens eingerichtete Krankenhauskommission nach<br />

der Inspektion nur Verheerendes zu berichten wusste.<br />

Bald schon erkannte man, dass das neue Krankenhaus nicht nur an Geldmangel<br />

litt, sondern noch weit mehr am Mangel an geeignetem Pflegepersonal.<br />

So konstatierte Simon von Häberl, immerhin neben seinem nicht<br />

verwandten Namensvetter F.X. Häberl einer der Hauptverantwortlichen für<br />

die Verstaatlichung des Krankenwesens: „Offenbar die meisten Schwierigkeiten<br />

in der öffentlichen Krankenpflege ergaben sich bisher allenthalben mit dem Wärterpersonale:<br />

Man war in die traurige Notwendigkeit versetzt, … Subjekte <strong>zum</strong><br />

Krankendienste zu suchen und anzunehmen, wie sie der Zufall darbot und wie<br />

sich Individuen dazu, gewöhnlich nur aus Mangel anderer Erwerbsquellen, geneigt<br />

finden ließen.“ 2<br />

Im königlichen Reskript vom 27.08.1813 war die Einrichtung eines<br />

staatlichen Instituts für Krankenpflege in Aussicht gestellt, jedoch nie verwirklicht<br />

worden. Der neue Krankenhausdirektor Koch, der von der Stadt<br />

<strong>als</strong> magistratischer Direktor neben dem offiziell noch bis 1828 amtierenden<br />

königlichen Direktor F.X. Häberl am Krankenhaus installiert worden war,<br />

plante deshalb eine grundlegende Neuorganisation der Pflege. Er dachte<br />

daran, eine Art weltlichen Orden für die Krankenwärterinnen einzuführen.<br />

Diese Pläne wurden in der Krankenhauskommission einige Jahre lang diskutiert,<br />

um dann doch wieder ad acta gelegt zu werden.<br />

1.2. Wende der bayerischen Kirchenpolitik<br />

unter König Ludwig I.<br />

Ihre Unzufriedenheit mit dem weltlichen Pflegepersonal führte bei nicht<br />

wenigen Ärzten und Verantwortlichen im Gesundheitsbereich zu der Erkenntnis,<br />

dass die Abschaffung der Krankenpflegeorden ein Fehler gewesen war.<br />

Der Nährboden für eine Wiedereinführung war somit vorhanden. Allerdings<br />

war unter der Regierung Max I. Joseph und seines Ministers Montgelas die<br />

Wiederherstellung von geistlichen Orden zunächst noch undenkbar.<br />

21


<strong>Festschrift</strong> der <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern<br />

König<br />

Ludwig I.<br />

von Bayern,<br />

1786 – 1868<br />

(Gemälde<br />

von Joseph<br />

Stieler)<br />

22<br />

Bewegung in die bayerische Kirchenpolitik kam erst wieder nach Ausschaltung<br />

des Einflusses von Montgelas. Max I. Joseph schlug weniger aus<br />

Überzeugung denn aus staatspolitischen Erwägungen einen etwas kirchenfreundlicheren<br />

Kurs ein und schloss mit dem Heiligen Stuhl im Jahr 1817<br />

ein Konkordat, in dem die Wiedererrichtung von Klöstern in Bayern zugesichert<br />

wurde. Allerdings ließ der König von Anfang an keinen Zweifel daran,<br />

dass das Konkordat der im Jahr 1818 erlassenen Verfassung unterzuordnen<br />

sei. Diese widersprach aber in entscheidenden Passagen dem Konkordat.<br />

Zu einer wirklichen Wende in der Kirchenpolitik kam es erst, <strong>als</strong> nach<br />

dem überraschenden Tod des ersten bayerischen Königs am 25. Oktober<br />

1825 dessen Sohn Ludwig I. die Macht übernahm. Die Berufung des eifrigen<br />

Konvertiten Eduard von Schenk, eines guten Freundes von Bischof<br />

Sailer, <strong>zum</strong> Leiter der Abteilung für kirchliche Angelegenheiten und des<br />

Unterrichtes im Innenministerium war ein deutliches Zeichen für diesen<br />

Kurswechsel. Konsequent nahm der neue König schon in seinem ersten<br />

Regierungsjahr die Wiedereinführung der aufgelösten Klöster in Angriff.<br />

Während sein Vater Max I. Joseph, geprägt von den antiklerikalen Ideen<br />

der Aufklärung, die Säkularisation in Bayern rücksichtslos durchgesetzt<br />

hatte, besaß Ludwig eine völlig andere Einstellung gegenüber Religion und<br />

Kirche. Er war stark beeinflusst durch seinen Erzieher, den katholischen<br />

Priester Joseph Anton Sambuga.<br />

Im Rahmen seines „studium<br />

generale“ bewegte sich<br />

Ludwig im Landshuter Kreis,<br />

der sich an der Landshuter<br />

Universität rund um den ehemaligen<br />

Jesuiten Sailer gebildet<br />

hatte. Sailer, von dessen religiös-romantischen<br />

Ideen er sich<br />

stark angezogen fühlte, wurde<br />

für ihn zu einem wichtigen<br />

Berater. Ludwig stand allen<br />

katholischen Orden, mit Ausnahme<br />

der Jesuiten, sehr positiv<br />

gegenüber und hatte die Zerstörung<br />

der bayerischen Klosterkultur<br />

durch die Säkularisation<br />

sehr bedauert. Nun selbst<br />

an der Macht, förderte er die<br />

Wiedererrichtung der Orden.<br />

Dabei bevorzugte er vor allem


<strong>Barmherzige</strong> Schwestern für Bayern – eine politische Entscheidung<br />

solche Orden, die ihre Aufgaben in den gesellschaftlich wichtigen Bereichen<br />

der Erziehung, Seelsorge und der Krankenpflege sahen.<br />

So mag es Prof. Johann Nepomuk von Ringseis, Leibarzt und seit der<br />

gemeinsamen Italienreise guter Freund Ludwigs, nicht schwer gefallen sein,<br />

diesen von den Vorteilen der Wiedereinführung eines Krankenpflegeordens<br />

zu überzeugen. In der medizinischen Fachwelt der damaligen Zeit hatte sich<br />

inzwischen, geprägt von dem Frauenbild der Romantik, immer mehr die<br />

Auffassung durchgesetzt, dass Frauen für die Krankenpflege grundsätzlich besser<br />

geeignet seien <strong>als</strong> männliche Pfleger. So meinte Simon von Häberl, man<br />

sei „… darüber längst einig, dass die Besorgung der Kranken, <strong>als</strong>o auch der männlichen<br />

Kranken, durch das weibliche Geschlecht einen bedeutenden Vorzug habe“. 3<br />

Kerschensteiner behauptet sogar, „dass die Krankenpflege eine ausschließliche<br />

Domäne der Frauen ist, darüber war man sich längst einig“. 4 Deshalb wurde<br />

vom König auch nur die Einführung eines weiblichen Krankenpflegeordens,<br />

nicht auch eines männlichen Pendants in Erwägung gezogen.<br />

Die Frage war nun, für welchen Frauenorden man sich entscheiden sollte.<br />

Nahe liegend wäre die Wiederherstellung des Elisabethinerinnenordens<br />

gewesen, was auch nicht wenige Münchner gerne gesehen hätten. Dass die<br />

Entscheidung schließlich zugunsten der <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern fiel, lag<br />

an einer Reihe von Faktoren.<br />

Eine wichtige Rolle spielte dabei Prof. von Ringseis, der im Frankreichfeldzug<br />

1815 bei seinem Einsatz <strong>als</strong> Arzt in einem Feldlazarett die Arbeit<br />

der <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern beobachten konnte. Stark beeindruckt vom<br />

Wirken dieser Schwestern kam er, seit 1817 <strong>als</strong> Leiter der II. Medizinischen<br />

Abteilung mit der miserablen Pflegesituation am Allgemeinen Krankenhaus<br />

konfrontiert, schon früh zu der Überzeugung, dass dieses Problem nur durch<br />

die Einführung des Ordens der <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern adäquat zu lösen<br />

wäre. Doch bei der damaligen politischen Lage sah er keine Chance, dieses<br />

Ziel durchsetzen zu können.<br />

Jetzt, da sich die politischen Rahmenbedingungen grundlegend geändert<br />

hatten, hielt er die Stunde gekommen, diese Vision zu verwirklichen. Mit<br />

seiner ganzen Überzeugungskraft trat er nun bei Ludwig I. für die Einführung<br />

der <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern ein.<br />

Ludwig selbst dürfte vinzentinisches Gedankengut geläufig gewesen sein,<br />

da sein Erzieher Sambuga ein Buch über Vinzenz von Paul veröffentlicht<br />

hatte, das Ludwig mit Sicherheit kannte. Zudem war gerade ein Buch von<br />

Clemens Brentano erschienen, das das Wirken der <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern<br />

von Nancy und Koblenz anschaulich schilderte und das deutschlandweit<br />

eine große Werbewirksamkeit für die <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern<br />

erzielte. Dieses Buch war dem König von Joseph Görres, einem dam<strong>als</strong> sehr<br />

bekannten katholischen Publizisten, wärmstens empfohlen worden. Görres<br />

23


<strong>Festschrift</strong> der <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern<br />

24<br />

selbst hatte während seines Exils in Frankreich die <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern<br />

vom hl. Vinzenz von Paul in Straßburg und die <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern<br />

vom hl. Karl Borromäus in Nancy kennen- und schätzen gelernt.<br />

Beide Kongregationen waren zwar keine vinzentinischen Gründungen<br />

im historischen Sinne, beriefen sich jedoch auf Vinzenz von Paul <strong>als</strong> ihren<br />

geistigen Gründer und folgten seinen Ideen und seiner Regel. Bei der<br />

Entscheidung für die Berufung des Ordens der <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern<br />

nach Bayern dürfte eine nicht unerhebliche Rolle gespielt haben, dass dieser<br />

Orden <strong>als</strong> vinzentinische Kongregation kein Orden im herkömmlichen<br />

Sinne war. Ludwig hoffte damit, den Gegnern der Wiedererrichtung von<br />

Klöstern etwas Wind aus den Segeln nehmen zu können und die Einrichtung<br />

eines Ordens mit weniger strengen Regeln leichter gegen die zu<br />

erwartenden Widerstände durchsetzen zu können.<br />

Bereits im Jahr 1826 ließ der König über den bayerischen Gesandten in<br />

Paris Informationen über den Orden der <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern, die<br />

Soeurs de Charité, einholen und beim Münchener Stadtmagistrat anfragen,<br />

ob die neuen Schwestern im ehemaligen Elisabethspital untergebracht<br />

werden könnten. Der Magistrat lehnte dies strikt ab, da dort seit 1823 das<br />

Heilig-Geist-Spital untergebracht war, nachdem dessen altes Gebäude der<br />

Umgestaltung des Viktualienmarktes <strong>zum</strong> Opfer gefallen war. Als Alternative<br />

brachte die Stadt zunächst das Gebäude der ehemaligen chirurgischen oder<br />

landärztlichen Schule ins Gespräch, das nach dem Umzug dieser Schule<br />

nach Landshut freigeworden war. Vorübergehend könnten die Schwestern<br />

Der hl. Vinzenz von Paul (1581 – 1660)<br />

Der am 24. April 1581 in Pouy, dem heutigen<br />

Saint-Vincent-de-Paul in Südwestfrankreich,<br />

geborene Vinzenz von Paul wuchs<br />

in einer armen und kinderreichen Familie<br />

auf. Die Eltern brachten erhebliche Opfer,<br />

um dem begabten Sohn ein Theologiestudium<br />

und den damit angestrebten<br />

sozialen und wirtschaftlichen Aufstieg<br />

zu ermöglichen. Auch Vinzenz hoffte,<br />

sich nach dem Studium eine reiche<br />

Pfarrpfründe sichern zu können, mit der<br />

er finanziell sorgenfrei hätte leben und<br />

seine Familie unterstützen können. Mit<br />

dieser Motivation für den Priesterberuf<br />

zeigte sich Vinzenz durchaus <strong>als</strong> Kind<br />

seiner Zeit. Das von politischen Unruhen<br />

stark erschütterte Frankreich hatte auch<br />

moralisch einen Tiefpunkt erreicht. Viele<br />

Geistliche sahen eine Pfarrei nur noch <strong>als</strong><br />

Mittel zur Finanzierung ihres Lebensstandards<br />

und kümmerten sich meist wenig<br />

um die Seelsorge. Nicht selten lebten<br />

sie in Paris und überließen die Sorge um<br />

ihre Pfarrkinder gegen eine geringe Entlohnung<br />

irgendwelchen theologisch und<br />

sittlich oft wenig qualifizierten Stellvertretern.<br />

Vinzenz von Paul blieb nach seiner<br />

Priesterweihe mit 19 Jahren zunächst<br />

die erhoffte reiche Pfarrpfründe versagt.<br />

Als er schließlich doch noch eine Pfarrei<br />

und die lukrative Stelle <strong>als</strong> Hauslehrer bei<br />

der einflussreichen adligen Familie de<br />

Gondi erhielt, stand für ihn bereits seine<br />

eigene materielle Sicherheit nicht mehr


<strong>Barmherzige</strong> Schwestern für Bayern – eine politische Entscheidung<br />

dieses nutzen. Als Dauerlösung<br />

allerdings wurde vorgeschlagen,<br />

für den neuen Orden den schon<br />

lange geplanten Nordflügel am<br />

Elisabethspital anzubauen.<br />

Über diesen Vorverhandlungen<br />

verging noch ein weiteres Jahr.<br />

Erst bei seinem alljährlichen Kuraufenthalt<br />

in Bad Brückenau traf<br />

König Ludwig mit dem königlichen<br />

Reskript vom 29. Juli 1827<br />

die endgültige Entscheidung für<br />

die Einführung der <strong>Barmherzige</strong>n<br />

Schwestern.<br />

Nach dieser „allerhöchsten<br />

Entschließung“ sollte der Orden<br />

der <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern in Bayern gegründet werden, um die Pflege<br />

am Allgemeinen Krankenhaus zu übernehmen: „Die wesentlichste Bestimmung<br />

der in dieses Kloster aufzunehmenden Nonnen soll in der Pflege der im<br />

Allgemeinen Krankenhaus zu München befindlichen männlichen und weiblichen<br />

Kranken bestehen.“ 5<br />

Deshalb müsse das Allgemeine Krankenhaus die Unterhaltskosten für<br />

die Nonnen übernehmen, bis sie sich selbst versorgen könnten. Das Kran-<br />

im Vordergrund. Es hatte sich ein grundlegender<br />

innerer Wandel in Vinzenz vollzogen.<br />

Nach einer Zeit der Gottessuche,<br />

die nicht frei war von Glaubenszweifeln,<br />

hatte er zu einem tiefen Glauben gefunden.<br />

Die starke Verbundenheit mit Christus<br />

ließ ihn den Auftrag Christi, in jedem<br />

seiner Mitmenschen Christus selbst zu<br />

sehen, ernst nehmen.<br />

Mit dieser gewandelten Einstellung<br />

konnte er die große Not der französischen<br />

Bevölkerung nicht länger ignorieren.<br />

Der Königliche Hof in Paris und<br />

der Adel lebten auf Kosten der bis aufs<br />

Blut ausgebeuteten unteren Bevölkerungsschichten.<br />

War die Landbevölkerung<br />

schon völlig verarmt, so war die<br />

Notlage vieler Menschen in Paris noch<br />

größer. Hier waren ganze Heere von Bett-<br />

lern, Kranken und Waisenkindern ohne<br />

jegliche Hilfe ihrem Schicksal überlassen.<br />

Vinzenz von Paul konnte sich nicht mehr<br />

an seinem persönlichen Glück und Wohlstand<br />

erfreuen, ja er wurde zunehmend<br />

unzufrieden mit sich selbst und dem von<br />

ihm eingeschlagenen Lebensweg. Da<br />

entschloss er sich, eine Kehrtwende vorzunehmen.<br />

Er wollte dem Leiden seiner<br />

Mitmenschen nicht länger tatenlos zusehen,<br />

sondern seine ganze Energie darauf<br />

verwenden, deren Not zu mildern. So gab<br />

er schließlich seine gute und lukrative<br />

Stelle <strong>als</strong> Hauslehrer auf, um sein Leben<br />

aus Liebe zu Christus ganz in den Dienst<br />

der Armen zu stellen.<br />

Um ihnen zu helfen, startete er in den<br />

folgenden Jahren eine Reihe von Initiativen.<br />

Zunächst organisierte er 1617 anläss-<br />

Hl. Vinzenz<br />

von Paul<br />

(Gemälde im<br />

Mutterhaus)<br />

>>><br />

25


<strong>Festschrift</strong> der <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern<br />

26<br />

kenhaus könne ja dafür auf längere Sicht gesehen die weltlichen Wärterinnen<br />

einsparen. Untergebracht werden sollten die Schwestern bis <strong>zum</strong><br />

geplanten Bau des Nordflügels des Elisabethspit<strong>als</strong> in der ehemaligen chirurgischen<br />

Schule. Die Elisabethkirche sollte dem Orden zur Verfügung<br />

gestellt werden.<br />

Da sich die Ordensregeln von denen der Elisabethinerinnen unterschieden<br />

und keine Ordensangehörigen in München waren, die die Regeln<br />

kannten, müssten „zu diesem Behufe drei Schwestern des in Frankreich bestehenden<br />

Krankenordens aus dem ehemaligen Elsaß oder Deutsch-Lothringen nach<br />

München berufen werden“. 6<br />

Auf wenig Begeisterung stieß das königliche Reskript beim Magistrat<br />

der Stadt München.<br />

Einen Monat nach seinem Erlass, am 29. August 1827, trat die Krankenhauskommission<br />

zusammen, der u. a. auf Magistratsseite Bürgermeister Jakob<br />

Klar und Krankenhausreferent Josef Christlmüller sowie <strong>als</strong> Vertreter des<br />

Krankenhauses Prof. von Ringseis und Krankenhausinspektor Thorr angehörten,<br />

um über die Umsetzung des königlichen Beschlusses zu beraten.<br />

Bei dieser Beratung ging es vor allem um die Unterbringungsmöglichkeit<br />

und die Unterhaltssicherung der neuen Schwestern. Die Sorge des<br />

Magistrats war groß, der Stadt- bzw. Krankenhausetat könnte durch die<br />

Einführung des Ordens zu sehr belastet werden. Die Kommission pochte<br />

deshalb auf finanzielle Absicherung und Vorleistung durch den Staat. Eine<br />

Unterbringung in der ehemaligen landärztlichen Schule wurde inzwischen<br />

lich der offensichtlichen Not einer Familie<br />

in seiner kleinen Landpfarrei, die er<br />

vor kurzem übernommen hatte, spontan<br />

eine Gemeinschaft von Laienschwestern<br />

für die Armenfürsorge, die „Confrérie<br />

de la Charité“. 1620 folgte eine entsprechende<br />

Organisation für männliche Helfer,<br />

die „Serviteurs des pauvers“. Doch<br />

nicht nur die Armenfürsorge war ihm<br />

ein Anliegen, sondern auch die Verbesserung<br />

der Seelsorge, wozu er 1625 die<br />

„Congregatio missionis“, einen Zusammenschluss<br />

von Weltpriestern, gründete.<br />

Deren Mitglieder, die auch <strong>als</strong> Lazaristen<br />

bezeichnet werden und sich selbst Vinzentiner<br />

nennen, sollten sich vor allem<br />

der Volksmission und der Fortbildung der<br />

Geistlichen annehmen. Als französischer<br />

Generalalmosenpfleger kümmerte sich<br />

Vinzenz auch um Galeerensträflinge, versuchte<br />

ihr Schicksal zu mildern und half<br />

ihnen bei der Resozialisierung. Als besonders<br />

fruchtbar erwies sich seine Zusammenarbeit<br />

mit der Witwe Louise de Gras,<br />

geborene Marillac, mit der er im Jahr 1633<br />

die „Filles de la Charité“ gründete. (Zu<br />

Luise von Marillac siehe auch Kap. 10)<br />

Diese Gemeinschaft von jungen Frauen<br />

sollte in allen Bereichen tätig werden, in<br />

denen Hilfe benötigt wurde. So betreuten<br />

sie Arme, Alte, Waisenkinder, Gefangene<br />

und Kranke, sowohl in deren Zuhause,<br />

<strong>als</strong> auch in den Spitälern. Vinzenz legte<br />

viel Wert darauf, dass sich die von ihm<br />

gegründete religiöse Frauengemeinschaft<br />

deutlich von den herkömmlichen Orden<br />

unterscheiden sollte. Besonders für die<br />

Frauenorden sah das Kirchenrecht traditi-


<strong>Barmherzige</strong> Schwestern für Bayern – eine politische Entscheidung<br />

nach erfolgter Ortsbesichtigung ausgeschlossen. Die Renovierungskosten<br />

wären zu hoch gewesen. Die Kommission schlug ein Tauschgeschäft vor: der<br />

Staat sollte den Nordflügel bauen und der Stadt, <strong>als</strong> neuem Bestandteil des<br />

alten städtischen Elisabethspit<strong>als</strong>, unentgeltlich überlassen. Dafür würde die<br />

Stadt die landärztliche Schule samt Garten dem Staat übereignen.<br />

Das neue Kloster wäre somit weiterhin Eigentum der Stadt, würde den<br />

Schwestern aber unter der Auflage der Pflege im Allgemeinen Krankenhaus<br />

mietfrei zur Benutzung zur Verfügung gestellt.<br />

Die königliche Regierung hatte inzwischen wegen der geplanten Berufung<br />

von drei <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern aus Frankreich diplomatische Verhandlungen<br />

mit den zuständigen französischen Stellen aufgenommen, die<br />

sich sehr entgegenkommend zeigten. Auch die Ordinariate in München<br />

und Straßburg waren von Anfang an mit in die Verhandlungen eingebunden<br />

und sehr an dem Gelingen des Vorhabens interessiert. Das Mutterhaus in<br />

Straßburg sah sich jedoch <strong>zum</strong> Zeitpunkt der Anfrage außerstande, Schwestern<br />

für Bayern freizustellen. Es bot allerdings alternativ an, bayerische<br />

Kandidatinnen in Straßburg auszubilden. Nach zwei Jahren könnten diese<br />

zusammen mit einer erfahrenen französischen Schwester nach München<br />

zurückkehren, um dort den Orden zu gründen.<br />

onell sehr strenge Klausurvorschriften vor.<br />

So waren die Forderungen Vinzenz’, seine<br />

neuen Frauengemeinschaften sollten sich<br />

nicht hinter die Klostermauern zurückziehen,<br />

sondern mitten im Leben wirken,<br />

für die damalige Zeit geradezu revolutionär.<br />

Er wurde nicht müde zu betonen:<br />

„Euer Kloster sind die Häuser der Kranken,<br />

euer Kreuzgang die Straßen der Stadt, eure<br />

Zellen die Mietwohnung…“. Statt einer<br />

Ordenstracht sollten die neuen Schwestern<br />

die schlichte Alltagskleidung der<br />

einfachen Bevölkerung tragen. Vinzenz<br />

wollte ursprünglich ganz auf Gelübde verzichten.<br />

Ab 1640 begannen die „Töchter<br />

der christlichen Liebe“ jedoch, Gelübde<br />

abzulegen, allerdings nicht lebenslang<br />

bindende, sondern zeitlich begrenzte, die<br />

jährlich erneuert werden konnten.<br />

*<br />

Obwohl die Statuten für die vinzentinische<br />

Gründung ganz anders waren<br />

<strong>als</strong> die der herkömmlichen Frauenorden,<br />

erreichte Vinzenz von Paul ihre Anerkennung<br />

durch den Pariser Erzbischof im<br />

Jahr 1646. Die Bestätigung durch Rom, die<br />

päpstliche Approbation dieser neuen Art<br />

von Orden, korrekterweise nach Kirchenrecht<br />

Kongregation genannt, erfolgte<br />

1668, acht Jahre nach dem Tod des Gründers<br />

(27. September 1660).<br />

Aus der Keimzelle der „Filles de la Charite“<br />

bzw. nach dem Vorbild dieser Vereinigung<br />

entwickelten sich im folgenden<br />

Jahrhundert verschiedene vinzentinische<br />

Frauengemeinschaften, die heute <strong>als</strong><br />

„<strong>Barmherzige</strong> Schwestern“ bzw. <strong>als</strong> „Vinzentinerinnen“<br />

in vielen europäischen<br />

und außereuropäischen Ländern wirken.<br />

27


28<br />

Kapitel 2<br />

Einführung der <strong>Barmherzige</strong>n<br />

Schwestern am Allgemeinen<br />

Krankenhaus in München<br />

2.1. Ausbildung bayerischer Kandidatinnen<br />

in Straßburg<br />

Im November 1827 erklärte sich der Münchner Magistrat mit dem Straßburger<br />

Vorschlag einverstanden und signalisierte seine Bereitschaft, die<br />

Kosten für Reise und Unterhalt der Kandidatinnen zu übernehmen. Das<br />

Münchner Ordinariat sollte für die Kandidatinnenauswahl zuständig sein.<br />

Es entschied sich auf Empfehlung des Spitalkaplans von Landshut für die<br />

Die <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern vom hl. Vinzenz von Paul<br />

vom Mutterhaus Strassburg<br />

Die Straßburger <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern<br />

gehen nicht auf eine direkte Gründung<br />

des hl. Vinzenz zurück. Sie verdanken<br />

die Entstehung ihrer Kongregation einer<br />

Initiative des damaligen Bischofs von<br />

Straßburg, Armand Gaston von Rohan.<br />

Dieser hatte in seiner zusätzlichen Funktion<br />

<strong>als</strong> königlicher Generalalmosenpfleger<br />

einen guten Einblick in die Zustände<br />

an den französischen Krankenhäusern.<br />

Angetan vom Wirken der <strong>Barmherzige</strong>n<br />

Schwestern in vielen der Häuser, wünschte<br />

er sie auch für die Spitäler seines Bistums.<br />

Da er deutschsprachige Schwestern für<br />

das Elsass brauchte, konnte er nicht einfach<br />

französische Schwestern aus den<br />

bestehenden Kongregationen in sein Bistum<br />

holen. So schickte Bischof von Rohan<br />

1732 fünf Elsässerinnen zur Ausbildung zu<br />

den „Töchtern des hl. Paulus“ nach Chartres.<br />

Nach zwei Jahren kehrten vier von<br />

ihnen zurück und übernahmen die Pflege<br />

im Spital in Zabern, der Residenzstadt des<br />

Straßburger Bischofs. Zunächst lebten sie<br />

nach der von Chartres übernommenen<br />

Regel. Durch ihren Superior Jean-Jean<br />

beeinflusst, begeisterten sich die Schwestern<br />

so für Werk und Idee des 1737 heilig<br />

gesprochenen Vinzenz von Paul, dass sie<br />

beschlossen, ihn <strong>als</strong> eigentlichen Gründer<br />

ihrer Kongregation zu betrachten. Die<br />

vom Superior ausgearbeitete neue vin-


Einführung der <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern am Krankenhaus in München<br />

32-jährige Anna Sager und die 29-jährige Therese Frisch, die beide schon<br />

etwas Erfahrung <strong>als</strong> Krankenhausmägde vorweisen konnten. Nachdem sich<br />

auch Prof. von Ringseis <strong>als</strong> Vertreter des Krankenhauses mit dieser Wahl<br />

einverstanden erklärt und die Königliche Regierung Anfang März 1828 die<br />

Reisegenehmigung ausgestellt hatte, vereinbarte der Münchner Weihbischof<br />

Ignaz von Streber mit Generalvikar Bruno Liebermann, seinem Ansprechpartner<br />

im Straßburger Ordinariat, die genauen Reisemodalitäten.<br />

Ende März 1828 war es endlich soweit. Die beiden Kandidatinnen<br />

machten sich auf den im damaligen Postkutschenzeitalter sehr langen und<br />

beschwerlichen Weg von München nach Straßburg. Für die beiden jungen<br />

Frauen vom Land war diese Reise ins Ausland ein großes Wagnis, das viel<br />

Mut erforderte. Sie wussten nicht, was sie in dem fremden Land, dessen<br />

Sprache sie nicht einmal beherrschten, erwarten würde. Niemand konnte<br />

ihnen garantieren, ob sie im Orden Aufnahme finden würden und die<br />

Gründung des Ordens in ihrem Heimatland gelingen würde.<br />

Dennoch wagten sie diesen Schritt und fuhren am Sonntag, 30. März<br />

1828, um 6.00 Uhr in der Früh von München ab. Da sie mit einem Eilwagen<br />

unterwegs waren, einer Postkutsche, die auch die Nächte durchfuhr,<br />

gelangten sie schon am Dienstag, 1. April, an ihr Ziel. Der Straßburger<br />

Generalvikar Liebermann bestätigte in einem Schreiben an Dompropst<br />

von Streber vom 5. April die Ankunft der bayerischen Kandidatinnen und<br />

brachte seine Zuversicht <strong>zum</strong> Ausdruck, dass das Projekt gelingen würde:<br />

„Ich zweifle nicht, die frommen Schwestern vom hl. Vinzenz von Paulo werden<br />

zentinische Regel erhielt 1760 die bischöfliche<br />

Approbation. Die Schwestern nannten<br />

sich fortan nach ihrem spirituellen<br />

Vater „<strong>Barmherzige</strong> Schwestern vom hl.<br />

Vinzenz von Paul“.<br />

Von Zabern breitete sich die Kongregation<br />

zunächst nur langsam im Elsass aus.<br />

So übernahm sie die Pflege in den Spitälern<br />

in Hagenau und Schlettstadt. Die<br />

französische Revolution brachte eine sehr<br />

schwere Zeit für sie. Einige Schwestern<br />

kamen ums Leben oder wurden deportiert.<br />

Andere gingen wieder nach Hause<br />

und warteten ab. Ein Teil aber entschloss<br />

sich, mit dem Straßburger Bischof in seine<br />

rechtsrheinischen Besitzungen ins Exil<br />

zu gehen. Dort wurden sie in den Spitälern<br />

von Mannheim, Ettenheim und Freiburg<br />

tätig. Nachdem Napoleon 1801 ein<br />

Konkordat mit der katholischen Kirche<br />

geschlossen hatte, wendete sich das Blatt.<br />

Napoleon hatte erkannt, dass er die <strong>Barmherzige</strong>n<br />

Schwestern für die Pflege in den<br />

französischen Spitälern brauchte, da er keinen<br />

gleichwertigen Ersatz zur Verfügung<br />

hatte. 1808 erließ der französische Kaiser<br />

ein Statut, mit dem er den Schwestern in<br />

den Spitälern die staatliche Genehmigung<br />

erteilte. Schon 1804 hatten die Straßburger<br />

Schwestern den Neuanfang in Zabern<br />

gewagt, wobei sie sich über einen großen<br />

Andrang an Kandidatinnen freuen konnten.<br />

Als nun mit der staatlichen Genehmigung<br />

Rechtssicherheit gegeben war,<br />

übernahm die Kongregation auch die Spitäler<br />

in Hagenau und Straßburg. Die Wahl<br />

der jungen Schwester Vinzenz Sultzer im<br />

Jahr 1813 zur Generaloberin erwies sich >>><br />

29


<strong>Festschrift</strong> der <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern<br />

30<br />

sich alle Mühe geben, die beyden Zöglinge zu bilden, und sie mit dem Wesen dieses<br />

vortrefflichen Institutes bekannt zu machen und dadurch den frommen Absichten<br />

Ihrer Majestät ihres liebenswürdigen Königs zu entsprechen.“ 7<br />

Auch die Generaloberin der <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern von Straßburg,<br />

Schwester Vinzenz Sultzer, schrieb am 18. April 1828 an den städtischen<br />

Magistrat, die beiden seien wohlbehalten angekommen und seien guter<br />

Dinge, allerdings auch etwas ängstlich im Hinblick auf die große Aufgabe,<br />

die sie erfüllen sollten. Schwester Vinzenz stellte in diesem Brief richtig,<br />

dass die Straßburger Schwestern nicht Schwestern vom hl. Karl Borromäus<br />

seien, sondern Schwestern vom hl. Vinzenz von Paul. Der Magistrat und<br />

die Regierung hatten die Straßburger Schwestern mit den Schwestern in<br />

Nancy verwechselt und mehrfach f<strong>als</strong>ch tituliert. Eine Kostenaufstellung für<br />

die beiden Kandidatinnen legte sie bei.<br />

Auf dieses Schreiben antwortete der Magistrat monatelang nicht. Dabei<br />

hatte die Generaloberin ursprünglich gehofft, dass ein Vertreter des Magistrats<br />

nach Straßburg kommen würde, um vor Ort das weitere Vorgehen zur<br />

Einführung der <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern mündlich zu besprechen. Erst im<br />

August kam eine kurze Bestätigung des Magistrats, dass er die Kosten übernehmen<br />

werde. Die Zahlung selbst ließ allerdings weiter auf sich warten.<br />

Trotz dieser Ignoranz vonseiten des Münchner Magistrats erfüllten die<br />

Straßburger <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern ihren Teil der Vereinbarung. Sie nahmen<br />

die beiden Kandidatinnen zunächst in ihrem neuen Mutterhaus St.<br />

Barbara auf, um sie in das geistliche Ordensleben einzuführen. Nach eini-<br />

<strong>als</strong> großer Glücksfall für die weitere Entwicklung<br />

der Ordensgemeinschaft. Schon<br />

in ihrem ersten Amtsjahr verlegte sie die<br />

Zentrale nach Straßburg, vorübergehend<br />

in das dortige Bürgerspital. Nur die Postulantinnen<br />

blieben zunächst noch im<br />

Spital in Hagenau, unter der Aufsicht der<br />

neuen Oberin, Schwester Ignatia Jorth. In<br />

den kommenden Jahrzehnten wechselten<br />

die Straßburger Schwestern dreimal<br />

das Mutterhaus. Als sie ihr erstes Straßburger<br />

Mutterhaus St. Johann verlassen<br />

mussten, zogen sie in das alte Kloster St.<br />

Barbara um, wo sie 1838 ein neues Haus<br />

bauten. Ab 1854 nutzten sie dieses Haus<br />

<strong>als</strong> Waisenhaus und bezogen ihre neue<br />

Zentrale „Allerheiligen“.<br />

Unter der Generaloberin Schwester Vinzenz<br />

Sultzer (1813 – 1868) gründete die<br />

Kongregation zahlreiche ausländische<br />

Niederlassungen. Die Straßburger Ordensoberen<br />

– die Generaloberin wurde während<br />

ihrer langen Amtszeit von den Superioren<br />

Thomas (1825 – 1844) und Spitz<br />

(1844 – 1880) unterstützt – ließen den<br />

Neugründungen meist viel Unabhängigkeit.<br />

Zunächst fassten die Straßburger<br />

Schwestern in Österreich mit der Gründung<br />

von Zams Fuß, der 1832 eine Niederlassung<br />

in Wien folgte.<br />

Ebenfalls im Jahr 1832 wurde mit der<br />

Gründung des Mutterhauses in München<br />

der Anfang der Ausbreitung im<br />

Nachbarland Deutschland gemacht. Es<br />

folgten 1834 Fulda, 1841 Paderborn (von<br />

dort aus 1857 Hildesheim), 1846 Freiburg<br />

und 1858 Schwäbisch Gmünd (seit 1891<br />

Sitz in Untermarchtal).


Einführung der <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern am Krankenhaus in München<br />

gen Wochen wurden sie in<br />

das Straßburger Bürgerspital<br />

gegeben, das Schwester<br />

Ignatia Jorth leitete. Unter<br />

ihrer Obhut sollten sie in<br />

der praktischen Krankenpflege<br />

ausgebildet werden.<br />

Schwester Ignatia, die gleichzeitig<br />

die Novizenmeisterin<br />

des Ordens war, wird sicher<br />

auch die Fortführung der<br />

geistlichen Bildung nicht<br />

außer Acht gelassen haben.<br />

In diesen Probemonaten<br />

versuchten die Ordensoberen<br />

in Straßburg, Generaloberin<br />

Schwester Vinzenz<br />

Sultzer und Ordenssuperior<br />

Thomas, sich ein Bild von<br />

der Eignung und den Fähigkeiten der beiden Kandidatinnen aus Bayern zu<br />

machen. Das sehr ernüchternde Ergebnis fasste die Ordensleitung in einem<br />

ausführlichen Bericht an den Magistrat am 12. September 1828 zusammen.<br />

Zunächst bestärkten die Straßburger Oberen den Magistrat in seiner<br />

Absicht, den Orden der <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern zur Pflege am Allgemeinen<br />

Krankenhaus einzuführen, indem sie die Effizienz einer solchen<br />

Einrichtung betonten: „Das Institut ist ganz genügend, um alles zu leisten, was<br />

die Pflege der Kranken, der Armen, oder was sie Ihnen an der leidenden Menschheit<br />

anvertrauen wollten und fordern könnten, wie auch was zu einer guten Hauswirtschaft<br />

gehört.“ Allerdings zogen sie dann bedauernd folgendes Fazit: „Dass<br />

aber dieses große Werk durch die zwei Jungfrauen, die Sie uns geschickt haben, auch<br />

nach ihrer Bildung könne ausgeführt werden, müssen wir sagen, dass es ohnmöglich<br />

ist.“ Die ältere Kandidatin Anna Sager sei nicht gesund und talentiert<br />

genug, um <strong>Barmherzige</strong> Schwester zu werden. Die jüngere Therese Frisch<br />

habe zwar die nötigen Voraussetzungen, um eine gute Schwester zu werden,<br />

sei aber für Leitungsaufgaben nicht geeignet. Sie „könnte unter der Leitung<br />

einer Anderen gute Dienste leisten. Aber ein Haus einzurichten, jeden Theil, …<br />

die Haushaltung, Krankenpflege … für dies ist sie zu schwach. Für dies braucht es<br />

Personen von längerer Übung, Erfahrenheit und reicheren Talenten.“ 8<br />

Die Ordensoberen rieten dem Magistrat deshalb, Anna Sager zurückzuholen<br />

und drei bis vier neue Kandidatinnen mit mehr Bildung und Eignung<br />

zu suchen und zur Ausbildung nach Straßburg zu schicken. Sie schlugen vor,<br />

Die StraßburgerGeneraloberinSchwester<br />

Vinzenz<br />

Sultzer,<br />

in deren<br />

Amtszeit<br />

(1813 – 1868)<br />

die meisten<br />

der von<br />

Straßburg<br />

ausgehendenMutterhäusergegründet<br />

wurden<br />

31


<strong>Festschrift</strong> der <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern<br />

32<br />

diese gezielt für spezielle Funktionen auszubilden, z. B. für die Versorgung<br />

der Krankensäle, die Wäsche oder für das Verbinden.<br />

Man sollte nun annehmen, der Magistrat hätte, um das Projekt nicht<br />

zu gefährden, das Angebot des Mutterhauses sofort dankend angenommen.<br />

Zwar leitete er den Brief an die königliche Regierung weiter und veranlasste<br />

endlich die Zahlung des Unterhalts der beiden Kandidatinnen, hielt es<br />

aber nicht für nötig, auf den Brief des Superiors zu antworten und zu dem<br />

Straßburger Angebot Stellung zu nehmen.<br />

Was steckte dahinter? Auch wenn das weitere Vorgehen sicher von oben,<br />

das heißt, der Regierung, ja dem König selbst entschieden werden musste<br />

und der Magistrat von sich aus nicht tätig werden konnte, so hätte er doch<br />

grundsätzliches Interesse nach Straßburg signalisieren müssen. Hatten die<br />

Magistratsmitglieder so wenig Gespür dafür, dass sie mit ihrem Schweigen<br />

die Straßburger brüskieren würden, ja das ganze Unternehmen damit<br />

gefährdeten? Oder ist doch eher anzunehmen, dass dieses Vorgehen Absicht<br />

war? Gab es im Magistrat und am Krankenhaus doch noch zu viele Gegner<br />

der Ordenseinführung, die bewusst die Sache verzögerten?<br />

Wie auch immer, Tatsache war, dass die Straßburger Schwestern und die<br />

zwei Kandidatinnen aus Bayern nicht wussten, wie es weitergehen sollte.<br />

Die einzige für sie sichtbare Reaktion aus München auf ihr Schreiben vom<br />

September war die Zahlungsanweisung. Die Kongregation in Straßburg<br />

war verunsichert. War in Bayern überhaupt noch jemand ernsthaft daran<br />

interessiert, ihren Orden einzuführen? In besonderem Maße litten die beiden<br />

Kandidatinnen selbst unter der Unsicherheit, wie es weitergehen sollte.<br />

Therese Frisch bat deshalb ihre Vorgesetzten um die Erlaubnis, persönlich<br />

nach München reisen zu dürfen, um dort vor Ort die Lage zu klären.<br />

Nichts ahnend von dieser Situation, erkundigte sich Mitte November das<br />

Münchner Ordinariat beim Ordinariat in Straßburg nach den Fortschritten<br />

der Kandidatinnen. Jetzt wurde in Straßburg offensichtlich, dass die bayerischen<br />

Behörden es unterlassen hatten, das Ordinariat über den Vorschlag<br />

von Generaloberin und Superior zu unterrichten. Den Verantwortlichen in<br />

Straßburg wurde klar, dass sie die Initiative ergreifen mussten, sollte nicht<br />

das ganze Unternehmen scheitern. So gaben sie schließlich dem Drängen<br />

Thereses nach und erteilten ihr die Erlaubnis, nach München zu reisen.<br />

Therese kehrte zwischen dem 12. und 16. Dezember 1828 nach München<br />

zurück. Dort angekommen, sprach sie sofort beim Ordinariat vor und<br />

überbrachte dem Weihbischof von Streber einen Brief des Generalvikars<br />

Liebermann. In diesem setzte er von Streber in Kenntnis von dem Brief des<br />

Mutterhauses an den Magistrat im September und verwies auf die Bedeutung<br />

des Projekts, das nun durch die Verzögerungstaktik des Magistrats<br />

ernsthaft gefährdet wäre: „Es ist außer Zweifel, dass die Einführung eines für die


Einführung der <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern am Krankenhaus in München<br />

Menschheit so wohltätigen Instituts einen reichen Segen über das Königreich Bayern<br />

verbreiten würde, sowohl in religiöser <strong>als</strong> auch in ökonomischer Hinsicht, wenn nur<br />

die Sache nicht nur die Hälfte geschieht, und den edeln Absichten von Ihro Majestät<br />

… durch eigennützigen Plan … entgegen gearbeitet wird.“ 9<br />

Über die Vorgehensweise des Magistrats äußerst empört, schickte das Ordinariat<br />

diesem am 16. Dezember einen geharnischten Brief. Darin drückte es<br />

sein Unverständnis darüber aus, dass man die beiden Kandidatinnen so lange<br />

in einem fremden Land in Unklarheit über ihr weiteres Schicksal gelassen<br />

habe. Der Magistrat habe die Durchführung der königlichen Beschlüsse verzögert<br />

und die Ehre Bayerns auf das Spiel gesetzt. Das Ordinariat machte<br />

deutlich, dass man das Angebot des Mutterhauses unbedingt annehmen und<br />

neue Kandidatinnen nach Straßburg schicken sollte. Da aber eine einjährige<br />

Ausbildung nicht ausreiche, aus den Kandidatinnen <strong>Barmherzige</strong> Schwestern<br />

zu machen, denn die richtige geistliche Haltung müsse im Noviziat<br />

eingeübt werden, sei es wichtig, dass bei Rückkehr der Kandidatinnen auch<br />

erfahrene Schwestern aus Frankreich mitkommen würden.<br />

Der Magistrat hatte inzwischen den Beschluss der Königlichen Regierung,<br />

Anna Sager aus Straßburg zurückzurufen, mit über einmonatiger Verspätung<br />

an die Generaloberin weitergeleitet, aber zu dem im September<br />

gemachten Vorschlag, neue Kandidatinnen auszubilden, immer noch keinerlei<br />

Stellung genommen. Obwohl Prof. von Ringseis Therese geraten hatte,<br />

gleich direkt beim König vorzusprechen, entschied sie sich, mit den unteren<br />

Behörden zu verhandeln. Im Nachhinein erwies sich diese Vorgehensweise<br />

<strong>als</strong> durchaus klug. Hätte sich der Magistrat übergangen gefühlt, hätte er<br />

eventuell die Sache weiter verschleppt. Thereses Offenheit und Engagement<br />

beeindruckten den Bürgermeister und die Magistratsherren offensichtlich<br />

so sehr, dass es ihr gelang, die Verhandlungen in ihrem Sinne abzuschließen:<br />

Der Magistrat erklärte sich bereit, weitere Kandidatinnen nach Straßburg<br />

zu entsenden.<br />

Laut Mutterhauschronik wählten der Bürgermeister und der Magistratsrat<br />

Radlkofer aus einer Reihe von Interessentinnen sechs Kandidatinnen<br />

aus. Allerdings seien, <strong>als</strong> die Abreise näher gerückt sei, nur noch zwei von<br />

ihnen bereit gewesen, sich auf dieses Wagnis einzulassen.<br />

So fuhr Therese Frisch nach dem erfolgreichen Abschluss ihrer Mission<br />

am Morgen des 9. Januar 1829 wieder Richtung Straßburg. Begleitet<br />

wurde sie von den beiden neuen Kandidatinnen, der 20-<strong>jährigen</strong> Marianna<br />

Messerschmitt, einer Wirtstochter aus Metten im Landkreis Deggendorf,<br />

und der 24-<strong>jährigen</strong> Susanna Balghuber aus Endorf im Landkreis Mühldorf.<br />

Der Magistrat gab Therese neben Geld für Reise und Unterhalt auch einen<br />

Brief an ihre Generaloberin Vinzenz Sultzer mit. Darin lobte er das Engagement<br />

Thereses, bat um gute Ausbildung der neuen Kandidatinnen, speziell<br />

33


<strong>Festschrift</strong> der <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern<br />

34<br />

im Bereich der Erhaltung der Wäsche, und bekräftigte noch einmal, dass<br />

es der ausdrückliche Wunsch des bayerischen Königs sei, den Orden der<br />

<strong>Barmherzige</strong>n Schwestern in Bayern einzuführen.<br />

In ihrem Antwortschreiben erläuterte die Generaloberin dem Magistrat,<br />

welche Bedingungen an eine Kandidatin für eine Aufnahme in ihrem Orden<br />

gestellt werden. Der Magistrat solle sich nach weiteren entsprechenden<br />

Kandidatinnen in München umsehen.<br />

So schien ein sehr Erfolg versprechender Neuanfang in den Beziehungen<br />

zwischen Magistrat und Mutterhaus in Straßburg gemacht worden zu sein.<br />

Die Sache schien endlich voranzugehen. Dies galt umso mehr, <strong>als</strong> Therese<br />

Frisch, nicht zuletzt wegen ihrer Bewährung bei der München-Reise, am<br />

29. April 1829 das Ordenskleid erhielt. Die überglückliche Therese wurde<br />

<strong>als</strong> Schwester Mechtildis ins Noviziat aufgenommen.<br />

Mit den neuen Kandidatinnen schien man in Straßburg grundsätzlich<br />

zufrieden zu sein. Allerdings machte sich die Generaloberin Sorgen um ihre<br />

Gesundheit. Marianna Messerschmitt war seit ihrer Ankunft in Straßburg<br />

ständig kränkelnd, Susanna Balghuber hatte Augenprobleme. Die Generaloberin<br />

befürchtete, die beiden Kandidatinnen würden das Straßburger Klima<br />

nicht vertragen. Deshalb entschloss sie sich, dem Magistrat in einem Brief<br />

vom 10. Mai 1829 einen neuen Vorschlag zu machen. Die Novizin Mechtildis<br />

sollte zusammen mit den beiden Kandidatinnen und in Begleitung zweier<br />

erfahrener Schwestern aus Straßburg nach München zurückkehren. Sie<br />

sollten am Allgemeinen Krankenhaus einen Anfang machen. Sicher würden<br />

sich dann bald weitere Kandidatinnen finden, die man direkt am Münchner<br />

Krankenhaus ausbilden könnte. In ihrem Schreiben baten sowohl die<br />

Generaloberin <strong>als</strong> auch die Novizin Mechtildis den Magistrat um einen<br />

möglichst schnellen Entschluss.<br />

Doch der Magistrat antwortete nicht auf dieses großzügige Angebot der<br />

Generaloberin, zwei Schwestern aus Straßburg für München freizustellen.<br />

Wie schon im Vorjahr kam keinerlei Reaktion aus München. Was war der<br />

Grund? Aus der Korrespondenz wird ersichtlich, dass der Münchner Magistrat<br />

vor allem Bedenken hatte, dass über die Schwestern, die aus Straßburg<br />

mitgeschickt werden sollten, ein ausländisches Kloster Einfluss auf ihre<br />

Krankenhauspolitik nehmen könnte. Es war dem Magistrat und auch Teilen<br />

der Regierung suspekt, dass die Gründung der <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern<br />

eine Filiale des Straßburger Mutterhauses werden sollte. Man wollte in Bayern<br />

lieber ein eigenes, unabhängiges Mutterhaus.<br />

Die Situation 1829 unterschied sich von der im Jahr davor jedoch in<br />

einem wichtigen Punkt.<br />

Die beiden Ordinariate hatten aus ihren Erfahrungen gelernt, wie wichtig<br />

es war, ständigen Kontakt zu halten, um die Ordensgründung trotz der


Einführung der <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern am Krankenhaus in München<br />

ablehnenden Haltung des Magistrats voranzutreiben. Wohl wissend, wo<br />

„der Schuh drückte“, versuchte das Münchner Ordinariat die Bedenken bei<br />

Magistrat und Regierung zu zerstreuen. Eine Abhängigkeit von Straßburg<br />

würde sicher nur für die Anfangszeit gelten, dann wäre es schon wegen der<br />

weiten Entfernung sinnvoll, das neue Kloster unter die Oberaufsicht des<br />

Bischofs zu stellen.<br />

In der Korrespondenz mit dem Münchner Ordinariat wurde der Vorschlag<br />

der Generaloberin bereits so weit konkretisiert, dass die Schwestern<br />

im Frühjahr 1830 geschickt werden sollten. Die Kandidatinnen und die<br />

Novizin wären bis dahin schon besser ausgebildet und zudem wäre ein<br />

Neuanfang im Frühjahr leichter <strong>als</strong> zu einer kälteren Jahreszeit.<br />

Sowohl das Ordinariat <strong>als</strong> auch die Regierung forderten im Juni 1829<br />

den Magistrat auf, sich um die Unterbringung der Schwestern zu kümmern.<br />

Gedacht wurde jetzt an eine Unterbringung im Krankenhaus selbst,<br />

da weder Staat noch Stadt etwas unternommen hatten, eine anderweitige<br />

Unterbringungsmöglichkeit zu schaffen.<br />

Aber der Magistrat reagierte nach wie vor nicht. Im September hatte die<br />

Generaloberin immer noch keine Stellungnahme des Magistrats zu ihrem<br />

Vorschlag vom Mai. Da entschloss sie sich, am 28. September die Novizin<br />

Mechtildis <strong>zum</strong> zweiten Mal nach München zu schicken. Wieder hatte<br />

Schwester Mechtildis, die darauf brannte, endlich in ihrer Heimatstadt <strong>als</strong><br />

<strong>Barmherzige</strong> Schwester arbeiten zu dürfen, die Generaloberin dazu gedrängt.<br />

Sie wollte versuchen, wie schon im Jahr zuvor, die Sache durch persönliche<br />

Verhandlungen vor Ort voranzutreiben. Dafür nahm sie schweren Herzens<br />

auch in Kauf, ihr Noviziat unterbrechen zu müssen.<br />

2.2. Umstrittener Anfang am Allgemeinen<br />

Krankenhaus durch Schwester Mechtildis Frisch<br />

Am 1. Oktober 1829 kam Schwester Mechtildis Frisch in München an,<br />

wo sie sofort beim Magistrat vorstellig wurde. Als die Magistratsherren<br />

die Novizin in ihrem Ordenskleid erblickten, sahen sie wohl ihre Chance<br />

gekommen, den Pflegeorden ohne Mitwirkung des Straßburger Mutterhauses<br />

zu gründen. Sie verboten Schwester Mechtildis die Rückkehr und<br />

wiesen ihr eine Wohnung in der Damenstiftgasse 12, früher auch Annagasse<br />

genannt, zu. Diese Wohnung in der Münchner Innenstadt, die dem jeweiligen<br />

Inhaber des Kraus’schen Benefiziats zustand, war zu dieser Zeit gerade<br />

frei, weil die Benefiziatenstelle vakant war. Hier sollte die Novizin die weiteren<br />

Entscheidungen des Magistrats abwarten.<br />

35


<strong>Festschrift</strong> der <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern<br />

36<br />

Schwester Mechtildis war nun völlig auf sich selbst gestellt. Als Novizin,<br />

die selbst noch am Anfang ihrer geistlichen Bildung zur Ordensfrau stand<br />

und mit der Ordensregel kaum vertraut war, fühlte sie sich zunächst völlig<br />

überfordert. Ihr wichtigstes Anliegen war, ihrer Berufung treu zu bleiben<br />

und eine dementsprechende Lebensführung einzuhalten. Deshalb erstellte<br />

sie sich selbst eine am Klosterleben orientierte feste Tagesordnung, die sie<br />

sich durch den Straßburger Superior Thomas genehmigen ließ. Der Briefwechsel<br />

mit ihren Straßburger Vorgesetzten, dem Superior, der Generaloberin<br />

und der Novizenmeisterin, gaben ihr in dieser schweren Zeit Halt<br />

und Trost. Wie dankbar war sie, <strong>als</strong> Schwester Ignatia ihr die vom Orden<br />

benutzten Andachts- und Betrachtungsbücher nach München schickte.<br />

Nach einigen Wochen wurden ihr vom Magistrat vier Kandidatinnen<br />

zugewiesen, die sie in der Krankenpflege unterrichten sollte. Für die Kandidatinnen<br />

bekam sie vom Magistrat Stoff <strong>zum</strong> Nähen von Kandidatinnenkleidern<br />

zugeteilt. Die Magistratsherren waren anscheinend der irrigen<br />

Auffassung, dass die Kleider allein schon Ordensfrauen aus ihnen machten.<br />

Schwester Mechtildis wusste, dass weit mehr dazu gehörte, und versuchte,<br />

die vier ersten Kandidatinnen und die weiteren, die sich nach und nach bei<br />

ihr einfanden, in die Grundzüge des Ordenslebens einzuführen.<br />

Materiell hatten sie vonseiten des Magistrats keinerlei Unterstützung. Sie<br />

mussten selbst für ihren Lebensunterhalt sorgen. So lebten sie in unvorstellbarer<br />

Armut. Laufend berichtete Schwester Mechtildis an ihre Ordensleitung<br />

in Straßburg über den Stand der Verhandlungen mit dem Magistrat.<br />

Unablässig bat sie in diesen Briefen, die Ordensoberen möchten ihr möglichst<br />

bald Unterstützung aus Straßburg nach München schicken. Sie hatte<br />

sich die Zustände im Allgemeinen Krankenhaus angesehen und brannte<br />

darauf, die Not der dortigen Patienten durch qualifizierte Pflege, wie sie sie<br />

am Straßburger Bürgerspital kennen gelernt hatte, zu lindern.<br />

Die Generaloberin musste ihre Bitten immer wieder mit dem Hinweis<br />

ablehnen, dass sie ihre Schwestern nur nach München schicken könne, wenn<br />

der Magistrat sie in einem förmlichen Schreiben darum bitten würde. Doch<br />

Schwester Mechtildis Tagesablauf<br />

„Ich stehe täglich um 5 Uhr auf, verrichte<br />

mein Morgengebet und vereinige mich<br />

im Geiste mit Ihrem und aller Schwestern<br />

Beten und Arbeiten. Um 6 Uhr gehe<br />

ich in die Herzogspitalkirche und bleibe<br />

dort bis 7 oder V 8 Uhr. Dann frühstücke<br />

ich und nehme eine Handarbeit vor,<br />

deren ich genug habe. Um die Mittags-<br />

zeit mache ich eine Lesung aus der Hl.<br />

Schrift, aus dem Leben der hl. Theresia<br />

oder aus den Betrachtungen von Sailer.<br />

Am Abend lese ich die Heiligenlegende<br />

von Buchfellner oder ein Kapitel der<br />

Nachfolge Christ. Um 9 oder 10 Uhr gehe<br />

ich zur Ruhe. Jeden Samstag beichte ich<br />

in der Herzogspitalkirche.“ 10


Einführung der <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern am Krankenhaus in München<br />

der Magistrat dachte nicht daran. So entschloss sich die Generaloberin, den<br />

nächsten Schritt zu tun, um endlich eine Reaktion des Magistrats zu provozieren.<br />

In einem Brief an den Münchner Magistrat im Februar 1830 nahm<br />

die Straßburger Generaloberin ihr Angebot vom Mai des vergangenen Jahres<br />

wieder zurück. Da keine Reaktion auf ihre Offerte, zwei Schwestern<br />

nach München zu schicken, erfolgt sei, nehme sie an, der Magistrat bedürfe<br />

ihrer Hilfe nicht mehr. Sie bat nur noch um eine Nachricht, was mit den<br />

beiden Kandidatinnen, Susanna Balghuber und Marianna Messerschmitt,<br />

die ja noch immer in Straßburg eine Entscheidung des Magistrats abwarteten,<br />

geschehen sollte. 11<br />

Auch jetzt hielt der Magistrat der Stadt München es nicht für nötig zu<br />

antworten. Er ließ die beiden Kandidatinnen, die im fernen Straßburg auf<br />

ihre baldige Rückkehr nach München hofften, weiterhin im Ungewissen<br />

über ihre Zukunft.<br />

Dafür zeichnete sich langsam ab, welche Zukunftspläne der Magistrat für<br />

Schwester Mechtildis und ihre Kandidatinnen hatte. Am 18. März 1830 trat<br />

der Magistrat zu einer Sitzung zusammen, bei der auch Schwester Mechtildis<br />

und Krankenhausdirektor Loe angehört wurden. Beide sprachen von<br />

den Vorteilen, die eine Krankenpflege durch Ordensschwestern bieten würden.<br />

Voll Begeisterung berichtete Schwester Mechtildis von der vorzüglichen<br />

Organisation von Krankenpflege und Hauswirtschaft im Straßburger<br />

Bürgerspital durch die dortigen <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern.<br />

Bei der nächsten Sitzung des Magistrats am 20. April erging der folgenschwere<br />

Beschluss, dass Schwester Mechtildis mit ihren Kandidatinnen<br />

im Allgemeinen Krankenhaus ein Saal <strong>als</strong> Wohnung zur Verfügung gestellt<br />

werden sollte. Dafür sollten sie dort die Versorgung einiger Krankensäle<br />

übernehmen. Schwester Mechtildis wurde zur Stellungnahme aufgefordert.<br />

Ihre Einwände wurden aber zurückgewiesen. Die Entscheidung brachte sie<br />

in große Gewissensnot. Die Bedenkzeit, die ihr zugestanden worden war,<br />

reichte nicht aus, um sich mit ihren Vorgesetzten in Straßburg in Verbindung<br />

zu setzen. Sollte sie diesen Schritt eigenmächtig unternehmen? Andererseits<br />

musste sie demnächst die Wohnung des Benfiziaten räumen und, was noch<br />

schwerer gewogen haben mag, sowohl Schwester Vinzenz <strong>als</strong> auch Schwester<br />

Ignatia hatten ihr in ihren Briefen mehrm<strong>als</strong> geraten, selbst die Pflege zu<br />

übernehmen, falls der Magistrat dies wünschen sollte.<br />

Schwester Mechtildis holte für ihre schwere Entscheidung den Rat beim<br />

Ordinariat ein. Dort riet ihr der Kanonikus Franz Xaver Schwäbl, der spätere<br />

Bischof von Regensburg und zeitlebens ein großer Freund der <strong>Barmherzige</strong>n<br />

Schwestern, von einem so eigenmächtigen Vorgehen ab. Weihbischof<br />

von Streber dagegen befürchtete bei Ablehnung des Wunsches des<br />

Magistrates ein endgültiges Scheitern der Einführung der Schwestern und<br />

37


<strong>Festschrift</strong> der <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern<br />

Professor<br />

Johann<br />

Nepomuk<br />

von Ringseis,<br />

1785 – 1880<br />

(Gemälde<br />

von Joseph<br />

Stieler)<br />

38<br />

ermunterte die Novizin, diesen<br />

Schritt zu wagen.<br />

Wie schwer ihr diese Entscheidung<br />

ohne Genehmigung<br />

ihrer Vorgesetzten fiel,<br />

zeigt ein Brief, den sie an ihre<br />

Novizenmeisterin Schwester<br />

Ignatia nach Straßburg<br />

schrieb:<br />

„Ich kann Ihnen nicht<br />

beschreiben, wie schwer es mir<br />

ums Herz ist. Aber ist mein<br />

Unternehmen zur Ehre Gottes,<br />

so wird es gelingen. Nur<br />

um eines bitte ich Sie, legen Sie<br />

beim hochwürdigen Herrn Superior<br />

wie auch bei unserer lieben<br />

ehrwürdigen Frau Mutter ein Wort für mich ein. Es tut mir in der Seele leid, diesen<br />

Schritt zu tun ohne ihre ausdrückliche Erlaubnis, aber es geschieht ohne meine<br />

Schuld. Ich bitte nur, daß sie mich nicht verstoßen.“ 12<br />

Auf den Rat von Strebers hörend, erklärte sich Schwester Mechtildis bei<br />

der nächsten Magistratssitzung am 24. April bereit, mit ihren Kandidatinnen<br />

einen Teil der Pflege im Krankenhaus zu übernehmen. Allerdings unter dem<br />

Vorbehalt, dass sie ihre Vorgesetzten in Straßburg nicht hätte fragen können.<br />

Vor eventuellen Vorwürfen aus Straßburg sollte der Magistrat sie in Schutz<br />

nehmen. Keinesfalls wollte sie ihren Stand <strong>als</strong> <strong>Barmherzige</strong> Schwester aufgeben<br />

müssen.<br />

Beim Aushandeln der konkreten Bedingungen bewies sie wiederum ihr<br />

kluges Verhandlungsgeschick. Sie ließ sich geistliche Unterweisung durch<br />

die beiden Krankenhausgeistlichen für ihre kleine Gemeinschaft garantieren.<br />

Die Kandidatinnen sollten nur in den ihnen zugewiesenen Sälen <strong>zum</strong><br />

Einsatz kommen und der Direktion direkt unterstehen.<br />

Drei Tage später, am 27. April 1830, bezog Schwester Mechtildis mit<br />

ihren Kandidatinnen das Allgemeine Krankenhaus. In der Münchner Stadtchronik<br />

ist dazu vermerkt: „Dienstag, 27. April. Am heutigen Tage wurden die<br />

meisten Novizinnen des Ordens der barmherzigen Schwestern durch eine magistratische<br />

Commißion und durch den königl. Direktor des allgemeinen Krankenhauses<br />

Obermedizinalrath Dr. von Loe in das hiesige allgemeine Krankenhaus eingewiesen.<br />

Es wurden denselben infolge eines magistratischen Beschlußes ein eigener Saal mit<br />

12 Betten vorläufig zur Wohnung eingeräumt und zwei weibliche Krankensäle zur<br />

Ausübung des Krankendienstes übergeben.“ Die Chronik betont die Bedeutung


Einführung der <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern am Krankenhaus in München<br />

dieses Ereignisses für die Zukunft: „… diese sieben Jungfrauen wurden nun<br />

heute in das Krankenhaus eingewiesen und bildeten den Grund des sich in kurzer<br />

Zeit so ausgebreiteten Ordens der barmherzigen Schwestern in Bayern“. 13<br />

Schwester Mechtildis und ihre Gefährtinnen wohnten in einem für sie <strong>als</strong><br />

Wohnung hergerichteten Krankensaal und betreuten zunächst die Kranken<br />

der beiden anstoßenden Krankensäle. Nach der entbehrungsreichen, unsicheren<br />

Zeit in der Damenstiftgasse wurde es für Schwester Mechtildis und<br />

ihre Kandidatinnen nun keineswegs leichter. Mehr <strong>als</strong> der schwere Krankendienst<br />

belasteten sie die Anfeindungen vonseiten der Ärzte. Vor allem die<br />

jungen Assistenzärzte machten ihnen das Leben schwer. Aber auch Oberarzt<br />

Dr. Walther stand dem Einsatz von Ordensschwestern zunächst sehr reserviert<br />

gegenüber. Nur Direktor Loe und Oberarzt Prof. von Ringseis waren<br />

von Anfang an auf ihrer Seite. Sogar durchaus kirchenfreundliche Kreise<br />

beobachteten den Einsatz von Schwester Mechtildis und ihren Kandidatinnen<br />

zunächst mit Skepsis. Ging den Gegnern des Ordens der Einsatz der<br />

Novizin und ihrer Kandidatinnen schon zu weit, so bedauerten Befürworter<br />

der Einführung eines Krankenpflegeordens, dass es nur zu dieser Minimallösung<br />

gekommen war. Dies bringt ein Artikel in der Zeitung „Bayerischer<br />

Volksfreund“ vom 29. April 1830 deutlich <strong>zum</strong> Ausdruck: „Parturiunt montes,<br />

nascitur ridiculus mus! Die großen Bemühungen, die barmherzigen Schwestern in<br />

München wieder einzuführen, haben mit den Vorverfügungen allem Anschein nach<br />

auch schon ihr Ende erreicht, indem nur eine hier anwesende graue Schwester und<br />

einige Laiinnen von hier in dem Krankenhause unter der übrigen Menge schon<br />

vorhandener Weibsbilder <strong>als</strong> Krankenwärterinnen untergebracht wurden, wo der<br />

herrschende laue und zuchtlose weltliche Sinn jede geistliche und fromme Gesinnung<br />

bald überwältigen wird. Es war nichts anderes zu erwarten, denn in unserem<br />

Zeitalter, welches so viele religiöse Institute mit wahrem Vergnügen zerstört hat, fehlt<br />

es den einen an ernster Kraft und den anderen an gutem Willen, um ein so großes<br />

Werk der Barmherzigkeit wieder ins Leben zu rufen… Ohne daß nicht die ganze<br />

Krankenhausanstalt dem Orden eingeräumt wird, bleibt das alte Uebel fest.“ 14<br />

Trotz dieser Widerstände von allen Seiten bewährten sich Schwester<br />

Mechtildis und ihre Helferinnen derart, dass ihnen schon bald weitere Krankensäle<br />

anvertraut wurden. Auch wenn die Zahl der Kandidatinnen stetig<br />

anstieg, hätte man nun doch auch die Hilfe der beiden noch in Straßburg<br />

auf ihren Abruf wartenden Kandidatinnen gut brauchen können. Mehrfach,<br />

aber vergeblich bat Schwester Mechtildis den Magistrat, jene nach München<br />

zurückzuholen. Die Straßburger Generaloberin gab schließlich im<br />

Sommer 1830 dem Drängen der Kandidatin Marianna Messerschmitt nach<br />

und ließ sie auch ohne offiziellen Rückruf durch den Magistrat nach Bayern<br />

zurückreisen. Wenig später, im September 1830, kehrte auch Susanna<br />

Balghuber zurück. Nach der Julirevolution hatte auch sie um ihre Rückreise<br />

39


<strong>Festschrift</strong> der <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern<br />

40<br />

gebeten, da sie sich <strong>als</strong> Ausländerin in Frankreich nicht mehr sicher fühlte.<br />

Beide traten den Dienst im Allgemeinen Krankenhaus an und unterstützten<br />

Schwester Mechtildis in der Küche bzw. bei der Versorgung der Wäsche.<br />

2.3. Neue Verhandlungen nach dem<br />

Tod Schwester Mechtildis<br />

Während das Ordinariat und die Regierung nach wie vor daran interessiert<br />

waren, erfahrene <strong>Barmherzige</strong> Schwestern aus Straßburg für die endgültige<br />

Einführung des Ordens zu gewinnen, war der Magistrat mit der Entwicklung<br />

durchaus zufrieden. Die ständig steigende Zahl der Kandidatinnen, die<br />

nach und nach weitere Säle im Krankenhaus übernommen hatten, ließ für<br />

die Zukunft nur das Beste hoffen. Der Magistrat sah nicht ein, warum er<br />

nicht alles so weiterlaufen lassen sollte wie bisher.<br />

Da durchkreuzte der Tod die Pläne der Stadtvertretung. Am 3. April 1831<br />

starb Schwester Mechtildis mit nur 34 Jahren. Sie hatte schon seit der Zeit<br />

im Benefiziatenhaus an einer schmerzhaften Augenfistel gelitten. Nach einer<br />

Augenoperation im Herbst 1830 erholte sie sich nicht mehr vollständig und<br />

erkrankte im Frühjahr schwer an Nervenfieber, dem sie am Osterfest 1831<br />

erlag.<br />

Als Anerkennung ihrer Verdienste bereitete ihr der Magistrat eine sehr<br />

feierliche Beerdigung, an der die Bevölkerung regen Anteil nahm. Manch<br />

einem, auch im Magistrat, mag erst jetzt bewusst geworden sein, was diese<br />

junge Novizin geleistet hatte. Ihr früher Tod war nicht zuletzt das Ergebnis<br />

einer ständigen Überforderung, der sie sich durch ihren Einsatz ausgesetzt<br />

gesehen und aus Pflichtgefühl nicht entzogen hatte.<br />

Zum Anteil, den die junge Novizin an der Einführung der <strong>Barmherzige</strong>n<br />

Schwestern in Bayern hatte, bemerkte Scherer treffend: „Fast möchte<br />

man von einem Wunderwerk der göttlichen Vorsehung sprechen, die sich einer einfachen,<br />

im Ordensleben noch wenig erfahrenen Novizin bediente, um den Grundstein<br />

der Kongregation der <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern in Bayern zu legen.“ 15<br />

Viele dachten, mit dem Tod Schwester Mechtildis sei das Unternehmen<br />

endgültig gescheitert. Sie hatten jedoch den Durchhaltewillen der verwaisten<br />

Kandidatinnen unterschätzt. Diese wurden, trotz ihrer großen Trauer<br />

über den Verlust Schwester Mechtildis, sehr schnell aktiv. So baten sie den<br />

Magistrat bereits am 14. April in einem ergreifenden Bittbrief, er möge die<br />

Verhandlungen mit Straßburg wieder aufnehmen, um von dort Unterstützung<br />

für sie zu bekommen.<br />

Der Magistrat erkannte, dass er handeln musste, sollte das Werk, das<br />

Schwester Mechtildis hinterlassen hatte, nicht gefährdet werden. Und dieses


Das Gräberfeld<br />

der <strong>Barmherzige</strong>n<br />

Schwestern auf<br />

dem Alten Südfriedhof,<br />

das ihnen<br />

der Magistrat 1836<br />

unentgeltlich zur<br />

Verfügung stellte.<br />

An welcher Stelle<br />

des Alten Südfriedhofs<br />

Schwester<br />

Mechtildis beigesetzt<br />

wurde, ist<br />

heute nicht mehr<br />

feststellbar.<br />

Einführung der <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern am Krankenhaus in München<br />

Werk war durchaus beachtlich. Inzwischen war die Zahl der Kandidatinnen,<br />

die jetzt immer häufiger auch <strong>als</strong> Aspirantinnen oder Postulantinnen<br />

bezeichnet wurden, auf 26 angewachsen. Diese 26 jungen Frauen betreuten<br />

bereits 12 Säle im Allgemeinen Krankenhaus. Der Magistrat sah ein, dass<br />

diese Gemeinschaft eine neue Leitung und gewisse Organisationsstrukturen<br />

brauchte. Er ernannte deshalb Marianna Messerschmitt zur neuen Vorsteherin<br />

der Gemeinschaft und Anna Maria Stanglmaier zur Leiterin der<br />

Krankenpflege. Zudem entschloss er sich, die Verantwortung für die Küche<br />

ganz den Aspirantinnen anzuvertrauen. Dazu wurden ausgewählten Kandidatinnen<br />

verschiedene Aufgabenbereiche in der Küche zugeteilt.<br />

Nicht nur die Kandidatinnen, sondern auch das Ordinariat drängten<br />

jedoch auf eine grundlegendere Entscheidung des Magistrats. Er sollte dazu<br />

bewegt werden, die Verhandlungen mit Straßburg wieder aufzunehmen.<br />

Eine Magistratssitzung vom 19. Mai 1831, bei der der Magistratsrat Siedler<br />

in seinem Bericht über die Lage am Krankenhaus sich voll Lob über die<br />

dort arbeitenden Aspirantinnen äußerte und der Kanonikus Franz Xaver<br />

Schwäbl die Position des Ordinariats deutlich machen konnte, brachte die<br />

entscheidende Wende in der Politik des Magistrats. Er erklärte sich bereit,<br />

über das Ordinariat in Straßburg nachfragen zu lassen, ob die <strong>Barmherzige</strong>n<br />

Schwestern noch bereit wären, zwei ihrer Schwestern nach München zu<br />

schicken.<br />

Das Münchner Ordinariat übernahm diese Aufgabe nur allzu gern und<br />

fragte am 25. Mai 1831 über das Straßburger Ordinariat bei den <strong>Barmherzige</strong>n<br />

Schwestern an. Das Ordinariat machte dabei noch einmal sehr<br />

deutlich, dass es nach wie vor der entschiedene Wille des Königs sei, ihren<br />

Orden in Bayern einzuführen.<br />

41


<strong>Festschrift</strong> der <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern<br />

42<br />

Der Generaloberin war klar, welchen großen Wert die beiden Ordinariate<br />

auf ihre Unterstützung bei der Einführung der <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern<br />

in Bayern legten. Gerne wollte sie ihnen entgegenkommen. Zudem<br />

hatte sie in der Zwischenzeit schon mehrere zu Herzen gehende Briefe von<br />

den verwaisten Münchner Kandidatinnen erhalten, in denen diese sie verzweifelt<br />

um Hilfe angefleht hatten: „Wohlehrwürdige Mutter, wir alle insgesamt<br />

werfen uns Ihnen zu Füßen und bitten, flehen und beschwören Sie mit weinenden<br />

Augen und <strong>zum</strong> Himmel gefalteten Händen, dass Sie sich unser mütterlich erbarmen<br />

und <strong>als</strong> Ihre wirklichen geistlichen Töchter erkennen … und dass Sie uns bald<br />

Hilfe senden, damit das Werk, zu dem wir uns verbunden … zur stufenweisen<br />

Vollendung gebracht werde.“ 16<br />

In einem weiteren Brief hatten sie die Generaloberin beschworen: „Die<br />

selige Mechtildis hat auf dem schmalen Dornenweg des Kreuzes mühsam die Steine<br />

<strong>zum</strong> Bau unseres Ordens gesammelt und herbei geschleppt. An Ihnen ist es nun,<br />

den Gottesbau zu vollenden.“ 17 Mit Sicherheit war es ihr schwer gefallen, diesen<br />

Bitten nicht entsprechen zu können, aber ohne offizielle Anforderung<br />

aus München war es ihr unmöglich gewesen.<br />

Als diese nun kam, stellte sie alle Verärgerung, die sie wegen des mehr <strong>als</strong><br />

unhöflichen Verhaltens des Magistrats rund um ihr erstes Angebot empfunden<br />

haben mag, um der Sache und der Kandidatinnen willen zurück. Sie<br />

erneuerte in ihrer Antwort vom 22. Juni 1831 ihr Angebot, das sie zwei<br />

Jahre vorher schon einmal gemacht hatte. Sie wollte zwei erfahrene Schwestern<br />

nach Bayern schicken. Sie bedauerte allerdings, sie nicht sofort, sondern<br />

erst im kommenden Frühjahr schicken zu können. Derzeit sei es ihr nicht<br />

möglich, Schwestern freizustellen, da erst vor kurzem mehrere französische<br />

Krankenhäuser Schwestern angefordert hätten.<br />

Die Ordinariate zeigten sich sehr zufrieden mit der Antwort und nutzten<br />

in den Folgemonaten ihre Verbindungen, um mit dem Mutterhaus und dem<br />

Magistrat zu klären, welche Bedingungen für den Einsatz des Ordens im<br />

Allgemeinen Krankenhaus gelten sollten.<br />

Die verwaisten Kandidatinnen hatten inzwischen einen schweren Stand.<br />

Nur die Hoffnung auf Hilfe aus Straßburg hielt die Kandidatinnen aufrecht.<br />

Sie klammerten sich an die Zusage der Generaloberin vom Juni, im<br />

nächsten März zwei Schwestern schicken zu wollen. Allerdings machten<br />

sich immer wieder Zweifel bei den Aspirantinnen breit. Wie würde sich der<br />

Magistrat entscheiden, würde er dieses Mal das Angebot des Mutterhauses<br />

in Straßburg annehmen?<br />

Erstaunlicherweise wuchs trotz dieser Unsicherheit die Zahl der Kandidatinnen<br />

weiter stetig an. Im Juli 1831 waren es bereits 34, im Januar<br />

1832 sogar schon 46. Die junge Gemeinschaft lebte noch nicht nach der<br />

Regel der <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern in Straßburg zusammen, sondern nach


Einführung der <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern am Krankenhaus in München<br />

Regeln, die ihnen Schwester Mechtildis, auf der Grundlage ihrer Erinnerung<br />

an ihre Zeit in Straßburg, gegeben hatte.<br />

Inzwischen lag zwar ein Exemplar der Ordensregel im Ordinariat vor<br />

und auch der Magistrat hatte eine Abschrift bekommen, um sich ein Bild<br />

über die neue Kongregation machen zu können, den unerfahrenen Kandidatinnen<br />

aber wollte man sie nicht an die Hand geben.<br />

Die Kandidatinnen litten darunter, dass ihnen der Dienst an den Kranken<br />

wenig Zeit für geistliche Übungen ließ. Manche konnten nicht einmal<br />

täglich den Gottesdienst besuchen. Dabei hatten sie spirituelle Erbauung<br />

dringend nötig, um den anstrengenden Krankendienst und die unsichere<br />

Situation bezüglich ihrer Zukunftsaussichten zu meistern. In dieser Not<br />

erhielten sie Unterstützung durch den Beichtvater der Servitinnen, H.H.<br />

Schön, der, so oft es ihm möglich war, zu ihnen kam, um sie geistlich aufzubauen.<br />

Da er gesehen hatte, dass sie außer der Essenszeit kaum zur Ruhe<br />

kamen, nutzte er diese Zeit, um ihnen Texte vorzulesen oder kleine Vorträge<br />

zu halten. Auch ihre beiden Gönner aus dem Ordinariat, Weihbischof von<br />

Streber und Domkapitular Schwäbl, besuchten die Aspirantinnen regelmäßig<br />

und sprachen ihnen Mut zu.<br />

Den hatten sie auch dringend nötig, um alle Anfeindungen vonseiten<br />

der Ordensgegner ertragen zu können. Sogar in Kirchenkreisen war manchem<br />

diese Gemeinschaft von Aspirantinnen ohne jegliche Leitung und<br />

Ordensregel suspekt. So machte sich auch der Altöttinger Wallfahrtspriester<br />

Josef Anton Leiß, später Abt in Scheyern, Sorgen um einige seiner Beichtkinder,<br />

die der Gemeinschaft beigetreten waren. Nachdem er sich bei einem<br />

längeren Besuch jedoch selbst ein Bild von den Zuständen am Allgemeinen<br />

Krankenhaus gemacht hatte, war er mehr <strong>als</strong> begeistert von dem unter<br />

den Kandidatinnen herrschenden Geist: „Ich fand bei ihnen eine solche Demut,<br />

Arbeitsamkeit, Frömmigkeit, einen solchen Glauben Gottes, eine solche Liebe zu<br />

den Kranken, dass ich vielleicht sagen darf, wir haben in ganz Bayern kein Priesterhaus,<br />

worin die Gnade Gottes so allgemein wirken kann oder mag.“ 18<br />

Unterdessen zeichnete sich bei den Verhandlungen zwischen dem<br />

Magistrat und dem Mutterhaus in Straßburg ein erfolgreiches Ende ab. Die<br />

Straßburger Ordensoberen hatten in Zusammenarbeit mit dem Generalvikariat<br />

des Straßburger Ordinariats einen Vertragsentwurf für den Einsatz der<br />

Bayerisches Allheilmittel für die verwaisten Kandidatinnen<br />

Am 10. Februar 1832 wies der Magistrat<br />

die Krankenhausverwaltung an, den<br />

Aspirantinnen künftig statt 1 Maß Bier<br />

täglich 1,5 Maß Bier zuzuteilen. Sollte<br />

mit dem bayerischen Allheilmittel der<br />

Durchhaltewillen der Aspirantinnen<br />

gestärkt werden? 19<br />

43


<strong>Festschrift</strong> der <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern<br />

44<br />

<strong>Barmherzige</strong>n Schwestern im Münchener Allgemeinen Krankenhaus ausgearbeitet.<br />

Orientiert hatten sie sich dabei an den in den französischen Krankenhäusern<br />

für die <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern geltenden Bestimmungen.<br />

Bis auf einige Modifikationen, die die spezifische Situation am Münchner<br />

Krankenhaus berücksichtigten, nahm der Magistrat den vorgelegten<br />

Vertragsentwurf am 10. Januar 1832 an. Nachdem sich auch die Straßburger<br />

mit dem modifizierten Vertrag einverstanden erklärt hatten, bildete diese<br />

Übereinkunft die rechtliche Grundlage für die Einführung des Ordens in<br />

Bayern.<br />

Das Mutterhaus in Straßburg erklärte sich darin bereit, im März 1832<br />

zwei erfahrene <strong>Barmherzige</strong> Schwestern für einen Zeitraum von drei Jahren<br />

nach München zu schicken. Diese sollten <strong>als</strong> Oberin bzw. Novizenmeisterin<br />

die Kandidatinnen in ihren Regeln unterweisen und die Grundlage<br />

für den Orden legen. Die gesamte Krankenpflege, die innere Krankenhausverwaltung<br />

und die Aufsicht über alles Personal im Haus, außer den<br />

Ärzten und der Krankenhausdirektion, sollten dem neuen Orden übertragen<br />

werden. Die Schwestern sollten in allen dienstlichen Angelegenheiten<br />

der Krankenhausdirektion, in allen ordensinternen und geistlichen Angelegenheiten<br />

der Oberaufsicht des Erzbischofs unterstellt werden. Im Krankendienst<br />

hätten die Schwestern den Anordnungen der Oberärzte Folge<br />

zu leisten. Auswahl und Ausbildung der Kandidatinnen wären allein Sache<br />

der Schwestern. Die Generaloberin behielt sich außerdem vor, ihre beiden<br />

Schwestern noch vor Ablauf der Frist zurückzuholen, falls der neuen<br />

Ordensgemeinschaft Schwierigkeiten gemacht werden sollten, nach den<br />

Regeln der <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern vom hl. Vinzenz von Paul zu leben.<br />

Der Magistrat erklärte sich bereit, die Anreise- und Rückreisekosten für<br />

die beiden Schwestern zu übernehmen. Für die Ordenskleidung sollten sie<br />

selbst aufkommen, bekämen allerdings einen Zuschuss. Für die Besorgung<br />

der Hausverwaltung war ein Festbetrag geplant, über den die zuständige<br />

Schwester monatlich Rechenschaft ablegen sollte. Genauere Regelungen<br />

zur Vergütung für den Dienst der Schwestern wollte man erst nach Ankunft<br />

der Schwestern aushandeln.<br />

Nachdem der Vertrag von beiden Seiten unterschrieben worden war,<br />

begannen die Münchner Vorbereitungen für die Ankunft der beiden<br />

Schwestern aus Frankreich zu treffen. Im Krankenhaus wurde für die künftige<br />

Oberin ein Einzelzimmer notdürftig möbliert, wobei die Krankenhausverwaltung,<br />

wie sie in einem Schreiben an den Magistrat betonte, nur<br />

das Billigste und Notwendigste anschaffte: „1 Kommodkasten, 1 Schreibkasten,<br />

4 Stühle, 1 Tisch, 1 Bettlade, 1 Spuckkastl, 1 Bett Couvertdecke, …, 1 Kruzifix,<br />

2 Leuchter, 1 Weihwassergefäß.“ 20


Einführung der <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern am Krankenhaus in München<br />

2.4. Zwei Straßburger Schwestern<br />

für die bayerische Mission<br />

Dass die Straßburger Generaloberin, Schwester Vinzenz Sultzer, bei der nun<br />

in greifbare Nähe gerückten Verwirklichung des Projekts der Ordensgründung<br />

in Bayern keinerlei Risiko mehr eingehen wollte, zeigt die Auswahl<br />

der beiden Kandidatinnen für diese Mission. Mit Schwester Ignatia Jorth<br />

stellte sie ihre beste Kraft zur Verfügung.<br />

Schwester Ignatia Jorth, 1780 <strong>als</strong> Tochter eines Schiffers geboren und<br />

auf den Namen Katharina getauft, hatte schon in ihrer Kindheit in ihrer<br />

Heimatstadt, dem elsässischen Schlettstadt, die Tätigkeit der <strong>Barmherzige</strong>n<br />

Schwestern im dortigen Bürgerspital beobachten können. Sobald die <strong>Barmherzige</strong>n<br />

Schwestern nach den Wirren der Revolution, in denen sie aus<br />

dem Elsass vertrieben worden waren, zurückkehrten, bat Katharina Jorth<br />

um Aufnahme ins Postulat. 1807 erfolgte ihre Einkleidung, 1809 ihre Profess.<br />

Schnell hatte die Ordensleitung das Potential dieser Schwester erkannt<br />

und ernannte sie schon 1811 zur Oberin am Spital in Hagenau, wo sie sich<br />

in einer äußerst schweren Zeit bewährte.<br />

Nach der Verlegung des Mutterhauses von Zabern nach Straßburg im Jahr<br />

1823 wurde Schwester Ignatia Nachfolgerin von Schwester Vinzenz Sultzer<br />

<strong>als</strong> Oberin des Straßburger Bürgerspit<strong>als</strong>. Auch hier bewies sie sogleich<br />

ihre Tatkraft, indem sie zahlreiche sinnvolle Neuerungen <strong>zum</strong> Wohl der ihr<br />

anvertrauten Kranken, Pfründner und Waisen durchsetzte.<br />

Wie sehr die Generaloberin Schwester Ignatia schätzte, zeigte sie durch<br />

deren Ernennung zur Generalassistentin und Novizenmeisterin. Damit war<br />

sie, wie oben erwähnt, für die Ausbildung der bayerischen Kandidatinnen<br />

zuständig gewesen. Wie der Briefwechsel mit Schwester Mechtildis deutlich<br />

macht, zeigte sie regen Anteil an den Anfängen in München. Die Münchner<br />

Aspirantinnen hatten gewünscht, aber nicht zu hoffen gewagt, dass ihnen<br />

gerade diese Schwester zur Unterstützung geschickt würde.<br />

Als Begleiterin für Schwester Ignatia wählte die Generaloberin Schwester<br />

Apollonia Schmitt aus, eine jüngere Schwester, die aus Mainz stammte<br />

und 1824 ins Postulat am Straßburger Bürgerspital eingetreten war. Sie sollte<br />

in München die Funktion der Novizenmeisterin übernehmen und die<br />

Oberin Ignatia Jorth unterstützen.<br />

Am 5. März nahmen Schwester Ignatia und Schwester Apollonia<br />

Abschied von ihren Mitschwestern und machten sich zur Erfüllung ihrer<br />

bedeutenden Mission auf die sechstägige Reise von Straßburg nach München.<br />

Aus Sorge um die Gesundheit der schon fast 52-<strong>jährigen</strong> Schwester<br />

Ignatia schickte die Straßburger Generaloberin die Schwestern statt mit der<br />

schnelleren Eilpost mit der bequemeren Extrapost auf die Reise, so dass sie<br />

45


<strong>Festschrift</strong> der <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern<br />

Schwester<br />

Ignatia Jorth,<br />

Gründerin<br />

und erste<br />

Generaloberin<br />

der <strong>Barmherzige</strong>n<br />

Schwestern<br />

in Bayern<br />

(Ölgemälde<br />

im<br />

Mutterhaus)<br />

46<br />

nicht auch noch die Nächte in der<br />

Postkutsche verbringen mussten.<br />

Den Verlauf dieser Reise<br />

schilderte Schwester Ignatia unmittelbar<br />

nach ihrer Ankunft in<br />

München in einem ausführlichen<br />

Brief an die Generaloberin und<br />

den Superior in Straßburg.<br />

Da die Bevölkerung von der<br />

Presse über das Vorhaben der <strong>Barmherzige</strong>n<br />

Schwestern unterrichtet<br />

gewesen sei, seien sie überall mit<br />

Freuden aufgenommen worden.<br />

Besonders herzlich sei der Empfang<br />

in Augsburg gewesen, wo sie<br />

nicht nur von den dort etablierten<br />

weiblichen Ordensgemeinschaften<br />

aufs Herzlichste aufgenommen und bewirtet, sondern auch vom Bischof<br />

persönlich empfangen worden seien.<br />

Nachdem sie bei den Ursulinen in Augsburg noch eine Nacht verbracht<br />

hatten, machten sich die beiden Schwestern am Morgen des 10. März 1832<br />

auf die letzte Etappe ihrer langen beschwerlichen Reise. Selbst die 60 km<br />

von Augsburg nach München bedeuteten mit der Postkutsche dam<strong>als</strong> noch<br />

eine Tagesreise. Nach dem Reisebericht Schwester Ignatias wurden sie<br />

bereits kurz vor ihrer letzten Raststation in Fürstenfeldbruck von einem<br />

Empfangskomitee des Münchener Magistrats begrüßt: „… dann ganz nahe<br />

an Fürstenfeldbruck sind uns Herr Magistrats Rath Siedler und Herr Gallinger,<br />

Krankencurator des Krankenhauses, im Namen des ganzen Magistrat mit der Post<br />

uns entgegenkommen, haben uns herzlich bewillkommt“. 21 Nach dem Mittagessen<br />

und der Besichtigung der Kirche des säkularisierten Klosters Fürstenfeld<br />

ging die Reise weiter nach München, wo sie gegen 4 Uhr nachmittags<br />

ankamen. Wie die Berichte in der Presse zeigen, nahm die Öffentlichkeit<br />

durchaus Kenntnis von der Ankunft der beiden Straßburger Schwestern in<br />

der Stadt. Auch in der Stadtchronik wird dieses Ereignis <strong>als</strong> denkwürdig festgehalten:<br />

„Samstag, 10. März. Heute Nachmittag vier Uhr ist die <strong>als</strong> Oberin der<br />

barmherzigen Schwestern in Bayern ernannte Schwester Ignatia und die Novizenmeisterin<br />

Schwester Apollonia von Straßburg dahier angekommen und … in dem<br />

allgemeinen Krankenhause, woselbst sie von sämtlichen Aspirantinnen des nun neu<br />

zu errichtenden Ordens auf das feierlichste bewillkommt wurden, abgestiegen. Die<br />

Pforte des Krankenhauses sowie die Stiegen bis zu den für die Angekommenen hergerichteten<br />

Zellen waren mit lebendigen Girlanden auf das Schönste geziert.“ 22 Vor


Einführung der <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern am Krankenhaus in München<br />

allem die hauseigene Überlieferung<br />

macht deutlich,<br />

wie bewegend die Ankunft<br />

für alle Beteiligten gewesen<br />

sein muss. Voll Dankbarkeit<br />

und Hoffnung erwarteten<br />

die 46 Kandidatinnen, in<br />

einheitlichen Gewändern<br />

vor dem imposanten Krankenhausgebäude<br />

stehend,<br />

die beiden Straßburger<br />

Schwestern, deren Unterstützung<br />

sie schon so lange<br />

herbeigesehnt hatten. Was<br />

mögen Schwester Ignatia und Schwester Apollonia gefühlt haben, <strong>als</strong> sie<br />

endlich am Ziel ihrer langen Reise angelangt, in der fremden Stadt mit den<br />

hochgesteckten Erwartungen einer Schar junger Postulantinnen und der<br />

Vertreter von Stadt und Krankenhaus konfrontiert wurden? Der Empfang<br />

im mit Blumen und Girlanden geschmückten Krankenhaus verlief sehr feierlich<br />

mit Ansprachen und einer Andacht in der Krankenhauskapelle. Die<br />

Kandidatinnen trugen einen eigens für diesen Anlass von Domkapitular von<br />

Schwäbl verfassten Willkommensgruß vor.<br />

Am folgenden Tag kamen Bürgermeister von Mittermeier und Weihbischof<br />

von Streber zu Besuch, um die Schwestern willkommen zu heißen.<br />

Einige Tage später wurden sie von Erzbischof Lothar Anselm von Gebsattel<br />

(1821–1846), von Innenminister Ludwig von Oettingen-Wallerstein und<br />

von der Witwe Max I. Joseph, Caroline von Baden, empfangen. In Caroline,<br />

der protestantischen Stiefmutter Ludwigs I., sollten die <strong>Barmherzige</strong>n<br />

Schwestern eine ihrer wichtigsten Gönnerinnen finden.<br />

König Ludwig I. allerdings war, <strong>als</strong> sich endlich sein Wunsch nach Gründung<br />

des Ordens in Bayern erfüllte, auf einer seiner vielen und ausgiebigen<br />

Italienreisen, von der er erst im Juni zurückkehrte. Nachdem er den Sommer<br />

wie jedes Jahr in Bad Brückenau verbracht hatte, wurde es Herbst, bis<br />

er Schwester Ignatia eine Audienz gewährte. Allerdings empfing er sie mit<br />

ausgesprochener Herzlichkeit. Beim huldvollen Empfang begrüßte er <strong>als</strong><br />

gebürtiger Straßburger die Oberin aus dem Elsass <strong>als</strong> „liebe Landsmännin“,<br />

eine Anrede, die er im Umgang mit ihr immer beibehalten sollte.<br />

*<br />

Eine<br />

Fahrkarte<br />

der letzten<br />

Etappe der<br />

Schwestern<br />

mit der<br />

Postkutsche<br />

von Augsburg<br />

nach<br />

München<br />

47


48<br />

Kapitel 3<br />

Gründungsjahre der<br />

Kongregation in München<br />

3.1. Reformen Schwester Ignatias<br />

am Allgemeinen Krankenhaus<br />

Voll Tatkraft nahm Schwester Ignatia bereits unmittelbar nach ihrer Ankunft<br />

ihre Tätigkeit auf. Nach dem Vertrag vom Januar war sie <strong>als</strong> Oberin zuständig<br />

für die gesamte innere Verwaltung des Krankenhauses: „die Krankenpflege<br />

in allen Abteilungen, die Aufsicht über alle im Hause befindlichen Personen mit<br />

Ausnahme des ärztlichen Person<strong>als</strong>, ferner die Besorgung der Küche, der Vorratsräume<br />

und der Wäscherei“. 23<br />

Nach einer sehr gründlichen Inventur übergab der Magistrat am 19. Mai<br />

der neuen Oberin das gesamte Inventar des Hauses. Mit ihrem sehr ausgeprägten<br />

Sinn für das Praktische hatte sich diese inzwischen Überblick<br />

verschafft, wo Veränderungen nötig waren und bereits am 19. März dem<br />

Magistrat ihre ersten Verbesserungsvorschläge vorgelegt. In den folgenden<br />

Wochen und Monaten setzte Schwester Ignatia Jorth nun mit einer außerordentlichen<br />

Zielstrebigkeit zahlreiche Reformen in ihren verschiedenen<br />

Zuständigkeitsbereichen durch.<br />

So sorgte sie durch die Anschaffung von mehr Geschirr dafür, dass alle<br />

Säle gleichzeitig mit Essen versorgt werden konnten. Damit beseitigte<br />

sie den bisherigen Missstand, dass viele Patienten nur noch kaltes Essen<br />

bekamen. Gegen den Widerstand vieler Ärzte setzte sie durch, dass der so<br />

genannte Erste Tisch abgeschafft wurde. Ärzte und Hausgeistliche hatten<br />

ihr Essen vor den Patienten erhalten. Das hatte für viel Neid vonseiten der<br />

Patienten gesorgt, die nicht zu Unrecht den Eindruck hatten, dass beim<br />

Ersten Tisch besseres Essen serviert wurde. Mit dem gleichen Essen für alle<br />

erreichte die Oberin, dass dieses Ärgernis beseitigt und zudem noch Geld<br />

gespart wurde. In allem legte Schwester Ignatia großen Wert auf eine sparsame<br />

Haushaltsführung, beispielsweise durch einen rationelleren Lebens-


Gründungsjahre der Kongregation in München<br />

mittelkauf <strong>als</strong> bisher. In den nächsten<br />

beiden Jahren erreichte sie zudem<br />

durch die Anschaffung eines neuartigen<br />

Ökonomieherdes Einsparungen<br />

im Bereich der Heizkosten und Verbesserungen<br />

in der Warmwasserbereitung.<br />

Der neue Herd erleichterte<br />

den Schwestern die Zubereitung<br />

des Essens und auch die Sauberkeit<br />

der Speisen konnte im Gegensatz zu<br />

dem vorher üblichen offenen Herdfeuer<br />

besser gewährleistet werden.<br />

Auch in einem anderen wichtigen<br />

Aufgabenbereich, der Versorgung der<br />

Wäsche, sorgte die Oberin für Verbesserungen.<br />

Da sehr viel Wäsche<br />

gestohlen wurde, ließ sie die Wäsche<br />

des Krankenhauses kennzeichnen<br />

und regelmäßig den Bestand kontrollieren. Wie im Straßburger Spital sollten<br />

die Schwestern neue Wäsche selbst herstellen. Matratzen und Polster<br />

sollten unter ihrer Aufsicht und Mithilfe im Krankenhaus angefertigt und<br />

ausgebessert werden. Eine Renovierung des Waschhauses im Garten des<br />

Krankenhauses wurde für die nächsten Jahre geplant.<br />

Da der Oberin nicht nur die Sauberkeit der Wäsche, sondern auch die<br />

Hygiene der Patienten am Herzen lag, wurde die Badeanstalt durch den<br />

Einbau weiterer Bäder und Duschen und die Installation von Warmwasserkesseln<br />

erweitert und modernisiert.<br />

Um für ein größeres Wohlbefinden der Kranken zu sorgen, setzte sie<br />

beim Magistrat die Umgestaltung der Krankensäle nach dem Vorbild des<br />

Straßburger Bürgerspit<strong>als</strong> durch. Die kalten Steinfußböden ließ sie durch<br />

wohnlichere Holzfußböden ersetzen. Da sie möglichst helle und freundliche<br />

Räume wollte, bestand sie auf der Entfernung der von F.X. Häberl<br />

eingeführten Alkoven, den niedrigen Trennmauern zwischen je zwei Betten.<br />

Schon 1826 bei Einzug der Universität im Krankenhaus waren diese<br />

Alkoven aus den klinischen Sälen, den für den Lehrbetrieb genutzten Sälen,<br />

entfernt worden, da sie verhinderten, dass die Studenten an den Betten der<br />

Patienten Platz hatten. Schwester Ignatia erreichte die Entfernung aus fast<br />

allen weiteren Sälen. Nur in zwei Sälen verblieben sie noch länger.<br />

Die Alkoven waren Schwester Ignatia auch aus Gründen der Hygiene<br />

ein Dorn im Auge. Sie betrachtete sie <strong>als</strong> Brutstätte für Ungeziefer, wie die<br />

in Krankenhäusern dam<strong>als</strong> weit verbreiteten Wanzen. Diesem Ungeziefer<br />

Werke der<br />

Barmherzigkeit,<br />

„Die<br />

Kranken<br />

besuchen“<br />

(Teil einer<br />

Gemälde-<br />

Serie im<br />

Mutterhaus)<br />

49


<strong>Festschrift</strong> der <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern<br />

50<br />

sagte sie regelrecht den Kampf an. Durch die verschiedenen Hygienemaßnahmen<br />

wie sorgfältige Reinigung der Wäsche und der Säle erreichte sie in<br />

kürzester Zeit, dass das Krankenhaus wanzenfrei wurde. Schon bald konnte<br />

sie es wagen, für jede noch gefundene Wanze einen Preis von 1 Gulden<br />

auszusetzen.<br />

Ihren Sinn fürs Praktische bewies Schwester Ignatia auch, <strong>als</strong> sie den<br />

Grundstein für einen zunächst noch sehr kleinen landwirtschaftlichen<br />

Betrieb des Ordens im Krankenhausgarten legte. Sie hatte auf eigene Kosten<br />

einen kleinen Holzstall für zwei Schweine bauen lassen, die mit den<br />

Küchenabfällen des Krankenhauses gefüttert wurden. Mit dem Erlös aus<br />

dem Verkauf der beiden Schweine bezahlte sie den Stall und schaffte eine<br />

Kuh an. In einem Schreiben vom Oktober 1834 beantragte sie beim Magistrat,<br />

ihr für die Kuh im kommenden Jahr ein kleines Stück Wiese zur Verfügung<br />

zu stellen. Der Nutzen einer Kuh läge ja auf der Hand: „Düngen für<br />

den Garten, Milch für das Haus“. 24 Nach und nach baute sie die Landwirtschaft<br />

weiter aus. So bestand die kleine Ökonomie bereits im Jahr 1837 aus<br />

einem Kuhstall für 8 Kühe und drei Schweineställen für ca. 20 Schweine.<br />

Um auch die Versorgung mit eigenem frischem Obst zu sichern, bat sie den<br />

König persönlich um unentgeltliche Überlassung von Obstbäumen aus der<br />

königlichen Baumschule für den Krankenhausgarten.<br />

Im Bezug auf die Besucherregelung müssen am Krankenhaus für uns<br />

heute kaum noch nachvollziehbare Zustände geherrscht haben. So sollen<br />

täglich bis zu 500 Besucher ins Haus gekommen sein, von denen die wenigsten<br />

Angehörige besuchen wollten. Die meisten sollen aus reiner Neugier<br />

und <strong>zum</strong> Zeitvertreib gekommen sein. So klagte Schwester Ignatia, „dass<br />

man allgemein das Krankenhaus, das eine Wohltätigkeitsanstalt für die leidende<br />

Menschheit sein soll, <strong>als</strong> einen Belustigungsort betrachtet, in den alles hineinstürmt,<br />

um aus langer Weile sich die Zeit zu vertreiben“. 25 Da sie diese Verhältnisse<br />

<strong>als</strong> sehr belastend für die Patienten und die junge Schwesterngemeinschaft<br />

empfand, sorgte Schwester Ignatia für den Erlass einer strengen Besucherregelung<br />

und achtete auf deren Einhaltung. Grundsätzlich bekamen nun auch<br />

nur noch Angehörige von Patienten Zutritt <strong>zum</strong> Haus.<br />

Auch in der Krankenpflege, dem wichtigsten Aufgabenbereich der<br />

Schwestern, führte die neue Oberin gleich zu Beginn ihrer Tätigkeit wichtige<br />

Neuerungen ein, die die jungen Schwestern vor unnötiger Überbelastung<br />

schützen sollten. Dazu erließ sie eine neue Regelung für den Nachtdienst<br />

und setzte eine neue Dienstordnung für die Verordnungspraxis durch.<br />

So sollten die Ärzte nicht mehr wie bisher zu allen Tages- und Nachtzeiten<br />

ihre Verordnungen erlassen dürfen, sondern außer in begründeten Ausnahmefällen<br />

nur noch zu ganz bestimmten Tageszeiten. Eine weitere Maßnahme<br />

im Pflegebereich wurde <strong>zum</strong> Schutz der Patienten vor Hausinfektionen vor-


Gründungsjahre der Kongregation in München<br />

genommen. Patienten mit ansteckenden Krankheiten wurden von jenen der<br />

medizinischen und chirurgischen Abteilung räumlich getrennt.<br />

Erstaunlich schnell zeigten die Reformen der Oberin Schwester Ignatia<br />

Jorth erste Erfolge, die durchaus von Magistrat und Öffentlichkeit erkannt<br />

und anerkannt wurden. Mehr <strong>als</strong> offensichtlich waren die Verbesserungen in<br />

Bezug auf Organisation, Pflege, Reinlichkeit und Versorgung der Patienten.<br />

Durch kluge Haushaltung und weniger Ausgaben für das weltliche Personal<br />

hatte die Oberin zudem Einsparungen in nicht unerheblicher Höhe erzielt,<br />

was den Magistrat verständlicherweise besonders freute. Höchst erfreut stellte<br />

die Krankenhauskommission in ihrem Bericht vom 5. April 1833 fest,<br />

dass die Schwestern für weniger Geld einen höheren Standard <strong>als</strong> das früher<br />

eingesetzte weltliche Personal boten: „Die Schwestern haben die Besorgung der<br />

Küche und des Kellers übernommen, ferner die Aufsicht über die Wäsche, und gehen<br />

dabei mit der größtmöglichen Sparsamkeit zu Werke. Hierdurch wurde erreicht, dass<br />

mit möglichst geringen Kosten die Kranken mit den bestmöglichen Speisen, die sie<br />

genießen dürfen, versehen werden, dass keine Lebensmittel mehr aus dem Hause<br />

geschleppt werden oder auf unzweckmäßige Weise verwendet werden. Auf die Erhaltung<br />

der Wäsche und des Leinenzeugs verwenden die <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern die<br />

größte Sorgfalt.“ 26<br />

So ist es nicht verwunderlich, dass der Magistrat liebend gern das Angebot<br />

Schwester Ignatias annahm, ab dem 1. Oktober 1835 die Ökonomie<br />

des Krankenhauses vollständig in Eigenregie zu führen. Statt der bisherigen<br />

monatlichen Abrechnung mit dem städtischen Magistrat sollten die<br />

Schwestern nun gegen einen bestimmten jährlichen Festbetrag die gesamte<br />

Ökonomie des Krankenhauses auf eigene Rechnung übernehmen, wie es<br />

üblicherweise auch die Straßburger Schwestern in den von ihnen geführten<br />

Krankenhäusern handhabten. Der Vertrag zwischen Stadt und Orden<br />

vom 4. September 1835 sah eine Kopfpauschale von 12 Kreuzern und<br />

2 Pfennigen täglich für die Verpflegung der Kranken und des Person<strong>als</strong> vor.<br />

Zum Personal wurden dabei nicht nur die Schwestern selbst, sondern auch<br />

das sonstige weltliche Pflege- und Hauspersonal und die Hausgeistlichen<br />

gerechnet. Im Etatjahr der Ökonomieübernahme waren dies fast 80 Personen,<br />

darunter bereits 42 Professschwestern und 10 Kandidatinnen der<br />

<strong>Barmherzige</strong>n Schwestern. Bei der Verköstigung sollten sich die Schwestern<br />

an die vom Magistrat vorgegebene Kostordnung halten. Eventuelle höhere<br />

Kosten durch Abweichung von dieser Kostordnung hätte der Orden selbst<br />

zu tragen. Für die Besorgung der Wäsche handelten die Schwestern eine<br />

jährliche Vergütung von 900 Gulden, für die Reinigung des Hauses 250<br />

Gulden und für die Beleuchtung des Hauses 1700 Gulden im Jahr aus. Der<br />

Krankenhausgarten wurde den Schwestern unentgeltlich zur Benutzung<br />

überlassen, wofür sie allerdings für die dort entstehenden Kosten, z. B. für<br />

51


<strong>Festschrift</strong> der <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern<br />

52<br />

das benötigte Gartenpersonal, selbst aufkommen mussten. Über die Gartenerzeugnisse<br />

sollten die Schwestern frei verfügen können. Der Garten war<br />

bisher für die Stadt immer ein Minusposten gewesen. Die Kosten für das<br />

Gartenpersonal hatten den Ertrag aus den Gartenerzeugnissen immer überstiegen.<br />

Der Magistrat überließ deshalb den Schwestern liebend gern den<br />

Garten zur Benutzung auf eigene Kosten. Die Oberin wiederum sah die<br />

Vorteile, die die Gartenbenutzung bot. So konnte sie die bereits begonnene<br />

kleine Landwirtschaft weiter ausbauen. Die Gartenerzeugnisse konnten für<br />

die Küche des Krankenhauses sinnvoll verwendet werden.<br />

Beide Vertragsparteien versprachen sich Vorteile von der neuen Regelung.<br />

Die Stadt sparte sich die monatliche Abrechnung und Kontrolle und<br />

konnte nun mit den Ausgaben für das Krankenhaus <strong>als</strong> feste Größe im städtischen<br />

Haushalt leichter planen. Der Orden versprach sich noch weitere<br />

Einsparungsmöglichkeiten durch die eigenverantwortliche Wirtschaftsführung.<br />

Schwester Ignatia listete in den Etatberichten der folgenden Jahre<br />

genau auf, was der Magistrat durch das sparsame und effektive Haushalten<br />

des Ordens an Ausgaben für das Krankenhaus sparte. Stadtmagistrat und<br />

Krankenhausverwaltung zeigten sich sehr zufrieden mit dieser Entwicklung<br />

und äußerten sich in der Folgezeit häufig öffentlich sehr anerkennend darüber,<br />

dass die Übernahme der Ökonomie durch die <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern<br />

zu einer wesentlichen Verbesserung der früher immer sehr prekären<br />

finanziellen Situation am Allgemeinen Krankenhaus geführt habe.<br />

3.2. Geistliche Konsolidierung der jungen<br />

Ordensgemeinschaft<br />

Mindestens ebenso viel Aufmerksamkeit wie auf die Neuorganisation von<br />

Hauswirtschaft und Pflege im Krankenhaus verwendete Schwester Ignatia<br />

auf den Aufbau der neuen Ordensgemeinschaft. Nicht zuletzt war ja diese<br />

die Voraussetzung für das Gelingen der Neuorganisation des Krankenhauses.<br />

Zunächst kümmerte sich die neue Oberin um die äußeren Rahmenbedingungen.<br />

Da die <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern noch kein eigenes Klostergebäude<br />

hatten, wollte die Oberin ihre Unterkunft im Krankenhaus <strong>zum</strong>indest<br />

etwas klösterlicher gestalten. Sie setzte durch, dass den Schwestern ein<br />

zusammenhängender Komplex an Räumen zur Verfügung gestellt wurde.<br />

Diesen Bereich ließ Schwester Ignatia zudem mit einem Gitter vom übrigen<br />

Krankenhaus abtrennen und schuf somit eine Art klösterlicher Klausur.<br />

Grundlage für das Zusammenleben der neuen Ordensgemeinschaft sollte<br />

die Regel der Straßburger <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern sein. Unmittelbar<br />

nach ihrer Ankunft hatte das Erzbischöfliche Ordinariat das bei ihm hinter-


Gründungsjahre der Kongregation in München<br />

legte Exemplar der Straßburger<br />

Regel der neuen Oberin übergeben.<br />

Gemäß dieser Regel<br />

bat Schwester Ignatia Jorth den<br />

Erzbischof, einen Superior für<br />

den neuen Orden zu bestimmen.<br />

Dieser sollte die Oberin<br />

in allen geschäftlichen und<br />

geistlichen Entscheidungen<br />

beraten. Der Erzbischof kam<br />

der Bitte nach und ernannte<br />

am 25. April 1832 den Priester<br />

Michael Rädlinger <strong>zum</strong> ersten<br />

Superior der <strong>Barmherzige</strong>n<br />

Schwestern in Bayern. Als dieser<br />

jedoch überraschend früh<br />

im Alter von 46 Jahren im Juni<br />

1833 verstarb, trat der Hofprediger<br />

Michael Hauber im<br />

August 1833 seine Nachfolge an.<br />

Bereits in den ersten Tagen nach ihrer Ankunft hatte Schwester Ignatia<br />

mit der Prüfung der Kandidatinnen begonnen. Ihren strengen Auswahlkriterien<br />

hielt nur ein kleiner Teil der 46 Kandidatinnen stand. Viele wurden<br />

entlassen, weil sie entweder schon zu alt waren oder den sonstigen Anforderungen<br />

nicht entsprachen. Von den noch verbliebenen Kandidatinnen<br />

wählte Schwester Ignatia die 14 tüchtigsten, unter ihnen auch die beiden in<br />

Straßburg ausgebildeten Kandidatinnen Susanna Balghuber und Marianna<br />

Messerschmitt, für die erste Einkleidung aus.<br />

Diese erste Einkleidung der <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern in München<br />

fand am 30. Mai 1832 in der Elisabethkirche des ehemaligen Elisabethspit<strong>als</strong><br />

statt. Diese Kirche wurde auch für die Einkleidungen der folgenden Jahre<br />

gewählt, da die Hauskapelle des Krankenhauses wegen des regen Interesses,<br />

das die Öffentlichkeit an diesen Feierlichkeiten des Ordens nahm, viel<br />

zu klein gewesen wäre. So kamen neben den Verwandten der Novizinnen<br />

viele Neugierige, aber auch offizielle Vertreter von Stadt und Staat. Aus dem<br />

Königshaus wohnte Prinzessin Mathilde, die älteste Tochter König Ludwigs<br />

I., mit ihrem Hofstaat der Zeremonie bei.<br />

Den Festgottesdienst zelebrierte der große Förderer der <strong>Barmherzige</strong>n<br />

Schwestern, Weihbischof von Streber. Die Festpredigt hielt der berühmte<br />

Prof. Dr. Ignaz Döllinger, dam<strong>als</strong> noch Stiftspropst von St. Kajetan: „Große<br />

Hoffnungen, werden auf euch, meine Schwestern, gesetzt! Ihr werdet, ihr dürfet diese<br />

Titelblatt des<br />

Exemplars<br />

der Straßburger<br />

Regel,<br />

die die<br />

Schwestern<br />

in München<br />

erhielten<br />

53


<strong>Festschrift</strong> der <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern<br />

54<br />

unsere Hoffnungen nicht täuschen! … Ganz Bayern blickt mit sehnsuchtsvoller<br />

Erwartung auf euch. Schon hat sich in mehreren Städten der Wunsch ausgesprochen,<br />

Filialen eures wohltätigen Ordens zu besitzen, und mit Gottes Hilfe wird er sich<br />

denn auch über das ganze Königreich ausbreiten.“ 27<br />

Die erste Einkleidung verlief sehr feierlich und viele der Anwesenden<br />

waren sich sicher der Tatsache bewusst, dass sie einem historischen Moment<br />

beiwohnten: der Grundsteinlegung des Ordens der <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern<br />

vom hl. Vinzenz von Paul in Bayern.<br />

Der Strom neuer Kandidatinnen, die in den Orden aufgenommen werden<br />

wollten, riss nicht ab. Bereits am Ende des Jahres bestand die Gemeinschaft<br />

wieder aus über 30 Kandidatinnen, von denen am 3. Februar 1833<br />

12 eingekleidet wurden. Diese zweite Einkleidungsfeier fand noch mehr<br />

Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit. Beim Volk war das Interesse derart<br />

groß, dass Eintrittskarten ausgegeben werden mussten. Auch das Königshaus<br />

zeigte durch die Anwesenheit von Königin Therese, der früheren Königin<br />

Caroline und zweier Prinzessinnen große Anteilnahme am neuen Orden.<br />

Bereits im Sommer 1833 durften die Novizinnen der ersten Einkleidung<br />

die zeitlichen Gelübde ablegen. Wegen des langen und erschwerten Postulats<br />

wurde die Noviziatszeit abgekürzt. Allerdings waren es nur noch 12<br />

Novizinnen. Zwei waren im Februar 1833 entlassen worden. Bei einer von<br />

ihnen handelte es sich um Marianne Messerschmitt, seit ihrer Einkleidung<br />

Schwester M. Theresia. Auf sie, die schon <strong>als</strong> Kandidatin in Straßburg war<br />

und sich danach <strong>als</strong> Leiterin der Kandidatinnen am Krankenhaus schon sehr<br />

bewährt hatte, hatten die Ordensoberen große Hoffnung gesetzt. Anscheinend<br />

war es Schwester Theresia jedoch sehr schwer gefallen, sich der stren-<br />

Liste der ersten 14 Novizinnen<br />

Die Namen der für die erste Einkleidung ausgewählten Jungfrauen waren:<br />

Jungfrau Susanne Balghuber – Schwester M. Vinzentia<br />

Jungfrau Marianne Messerschmitt – Schwester M. Theresia<br />

Jungfrau Anna Maria Stanglmeier – Schwester M. Benonia<br />

Jungfrau Margaretha Gröber – Schwester M. Anselma<br />

Jungfrau Ursula Stelzer – Schwester M. Corbiniana<br />

Jungfrau Barbara Praßer – Schwester M. Johanna<br />

Jungfrau Katharina Sprengel – Schwester M. Ludovika<br />

Jungfrau Anna Maria Messerschmidt – Schwester M. Martha<br />

Jungfrau Gertraud Sturm – Schwester M. Xaveria<br />

Jungfrau Katharina Aman – Schwester M. Magdalena<br />

Jungfrau Theresia Klingseisen – Schwester M. Josepha<br />

Jungfrau Maria Berger – Schwester M. Mechtild<br />

Jungfrau Elisabeth Niedermaier – Schwester M. Michaela<br />

Jungfrau Genoveva Huber – Schwester M. Mathilde


gen Disziplin Schwester Ignatias unterzuordnen. Sie, die sich schon Hoffnungen<br />

gemacht haben mag, selbst Oberin zu werden, hatte offensichtlich<br />

Schwierigkeiten, in die zweite Reihe zurückzutreten.<br />

Obwohl Schwester Ignatia viele Kandidatinnen ablehnte und nach Hause<br />

schickte, gab es keine Nachwuchsprobleme, was die Zahl der Kandidatinnen<br />

anging. Allerdings machte sich Schwester Ignatia, wie einem Brief an ihre<br />

Generaloberin im Juni 1832 zu entnehmen ist, Sorgen wegen der Qualität<br />

der Kandidatinnen. Eine der üblichen Voraussetzungen, bei den <strong>Barmherzige</strong>n<br />

Schwestern aufgenommen zu werden, war ein gewisses Maß an Bildung.<br />

Dies war anscheinend in Frankreich kein Problem gewesen. Anders<br />

sah es hier in Bayern aus, wo die meisten Kandidatinnen, die um Aufnahme<br />

Schwester Ignatia achtete sehr genau<br />

auf die Auswahl der Kandidatinnen.<br />

Dass sie dabei sehr erfolgreich war,<br />

zeigt die Tatsache, dass von den 189<br />

Kandidatinnen, die von ihr ins Noviziat<br />

aufgenommen wurden, nur eine einzige<br />

<strong>als</strong> Novizin und drei nach Ablegung<br />

der Profess entlassen werden mussten.<br />

Zur Auswahl der Kandidatinnen gehörte<br />

für Schwester Ignatia auch, dass sie<br />

ihnen von Anfang an nichts vormachte<br />

und die Härten, die das Ordensleben<br />

und der Krankendienst mit sich bringen,<br />

nicht beschönigte. Um denjeni-<br />

Gründungsjahre der Kongregation in München<br />

„Waschhausprobe“ für Kandidatinnen aus Liebeskummer<br />

gen, die sich aus f<strong>als</strong>chen Motiven um<br />

die Aufnahme bemühten, möglichst<br />

schnell klar zu machen, dass sie nicht<br />

aus wahrer Berufung handelten, hatte<br />

sie sich einen besonderen Härtetest<br />

ausgedacht: „Da kommen viele, die<br />

eine unglückliche Liebe gehabt haben<br />

und meinen, nun wollen sie <strong>Barmherzige</strong><br />

Schwester werden. Aber da schicke<br />

ich sie nur ins Waschhaus, um die ekelhafte<br />

Wäsche der Kranken zu waschen.<br />

Die meisten wollen noch am ersten Tage<br />

wieder fort; aber wenn eine das aushält,<br />

bei der ist es echt!“ 28<br />

Die Einkleidungen<br />

fanden 1832<br />

bis 1839 in<br />

der Elisabethkirche<br />

statt (Holzschnitt<br />

aus<br />

der Leipziger<br />

Illustrierten<br />

von 1846).<br />

55


<strong>Festschrift</strong> der <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern<br />

56<br />

baten, vom Land kamen. Der Großteil der Landbevölkerung Bayerns kam<br />

dam<strong>als</strong> jedoch noch nicht in den Genuss einer ausreichenden Schulbildung.<br />

Ignatia erkannte, dass sie im rückständigen Bayern ihre Ansprüche etwas<br />

reduzieren musste: „Diese bayrischen Mädchen, die vom Lande kommen, haben<br />

viele Mühe, etwas zu begreifen. Aber wir sind zufrieden, wenn sie ihre tiefreligiöse<br />

Gesinnung behalten und <strong>als</strong> Schwestern dem nachkommen, was die heilige Regel<br />

von ihnen fordert. Der liebe Gott gibt dann schon seinen Segen dazu.“ 29<br />

Dennoch war sie um jede Kandidatin froh, die etwas lesen, schreiben<br />

und rechnen konnte. Die Ausbildung der Postulantinnen und Novizinnen<br />

umfasste deshalb neben der spirituellen Unterweisung und der Anleitung<br />

in der Krankenpflege auch Lese-, Schreib- und Rechenunterricht. Die<br />

Unterweisung des Ordensnachwuchses sollten die Novizenmeisterin und<br />

der Beichtvater der Schwestern übernehmen.<br />

Schwester Ignatia bemühte sich deshalb darum, für ihren Orden einen<br />

eigenen Beichtvater zu erhalten. Als Beichtväter waren den Schwestern<br />

zunächst die beiden Krankenhauskapläne zugeteilt worden, die jedoch schon<br />

mit den Krankenhauspatienten ausgelastet waren. Groß war deshalb die<br />

Freude der Schwestern, <strong>als</strong> ihnen im Juli 1833 Dr. Anton Holzschneller <strong>als</strong><br />

eigener Beichtvater zugeteilt wurde. Als dieser schon im April 1835 überraschend<br />

starb, empfahl ihr großer Gönner Schwäbl, inzwischen Bischof von<br />

Regensburg, den Schwestern den Präses der Marianischen Kongregation,<br />

Michael Sintzel, <strong>als</strong> Nachfolger. Sintzel war mit seinen knapp 30 Jahren<br />

noch sehr jung, galt aber <strong>als</strong> sehr fromm. Er hatte sich mit der Veröffentlichung<br />

zahlreicher Andachts- und Gebetsbücher einen Namen gemacht.<br />

Die Nachfrage nach dieser Art von religiöser Literatur war dam<strong>als</strong> in Bayern<br />

sehr groß, da seit der Zeit der Säkularisation Gebets- und Andachtsübungen<br />

ganz ungewohnt waren. So hatte Schwester Ignatia noch 1835 größte Mühe<br />

gehabt, einen Priester für die Exerzitien der Schwestern zu finden: „Nicht<br />

einmal der Beichtvater der Servitinnen weiß, wie man Exerzitien hält. Wir richten<br />

die Exerzitien stets auf acht bis zehn Tage ein. Aber denken Sie, wir müssen den<br />

Herren meist sagen, wie es gemacht und gehalten werden muß, da ihnen das alles<br />

fremd ist.“ 30<br />

In dieser Situation sahen die Schwestern es <strong>als</strong> großes Glück an, einen<br />

Beichtvater wie Sintzel zu erhalten, der nicht nur die nötigen Kenntnisse<br />

und Erfahrungen mit geistlichen Übungen hatte, sondern sogar <strong>als</strong> ausgesprochener<br />

Fachmann auf diesem Gebiet galt. Allerdings erwies sich Sintzel<br />

bald <strong>als</strong> nicht ganz unproblematisch. Wegen seiner Tätigkeit <strong>als</strong> Schriftsteller<br />

scheint er zeitweise seine Arbeit bei den Schwestern vernachlässigt zu haben,<br />

so dass er vom Ordinariat ermahnt werden musste, den Kandidatinnen mindestens<br />

4 Stunden Unterricht in der Woche zu erteilen. Zudem hatte Sintzel<br />

mit seinem Hang zur Mystik immer mehr und längere außerordent-


Gründungsjahre der Kongregation in München<br />

liche Andachten eingeführt, die schließlich zu einer übermäßigen Belastung<br />

für die durch den anstrengenden Krankendienst ohnehin stark geforderten<br />

Schwestern wurden. Auch hier mussten Ordinariat und Oberin gegensteuern.<br />

Die Neigung Sintzels zu übertriebener Mystik und Askese widersprach<br />

der Auffassung Schwester Ignatias von gesunder Frömmigkeit. Sie verstand<br />

es jedoch, ihren Beichtvater, den sie trotz allem sehr schätzte, immer wieder<br />

zu „erden“.<br />

Bei der Gestaltung des geistlichen Lebens der Gemeinschaft orientierte<br />

sich Schwester Ignatia ganz bewusst an der bewährten, im Mutterhaus in<br />

Straßburg gepflegten Tradition. Stets achtete sie darauf, dass die im Mutterhaus<br />

üblichen geistlichen Übungen und Gebete auch in der neuen Gemeinschaft<br />

in München gewissenhaft praktiziert wurden. Superior Hauber ließ<br />

deshalb für die Münchner Schwestern die Gebets- und Betrachtungsbücher<br />

drucken, die auch im Straßburger Mutterhaus in Gebrauch waren. Auch<br />

die traditionelle Verehrung des hl. Vinzenz von Paul durch die Straßburger<br />

<strong>Barmherzige</strong>n Schwestern führte Schwester Ignatia für den neuen Orden in<br />

München ein. So hatte Schwester Ignatia bald nach ihrer Ankunft 13 Bilder<br />

vom Leben des Heiligen von Straßburg nach München kommen und schön<br />

gerahmt im Refektorium aufhängen lassen. Auch die Tradition des alljährlichen<br />

Vinzenzfestes übernahmen die Münchner Schwestern.<br />

Die Grundlagen für die neue Ordensgemeinschaft waren gelegt, aber es<br />

war mehr <strong>als</strong> fraglich, ob der ursprünglich im Vertrag von 1832 vorgesehene<br />

dreijährige Aufenthalt der beiden Straßburger Schwestern ausreichen würde,<br />

den Orden in Bayern so weit zu festigen, dass sie beruhigt nach Straßburg<br />

zurückkehren könnten. Die Befürchtung, die positive Weiterentwicklung, ja<br />

der Bestand des Ordens könne bei der vorzeitigen Rückkehr der Straßburger<br />

Schwestern gefährdet sein, veranlasste den damaligen Beichtvater der<br />

Schwestern, Holzschneller, den Magistrat bereits im Juni 1834 zu drängen,<br />

sich um eine Aufenthaltsverlängerung für Schwester Ignatia und Schwester<br />

Apollonia zu kümmern. Umgehend beantragte der Magistrat daraufhin<br />

in Straßburg die Verlängerung des Vertrags. Die erstaunlich schnelle<br />

Reaktion des Magistrats zeigt, wie sehr man in München inzwischen den<br />

neuen Orden zu schätzen gelernt hat. Die Straßburger Generaloberin, die<br />

ihre Schwestern nur allzu gern wieder in Straßburg gesehen hätte, holte<br />

zunächst die Meinung der Münchner Oberin ein. Schwester Ignatia bestätigte<br />

ihrer Generaloberin, dass das ganze Unternehmen durch ihre und<br />

Schwester Apollonias vorzeitige Rückkehr gefährdet sein könnte, da noch<br />

keine der Kandidatinnen reif sei für die Nachfolge <strong>als</strong> Oberin. Derart von<br />

der Notwendigkeit überzeugt, stimmte Generaloberin Schwester Vinzenz<br />

Sultzer der Aufenthaltsverlängerung zu. Von ihrer Entscheidung verständigte<br />

das Münchner Ordinariat den Magistrat in einem Brief vom 5. August<br />

57


<strong>Festschrift</strong> der <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern<br />

Superior<br />

Michael<br />

Hauber<br />

(Gemälde im<br />

Mutterhaus)<br />

58<br />

1834: „Die Achtung und huldvolle Gewogenheit, mit denen man die von hier aus<br />

geschickten Schwestern aufgenommen und seither behandelt hat, macht, dass die<br />

Frau Oberin von Straßburg mit Freude diese Gelegenheit benützt, den Freunden<br />

und Gönnern des Institutes in München dadurch ihre Dankbarkeit zu bezeigen.<br />

Die beiden Schwestern können <strong>als</strong>o … noch bleiben und an dem guten Werke, welches<br />

sie angefangen, fortarbeiten.“ 31<br />

3.3. Kampf um die Genehmigung der Statuten<br />

Schwester Ignatia wusste, dass es für die endgültige Etablierung ihres Ordens<br />

in Bayern unabdingbar sein würde, eine offizielle kirchliche und staatliche<br />

Genehmigung der Ordensstatuten zu erhalten. Der neue Superior Michael<br />

Hauber sah dies ebenso und machte sich schon kurz nach seinem Amtsantritt<br />

daran, Statuten zu entwerfen. Sie sollten sich weitgehend auf die<br />

Straßburger Regel stützen, gleichzeitig aber die besondere Lage in Bayern<br />

und München berücksichtigen. In Zusammenarbeit mit dem Straßburger<br />

Superior Thomas arbeitete Superior Hauber einen Entwurf aus, den er am<br />

1. Juni 1834 dem Münchner Ordinariat zur Genehmigung vorlegte. Die<br />

Bestätigung der Statuten durch das Ordinariat erfolgte bereits am 10. Juni<br />

1834, womit der neue Orden seine offizielle kirchenrechtliche Anerkennung<br />

erhielt.<br />

Das staatliche Genehmigungsverfahren sollte sich <strong>als</strong> weitaus schwieriger<br />

erweisen. Die Regierung nahm sich viel Zeit, die Statuten dahingehend zu<br />

überprüfen, ob sie mit der bayerischen<br />

Klostergesetzgebung übereinstimmten.<br />

Diese war jedoch<br />

sehr restriktiv und darauf ausgelegt,<br />

die staatliche Oberaufsicht<br />

über alle Orden zu garantieren.<br />

Dementsprechend abgeändert und<br />

ergänzt, wurden die Statuten dem<br />

Orden am 10. April 1835 zurückgeschickt.<br />

Schwester Ignatia und<br />

der Superior waren entsetzt. Die<br />

abgeänderte Fassung hätte dem<br />

Staat das Recht zugebilligt, massiv<br />

in die internen Angelegenheiten<br />

einzugreifen. So bestand der Staat<br />

auf einem Mitspracherecht bei der<br />

Auswahl der Kandidatinnen und


Gründungsjahre der Kongregation in München<br />

der endgültigen Aufnahme in den Orden. Außerdem beanspruchte er die<br />

Oberaufsicht über das gesamte Vermögen des Ordens.<br />

Aus Sicht der Regierung waren die Änderungen durchaus berechtigt,<br />

da sie der geltenden Klostergesetzgebung entsprachen. Schwester Ignatia<br />

dagegen empfand sie <strong>als</strong> ungeheuren Affront. War doch dem Mutterhaus<br />

in Straßburg in den Verträgen mehrfach zugesichert worden, dass die<br />

Schwestern in München nach den Regeln der <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern in<br />

Straßburg leben könnten. Nachdem der Regierungspräsident ihren Protest<br />

lapidar mit dem Hinweis auf die geltende Gesetzgebung abgewiesen hatte,<br />

entschloss sich Schwester Ignatia, sich mit einer Eingabe an den König persönlich<br />

zu wenden.<br />

Die Eingabe vom 24. April 1835 zeugt von einer sehr klugen Argumentationsführung.<br />

Gegen die Oberaufsicht des Staates führte sie an, die<br />

Schwestern seien schon durch die Krankenhauskommission des Magistrats<br />

und die Krankenhausdirektion von staatlicher Seite genügend kontrolliert.<br />

Die kirchliche Kontrolle sei durch den Superior und die Oberaufsicht des<br />

Bischofs gewährleistet. Voll Entrüstung über das bayerische Vorgehen wies<br />

sie daraufhin, dass in Frankreich die Unabhängigkeit des Ordens von den<br />

Regierenden zu allen Zeiten respektiert worden sei, selbst während der<br />

Revolution und unter Napoleon. Sollte diese Unabhängigkeit in Bayern<br />

nicht garantiert werden, wolle sie lieber wieder nach Frankreich zurückkehren.<br />

Das stichhaltigste Argument, das Schwester Ignatia anbrachte, war<br />

jedoch der Hinweis darauf, dass der Orden der <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern<br />

<strong>als</strong> vinzentinische Gemeinschaft kein Orden im herkömmlichen Sinne sei,<br />

demnach <strong>als</strong>o auch nicht unter die Klostergesetzgebung falle: „Obige allerhöchste<br />

Verordnung, die durchaus für Nonnenklöster berechtigt, kann auf das Institut<br />

der barmherzigen Schwestern nicht angewendet werden, da dieser Orden keine<br />

klösterliche Verfassung hat, sondern ein Verein katholischer Jungfrauen ist, die sich<br />

aus höheren Beweggründen dazu verstehen, nach gewissen Satzungen in Gemeinschaft<br />

unter einer Oberin zu leben, um sich aus Liebe zu Jesus dem Dienste der<br />

Armen und Kranken zu widmen, mit dem Vorbehalte, dass sie jederzeit frei und<br />

ungehindert austreten, und dass sie ebenso von den Oberen, wenn diese wichtige<br />

Gründe haben, entlassen werden können… Der Orden fordert zur Entwicklung<br />

seiner Tätigkeit möglichst freie Bewegung.“ 32<br />

Durch die Eingabe erst auf die kritische Situation aufmerksam geworden,<br />

machte der über das Vorgehen seiner Ministerialbürokratie empörte König<br />

seinen Räten klar, wie viel ihm am Fortbestehen des Ordens in Bayern<br />

lag: „Das will ich nicht, das will ich nicht, man soll die Schwestern machen lassen,<br />

wie sie es in Frankreich gewohnt waren, sonst gehen sie mir fort, und das ist doch<br />

mein liebster Orden in ganz Bayern. Quälen Sie sie nicht, sonst verlieren sie den<br />

Mut!“ 33<br />

59


<strong>Festschrift</strong> der <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern<br />

60<br />

Um zu verhindern, dass die Schwestern mit ihrer Drohung, nach Frankreich<br />

zurückzukehren, ernst machten, setzte er sich in seiner bekannt autokratischen<br />

Regierungsweise mit einem Federstrich über die Gesetzgebung<br />

hinweg. Als Ausweg diente ihm dabei das Argument Schwester Ignatias, der<br />

Orden sei kein Orden im herkömmlichen Sinne, stünde somit außerhalb<br />

der Klostergesetzgebung. So genehmigte der König in einem Reskript vom<br />

30. Mai 1835 die Statuten der <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern in der von ihnen<br />

gewünschten Form und begründete die Umgehung der geltenden Klostergesetzgebung<br />

mit der Sonderstellung dieses Ordens: „1) Der Orden der<br />

barmherzigen Schwestern nach der Regel des heiligen Vinzenz von Paul soll in<br />

Bayern <strong>als</strong> eine zunächst für die Krankenpflege in öffentlichen Kranken-Anstalten<br />

bestimmte religiöse Genossenschaft, jedoch ohne klösterliche Verfassung bestehen.<br />

2) Die Mitglieder desselben legen daher nur einfache, jährlich zu erneuernde Gelübde<br />

ab, und können, wenn sie diese nicht erneuern wollen, aus dem Orden freiwillig<br />

und ungehindert wieder austreten, oder von den Ordensobern aus hinreichenden<br />

Ursachen entlassen werden.“ 34<br />

Die genehmigten Statuten bestimmten die Münchner Niederlassung<br />

<strong>zum</strong> Mutterhaus für Bayern und berechtigten dieses zur Gründung von<br />

Filialen in weiteren bayerischen Städten. Der König behielt sich allerdings<br />

vor, ein weiteres Mutterhaus, angedacht war Würzburg, in Bayern zuzulassen.<br />

Als Oberin des Münchner Mutterhauses wurde Schwester Ignatia <strong>als</strong><br />

Generaloberin für ganz Bayern betrachtet. Zwei Assistenzschwestern sollten<br />

die Generaloberin unterstützen. Dazu wurden die Novizenmeisterin<br />

Schwester Apollonia und Schwester Xaveria Sturm bestimmt.<br />

Mit dem königlichen Reskript vom 30. Mai 1835 bekamen die <strong>Barmherzige</strong>n<br />

Schwestern die landesherrliche Zulassung <strong>als</strong> geistliche Gemeinschaft<br />

in Bayern und wurden zu einer Körperschaft des öffentlichen Rechts.<br />

Somit war ein entscheidender Schritt getan: die rechtliche Existenzgrundlage<br />

der neuen Ordensgemeinschaft war gesichert.<br />

3.4. Erste grosse Bewährungsprobe:<br />

Choleraepidemie 1836/37<br />

Schwester Ignatia führte die Ordensgemeinschaft streng, aber liebevoll. Stets<br />

war sie um Wohlergehen und Gesundheit ihrer Schwestern besorgt. So hielt<br />

sie sie immer dazu an, ausreichend zu essen. Nichts unterließ sie, von dem sie<br />

hoffte, es würde der Gesundheit der Schwestern förderlich sein. So schaffte<br />

sie beispielsweise eine eigene Ziege für den Orden an, weil sie beobachtet<br />

hatte, dass Ziegenmilch der hustenden Schwester Apollonia Erleichterung<br />

verschafft hatte.


Gründungsjahre der Kongregation in München<br />

Umso mehr litt Schwester Ignatia darunter, dass trotz all ihrer Fürsorge<br />

immer wieder Schwestern erkrankten und nicht wenige davon starben:<br />

„Der liebe Gott prüft uns recht hart. Allezeit haben wir Kranke. Kaum dass eine das<br />

Krankenzimmer verlässt oder stirbt, so kommt wieder eine andere, die schwer krank<br />

wird.“ 35 Als die Münchner Generaloberin dies im Mai 1835 an die Straßburger<br />

Generaloberin schrieb, wusste sie noch nicht, dass bald noch eine<br />

weit härtere Bewährungsprobe auf die junge Ordensgemeinschaft zukommen<br />

sollte.<br />

Cholera, eine Brechdurchfallerkrankung, die schon seit Jahrhunderten<br />

in Indien bekannt war, begann sich von dort aus seit 1817 epidemieartig zu<br />

verbreiten. Europa erreichte die Seuche erstm<strong>als</strong> 1830/31. Die erste Choleraepidemie<br />

in Deutschland im Jahr 1831 verschonte Bayern. Nun aber, im<br />

Jahr 1836, ergriff die Seuche, wahrscheinlich von Oberitalien ausgehend,<br />

auch Bayern. Die ersten Fälle gab es in Mittenwald und Altötting. Schon<br />

kurze Zeit später, am 11. August, wurde im Allgemeinen Krankenhaus in<br />

München der erste Cholerapatient eingeliefert. Die Münchner Bevölkerung<br />

nahm die vereinzelten Cholerafälle der nächsten Monate recht gelassen<br />

zur Kenntnis und feierte wie immer ausgelassen das Oktoberfest. Unruhe<br />

breitete sich erst aus, <strong>als</strong> ab Ende Oktober die Cholera epidemieartige<br />

Züge annahm. Das besonnene Handeln der Regierung jedoch trug dazu<br />

bei, Panik zu verhindern. Um das Volk zu beruhigen, blieb Ludwig I. ganz<br />

bewusst mit seinem Hof in München und erließ effiziente Maßnahmen<br />

zur Bekämpfung der Seuche. So sorgten über die Stadt verteilte Suppenküchen<br />

für eine ausreichende Ernährung der Armen, eine Maßnahme, die<br />

<strong>als</strong> Vorbeugung gegen die Krankheit dienen sollte. Zur schnelleren und<br />

besseren medizinischen Versorgung wurden ambulante Krankenstationen<br />

in den einzelnen Stadtvierteln aufgebaut und zwei Notkrankenhäuser in<br />

der Max- und der Annavorstadt eingerichtet. Die Hauptlast der medizinischen<br />

Versorgung lag dennoch beim Allgemeinen Krankenhaus und somit<br />

zu einem guten Teil bei den dort pflegenden <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern. In<br />

den Monaten zwischen Oktober 1836 und Januar 1837, <strong>als</strong> die Cholera<br />

ihren Höhepunkt erreichte, wurden im Krankenhaus bis zu 53 statt der<br />

sonst etwa 14 Patienten täglich eingeliefert. Hinzu kam, dass es innerhalb<br />

des Krankenhauses zu Hausinfektionen kam. Patienten, die sich von anderen<br />

Krankheiten erholen mussten, waren besonders anfällig und steckten<br />

sich reihenweise an. Die <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern waren Tag und Nacht<br />

im Einsatz und bemühten sich um die Kranken, teilweise bis zur völligen<br />

Erschöpfung. Trotzdem konnten sie nicht verhindern, dass sehr viele ihrer<br />

Patienten starben. Im Krankenhaus wurden nach dem offiziellen Cholerabericht<br />

des Münchner Polizeiarztes Kopp insgesamt 320 Cholerakranke<br />

behandelt, wovon 149 starben. 36<br />

61


<strong>Festschrift</strong> der <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern<br />

62<br />

Eine jung verstorbene<br />

<strong>Barmherzige</strong> Schwester<br />

(Lithographie „So<br />

stirbt die Unschuld und<br />

Liebe“, vermutlich von<br />

Leopold Völlinger, eventuell<br />

aus der Zeit der<br />

ersten Choleraepidemie<br />

in München, EAM)<br />

Nicht nur die sehr hohe Zahl der Erkrankten, sondern vor allem auch<br />

die bei dieser Krankheit erforderliche intensive Pflege belastete die <strong>Barmherzige</strong>n<br />

Schwestern sehr. Sie waren fast rund um die Uhr im Einsatz und<br />

gönnten sich kaum Ruhe. Es war nicht verwunderlich, dass sie bei dem<br />

engen Kontakt mit den Cholerakranken und ihrer körperlichen Erschöpfung<br />

ebenfalls Opfer der Seuche wurden. Ein großer Teil der Schwestern<br />

erkrankte. Zeitweise waren zehn Schwestern gleichzeitig krank, was eine<br />

dementsprechend höhere Belastung für die übrigen Schwestern bedeutete.<br />

Die Seuche forderte von der Ordensgemeinschaft einen furchtbaren Tribut:<br />

Innerhalb von nur fünf Wochen starben fünf der jungen Schwestern. Das<br />

erste Opfer war Schwester Xaveria Sturm, die Assistenzschwester der Generaloberin,<br />

eine der Novizinnen der ersten Einkleidung 1832. Dieser Verlust<br />

schmerzte Schwester Ignatia in besonderem Maße, hatte sie doch gerade<br />

in diese Schwester größte Hoffnungen gesetzt. Durch ihre liebevolle und<br />

geduldige Art war sie sehr beliebt gewesen. Weitere fünf Schwestern blieben<br />

nach ihrer Infizierung chronisch krank. Eine davon, Schwester Corbiniana<br />

Stelzer, ebenfalls eine der ersten Novizinnen von 1832, starb im April 1837<br />

an den Folgen der Cholera.<br />

Im Januar 1837 war die Cholera endlich abgeflaut, im Februar schon fast<br />

überstanden, offizielles Ende aber war erst der 1. März. Bevor die Schwestern<br />

jedoch aufatmen und sich etwas erholen konnten, schlug die nächste Epidemie<br />

zu. Im eiskalten und schneereichen März 1837 breitete sich eine Grippewelle<br />

in München aus. In ihrem ohnehin schon geschwächten Zustand<br />

erkrankten alle Schwestern. Die Generaloberin erlitt, da sie sich keine Schonung<br />

gönnte, zweimal einen Rückfall. Zur großen Erleichterung aller forderte<br />

die Grippe jedoch kein Todesopfer unter der Schwesternschaft.<br />

Während der Choleraepidemie war die Zahl junger Frauen, die um Aufnahme<br />

baten, nicht zurückgegangen. Ganz im Gegenteil, gerade in dieser<br />

schweren Zeit der ersten großen Bewährungsprobe, <strong>als</strong> offensichtlich wurde,<br />

wie hart, ja lebensgefährlich der Beruf einer <strong>Barmherzige</strong>n Schwester war,<br />

stieg die Zahl der Kandidatinnen weiter an. Der Heldenmut der Schwestern<br />

scheint eine unvorstellbar große Faszination auf gläubige junge Frauen aus-


Gründungsjahre der Kongregation in München<br />

geübt zu haben, ihrem Beispiel zu folgen, ihr ganzes Leben aus christlicher<br />

Nächstenliebe in den Dienst kranker Menschen zu stellen, bis hin zu der<br />

Konsequenz des eigenen sehr frühen Todes.<br />

Der Andrang neuer Kandidatinnen war so groß, dass in kurzer Zeit der<br />

Verlust der durch die Cholera gestorbenen Schwestern zahlenmäßig ausgeglichen<br />

war. Ja, Schwester Ignatia musste weitere Kandidatinnen schweren<br />

Herzens abweisen, da in der beengten Klosterklausur im Krankenhaus kein<br />

Platz mehr war. So wurde es unumgänglich, die während der Seuchenmonate<br />

auf Eis gelegten Pläne für einen Klosterbau wieder aufzugreifen.<br />

3.5. Ein eigenes Mutterhaus für die Schwestern<br />

Schon von Anfang an war allen Beteiligten klar, dass die Unterbringung<br />

der Schwestern im Krankenhaus nur eine Notlösung sein konnte. Für<br />

die wachsende Ordensgemeinschaft wurden die zur Verfügung gestellten<br />

Räume bald zu klein. Zudem benötigte das Krankenhaus die von den<br />

Schwestern belegten Krankensäle für seine Patienten. Schon im Juni 1833<br />

schrieb Schwester Ignatia nach Straßburg: „Man spricht viel davon, ein Kloster<br />

zu bauen samt einer schönen Kirche, und man hofft, der König werde etwas dazu<br />

beitragen.“ 37<br />

Gerade die Vertreter des Krankenhauses erkannten, dass es im Interesse des<br />

Krankenhauses war, die Zukunft des Ordens durch den Bau eines eigenen<br />

Mutterhauses und durch die Regelung des Unterhalts für die Schwestern<br />

zu sichern. So bedauert der Oberarzt von Walther, inzwischen überzeugt<br />

von der Qualität der Pflege durch die Schwestern, in seiner Abhandlung<br />

über die Situation am Allgemeinen Krankenhaus im Jahr 1835: „Leider aber<br />

fehlt es diesem wohltätigen Orden an einem Kloster … an einer Klosterkirche, an<br />

einem eigenen Fonds zur Kleidung, Beköstigung und anderweitigen Versorgung<br />

der Schwestern und ihrer geistlichen Oberin.“ 38 Außerdem befürchtete er eine<br />

Gesundheitsgefährdung: Die teilweise noch sehr jungen Schwestern würden<br />

sich leicht anstecken, manche seien sogar noch anfällig für Kinderkrankheiten<br />

und die Sterblichkeit sei erschreckend hoch. Bei der Choleraepidemie<br />

sollte sich zeigen, wie Recht von Walther mit seiner Einschätzung<br />

der Gesundheitsgefährdung der Schwestern gehabt hatte.<br />

Nachdem für den Orden durch die staatliche Anerkennung und die<br />

Übernahme der gesamten Ökonomie am Münchner Krankenhaus die<br />

Weichen Richtung Zukunft gestellt worden waren, beantragte Superior<br />

Michael Hauber offiziell beim König den Bau eines eigenen Mutterhauses<br />

zur Unterbringung von 100 Schwestern. 39 Bei Ludwig I. stieß er mit dieser<br />

Eingabe auf offene Ohren. Ludwigs Ziel war nach wie vor, möglichst<br />

63


<strong>Festschrift</strong> der <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern<br />

64<br />

viele bayerische Krankenhäuser mit <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern zu versorgen.<br />

Auch dem König war klar, dass der Orden dafür ein geräumiges Mutterhaus<br />

benötigte, in dem mehr Kandidatinnen aufgenommen und ausgebildet werden<br />

könnten, <strong>als</strong> für den Bedarf im Allgemeinen Krankenhaus nötig waren.<br />

Im Krankenhaus hatte man mit Mühe und Not bisher nur die 50 Schwestern<br />

unterbringen können, die man im Haus selbst brauchte.<br />

Ohne zu zögern bewilligte der König deshalb den Antrag des Superiors.<br />

Allerdings war damit der Bau noch nicht gesichert, da der Antrag nun erst<br />

durch die Mühlen der bayerischen Bürokratie musste. Wie immer ging es<br />

vor allem um die Frage der Finanzierung. Nach dem Willen des Königs<br />

sollten sich sowohl die Stadt <strong>als</strong> auch der Staat an den Baukosten beteiligen.<br />

Einig waren sich alle Beteiligten nur darüber, dass der Neubau in unmittelbarer<br />

Nähe des Allgemeinen Krankenhauses entstehen sollte. Nach einer<br />

Idee des Königs sollte er aus Rücksicht auf die dort eingesetzten Schwestern<br />

mit dem Krankenhaus durch einen überdachten Verbindungsgang verbunden<br />

werden. Das Bewilligungsverfahren zog sich lange hin, sodass Schwester<br />

Ignatia am 5. August nach Straßburg meldete, man habe mit dem Bau<br />

immer noch nicht beginnen können: „In Bayern geht halt alles langsam. Gut’<br />

Ding will eben Weile haben.“ 40<br />

Endlich, am 17. August 1836, erfolgte die endgültige Bewilligung durch<br />

den König. Zur Finanzierung des Baus, dessen Kosten von den Behörden<br />

auf etwa 106.000 bis 110.000 Gulden veranschlagt waren, stellte der<br />

König einen Zuschuss von 20.000 Gulden vonseiten der Stadt München<br />

und 50.000 Gulden vonseiten der Regierung in Aussicht. Aus seiner eigenen<br />

Privatschatulle versprach er, 10.000 Gulden zuzuschießen. Den Rest<br />

müsse der Orden selbst aufbringen. Allerdings genehmigte er dem Orden<br />

die Durchführung einer öffentlichen Sammlung.<br />

Der am 6. Oktober 1836 von Generaloberin und Superior veröffentlichte<br />

Spendenaufruf fand große Resonanz. So kamen über 16.000 Gulden<br />

an Spenden zusammen. Davon stammte der größte Teil, nämlich ungefähr<br />

12.000 Gulden, von hochgestellten Persönlichkeiten, größtenteils aus dem<br />

bayerischen Königshaus. Aber auch das einfache Volk beteiligte sich rege im<br />

Rahmen seiner Möglichkeiten an der Spendenaktion. Mit diesen Spendengeldern<br />

und den vom König in Aussicht gestellten Zuschüssen von Stadt<br />

und Staat schien die Finanzierung weitgehend gesichert. Da der Stadtmagistrat<br />

die Bewilligung des städtischen Zuschusses davon abhängig gemacht<br />

hatte, dass der Orden selbst <strong>als</strong> Bauherr auftrat, übernahm Superior Hauber<br />

<strong>als</strong> Vertreter des Ordens diese Funktion.<br />

Er handelte mit dem Stadtmaurermeister Höchl aus, dass dieser für eine<br />

Pausch<strong>als</strong>umme von 100.000 Gulden den Bau erstellen sollte, die der Orden<br />

in neun Raten abzuzahlen hätte. Acht Raten zu je 10.000 fl. waren nach


Mutterhaus und<br />

Medizinische Klinik<br />

(früher Allgemeines<br />

Krankenhaus), Luftbild<br />

ca. 1970<br />

Gründungsjahre der Kongregation in München<br />

jeweils bestimmten Bauabschnitten zu bezahlen. Die neunte und letzte Rate<br />

sollte bei Fertigstellung in Höhe von 20.000 fl. fällig werden.<br />

Der König entschied sich Ende Oktober 1836, dass der Bau nach den<br />

Plänen des Hofarchitekten Friedrich von Gärtner ausgeführt werden sollte.<br />

Ziel Gärtners war es vor allem, dass sich das neue Kloster harmonisch an den<br />

Bau des Allgemeinen Krankenhauses anfügte, dessen Architekt sein Lehrer<br />

von Fischer war. Der Abstand des Klosters <strong>zum</strong> Krankenhaus musste so groß<br />

sein, dass den Krankensälen kein Licht durch das neue Gebäude genommen<br />

wurde. Der rechteckige Baublock des Mutterhauses sollte in Verlängerung<br />

der Südachse des Krankenhauses entstehen. Geplant war ein dreigeschossiger<br />

Bau, dessen vier Flügel einen Innenhof umschließen sollten. An der<br />

Westseite sollte die Mutterhauskirche <strong>als</strong> einschiffige Saalkirche mit einer<br />

gerundeten Apsis nach Westen entstehen. Eine zweigeschossige Empore<br />

an der Rückwand sollte Platz für die wachsende Schwesterngemeinschaft<br />

bieten.<br />

Als die Choleraepidemie endlich am Abklingen war, erfolgte Mitte Februar<br />

1837 der erste Spatenstich und die Grabarbeiten für die Fundamente<br />

begannen. Schon am 13. Mai 1837 konnte die Grundsteinlegung gefeiert<br />

werden. Auf Wunsch des Königs erfolgte sie unter Ausschluss der Öffentlichkeit,<br />

was aber der Feierlichkeit keinen Abbruch tat. In Anwesenheit von<br />

Vertretern der Stadt, der Geistlichkeit und des Krankenhauses legten Superior<br />

und Generaloberin nach den vorgeschriebenen Gebeten den vom Architekten<br />

und königlichen Oberbaurat Prof. Friedrich von Gärtner gespendeten<br />

Grundstein.<br />

Der Bau wurde zügig vorangetrieben, obwohl seine Finanzierung, wie<br />

sich bald herausstellte, noch nicht endgültig gesichert war. Die Landstände<br />

hatten den vom König in Aussicht gestellten staatlichen Bauzuschuss von<br />

65


<strong>Festschrift</strong> der <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern<br />

66<br />

50.000 Gulden noch nicht genehmigt. Dies war auch der Grund, warum<br />

der König bei der Grundsteinlegung möglichst wenig öffentliche Aufmerksamkeit<br />

gewünscht hatte. Die Bedingungen für eine Bewilligung des staatlichen<br />

Finanzierungsbeitrags schienen alles andere <strong>als</strong> günstig zu sein. In<br />

der Abgeordnetenkammer hatte sich im Frühjahr 1837 massiver Widerstand<br />

gegen die Klosterpolitik Ludwig I. formiert.<br />

Seit seinem Regierungsantritt hatte der König die Wiedereinführung<br />

von Orden in Bayern in großzügigster Weise gefördert. Nicht weniger <strong>als</strong><br />

75 Ordensniederlassungen waren in diesen vergangenen zwölf Jahren entstanden.<br />

Ludwig konnte sich auf die Rechtsgrundlage des Konkordats von<br />

1817 berufen, in dem der bayerische König dem Heiligen Stuhl in Artikel 7<br />

zugestand, für den Unterricht und die Seelsorge wieder Orden zuzulassen.<br />

Die Ordensgegner in Bayern waren jedoch der Meinung, dass der König<br />

diesen Artikel des Konkordats inzwischen mehr <strong>als</strong> erfüllt hätte. Deshalb<br />

brachten sie im Juni 1837 einen Antrag in der Abgeordnetenkammer ein,<br />

dass mit staatlicher Hilfe kein Kloster mehr errichtet werden solle. Sollte<br />

ein Kloster aus privaten Mitteln eingerichtet werden, müsste es selbst über<br />

genügend Finanzmittel verfügen, um seinen Unterhalt zu sichern.<br />

In der Sitzung vom 28. Juni 1837 führte die Gesetzesvorlage zu einer<br />

heftigen Debatte zwischen Ordensgegnern und Ordensfreunden. Prof. von<br />

Ringseis, nicht nur Oberarzt am Allgemeinen Krankenhaus, sondern auch<br />

Abgeordneter, war einer der Fürsprecher der Klöster. Sein Hauptanliegen<br />

war, für die <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern eine Sonderregelung zu erwirken.<br />

Nicht zuletzt wegen der offensichtlichen Verdienste, die sich die Schwestern<br />

während der Choleraepidemie erworben hatten, gelang es Ringseis, auch<br />

Abgeordnete, die alles andere <strong>als</strong> ordensfreundlich gesinnt waren, für eine<br />

Ausnahmeregelung für Krankenpflegeorden zu gewinnen. Daraufhin brachte<br />

die königliche Regierung einen Antrag in der Kammer ein, den Mutterhausbau<br />

mit einer einmaligen Zahlung von 50.000 fl. zu unterstützen und<br />

dem Orden für seinen Unterhalt in den nächsten sechs Jahren je 10.000 fl.<br />

jährlich zuzubilligen. Während sich die Abgeordneten relativ schnell bereit<br />

erklärten, dem einmaligen Bauzuschuss zuzustimmen, stieß die jährliche<br />

Unterhaltszahlung zunächst auf starke Bedenken und konnte erst bei der<br />

3. Vorlage am 2. November 1837 endgültig durchgesetzt werden. Dies war<br />

wiederum hauptsächlich das Verdienst von Rngseis mit seinen Argumenten,<br />

der bayerische Staat sei laut Reichsdeputationsschluss von 1803 verpflichtet,<br />

das durch die Säkularisation eingenommene Vermögen <strong>zum</strong>indest teilweise<br />

wieder wohltätigen Zwecken zuzuführen. Außerdem berief er sich<br />

auf das Konkordat von 1817, in dem zugesagt wurde, in Bayern wieder<br />

Klöster einzurichten und mit einer entsprechenden Dotation zu versehen.<br />

Die <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern hätten deshalb einen Rechtsanspruch auf


Gründungsjahre der Kongregation in München<br />

einen Unterhaltszuschuss durch<br />

den Staat.<br />

Schließlich einigten sich<br />

die Abgeordneten darauf, dass<br />

die 50 im Krankenhaus tätigen<br />

Schwestern von der Stadt finanziert<br />

werden sollten, für die<br />

darüber hinausgehende Zahl<br />

an Schwestern sollte der Staat<br />

die Kosten übernehmen. Dafür<br />

sollte der Orden vom Staat eine<br />

jährliche Unterhaltsleistung von<br />

10.000 Gulden für die nächsten<br />

sechs Jahre erhalten. Nach Ausbildung<br />

dieser Schwestern und<br />

ihrem Einsatz in anderen Krankenhäusern<br />

sollten diese für<br />

ihren Unterhalt aufkommen.<br />

Ausschlaggebend für das letztlich positive Ergebnis war sicher neben der<br />

Überzeugungsarbeit von Ringseis, dass selbst überzeugte Ordensgegner die<br />

Verdienste der <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern am Allgemeinen Krankenhaus für<br />

die Krankenpflege allgemein und insbesondere während der Cholerazeit<br />

anerkennen mussten. Sie ließen sich, nachdem sie sich näher über den Orden<br />

informiert hatten, von seinem segensreichen Wirken überzeugen und sprachen<br />

voll Anerkennung und Lob von ihm. Ein protestantischer Abgeordneter<br />

meinte sogar, der Orden der <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern sei die einzige<br />

Einrichtung, um die er <strong>als</strong> Protestant die katholische Kirche beneide.<br />

Zur großen Beruhigung der Ordensoberen hatte der Mutterhausbau<br />

nun endlich eine solide Finanzierungsgrundlage. Der Rohbau des neuen<br />

Klosters stand bereits bei Einbruch des Winters 1837/38. Allerdings nahm<br />

der Innenausbau noch fast zwei weitere Jahre in Anspruch.<br />

Groß war die Freude der Schwestern, <strong>als</strong> am 29. September 1839 die<br />

Einweihung gefeiert werden konnte. Schon Tage vorher hatten sie begonnen,<br />

Kloster und Kirche mit Blumen und Kränzen zu schmücken. Erzbischof<br />

Lothar Anselm von Gebsattel ließ es sich trotz seines hohen Alters<br />

nicht nehmen, die Einweihungszeremonie persönlich zu leiten. Unter der<br />

Assistenz zahlreicher Geistlicher weihte der greise Erzbischof den Hauptaltar<br />

zu Ehren des hl. Vinzenz von Paul und die Seitenaltäre zu Ehren des hl.<br />

Josef und der hl. Elisabeth. Bei der anschließenden Pontifikalmesse war auch<br />

die Öffentlichkeit zugelassen. Aus Dankbarkeit gegenüber ihrem großen<br />

Wohltäter Ludwig I. wurde das Messopfer der Einweihungsfeier und der<br />

Das alte<br />

Altarbild<br />

der Mutterhauskirche<br />

von 1839<br />

(Gemälde<br />

von Robert<br />

von Langer)<br />

67


<strong>Festschrift</strong> der <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern<br />

68<br />

Der Garten des Mutterhauses<br />

(aus dem<br />

Leporello „Ansichten<br />

von dem Kloster<br />

der barmherzigen<br />

Schwestern in München“,<br />

C. Heindel’s<br />

Kunstanstalt München,<br />

ca. 1840)<br />

jährlichen Gedächtnistage für ihn aufgeopfert. Ganze 8 Tage lang feierten<br />

die Schwestern mit täglichem Hochamt und nachmittäglicher Litanei die<br />

Einweihung ihres neuen Hauses, wobei auch der übrigen Wohltäter des<br />

Baus und der 36 bereits verstorbenen Schwestern gedacht wurde.<br />

Wie glücklich war die junge Ordensgemeinschaft, <strong>als</strong> sie am 30. September<br />

ihr neues Kloster beziehen konnte, das laut Pressemeldung „ein seinem<br />

Zwecke entsprechendes, einfaches und prunkloses, aber doch großartiges Gebäude mit<br />

freundlichen, hohen und geräumigen Sälen, Zimmern und Gängen“ 41 war.<br />

Größere Sorgfalt <strong>als</strong> auf die innere Einrichtung des Hauses verwendete<br />

der Orden auf die Ausschmückung der Kirche, die der Mittelpunkt des<br />

Hauses werden sollte. Für ihre Kirche mit dem leicht ovalen Grundriss<br />

erwarben die Schwestern künstlerisch gestaltete Glasfenster <strong>zum</strong> Herstellerpreis<br />

bei der Nymphenburger Porzellanmanufaktur. Auf Wunsch Schwester<br />

Ignatias schuf der königliche Akademieprofessor von Langer ein großes<br />

Altarbild, das den Ordensstifter Vinzenz von Paul umgeben von <strong>Barmherzige</strong>n<br />

Schwestern, Missionspriestern und Kranken und Waisen zeigte. Von<br />

Langer schuf auch die Altarbilder der beiden Seitenaltäre.<br />

Die Innenausstattung ließ die Baukosten auf 135.000 bis 150.000 Gulden<br />

ansteigen. Ohne zahlreiche weitere Spenden hätte der Orden diese<br />

Kosten nicht tragen können. Insbesondere Angehörige des Königshauses<br />

trugen zudem mit Sachspenden zur Ausstattung der Kirche bei. So spendete<br />

König Ludwig I. die ehemalige Orgel des protestantischen Betsa<strong>als</strong> der<br />

Residenz.<br />

Damit sich die Schwestern ungestört vom Publikumsverkehr des Allgemeinen<br />

Krankenhauses und geschützt vor Regen und Hitze erholen<br />

konnten, genehmigte die königliche Regierung den Bau eines überdachten<br />

Arkadenganges im Krankenhausgarten. Ausgeschmückt wurde dieser Gang<br />

von den Schwestern mit Kreuzwegstationen und mit Bildern aus der könig-


Mutterhaus und Allgemeines<br />

Krankenhaus mit<br />

dem überdachten Verbindungsgang<br />

(ebenfalls aus<br />

dem Leporello von 1840)<br />

Gründungsjahre der Kongregation in München<br />

lichen Gemäldegalerie, die ihnen der König, begeistert von den schönen<br />

Arkaden, <strong>als</strong> Leihgabe angeboten hatte.<br />

Die junge Ordensgemeinschaft hatte nun endlich ihr lang ersehntes<br />

eigenes Haus, wie auch die Presse zur Eröffnung zufrieden feststellte: „Das<br />

Mutterhaus der wackern <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern steht nun herrlich und bequem<br />

ausgebaut in dem schön angelegten Garten hinter dem Hauptgebäude da. So ist<br />

das städtische Allgemeine Krankenhaus in München jetzt eine Musteranstalt der<br />

Menschlichkeit und Wohltätigkeit, in allen einzelnen Einrichtungen in jeder Hinsicht<br />

vortrefflich.“ 42<br />

Mutterhaus und Allgemeines Krankenhaus gingen in den folgenden<br />

anderthalb Jahrhunderten eine einzigartige Symbiose ein. Eine Symbiose,<br />

die die Entwicklung des Krankenhauswesens in München entscheidend<br />

beeinflussen sollte. Als Symbol für diese Symbiose stand der von Generationen<br />

von Assistenzärzten scherzhaft <strong>als</strong> „Aquaeductus Sylvii“ bezeichnete<br />

Verbindungsgang zwischen Krankenhaus und Mutterhaus. Dieser Fachbegriff<br />

aus der Medizin steht für einen Verbindungsgang im menschlichen<br />

Gehirn, dessen Unterbrechung schwerwiegende, ja lebensbedrohende Folgen<br />

haben würde. So wurde demnach auch die Zusammenarbeit zwischen<br />

Mutterhaus und Krankenhaus <strong>als</strong> existentiell für ein gutes Funktionieren<br />

der Klinik gesehen.<br />

Doch dieses neue Haus war nicht nur für die weitere Entwicklung des<br />

Allgemeinen Krankenhauses von größter Bedeutung. Mit dem Mutterhaus<br />

hatten die Schwestern nun eine Zentrale, von der aus die Ausbreitung des<br />

Ordens in ganz Bayern geleitet und gesichert werden konnte.<br />

*<br />

69


70<br />

Kapitel 4<br />

Erfolgreiche Entwicklung<br />

des Ordens unter<br />

Schwester Ignatia Jorth<br />

4.1. Gründung der ersten Filialen in Bayern<br />

Schon bei der Einführung des Instituts der <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern in<br />

Bayern war es das erklärte Ziel von König Ludwig I, die Schwestern nicht<br />

nur am Allgemeinen Krankenhaus in München, sondern in möglichst vielen,<br />

ja am liebsten in allen Krankenhäusern in Bayern einzusetzen. Diesen<br />

Wunsch hatte er bereits bei der ersten Audienz, die er Schwester Ignatia im<br />

Herbst 1832 gewährte, sehr deutlich <strong>zum</strong> Ausdruck gebracht. In den Statuten<br />

des Ordens ließ er in § 3 ausdrücklich festlegen, dass das Mutterhaus<br />

berechtigt ist, Filialen zu gründen. Er hatte zudem darauf bestanden, dass ein<br />

weiteres Mutterhaus in Bayern eingerichtet werden sollte, nach Möglichkeit<br />

in Würzburg.<br />

Der König stand mit diesem Wunsch keineswegs allein. Kaum hatte<br />

sich die Einführung des neuen Instituts herumgesprochen, gingen zahlreiche<br />

Anfragen beim Magistrat in München ein, in denen Städte aus ganz<br />

Bayern Interesse bekundeten, ebenfalls <strong>Barmherzige</strong> Schwestern an ihren<br />

Krankenhäusern einzuführen. Anfragen kamen aus vielen Städten, wie<br />

Augsburg, Nürnberg, Regensburg, Ansbach, Bamberg, Kempten, Dillingen,<br />

Straubing, Landsberg und Passau. In diesen Briefen wurde die Stadt München<br />

meist auch um eine Beurteilung der Arbeit des Ordens am Krankenhaus<br />

gebeten. Die Antwortschreiben zeugen davon, wie überaus zufrieden<br />

der Magistrat mit der Arbeit der Schwestern in Bezug auf Krankenpflege<br />

und Hauswirtschaft war. Dieses hervorragende Zeugnis bestärkte die<br />

interessierten Städte, ihr Ansinnen noch nachdrücklicher zu vertreten und<br />

die Generaloberin zu bestürmen, Schwestern für ihre Krankenhäuser zu<br />

schicken.


Erfolgreiche Entwicklung des Ordens unter Schwester Ignatia Jorth<br />

Generaloberin Schwester Ignatia war darüber zunächst alles andere <strong>als</strong><br />

glücklich. Mit ihrem ausgeprägten Sinn für das Machbare war ihr klar, dass<br />

die junge Kongregation noch nicht reif war für eine bayernweite Ausbreitung.<br />

Von den ihr anvertrauten jungen Schwestern hielt sie noch keine für<br />

fähig, <strong>als</strong> Oberin eine Filiale eigenständig zu führen. So schrieb sie am 4.<br />

August 1833 nach Straßburg: „Mehr <strong>als</strong> sechs Städte arbeiten zurzeit daran,<br />

Schwestern zu erhalten. Mir wird es Angst dabei. Die Zeit ist noch nicht gekommen,<br />

da unsere jungen Schwestern doch noch nicht erfahren genug sind, um neben der<br />

Krankenpflege auch die Verwaltung von Häusern zu übernehmen.“ 43 Schwester<br />

Ignatia befürchtete durch die Übernahme eines Projektes, dem sie noch<br />

nicht gewachsen wären, eine Überforderung der jungen Schwestern und<br />

eine Schädigung des Ansehens des gesamten Ordens. Aus diesen Gründen<br />

lehnte sie zunächst alle Anfragen ab.<br />

Der König hatte die Absicht, im Würzburger Julius-Spital ein zweites<br />

bayerisches Mutterhaus der <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern einzurichten. Als der<br />

Würzburger Bischof deshalb im Sommer 1833 genauere Informationen einholte,<br />

schrieb Schwester Ignatia wieder voll Sorge an die Straßburger Generaloberin:<br />

„Beten Sie doch, liebe Frau Mutter, dass nichts aus dem Plane wird, bis<br />

wir geeignete Leute haben, um ein so bedeutendes Spital zu übernehmen.“ 44<br />

Im Gegensatz zu Schwester Ignatia sah Superior Hauber die Übernahme<br />

von weiteren Krankenhäusern in diesem frühen Stadium <strong>als</strong> weit weniger<br />

problematisch an. Dass Hauber die Münchner Oberin drängte, den Willen<br />

des Königs nach Übernahme<br />

von weiteren Häusern möglichst<br />

bald zu erfüllen, kommt deutlich<br />

in einem Brief Schwester Ignatias<br />

an die Generaloberin in Straßburg<br />

<strong>zum</strong> Ausdruck: „Niemand ist<br />

geschwinder bei der Hand, wenn es<br />

neue Häuser zu übernehmen heißt, <strong>als</strong><br />

der Superior. Noch letzthin habe ich<br />

ihm gesagt, die Herren sollten doch<br />

noch ein paar Jahre warten. Er antwortete<br />

aber, der liebe Gott werde schon<br />

helfen!“ 45<br />

Im Jahr 1835 musste Schwester<br />

Ignatia endgültig ihren Widerstand<br />

aufgeben, <strong>als</strong> der König ausdrücklich<br />

wünschte, dass der Orden das<br />

städtische Krankenhaus in Landshut<br />

übernähme. Verhandlungen mit der<br />

Altes städtischesKrankenhaus<br />

in<br />

Landshut,<br />

An der<br />

Lände<br />

71


<strong>Festschrift</strong> der <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern<br />

72<br />

dortigen Stadtverwaltung liefen schon seit 1833 und fanden im April 1835<br />

ihren Abschluss, <strong>als</strong> Schwester Ignatia mit ihrer Novizenmeisterin Schwester<br />

Apollonia persönlich nach Landshut reiste und sich vor Ort ein Bild von<br />

der Lage machte. Als Oberin für die neue Niederlassung wählte sie Schwester<br />

M. Benonia Stanglmeier aus. Diese war eine der Schwestern der ersten<br />

Einkleidung und hatte sich schon unter Schwester Mechtildis am Münchner<br />

Krankenhaus bewährt. Trotzdem hatte die Generaloberin Bedenken,<br />

ob sie der Aufgabe gewachsen wäre. Nach Straßburg schrieb sie, Schwester<br />

Benonia könne zwar schön schreiben, rechnen und nähen, aber vom Haushalt<br />

verstehe sie nichts. Deshalb habe sie ihr zwei Schwestern mitgegeben,<br />

die von der Hauswirtschaft mehr verstünden. Allerdings sei die Auswahl an<br />

geeigneten Schwestern noch sehr gering. An das Landshuter Krankenhaus<br />

sollten insgesamt 6 Schwestern aus München abgegeben werden. Diese 6<br />

reisten am 21. Juli 1835 zusammen mit der Generaloberin und dem Superior<br />

in zwei vom Landshuter Magistrat zur Verfügung gestellten Wagen zu<br />

ihrem neuen Einsatzort. Obwohl sie schon um 6.00 Uhr früh abgereist<br />

waren, kamen die Schwestern erst am Abend im Landshuter Spital an, wo<br />

für sie schon Zimmer vorbereitet waren. Abgesehen von den Zimmern für<br />

die Schwestern, die in einen ordentlichen Zustand gebracht worden waren,<br />

waren die Zustände im übrigen Haus anscheinend alles andere <strong>als</strong> erfreulich.<br />

So fehlten Einrichtungsgegenstände, Wäsche für die Kranken und Geschirr.<br />

Auch die Reinlichkeit ließ viel zu wünschen übrig. Eine Hauskapelle war<br />

vorhanden, musste aber erst noch benediziert werden und für den Gottesdienst<br />

mussten die Gewänder und Geräte beim Ursulinenkloster entliehen<br />

werden. Am 25. Juli war alles soweit geordnet, dass die feierliche Einführung<br />

der Schwestern erfolgen konnte. Nach dem Gottesdienst stellte der Superior<br />

dem Ärztepersonal und dem Magistrat im Refektorium die Schwestern vor.<br />

Auf Initiative Schwester Ignatias ließ der Landshuter Magistrat am 9. August<br />

einen Spendenaufruf für das finanziell völlig unzureichend ausgestattete<br />

Krankenhaus im „Landshuter Morgenblatt“ abdrucken. Die Bevölkerung,<br />

die der Ankunft der Schwestern sehr wohlwollend gegenüber stand, zeigte<br />

sich äußerst spendabel, so dass schnell eine Verbesserung der finanziellen<br />

Lage erzielt werden konnte. Mit diesem Geld und städtischen Zuschüssen<br />

konnten nun die nötigsten Anschaffungen getätigt werden, so vor allem<br />

neue Wäsche, Betten und Matratzen und weiteres Geschirr.<br />

Die Entwicklung der ersten auswärtigen Niederlassung der Münchner<br />

Kongregation wurde von der Öffentlichkeit sehr genau beobachtet. Vertreter<br />

kirchlicher und staatlicher Behörden inspizierten die Einrichtung, um<br />

sich ein Bild zu machen. Da sich die Veränderung <strong>zum</strong> Positiven schon sehr<br />

schnell und deutlich zeigte, fand das Wirken der <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern<br />

auch die entsprechende Anerkennung in der Öffentlichkeit. So schrieb das


Erfolgreiche Entwicklung des Ordens unter Schwester Ignatia Jorth<br />

„Landshuter Wochenblatt“ am 4. September 1836, <strong>als</strong>o gerade mal ein Jahr<br />

nach der Übernahme: „Allein so groß auch die Kosten waren, welche der Stadtmagistrat<br />

auf Restauration des Krankenhauses verwendete, so ist es gewiß, daß der<br />

edle und gute Zweck nur zur Hälfte würde erreicht worden sein, wenn nicht die<br />

<strong>Barmherzige</strong>n Schwestern an diesem Werke den tätigsten Anteil genommen hätten…<br />

Dem stillen, harmonischen Zusammenwirken der sechs <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern<br />

wurde jedoch der schönste Lohn: nach einem Jahr sieht der Menschenfreund eine<br />

Krankenanstalt vor sich, welche hinsichtlich ihrer neueren Einrichtung fast mit allen<br />

Krankenhäusern des Vaterlandes auf gleicher Stufe steht, ja mehrere und zwar größere<br />

Städte weit hinter sich lässt.“ 46<br />

Nachdem sich die erste Filialgründung <strong>als</strong> so erfolgreich erwiesen hatte,<br />

wagte Schwester Ignatia den nächsten Schritt. Schon seit dem Tod der<br />

Frau des Verwalters des Heilig-Geist-Spit<strong>als</strong> im Frühjahr 1836 versuchte<br />

der Münchner Magistrat, die <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern zur Übernahme<br />

dieses alten und bedeutenden Spit<strong>als</strong> zu bewegen. Wie schon erwähnt, war<br />

es seit 1823 im ehemaligen Elisabethspital in der heutigen Mathildenstraße<br />

untergebracht und inzwischen eine reine Pfründneranstalt geworden.<br />

Wegen der günstigen Lage des Hauses nahe beim Allgemeinen Krankenhaus<br />

hielt Schwester Ignatia die Übernahme für <strong>zum</strong>utbar für ihre junge<br />

Schwesterngemeinschaft.<br />

Ein schwerer Schlag für die Kongregation war, <strong>als</strong> unmittelbar nach der<br />

Übernahme die Cholera im Spital zahlreiche Opfer forderte. Die durchwegs<br />

schon älteren Insassen, die teilweise ihre Gesundheit durch ungesunden<br />

Lebenswandel stark geschwächt hatten, konnten der Seuche nicht<br />

genügend Widerstand entgegensetzen.<br />

Der Schritt über die Bistumsgrenzen: Regensburg und Neumarkt<br />

Trotz der ungeheuren Belastung durch die Choleraepidemie und des Baubeginns<br />

für das Mutterhaus wurde gerade das Jahr 1837 besonders fruchtbar,<br />

was die Gründung weiterer Filialen anbetraf. Jetzt wagte man sogar<br />

den Schritt über die Grenzen des Erzbistums München und Freising hinaus.<br />

Schon Anfang April 1837 reisten die Schwestern Ignatia und Apollonia<br />

zusammen mit Superior Hauber nach Regensburg, um wegen der<br />

Übernahme des dortigen katholischen Krankenhauses, das dem Domkapitel<br />

unterstand, mit dem Regensburger Bischof Schwäbl zu verhandeln. Der<br />

Superior reiste von dort nach Neumarkt in der Oberpfalz weiter, wo ein<br />

Wohltäter dem Krankenhaus 4000 Gulden spenden wollte, falls die <strong>Barmherzige</strong>n<br />

Schwestern es übernehmen sollten. Es kam sowohl mit Regensburg<br />

<strong>als</strong> auch mit Neumarkt zu einer Einigung.<br />

73


<strong>Festschrift</strong> der <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern<br />

74<br />

Am 14. Oktober 1837 erfolgte die feierliche Einführung von fünf <strong>Barmherzige</strong>n<br />

Schwestern am Regensburger Krankenhaus. Schwester Ignatia, die<br />

wie immer ihre Schwestern zu ihrem neuen Einsatzort begleitete, musste<br />

gleich nach dem Gottesdienst weiter in Richtung Neumarkt reisen, wohin<br />

Beichtvater Sintzel mit den für das Neumarkter Krankenhaus vorgesehenen<br />

Schwestern schon vorausgereist war. Die Generaloberin schonte sich nicht<br />

bei der zweitägigen Reise von Regensburg nach Neumarkt. Um 4 Uhr früh<br />

fuhr sie schon weiter, um rechtzeitig zur Einführungsfeier in Neumarkt zu<br />

sein. Im Gegensatz zu dem Aufwand, der für die Einführungsfeierlichkeiten<br />

betrieben worden war, war das Neumarkter Krankenhaus äußerst ärmlich.<br />

Die Schwestern mussten dort noch jahrelang unter großem Mangel leiden,<br />

da das Krankenhaus wie viele Einrichtungen dam<strong>als</strong> sehr dürftig eingerichtet<br />

und finanziell unzureichend abgesichert war.<br />

Auf der Rückreise von Neumarkt besuchte die Generaloberin ihre<br />

Schwestern in Landshut. Der dortige Magistrat sprach ihr seine Zufriedenheit<br />

mit der Entwicklung am Krankenhaus aus und stellte ihr in Aussicht,<br />

der Orden könne auch das Pfründner- und Waisenhaus übernehmen. Zu<br />

der Verwirklichung dieser Absicht kam es jedoch erst im Jahr 1843.<br />

Aufbruch nach Franken: Aschaffenburg und Orb<br />

Im Jahr 1837 stand eine weitere Übernahme an, die sich aber schwieriger<br />

gestaltete. Auf ausdrücklichen Wunsch des Königs sollten die Schwestern<br />

das Krankenhaus in Aschaffenburg übernehmen. Ludwig I. wollte unbedingt<br />

die Ausbreitung des Ordens nach Franken.<br />

Die mehr<strong>jährigen</strong> Verhandlungen mit Würzburg waren aus mehreren<br />

Gründen erfolglos geblieben. Schwester Ignatia hatte sich lange dagegen<br />

gesträubt, mit ihren jungen, unerfahrenen Schwestern ein so renommiertes<br />

Spital wie das Juliusspital zu übernehmen. Aber auch die Würzburger<br />

selbst hatten gezögert, Schwestern aus Altbayern nach Würzburg zu holen,<br />

da in der fränkischen Bevölkerung eine feindliche Haltung gegenüber allem<br />

Altbayerischem stark verbreitet war. Viele Franken nahmen den Altbayern<br />

die Vereinnahmung Frankens im neuen bayerischen Königreich übel. So<br />

hätten die Würzburger lieber Schwestern aus Straßburg geholt. Die Verhandlungen<br />

mit Straßburg scheiterten jedoch ebenfalls, da die Würzburger<br />

mehr Schwestern benötigten <strong>als</strong> Straßburg hätte abgeben können. Zudem<br />

wussten die Straßburger Oberen um die Bedenken Schwester Ignatias, sollte<br />

in Würzburg ein zweites bayerisches Mutterhaus entstehen.<br />

Als nun die Anfrage wegen Aschaffenburg kam, zögerte Schwester Ignatia<br />

ebenfalls, ihre Schwestern in das „feindliche“ Franken zu schicken. Auch


Krankensaal<br />

des<br />

Städtischen<br />

KrankenhausesAschaffenburg<br />

Erfolgreiche Entwicklung des Ordens unter Schwester Ignatia Jorth<br />

erschien ihr die Entfernung Aschaffenburgs vom Mutterhaus in München<br />

<strong>als</strong> problematisch. Man benötigte dam<strong>als</strong> immerhin 80 Stunden in<br />

der Postkutsche für diese Strecke. Doch alles Sträuben nutzte nichts, da<br />

König und Regierung diesem Projekt große Bedeutung <strong>zum</strong>aßen und die<br />

Generaloberin dementsprechend unter Druck setzten. Dort übernahmen<br />

vier <strong>Barmherzige</strong> Schwestern am Elisabethtag, dem 19. November 1837, die<br />

Einrichtung für Kranke, Waisen und Pfründner.<br />

Die Befürchtungen der Generaloberin bestätigten sich. Die Schwestern<br />

stießen in Aschaffenburg zunächst auf viel Feindseligkeit bei den Ärzten,<br />

Behörden und der Bevölkerung. So schrieb Schwester Ignatia nach Straßburg:<br />

„Mit den Aschaffenburgern haben wir viel Unangenehmes. Wir haben uns ja<br />

lange geweigert, ins Frankenland zu gehen. Die Franken wollen nämlich nichts mit<br />

den Altbayern zu tun haben, weil sie glauben, gescheiter zu sein <strong>als</strong> diese. Jetzt sind<br />

sie aber auch noch grob mit den Schwestern, sodaß ich dem Bürgermeister mit der<br />

Zurückziehung der Schwestern drohen mußte. Das wollen sie nun aber doch nicht;<br />

der König würde ihnen auch etwas erzählen!“ 47<br />

Nein, der König wollte dieses Unternehmen keineswegs gefährdet sehen.<br />

Er forderte schon im Jahr darauf, <strong>als</strong>o 1838, eine weitere Schwester für<br />

Aschaffenburg an. Schwester Ignatia begleitete diese Schwester und nutzte<br />

diese Gelegenheit, um nach dem Rechten zu sehen. Auch ihr war daran<br />

gelegen, dass das nun schon einmal begonnene Projekt nicht scheiterte. Wie<br />

viel der Regierung am Gelingen lag, sieht man unter anderem daran, dass sie<br />

der Generaloberin für die Fahrt von zwei Tagen und zwei Nächten einen<br />

eigenen Postwagen zur Verfügung stellte.<br />

Der König, der sich gerade in seiner Residenz in Aschaffenburg aufhielt,<br />

<strong>als</strong> Schwester Ignatia dort eintraf, empfing sie zu einer langen Audienz.<br />

Er ließ sich von ihr über die Entwicklung der Kongregation allgemein<br />

75


<strong>Festschrift</strong> der <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern<br />

76<br />

informieren und speziell über die Probleme in Aschaffenburg. Er sprach<br />

dem Orden sein vollstes Vertrauen aus und bat die Generaloberin, ihr Werk<br />

weiter so zielstrebig fortzusetzen. So groß die Freude Schwester Ignatias<br />

war über das Wohlwollen des Königs, so wenig erfreut war sie über seinen<br />

Wunsch, der Orden solle zusätzlich noch das Krankenhaus in der Stadt Orb<br />

übernehmen. Orb, heute Bad Orb in Hessen, war 1814 mit dem ehemaligen<br />

Fürstentum Aschaffenburg an Bayern gefallen. Das Städtchen im Spessart<br />

war bis dahin durch Salzhandel relativ wohlhabend gewesen. Die neue bayerische<br />

Regierung verbot Orb den Handel mit Salz, um diese Konkurrenz<br />

für Reichenhall auszuschalten. Der Wegfall seiner Haupteinnahmequelle<br />

hatte für Orb verheerende Folgen: Stadt und Umland verarmten völlig.<br />

Die bayerische Regierung, die für die katastrophalen Zustände dort<br />

unmittelbar verantwortlich war, sah sich gezwungen, der Stadt etwas unter<br />

die Arme zu greifen. Eine Maßnahme war die Gründung eines Krankenhauses<br />

im Jahr 1834. Für diese Einrichtung, die neben Kranken auch Waisen<br />

und Pfründner versorgen sollte, wünschte Ludwig I. die <strong>Barmherzige</strong>n<br />

Schwestern. Erst nachdem ihr der König in der Audienz die Not der Bevölkerung<br />

und auch die damit einhergehende große sittliche Verwahrlosung<br />

anschaulich geschildert hatte, erklärte sich Schwester Ignatia bereit, diese<br />

Aufgabe für ihre ohnehin schon bis an die Grenzen der Belastbarkeit geforderte<br />

Ordensgemeinschaft zu übernehmen. Mit der ihr eigenen Tatkraft<br />

reiste sie sofort von Aschaffenburg nach Orb, um die dortigen Verhältnisse<br />

und das sich noch im Bau befindliche Krankenhaus in Augenschein zu nehmen.<br />

Sie erreichte, dass beim Bau alles berücksichtigt wurde, was später für<br />

den Betrieb im Sinne des Ordens nötig sein würde. Außerdem machte sie<br />

in ihrem Bericht an die Regierung deutlich, dass es unumgänglich sei, dass<br />

das Krankenhaus auf eine gesunde finanzielle Basis gestellt werde. Die endgültige<br />

Übernahme des Hauses in Orb erfolgte im Jahr 1840.<br />

Im selben Jahr übernahm die Kongregation auch das Kranken- und<br />

Armenhaus in Haidhausen, aus dem später das Klinikum Rechts der Isar<br />

hervorging. 1841 folgte die Übernahme des alten Stadtkrankenhauses am<br />

Anger in München, das seit der Eröffnung des Allgemeinen Krankenhauses<br />

nur noch <strong>als</strong> Armenhaus diente. Da die finanzielle Absicherung dieses<br />

Hauses nicht ausreichte, entschloss sich Schwester Ignatia, die Verpflegung<br />

von 12 Frauen und 12 Männern auf Kosten des Ordens zu übernehmen.<br />

Nachdem im Jahr darauf auch das finanziell wesentlich besser gestellte<br />

Josephspital unter die Leitung des Ordens gestellt wurde, waren alle dam<strong>als</strong><br />

in München bestehenden Armenanstalten in der Hand der <strong>Barmherzige</strong>n<br />

Schwestern.<br />

Auch außerhalb Münchens ging die Filialgründung voran. 1841 übernahmen<br />

die Schwestern das Spital in Eichstätt und 1842 das städtische Spital


Erfolgreiche Entwicklung des Ordens unter Schwester Ignatia Jorth<br />

von Neunburg vorm Wald. Im Jahr darauf ging zusätzlich <strong>zum</strong> dortigen<br />

Spital auch das Waisenhaus in Landshut in die Obhut der Schwestern über.<br />

Im selben Jahr übernahmen sie auch das Krankenhaus in Bad Tölz, im Jahr<br />

darauf das Krankenhaus in Ingolstadt.<br />

Besonderes Sorgenkind der Generaloberin war und blieb das Spital in<br />

Orb. Die Generaloberin reiste zur Einführung der Schwestern am 19.3.1840<br />

dorthin. Trotz der langen und anstrengenden Fahrt von immerhin 90 Stunden<br />

besuchte sie Orb im September desselben Jahres noch einmal, um dort<br />

die Errichtung einer Kinderbewahranstalt für 200 Kinder im Alter von 2 bis<br />

5 Jahren in die Wege zu leiten. Aufgrund ihrer anschaulichen Schilderung<br />

der dortigen Not in ihren Berichten an Regierung und König bewilligten<br />

diese mehrfach Zuschüsse. Während dem König in erster Linie daran lag, die<br />

Not der am Spital in sehr armseligen Verhältnissen lebenden Schwestern zu<br />

lindern („Die Schwestern sollen es besser haben!“ 48 ), betonte Schwester Ignatia<br />

immer wieder, es gehe ihr nicht um eine Besserstellung ihrer Schwestern,<br />

sondern um Hilfe für die Armen: „Wir wollen es nicht besser haben, wenn wir<br />

nur den Armen helfen können; dafür sind wir da!“ 49<br />

In diesen Jahren der Filialgründungen nahm die nicht mehr junge Generaloberin<br />

unglaublich viele, lange und strapaziöse Reisen auf sich. Stets<br />

begleitete sie ihre Schwestern zu ihren neuen Einsatzorten. Hinzu kamen<br />

noch die regelmäßigen Visitationsreisen zu den Neugründungen, um sie<br />

in den schwierigen Anfangsjahren zu unterstützen und ihre positive Entwicklung<br />

sicher zu stellen. Um die Generaloberin bei ihrer ausgedehnten<br />

Reisetätigkeit etwas zu unterstützen, gewährte ihr der König freie Fahrt auf<br />

allen Linien der Königlichen Post.<br />

Es wären durchaus noch mehr bayerische Städte an den <strong>Barmherzige</strong>n<br />

Schwestern interessiert gewesen. Wenn die Stadtverwaltungen nicht bereit<br />

waren, auf ihre Rahmenbedingungen für den Einsatz ihrer Schwestern<br />

einzugehen, nahm die Generaloberin das Scheitern der Verhandlungen in<br />

Kauf. So kam es zu keiner Einigung mit Würzburg, Straubing, Dillingen<br />

und Bamberg. Auch die sich schon so lange hinziehenden Verhandlungen<br />

mit Augsburg führten vorerst nicht <strong>zum</strong> Erfolg. Die vom König gewünschte<br />

und forcierte Einführung der Schwestern in der bayerischen Pfalz scheiterte<br />

am Widerstand der dort großteils protestantischen Bevölkerung, die<br />

befürchtete, die katholischen Schwestern würden versuchen, die Kranken<br />

und Sterbenden in den Spitälern zu missionieren.<br />

Im Jahr 1844 waren die <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern bereits in 16 Einrichtungen<br />

in ganz Bayern tätig. Die schnelle Ausbreitung des Ordens in diesen<br />

Jahren war nur deshalb möglich, weil auch die absolute Zahl der Schwestern<br />

kontinuierlich stieg, auf immerhin schon 186 Mitglieder im Jahr 1845. 50<br />

Doch die erste Generaloberin des neuen Mutterhauses in München sorgte<br />

77


<strong>Festschrift</strong> der <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern<br />

78<br />

in ihrer Amtszeit nicht nur für eine erstaunlich schnelle Ausbreitung ihres<br />

Ordens im Königreich Bayern, sondern parallel dazu auch im Nachbarland<br />

Österreich.<br />

4.2. „Geburtshilfe“ für Niederlassungen in Österreich<br />

In Österreich gab es bereits einige Klöster der <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern,<br />

die alle die Straßburger Regel befolgten, ja teilweise von Straßburg aus<br />

gegründet worden waren. So gingen die Niederlassungen in Wien und<br />

Zams auf Katharina Lins zurück, die in Straßburg ausgebildet worden war<br />

und <strong>als</strong> Schwester Josepha Nikolina nach Österreich zurückgekehrt war.<br />

Nach dem Vorbild von Zams waren in Tirol weitere ähnliche Einrichtungen<br />

in Imst und Ried entstanden. Um diese innerlich und äußerlich noch nicht<br />

recht gefestigten Niederlassungen zu unterstützen, nahm Schwester Ignatia<br />

im Mai 1836 zwei Schwestern aus Ried und eine aus Imst zur Ausbildung<br />

in München auf.<br />

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Ausbreitung der<br />

<strong>Barmherzige</strong>n<br />

Schwestern vom<br />

Mutterhaus<br />

Straßburg aus


Innsbruck<br />

Erfolgreiche Entwicklung des Ordens unter Schwester Ignatia Jorth<br />

Doch der Fürstbischof Bernhard Galura von Brixen wollte mehr. Sein Ziel<br />

war ein neues Krankenhaus in der Tiroler Hauptstadt Innsbruck, das die<br />

<strong>Barmherzige</strong>n Schwestern übernehmen sollten. Unter der Leitung dieses<br />

neuen Mutterhauses sollten zudem Zams, Imst und Ried vereinigt werden.<br />

Der gute Ruf, den die Münchner Kongregation inzwischen in Bayern<br />

genoss, hatte sich bis nach Österreich ausgebreitet. So war es nicht weiter<br />

verwunderlich, dass sich der Bischof an das Münchner Mutterhaus um<br />

Unterstützung bei der Verwirklichung seiner Pläne wandte. Einer Anfrage<br />

aus Innsbruck im Jahr 1835, Schwestern <strong>zum</strong> Aufbau des neuen Mutterhauses<br />

zu entsenden, konnte Schwester Ignatia zu ihrem großen Bedauern<br />

nicht entsprechen, da sie in Bayern selbst jede Schwester benötigte. Als<br />

Alternative bot sie an, österreichische Kandidatinnen in München auszubilden.<br />

So trafen im Mai 1837 vier Kandidatinnen, denen später noch zwei<br />

weitere folgen sollten, im Münchner Mutterhaus ein. In Innsbruck hatte<br />

inzwischen Stadtpfarrer Duille mit Unterstützung des Bischofs einen eigenen<br />

„Verein zur Gründung eines Instituts der <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern<br />

in Innsbruck“ gegründet, der Spenden für den Bau eines neuen Krankenhauses<br />

und eines künftigen Mutterhauses sammelte. Krankenhaus und<br />

Kloster, das Platz für 60 Schwestern bot, wurden bereits im April 1839 fertig.<br />

Für den 1. Mai 1839 war die feierliche Übernahme durch den Orden<br />

geplant. Vier von den sechs Tiroler Kandidatinnen waren inzwischen so<br />

weit, dass sie nach Innsbruck zurückkehren sollten. Allerdings wären sie<br />

noch nicht imstande gewesen, ein Haus allein zu führen. Deshalb wurden<br />

ihnen auf Wunsch des Innsbrucker Stadtpfarrers zwei erfahrene Münchner<br />

Schwestern mitgegeben. Schwester M. Vinzentia Balghuber wurde<br />

zur Oberin bestimmt, Schwester M. Aloisia Aigner zur Novizenmeisterin.<br />

Am 16. April reisten sie in Begleitung von Generaloberin und Superior<br />

in München ab. Nach einer Kutschenfahrt von 36 Stunden kamen sie am<br />

17. April in Innsbruck an, wo sie sehr herzlich empfangen wurden. Da zwar<br />

die Gebäude fertig gestellt waren, aber die innere Einrichtung noch fast<br />

völlig fehlte, blieb die Generaloberin für drei Wochen in Innsbruck und<br />

kümmerte sich darum, dass die Schwestern mit dem Nötigsten versorgt<br />

wurden. Dabei wurde sie kräftig von der Bevölkerung unterstützt, die den<br />

Schwestern Sachspenden wie Hausgeräte und Wäsche, aber auch Lebensmittel<br />

zukommen ließ.<br />

Als Schwester M. Vinzentia Balghuber im Jahr 1841 in Graz gebraucht<br />

wurde, löste sie Schwester M. Aloisia Aichner <strong>als</strong> Oberin ab. Bald jedoch<br />

hatte sich die neue Niederlassung in Innsbruck schon so weit konsolidiert,<br />

dass auch Schwester M. Aloisia nach München zurückgerufen werden und<br />

79


<strong>Festschrift</strong> der <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern<br />

80<br />

eine der in München ausgebildeten Schwestern selbst die Aufgabe der Oberin<br />

übernehmen konnte.<br />

Innsbruck sollte sich <strong>als</strong> äußerst fruchtbar erweisen. Aus der frommen<br />

katholischen Bevölkerung Tirols fanden sich viele Kandidatinnen. Eine<br />

Reihe von weiteren Niederlassungen wurde von Innsbruck aus gegründet.<br />

Bereits 5 Jahre nach Gründung des neuen Mutterhauses gehörten zu ihm<br />

6 Niederlassungen mit insgesamt 70 Schwestern. Zams, dem vorher Imst und<br />

Ried angegliedert worden waren, wurde 1844 mit Innsbruck vereinigt.<br />

Von Zams aus wurde später die Niederlassung in Zagreb (=Agram)<br />

gegründet. Zagreb wiederum war entscheidend für die Ausbreitung des<br />

Ordens in Ost- und Südosteuropa, <strong>als</strong>o in Bosnien, Istrien, Dalmatien,<br />

Serbien, Bulgarien und sogar der Türkei.<br />

Graz<br />

Auch der Grazer Fürstbischof Roman Sebastian Zängerle von Seckau war<br />

stark daran interessiert, <strong>Barmherzige</strong> Schwestern in seinem Bistum einzuführen.<br />

Nachdem er vergeblich bei den Vinzentinerinnen in Lemberg,<br />

Paris und Zams angefragt hatte, wandte er sich auf den Rat des Brixener<br />

Bischofs Galura an das Münchner Mutterhaus. Schwester Ignatia erklärte<br />

sich wiederum bereit, Kandidatinnen auszubilden. So wurden im Verlauf<br />

von zwei Jahren insgesamt 8 Kandidatinnen aus der Steiermark nach Bayern<br />

geschickt. Unter den ersten 5 Kandidatinnen, die 1837 in München eintrafen,<br />

war die Gräfin Maria Josefa von Brandis, eine Persönlichkeit, die sich<br />

durch Bildung, aber auch Frömmigkeit auszeichnete. In sie wurden große<br />

Hoffnungen gesetzt. Bereits Ende 1838 wurden 4 Kandidatinnen aus Graz<br />

eingekleidet, weitere 4 in den Jahren 1839 und 1840. 1840 konnten die<br />

ersten 5 bereits Profess feiern.<br />

In Graz schien es zunächst einige Schwierigkeiten zu geben. Während<br />

der Bischof für die Schwestern ein eigenes Spital bauen lassen wollte,<br />

bestand die Stadtverwaltung darauf, dass der Orden das schon bestehende<br />

Allgemeine Krankenhaus der Stadt übernehmen sollte. Auch der Bau eines<br />

eigenen Hauses für die Schwestern erwies sich zunächst <strong>als</strong> problematisch.<br />

Im Februar 1841 wurde schließlich die Baugenehmigung für das Schwesternhaus<br />

erteilt. Bis zur Einweihung des Hauses am 19. Juli 1842 mussten<br />

die Schwestern im Krankenhaus selbst untergebracht werden.<br />

Nach langen und schwierigen Verhandlungen mit der Grazer Stadtverwaltung<br />

machte sich die Generaloberin am 15. April 1841 auf den Weg nach<br />

Graz. Begleitet wurde sie von den nun schon seit einigen Jahren in München<br />

ausgebildeten Schwestern und Novizinnen aus der Steiermark und


Erfolgreiche Entwicklung des Ordens unter Schwester Ignatia Jorth<br />

der aus Innsbruck abgerufenen<br />

Schwester M. Vinzentia<br />

Balghuber. Schwester<br />

Vinzentia sollte auch in<br />

Graz vorläufig <strong>als</strong> Oberin<br />

fungieren. Als Novizenmeisterin<br />

war Maria Josepha<br />

von Brandis vorgesehen,<br />

die seit ihrer Einkleidung<br />

den Namen Schwester M.<br />

Leopoldine trug. Auf ihrer<br />

langen Reise quer durch<br />

Österreich wurden die<br />

Schwestern, wie eine Grazer<br />

Zeitung berichtet, von<br />

der Bevölkerung sehr freudig<br />

willkommen geheißen:<br />

„Ihre Reise durch die Steiermark<br />

glich einem Triumphzuge.<br />

An allen Orten hatte sich eine<br />

unzählige Menge von Menschen versammelt, um jene heldenmütigen Jungfrauen<br />

zu sehen und zu bewillkommnen, die ihr ganzes Leben dem Dienste der armen<br />

Kranken gewidmet haben.“ 51<br />

Entsprechend herzlich war auch der Empfang bei ihrer Ankunft in Graz<br />

am 22. April 1841, wo man über die erfolgreiche Einführung des Instituts<br />

der <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern nach den schwierigen Verhandlungen<br />

sehr froh war. An der sehr feierlichen offiziellen Einführung des Ordens<br />

am 24. April nahm die Bevölkerung regen Anteil. Der Münchner Generaloberin<br />

verlieh der Grazer Magistrat <strong>als</strong> besondere Anerkennung für ihre<br />

Verdienste um die Einführung der <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern in Graz das<br />

Ehrenbürgerrecht.<br />

Auch die neue Niederlassung in der Steiermark entwickelte sich gut.<br />

Schon in den ersten Wochen baten 12 Kandidatinnen um die Aufnahme.<br />

Nach der feierlichen Grundsteinlegung in Gegenwart des österreichischen<br />

Kaiserpaars am 27. August 1841 konnten die Schwestern im Juli 1842 ihr<br />

neues Mutterhaus beziehen. Bereits im Jahr darauf war die Kongregation<br />

schon soweit konsolidiert, dass die in den ersten beiden Jahren <strong>als</strong> Oberin in<br />

Graz fungierende Schwester M. Vinzentia Balghuber wieder nach München<br />

zurückkehren konnte. In Schwester M. Leopoldine hatte sie eine fähige<br />

und würdige Nachfolgerin, die die Kongregation in Graz fast 60 Jahre lang<br />

leiten sollte.<br />

Schwester M.<br />

Leopoldine<br />

von Brandis<br />

(1815 – 1900)<br />

leitete das<br />

Mutterhaus<br />

in Graz.<br />

81


<strong>Festschrift</strong> der <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern<br />

Der kommissarische<br />

Direktor des<br />

Allgemeinen<br />

Krankenhauses,<br />

Prof.<br />

von Ringseis,<br />

bestätigt,<br />

dass die<br />

genannten<br />

Schwestern<br />

nach<br />

Schwarzach<br />

bei Salzburg<br />

reisen, um<br />

dort das<br />

Krankenhaus<br />

zu<br />

übernehmen.<br />

82<br />

Salzburg<br />

Salzburg wollte hinter Innsbruck und Graz nicht zurückstehen und ebenfalls<br />

die <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern einführen. Hatte es doch gerade hier<br />

schon früher Versuche gegeben, diesen Orden zu gründen. So hatte sich die<br />

Wiener Gräfin Lesniowska zusammen mit drei Gefährtinnen im Straßburger<br />

Mutterhaus von November 1829 bis März 1830 ausbilden lassen. Nach<br />

ihrer Rückkehr hatte sie versucht, das Institut in Salzburg zu gründen, war<br />

aber am Widerstand der österreichischen Regierung gescheitert.<br />

Erzbischof Friedrich Fürst von Schwarzenberg gab diesen Plan jedoch<br />

nicht auf und ergriff nun die neue Chance, mit Hilfe des Münchner Mutterhauses<br />

nach dem Vorbild der anderen österreichischen Neugründungen<br />

den Orden in Salzburg zu etablieren. Dazu schickte er 1840 zwei Kandidatinnen<br />

zur Ausbildung nach München, denen später noch drei folgten. Es<br />

zog sich jedoch noch weitere vier Jahre hin, bis die Einführung des Instituts<br />

auch im Salzburger Land glückte. Inzwischen hatten die 5 Schwestern in<br />

den Jahren 1843 und 1844 bereits ihre Gelübde abgelegt.<br />

Im August 1844 konnten die 5 Salzburger Schwestern in Begleitung<br />

ihrer Novizenmeisterin Apollonia Schmitt und des erzbischöflichen Sekretärs<br />

Augustin Embacher, der <strong>zum</strong> ersten Superior der neuen Gemeinschaft<br />

bestimmt worden war, nach<br />

Österreich zurückkehren.<br />

Schweren Herzens verzichtete<br />

die Generaloberin dieses<br />

Mal auf die Begleitung der<br />

jungen Schwestern, da in<br />

München der lang ersehnte<br />

Besuch der Straßburger<br />

Generaloberin erwartet<br />

wurde, die in diesen Tagen<br />

<strong>zum</strong> ersten und einzigen<br />

Mal das neue Mutterhaus in<br />

München besuchte.<br />

Der Erzbischof hatte für<br />

den jungen Orden ein altes<br />

Kloster in Schwarzach herrichten<br />

lassen. Schwester M.<br />

Aloisia Aigner, die nach der<br />

Abberufung Schwester M.<br />

Vinzentias für drei Jahre Oberin<br />

in Innsbruck gewesen war,


Erfolgreiche Entwicklung des Ordens unter Schwester Ignatia Jorth<br />

wurde nun nach Schwarzach versetzt. Sie sollte auch hier die Neugründung<br />

<strong>als</strong> Oberin leiten, bis sie sich soweit gefestigt hatte, dass eine der Salzburger<br />

Schwestern selbst das Amt übernehmen konnte. Dies war bereits im März<br />

1845 der Fall. Die vorher schon <strong>als</strong> Novizenmeisterin fungierende Schwester<br />

M. Ambrosia Preisinger wurde zur ersten Generaloberin gewählt. Als sie<br />

15 Jahre später das Mutterhaus nach Salzburg verlegte, hatte die Kongregation<br />

bereits 18 Filialen. Über drei Jahrzehnte leiteten Generaloberin Schwester<br />

Ambrosia und Superior Embacher das Salzburger Mutterhaus.<br />

Noch in zwei weiteren Städten des österreichischen Kaiserreiches gab<br />

es Bestrebungen, die <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern mit Hilfe der Münchner<br />

Schwestern einzuführen, nämlich in Linz und in Laibach. Auch diese Städte<br />

schickten Kandidatinnen zunächst nach München, dann jedoch zur weiteren<br />

Ausbildung ins Wiener Mutterhaus.<br />

Dem Münchner Mutterhaus war innerhalb kürzester Zeit und unmittelbar<br />

nach der Gründung der eigenen Kongregation Erstaunliches gelungen:<br />

Neben der zügigen Ausbreitung im Königreich Bayern gründete es in<br />

Österreich drei neue Kongregationen. Während die bayerischen Niederlassungen<br />

Filialen des Mutterhauses waren, die diesem untergeordnet waren,<br />

wollte Schwester Ignatia, dass die österreichischen Gründungen möglichst<br />

schnell ihre Unabhängigkeit erreichten. Schon nach wenigen Jahren waren<br />

Innsbruck, Graz und Salzburg völlig unabhängige Mutterhäuser. Allerdings<br />

gaben Graz und Salzburg später diese Autonomie aus freien Stücken auf<br />

und schlossen sich dem Pariser Mutterhaus an.<br />

4.3. Ein Erholungsheim für die Schwestern<br />

in Berg am Laim<br />

Die schnelle Ausbreitung des Ordens in Bayern und in Österreich hatte leider<br />

auch eine Schattenseite. Wie von Schwester Ignatia befürchtet, bedeutete<br />

diese Expansion eine ungeheure Belastung für die selbst noch so junge<br />

Münchner Ordensgemeinschaft. Laufend mussten die fähigsten Schwestern<br />

an die zahlreichen Filialen abgegeben werden. Sowohl in diesen Filialen <strong>als</strong><br />

auch im Mutterhaus selbst kamen die Schwestern durch die großen Anforderungen,<br />

denen sie sich ausgesetzt sahen, häufig an den Rand ihrer Kräfte.<br />

Das führte dazu, dass trotz aller Fürsorge der Generaloberin die Sterblichkeit<br />

der jungen Schwestern nicht nur aufgrund der Choleraepidemie erschreckend<br />

hoch war. Auch die Zahl kränkelnder Schwestern wuchs kontinuierlich<br />

an. Diese Entwicklung beobachteten nicht nur die Ordensoberen,<br />

sondern auch der König voll Sorge. Ludwig I. kam zu der Überzeugung,<br />

dass die Schwestern dringend ein Erholungsheim auf dem Land bräuch-<br />

83


<strong>Festschrift</strong> der <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern<br />

Historische<br />

Ansicht der<br />

Josephsburg<br />

in Berg am<br />

Laim<br />

84<br />

ten, in dem sich kranke und erschöpfte Schwestern in aller Ruhe erholen<br />

könnten.<br />

So beauftragte er Ordenssuperior Hauber, sich nach einem geeigneten<br />

Haus umzuschauen. Der Superior wurde in Berg am Laim fündig. Der heutige<br />

Stadtteil im Osten von München war dam<strong>als</strong> noch ein Dorf auf dem<br />

Land, ungefähr eine Stunde zu Fuß von München entfernt. Hauber schien<br />

die dortige Josephsburg geeignet, die nach der Säkularisation aus dem Besitz<br />

des Kölner Erzbistums und Kurfürstentums in den Besitz des bayerischen<br />

Staates übergegangen war. Diese Burg hatte der jüngste Bruder des Kurfürsten<br />

Max Emanuel, Joseph Clemens von Bayern, gleichzeitig Bischof von<br />

Freising, Regensburg und Köln, im Jahr 1692 errichten lassen. Sein Neffe<br />

und Nachfolger, Clemens August von Bayern, hatte im 18. Jahrhundert die<br />

bisherige Michaelskapelle durch die großartige Rokokokirche von Johann<br />

Michael Fischer ersetzen lassen, die auch heute noch den Stadtteil Berg<br />

am Laim dominiert. Die Kirche diente der von Bischof Joseph Clemens<br />

gegründeten Erzbruderschaft vom hl. Michael <strong>als</strong> Heiligtum und war Hofkirche<br />

des Kölner Erzbischofs. Betreut wurde sie bis zur Säkularisation im<br />

Jahr 1802 von den Franziskanern.<br />

Als sich der Superior für die Josephsburg zu interessieren begann, war die<br />

Kirche bereits seit Jahrzehnten völlig vernachlässigt worden und in einem<br />

dementsprechend desolaten Zustand. Von der Josephsburg selbst wurde<br />

nur der Südflügel genutzt. Hier war seit 1807 die Dorfschule samt Lehrerwohnung<br />

untergebracht. Der Superior beantragte, die Schule in den ungenutzten<br />

Nordflügel zu verlegen und den Südflügel mit Garten dem Orden<br />

für 2000 Gulden zu überlassen, damit dort ein Erholungs- und Rekon-


Erfolgreiche Entwicklung des Ordens unter Schwester Ignatia Jorth<br />

valeszentenheim für die Schwestern<br />

eingerichtet werden könnte.<br />

König und Behörden genehmigten<br />

den Antrag, so dass am 17. August<br />

1840 der Kaufvertrag abgeschlossen<br />

werden konnte. Zur Leiterin<br />

wurde Schwester M. Franziska Ernst<br />

bestimmt. Eine der ersten Aufgaben<br />

der Schwestern war, die Kirche wieder<br />

in einen würdigen Zustand zu<br />

versetzen, was angesichts der fortgeschrittenen<br />

Verwahrlosung kein<br />

einfaches Unternehmen gewesen<br />

sein dürfte. Kirche und Haus waren<br />

Ende 1840 so weit hergerichtet, dass<br />

die ersten erholungsbedürftigen<br />

Schwestern dort versorgt werden konnten.<br />

Zu den 2000 Gulden für den Kauf wurden für die nötige Renovierung<br />

und die Einrichtung weitere 6000 Gulden benötigt. Königin Caroline,<br />

bereits mehrfach <strong>als</strong> Gönnerin des Ordens in Erscheinung getreten, hatte<br />

nach der Besichtigung des neuen Heimes den Schwestern zugesagt, die<br />

gesamten Renovierungskosten zu übernehmen. Bevor sie ihr Versprechen<br />

einlösen konnte, starb sie am 13. November 1841. Eine ihrer Töchter, Sophie,<br />

die Erzherzogin von Österreich, die sie bei der Besichtigung begleitet hatte,<br />

machte daraufhin an Stelle ihrer toten Mutter eine größere Spende, sodass<br />

die Finanzierung gesichert war.<br />

Als die Zahl der Schwestern im kommenden Jahrzehnt weiterhin stark<br />

anstieg, erwarb der Orden im Jahr 1853 auch den Nordflügel der Burg, um<br />

Die <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern halten Königin Caroline die<br />

Treue<br />

Am 13. November 1841 verstarb die erste<br />

bayerische Königin Caroline. Als sie an der<br />

Seite ihres Mannes, König Max I. Joseph,<br />

in der Theatinerkirche bestattet werden<br />

sollte, kam es <strong>zum</strong> Eklat. Der Erzbischof<br />

von München und Freising, von Gebsattel,<br />

hatte jegliche Feierlichkeit anlässlich<br />

der Bestattung der protestantischen<br />

Caroline verboten, was zur Folge hatte,<br />

dass diese in einer sehr unwürdigen<br />

Form verlief. Der Trauerzug mit den adeligen<br />

Verwandten musste mit dem Sarg<br />

eine Viertelstunde vor dem Kirchenportal<br />

warten. Den evangelischen Geistlichen<br />

wurde der Zutritt in die Kirche verwehrt.<br />

Die katholischen Geistlichen holten den<br />

Sarg schließlich am Eingang ab und<br />

begleiteten ihn ohne jegliche Zeremonie<br />

zur Gruft. Zwar hielt der Geistliche Rat<br />

Hauber, neben seinem Amt <strong>als</strong> Superior >>><br />

Königin<br />

Caroline<br />

von Bayern,<br />

1776 – 1841<br />

(Gemälde<br />

von Joseph<br />

Stieler)<br />

85


<strong>Festschrift</strong> der <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern<br />

86<br />

dort die Novizinnen unterzubringen. Berg am Laim sollte bis auf einige<br />

Unterbrechungen im 20. Jahrhundert bis Ende der 60er Jahre der Sitz des<br />

Noviziats bleiben.<br />

4.4. Akzeptanz des Ordens in der Öffentlichkeit<br />

Zahlreiche Briefe von Patienten oder deren Angehörigen zeugen von der<br />

Dankbarkeit für die gute Pflege durch die Schwestern. Hin und wieder gab<br />

es jedoch auch Patienten, die an der Behandlung durch das Pflegepersonal<br />

im Krankenhaus etwas auszusetzen hatten. Obwohl sich die Kläger häufig<br />

<strong>als</strong> notorische Querulanten herausstellten, nahmen die zuständigen Behörden<br />

die Beschwerden immer sehr ernst und versuchten zu klären, inwieweit<br />

sie berechtigt waren. Meist konnten die Vorwürfe schnell durch gegenteilige<br />

Aussagen anderer Patienten und der Ärzteschaft ausgeräumt werden. Wurden<br />

einmal tatsächlich Versäumnisse nachgewiesen, sorgte die Generaloberin<br />

für rasche Abhilfe.<br />

In manchen Gegenden und Städten Bayerns versuchten Gegner der<br />

katholischen Orden, die Einführung der <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern zu<br />

verhindern, und scheuten dabei mitunter auch nicht vor Verleumdungen<br />

zurück. Gerade in Regionen mit konfessionell gemischter Bevölkerung<br />

wurden die Schwestern sehr aufmerksam beobachtet, ob sie andersgläubige<br />

Patienten zu missionieren versuchten. Kamen den Behörden derartige<br />

Vorwürfe zu Ohren, forderten sie die Generaloberin auf, ihren Schwestern<br />

derartige Missionierungsversuche unverzüglich zu untersagen.<br />

Allerdings gibt es auch Belege, dass sich andersgläubige Patienten bei den<br />

Schwestern sehr gut versorgt fühlten. So überreichte die israelitische Kultusgemeinde<br />

von München der Generaloberin im Jahr 1839 eine Standuhr<br />

<strong>als</strong> Dank für die gute Pflege der jüdischen Kranken am Allgemeinen Krankenhaus.<br />

Auch protestantische Patienten fühlten sich bei den Schwestern<br />

der <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern auch Hofprediger<br />

der Theatinerkirche St. Kajetan,<br />

eine ergreifende Ansprache für die von<br />

ihm sehr geschätzte ehemalige Königin.<br />

Er musste dabei jedoch auf das Priestergewand<br />

verzichten, um nicht den Eindruck<br />

zu erwecken, es handele sich um<br />

eine Predigt.<br />

In dieser angespannten Situation – König<br />

Ludwig I. fühlte sich von der katholischen<br />

Kirche durch diese unwürdige Behand-<br />

lung seiner Stiefmutter vor den Kopf<br />

gestoßen – stellten sich die <strong>Barmherzige</strong>n<br />

Schwestern vom Mutterhaus München<br />

auf die Seite der Wittelsbacher. Sie<br />

ließen es sich trotz des Verbots des Erzbischofs<br />

nicht nehmen, für ihre geliebte<br />

und verehrte Gönnerin ein Seelenamt in<br />

ihrer Mutterhauskirche zu feiern, in der<br />

Kirche, deren Bau sie zu einem Teil auch<br />

der Großzügigkeit Carolines verdankten.


Das Titelblatt<br />

des Buches<br />

von Bartholmä,<br />

gestaltet von<br />

der jungen<br />

Gräfin Maria<br />

Josefa von<br />

Brandis, der<br />

späteren<br />

Schwester M.<br />

Leopoldine<br />

Erfolgreiche Entwicklung des Ordens unter Schwester Ignatia Jorth<br />

wohl. So zeigte sich der evangelische Theologe Johann Georg Bartholmä<br />

von der aufopferungsvollen Pflege durch die <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern<br />

derart angetan, dass er 1838 ein begeistertes Buch über sie verfasste.<br />

Auch von offizieller Seite erhielten die Schwestern viel Anerkennung<br />

für ihre Arbeit. Selbst der Magistrat hatte bald erkannt, welcher Segen dieses<br />

neue Institut für München und seine Krankenversorgung bedeutete. Auf<br />

Anfragen aus anderen Städten, die Interesse an der Einführung der Schwestern<br />

signalisierten und deshalb um eine Beurteilung von deren Arbeit baten,<br />

stellte die Stadt München stets ein überaus positives Zeugnis aus.<br />

Im Jahr 1836 drückte der Münchner Magistrat den Schwestern offiziell<br />

seinen Dank für ihre Arbeit aus, indem er Schwester Ignatia Jorth am 24.<br />

Mai das Ehrenkreuz der Stadt München überreichte. Im dazugehörigen<br />

Schreiben sprach der Magistrat der Generaloberin und ihren Schwestern<br />

vollste Anerkennung aus: „Sie haben dem Rufe unseres allergnädigsten Königs<br />

folgend Ihr Vaterland verlassen, um auch in unserer Mitte ein Kloster der barmherzigen<br />

Schwestern zu gründen. Das gottgefällige Werk ist über alle Erwartung schnell<br />

gediehen. Aus allen Gegenden Bayerns traten Schwestern in Ihren heiligen Orden,<br />

und unter Ihre Leitung. Durch Sie erhalten jetzt die Kranken jene menschenfreundliche,<br />

von einem höheren Geiste durchdrungene Pflege… Die Gemeinde, und jeder<br />

vorurteilsfreie Menschenfreund erkennt mit Dank die wohltätigen Bemühungen und<br />

Leistungen der um Sie versammelten frommen Schwestern, die ihr ganzes Leben der<br />

Krankenpflege weihen, und … schon so viele frühzeitige Opfer ihres schweren und<br />

gefährlichen Berufes geworden sind.“ 52<br />

Eine weitere Ehrung erfuhr die Kongregation fast zeitgleich durch eine<br />

großzügige Schenkung des greisen Erzbischofs von München und Freising,<br />

Lothar Anselm von Gebsattel. Er übereignete dem Orden am 2. Juni 1836<br />

ein Legat in Höhe von 6.000 Gulden mit der Bestimmung, dieses Kapital<br />

dürfe nie angegriffen werden, die Zinsen aber sollten zur Unterstützung<br />

87


<strong>Festschrift</strong> der <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern<br />

88<br />

kranker, alter und dienstunfähiger Schwestern oder für sonstige notwendige<br />

Anschaffungen des Ordens verwendet werden.<br />

Auch zu vielen anderen bayerischen und österreichischen Bischöfen<br />

pflegte die Generaloberin beste Beziehungen. Ebenso wurde sie von vielen<br />

Angehörigen des Königshauses sehr geschätzt, allen voran von König Ludwig<br />

I. persönlich, der einen recht vertrauten Umgang mit seiner „Landsmännin“<br />

pflegte.<br />

Trotz ihres selbstbewussten Auftretens beim Verkehr mit hochgestellten<br />

und einflussreichen Persönlichkeiten bewahrte sich die Generaloberin stets<br />

die demütige Haltung einer <strong>Barmherzige</strong>n Schwester. Die öffentlichen<br />

Ehrungen sah sie nicht <strong>als</strong> persönliches Verdienst an, sondern nahm sie <strong>als</strong><br />

Auszeichnung für den gesamten Orden entgegen, hielt sie im Grunde aber<br />

für nicht angebracht: „Wir haben doch nur unsere Schuldigkeit getan, und es ist<br />

noch die Frage, ob der liebe Gott mit uns zufrieden ist… Wir sind nur der Pinsel,<br />

dessen die Künstlerhand Gottes sich bedient, und wenn der Maler gut malt, so<br />

gebührt dem Werkzeug kein Verdienst.“ 53<br />

Schwester Ignatias Demut kommt in besonderer Weise in ihrer Beziehung<br />

zu ihren ehemaligen Oberen in Straßburg <strong>zum</strong> Ausdruck. Obwohl<br />

das Münchner Mutterhaus offiziell völlig eigenständig war, tauschte sie sich<br />

über alle wichtigen Angelegenheiten mit ihrem ehemaligen Mutterhaus in<br />

Straßburg aus. Von sehr großer Achtung, aber auch von treuer Anhänglichkeit,<br />

ja Liebe zu ihrer Generaloberin und ihrem Superior in Straßburg zeugen<br />

die vielen Briefe, die sie ihnen aus München schrieb. Sicher wird Schwester<br />

Ignatia während ihres langen Aufenthaltes in München, der ursprünglich<br />

nur für drei Jahre geplant gewesen war, manchmal mit Sehnsucht an das<br />

Elsässer Mutterhaus gedacht haben. Sehr glücklich war sie, im Juli 1837 <strong>zum</strong><br />

goldenen Priesterjubiläum von Superior Thomas nach Straßburg reisen zu<br />

können. Noch ein weiteres Mal, im Frühjahr 1842, reiste die Generaloberin,<br />

wiederum in Begleitung ihrer Novizenmeisterin, zur Einweihung der<br />

Kapelle des neuen Mutterhauses St. Barbara nach Straßburg.<br />

4.5. Krankheit und Tod der ersten Generaloberin<br />

Schwer erschüttert vom Zusammenbruch ihres lang<strong>jährigen</strong> Ordenssuperiors<br />

Michael Hauber, der in der Osternacht des Jahres 1843 einen Blutsturz<br />

hatte, erlitt die Generaloberin kaum eine Woche später einen Schlaganfall.<br />

Jetzt folgten schwere Wochen für die Ordensgemeinschaft. Beide<br />

Ordensoberen rangen mit dem Tod. Während die Krankenhausärzte den<br />

beiden Kranken zu helfen versuchten, hielt Beichtvater Sintzel den Kontakt<br />

mit Straßburg. Als die Straßburger Oberin voll Sorge nach München


Erfolgreiche Entwicklung des Ordens unter Schwester Ignatia Jorth<br />

reisen wollte, bat Schwester Ignatia sie inständig darum, aus Rücksicht auf<br />

ihre eigene Gesundheit auf die anstrengende Reise zu dieser Jahreszeit zu<br />

verzichten. Der königliche Hof ließ sich täglich über den Gesundheitszustand<br />

der Kranken informieren, Minister Abel, der Regierungspräsident von<br />

Hörmann und der Erzbischof besuchten die Generaloberin an ihrem Krankenbett.<br />

Auch die Anteilnahme der Öffentlichkeit war groß. Die Zeitungen<br />

berichteten regelmäßig über das Befinden der Patienten.<br />

Der Zustand des Superiors verschlechterte sich zusehends und fünf<br />

Wochen nach seinem Blutsturz starb er am Abend des 20. Mai 1843. Für<br />

die Schwestern war der Tod Haubers ein großer Verlust, war er doch für<br />

sie <strong>zum</strong> wichtigsten Berater in allen geistlichen und weltlichen Angelegenheiten<br />

geworden. Die fast zehnjährige vertrauensvolle Zusammenarbeit<br />

mit Schwester Ignatia war äußerst fruchtbar gewesen. Zusammen hatten<br />

sie die neue Ordensgemeinschaft innerlich und äußerlich konsolidiert und<br />

zahlreiche Filialen in Bayern gegründet. Auch an der Gründung der österreichischen<br />

Niederlassungen war er maßgeblich beteiligt gewesen.<br />

Ihrer schwerkranken Generaloberin hatten die Schwestern zunächst den<br />

Tod des Superiors verschwiegen, da sie befürchteten, die Trauer über den<br />

Verlust könnte ihren Zustand noch verschlimmern. Es stand immer noch<br />

so schlecht um sie, dass in der Presse Ende Mai fälschlich die Nachricht<br />

von ihrem Tod verbreitet wurde. Aber diesen f<strong>als</strong>chen Todesmeldungen <strong>zum</strong><br />

Trotz erholte sie sich in der wärmeren Jahreszeit zur großen Freude und<br />

<strong>zum</strong> Erstaunen aller und konnte im Sommer wieder ihrem Amt nachgehen.<br />

Am 11. September 1843 stellte ihr der Erzbischof den Hofprediger und<br />

Ehrenkanonikus bei St. Kajetan, Joseph Riedl, <strong>als</strong> neuen Superior zur Seite.<br />

Gesundheitlich angeschlagen, aber immer noch voll Tatendrang, schonte<br />

sich die Generaloberin bei der Ausübung ihres Amtes auch jetzt nicht. Sie<br />

ließ es sich nicht nehmen, die beiden im Herbst 1843 übernommenen Filialen,<br />

das Krankenhaus in Bad Tölz und das Waisenhaus in Landshut, persönlich<br />

zu besuchen. Mitten im Winter, gleich zu Beginn des Jahres 1844,<br />

begleitete sie zwei ihrer Schwestern nach Ingolstadt, um sie am dortigen<br />

Krankenhaus einzuführen. Für die geplante Erweiterung des Heilig-Geist-<br />

Spit<strong>als</strong> durch den schon lange geplanten Anbau des Nordflügels waren häufige<br />

Besprechungen mit den Magistratsvertretern nötig. Und für das Jahr<br />

1844 standen auch noch die Planungen für Amberg an, wo die Schwestern<br />

auf dringenden Wunsch des Königs erstm<strong>als</strong> eine Gefangenenanstalt übernehmen<br />

sollten. Schwester Ignatia war nicht abgeneigt, da sie in Hagenau,<br />

wo die Straßburger Schwestern seit 1839 eine solche Einrichtung führten,<br />

den heilsamen Einfluss der Ordensschwestern auf die weiblichen Gefängnisinsassen<br />

hatte beobachten können. Anlässlich seines Besuches des hl.<br />

Grabes in der Mutterhauskirche am Karfreitag 1844 besprach der König mit<br />

89


<strong>Festschrift</strong> der <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern<br />

90<br />

der Generaloberin seine Pläne für Amberg. Er zeigte sich sehr erfreut über<br />

ihre Genesung: „Sie haben mir bange gemacht mit Ihrer Krankheit. Sogar das<br />

hl. Öl haben Sie schon erhalten. Gottlob, daß Sie wieder so gut aussehen!“ 54 Auf<br />

seinen ausdrücklichen Wunsch machte sich die Generaloberin Ende Mai in<br />

Begleitung des neuen Superiors Riedl und zwei Schwestern auf den langen<br />

Weg nach Amberg. Um für die gesundheitlich angeschlagene Generaloberin<br />

die immerhin 55 Stunden lange Fahrt nach Amberg etwas angenehmer und<br />

schonender zu gestalten, stellte ihr der König einen seiner Reisewagen zur<br />

Verfügung und ordnete an, sie dürfe nur am Tag fahren.<br />

Einen weiteren herben Verlust für Schwester Ignatia und ihre Ordensschwestern<br />

bedeutete der Tod des Straßburger Superiors Lorenz Thomas am<br />

29. März 1844. Er hatte nicht nur maßgeblichen Anteil an der Einführung<br />

der <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern in Bayern gehabt, sondern hatte auch all die<br />

Jahre zusammen mit Generaloberin Schwester Vinzenz Sultzer dem neuen<br />

Mutterhaus in München <strong>als</strong> väterlicher Ratgeber zur Seite gestanden.<br />

Doch nicht nur Arbeit und Trauer brachte dieses Jahr der kranken<br />

Schwester Ignatia, sondern auch eine große Freude. Kurz nach ihrem<br />

65. Geburtstag durfte Schwester Ignatia Jorth noch erleben, was sie all die<br />

Jahre in München ersehnt hatte: den Besuch der Straßburger Generaloberin.<br />

Schwester Vinzenz Sultzer kam zusammen mit dem neuen Straßburger<br />

Superior Franz Karl Spitz am 18. August 1844 in München an, wo sie für<br />

5 Tage blieben. In dieser Zeit kamen aus vielen Filialen die Oberinnen nach<br />

München, um die Straßburger Oberen zu begrüßen. Selbst aus dem von<br />

Straßburg aus gegründeten Mutterhaus in Fulda reisten die Oberin und<br />

der Superior an. Als die Gäste aus Straßburg wieder abreisten, nahmen sie<br />

Schwester Dominika mit ins Elsass, um sie in der Strafanstalt Hagenau für<br />

den Einsatz in der Strafanstalt Amberg auszubilden.<br />

Im Herbst erlitt Schwester Ignatia erneut einige kleinere Schlaganfälle.<br />

Sie erholte sich zwar wieder etwas, aber es zeichnete sich eine allgemeine<br />

Verschlechterung ihres Gesundheitszustandes ab. Gegen Ende des Jahres<br />

konnte sie sich oft nicht mehr ohne fremde Hilfe vom Stuhl erheben.<br />

Die Schwestern und der neue Superior sahen voll Sorge, wie ihre Kräfte<br />

immer mehr schwanden. Auch König Ludwig, sein Minister von Abel und<br />

die beiden Erzbischöfe von München und Salzburg machten sich Sorgen<br />

um Schwester Ignatia und besuchten sie am Krankenbett.<br />

Am 21. Januar 1845 erlitt die Generaloberin erneut einen schweren<br />

Schlaganfall, von dem sie sich nicht mehr erholen sollte. Gelähmt und<br />

nicht mehr fähig zu sprechen, lag die ihr Leben lang so energievolle und<br />

tatkräftige Schwester Ignatia drei Tage und drei Nächte völlig hilflos auf<br />

ihrem Bett. Alle Bemühungen der Oberärzte des Allgemeinen Krankenhauses<br />

waren vergebens. Am Morgen des 25. Januars 1845 verstarb die erste


Erfolgreiche Entwicklung des Ordens unter Schwester Ignatia Jorth<br />

Generaloberin der <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern in Bayern, Schwester Ignatia<br />

Jorth, im Alter von 65 Jahren. Unfassbar groß war die Trauer ihrer Mitschwestern.<br />

In einem mit vielen Blumen und Kerzen geschmückten Raum<br />

neben der Klosterpforte bahrten sie ihre geistliche Mutter auf. Dort sollte<br />

auch das Volk von der beliebten Oberin Abschied nehmen können. Der<br />

Strom der Trauernden, die Schwester Ignatia die letzte Ehre erweisen wollten,<br />

riss drei Tage lang nicht ab. Die Schwestern selbst beteten abwechselnd<br />

Tag und Nacht an ihrem Sarg. In der Mutterhauskirche und in allen Kirchen<br />

der Stadt fanden Trauergottesdienste statt. Am Nachmittag des dritten<br />

Tages begleitete ein langer Trauerzug den Sarg zur Beerdigung auf den allgemeinen<br />

Friedhof, den heutigen alten Südfriedhof. Der Magistrat übernahm<br />

die Beerdigungskosten aus dem Etat des Krankenhauses und bot den<br />

Schwestern für ihre verstorbene Oberin eine Ehrengruft unter den Arkaden<br />

des Südfriedhofes an. Die Schwestern wünschten jedoch, ihre Ehrwürdige<br />

Mutter inmitten der vielen in den Anfangsjahren schon verstorbenen Mitschwestern<br />

auf dem gemeinsamen Begräbnisplatz auf dem Südfriedhof zu<br />

beerdigen. Diesen Platz hatte die Stadt dem Orden zusammen mit einem<br />

einfachen gemeinsamen Gedenkstein im Jahr 1836 geschenkt.<br />

In den bayerischen Zeitungen erschienen zahlreiche Nachrufe auf die<br />

allseits geachtete und verehrte Generaloberin, die alle einen ähnlichen Tenor<br />

hatten wie das folgende Zitat aus der „Augsburger Postzeitung“: „Sie war<br />

eine Frau mit männlichem Verstande und praktischem, durchgreifendem Blick, von<br />

einer Entschlossenheit und Wohlberatenheit in ihrem ganzen Wesen, daß sie durch<br />

nichts in ihrer Zuversicht auf Gottes Hilfe erschüttert werden konnte und, durch<br />

kein Hindernis beirrt, ihr großartiges Ziel zu verfolgen wußte. So ist diese Elsässerin<br />

auf Jahrhunderte hinaus zu einer wahren Wohltäterin Bayerns geworden.“ 55<br />

Geradezu grotesk erscheint aus heutiger Sicht, dass fast in jedem Nachruf<br />

vom „männlichen Verstand“ der Generaloberin die Rede ist. In der damaligen<br />

Zeit war es anscheinend schwer vorstellbar, dass eine Frau ein solches<br />

Lebenswerk geschafft haben könnte. Und dabei hatte diese Frau aus dem<br />

Elsass zusammen mit all den anderen Frauen aus Bayern, die sich in den<br />

Dienst ihrer Gemeinschaft stellten, doch gerade das Gegenteil bewiesen. Die<br />

Leistungen dieses neuen bayerischen Ordens basierten nicht nur auf der den<br />

Frauen auch im 19. Jahrhundert zugestandenen Opferbereitschaft, sondern<br />

auch zu einem Großteil auf Mut, Energie und Verstand dieser Frauen.<br />

*<br />

91


92<br />

Kapitel 5<br />

Krise nach dem Tod von<br />

Schwester Ignatia<br />

5.1. Geplanter Richtungswechsel?<br />

Bei ihrem Tod hinterließ Schwester Ignatia Jorth eine gefestigte Ordensgemeinschaft<br />

mit insgesamt 156 Schwestern und bereits 16 funktionierenden<br />

Niederlassungen in ganz Bayern.<br />

Dennoch stürzte der Tod der ersten Generaloberin die Kongregation in<br />

eine schwere Krise, von der sie sich längere Zeit nicht erholen sollte. Als<br />

sehr schwierig stellte sich heraus, eine geeignete und von allen akzeptierte<br />

Nachfolgerin für eine derart starke Führungspersönlichkeit zu finden. Parteienbildung<br />

und Intrigen innerhalb der Ordensgemeinschaft gefährdeten<br />

das von Schwester Ignatia hinterlassene blühende Werk. Als „natürliche“<br />

Nachfolgerin wurde von vielen zunächst die zweite Straßburger Schwester,<br />

Schwester Apollonia Schmitt, angesehen. Allerdings kamen bald Gerüchte<br />

auf, die langjährige Novizenmeisterin, die sich in ihrem bisherigen Amt<br />

ausschließlich um die geistliche Entwicklung der Schwestern gesorgt hatte<br />

und bekanntermaßen stark unter dem Einfluss des zu übertriebener Askese<br />

neigenden Beichtvaters Sintzel stand, werde <strong>als</strong> neue Generaloberin einen<br />

Richtungswechsel des Ordens vornehmen. Vor allem Magistrat und Krankenhausdirektion<br />

befürchteten, der Orden werde in Zukunft die religiösen<br />

Pflichten der Schwestern zulasten des Krankendienstes mehr in den Vordergrund<br />

rücken. Inwieweit diese Befürchtungen berechtigt waren, lässt sich<br />

nicht mehr nachvollziehen. Auf jeden Fall alarmierten die Bedenken vonseiten<br />

des Magistrats das Ordinariat, das daraufhin Domdechant von Oettl<br />

zur Visitation ins Mutterhaus schickte. Die bei der Visitation festgestellte<br />

Uneinigkeit der Schwestern veranlasste den Erzbischof bei der Straßburger<br />

Ordensleitung die Rückberufung Schwester Apollonias zu erwirken.<br />

So kehrte sie <strong>zum</strong> Bedauern des Großteils der Schwestern nach 13 Jahren<br />

Aufbauarbeit in München am 1. März 1845 nach Straßburg zurück. Fast


gleichzeitig mit ihr wurde auch<br />

Beichtvater Sintzel von seinem<br />

Amt enthoben. An seine Stelle<br />

trat zunächst Franz Xaver Stiller<br />

und nach dessen Tod einige<br />

Monate später, ab Oktober<br />

1845, Johann Jakob Lenz, bisher<br />

Benefiziat und Beichtvater der<br />

Schwestern in Berg am Laim.<br />

5.2. Unruhige Zeiten<br />

Krise nach dem Tod von Schwester Ignatia<br />

Nach der Abreise Schwester<br />

Apollonias drängte das Ordinariat<br />

darauf, möglichst schnell<br />

die Wahl einer neuen Generaloberin<br />

durchzuführen. Am<br />

12. März 1845 wählten die Oberinnen der Filialen Schwester M. Vinzentia<br />

Balghuber zur zweiten Generaloberin. Leider sollte sich diese Lösung <strong>als</strong><br />

nicht tragfähig erweisen. Trotz ihrer Erfahrung <strong>als</strong> Oberin an verschiedenen<br />

Einsatzorten gelang es ihr nicht, den Frieden innerhalb der Schwesternschaft<br />

wieder herzustellen. Nach drei Jahren Amtszeit bat sie deshalb den<br />

Erzbischof im März 1848 um ihre Amtsenthebung und ihre Versetzung <strong>als</strong><br />

Oberin in die 1846 übernommene Strafanstalt in Amberg. Der Bischof<br />

ernannte daraufhin am 13. März 1848 Schwester M. Benonia Stanglmaier,<br />

bisher Assistenzschwester und erste Hausoberin im Allgemeinen Krankenhaus,<br />

zur Generaloberin. Auf eine ordnungsgemäße Wahl durch die auswärtigen<br />

Oberinnen verzichtete das Ordinariat, da es wegen der herrschenden<br />

politischen Unruhe deren Anreise für nicht ratsam hielt.<br />

Denn nicht nur ordensintern herrschten unruhige Zeiten, sondern auch<br />

auf der politischen Ebene. Die Affäre des Königs mit Lola Montez weitete<br />

sich von einer zunächst rein persönlichen Angelegenheit zu einer ernsten<br />

Staatskrise aus. Mit seinem Verhalten hatte der König nach und nach alle<br />

politischen Kräfte gegen sich aufgebracht. Das eigentliche Hauptproblem<br />

des Widerspruchs zwischen bayerischer Verfassung und autokratischem<br />

Führungsanspruch des Königs trat nun offen zu Tage. Die Absetzung des<br />

konservativ-katholischen Innenministers von Abel im Februar 1847 ließ<br />

auch für die katholischen Orden das Klima in Bayern rauer werden. Im<br />

März 1847 räumte die neue liberale Regierung dem Staat das Recht ein,<br />

sich in die Ablegung der Gelübde ein<strong>zum</strong>ischen. Jede Novizin sollte vor<br />

Michael<br />

Sintzel,<br />

Beichtvater<br />

der <strong>Barmherzige</strong>n<br />

Schwestern<br />

von 1836 bis<br />

1845<br />

93


<strong>Festschrift</strong> der <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern<br />

94<br />

Ablegung der Profess einem staatlichen Vertreter Rechenschaft über ihre<br />

Berufung ablegen. Auf Anordnung des Erzbischofs verzichteten daraufhin<br />

alle Ordensgemeinschaften, auch die <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern, auf Einkleidungs-<br />

und Professfeiern im gesamten Jahr 1847. Der Superior erreichte<br />

schließlich durch eine persönliche Eingabe beim König, dass die <strong>Barmherzige</strong>n<br />

Schwestern im August 1847 von diesem Regierungsbeschluss ausgenommen<br />

wurden.<br />

Als die politischen Ereignisse im Februar und März 1848 eskalierten,<br />

waren laut Mutterhauschronik die Schwestern direkt betroffen. Die Rebellen,<br />

die sich durch die Erstürmung des Zeughauses mit Waffen versorgt hatten,<br />

seien schon im Begriff gewesen, das Kloster zu stürmen. Sie hätten jedoch<br />

davon abgelassen, <strong>als</strong> einer ihrer Anführer durch einen Schuss verletzt und<br />

zur Behandlung ins Krankenhaus eingeliefert worden sei. Die Erleichterung<br />

der Schwestern war sicher groß, <strong>als</strong> durch das Einlenken des Königs und<br />

die Besonnenheit der meisten Revolutionäre ein Bürgerkrieg verhindert<br />

werden konnte. Groß war jedoch sicher auch das Bedauern der Schwestern<br />

über die Abdankung ihres verehrten Königs am 20. März 1848 zugunsten<br />

seines Sohnes Maximilian.<br />

Die Schwestern sahen sich in dieser politischen Umbruchsituation<br />

schweren Angriffen in der Presse ausgesetzt. Vor allem ein Arzt, der selbst<br />

keinerlei persönliche Erfahrungen mit dem Orden hatte, führte über<br />

Monate eine Verleumdungskampagne gegen den Pflegeorden. Wie schon<br />

so oft hatten die Schwestern in Prof. von Ringseis einen treuen Verteidiger<br />

ihres Rufes. Er widerlegte in einer Reihe von Presseartikeln die ungerechtfertigten<br />

Vorwürfe und veröffentlichte seine Argumente zusätzlich in einem<br />

Buch.<br />

Intern kam die Kongregation auch während der Amtszeit von Schwester<br />

M. Benonia nicht zur Ruhe. Auch sie sah sich mit vielerlei Widerständen<br />

und Parteienbildung konfrontiert. Nicht unwesentlich mag dazu beigetragen<br />

haben, dass die Generaloberin gesundheitlich schon sehr angeschlagen<br />

war und somit nur selten Inspektionsreisen in die auswärtigen Filialen<br />

unternehmen konnte. Verschärft wurde diese Situation durch den neuen<br />

Beichtvater Lenz, der anscheinend durch Parteinahme die Uneinigkeit unter<br />

den Schwestern noch weiter vertiefte. 1849 wurde er deshalb auf Betreiben<br />

des Superiors Gradler vom Erzbischof durch den Priester Matthäus Kroner<br />

ersetzt.<br />

Auch im Amt des Superiors herrschte in dieser Zeit keine Kontinuität.<br />

Superior Riedl legte bereits 1846 sein Amt wieder nieder, da er ins Ordinariat<br />

berufen worden war. Sein Nachfolger Herenäus Haid resignierte nach<br />

der Abdankung der zweiten Generaloberin Schwester M. Vinzentia ebenfalls.<br />

Erst sein Nachfolger, der Domkapitular Peter Paul Gradler, brachte


nicht zuletzt durch die Ausschaltung des negativen Einflusses des Beichtvaters<br />

Lenz wieder etwas Stabilität und Einigkeit in die Gemeinschaft. Leider<br />

musste Gradler jedoch bereits 1853 aus gesundheitlichen Gründen sein Amt<br />

an Carl von Prentner abgeben.<br />

*<br />

Krise nach dem Tod von Schwester Ignatia<br />

95


Antworttelegramm<br />

von Schwester<br />

M. Regina<br />

Hurler,<br />

in dem sie<br />

sich bereit<br />

erklärt,<br />

die Wahl<br />

zur Generaloberin<br />

anzunehmen<br />

96<br />

Kapitel 6<br />

40 Jahre Kontinuität unter<br />

Schwester M. Regina Hurler<br />

6.1. Auswirkungen des Kulturkampfes<br />

Nach dem Tod der dritten Generaloberin Schwester M. Benonia Stanglmaier<br />

am 8. Januar 1855 waren zwei Wahlgänge nötig, um eine Zweidrittelmehrheit<br />

für eine neue Generaloberin zu erreichen. Die auswärtigen Oberinnen<br />

hatten dieses Mal per Briefwahl teilgenommen. Am 12. März 1855<br />

wurde Schwester M. Regina Hurler zur vierten Generaloberin gewählt.<br />

Schwester M. Regina Hurler war von 1845 bis 1853 Novizenmeisterin<br />

gewesen, dann aber <strong>zum</strong> Bedauern vieler Schwestern <strong>als</strong> Oberin nach<br />

Kempten versetzt worden. Die neue, zunächst für drei Jahre gewählte Generaloberin<br />

wurde nach Ablauf dieser ersten Amtszeit vom Erzbischof im Amt<br />

bestätigt. In der Folgezeit amtierte sie mit dem stillschweigenden Einverständnis<br />

des Ordinariats bis 1895,<br />

<strong>als</strong>o ganze 40 Jahre lang.<br />

Nachdem Superior Karl von<br />

Prentner 1857 sein Amt niedergelegt<br />

hatte, folgte ihm Anton<br />

Etzinger, der es bis zu seinem<br />

Tod im Jahr 1884 innehatte und<br />

somit auch in diesem Amt endlich<br />

wieder für Kontinuität sorgte.<br />

Die gute Zusammenarbeit zwischen<br />

der Generaloberin und<br />

dem Superior stabilisierte den in<br />

Unruhe geratenen Orden – eine<br />

Stabilisierung, die angesichts<br />

der Herausforderungen, die auf<br />

die Kongregation in dieser Zeit<br />

zukamen, auch unbedingt nötig<br />

war.


40 Jahre Kontinuität unter Schwester M. Regina Hurler<br />

Durch die rasante Entwicklung<br />

des Münchner Krankenhauswesens<br />

stieg die Nachfrage nach Schwestern<br />

ständig an und eine einige<br />

Ordensleitung war <strong>als</strong> zuverlässiger<br />

Verhandlungspartner für Stadt, Universität<br />

und Krankenhausleitung<br />

von größter Bedeutung. Erschwerend<br />

kam hinzu, dass mit der Gründung<br />

des Deutschen Reiches 1871<br />

politisch ein rauerer Wind für alle<br />

katholischen Einrichtungen wehte.<br />

Reichskanzler Bismarck versuchte,<br />

den Einfluss der katholischen Opposition<br />

durch gesetzliche Regelungen<br />

zu beschneiden. Anlass bot ihm dazu<br />

das Unfehlbarkeitsdogma des durch<br />

die Einigung Italiens politisch entmachteten Papstes und die daraus entstandenen<br />

Streitigkeiten um die Abspaltung der Altkatholiken.<br />

Auch wenn der so genannte Kulturkampf in anderen Teilen des Reiches,<br />

vor allem in Preußen, wesentlich härter geführt wurde <strong>als</strong> in Bayern, so war<br />

er doch auch hier spürbar. Die liberale bayerische Regierung unter dem<br />

mächtigen Minister Lutz begrüßte die Bismarckschen Gesetze, konnte aber<br />

in Bayern, wo die konservativen katholischen Kräfte in der Abgeordnetenkammer<br />

die Mehrheit hatten und auch das Königshaus der katholischen<br />

Kirche wohlwollend gegenüberstand, die harten preußischen Gesetze gegen<br />

katholische Einrichtungen nicht in voller Härte durchsetzen. Aber in abgemilderter<br />

Form und auf dem Weg der Reichsgesetzgebung machte sich<br />

auch hier die Kampfansage des Staates an die katholische Kirche bemerkbar.<br />

Da die Jesuiten und Redemptoristen bereits 1872 verboten worden waren,<br />

waren die <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern sehr beunruhigt, <strong>als</strong> das bayerische<br />

Innenministerium im August 1873 von der Ordensleitung ihre Statuten<br />

zur Prüfung verlangte. Die Schwestern befürchteten ein Verbot auch ihrer<br />

Ordensgemeinschaft. Angesichts des 1875 in Preußen erfolgten Verbots aller<br />

katholischen Orden war diese Furcht nicht ganz unbegründet. Allerdings<br />

zeigte sich, dass selbst der preußische Gesetzgeber die Krankenpflegeorden<br />

von dieser Regelung ausnahm. Der Grund war ganz offensichtlich, dass man<br />

es sich bei dem hohen Bedarf an Pflegepersonal nicht leisten konnte, auf die<br />

Ordenskrankenschwestern zu verzichten. Auch militärische Erwägungen<br />

mögen dabei eine Rolle gespielt haben. Im Krieg 1870/71 war man auf<br />

den Einsatz der Ordensschwestern in den Lazaretten dringend angewie-<br />

Generaloberin<br />

Schwester<br />

M. Regina<br />

Hurler<br />

97


<strong>Festschrift</strong> der <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern<br />

Hugo von<br />

Ziemssen,<br />

Direktor des<br />

Krankenhauses<br />

links<br />

der Isar von<br />

1874 bis 1902<br />

(Gemälde in<br />

der Medizinischen<br />

Klinik)<br />

98<br />

sen gewesen. So hatte schließlich auch die Überprüfung der <strong>Barmherzige</strong>n<br />

Schwestern durch die bayerischen Behörden kein Verbot der Kongregation<br />

zur Folge. Auch wenn das Schlimmste abgewendet war, wurden den<br />

Schwestern in den kommenden Jahren von amtlicher Seite immer wieder<br />

Probleme gemacht. Schon 1871 war der Magistrat auf Distanz <strong>zum</strong> Orden<br />

gegangen, indem er die alte Tradition abschaffte, dass an jeder Einkleidungsfeier<br />

ein Magistratsrat teilnahm und eine Sammlung für den Orden organisierte.<br />

Die eigene Spende des Magistrats zu diesem Anlass, die so genannte<br />

Ehrengabe von 25 fl., wurde zunächst noch bis 1880 gewährt, ab 1881<br />

aber ganz eingestellt. Als Affront empfanden die Schwestern die Ernennung<br />

des Protestanten von Ziemssen <strong>zum</strong> neuen Krankenhausdirektor im<br />

Jahr 1874. Und tatsächlich ging der neue Direktor zusammen mit dem<br />

Magistrat zunächst auf Konfrontationskurs <strong>zum</strong> Orden. Für die dringend<br />

notwendig gewordene Erweiterung des Krankenhauses planten sie, den<br />

Schwestern das Mutterhaus wegzunehmen. In dieser Situation zeigte sich<br />

<strong>zum</strong> ersten Mal die Problematik der unklaren Eigentumsregelung beim<br />

Bau des Mutterhauses. Der Magistrat ging davon aus, das Mutterhaus für<br />

Krankenhauszwecke zurückfordern zu können. Für den Orden waren die<br />

angebotenen Unterbringungsalternativen unannehmbar und er vertrat die<br />

Ansicht, er könne nicht gezwungen werden, das Mutterhaus zu räumen, da<br />

er das Recht auf das Haus habe, so lange der Orden in Bayern bestünde. Als<br />

die Schwestern signalisierten, die Sache vor Gericht klären lassen zu wollen,<br />

machte der Magistrat einen Rückzieher. Anscheinend war auch ihm<br />

klar geworden, dass bei der vorliegenden Rechtslage eine Entscheidung zu<br />

seinen Gunsten nicht zu erwarten<br />

gewesen wäre.<br />

Glücklich darüber, die Enteignung<br />

abgewendet zu haben,<br />

mussten die Schwestern allerdings<br />

in den kommenden Jahren und<br />

Jahrzehnten im Zuge der ständigen<br />

Erweiterung des Krankenhauses<br />

eine stetige Verkleinerung<br />

des ihnen zur Verfügung gestellten<br />

Mutterhausgartens hinnehmen. So<br />

konnten sie beispielsweise nicht<br />

verhindern, dass im Jahr 1876 die<br />

alte Einfahrt <strong>zum</strong> Mutterhaus auf<br />

die gegenüber gelegene Seite des<br />

Gartens an die spätere Nußbaumstraße<br />

verlegt wurde. Dem dafür


nötigen neuen Zufahrtsweg fiel wieder<br />

ein Teil des Gartens <strong>zum</strong> Opfer.<br />

Im Großen und Ganzen überstand die<br />

Kongregation die Zeit des Kulturkampfes<br />

unbeschadet. Trotz der Hetze in manchen<br />

Zeitungen gegenüber den katholischen<br />

Orden und der Schwierigkeiten vonseiten<br />

der Behörden verringerte sich die Zahl<br />

der Kandidatinnen nur geringfügig. So<br />

sank die Zahl der Einkleidungen von 34<br />

im Jahr 1871 auf 20 in den Jahren 1876/77,<br />

stieg dann aber wieder an und pendelte<br />

sich bis Mitte der 80er Jahre bei rund<br />

30 ein. 56 Allerdings ging der Zuwachs an<br />

neuen Niederlassungen gravierend zurück.<br />

War vorher jedes Jahr die Übernahme<br />

meist mehrerer neuer Einrichtungen die<br />

Regel, gab es in den 70er und 80er Jahren<br />

des 19. Jahrhunderts einige Jahre ohne<br />

eine einzige neue Übernahme. 57<br />

Die Ordensleitung schaffte es mit diplomatischem Geschick, die Interessen<br />

gegenüber Magistrat und Krankenhausleitung zu wahren. Das Verhältnis<br />

<strong>zum</strong> Krankenhausdirektor von Ziemssen wurde immer besser, <strong>zum</strong>al dieser<br />

die <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern und ihre Arbeit am Krankenhaus bald sehr<br />

zu schätzen gelernt hatte.<br />

6.2. Eine ganz besondere Beziehung<br />

zu Königin-Mutter Marie<br />

40 Jahre Kontinuität unter Schwester M. Regina Hurler<br />

Während dem Orden von politischer Seite, von der Regierung und ihren<br />

untergeordneten Stellen, immer wieder Schwierigkeiten gemacht wurden,<br />

hatte er gleichzeitig im Königshaus der Wittelsbacher stets verlässliche und<br />

einflussreiche Fürsprecher. Eine ganz besondere Beziehung verband die<br />

<strong>Barmherzige</strong>n Schwestern mit Königin-Mutter Marie, der Witwe Maximilian<br />

II. und Mutter Ludwig II. Schon <strong>als</strong> Königin hatte sich Marie zusammen<br />

mit ihrem Mann für soziale Belange engagiert. Mit der gerade unter<br />

Maximilian II. voran getriebenen Industrialisierung zeigten sich bald auch<br />

die Schattenseiten dieser Entwicklung in einer Verschärfung der sozialen<br />

Probleme. Diese suchte das Königspaar durch Mildtätigkeit zu lindern.<br />

Marie unterstützte alle Bemühungen zur Verbesserung der Krankenver-<br />

Geschenk<br />

der Stadt<br />

München<br />

zur 50-Jahr-<br />

Feier der<br />

Kongregation<br />

1882<br />

99


<strong>Festschrift</strong> der <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern<br />

Königin<br />

Marie von<br />

Bayern,<br />

1825 – 1889.<br />

Das<br />

Ölporträt<br />

schenkte<br />

die Königin-<br />

Mutter den<br />

Schwestern<br />

1866 für die<br />

Pflege der<br />

Verwundeten<br />

in ihrem<br />

Spital in<br />

Fürstenried.<br />

Geschenk<br />

von Königin-Mutter<br />

Marie im<br />

Jahr 1868<br />

<strong>als</strong> Dank für<br />

die Pflege<br />

durch drei<br />

<strong>Barmherzige</strong><br />

Schwestern,<br />

<strong>als</strong> sie<br />

an einer<br />

schweren<br />

Gichterkrankung<br />

litt<br />

100<br />

sorgung und war so schon früh zu<br />

einer Gönnerin der <strong>Barmherzige</strong>n<br />

Schwestern geworden. Seit dem Einsatz<br />

der Schwestern in dem von ihr<br />

eingerichteten Lazarett im deutschdeutschen<br />

Krieg 1866 intensivierte<br />

sich der Kontakt zu den Schwestern.<br />

Regelmäßig besuchte sie das Mutterhaus,<br />

nahm häufig an verschiedenen<br />

Feiern teil und machte den<br />

Schwestern zu Weihnachten und<br />

Ostern nette Geschenke wie Osterlämmer<br />

aus Wachs, Schokoladeneier<br />

und Weihnachtsgebäck. Groß war<br />

die Freude der Ordensschwestern,<br />

<strong>als</strong> die Königin-Mutter 1874 <strong>zum</strong><br />

katholischen Glauben konvertierte.<br />

Eine geradezu freundschaftlich-herzliche Beziehung verband die Königin-Mutter<br />

mit Schwester M. Regina Hurler. Zum Namenstag schickte<br />

Marie der Generaloberin stets ein Glückwunschtelegramm von ihrem<br />

Sommeraufenthalt in Hohenschwangau. Auch Schwester M. Regina vergaß<br />

keinen Namenstag der Königin-Mutter und <strong>zum</strong> tragischen Tod ihres<br />

Sohnes Ludwigs II. schickte sie ihr ein bewegendes Beileidsschreiben.<br />

Die Pflegedienste der <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern wusste die Königin-Mutter<br />

auch persönlich sehr<br />

zu schätzen. Als sie 1868 an Gicht<br />

erkrankte, erbat sie erstm<strong>als</strong> auf<br />

Anraten ihres Leibarztes von Gietl,<br />

der gleichzeitig der Hausarzt des<br />

Ordens war, drei Schwestern zur<br />

Pflege. In der Folge ließ sie sich bei<br />

jeder schwereren Erkrankung von<br />

<strong>Barmherzige</strong>n Schwestern pflegen,<br />

so auch bei einem erneuten Anfall<br />

von akutem Gelenkrheumatismus<br />

unmittelbar nach dem Tod ihres<br />

Sohnes Ludwig II. Die Schwestern<br />

begleiteten die Königin-Mutter zur<br />

Pflege auch zu ihrem Sommeraufenthalt<br />

nach Hohenschwangau.


40 Jahre Kontinuität unter Schwester M. Regina Hurler<br />

Als der schwer erkrankten Marie im Februar 1889 von den Ärzten ein<br />

Aufenthalt in Lugano verordnet wurde, reisten ebenfalls zwei <strong>Barmherzige</strong><br />

Schwestern mit ihr. Im Anschluss an die Reise zog sich die unheilbar an<br />

Magenkrebs erkrankte Königin-Mutter Ende März nach Hohenschwangau<br />

zurück, wo ihr die Schwestern bei ihrem qualvollen Sterben bis zu ihrem<br />

Tod am 17. Mai 1889 beistanden.<br />

6.3. Sonderentwicklung des Mutterhauses Augsburg<br />

In die Amtszeit der vierten Generaloberin Schwester M. Regina Hurler<br />

fiel auch die Etablierung des Mutterhauses Augsburg. Die Stadt Augsburg<br />

hatte schon im Jahr 1833 unter dem damaligen katholischen Bürgermeister<br />

reges Interesse angemeldet, <strong>Barmherzige</strong> Schwestern für die Krankenpflege<br />

zu gewinnen. Allerdings sollte sich deren Einführung angesichts der besonderen<br />

Augsburger Verhältnisse <strong>als</strong> schwierig erweisen. In der konfessionsgeteilten<br />

Stadt wurde seit 1649 streng auf paritätische Gleichheit der beiden<br />

großen Konfessionen Katholizismus und Protestantismus in allen öffentlichen<br />

Bereichen, so auch in der Krankenpflege, geachtet. Am Krankenhaus<br />

gab es dementsprechend eine katholische und eine protestantische Abteilung.<br />

Auch auf die für die Krankenpflege in Augsburg bedeutende Bachsche<br />

Seelhausstiftung, eine Stiftung der Augsburger Familie Bach an die Stadt aus<br />

dem 15. Jahrhundert, <strong>als</strong>o aus vorreformatorischer Zeit, erhoben Protestanten<br />

und Katholiken gleichermaßen Anspruch. Mit dieser Stiftung wurde die<br />

ambulante Krankenpflege durch<br />

die so genannten Bachschen Seelnonnen<br />

finanziert, Krankenpflegerinnen,<br />

die die Kranken in ihren<br />

Häusern aufsuchten. Nach jahrelangen<br />

schwierigen Verhandlungen<br />

übernahmen die <strong>Barmherzige</strong>n<br />

Schwestern Anfang 1847 von einer<br />

sehr bescheidenen Unterkunft aus,<br />

dem Barbarahof, die ambulante<br />

Stadtkrankenpflege der Bachschen<br />

Seelhausstiftung. Doch die katholischen<br />

Bürger Augsburgs wollten<br />

mehr. Sie strebten die Übernahme<br />

der katholischen Abteilung des<br />

geplanten neuen Stadtkrankenhauses<br />

durch die Schwestern an.<br />

Superior<br />

Anton<br />

Etzinger<br />

(Ölgemälde<br />

im<br />

Mutterhaus)<br />

101


<strong>Festschrift</strong> der <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern<br />

Das alte<br />

Mutterhaus<br />

in Augsburg<br />

102<br />

Dieses Ziel rückte deutlich näher, <strong>als</strong> der ehemalige Gerbermeister Johann<br />

Georg Henle im Jahr 1852 kurz vor seinem Tod eine Stiftung von 100.000<br />

Gulden machte. Die Stiftungsbestimmungen sahen vor, dass innerhalb der<br />

nächsten zehn Jahre dem Orden der <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern die Pflege<br />

der katholischen Kranken in Augsburg übergeben und ein Mutterhaus nach<br />

Münchner Vorbild gebaut werden sollte. Die Verhandlungen zwischen dem<br />

Mutterhaus und dem Augsburger Magistrat zogen sich dennoch weitere<br />

sechs Jahre hin. Erst 1858 gelang der Vertragsabschluss, wonach 22 <strong>Barmherzige</strong><br />

Schwestern und sechs Kandidatinnen bei der Eröffnung des städtischen<br />

Krankenhauses 1859 die Hauswirtschaft und Krankenpflege in der<br />

katholischen Abteilung übernehmen sollten. Ganz im Sinne des Paritätsgrundsatzes<br />

wurde die protestantische Abteilung des Hauses den Diakonissen<br />

übertragen. Mit der Übernahme des Krankenhauses war der erste Teil<br />

der Stiftungsbestimmung erfüllt, aber noch stand der Bau eines neuen Mutterhauses<br />

aus. Da der Magistrat nichts in dieser Angelegenheit unternahm,<br />

obwohl die Zehn-Jahres-Frist schon fast abgelaufen war und die Schwestern<br />

sich zudem in der Presse verleumderischer Kritik ausgesetzt sahen, dachte<br />

die Münchner Ordensleitung bereits daran, ihre Schwestern aus Augsburg<br />

zurückzuziehen. In dieser Situation brachte erst die Schenkung eines katholischen<br />

Augsburger Bürgers die Wende hin zur endgültigen Etablierung des<br />

Ordens in Augsburg. Der Magistratsrat Franz Xaver Stadler schenkte den<br />

Schwestern ein in der Nähe des Krankenhauses gelegenes Haus mit Garten.<br />

Der Orden verzichtete daraufhin, die Verpflichtung des Magistrats einzufordern,<br />

ihm ein Mutterhaus zu bauen. So erfolgte mit Zustimmung des


40 Jahre Kontinuität unter Schwester M. Regina Hurler<br />

Augsburger Bischofs Ende 1862 die endgültige Gründung des Augsburger<br />

Mutterhauses.<br />

Das Verhältnis der neuen Niederlassung in Augsburg <strong>zum</strong> Mutterhaus<br />

in München war von Anfang an etwas anderer Art <strong>als</strong> bei den sonstigen<br />

Niederlassungen üblich. Der Hauptgrund dafür war die Bestimmung der<br />

Stiftung Henles, „dass … ein Mutterhaus wie in München mit den verfassungsmäßigen<br />

Rechten etabliert werde“. 58 Das Mutterhaus hatte deshalb, um die<br />

Etablierung des Ordens in Augsburg nicht zu gefährden, in den Gründungsverhandlungen<br />

weitgehende Zugeständnisse machen müssen. So hatte man<br />

sich darauf geeinigt, dass Augsburg ein Ordensmutterhaus mit eigenem Vermögen<br />

sein sollte. Allerdings hatte sich das Mutterhaus in München die<br />

geistliche Oberaufsicht über das Augsburger Mutterhaus vorbehalten. Diese<br />

aber machte ihm das Augsburger Ordinariat von Anfang an streitig. Der<br />

Augsburger Bischof erreichte, dass ihm das Mutterhaus in München 1862<br />

die Ernennung des Augsburger Superiors überließ. Außerdem bestand er<br />

darauf, dass die Augsburger Filialen nur dem Mutterhaus in Augsburg unterstehen<br />

sollten. Wurde zunächst noch vereinbart, dass die Augsburger Oberin<br />

gewählt werden sollte und von München und dem Augsburger Ordinariat<br />

zu bestätigen sei, setzte der Augsburger Bischof gegen den Willen der<br />

Münchner Ordensleitung im Laufe der Jahre schließlich durch, dass nur<br />

noch die Ernennung durch ihn nötig war. So wurde de facto die Augsburger<br />

Niederlassung immer mehr von einer Filiale zu einem selbstständigen<br />

Mutterhaus. 1892 stellte der Augsburger Bischof schließlich eigenmächtig<br />

eine Generaloberin auf. Um den Tatsachen endlich Rechnung zu tragen,<br />

bat der Augsburger Superior im Jahr 1895 die Münchner Ordensleitung um<br />

die „Anerkennung völliger Selbständigkeit des Mutterhauses Augsburg auf Grund<br />

der Gener<strong>als</strong>tatuten und auf Grund der historischen Entwicklung der Dinge“ und<br />

machte den Vorschlag, „dass beide Schifflein nebeneinander friedlich fahren<br />

und den Fischfang der Barmherzigkeit betreiben“. 59 Der Münchner Superior<br />

erkannte in seinem Antwortschreiben im September 1895 die Selbstständigkeit<br />

des Mutterhauses Augsburg endgültig an: „… und es fahren die beiden<br />

Schifflein nun nebeneinander!“ 60<br />

*<br />

103


Schwester<br />

M. Constantia<br />

Mahler<br />

war 40<br />

Jahre lang<br />

(1856 – 1896)<br />

Oberin am<br />

Krankenhaus<br />

links<br />

der Isar.<br />

104<br />

Kapitel 7<br />

Die <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern<br />

und die Entwicklung der<br />

modernen Krankenpflege<br />

7.1. Bedeutender Beitrag <strong>zum</strong> Aufbau des<br />

Krankenhauswesens in München<br />

Die Stabilität der Ordensleitung unter Schwester M. Regina erwies sich<br />

<strong>als</strong> Glücksfall für den Orden, <strong>zum</strong>al er sich in der zweiten Hälfte des 19.<br />

Jahrhunderts mit ständig steigenden Anforderungen konfrontiert sah. So<br />

hatten die <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern an der zur Mitte des 19. Jahrhunderts<br />

einsetzenden rasanten Entwicklung des Krankenhauswesens in München<br />

maßgeblichen Anteil. Ihre erste Wirkungsstätte in Bayern, das Allgemeine<br />

Krankenhaus in München, sollte die<br />

Keimzelle für die sich im ausgehenden<br />

19. und beginnenden 20. Jahrhundert<br />

entwickelnden neuen Spezialkliniken<br />

in München werden.<br />

Das seit 1818 städtische Krankenhaus<br />

hatte mit der Verlegung der Universität<br />

von Landshut nach München zusätzlich<br />

die Funktion einer staatlichen Universitätsklinik<br />

übernommen. Im Krankenhaus<br />

gab es nun einige klinische<br />

Säle, die der staatlichen Universität zur<br />

Verfügung gestellt wurden. Diese Doppelfunktion<br />

sollte im Laufe der Jahrzehnte<br />

immer wieder zu Streitigkeiten<br />

um Kompetenzen und Finanzierung<br />

zwischen Staat und Stadt führen, unter


Die <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern und die Entwicklung der modernen Krankenpflege<br />

denen auch die Schwestern zu leiden hatten. Zwar wurden in der Vergleichsurkunde<br />

von 1872 etwas tragfähigere Regelungen geschaffen, aber erst mit<br />

der vollständigen Übernahme im Jahr 1953 durch den Freistaat Bayern<br />

wurden diese Probleme endgültig ad acta gelegt.<br />

Ludwig I. hatte mit der Verlegung der Universität angestrebt, seine Residenzstadt<br />

nicht nur <strong>zum</strong> Zentrum der politischen Macht, sondern auch<br />

<strong>zum</strong> Zentrum von Kultur und Wissenschaft zu machen. Zunächst hatte die<br />

medizinische Fakultät in München gute Aussichten, eine führende Rolle in<br />

Deutschland zu übernehmen. Aufklärer wie die beiden von Häberl, die in den<br />

Anfangsjahren das Sagen am Krankenhaus hatten, waren offen für alle neuen<br />

naturwissenschaftlichen Erkenntnisse in der Medizin. Ausgerechnet der von<br />

Ludwig I. geschätzte und protegierte Prof. von Ringseis, unter dessen Einfluss<br />

das Krankenhaus die nächsten Jahrzehnte hauptsächlich stand, verhinderte<br />

jedoch den weiteren Ausbau der Vormachtstellung der Münchner Fakultät.<br />

Stark von der mystischen Naturphilosophie Schellings beeinflusst, versuchte<br />

Ringseis diese Philosophie auf die Medizin zu übertragen. Die Vertreter<br />

dieser ganzheitlich angelegten naturphilosophischen Ausrichtung lehnten<br />

den therapeutischen Aktionismus der Schulmedizin ab und setzten bei den<br />

Therapien auf Reiz steigernde und Reiz hemmende Methoden. Was heute<br />

im Zuge des Aufschwungs der Homöopathie und anderer Naturheilverfahren<br />

durchaus wieder modern klingt, sorgte dam<strong>als</strong> dafür, dass die medizinische<br />

Fakultät in München im Vergleich zu anderen Medizinfakultäten in<br />

Deutschland ins Hintertreffen geriet, was die Entwicklung der empirischen<br />

medizinischen Wissenschaft betraf. Dabei muss jedoch zur Ehrenrettung<br />

Ringseis gesagt werden, dass, auch wenn seine Theorien oft sehr wirklichkeitsfremd<br />

und dogmatisch waren, er in seiner ärztlichen Praxis pragmatisch<br />

vorging und <strong>als</strong> Therapeut auch neue Entwicklungen in der Medizin zu<br />

nutzen wusste. Doch die Entwicklung des Allgemeinen Krankenhauses zu<br />

einer modernen, nach wissenschaftlichen Erkenntnissen geführten Klinik<br />

erfolgte erst, <strong>als</strong> Mitte<br />

des 19. Jahrhunderts<br />

der Einfluss von Prof.<br />

Ringseis zurückgedrängt<br />

wurde.<br />

Der seit 1848 regierende<br />

neue König<br />

Maximilian II., der die<br />

Entwicklung der Wissenschaften<br />

in allen<br />

Bereichen in Bayern<br />

förderte, tat dies auch<br />

Hörsaal im<br />

Krankenhaus<br />

links<br />

der Isar<br />

105


<strong>Festschrift</strong> der <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern<br />

106<br />

im medizinischen Bereich. So verstand er es, vor allem durch Berufung<br />

fähiger Mediziner, seiner Residenzstadt München auch auf diesem Feld<br />

eine Führungsposition in Deutschland zu verschaffen. Wie sehr die junge<br />

Ärztegeneration diesen Umschwung am Krankenhaus herbeigesehnt hatte,<br />

zeigt folgender Kommentar des Pathologen Thiersch zur Berufung von Dr.<br />

Carl von Pfeufer nach München: „Ein seliges Gefühl der Erlösung kam über<br />

mich und alle jungen strebsamen Ärzte in München, <strong>als</strong> mit Pfeufer die rationelle<br />

Medizin einzog… Statt dogmatischer, spekulativer Systeme der Krankheitslehre<br />

nun die Anwendung naturwissenschaftlich objektivierender Methoden bei der detaillierten<br />

Untersuchung krankhafter Organveränderungen.“ 61<br />

In den folgenden Jahrzehnten schaffte es die medizinische Fakultät in<br />

München mit Unterstützung von politischer Seite, die Koryphäen der deutschen<br />

Medizin nach München zu holen und hier zu halten. In München<br />

arbeiteten und lehrten unter anderem so bekannte Mediziner wie Nußbaum<br />

und Lindwurm und begründeten den Weltruf der Münchner Fakultät.<br />

Die Mitte des 19. Jahrhunderts auch in Bayern mit voller Kraft einsetzende<br />

Industrialisierung, die sich besonders anschaulich im rasanten Ausbau<br />

des Eisenbahnnetzes zeigte, hatte Auswirkungen auf viele Bereiche, so auch<br />

auf die Medizin. Hier führte der wissenschaftliche und technische Fortschritt<br />

zu geradezu revolutionären Veränderungen.<br />

Die junge, fähige und fortschrittsgläubige Ärztegeneration an der<br />

Münchner Universität wusste die neuesten technischen Errungenschaften<br />

und naturwissenschaftlichen Erkenntnisse für den medizinischen Alltag<br />

nutzbar zu machen. Am folgenreichsten war diese Entwicklung zunächst<br />

auf dem Gebiet der Chirurgie. Die Entdeckung der neuen Betäubungsmethoden<br />

mit Äther und wenig später mit Chloroform bot völlig neue Möglichkeiten.<br />

Mussten vorher Operationen möglichst schnell durchgeführt<br />

werden, wobei Hilfskräfte den vor Schmerz schreienden Patienten festhielten,<br />

waren nun unter Narkose erstm<strong>als</strong> längere und komplizierte Eingriffe<br />

möglich. Als auch noch die Zahl der Wundinfektionen durch Einführung<br />

der so genannten Listerschen Methode der Antiseptik mit Karbolsäure stark<br />

zurückgedrängt werden konnte, führte dies zu einer großen Aufwertung der<br />

Chirurgie. Erst Anfang des 19. Jahrhunderts waren die aus den Badern hervorgegangenen<br />

Wundärzte <strong>als</strong> Ärzte anerkannt worden. Aber auch danach<br />

hatten sie unter den Ärzten den schlechtesten Ruf – aufgrund ihres blutigen<br />

Handwerks, das meist nicht von Erfolg gekrönt war. Jetzt allerdings<br />

entwickelte sich das Bild des Chirurgen vom „Metzger“ <strong>zum</strong> „Halbgott in<br />

Weiß“, der Leben verlängern konnte.<br />

In München, wo Dr. von Rothmund schon 1847 die erste Operation<br />

unter Äthernarkose durchführte und Nußbaum 1874 die Listersche Methode<br />

einführte, ist diese Entwicklung deutlich zu beobachten. Ursprünglich


Die <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern und die Entwicklung der modernen Krankenpflege<br />

Die Chirurgische Klinik in<br />

der Nußbaumstraße<br />

hatten die beiden medizinischen Abteilungen am Krankenhaus ein wesentlich<br />

größeres Gewicht <strong>als</strong> die chirurgische Abteilung. Dies begann sich nun<br />

zu ändern. Seit 1860 wurden Forderungen laut, der Chirurgie ein eigenes<br />

Krankenhaus zur Verfügung zu stellen. 1866 wurde die chirurgische Abteilung<br />

schließlich in das in der heutigen Nußbaumstraße gebaute Ausweichkrankenhaus<br />

verlegt. Dort entwickelte sich daraus nach und nach durch Um-<br />

und Neubauten die eigenständige Chirurgische Klinik. Im Jahr 1891 begann<br />

diese erste Spezialklinik, die aus dem ehemaligen Allgemeinen Krankenhaus<br />

entstanden war, ihren Betrieb. Die neue Chirurgische Universitätsklinik war<br />

ausgestattet mit modernsten Sterilisationseinrichtungen, Stromversorgung<br />

und den Einrichtungen für die kurz vorher erst entwickelte Technik der<br />

Röntgenuntersuchungen.<br />

Schon 1866 übernahmen die <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern auch bei den<br />

Chirurgen Pflege und Hauswirtschaft und hatten schon 1865 im damaligen<br />

Aushilfskrankenhaus eine eigene Hausoberin eingesetzt. In den kommenden<br />

Jahrzehnten entwickelten sich mit der zunehmenden Spezifizierung in<br />

der Medizin weitere Spezialkliniken aus der alten Universitätsklinik in der<br />

heutigen Ziemssenstraße. Bis auf eine einzige Ausnahme, der Augenklinik,<br />

sorgten in allen diesen neuen Universitätskliniken <strong>Barmherzige</strong> Schwestern<br />

für Hauswirtschaft und Pflege. So übernahmen sie 1904 die Psychiatrische<br />

Universitätsklinik in der Nußbaumstraße, 1908 die I. Frauenklinik in der<br />

Maistraße, 1913 die Orthopädische Klinik in der Harlachinger Straße, 1917<br />

die II. Frauenklinik in der Lindwurmstraße und 1928 die Dermatologische<br />

Klinik in der Thalkirchner Straße.<br />

Daneben übernahmen sie 1853 die Pflege in dem von Dr. Hauner 1846<br />

privat gegründeten ersten Kinderspital, aus dem 1886 ebenfalls eine Universitätsklinik<br />

wurde.<br />

107


<strong>Festschrift</strong> der <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern<br />

108<br />

Auch in den neuen städtischen Krankenhäusern stellten die Schwestern<br />

das Personal für Pflege und Wirtschaftsführung. Schon 1840 hatten sie das<br />

Krankenhaus in Haidhausen übernommen, das nach der Eingemeindung<br />

Haidhausens im Jahr 1855 <strong>zum</strong> zweiten großen Krankenhaus in München<br />

mit der Bezeichnung Krankenhaus rechts der Isar werden sollte. Das Allgemeine<br />

Krankenhaus trug seither die Bezeichnung Krankenhaus links der<br />

Isar. Als nach der Eingemeindung Schwabings das dritte große Krankenhaus<br />

der Stadt, das Schwabinger Krankenhaus, gebaut wurde, um den dringenden<br />

Bedarf der stark gewachsenen Stadt zu decken, waren wieder die Schwestern<br />

gefragt. Sie übernahmen 1910 auch dieses Haus, wie schon 1899 das städtische<br />

Sanatorium in Harlaching. Als nach dem 2. Weltkrieg die städtische<br />

Krankenhauslandschaft weiter ausgebaut wurde, arbeiteten die Schwestern<br />

in einer Reihe weiterer städtischer Häuser.<br />

Der Orden war auch in einigen Münchner Privatkliniken tätig, beispielsweise<br />

seit 1930 in der Maria-Theresia-Klinik von Prof. Lebsche.<br />

Es ist fast nicht vorstellbar, wie es der Orden schaffte, die enorme Nachfrage<br />

nach Pflegekräften für das boomende Münchner Krankenhauswesen<br />

zu befriedigen. Und nicht zu vergessen: auch im übrigen Bayern entstand<br />

zu derselben Zeit eine Niederlassung nach der anderen. Zu schaffen war<br />

dies nur, weil auch die Zahl der Eintritte mit dieser Entwicklung Schritt<br />

hielt. Dieser Boom fiel zeitlich zusammen mit der Blütezeit des Ordens.<br />

Aber nicht nur die hohe Anzahl der Schwestern, die benötigt wurde,<br />

sondern auch die gestiegenen Anforderungen an die Pflegekräfte stellten<br />

eine große Herausforderung dar.<br />

In der Anfangszeit der Schwestern am Allgemeinen Krankenhaus waren<br />

die therapeutischen Mittel noch sehr bescheiden gewesen. Als wichtige<br />

Medikamente galten dam<strong>als</strong> noch stärkende Lebensmittel wie Milch, Wein<br />

und Bier und gegen fast alles wurden in dieser Zeit, die Kerschensteiner <strong>als</strong><br />

„Zeit des Vampirismus“ bezeichnet hat, Aderlass und Blutegel eingesetzt. Das<br />

Krankenhaus hatte sogar, nachdem einmal innerhalb von drei Tagen 12.000<br />

Blutegel in der Krankenhausapotheke verendet waren, ein eigenes Blutegelbassin<br />

im Stadtgraben am Sendlinger Tor eingerichtet. In größeren Spitälern<br />

wurden jährlich Millionen von Blutegeln verbraucht. In dieser Zeit bestand<br />

die Pflege aus wenigen, sich wiederholenden Handreichungen und war im<br />

Großen und Ganzen auf eine Grundpflege beschränkt.<br />

Die Entwicklung der empirisch-wissenschaftlichen Medizin brachte nun<br />

aber auch für die Schwestern viele neue Aufgaben mit sich. Die Medikamentenverabreichung<br />

gestaltete sich immer differenzierter, die Einführung<br />

täglicher Temperaturmessungen kostete viel Zeit.<br />

Mit der Entstehung unterschiedlicher klinischer Disziplinen waren die<br />

Schwestern zudem gezwungen, sich in viele neue Fachbereiche einzuarbei-


Die <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern und die Entwicklung der modernen Krankenpflege<br />

ten und spezielles Fachwissen zu erwerben. Sie mussten nun genauso bei<br />

Operationen kompetent assistieren wie die vielfältigen neuen Aufgaben in<br />

den neuen Laboratorien oder bei der diagnostischen und therapeutischen<br />

Anwendung der neu entwickelten Radiologie bewältigen. Ob <strong>als</strong> Kinderkrankenschwester<br />

oder <strong>als</strong> Schwester in der Psychiatrie oder in der Frauenklinik,<br />

überall mussten sie einsetzbar sein und „ihre Frau stehen“. Mit den<br />

neuen Erkenntnissen in der Infektiologie stieg im Krankenhaus auch der<br />

Aufwand für Sterilisation immens an.<br />

Der Aufschwung der Medizin im 19. Jahrhundert in München hätte<br />

trotz der technischen und wissenschaftlichen Entwicklung und trotz der<br />

fähigsten Ärzte nicht in diesem Maße stattfinden können, wenn nicht ein<br />

qualifiziertes Pflegepersonal daran mitgewirkt hätte. So bewahrheitete sich,<br />

was der Thorrbericht schon Anfang der 1830er Jahre festgestellt hatte: „wenn<br />

nicht auch von Seite der Pflege den Anordnungen des Arztes und den Bedürfnissen<br />

der Kranken entsprochen wird; so kann bei der allerbesten Einrichtung eines öffentlichen<br />

Krankenhauses; bei aller Geschicklichkeit des Arztes, und bei allem, was zu<br />

diesem Zwecke verwendet wird, ein glücklicher Erfolg nicht werden“. 62<br />

Mit dem Allgemeinen Krankenhaus war unzweifelhaft die Grundlage<br />

für die Entwicklung eines modernen Krankenhauswesens in München<br />

geschaffen worden. In seiner <strong>Festschrift</strong> aus dem Jahr 1988 anlässlich des<br />

<strong>175</strong>-<strong>jährigen</strong> Bestehens dieses Krankenhauses, das inzwischen nach einigen<br />

Namensänderungen <strong>als</strong> Medizinische Klinik der Innenstadt bezeichnet<br />

wird, sah Prof. Buchborn diese Anstalt <strong>als</strong> „Übergang vom Sozialasyl des alten<br />

Hospitalgedankens, für den geistliche Fürsorge und karitative Pflege der Siechen im<br />

Vordergrund stand, zu einem neuartigen Krankenhaus, in dem <strong>als</strong>bald die naturwissenschaftliche<br />

Medizin mit ihren Fortschritten Einzug hielt“. 63<br />

Schwester M.<br />

Rithberta Karpf<br />

im Operationssaal<br />

im IndersdorferKrankenhaus<br />

(1962)<br />

109


<strong>Festschrift</strong> der <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern<br />

110<br />

Eine wichtige Voraussetzung dafür, dass das Allgemeine Krankenhaus<br />

diese herausragende Bedeutung für München erlangen konnte, dass es zur<br />

Keimzelle für alle weiteren Spezialkliniken, die im Laufe des 19. Jahrhunderts<br />

und des beginnenden 20. Jahrhunderts in München entstanden, werden<br />

konnte, war ein qualifiziertes und engagiertes Pflegepersonal.<br />

Dieses bekam es aber erst, <strong>als</strong> es die <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern für die<br />

Pflege gewinnen konnte. Auch Professor Kerschensteiner setzte zu Beginn<br />

des 20. Jahrhunderts die Bedeutung der Einführung dieses Pflegeordens für<br />

die weitere Entwicklung des Krankenhauses entsprechend hoch an: „Weitaus<br />

die wichtigste Neuerung, … der nächst der Verlegung der Universität die größte<br />

Bedeutung für das Krankenhaus zu<strong>zum</strong>essen ist, war die Einführung des Ordens<br />

der <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern.“ 64<br />

7.2. Vorbildfunktion für die Gründung neuer<br />

Pflegegemeinschaften im 19. Jahrhundert<br />

Im Zuge der Industrialisierung im 19. Jahrhundert verarmten weite Teile<br />

der Gesellschaft. Mit dem Wegfall des alten Feud<strong>als</strong>ystems verschwanden<br />

nicht nur viele Abhängigkeiten, sondern auch die alten Sicherungssysteme,<br />

ohne dass ein Ersatz geschaffen worden wäre. Der Staat begann erst im<br />

ausgehenden 19. Jahrhundert mit der Bismarckschen Sozialgesetzgebung,<br />

dieser Entwicklung Rechnung zu tragen. Vorher hatten jedoch bereits zahlreiche<br />

Privatinitiativen, vor allem aus dem kirchlichen Umfeld, versucht,<br />

die schlimmste Not zu lindern. Schwerpunkte dieser Initiativen lagen im<br />

Bereich der Erziehung, Armenpflege und der Verbesserung der Krankenversorgung.<br />

Für das Gebiet der Krankenpflege übernahmen die vinzentinischen<br />

Gemeinschaften allgemein, gerade aber auch das Mutterhaus der <strong>Barmherzige</strong>n<br />

Schwestern in München eine Vorreiterrolle und Vorbildfunktion.<br />

Wegen des hohen Bekanntheitsgrades des Münchner Krankenhauses<br />

hatte sich schnell herumgesprochen, wie positiv sich hier die Verhältnisse<br />

seit der Übernahme durch die <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern entwickelt hatten.<br />

Nicht nur Katholiken, die mit der langen Tradition der alten Pflegeorden<br />

vertraut waren, zeigten sich davon angetan, sondern auch Protestanten.<br />

Der evangelische Theologe Johann Georg Bartholmä legte seinen evangelischen<br />

Glaubensgenossen nahe, <strong>Barmherzige</strong> Schwestern an ihren Krankenhäusern<br />

einzuführen oder eine ähnliche Einrichtung auch bei den Protestanten<br />

zu gründen.<br />

Einflussreiche Persönlichkeiten aus den protestantischen Ländern kamen<br />

nach München, um sich vor Ort ein genaueres Bild über den Orden und<br />

seiner Arbeit zu machen.


Die <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern und die Entwicklung der modernen Krankenpflege<br />

Um im protestantischen Bereich<br />

etwas den katholischen Pflegeorden<br />

Vergleichbares zu schaffen, gründete<br />

der evangelische Pastor Theodor<br />

Fliedner in Kaiserswerth bei Düsseldorf<br />

im Jahr 1836 die erste Diakonissenanstalt.<br />

In Bezug auf ethische<br />

Anforderungen und Organisation<br />

orientierte sich Fliedner dabei eindeutig<br />

am Vorbild der <strong>Barmherzige</strong>n<br />

Schwestern. Die Diakonissen sollten<br />

strengen Lebensregeln unterworfen<br />

werden, eine einheitliche Kleidung<br />

tragen und nach dem Prinzip der<br />

Mutterhäuser organisiert sein. In<br />

den Krankenhäusern, in denen sie<br />

die Pflege übernahmen, sollten sie<br />

gleichzeitig, wie auch beim Vorbild<br />

der <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern meist praktiziert, die gesamte Hauswirtschaft<br />

und Verwaltung übernehmen. Der Gründung der ersten Diakonissenanstalt<br />

von Kaiserswerth folgte bald die Gründung weiterer Anstalten. Mit großer<br />

Geschwindigkeit breitete sich die Diakoniebewegung im protestantischen<br />

Teil Deutschlands aus.<br />

Im katholischen Bereich entstanden in dieser Zeit ebenfalls weitere<br />

Pflegeorden. Auch sie orientierten sich an der Arbeitsweise und Organisationsform<br />

der <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern. Eine der bedeutendsten dieser<br />

Gemeinschaften sollte der vom inzwischen selig gesprochenen Priester Paul<br />

Josef Nardini im Jahr 1855 in der pfälzischen Diaspora gegründete Orden<br />

der „Armen Franziskanerinnen von der hl. Familie“ werden. Diese Schwesterngemeinschaft,<br />

die seit Verlegung ihres Mutterhauses in die ehemalige<br />

Benediktinerabtei von Mallersdorf in Niederbayern auch <strong>als</strong> Mallersdorfer<br />

Schwestern bezeichnet wird, erlebte einen ähnlich großen Aufschwung im<br />

19. und beginnenden 20. Jahrhundert wie die <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern.<br />

So prägend für die Krankenpflege des 19. Jahrhunderts scheint die Organisationsform<br />

der <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern gewesen zu sein, dass selbst die<br />

ab den 1860er Jahren entstehenden Gemeinschaften der Rotkreuzschwestern<br />

in Deutschland nach dem Mutterhausprinzip aufgebaut wurden.<br />

Es gab nun im 19. Jahrhundert drei Säulen der Krankenpflege in Deutschland:<br />

die katholischen Pflegeorden, die protestantische Diakonie und die<br />

weltlichen Mutterhausverbände. Alle aber waren nach dem Mutterhausprinzip<br />

der <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern organisiert.<br />

Auch die<br />

Arbeit<br />

im Labor<br />

gehörte<br />

zu den<br />

Tätigkeiten<br />

der <strong>Barmherzige</strong>n<br />

Schwestern.<br />

111


<strong>Festschrift</strong> der <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern<br />

Kandidatin<br />

Maria<br />

Spatzl und<br />

Schwester M.<br />

Engelmara<br />

Koch, Ende<br />

der 1950er<br />

Jahre. Auch<br />

der richtige<br />

Umgang mit<br />

Medikamenten<br />

gehörte<br />

zu den Aufgaben<br />

der<br />

Schwestern.<br />

112<br />

Mit einigem Recht kann man<br />

Kerschensteiner zustimmen, wenn er<br />

die Bedeutung der ersten Generaloberin<br />

des Münchner Mutterhauses<br />

für die Entwicklung des modernen<br />

Krankenpflegewesens in Deutschland<br />

sehr hoch ansetzte: „Schwester<br />

Ignatia Jorth …, die bedeutende Frau,<br />

deren Name nicht bloß in der Geschichte<br />

der Münchener Krankenanstalten,<br />

sondern in der Geschichte der Krankenpflege<br />

überhaupt nicht vergessen werden<br />

darf. Denn von ihr ging die große Reorganisation<br />

des Krankenpflegewesens<br />

in Süddeutschland aus, sie machte die<br />

Münchener Anstalt <strong>zum</strong> Vorbild auch<br />

für die protestantischen Länder.“ 65<br />

7.3. Entwicklung der Krankenpflegeausbildung<br />

Die Krankenpflegeorden des 19. Jahrhunderts erfuhren vor allem deshalb so<br />

große Akzeptanz, weil vor ihrer Einführung die Qualität der Pflege durch<br />

weltliche Kräfte auf niedrigstem Niveau gewesen war. Dies hatte sicher verschiedene<br />

Gründe, die sich gegenseitig bedingten. Das weltliche Pflegepersonal<br />

hatte keinerlei Ausbildung. Initiativen zur Behebung dieses Missstandes,<br />

wie die Gründung der ersten deutschen Krankenwärterschule in<br />

Heidelberg durch Professor Mai im Jahr 1782, blieben vereinzelt und ohne<br />

größere Tragweite. Die Krankenpfleger und -pflegerinnen bekamen einen<br />

sehr niedrigen Lohn und hatten bei Krankheit und im Alter keinerlei Absicherung.<br />

Unter diesen Bedingungen konnte der Arbeitgeber keine großen<br />

Voraussetzungen an die Eignung der Bewerber stellen und keine große<br />

Motivation im Dienst erwarten. Das soziale Prestige, das schon aufgrund der<br />

schlechten Arbeitsbedingungen und der Schwere der Arbeit nicht sehr hoch<br />

war, wurde noch geringer durch die häufig völlig ungeeigneten und moralisch<br />

oft sehr zweifelhaften Pflegekräfte, auf die man unter diesen Umständen<br />

notgedrungen zurückgreifen musste. Simon von Häberl beschrieb die<br />

vorherrschenden Zustände folgendermaßen: „Ohne Unterricht, ohne Interesse<br />

für die Institute, denen sie dienten, ohne Mitleid und Gefühl mit dem Kranken, dessen<br />

Zustand sie erträglicher zu machen beitragen sollten, roh und ungeschickt, mit<br />

andern Fehlern des Charakters nur zu häufig versehen, verrichteten sie die ihnen


Die <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern und die Entwicklung der modernen Krankenpflege<br />

übertragenen Geschäfte nach Laune und<br />

Willkür.“ 66<br />

Die Einführung der <strong>Barmherzige</strong>n<br />

Schwestern in Bayern und<br />

anderen Teilen Deutschlands bedeutete<br />

einen großen Fortschritt in der<br />

Krankenpflege. Wie schon dargestellt,<br />

kann man die <strong>Barmherzige</strong>n<br />

Schwestern mit einigem Recht <strong>als</strong><br />

die Begründerinnen der modernen<br />

Krankenpflege bezeichnen. Aber<br />

auch ihr Anteil an der Entwicklung<br />

einer qualitativen Krankenpflegeausbildung<br />

in Deutschland ist nicht<br />

zu unterschätzen. 67 Der Orden<br />

stellte schon bei der Aufnahme der<br />

Schwestern hohe Anforderungen an<br />

ihre charakterliche Eignung und ihre<br />

Einstellung <strong>zum</strong> Beruf. Auch wenn bei der Ausbildung der neu aufgenommenen<br />

Schwestern zunächst weniger die theoretische Unterweisung <strong>als</strong><br />

vielmehr das Lernen in der Praxis durch Anleitung durch erfahrene ältere<br />

Schwestern und die Anweisungen der Ärzte im Vordergrund standen, wurden<br />

hier bereits die Grundlagen für eine systematische und qualitative Ausbildung<br />

gelegt. Die Ausbildung der Schwestern war möglichst breit angelegt,<br />

um sie flexibel in allen Bereichen einsetzen zu können. Großer Wert wurde<br />

auf die genaue Beobachtung des Patienten gelegt, um dem Arzt Bericht<br />

geben zu können. Dafür war die genaue Führung von so genannten Jourbüchern,<br />

einer Art Tagebücher über die Patienten, sehr wichtig. Dr. Gietl<br />

hatte zudem <strong>als</strong> Krankenhausdirektor einen Aufgabenkatalog für die <strong>Barmherzige</strong>n<br />

Schwestern am Krankenhaus links der Isar erstellt, in dem die verschiedenen<br />

Aufgaben der Schwestern genauestens geregelt waren.<br />

Die Diakonissenanstalten orientierten sich bei der Gestaltung ihrer Ausbildung<br />

an den <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern, legten aber bereits mehr Wert<br />

auf den theoretischen Unterricht, der immer von einem Arzt erteilt werden<br />

musste.<br />

Da die drei oben erwähnten tragenden Säulen der Pflege im 19. Jahrhundert<br />

ihre Pflegekräfte selbst ausbildeten und bereits einen gewissen<br />

Qualitätsstandard gewährleisteten, sah der Staat anscheinend keine Notwendigkeit,<br />

die Pflege staatlich zu regeln. Nur so ist erklärbar, dass es für die<br />

Ausbildung von Ärzten, Hebammen und Apothekern schon längst staatlich<br />

festgelegte Ausbildungsordnungen und Prüfungen gab, für die Krankenpfle-<br />

Schwester M.<br />

Sigmunda<br />

Stanglmaier,<br />

Leiterin<br />

der Mutterhausschule,<br />

erklärt jungenSchwestern<br />

anhand<br />

eines Schauobjekts<br />

die<br />

Funktion der<br />

Organe.<br />

113


<strong>Festschrift</strong> der <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern<br />

114<br />

geausbildung aber erst am Anfang des 20. Jahrhunderts gesetzliche Regelungen<br />

erlassen wurden.<br />

Dass schließlich staatliche Regelungen nötig wurden, lag vor allem<br />

daran, dass immer mehr Frauen wünschten, die Krankenpflege außerhalb<br />

der Mutterhausorganisationen <strong>als</strong> anerkannten Beruf auszuüben. Wichtigstes<br />

Vorbild war für sie die britische Krankenschwester Florence Nightingale,<br />

die die Neuorganisation der britischen Krankenpflege initiiert hatte.<br />

Interessanterweise hatte sich diese vorher in Paris und Kaiserswerth sehr<br />

genau über die Vinzentinerinnen und die Diakonissen informiert und vieles<br />

von ihnen übernommen, was die Inhalte des Unterrichts und die Art der<br />

Pflege betrifft. Allerdings hatte sie sich ganz bewusst gegen das Organisationsprinzip<br />

der Mutterhäuser entschieden. Ihr Ziel war es, die Tätigkeit der<br />

Krankenschwester auch außerhalb der religiösen und weltlichen Gemeinschaften<br />

zu ermöglichen. Als in Deutschland die Frauenemanzipationsbewegung<br />

Ende des 19. Jahrhunderts stärker wurde, wurde auch hier die Forderung<br />

laut, diese Tätigkeit <strong>als</strong> anerkannten Ausbildungsberuf für Frauen zu<br />

etablieren. Im Jahr 1903 gründete die der Frauenbewegung nahe stehende<br />

ehemalige Rotkreuzschwester Agnes Karll zusammen mit engagierten Mitstreiterinnen<br />

die erste Berufsorganisation für freiberufliche Pflegerinnen,<br />

den heutigen Agnes-Karll-Verband. Hauptziel dieses Interessenverbandes<br />

war es, dass Frauen in Zukunft die Tätigkeit einer Krankenschwester <strong>als</strong><br />

anerkannten, konfessionell ungebundenen Beruf außerhalb der Mutterhausverbände<br />

ausüben können sollten. Deshalb forderten sie eine staatliche<br />

Regelung und Anerkennung der Ausbildung und die soziale Absicherung<br />

der freien Krankenschwestern durch eine angemessene Entlohnung und<br />

durch die Aufnahme in die Sozialversicherungen.<br />

Die Mutterhausverbände waren zunächst über die erstarkende Konkurrenz<br />

der freien Schwestern nicht erfreut. Sie und kirchennahe Kreise<br />

befürchteten eine Entweihung der Krankenpflege, die sie selbst nicht <strong>als</strong><br />

irgendeinen Beruf, sondern <strong>als</strong> Berufung verstanden. Beunruhigt waren sie<br />

auch durch die zu Beginn des 20. Jahrhunderts immer vehementer werdenden<br />

Forderungen nach einer einheitlichen Regelung der Krankenpflegeausbildung<br />

und nach Einführung einer verpflichtenden staatlichen Prüfung<br />

für das Krankenpflegepersonal.<br />

Die <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern befürchteten eine Einmischung des<br />

Staates in die bisher von ihnen selbst vorgenommene Ausbildung ihres<br />

Nachwuchses.<br />

Grundsätzlich waren sie zwar nicht abgeneigt, dass die Ausbildung<br />

gewissen staatlich vorgegebenen Qualitätsstandards unterliegen sollte, allerdings<br />

war es ihnen sehr wichtig, die Ausbildung nach wie vor ordensintern<br />

durchzuführen. Schließlich sollte die fachliche Ausbildung mit der religi-


Die <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern und die Entwicklung der modernen Krankenpflege<br />

ösen Ausbildung und der Vermittlung des speziellen vinzentinischen Geistes<br />

und Berufsethos verbunden bleiben.<br />

Während in einigen Ländern Deutschlands, beispielsweise in Preußen,<br />

bereits erste Versuche einer staatlichen Regelung der Pflege unternommen<br />

wurden, unterblieb in Bayern zunächst eine verbindliche Regelung.<br />

Im Zuge dieser Diskussion erließ jedoch der Magistrat der Stadt München<br />

im Jahr 1904 eine neue Krankenhaussatzung, nach der eine theoretische<br />

Ausbildung für die <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern am Krankenhaus links der<br />

Isar vorgeschrieben wurde. Auch bisher schon hatten die Schwestern durch<br />

ihre Tätigkeit an den Universitätskliniken die Möglichkeit, sich einiges an<br />

theoretischem Fachwissen anzueignen, da sie bei der Ausbildung der jungen<br />

Ärzte am Krankenbett mit anwesend waren. Mancher Professor hatte<br />

zudem darauf bestanden, dass Schwestern an Vorlesungen teilnahmen, oder<br />

hielt spezielle Fachvorträge für sie. Nun sollte dieser Unterricht verbindlich<br />

und institutionalisiert werden. Der Assistenzarzt Dr. Hermann Kerschensteiner<br />

wurde vom Krankenhaus damit beauftragt, dem Schwesternnachwuchs<br />

in mehrwöchigen Kursen theoretische Grundlagen zu vermitteln.<br />

Nach dem Wechsel Kerschensteiners an das Schwabinger Krankenhaus,<br />

wo er ebenfalls diesen Theorieunterricht einführte, stellte das Krankenhaus<br />

links der Isar den Schwestern für den Unterricht keinen Arzt mehr zur<br />

Verfügung. Wie Kerschensteiner in seinem Buch durchblicken lässt, gab es<br />

Bestrebungen innerhalb der Ärzteschaft, den Schwerpunkt der Schwesternausbildung<br />

ins neue Schwabinger Krankenhaus zu verlegen, um diese von<br />

der Ausbildung des medizinischen Nachwuchses im Krankenhaus links der<br />

Isar stärker zu trennen.<br />

Um die theoretische Ausbildung der Schwestern auch am Krankenhaus<br />

links der Isar weiterhin zu gewährleisten, engagierte der Orden den Arzt<br />

Dr. Schöner <strong>als</strong> Lehrer und verlegte den Unterricht in das neue Postulatsgebäude<br />

in der Blumenstraße. Die dortige Oberin und Novizenmeisterin<br />

des Ordens, Schwester M. Alma Mack, hatte schon 1910 begonnen, Einführungskurse<br />

für die neu eingetretenen Kandidatinnen zu geben. Aber auch<br />

junge Professschwestern zeigten Interesse, sich weiterzubilden, um für eine<br />

eventuelle staatliche Prüfung in der Zukunft gewappnet zu sein. Zudem<br />

versprachen sie sich durch den Erwerb von Fachwissen mehr Sicherheit in<br />

ihrem immer anspruchsvoller werdenden Berufsalltag. Schließlich mussten<br />

die Schwestern, die meist nur eine Volkschulbildung vorzuweisen hatten,<br />

neben den kompetentesten Universitätsprofessoren am Krankenbett bestehen,<br />

die ihrerseits meist viel von den Schwestern an Können und Wissen<br />

voraussetzten. Oft mussten auch schon sehr junge Schwestern selbstständig<br />

eine Station leiten. Mit mehr fachlichem Wissen erhofften sie sich, der Last<br />

der Verantwortung besser gewachsen zu sein. Deshalb stieß Dr. Brunner, der<br />

115


<strong>Festschrift</strong> der <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern<br />

116<br />

Direktor des Schwabinger Krankenhauses, auf große Resonanz bei den jungen<br />

Professschwestern, <strong>als</strong> er im Mutterhaus Fortbildungsvorträge anbot.<br />

Erst nach dem 1. Weltkrieg unternahm der Staat erneut einen Versuch,<br />

eine einheitliche Ausbildungsregelung für den Pflegeberuf in Deutschland<br />

zu schaffen. Das Ergebnis dieser Bemühungen war der Erlass des Innenministeriums<br />

vom Juli 1921. Die katholische Kirche hatte im Vorfeld bereits<br />

interveniert. Die deutschen Bischöfe und der 1897 gegründete Caritasverband<br />

vertraten die Interessen der katholischen Pflegeorden gegenüber dem<br />

Staat und erreichten weitgehende Zugeständnisse. Angesichts der damaligen<br />

Bedeutung der Ordenspflege <strong>als</strong> eine der wichtigsten Stützen der Krankenpflege<br />

in Deutschland musste der Staat selbst ja auch daran interessiert<br />

sein, den Orden weiterhin ihre Arbeit zu ermöglichen. So gestand man<br />

den Pflegeorden zu, die Ausbildung ihres Nachwuchses in ordenseigenen<br />

Pflegeschulen durchzuführen. Allerdings mussten sich diese Schulen an die<br />

staatliche Ausbildungsordnung halten und bedurften der Genehmigung<br />

durch die Behörden.<br />

Die <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern reagierten auf Anraten ihres Superiors<br />

und des Erzbischofs von München und Freising, Kardinal von Faulhaber,<br />

rasch und flexibel auf die neueste Entwicklung. Schon vor dem Erlass von<br />

1921 bauten sie ihre schon bestehende Pflegeschule im Postulat aus und<br />

passten sie den neuen Erfordernissen an. Sie beantragten die staatliche<br />

Genehmigung ihrer Schule und begannen im November 1920 mit dem<br />

ersten ein<strong>jährigen</strong> Theoriekurs. Als Schulleiter stellte sich Dr. Brunner, der<br />

inzwischen sein Amt im Schwabinger Krankenhaus niedergelegt hatte, zur<br />

Verfügung. Das Amt der Lehrschwester wurde Schwester M. Clementia<br />

Schaetz übertragen, die es die kommenden drei Jahrzehnte ausüben sollte.<br />

Neben der theoretischen Ausbildung leisteten die jungen Schwestern täglich<br />

ihren praktischen Krankendienst, einschließlich der vorgeschriebenen<br />

Nachtwachen. Nur für die letzten sechs Wochen wurden sie vom Dienst<br />

freigestellt, um sich auf die Prüfung vorbereiten zu können. Im November<br />

1921 legten die ersten 27 Münchner <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern die staatliche<br />

Prüfung erfolgreich ab. Parallel <strong>zum</strong> Kurs im Postulat lief auch ein erster<br />

Kurs mit 27 Absolventinnen am Schwabinger Krankenhaus. Geleitet wurde<br />

dieser Kurs von Professor Dr. Hermann Kerschensteiner, der seit 1920 der<br />

Direktor des Hauses war. Auch hier etablierte sich eine weitere Krankenpflegeschule,<br />

die zwar vom Orden geleitet wurde, aber wie das Krankenhaus<br />

städtisch war. Auch am Bamberger Krankenhaus wurden einige Jahre von<br />

einem dortigen Arzt Kurse angeboten, die der Orden aber 1925 wegen<br />

mangelnder Qualität wieder einstellte.<br />

Für ihr Praktikum hatten die Auszubildenden der <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern<br />

den großen Vorteil, dass sie in allen Spezialkliniken der Universität,


Die <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern und die Entwicklung der modernen Krankenpflege<br />

die vom Orden geführt wurden, eingesetzt<br />

werden konnten. So hatten sie<br />

die Möglichkeit, in noch mehr <strong>als</strong> den<br />

vorgeschriebenen Bereichen Einblick<br />

zu erhalten.<br />

Während in Schwabing seit 1925<br />

auch spezielle Säuglings- und Kinderpflegekurse<br />

angeboten wurden, gab es<br />

im Postulat seit 1927 die Möglichkeit,<br />

neue Spezialausbildungen zu erwerben,<br />

beispielsweise Fortbildungen zur Kindergärtnerin<br />

oder Handarbeitslehrerin.<br />

1930 kam auch noch die Ausbildung<br />

zur Diätassistentin hinzu.<br />

Da das Postulatsgebäude im 2. Weltkrieg<br />

durch Bomben vollständig zerstört<br />

worden war, wurde die Ausbildung der Schwestern nach dem Krieg<br />

ins Mutterhaus verlegt. Zudem wurde statt im Schwabinger Krankenhaus,<br />

das die Amerikaner requiriert hatten, im Krankenhaus rechts der Isar ausgebildet,<br />

bis der Orden 1959 seine neue Pflegeschule „Maria Regina“ in<br />

der Thalkirchner Straße eröffnete. Die Schule im Mutterhaus, ausschließlich<br />

für den Ordensnachwuchs gedacht, ruht seit ca. 1970 aus Mangel an<br />

Nachwuchs.<br />

Die Pflegeschulen der <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern waren ursprünglich<br />

fast ausschließlich für den eigenen Ordensnachwuchs gedacht. Auf Drängen<br />

des Caritasverbandes wurden zwar auch einige freie katholische Schwestern<br />

von den <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern an den Münchener Krankenhäusern<br />

ausgebildet, blieben aber zahlenmäßig eher eine Randerscheinung. Dies<br />

änderte sich nach dem 2. Weltkrieg, <strong>als</strong> der Ordensnachwuchs immer weniger<br />

wurde. Der Orden öffnete seine neue Schule Maria Regina zunächst<br />

für katholische freie Schwestern, später auch für alle anderen angehenden<br />

Krankenschwestern.<br />

Neben den ordenseigenen Schulen leiteten die <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern<br />

in der Nachkriegszeit eine Reihe von städtischen Krankenpflegeschulen.<br />

Hier sorgten sie angesichts des Rückgangs der Ordensschwestern und des<br />

weiter steigenden Bedarfs für die Ausbildung der immer dringender benötigten<br />

weltlichen Krankenschwestern. Mit dem Rückzug aus den jeweiligen<br />

Krankenhäusern in den letzten Jahrzehnten war auch der Rückzug aus den<br />

dortigen Pflegeschulen verbunden.<br />

Heute bilden die Schwestern für die Krankenpflege nur noch in ihrer<br />

ordenseigenen Berufsfachschule für Krankenpflege Maria Regina aus.<br />

Schwester M.<br />

Sigmunda<br />

Stanglmaier<br />

(ganz rechts)<br />

unterweist<br />

die<br />

Schwestern<br />

M. Ariadne<br />

Maier und<br />

M. Vinzentia<br />

Moll (von<br />

links) in der<br />

Handhabung<br />

von<br />

Infusionen.<br />

117


<strong>Festschrift</strong> der <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern<br />

118<br />

7.4. Ambulante Krankenpflege<br />

Die <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern sahen ihren Tätigkeitsschwerpunkt immer<br />

in der Krankenpflege und zwar in der institutionalisierten, stationären Krankenpflege<br />

in den Krankenhäusern. Im Gegensatz zu anderen in der Krankenpflege<br />

tätigen Orden, auch anderen Vinzentinerinnen, waren sie in der<br />

Übernahme von ambulanter Krankenpflege sehr zurückhaltend. Zum einen<br />

waren sie bei der ständig steigenden Nachfrage nach Schwestern für die<br />

Krankenhäuser schon genug ausgelastet. Zum anderen sahen auch ihre Statuten<br />

die stationäre Krankenpflege <strong>als</strong> ihr wichtigstes Betätigungsfeld vor:<br />

„Die wesentliche Bestimmung der barmherzigen Schwestern in Bayern besteht in der<br />

Pflege der in den Krankenhäusern befindlichen Kranken beiderlei Geschlechts.“ 68<br />

Die erste Ausnahme bildete die Übernahme des Bachschen Seelhauses<br />

in Augsburg, was seinen Grund in der schon geschilderten spezifischen Ausgangssituation<br />

hatte. Eine weitere Ausnahme machten die <strong>Barmherzige</strong>n<br />

Schwestern, <strong>als</strong> sie 1857 bzw. 1864 die ambulanten Pflegestationen der drei<br />

Münchner Pfarreien St. Bonifaz, St. Ludwig und St. Peter übernahmen. Hier<br />

wollten sie sich der Zusammenarbeit mit dem in München neu gegründeten<br />

Vinzenzverein nicht entziehen. Obwohl noch im Jahr 1870 der damalige<br />

Superior Etzinger eine Anfrage aus Bamberg nach Schwestern für die ambulante<br />

Pflege kategorisch ablehnte, machte das Mutterhaus in den nächsten<br />

drei Jahrzehnten neun weitere Ausnahmen. Aber erst beim 2. Generalkapitel<br />

1899 wurden die Bedenken endgültig ad acta gelegt. Allein im ersten Jahrzehnt<br />

des 20. Jahrhunderts übernahmen die Schwestern neun weitere Stationen.<br />

Ein weiterer größerer Anstieg war in den Jahren von 1929 bis 1935<br />

mit fünf neuen Niederlassungen zu verzeichnen. In den Nachkriegszeiten<br />

ging die Zahl der von den Schwestern geführten ambulanten Stationen<br />

wieder zurück. Die alten Münchner Stationen wurden nach ihrer Ausbombung<br />

im Jahr 1944 aufgegeben. Dass sich die Schwestern in den 60er Jahren<br />

aus weiteren Niederlassungen der ambulanten Pflege zurückzogen, ist wohl<br />

aus dem allgemeinen Rückgang des Schwesternnachwuchses zu erklären.<br />

In den 70er Jahren ist jedoch ein neuer Aufschwung zu erkennen. Dies<br />

hängt mit Sicherheit damit zusammen, dass in diesen Jahren der Aufbau von<br />

ambulanten Stationen, nun Sozi<strong>als</strong>tationen genannt und im katholischen<br />

Bereich meist von der Caritas getragen, allgemein eine neue Renaissance<br />

erfahren hat. Die Gründe für diesen erneuten Aufschwung sind komplex. Auf<br />

der einen Seite steht der Umbruch der Familienstrukturen. Immer seltener<br />

gibt es die Großfamilie, die in den verschiedenen Notsituationen helfend<br />

einspringen könnte. Immer seltener geworden sind funktionierende Nachbarschaftsgemeinschaften,<br />

immer häufiger Isolation und Anonymität. Dem<br />

häufig fehlenden sozialen Netz stehen auf der anderen Seite eine Reihe


Die <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern und die Entwicklung der modernen Krankenpflege<br />

neuer Aufgaben gegenüber. So sind<br />

immer mehr Menschen durch den<br />

durch Kostendruck ausgelösten<br />

Trend, die stationäre Verweildauer<br />

im Krankenhaus zu verkürzen oder<br />

zu vermeiden, auf ambulante Krankenpflege<br />

angewiesen. Auch in der<br />

ambulanten Altenpflege ist in den<br />

vergangenen Jahrzehnten der Bedarf<br />

weiter gestiegen, da immer mehr<br />

ältere Menschen die Unterbringung<br />

im Heim so lange wie möglich vermeiden<br />

wollen, damit aber immer<br />

häufiger auf Hilfe zu Hause angewiesen<br />

sind. Aufgaben in diesem<br />

Bereich gäbe es für die Schwestern<br />

auch in Zukunft ausreichend, aber<br />

leider mussten sie sich daraus in den<br />

letzten beiden Jahrzehnten, gezwungen durch den immer eklatanter werdenden<br />

Schwesternmangel, wieder weitgehend zurückziehen.<br />

In diesen ambulanten Stationen fungierte der Orden bis auf zwei Ausnahmen<br />

nicht selbst <strong>als</strong> Träger. Träger waren Gemeinden, Pfarreien oder soziale<br />

Vereine wie der Vinzenzverein und später überwiegend der Caritasverband.<br />

Heute sind nur noch in einer ambulanten Station Schwestern vom Mutterhaus<br />

München tätig, nämlich in Oberstdorf. Weitere Einsatzorte waren<br />

bis vor kurzem Sonthofen und Bayreuth, die Ende 2006 bzw. im Juni 2007<br />

aufgegeben werden mussten. In diesen beiden Orten wirkten <strong>Barmherzige</strong><br />

Schwestern rund ein Jahrhundert lang in der ambulanten Krankenpflege.<br />

*<br />

Schwester<br />

M. Cyrina<br />

Kandler auf<br />

der Säuglingsstation<br />

des Krankenhauses<br />

in Indersdorf<br />

(1962)<br />

119


120<br />

Kapitel 8<br />

Weitere Tätigkeitsbereiche der<br />

<strong>Barmherzige</strong>n Schwestern<br />

8.1. Altenpflege – von den Pfründneranstalten zu<br />

modernen Seniorenheimen<br />

Der zweitwichtigste Tätigkeitsschwerpunkt der Münchner <strong>Barmherzige</strong>n<br />

Schwestern war traditionell die Altenpflege. Dies ergab sich schon aus der<br />

früher sehr engen Verknüpfung von Kranken- und Altenpflege. Vor Entstehung<br />

der modernen Krankenhäuser im Laufe des 19. Jahrhunderts wurden<br />

in den Spitälern immer Kranke und Alte zusammen versorgt. Viele der nach<br />

und nach von den Schwestern übernommenen Krankenanstalten waren<br />

noch Spitäler in diesem traditionellen Sinne, hatten <strong>als</strong>o zur Krankenversorgung<br />

auch die Alten- und Armenpflege zu leisten. Nach und nach erst<br />

wurden die Bereiche Kranken- und Altenpflege getrennt. Manches alte Spital<br />

wurde zu einem reinen Krankenhaus ausgebaut. Häufiger war jedoch<br />

die Entwicklung der alten Spitäler zu reinen Altenheimen, während für<br />

die Krankenversorgung neue Krankenhäuser entstanden. In München war<br />

diese Entwicklung schon früher erfolgt. Hier waren bereit 1813 mit der<br />

Eröffnung des Allgemeinen Krankenhauses aus den alten Spitälern reine<br />

Pfründneranstalten geworden. Schon bald nach ihrer Ankunft hatten die<br />

<strong>Barmherzige</strong>n Schwestern alle diese Einrichtungen der Münchner Altenpflege<br />

übernommen.<br />

Einen kleinen Einblick in die dam<strong>als</strong> an Pfründneranstalten herrschenden<br />

Zustände gibt uns der Bericht von Schwester Ignatia Jorth an die Straßburger<br />

Generaloberin anlässlich der Übernahme des Heilig-Geist-Spit<strong>als</strong>. Diese für<br />

München sehr bedeutende Pfründneranstalt, die inzwischen im ehemaligen<br />

Elisabethspital untergebracht war, hatte der Orden <strong>als</strong> erste Einrichtung dieser<br />

Art in Bayern am 1. Oktober 1836 mit zehn Schwestern übernommen.<br />

Die dort von den Schwestern vorgefundenen Verhältnisse wurden schon<br />

von ihnen <strong>als</strong> sehr übel empfunden, nach heutigen Maßstäben würden wir<br />

sie <strong>als</strong> katastrophal bezeichnen. So schrieb Schwester Ignatia am 5. August<br />

1836 nach Straßburg: „In der Anstalt sind alles verhauste und versoffene Leute,


Weitere Tätigkeitsbereiche der <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern<br />

die den ganzen Tag in der Stadt herumbetteln. So wie sie jetzt gehalten werden,<br />

sind sie aber dazu gezwungen, denn sie erhalten in der Anstalt an Nahrung mittags<br />

nur Suppe, Fleisch und ein wenig Gemüse, abends nur ein wenig Suppe. Für Brot,<br />

Bier, Kleider und Wäsche dagegen sollen sie selbst aufkommen und empfangen dafür<br />

wöchentlich 48 Kreuzer. Ich werde aber den Herren vom Magistrat sagen, dass das<br />

nicht so weitergehen kann; man muss den Leuten die ganze Kost und auch die<br />

Kleidung geben statt des Wohngeldes.“ 69 Die Münchner Generaloberin erklärte<br />

sich zur Übernahme des Spit<strong>als</strong> erst bereit, nachdem der Magistrat auf<br />

ihre Veränderungsvorschläge eingegangen war.<br />

Nach der Übernahme machte sie sich daran, das Spital nach dem Vorbild<br />

des Bürgerspit<strong>als</strong> in Straßburg umzugestalten. Vordringlich waren zunächst<br />

Hygienemaßnahmen für die Pfründner und die Reinigung des Hauses, der<br />

Wäsche und der Betten. Mit den <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern zog allerdings<br />

neben der Reinlichkeit auch eine strengere Ordnung in das Haus ein. Dies<br />

mag den einen oder anderen Pfründner gestört haben. Die meisten jedoch<br />

waren froh, dass sie nun besser versorgt wurden und mehr Ruhe im Haus<br />

einkehrte. Sie lernten schnell die Schwestern schätzen, die sich liebevoll um<br />

ihr leibliches Wohl und durch das Gebet in der Gemeinschaft auch um ihr<br />

seelisches Wohl kümmerten.<br />

Wenn schon in einer der bedeutendsten Pfründneranstalten der Residenzstadt<br />

München derartige Verhältnisse geherrscht haben, wie mag es<br />

dann an den meist weit ärmeren Spitälern der kleineren bayerischen Städte<br />

ausgesehen haben, die die<br />

Schwestern im Laufe der Zeit<br />

übernahmen?<br />

Wie die Krankenpflege war<br />

auch die Altenpflege in den letzten<br />

<strong>175</strong> Jahren umwälzenden<br />

Veränderungen unterworfen. Allerdings<br />

lagen hier die Gründe<br />

für die Veränderungen weniger<br />

in der wissenschaftlichen und<br />

technischen <strong>als</strong> vor allem in der<br />

gesellschaftspolitischen Entwicklung.<br />

Die Einstellung zur Gestaltung<br />

des Alters hat sich weitgehend<br />

verändert. Die heutigen<br />

Senioren sind meist noch aktiver,<br />

gesünder und häufig auch wohlhabender<br />

<strong>als</strong> die alten Menschen<br />

früher. Meist möchten sie heute<br />

Die Altenpflege<br />

war<br />

immer ein<br />

wichtiger<br />

Aufgabenbereich.<br />

Die<br />

Aufnahme<br />

entstand<br />

vermutlich<br />

Anfang der<br />

1960er Jahre<br />

in einem<br />

Münchner<br />

Altenheim.<br />

121


<strong>Festschrift</strong> der <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern<br />

122<br />

so lange wie möglich selbstständig bleiben und eine Betreuung erst in Anspruch<br />

nehmen, wenn sie unumgänglich geworden ist.<br />

Es war ein langer, auch von den <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern nicht unwesentlich<br />

mitgeprägter Weg von den alten Pfründneranstalten über die<br />

schon weit moderneren Alten- und Pflegeheime zu den heutigen vielfältigen<br />

Angeboten an Seniorenanlagen mit unterschiedlichen Stufen an<br />

Betreuungsangeboten.<br />

Wegen des gravierenden Nachwuchsmangels haben sich die <strong>Barmherzige</strong>n<br />

Schwestern in den vergangenen Jahrzehnten aus allen ordensfremden<br />

Einrichtungen der Altenpflege zurückgezogen. Heute konzentrieren<br />

sie ihre Kräfte auf die sechs ordenseigenen Einrichtungen. Während die<br />

Altenheime in Teisendorf und Ruhpolding von Anfang an für die Allgemeinheit<br />

bestimmt waren, wurden in den übrigen Häusern nur die eigenen<br />

betagten Ordensschwestern betreut. Heute ist nur noch das Schwesternheim<br />

St. Hildegard in Alzing ausschließlich Ordensangehörigen vorbehalten.<br />

Die übrigen Altenheime in München-Berg am Laim, Unterhaching<br />

und bei Planegg wurden in den letzten Jahren ebenfalls der Allgemeinheit<br />

zugänglich gemacht.<br />

8.2. Kinder- und Jugendfürsorge<br />

Der Bereich Kinder- und Jugendfürsorge erlangte rein zahlenmäßig bei der<br />

Kongregation nie auch nur annähernd eine vergleichbare Bedeutung wie<br />

die Kranken- und Altenpflege, lag den Schwestern jedoch immer sehr am<br />

Herzen.<br />

Ähnliches, was bereits in Bezug auf die Altenpflege gesagt wurde, gilt,<br />

wenn auch in bescheidenerem Ausmaß, für die Kinderpflege. In den alten<br />

Spitälern wurden neben Kranken, Armen und Alten teilweise auch verwaiste<br />

und vernachlässigte Kinder untergebracht. So hatten die <strong>Barmherzige</strong>n<br />

Schwestern beispielsweise im von ihnen 1849 übernommenen Heilig-<br />

Geist-Spital in Landsberg im Jahr 1888 neben den 75 Pfründnern und<br />

einigen Hausarmen auch 23 Waisenknaben zu versorgen. 70<br />

Durch diese Aufgabenverknüpfung an den Spitälern waren die Schwestern<br />

zunächst an vielen Orten in geringem Umfang mit der Kinderpflege<br />

betraut. Mit zunehmender Spezialisierung wurden im Laufe der Zeit diese<br />

Kinderabteilungen an den Spitälern in der Regel zugunsten der Altenpflege<br />

geschlossen. In Landsberg erfolgte diese Schließung erst recht spät, nämlich<br />

1970. Größere Bedeutung für die Arbeit der Schwestern in der Kinder-<br />

und Jugendhilfe erlangten neben Landsberg die Niederlassungen in<br />

Amberg, Eichstätt, Regensburg und Fuchsmühl. Zu den beiden wichtigsten


Weitere Tätigkeitsbereiche der <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern<br />

Zentren in diesem Aufgabenbereich<br />

sollten sich jedoch im Laufe der Zeit<br />

Landshut und Indersdorf entwickeln.<br />

In Landshut hatte der Orden<br />

bereits im Jahr 1843, noch unter der<br />

ersten Generaloberin Ignatia Jorth,<br />

sein erstes Waisenhaus in Bayern<br />

übernommen.<br />

Waren die übernommenen Kinderheime<br />

zunächst Waisen- und Findelhäuser,<br />

wurden sie ab Mitte des 19.<br />

Jahrhunderts zunehmend zu Erziehungsanstalten<br />

ausgebaut, in denen<br />

nicht nur Waisen, sondern auch vernachlässigte<br />

Kinder aufgenommen<br />

wurden. Mit der Industrialisierung<br />

und den vielfach damit verbundenen<br />

sozialen und wirtschaftlichen<br />

Problemen wuchs auch der Bedarf an derartigen Einrichtungen. Getragen<br />

wurden diese Institutionen häufig von Vereinen, die meist von sozial engagierten<br />

und vermögenden Frauen aus dem Bürgertum oder Adel für diesen<br />

Zweck ins Leben gerufen worden waren. Dies war auch in Indersdorf und<br />

Landshut der Fall.<br />

So gründete ein solcher Frauenverein 1847 in Landshut eine Kinderbewahranstalt,<br />

die bis <strong>zum</strong> Anfang der 1920er Jahre von den <strong>Barmherzige</strong>n<br />

Schwestern zusammen mit dem Waisenhaus betreut wurde. Waisenhaus und<br />

Kinderbewahranstalt waren an das ebenfalls von den Schwestern geführte<br />

städtische Krankenhaus Landshut angegliedert.<br />

Im Jahr 1857 eröffnete dieselbe Fraueninitiative, die sich inzwischen <strong>zum</strong><br />

„Marienverein“ zusammengeschlossen hatte, eine weitere derartige Einrichtung<br />

in Landshut. Allerdings sollten in dieser Kinderbewahranstalt die Kinder<br />

nicht nur tagsüber, sondern rund um die Uhr versorgt werden, <strong>als</strong>o im<br />

Haus wohnen können. Auch für die Betreuung dieser neuen „Marienanstalt“<br />

in der Landshuter Marienstraße konnten die Münchner <strong>Barmherzige</strong>n<br />

Schwestern gewonnen werden. Dieses neue, heute noch bestehende<br />

Heim sollte eine noch größere Bedeutung für die Kongregation erlangen<br />

<strong>als</strong> die erste Einrichtung.<br />

Ursprünglicher Zweck der Marienanstalt waren die Betreuung und religiöse<br />

Erziehung verwaister und vernachlässigter Mädchen. Zunächst wurden<br />

nur Mädchen ab 4 Jahren aufgenommen, später auch Säuglinge beiderlei<br />

Geschlechts. Buben konnten allerdings vorerst nur bis <strong>zum</strong> Beginn der<br />

Schwester<br />

M. Adrama<br />

Kuchler mit<br />

Kindern<br />

des Kindergartens<br />

in<br />

Indersdorf<br />

(1950er<br />

Jahre).<br />

123


<strong>Festschrift</strong> der <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern<br />

124<br />

Schule im Haus bleiben, Mädchen bis zu ihrem 18. Lebensjahr. Sie wurden<br />

bei der Suche nach einer Lehrstelle unterstützt oder konnten in der hauseigenen<br />

Schneiderei eine Lehre machen.<br />

Nach und nach wurde die Anstalt durch den Ankauf von Nachbargrundstücken<br />

erweitert und eine kleine Landwirtschaft ermöglichte die Selbstversorgung.<br />

Da man trotz vieler Umbauten der ständig steigenden Nachfrage<br />

nicht mehr gerecht werden konnte, war die Freude groß, <strong>als</strong> die Marienanstalt<br />

im Jahr 1900 in einen großzügigen Neubau umziehen konnte.<br />

Besonders hoch war die Zahl der zu versorgenden Kinder in den Jahren<br />

des 2. Weltkrieges und den ersten Nachkriegsjahren. Statt der vor dem<br />

Krieg untergebrachten rund 50 Kinder mussten in dieser Zeit bis zu 90<br />

Kinder betreut werden. In den 50er Jahren war auch der repräsentative Bau<br />

von 1900 längst nicht mehr zeitgemäß. Da der Marienverein die nötigen<br />

Sanierungsarbeiten nicht schultern konnte, übertrug er die Marienanstalt<br />

der Kongregation, die für den Ausbau und die Modernisierung sorgte. Unter<br />

anderem bauten die Schwestern 1966 ein neues Säuglingsheim, errichteten<br />

nach Aufgabe der Landwirtschaft an der Stelle der Ökonomiegebäude einen<br />

neuen Kindergarten und erweiterten das Kinderheim.<br />

Im Jahr 2002 schenkte die Kongregation das 1973 in Kinderheim St.<br />

Vinzenz umbenannte Heim dem Caritasverband Landshut, um die Zukunft<br />

dieser Einrichtung zu garantieren, die den <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern nun<br />

schon seit 150 Jahren am Herzen liegt. Welchen Stellenwert diese heilpädagogische<br />

Arbeit in Landshut nach wie vor für das Mutterhaus in München<br />

hat, zeigt sich auch darin, dass die fünf dort arbeitenden <strong>Barmherzige</strong>n<br />

Schwestern auch nach dem Trägerwechsel ihre Arbeit fortsetzen konnten.<br />

Und dies in einer Zeit, in der der Orden gezwungen ist, seine Schwestern<br />

aus immer mehr Niederlassungen zurückzuziehen.<br />

Wie in Landshut ging auch die Kinderbewahranstalt in Indersdorf auf<br />

eine Privatinitiative zurück. Die sehr vermögende und gleichzeitig sozial<br />

sehr engagierte Gräfin Viktorine von Butler-Haimhausen hatte schon 1854<br />

eine solche Einrichtung für zunächst 30 Kinder in Haimhausen gegründet.<br />

Nachdem sie in den ersten Monaten zusammen mit ihren Töchtern die<br />

Betreuung der Kinder selbst übernommen hatte, bat sie das Mutterhaus<br />

München um Unterstützung ihres Projektes. Im Juli 1854 nahmen die ersten<br />

beiden <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern ihre Arbeit in Haimhausen auf. Da<br />

das Haus in Haimhausen wegen der großen Nachfrage bald zu klein geworden<br />

war, sah sich die Gräfin nach einer anderen Unterkunft um.<br />

Das seit 1831 leer stehende Kloster Indersdorf schien ihr dafür geeignet.<br />

Nach Aufhebung des ehemaligen Augustiner-Chorherrnstifts durch Kurfürst<br />

Karl Theodor im Jahr 1784 hatte das Klostergebäude einige Jahrzehnte den<br />

Salesianerinnen aus München <strong>als</strong> Erziehungsinstitut für Mädchen gedient.


Eine alte<br />

Ansicht des<br />

Klosters<br />

Indersdorf<br />

Weitere Tätigkeitsbereiche der <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern<br />

Die Gräfin selbst war dort zur Schule gegangen. Sie erreichte nun beim<br />

König Maximilian II., dass er ihr die Gebäude für die Kinderbewahranstalt<br />

in Pacht überließ. Im Mai 1856 konnten die Schwestern mit inzwischen<br />

bereits 76 Kindern in Indersdorf einziehen. Der Anfang dort war alles andere<br />

<strong>als</strong> einfach. Die Räume mussten erst nach und nach wieder bewohnbar<br />

gemacht werden und das von der Gräfin zugestandene Kostgeld für die<br />

Kinder war zu gering, um sie ausreichend versorgen zu können. Um die<br />

Finanzierung zu sichern, rief ein Komitee aus engagierten Bürgern, dem<br />

die Gräfin vorstand, zur Gründung eines Marienvereins auf. Dieser Verein<br />

schloss mit der Kongregation 1858 einen Vertrag, wonach sie die nun Marienanstalt<br />

genannte Einrichtung in Indersdorf in Eigenregie übernehmen<br />

sollte. Der Verein, der ursprünglich für die Finanzierung sorgen sollte, zog<br />

sich in den kommenden Jahren, ebenso wie seine Vorsitzende, die Gräfin,<br />

immer mehr zurück und überließ die Sorge um die Anstalt der Kongregation<br />

allein. Viktorine von Butler-Haimhausen plante bereits ein neues Projekt,<br />

nämlich die Anstalt in Schönbrunn. Die engagierte Adelige, auf deren Initiative<br />

zahlreiche soziale Projekte zurückgehen, wovon die bekanntesten das<br />

Franziskuswerk in Schönbrunn und das Kreszentiastift sein dürften, scheint<br />

meist bald wieder das Interesse an ihren Gründungen verloren und sich lieber<br />

neuen Unternehmungen zugewandt zu haben. Die Kongregation fand<br />

allerdings großzügige Unterstützung für ihre Kinderbewahranstalt, sowohl<br />

vonseiten des Königshauses durch Königin Marie und den abgedankten<br />

König Ludwig I. <strong>als</strong> auch vonseiten vermögender Bürger.<br />

Gegen den Willen der Gräfin öffnete die Kongregation die Anstalt auch<br />

für Buben. Auf Druck der Regierung erklärte sie sich zudem bereit, regel-<br />

125


<strong>Festschrift</strong> der <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern<br />

126<br />

Kinderwaschraum<br />

der Marienanstalt<br />

in<br />

Indersdorf,<br />

vermutlich<br />

Anfang<br />

des 20.<br />

Jahrhunderts<br />

mäßig eine kleine Zahl straffällig gewordener Jugendlicher aufzunehmen.<br />

Ab 1863 arbeitete die Kongregation außerdem mit dem „Maria-Hilf-Verein<br />

für die Erziehung armer Kinder zu braven Dienstboten“ zusammen.<br />

Dies entsprach ganz der Zielsetzung, die auch die Gräfin bei der Gründung<br />

der Anstalt vor Augen hatte. Auch sie wollte die Kinder vorrangig zu<br />

guten und brauchbaren Dienstboten erziehen. Was uns heute bitter aufstoßen<br />

mag, lässt sich nur aus dem alten, noch ganz der Ständegesellschaft<br />

verhafteten Denken erklären.<br />

Auch der sehr streng reglementierte Tagesablauf, der nicht nur in der<br />

Marienanstalt in Indersdorf üblich war und den Kindern vom Aufstehen<br />

um 5.45 Uhr bis zur frühen Abendruhe nach der Abendandacht kaum<br />

eigenen Freiraum ließ, widerspräche unseren heutigen Grundsätzen der<br />

Kindererziehung. Aber diese Erziehung galt dam<strong>als</strong> <strong>als</strong> völlig normal und<br />

wurde auch in Erziehungsanstalten für privilegierte Schichten nicht anders<br />

gehandhabt. Die strenge religiöse Erziehung wurde dam<strong>als</strong> nicht <strong>als</strong> außergewöhnlich<br />

angesehen und gerade auch in den Familien auf dem Land<br />

ähnlich praktiziert.<br />

Die Marienanstalt galt <strong>als</strong> vorbildliche Einrichtung ihrer Zeit und auch<br />

die Zöglinge selbst scheinen <strong>zum</strong> Großteil zufrieden gewesen zu sein. Dies<br />

lässt sich daran erkennen, dass viele noch lange nach ihrer Zeit im Heim<br />

in Verbindung mit den Schwestern geblieben sind. Von ihrer Dankbarkeit<br />

zeugen Briefe und auch Spenden, die teilweise sogar bis aus Amerika kamen,<br />

wohin dam<strong>als</strong> auch einige ausgewandert waren.<br />

Die Arbeit in den Erziehungseinrichtungen war in den über 150 Jahren,<br />

in denen die <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern tätig waren und teilweise


Kinderschlafsaal<br />

der Marienanstalt<br />

in<br />

Indersdorf,<br />

vermutlich<br />

Anfang<br />

des 20.<br />

Jahrhunderts<br />

Weitere Tätigkeitsbereiche der <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern<br />

noch sind, einem starken Wandel unterworfen. Die früher <strong>als</strong> normal und<br />

selbstverständlich empfundene strenge Disziplinierung, die uns heute entsetzt,<br />

gehörte auch in den Einrichtungen der Schwestern schon lange der<br />

Geschichte an. Längst hatten auch in den von den Schwestern geführten<br />

Heimen die neuesten pädagogischen Erkenntnisse Einzug gehalten. In möglichst<br />

kleinen Gruppen sollte den Kindern durch eine familiäre Atmosphäre<br />

Geborgenheit gegeben werden. Soweit wie möglich wurden die Eltern in<br />

die Erziehung miteinbezogen. Zwar war es nach wie vor notwendig, den<br />

Kindern und Jugendlichen Struktur und Halt für ihr Leben durch das Einhalten<br />

von Regeln zu geben. Aber statt der Erziehung zu absolutem Gehorsam<br />

stand nun die Erziehung zu selbstverantwortlichen Persönlichkeiten im<br />

Mittelpunkt.<br />

Neben den Heimen für Waisen und vernachlässigte Kinder übernahmen<br />

die Schwestern auch andere Einrichtungen der kurzzeitigen Kinderbetreuung,<br />

die sich im 19. und 20. Jahrhundert entwickelten. Zunächst waren dies<br />

die Kinderkrippen, die in München wie in anderen wachsenden Großstädten<br />

mit zunehmender Industrialisierung notwendig wurden. Immer<br />

schwieriger war es für Mütter geworden, Erwerbsarbeit mit der Betreuung<br />

ihrer Kinder zu vereinbaren. Während dies im Bürgertum dazu führte, dass<br />

die Frau auf die Rolle der Hausfrau und Mutter festgelegt wurde, waren die<br />

weniger begüterten Schichten auf Erwerbsarbeit beider Elternteile finanziell<br />

angewiesen. Für die dadurch notwendig gewordene Kinderbetreuung fehlte<br />

in den neuen anonymen Großstädten die familiäre oder nachbarschaftliche<br />

Unterstützung. Da sich der Staat wie bei den vielen anderen sozialen Problemfeldern<br />

im 19. Jahrhundert zunächst nicht zuständig fühlte, sprangen<br />

127


<strong>Festschrift</strong> der <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern<br />

128<br />

Kinderkrippe<br />

St. Peter<br />

in München<br />

(Zeichnung<br />

von Felix<br />

Schwarmstädt,<br />

1917)<br />

hier häufig kirchliche Initiativen ein. So wurden die ersten Krippenanstalten<br />

in München von Pfarreien eingerichtet und von den <strong>Barmherzige</strong>n<br />

Schwestern geführt. Schon 1855 übernahmen sie die Krippenanstalt von<br />

St. Anna, 1865 die beiden Krippenanstalten St. Bonifaz und St. Josef und im<br />

Jahr 1871 folgte noch die Krippenanstalt von St. Peter.<br />

Die Krippe St. Bonifaz gaben die Schwestern bereits 1922 auf. Im Jahr<br />

1943 kündigte die Stadt München aus politischen Gründen den Vertrag mit<br />

dem Orden zur Betreuung der Krippen St. Josef und St. Peter. Die älteste<br />

Münchner Krippenanstalt St. Anna führten die Schwestern noch bis 1958.<br />

Als nach dem 2. Weltkrieg, vor allem ab den 60er Jahren, der flächendeckende<br />

Ausbau von Kindergärten in Bayern begann, waren auch die<br />

<strong>Barmherzige</strong>n Schwestern daran beteiligt. In den Orten, in denen sie schon<br />

vorher Kinderheime geführt hatten, richteten sie nun selbst diese zusätzliche<br />

Betreuungseinrichtung ein, so in Landshut und in Indersdorf. Zudem<br />

übernahmen sie in Kindergärten anderer Träger die Betreuung der Kinder,<br />

beispielsweise im Pfarreikindergarten in München-Berg am Laim.<br />

Aus der Kinder- und Jugendarbeit erwuchs mit der Zeit noch ein anderes<br />

Betätigungsfeld der Schwestern. Da ihnen viel daran gelegen war, ihre<br />

Schützlinge durch Vermittlung praktischer Kenntnisse lebenstüchtig zu<br />

machen, boten sie den ihnen anvertrauten Mädchen häufig Kurse im Nähen<br />

und in der Hauswirtschaft an.<br />

8.3. Hauswirtschaft, Verwaltung und Landwirtschaft<br />

Wie schon erwähnt, übernahmen die <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern in den<br />

ihnen anvertrauten Niederlassungen neben der Kranken-, Alten- oder Kin-


„Knödelproduktion“<br />

in<br />

der Küche<br />

des Heilig-<br />

Geist-Spit<strong>als</strong><br />

am Dom-<br />

Pedro-Platz,<br />

ca. 1910<br />

Weitere Tätigkeitsbereiche der <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern<br />

derpflege auch die gesamte Hauswirtschaft und Verwaltung. Obwohl die<br />

Kongregation somit immer eine Reihe von Schwestern zur Verfügung hatte,<br />

die im Bereich der Hauswirtschaft bestens ausgebildet waren, begann sich<br />

im Vergleich zu anderen Frauenorden erst relativ spät die Tradition herauszubilden,<br />

bei Bischöfen oder in Priesterseminaren die Haushaltsführung zu<br />

übernehmen. Einen ersten Anfang in diesem Aufgabenbereich machten die<br />

Schwestern 1912 mit der Übernahme der Hauswirtschaft im Herzoglichen<br />

Georgianum in München. Aber erst unter dem seit 1917 amtierenden Erzbischof<br />

von Faulhaber weiteten die Schwestern ihre Tätigkeit in diesem<br />

Aufgabenfeld weiter aus.<br />

Die <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern hatten seit ihrem Bestehen immer eine<br />

besonders enge Beziehung <strong>zum</strong> Erzbischof von München und Freising, da<br />

er laut Statuten die geistliche Leitung der Kongregation innehatte. Über den<br />

jeweils eingesetzten Superior nahm der Erzbischof direkten Einfluss auf die<br />

Geschicke des Ordens. Unter Kardinal von Faulhaber wurde die Verbindung<br />

zwischen Bischofshof und Mutterhaus besonders intensiv, <strong>zum</strong>al dieser dem<br />

seit 1914 amtierenden Superior Pfaffenbüchler freundschaftlich verbunden<br />

war. Faulhaber nahm größten Anteil an der Entwicklung der Kongregation<br />

und hielt viel von dem karitativen Wirken dieses Frauenordens.<br />

Nachdem er bei seinen Kuraufenthalten in Adelholzen und bei seinen<br />

Besuchen im Mutterhaus die Betreuung durch die <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern<br />

persönlich schätzen gelernt hatte, wünschte er sich diese Schwestern<br />

auch für die Führung seines Haushaltes im Bischofshof. So zogen am<br />

13. August 1925 mit Schwester M. Ethelreda Groß und Schwester M. Ottmara<br />

Bubendorfer die ersten beiden <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern im Münchner<br />

Bischofspalais ein, wo sie die Führung der Hauswirtschaft und der<br />

Küche übernahmen.<br />

129


<strong>Festschrift</strong> der <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern<br />

130<br />

Studienseminar<br />

in<br />

Traunstein<br />

Nach dem Münchner Vorbild holte sich im Jahr 1932 ein weiterer bedeutender<br />

deutscher Bischof, Konrad von Preysing, <strong>Barmherzige</strong> Schwestern<br />

aus München für seinen bischöflichen Haushalt in Eichstätt. Schwester M.<br />

Dagila Dotzler und Schwester M. Elina Beck folgten Bischof von Preysing<br />

1935 auch nach Berlin, <strong>als</strong> er <strong>zum</strong> dortigen Oberhirten ernannt worden<br />

war. 1938 löste Schwester M. Margaritha Müller Schwester M. Elina ab.<br />

Von Preysing war bekannt <strong>als</strong> ein entschiedener und kompromissloser Gegner<br />

des NS-Regimes, der auch Kontakte zu Widerstandsgruppen wie dem<br />

Kreisauer Kreis und den Akteuren des 20. Juli geknüpft hatte. Solange die<br />

Nation<strong>als</strong>ozialisten an der Macht waren, war die Zeit mit diesem Bischof in<br />

Berlin, dem Zentrum der Macht seiner politischen Gegner, auch für die beiden<br />

<strong>Barmherzige</strong>n Schwestern, die seinen Haushalt leiteten, eine Zeit voller<br />

Anspannung und Angst. Sie kehrten erst Anfang 1951 wieder ins Münchner<br />

Mutterhaus zurück, nachdem der nach dem Krieg <strong>zum</strong> Kardinal ernannte<br />

Bischof im Dezember 1950 überraschend gestorben war.<br />

Auf Wunsch von Kardinal von Faulhaber übernahm der Orden auch die<br />

Haushaltsführung im neuen Erzbischöflichen Studienseminar, das er 1929<br />

in Traunstein gründete. Sieben Schwestern wurden für diese Aufgabe zur<br />

Verfügung gestellt.<br />

Mit dieser Übernahme war endgültig der Schritt in dieses Aufgabenfeld<br />

vollzogen. Auch in anderen Diözesen leiteten die Schwestern in der Folgezeit<br />

Haushalte von Priesterseminaren, so in den 30er Jahren in Eichstätt und<br />

ab 1967 für 20 Jahre in Regensburg. Noch 1987 übernahmen sie das Spätberufenenseminar<br />

St. Matthias in Waldram bei Wolfratshausen, nachdem die<br />

Niederbronner Schwestern diese Tätigkeit wegen des Schwesternmangels<br />

hatten aufgeben müssen. Heute arbeiten dort immer noch zwei Barmher-


Eine <strong>Barmherzige</strong><br />

Schwester<br />

auf einem<br />

Hühnerhof,<br />

vermutlich<br />

in Bamberg<br />

Anfang der<br />

1930er Jahre<br />

Weitere Tätigkeitsbereiche der <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern<br />

zige Schwestern. Auch im Herzoglichen Georgianum, dessen Hauswirtschaft<br />

die Schwestern bis auf einige Unterbrechungen seit 1912 fast durchgängig<br />

geführt hatten, sind heute noch zwei Schwestern im Einsatz. Aus<br />

dem Studienseminar in Traunstein zog sich die Kongregation im Jahr 2003<br />

schweren Herzens zurück.<br />

Im Münchner Bischofshof blieben die Schwestern zunächst bis <strong>zum</strong> Tod<br />

von Kardinal von Faulhaber im Jahr 1952. 1942 war Schwester M. Ethelreda<br />

Groß durch Schwester M. Albuina Hubauer abgelöst worden.<br />

Die Nachfolger, Kardinal Wendel und Kardinal Döpfner, verzichteten<br />

auf den Dienst der Schwestern im Haushalt. Sie brachten dafür Ordensschwestern<br />

aus ihren bisherigen Wirkungsstätten mit. Ganz jedoch wollten<br />

anscheinend auch sie nicht auf <strong>Barmherzige</strong> Schwestern verzichten. So war<br />

seit 1953 Schwester M. Eufreda Heidner für fast 40 Jahre <strong>als</strong> Sekretärin im<br />

Erzbischöflichen Sekretariat tätig. 1990 wurde sie von Schwester M. Solemnis<br />

Simmelbauer abgelöst, die noch heute dort arbeitet.<br />

Im Jahr 1977 kehrten die Schwestern wieder in den Haushalt des<br />

Bischofspalais zurück. Erzbischof Joseph Ratzinger griff bei seinem Amtsantritt<br />

auf diese Schwestern zurück, die ihm schon aus Traunstein und seinem<br />

Aufenthalt im Georgianum bestens vertraut waren. Sein Nachfolger im Amt,<br />

Friedrich Kardinal Wetter, übernahm die Schwestern. Schwester M. Guda<br />

Süß führte die dortige Niederlassung 1977 – 1989. Schwester M. Agapita<br />

Schuhbeck, eine der Schwestern, die in der Zeit Kardinal Ratzingers im<br />

Bischofshof tätig gewesen waren, durfte beim Papstbesuch im September<br />

eine besondere Ehre erfahren. Sie gehörte zu den Ehrengästen Papst Benedikts<br />

XVI. Auch heute arbeitet mit Schwester M. Adelberga Öttl noch eine<br />

Schwester der Kongregation im Bischofshaushalt von Kardinal Wetter.<br />

131


<strong>Festschrift</strong> der <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern<br />

132<br />

Neben der Hauswirtschaft gewann auch der Bereich der Verwaltung in<br />

allen Niederlassungen zunehmend an Bedeutung. Auch hier entstanden<br />

neue Aufgabenfelder, für die geeignete Schwestern gefunden und ausgebildet<br />

werden mussten. Besonders die Funktion der so genannten Schreibschwester<br />

wurde mit steigender Komplexität der Verwaltung immer wichtiger.<br />

Nicht nur in den einzelnen Einrichtungen verlangte dieses Amt große<br />

Kompetenz, sondern auch im Mutterhaus selbst. Die Schreibschwestern im<br />

Mutterhaus, deren Nachfolgerin die heutige Gener<strong>als</strong>ekretärin Schwester<br />

Anna Maria Burgauer ist, kümmerten sich nicht nur um das laufende Alltagsgeschäft,<br />

sondern machten sich auch um die Überlieferung der Geschichte<br />

der <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern sehr verdient. Sie erstellten Statistiken und<br />

sorgten für die Fortschreibung der Mutterhauschronik. Besondere Verdienste<br />

erwarb sich dabei die über 40 Jahre <strong>als</strong> Schreibschwester im Mutterhaus<br />

tätige Schwester M. Emma Mayer.<br />

Da früher bei sehr vielen Niederlassungen eine kleine Landwirtschaft<br />

angebunden war, mussten immer wieder einige der Schwestern Aufgaben in<br />

diesem Bereich übernehmen. Diese Betriebe waren, auch wenn sie noch so<br />

klein waren, für die Versorgung der Schwestern und der ihnen anvertrauten<br />

Kranken, Alten oder Kinder von größtem Wert. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts<br />

wurden allerdings diese kleinen Landwirtschaften nach und nach aufgegeben.<br />

Häufig wurde das Land für Erweiterungsbauten der Einrichtungen<br />

benötigt und mit zunehmender Verstädterung wurde es vielerorts schwierig,<br />

die Landwirtschaft weiter zu betreiben. Um einen Ersatz zu schaffen,<br />

erwarben die Schwestern eigene größere Höfe, denn ganz wollte man auf<br />

diese Selbstversorgungsmöglichkeit nicht verzichten. Hatte sich doch diese<br />

in Notzeiten mehrfach <strong>als</strong> bedeutende Überlebenshilfe gezeigt.<br />

8.4. Hilfe für gesellschaftliche Randgruppen<br />

Hilfe für Arme, eines der zentralen Anliegen des hl. Vinzenz, war für die<br />

<strong>Barmherzige</strong>n Schwestern zu allen Zeiten eine Selbstverständlichkeit. Wie<br />

viele andere Klöster in München hatte auch die Kongregation schon seit<br />

ihrer Gründung eine so genannte Pfortenspeisung für Bedürftige angeboten.<br />

In großen Notzeiten wie unmittelbar nach den beiden Weltkriegen und in<br />

der Zeit der Weltwirtschaftskrise am Anfang der 1930er Jahre wurde diese<br />

Armenspeisung nicht nur für die sonst übliche Zahl Armer und Bettler, sondern<br />

für sehr viele Münchner zu einer wichtigen Überlebenshilfe.<br />

In den letzten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts wurde für eine wachsende<br />

Zahl von Nichtsesshaften die Mutterhauspforte eine wichtige Anlaufstelle.<br />

Die Leitungen der umliegenden Kliniken sahen die wachsende


Pfortenspeisung<br />

an<br />

der Mutterhauspforte<br />

Anfang der<br />

1930er Jahre<br />

Weitere Tätigkeitsbereiche der <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern<br />

Schlange von Obdachlosen <strong>als</strong> unhaltbaren Zustand. Ende 1983 sahen sich<br />

die Schwestern deshalb gezwungen, ihre Pfortenspeisung am Mutterhaus<br />

einzustellen. Allerdings sorgten sie vorher dafür, dass andere Anlaufstellen für<br />

Obdachlose in der näheren Umgebung wie das St. Antonkloster der Kapuziner<br />

und der III. Orden in der Maistraße ihre Klientel mitversorgten. Ganz<br />

gab das Mutterhaus in der Nußbaumstraße die Tradition der Armenspeisung<br />

jedoch nicht auf. So wurden bis <strong>zum</strong> Umzug ins neue Mutterhaus einige<br />

„Stammkunden“ weiter mit einem kostenlosen Mittagessen versorgt. In<br />

Berg am Laim gibt es ebenfalls schon eine lange Tradition der Pfortenspeisung<br />

am dortigen Altersheim. Als der Andrang an der Pforte immer größer<br />

wurde, wurde dort 1999 ein eigener<br />

Raum für die Essensausgabe<br />

eingerichtet. In dieser „Vinzenzstube“<br />

werden werktäglich bis<br />

zu 40 kostenlose Essen ausgegeben.<br />

Auch im Keller des ordenseigenen<br />

Hauses Mechtild in der<br />

Augsburger Straße werden am<br />

Wochenende zwischen 90 und<br />

110 Personen versorgt. 71<br />

Doch das Engagement für<br />

die Obdachlosen geht über die<br />

Pfortenspeisungen hinaus. So<br />

unterstützt die Kongregation Initiativen<br />

für Nichtsesshafte finanziell,<br />

materiell und teilweise auch<br />

personell.<br />

Eine <strong>Barmherzige</strong><br />

Schwester<br />

gibt an<br />

der Pforte<br />

Suppe aus<br />

(Anfang<br />

der 1930er<br />

Jahre).<br />

133


<strong>Festschrift</strong> der <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern<br />

Tätigkeitsfelder<br />

der<br />

Kongregation<br />

1882<br />

134<br />

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Kurz nachdem Walter Lorenz, ein ehemaliger Lokführer, zusammen mit<br />

der von ihm gegründeten Gemeinschaft der Schwestern vom hl. Benedikt<br />

Labré e.V. ein Haus für Obdachlose in der Pommernstraße in München<br />

eröffnet hatte, zogen dort auch vier <strong>Barmherzige</strong> Schwestern mit ein, um<br />

dort zusammen mit den Nichtsesshaften zu leben und für sie zu arbeiten.<br />

Nachdem zwei der dort tätigen Schwestern 1990 und 1995 die Kongregation<br />

verlassen hatten, hielt man es für besser, die Schwestern lebten in der<br />

Gemeinschaft eines ihrer Schwesternkonvente. Heute arbeitet dort noch<br />

eine <strong>Barmherzige</strong> Schwester, Schwester M. Timothea Heitzer. Dem Verein<br />

hat der Orden zudem ein Haus in Unterhaching <strong>als</strong> Obdachlosenherberge<br />

zur Verfügung gestellt. Auch dort arbeiteten von 1986 bis 1992 zwei<br />

Schwestern mit.<br />

Die Arbeit des Katholischen Männerfürsorgevereins München unterstützt<br />

die Kongregation ebenfalls. Seit der Verein im Jahr 1996 das Haus St.<br />

Benno in Oberschleißheim für alte und kranke Obdachlose eröffnet hat,<br />

arbeiten dort <strong>Barmherzige</strong> Schwestern.<br />

Die Arbeit in der Psychiatrie blieb bei den Münchner Schwestern eher<br />

eine Randerscheinung. So wurden sie nur in zwei Nervenklinken tätig, ab<br />

1869 in der städtischen Heil- und Pflegeanstalt St. Getreu in Bamberg und<br />

ab 1904 in der Universitätsklinik für Psychiatrie in München. Allerdings<br />

initiierte eine der früher in der Münchner Nervenklinik tätigen Schwestern<br />

in den 90er Jahren das Projekt „Jakobsbrunnen“ für die ambulante Betreuung<br />

von psychisch kranken Menschen.


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Weitere Tätigkeitsbereiche der <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern<br />

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Absolute Ausnahme für die Münchner Kongregation blieb der Einsatz in<br />

der Gefangenenfürsorge, der 1846 mit der Übernahme der Gefangenenanstalt<br />

in Amberg begann und 1909 mit der Auflassung des inzwischen nach<br />

Wasserburg verlegten Gefängnisses endete. Weitere Anfragen nach Übernahmen<br />

derartiger Einrichtungen beantwortete die Ordensleitung stets<br />

negativ.<br />

Auf eine weitere Ausdifferenzierung der Einsatzfelder verzichtete der<br />

Orden weitgehend und entschied sich bewusst für die Konzentration seiner<br />

Kräfte auf seine eigentlichen Tätigkeitsschwerpunkte der Kranken-, Alten-<br />

und Kinderpflege.<br />

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Tätigkeitsfelder<br />

der<br />

Kongregation<br />

1932<br />

135


136<br />

Kapitel 9<br />

Sondereinsätze in Zeiten von<br />

Seuchen und Kriegen<br />

9.1. Besondere Herausforderungen durch Epidemien<br />

Waren die in der Krankenpflege tätigen Schwestern schon in ihrem normalen<br />

Arbeitsalltag in heute kaum vorstellbarem Ausmaß gefordert, so bedeutete<br />

der Ausbruch einer Epidemie eine Herausforderung, die sie an den Rand<br />

ihrer Kräfte bringen konnte. Und solche Epidemien waren im 19. Jahrhundert<br />

vor den Erkenntnissen von Robert Koch auf bakteriologischem Gebiet<br />

nicht selten. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts schien es zunächst gelungen<br />

zu sein, eine der am weitesten verbreiteten Seuchen der vorhergehenden<br />

Jahrhunderte, die Pocken bzw. Blattern, durch die Entdeckung der Pockenschutzimpfung<br />

besiegt zu haben. Die Pflicht zur Impfung war 1807 in Bayern<br />

<strong>als</strong> dem ersten Land weltweit auf Betreiben von Franz Xaver Häberl<br />

eingeführt worden. In der Mitte des 19. Jahrhunderts stieg allerdings die<br />

Zahl der Infektionen wieder an. Auch am Münchner Krankenhaus wurde<br />

es wieder zunehmend ein Thema, wo die Blatternkranken isoliert von den<br />

übrigen Patienten untergebracht wurden. Erst durch die Einführung der<br />

Auffrischungsimpfung im Erwachsenenalter konnte diese Krankheit entscheidend<br />

eingedämmt werden. Die Zahl der Blatternkranken ging bis <strong>zum</strong><br />

Ende des Jahrhunderts so weit zurück, dass ab 1897 für diese Patienten ein<br />

kleiner Isolierpavillon im Garten des Krankenhauses l. d. I. ausreichte.<br />

Noch weit mehr <strong>als</strong> die Pocken war dam<strong>als</strong> Typhus verbreitet. Kerschensteiner<br />

schreibt, dass diese Krankheit noch in der zweiten Hälfte des<br />

19. Jahrhunderts die zweithäufigste Todesursache am Krankenhaus l. d. I.<br />

gewesen sei. Zudem vermutet er, dass die häufigste Todesursache, der so<br />

genannte Magenkatarrh oder das gastrische Fieber, ebenfalls eine Form<br />

des Typhus war. Dass mit dem Rückgang des Typhus auch diese Krankheit<br />

immer seltener auftrat, spricht für diese These. Mehrere schwere Typhusepidemien<br />

hatten die Schwestern an diesem Krankenhaus zu bewältigen.


Sondereinsätze in Zeiten von Seuchen und Kriegen<br />

So starben beispielsweise 1839/40 von 806 Typhuspatienten 90, was im Vergleich<br />

zu der in anderen Krankenhäusern üblichen Mortalität von bis zu<br />

50 % einen relativ niedrigen Prozentsatz an Sterbefällen bedeutete. Im Jahr<br />

1860 grassierte die Seuche im Mutterhaus. Durch Hausinfektion erkrankten<br />

33 Schwestern, die wegen Renovierungsarbeiten Wasser aus einem Pumpbrunnen<br />

im Klosterhof entnommen hatten, der durch die nahen Versitzgruben<br />

verunreinigt war. 72 Erst die Erkenntnis der starken Infektionsgefahr<br />

und der Bedeutung von sauberem Wasser führte durch Maßnahmen der<br />

Isolierung der Kranken und Verbesserung der Wasserversorgung zu einer<br />

starken Abschwächung der Krankheit Ende des 19. Jahrhunderts. Nur noch<br />

in ausgesprochenen Notzeiten rund um die beiden Weltkriege flammte sie<br />

sporadisch wieder auf.<br />

Besondere Angst verbreitete im 19. Jahrhundert in Bayern eine bis dahin<br />

in Europa unbekannte Krankheit, die Cholera. Wie schon beschrieben, wurden<br />

die <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern in ihren Anfangsjahren in München mit<br />

der ersten Choleraepidemie in Bayern konfrontiert.<br />

Ende Juli 1854 brach die Cholera erneut aus und klang erst im Januar des<br />

folgenden Jahres wieder ab. Die Bevölkerung reagierte panischer <strong>als</strong> beim<br />

ersten Ausbruch 1836. Jeder, der es sich leisten konnte, allen voran der Adel,<br />

verließ die Stadt. Als im September vorübergehend die Zahl der Erkrankten<br />

deutlich sank, wurde fälschlicherweise angenommen, die Seuche wäre<br />

schon überstanden. Dies wurde auch der ehemaligen bayerischen Königin<br />

Therese <strong>zum</strong> Verhängnis, die mit<br />

ihrem Mann Ludwig I. zu früh<br />

nach München zurückkehrte,<br />

an Cholera erkrankte und Ende<br />

Oktober starb.<br />

Am immer noch wichtigsten<br />

städtischen Krankenhaus l.d.I.<br />

wurden dam<strong>als</strong> insgesamt 867<br />

Cholerapatienten behandelt. Es<br />

kam zu deutlich weniger Hausinfektionen<br />

<strong>als</strong> 1836, vor allem<br />

in der Abteilung von Dr. Gietl,<br />

der Desinfektionsmaßnahmen<br />

durchführen ließ. 73 Die <strong>Barmherzige</strong>n<br />

Schwestern erhielten<br />

vom Magistrat aufgrund der<br />

ungeheuren Mehrbelastung zwar<br />

sechs Schwestern mehr bewilligt,<br />

waren aber dennoch bis an ihre<br />

Königin<br />

Therese<br />

von Bayern,<br />

1792 – 1854<br />

(Gemälde<br />

von Joseph<br />

Stieler)<br />

137


<strong>Festschrift</strong> der <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern<br />

138<br />

Grenzen belastet. Auch dieses Mal erkrankten wieder mehrere Schwestern.<br />

Zwei davon mussten ihren Dienst mit dem Leben bezahlen. 74<br />

Die Choleraepidemie von 1873/74 sollte noch einmal verheerende Ausmaße<br />

annehmen.<br />

Von über 3000 Erkrankten starben von Juni 1873 bis April 1874 1466<br />

Menschen. 75 Am Krankenhaus l.d.I. wurden 673 Cholerakranke behandelt,<br />

wovon 287 starben. Von den Schwestern infizierten sich nur drei und genasen<br />

glücklicherweise alle wieder. 76 Es ist anzunehmen, dass sie bereits mehr<br />

Vorsichtsmaßnahmen beachteten, um sich selbst vor Ansteckung zu schützen.<br />

Trug eventuell auch die folgende Maßnahme des Magistrats zur Stärkung<br />

ihrer Abwehrkräfte bei? „Die Anstrengungen der Schwestern im Krankenhaus<br />

waren unglaublich groß. Da bald mehrere Cholerafälle vorkamen, wurden einige Säle<br />

zu ebener Erde eigens für diese Kranken eingerichtet, deren Zahl 40 – 50 täglich<br />

belief. Die Pflege der Kranken erforderte die größte Aufmerksamkeit und Sorgfalt.<br />

Der Magistrat wollte die Anstrengungen der Schwestern wenigstens dadurch würdigen,<br />

dass er für jede Schwester, die Wärter etc. täglich ½ Liter Rotwein bewilligte,<br />

was auch auf die Herren im Büro, die Ärzte, Hauskapläne und Portiers ausgedehnt<br />

wurde.“ 77<br />

Das große Problem bei der Bekämpfung der Cholera war die Unwissenheit<br />

und Uneinigkeit der Ärzte untereinander über die Ursachen und<br />

Verbreitungswege dieser Seuche. Der grundsätzliche Streit zwischen Befürwortern<br />

und Gegnern der Theorie, die Cholera sei kontagiös (ansteckend),<br />

konzentrierte sich in den Personen der beiden Gegenspieler von Pettenkofer<br />

und von Gietl.<br />

Man kann sich gut vorstellen, dass der Streit um die Ursachen der Cholera<br />

die in der Pflege tätigen <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern stark verunsicherte<br />

und ihren Dienst noch zusätzlich erschwerte.<br />

Wohl bekomm’s!<br />

Der Hausarzt der Schwestern und zeitweilige<br />

Klinikdirektor des Krankenhauses<br />

l.d.I., Dr. von Gietl, war <strong>als</strong> einer der<br />

wenigen Ärzte davon überzeugt, dass<br />

die Cholerapatienten und ihre Ausscheidungsprodukte<br />

ansteckend seien. Tragischerweise<br />

hatte der Arzt und Hygieniker<br />

Max von Pettenkofer, der weit größeres<br />

Ansehen und Popularität genoss, eine<br />

gegenteilige Meinung. Er entwickelte<br />

seine so genannte Bodentheorie, wonach<br />

Miasmen, nicht genau zu bestimmende<br />

Teilchen, aus dem Boden dringen und die<br />

Luft verseuchen würden, die bei Menschen<br />

mit geeigneter Disposition die<br />

Krankheit auslösen könnten. Die Kranken<br />

selbst und ihre Krankheitsprodukte<br />

hielt er nicht für infektiös. Pettenkofer<br />

und andere berühmte Ärzte wie Lindwurm<br />

und Pfeufer, die sich seiner Meinung<br />

angeschlossen hatten, zogen die<br />

Ansichten Gietls, die erst später durch die<br />

Entdeckung des Choleraerregers durch<br />

Robert Koch bestätigt werden sollten, ins


Dr. Franz X. von Gietl,<br />

königlicher Leibarzt und<br />

fast 50 Jahre (1838 – 1886)<br />

<strong>als</strong> Arzt am Krankenhaus<br />

links der Isar tätig,<br />

war jahrzehntelang der<br />

Hausarzt der Schwestern<br />

(Grabstein auf dem Alten<br />

Südfriedhof).<br />

Erst <strong>als</strong> die Erkenntnisse Pettenkofers ergänzt wurden durch die Erkenntnisse<br />

von Gietls und Kochs konnte eine erfolgreiche Bekämpfung der Cholera<br />

erfolgen. Als endlich die Infektiösität der Cholera ernst genommen<br />

wurde, erfolgten entsprechende Isolier- und Desinfektionsmaßnahmen.<br />

Ergänzend waren aber auch die von Pettenkofer initiierten Maßnahmen,<br />

wie der Aufbau der zentralen Wasserversorgung und der Ausbau der Abwasserkanalisation,<br />

wichtige Voraussetzungen dafür, der Cholera und anderen<br />

Seuchen die Grundlage zu entziehen. So hatte Pettenkofer unbestreitbar<br />

einen großen Anteil daran, dass die Choleraepidemie von 1873/74 in München<br />

die letzte bleiben sollte.<br />

Auch die im Abstand von drei bis vier Jahrzehnten auftretenden gefährlichen<br />

Mutationen des Grippevirus, die Grippeepidemien mit ungewöhn-<br />

Lächerliche. Obwohl die Hausinfektionen<br />

auf Gietls Abteilung durch seine Desinfektionsmaßnahmen<br />

deutlich niedriger<br />

<strong>als</strong> in den anderen Abteilungen des<br />

Krankenhauses l.d.I. waren, wurde seine<br />

Theorie nicht ernst genommen und schadete<br />

seinem Ruf <strong>als</strong> Arzt. Es sprach auch<br />

einiges gegen die Ansteckungstheorie<br />

Gietls. So berichtet Kopp von uns heute<br />

sehr eklig anmutenden Selbstversuchen<br />

einiger Ärzte während der ersten Choleraepidemie<br />

1836: „Selbst die innigste<br />

Berührung mit den Ausleerungsstoffen,<br />

(einige Ärzte überzeugten sich nicht nur<br />

Sondereinsätze in Zeiten von Seuchen und Kriegen<br />

von dem Geruche, sondern auch von dem<br />

Geschmacke derselben), … blieben auf den<br />

moralisch und physisch starken, nicht prädisponierten<br />

Menschen ohne den geringsten<br />

Einfluss.“ 78 Pettenkofer unternahm<br />

später unter großer öffentlicher Anteilnahme<br />

einen ähnlichen Versuch, um<br />

nachzuweisen, dass Cholera nicht allein<br />

durch die von Robert Koch entdeckten<br />

Cholera-Bazillen entsteht. Pettenkofer<br />

trank deshalb ein Glas mit einer frischen<br />

Kultur von 1 cm 3 Cholerabazillen aus,<br />

ohne Schaden zu nehmen. 79<br />

139


<strong>Festschrift</strong> der <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern<br />

Krankenhaus<br />

links<br />

der Isar,<br />

ca. 1910<br />

140<br />

lich hohem Krankenstand und hoher Sterblichkeit zur Folge hatten, führten<br />

zu Spitzenbelastungen für die <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern, vor allem auch in<br />

ihrem größten damaligen Einsatzort, dem Krankenhaus links der Isar. Derartige<br />

Grippewellen werden in der Mutterhauschronik 1864, 1889/90 und<br />

1918 erwähnt: „Die 1890 allgemein herrschende Influenza-Epidemie hat den<br />

Schwestern im Mutterhaus, wie in den Krankenhäusern und Spitälern, eine schwere<br />

Zeit gebracht… Der höchste Stand Influenzakranker an einem Tag waren 1000.“ 80<br />

Da die Kapazität der bestehenden Krankenhäuser für die vielen zusätzlichen<br />

Patienten nicht ausreichte, wurden Aushilfsspitäler eingerichtet, in denen<br />

auch <strong>Barmherzige</strong> Schwestern im Einsatz waren. Ein Teil der Schwestern,<br />

unter ihnen auch Generaloberin Schwester M. Regina, erkrankte. Bei einer<br />

Schwester verlief die Krankheit tödlich.<br />

Noch weit aggressiver scheint der Verlauf der Grippe von 1918 gewesen<br />

zu sein. Wie man heute weiß, starben daran weltweit mindestens 20 Millionen<br />

Menschen. Manche Forscher nehmen sogar an, dass die Zahl der Toten<br />

noch weit höher lag. Auf jeden Fall soll die Zahl der Grippetoten die Zahl<br />

der Toten des 1.Weltkriegs überstiegen haben. Dafür, dass die Auswirkung<br />

der so genannten Spanischen Grippe so verheerend war, hat sie in den zeitgenössischen<br />

Quellen verhältnismäßig wenig Niederschlag gefunden. Auch<br />

im kollektiven Bewusstsein in Deutschland war das Wissen darüber wenig<br />

verankert. Erst seit die medizinische Forschung in den 1990er Jahren das<br />

dam<strong>als</strong> grassierende Virus <strong>als</strong> Mutation eines Vogelgrippevirus identifiziert<br />

und vor erneutem Auftreten eines ähnlich tödlich wirkenden Erregers in<br />

absehbarer Zukunft gewarnt hat, beschäftigt sich eine breitere Öffentlichkeit<br />

mit diesem Phänomen. Zu erklären ist diese Ignoranz wohl aus den


Sondereinsätze in Zeiten von Seuchen und Kriegen<br />

besonderen historischen Begleitumständen. Als die Grippe noch während<br />

des Krieges ausbrach, wurde zunächst die Berichterstattung darüber zensiert,<br />

da der Gegner nicht erfahren sollte, wie die Truppen durch die Krankheit<br />

geschwächt worden waren. Dabei hatte der Erreger ohne Rücksicht auf<br />

Freund oder Feind beide Seiten ähnlich getroffen. Als die Grippe sich nach<br />

Kriegsende im Herbst 1918 mit den heimkehrenden Soldaten bis in den<br />

letzten Winkel Deutschlands ausbreitete, bedeutete sie nur eine Bedrohung<br />

von vielen, denen sich die Menschen in den Revolutionswirren und in den<br />

folgenden, durch wirtschaftliche Not geprägten Zeiten in ihrem Überlebenskampf<br />

ausgesetzt sahen. Der damalige Direktor des Krankenhauses l.d.I.,<br />

Friedrich von Müller, notierte <strong>zum</strong> Verlauf der Spanischen Grippe lediglich:<br />

„Die Rückkehrer aus dem Felde brachten eine schwere Krankheit aus den Schützengräben<br />

mit in die Heimat, eine bösartige Epidemie von Grippe, welche schon zu<br />

Kriegsende in den kämpfenden Heeren unsäglich viele Opfer gefordert hatte, nun<br />

aber auch in der Heimat namentlich bei schwangeren Frauen und alten Leuten verheerende<br />

Verbreitung fand.“ 81 Die Mutterhauschronik erwähnt die Grippe nur<br />

im Zusammenhang mit der in den Kriegs- und ersten Nachkriegsjahren<br />

auch sonst erschreckend hohen Sterblichkeit der Schwestern aufgrund ihrer<br />

völligen Überlastung und wohl auch schlechten Ernährungslage. 1918 sei<br />

mit 56 Kandidatinnen zwar eine erfreulich hohe Zahl an Neuzugängen zu<br />

verzeichnen gewesen, „doch 38 davon erkrankten an schwerer Grippe, 6 starben,<br />

8 mussten in die Heimat zurückgeschickt werden“. 82<br />

Auch in einem Bericht einer Schwester, die im Krieg <strong>als</strong> Begleiterin im<br />

Lazarettzug eingesetzt war, über eine der letzten Fahrten von der Westfront<br />

nach Deutschland im Oktober 1918 wird die Problematik der Grippe kurz<br />

angesprochen: „Ungefähr 60 Schwerverwundete, die übrigen Grippe-krank, meistens<br />

sehr schwer. 1 Mann starb gleich nach dem Einladen./Grippe./“ 83<br />

Im Gegensatz zu der nur sporadisch in so gefährlicher Form wie 1918<br />

auftretenden Grippe mussten sich die Schwestern kontinuierlich einer im 19.<br />

Jahrhundert und noch weit bis ins 20. Jahrhundert weit verbreiteten Krankheit<br />

stellen, der Lungentuberkulose. Die Pflege der Tbc-Kranken ruhte in<br />

München und weiten Teilen Bayerns vielfach auf den Schultern der <strong>Barmherzige</strong>n<br />

Schwestern. Nicht verwunderlich ist deshalb, dass die Schwestern<br />

im Vergleich zu der übrigen Bevölkerung ein überdurchschnittlich hohes<br />

Risiko hatten, selbst an dieser Krankheit zu erkranken. Ihre bedeutendsten<br />

Einsatzorte waren das ursprünglich <strong>als</strong> Erholungskrankenhaus für leichtere<br />

chronische Fälle vom Krankenhausdirektor Ziemssen geplante, dann aber<br />

wegen des hohen Bedarfs <strong>als</strong> Lungensanatorium verwendete Sanatorium in<br />

Harlaching und das Waldsanatorium in Planegg.<br />

Die typische Armutskrankheit Tuberkolose konnte erst in der zweiten<br />

Hälfte des 20. Jahrhunderts durch die Verbesserung der Wohnverhältnisse<br />

141


<strong>Festschrift</strong> der <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern<br />

142<br />

und der Ernährung eingedämmt werden. Durch die besseren Lebensverhältnisse<br />

konnten die Abwehrkräfte der Menschen so weit gestärkt werden,<br />

dass sie die Erreger in Schach halten konnten. So hatte die Krankheit bereits<br />

vor der Entdeckung von wirksamen Medikamenten an Schrecken verloren.<br />

In den 1980er Jahren konnten die Schwestern ihr ordenseigenes Lungensanatorium,<br />

das Waldsanatorium bei Planegg, endgültig schließen und zu<br />

einem Altenheim ausbauen.<br />

9.2. Einsatz der <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern in den<br />

Kriegen 1859, 1866 und 1870/71<br />

War von der Mehrbelastung durch Seuchen eine große Zahl von <strong>Barmherzige</strong>n<br />

Schwestern in den Krankenhäusern betroffen, betraf der Einsatz<br />

in den Kriegen des 19. Jahrhunderts zunächst nur eine relativ kleine Zahl<br />

an Schwestern. 84 Der erste Kriegseinsatz von <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern<br />

erfolgte auf Bitte der damaligen bayerischen Königin Marie im Jahr 1859.<br />

Sie hatte aus Mitleid mit den vielen verwundeten österreichischen Soldaten,<br />

die nach der Niederlage Österreichs gegen Italien und Frankreich in ihre<br />

Heimat zurückkehrten, in Rotholz in Tirol ein Lazarett eingerichtet und<br />

von der Münchner Generaloberin Schwestern für die dortige Pflege erbeten.<br />

Die Ordensoberen kamen der Bitte nach und schickten 15 Schwestern<br />

nach Österreich. Die notdürftig in einem Raum des Lazaretts untergebrachten<br />

Schwestern hatten von Ende Juli bis Ende Oktober 1859 alle<br />

Hände voll zu tun, die insgesamt rund 500 Verwundeten zu versorgen. Der<br />

österreichische Kaiser bedankte sich bei den Schwestern im November mit<br />

einem goldenen Ehrenkreuz.<br />

Diesem ersten Einsatz in Österreich sollte bald ein Einsatz in der Heimat<br />

folgen, <strong>als</strong> im Jahr 1866 mit dem Überfall Preußens auf Hannover, Sachsen<br />

und auch Bayern der blutige deutsch-deutsche Krieg um die Vormachtstellung<br />

in Deutschland zwischen Österreich und Preußen begann. Die königliche<br />

Stadtkommandatur von München ließ Anfang Juli 1866 über das<br />

Ordinariat beim Superior anfragen, wie viele <strong>Barmherzige</strong> Schwestern für<br />

den Einsatz in Lazaretten freigestellt werden könnten. Obwohl die Schwestern<br />

wie immer in den Krankenhäusern voll ausgelastet waren, erklärte sich<br />

die Ordensleitung bereit, 20 Schwestern zur Verfügung zu stellen. Vereinbart<br />

wurde, dass pro Lazarett nur zwei bis drei Schwestern und diese ausschließlich<br />

für die Krankenpflege eingesetzt werden sollten. Für die übrigen Arbeiten<br />

sollten weltliche Kräfte angestellt werden. Die Pflege sollte außer Kost,<br />

Logis und Reisekostenerstattung unentgeltlich von den Schwestern geleistet<br />

werden. Von Juli bis September, teilweise sogar bis November, waren


Spital im Paradiesgarten<br />

(1871): Königin-Mutter<br />

Marie, die<br />

Schwestern M. Magrina<br />

Gramerl und M. Luitpolda<br />

Ziegerer, Gräfin<br />

Fugger, Schwester M.<br />

Pionia Leidl, Gräfin<br />

Pocci, Schwester M.<br />

Waltrudis Späth, Graf<br />

von Pappenheim und<br />

Schwester M. Jakobina<br />

Berger (von links)<br />

Sondereinsätze in Zeiten von Seuchen und Kriegen<br />

diese Schwestern nun in verschiedenen Lazaretten tätig. So versorgten sie<br />

beispielsweise die Militärspitäler in Lichtenfels, Bamberg und Aschaffenburg,<br />

aber auch die auf Privatinitiative des Königs und der Königin-Mutter in<br />

München im späteren Maximilianeum bzw. im Schloss Fürstenried eingerichteten<br />

Lazarette. Auch Graf Arco-Valley ließ <strong>Barmherzige</strong> Schwestern<br />

zur Pflege Verwundeter in sein Schloss Valley bei Holzkirchen kommen.<br />

Neben den 20 speziell für den Lazarettdienst abgestellten Schwestern<br />

waren zusätzlich noch weitere <strong>Barmherzige</strong> Schwestern mit der Pflege von<br />

verwundeten Soldaten beschäftigt, da ein Teil der Soldaten, meist leichter<br />

verwundete und somit transportable Patienten, auch in einige der von den<br />

Schwestern geführten regulären Krankenhäuser verlegt wurden.<br />

Kaum vier Jahre nach dem deutsch-deutschen Krieg zog Bayern im Juli<br />

1870 an der Seite seines früheren Gegners Preußen in den Krieg gegen Frankreich.<br />

Die Mutterhauschronik spricht von dem Widerwillen der Schwestern<br />

gegen diesen den Bayern von Preußen aufgezwungenen Krieg. Die Stimmung<br />

im Mutterhaus war symptomatisch für einen großen, <strong>zum</strong>indest den<br />

konservativen Teil der bayerischen Bevölkerung, der sich keinerlei Vorteile<br />

von diesem Krieg versprach. Nicht ganz zu Unrecht, wie sich zeigen sollte,<br />

da der Ausgang des Krieges schließlich zur Reichsbildung und <strong>zum</strong> weitgehenden<br />

Verlust der Souveränität für das Königreich Bayern führte. Auch<br />

diesmal trat der Staat schon früh an den Orden heran, Schwestern für die<br />

Versorgung der verwundeten Soldaten zur Verfügung zu stellen. Wie schon<br />

im vorausgegangenen Krieg versorgten die <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern<br />

in einer Reihe ihrer regulären Niederlassungen Verwundete und stellten<br />

zudem wieder Schwestern für eigens dafür eingerichtete Spitäler. So übernahmen<br />

sie wieder die Pflege im königlichen Spital in Neuberghausen, das<br />

sich der König und der Georg-Ritter-Orden <strong>als</strong> Träger teilten. Auch die<br />

143


<strong>Festschrift</strong> der <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern<br />

144<br />

Verwundeten im von der Königin-Mutter im so genannten Paradiesgarten<br />

am Englischen Garten eingerichteten Lazarett wurden von <strong>Barmherzige</strong>n<br />

Schwestern gepflegt. Für einige Wochen richtete die Kongregation selbst<br />

ein kleines Lazarett in ihrem Noviziatshaus in Berg am Laim ein, bis die<br />

Räume wieder für Novizinnen gebraucht wurden.<br />

Da durch die militärische Überlegenheit der Deutschen die Kriegshandlungen<br />

bald nur noch auf französischem Boden stattfanden, mussten die<br />

Verwundeten mit der Eisenbahn in die deutschen Lazarette transportiert<br />

werden. Für die Begleitung dieser Spitalzüge wurden ebenfalls <strong>Barmherzige</strong><br />

Schwestern angefordert. Die Ordensleitung stellte bis zu 8 Schwestern<br />

für diese Aufgabe frei. Von Mitte August bis Mitte September wurden<br />

von Bayern insgesamt 36 derartige Fahrten organisiert. An 12 der Fahrten<br />

waren jeweils dieselben 6 bis 8 Schwestern beteiligt. Dabei hatten sie insgesamt<br />

2590 Verletzte zu betreuen und waren insgesamt 135 Tage im Einsatz.<br />

Man kann sich vorstellen, welche Anforderungen die meist sehr jungen<br />

Schwestern meistern mussten. War sicher schon die lange Anreise quer<br />

durch Deutschland und teilweise weit in feindliches Gebiet anstrengend<br />

und aufregend, wie mag erst die Heimreise mit den vielen Verwundeten,<br />

die nur notdürftig versorgt und auch gegen Kälte nur notdürftig geschützt<br />

werden konnten, physisch und psychisch belastend gewesen sein? Schwer<br />

erschüttert waren sie, <strong>als</strong> sie bei einer ihrer Fahrten einen Aufenthalt in<br />

Straßburg dazu nutzten, ihre Mitschwestern im Stammmutterhaus in Straßburg<br />

zu besuchen und dort die Verwüstungen sahen, die die deutsche Belagerung<br />

Straßburgs hinterlassen hatte. Zu dieser Situation ist auch ein bewegender<br />

Brief der Straßburger Generaloberin Schwester Marie Angélique<br />

Arth (1868 – 1881) vom Oktober 1870 an die Münchner Generaloberin<br />

Operationswagen<br />

eines<br />

Königlich<br />

Bayerischen<br />

Lazarettzuges


Sondereinsätze in Zeiten von Seuchen und Kriegen<br />

erhalten: „Der gütige Gott vergelte Ihnen die warme Teilnahme, welche Sie für Ihre<br />

bedrängten Mitschwestern in Straßburg haben… Wir haben Vieles gelitten, vielgeliebte<br />

Mitschwester, aber das Vertrauen auf den Herrn hat uns, Ihm sei Dank keinen<br />

Augenblick verlassen. Unser Mutterhaus, Allerheiligen, ist <strong>zum</strong> Dritteil eine Ruine<br />

durch den beständigen Regen von Granaten und Bomben, der unser unglückliches<br />

Stadtviertel getroffen, die schöne Kapelle ist für lange Zeit unbrauchbar geworden…<br />

Doch wurden wir durch Gottes besonderen Schutz und die Wachsamkeit unserer<br />

Leute vom Feuer bewahrt, welches die ganze umliegende Vorstadt verwüstet. Zwei<br />

und vierzig Tage und Nächte kamen wir nicht aus den Kleidern und verrichteten<br />

unsere Schuldigkeiten in beständiger Todesgefahr. Aus ganzer Seele, mit vereinten<br />

Kräften wollen wir um den ersehnten Frieden beten, damit so vielem Blutvergießen<br />

und herzbrechendem Unglücke der Familien und Länder, endlich Einhalt geschehe.“<br />

85 Die Straßburger Schwestern hatten während der Belagerung und<br />

Bombardierung Kranke, Pfründner und Flüchtlinge aus der Stadt in ihrem<br />

Keller untergebracht und zu versorgen. Groß war die Angst, bei Feuer nicht<br />

alle retten zu können. Vier Schwestern wurden verletzt, zwei davon tödlich.<br />

Angesichts der Leiden der Straßburger Mitschwestern und der Gefahren,<br />

denen die Schwestern bei der Begleitung der Spitalzüge ausgesetzt waren,<br />

war die Erleichterung im Mutterhaus groß, dass alle Münchner Schwestern<br />

den Krieg heil überstanden. Für ihren Einsatz in der Soldatenpflege lehnte<br />

die Ordensleitung auch dieses Mal strikt jegliche Entlohnung ab. Die bayerische<br />

und die neue deutsche Reichsregierung ließen es sich jedoch nicht<br />

nehmen, den Schwestern ihre Anerkennung auszusprechen. So erhielten<br />

die <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern nach Kriegsende sowohl das Bayerische Verdienstkreuz<br />

<strong>als</strong> auch das „Verdienstkreuz für Frauen und Jungfrauen wegen<br />

hervorragender Dienste in den Kriegsjahren 1870/71“, das ihnen Kaiserin<br />

Augusta, die Frau des ersten deutschen Kaisers des neuen deutschen Reiches,<br />

zu dem nun auch Bayern gehörte, zukommen ließ. Königin-Mutter Marie<br />

dankte den Schwestern für ihren Einsatz im Lazarett Paradiesgarten mit<br />

einem Porträt ihres verstorbenen Mannes König Maximilian II. Dieses<br />

Ölbild mit einem wertvollen Goldrahmen erhielt zusammen mit dem Porträt<br />

der Königinmutter, das sie den Schwestern bereits 1866 für ihren Dienst<br />

im Fürstenrieder Spital geschenkt hatte, einen Ehrenplatz im Mutterhaus.<br />

9.3. Die Schwestern im Ersten Weltkrieg (1914 – 1918)<br />

Auch im 1. Weltkrieg war der Einsatz der Schwestern gefragt. Wieder hatten<br />

sie Verwundete in ihren regulären Krankenhäusern und in eigens dafür eingerichteten<br />

Lazaretten zu pflegen. Insgesamt waren dabei über 300 Schwestern<br />

in der Heimat im Einsatz. Auch für die Begleitung von Lazarettzügen<br />

145


<strong>Festschrift</strong> der <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern<br />

146<br />

Holzkoffer<br />

der <strong>Barmherzige</strong>n<br />

Schwestern<br />

bei ihrem<br />

Kriegseinsatz<br />

im<br />

Ersten<br />

Weltkrieg<br />

wurden wieder Schwestern zur Verfügung gestellt. Neu hinzu kam in diesem<br />

Krieg, dass neben den Heimatlazaretten auch Lazarette direkt hinter der<br />

Front errichtet wurden. In diesen Etappenlazaretten, überwiegend an der<br />

Westfront in Belgien und Frankreich, in den Jahren 1915 und 1916 auch an<br />

der Ostfront in Ungarn und Serbien, waren während des gesamten Krieges<br />

bis zu 70 Münchner <strong>Barmherzige</strong> Schwestern tätig. 86 Die im Mutterhausarchiv<br />

verwahrten Kriegstagebücher einiger dieser Schwestern geben einen<br />

aufschlussreichen Einblick in ihren strapaziösen Kriegsalltag. Sie zeigen aber<br />

auch, wie sich im Verlauf des Krieges die Einstellung der Schwestern zu<br />

diesem Krieg grundlegend gewandelt hat.<br />

Ganz anders <strong>als</strong> im Krieg von 1870/71 war bei Kriegsbeginn 1914 auch<br />

in Bayern die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung von geradezu<br />

enthusiastischer Kriegsbegeisterung. Dieses Phänomen hatte mehrere Ursachen.<br />

Zum einen wussten nach über 40 Jahren Frieden in Deutschland viele<br />

junge Menschen nicht mehr aus eigener Anschauung, was ein Krieg in der<br />

Realität bedeutete. Zum anderen beruhte das Selbstbewusstsein des neuen<br />

deutschen Reiches zu einem nicht geringen Teil auf dem Gefühl der militärischen<br />

Überlegenheit gegenüber seinen Nachbarstaaten. Der seit Jahrzehnten<br />

vorherrschende Militarismus mit der Überhöhung und übertriebenen<br />

Hochschätzung alles Militärischen, vor allem unter dem amtierenden<br />

deutschen Kaiser Wilhelm II., trug seine Früchte 1914 in der weitgehenden<br />

Akzeptanz des Krieges. Auch die Schwestern hatten sich <strong>als</strong> Kinder ihrer<br />

Zeit davon anstecken lassen. So notierte die Novizenmeisterin des Ordens,<br />

Schwester M. Alma Mack, die während des gesamten Krieges in Etappenlazaretten<br />

unmittelbar hinter der Front eingesetzt war, zu dem Aufbruch<br />

der Schwestern in Richtung Dieuze in Frankreich am 1. September 1914:


Ein Reservelazarett<br />

im Ersten<br />

Weltkrieg<br />

Sondereinsätze in Zeiten von Seuchen und Kriegen<br />

„Freudigen Herzens, voll Begeisterung verließen wir 27 Schwestern in Begleitung<br />

der lb. Ehrw. Vorgesetzten das lb. Mutterhaus und begaben uns <strong>zum</strong> Bahnhof…<br />

Unser Zug ist ein Extrazug für Sanitätspersonal, Ärzte, Schwestern verschiedener<br />

Orden und Sanitäter… Die Türen der Wagen schließen sich und fort geht es in<br />

raschem Tempo unter fortwährenden Abschiedsgrüßen und Tücherschwung.“ 87<br />

Konfrontiert mit der grausamen Realität änderte sich bald der Tenor der<br />

Berichte. Die anfängliche Begeisterung wich der Ernüchterung und immer<br />

mehr der Überzeugung, dass der Krieg sinnlos war. Besonders bedrückend<br />

sind die Eintragungen Schwester M. Almas aus dem letzten Kriegsjahr. Im<br />

Juni 1918 wurde ein Teil der Schwestern unter ihrer Leitung in das ehemalige<br />

französische Barackenlazarett in Vasseny bei Soissons verlegt. Die von<br />

Schwester M. Alma auf dem Weg <strong>zum</strong> neuen Einsatzort auf einem verlassenen<br />

Schlachtfeld gemachten Beobachtungen sind kaum wiederzugeben:<br />

„Es war schrecklich anzusehen diese Granatlöcher. Teile von Menschen, halbvermoderte<br />

Füße in den Strümpfen und Schuhen lagen umher, Helme, in denen die<br />

Kopfhaut mit dem Haar halbverwest hing.“<br />

Als die tief erschütterten Schwestern endlich in Vasseny ankamen, wurden<br />

sie in einer Baracke ohne Fußboden untergebracht, in Betten, die<br />

noch voller Blut und Schmutz von den vorher dort untergebrachten französischen<br />

Verwundeten waren. „Für wie viele sterbende Franzosen werden sie<br />

schon benützt worden sein?“ Trotz ihrer Erschöpfung war wegen der feindlichen<br />

Flieger und der vielen Ratten in der Baracke kaum an Schlaf zu<br />

denken. Doch auf ihre eigenen Bedürfnisse und Befindlichkeiten durften<br />

die <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern keine Rücksicht nehmen. Auch unter diesen<br />

widrigen Umständen mussten sie ihre Arbeit machen und die Verwundeten<br />

versorgen, die schon auf ihre Hilfe warteten. Und das wurden immer<br />

147


<strong>Festschrift</strong> der <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern<br />

148<br />

mehr: „Der Krieg wird immer grausamer… So viel und so schwer Verwundete<br />

hatten wir noch nie wie hier.“ Nicht nur physisch gelangten die Schwestern<br />

bei der Soldatenpflege an ihre Grenzen, sondern auch psychisch. Schwester<br />

Alma beschreibt, wie schwer es den mitfühlenden Schwestern fiel, wenn sie<br />

aus medizinischen Gründen Verwundeten mit schweren Bauchverletzungen<br />

den so sehr ersehnten Schluck Wasser verweigern mussten.<br />

Wie erschütterte sie das Sterben der vielen „Familienväter, wenn sie immer<br />

nach Frau und Kindern rufen“, die den Schwestern klagten, sie müssten ihre<br />

kleinen Kinder unversorgt zurücklassen. Wie sehr empfanden sie die Sinnlosigkeit<br />

des Sterbens der vielen „jungen 17 oder 18 <strong>jährigen</strong> noch fast Kinder“,<br />

die sich sterbend nur nach der Mutter sehnten. Die <strong>Barmherzige</strong>n<br />

Schwestern versuchten den Sterbenden beizustehen, ihnen etwas Trost und<br />

Geborgenheit zu geben. Erleichtert wurde den Schwestern ihre Arbeit nur<br />

durch die Tatsache, dass die Soldaten sehr dankbar waren für ihre Anteilnahme<br />

und Hilfe.<br />

Von den Münchner <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern waren sicher die rund<br />

70 Schwestern, die in den Etappenlazaretten und bei der Zugbegleitung<br />

eingesetzt waren, in ganz besonderem Maße gefordert. Aber weit mehr <strong>als</strong><br />

in den vorhergegangenen Kriegen war die gesamte Kongregation in Mitleidenschaft<br />

gezogen. Mit 300 Schwestern war die Zahl der Schwestern, die in<br />

den Heimatlazaretten für die Verwundetenpflege abgestellt werden mussten,<br />

erheblich höher <strong>als</strong> früher. Wie die übrige Zivilbevölkerung hatten auch die<br />

Schwestern unter der schlechten Versorgungslage zu leiden.<br />

Ein Badezimmer <strong>als</strong> Notkapelle<br />

Wie an allen ihren Einsatzorten legten<br />

die Schwestern selbst in dieser Hölle<br />

der Etappenlazarette Wert darauf, dass<br />

ihnen Zeit und Raum für Gebet und<br />

Gottesdienst blieb. Dabei erwiesen sie<br />

sich <strong>als</strong> äußerst einfallsreich: „Wir fanden<br />

aber keinen anderen Raum, <strong>als</strong> einen<br />

Baderaum, den haben wir sauber hergerichtet,<br />

die Badewanne konnte man<br />

nicht hinaustun, weils angeschmiedet<br />

war. Wir taten einen Tisch hinein mit<br />

weißem Tuch, und so richtete H.H. Kanonikus<br />

seinen Feldaltar, und so hatten<br />

wir dann täglich hl. Messe und auch hl.<br />

Kommunion.“ 88<br />

Die Ordensoberen sorgten sich ebenfalls<br />

um das leibliche und geistliche<br />

Wohl ihrer Schwestern an der Front. Als<br />

der Ordenssuperior, Prälat Pfaffenbüchler,<br />

die Schwestern in Cambrai besuchte,<br />

wo die Schwestern von Oktober 1914 bis<br />

September 1915 im Einsatz waren, sorgte<br />

er dafür, dass sie Bettgestelle bekamen<br />

und somit nicht länger nur auf Matratzen<br />

am Boden liegen mussten. Für die<br />

Kapelle organisierte er Sitzbänke, um<br />

ihnen das Knien auf dem Boden zu<br />

ersparen. Bei einem weiteren Besuch<br />

war er voll Mitleid und zugleich Bewunderung<br />

für die Schwestern, die den<br />

feindlichen Dauerbeschuss gelassen<br />

hinnahmen. Er selbst gestand, es nicht<br />

länger ertragen zu können und reiste<br />

bereits nach zwei Tagen wieder ab.


Ordenslazarett<br />

in<br />

Adelholzen<br />

im Ersten<br />

Weltkrieg<br />

Sondereinsätze in Zeiten von Seuchen und Kriegen<br />

Der lange dauernde Krieg hatte für die Kongregation auch negative<br />

wirtschaftliche Folgen. Schon kurz nach Kriegsbeginn war in dem seit 1907<br />

im Besitz des Ordens befindlichen Kurbad Adelholzen ein Lazarett eingerichtet<br />

worden. Im Verlauf des Krieges verlagerte sich der Schwerpunkt in<br />

Adelholzen immer mehr vom Kur- <strong>zum</strong> Lazarettbetrieb. Mit den Kurgästen<br />

blieben aber auch die Einnahmen aus. Zudem wurde durch den Krieg der<br />

Vertrieb des Heilwassers erschwert, was zusätzliche Einnahmeverluste bedeutete.<br />

Während die Schwestern dem Mangel an Petroleum und Kerzen noch<br />

mit der zukunftsweisenden Einrichtung der Elektrizität im Mutterhaus im<br />

Jahr 1915 begegnet waren, konnten sie dem Opfer ihrer Kirchenglocken<br />

für die Metallsammlungen nichts Positives abgewinnen. Im November 1917<br />

kam das Kriegsgeschehen bis nach München, <strong>als</strong> ein feindliches Flugzeug<br />

7 Bomben über München abwarf. Dieser Luftangriff, nur ein kleiner Vorbote<br />

des nächsten Weltkrieges, richtete glücklicherweise keine größeren Schäden<br />

an, trug aber zur weiteren Demoralisierung der Zivilbevölkerung bei.<br />

Nach all dem Leid, das dieser Krieg gebracht hatte, überwog die Erleichterung<br />

bei den Schwestern, <strong>als</strong> er endlich im November 1918 zu Ende ging,<br />

auch wenn die Niederlage dem Frieden einen etwas bitteren Beigeschmack<br />

gab und die Revolution die Schwestern beunruhigte. Endlich konnten die<br />

Schwestern aus der Etappe zurückkehren. Schwester M. Magdalena Barnickel<br />

berichtet von dieser Heimfahrt: „Im Zug war kein einziges Fenster<br />

ganz, alle durchgeschossen. Links und rechts vom Zug waren rote Fähnchen hingesteckt<br />

<strong>zum</strong> Zeichen, dass der Krieg verloren ist und Revolution ist … Ganzer<br />

Zug überfüllt mit Soldaten, man durfte nicht einmal aussteigen, sehr kalt, sie haben<br />

mit Papier die Fenster zugehängt, weil es so gezogen hat … Mehrere <strong>Barmherzige</strong><br />

Schwestern fingen an zu kränkeln.“ 89<br />

149


<strong>Festschrift</strong> der <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern<br />

150<br />

Als sie nach tagelanger, strapaziöser Fahrt endlich am 18. November am<br />

Münchner Hauptbahnhof ankamen, stand ihnen noch eine letzte Aufregung<br />

bevor. Die müden, hungrigen und durstigen Schwestern, die sich nur noch<br />

nach ihren Mitschwestern im nahen Mutterhaus sehnten, durften zu ihrem<br />

Entsetzen den Zug nicht verlassen. Stundenlang warteten sie im Bahnhof,<br />

ohne zu erfahren, was mit ihnen geschehen sollte. Auch <strong>als</strong> der Zug am<br />

Nachmittag Richtung Starnberger See weiterfuhr, wurden die Schwestern<br />

immer noch im Unklaren über ihr weiteres Schicksal gelassen. In Bernried<br />

am Starnberger See wurden sie endlich zusammen mit den mitreisenden<br />

Soldaten offiziell aus dem Wehrdienst entlassen. Mit dem nächsten Zug<br />

durften sie nach München zurückkehren, wo ihre Mitschwestern sie bereits<br />

voll Sorge erwarteten.<br />

9.4. Revolution und Inflation<br />

Die Erleichterung der Schwestern über die Beendigung des sinnlosen Blutvergießens<br />

des 1. Weltkrieges wurde bald von den revolutionären Begleitumständen<br />

des Kriegsendes überschattet. Die Revolution in Bayern vom 7.<br />

November 1918 erschütterte die Welt der Schwestern in ihren Grundfesten.<br />

Seit ihrer Gründung hatten die Münchner <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern die<br />

Loyalität <strong>zum</strong> Königshaus immer äußerst hoch gehalten. Nun mussten sie<br />

mit ansehen, wie der letzte bayerische König, Ludwig III., mit seiner schwerkranken<br />

Frau, Königin Maria-Theresia, fliehen musste. Der Untergang der<br />

bayerischen Monarchie bedeutete für die Schwestern auch den Verlust ihrer<br />

alten Welt. Doch auch in dieser Situation hielten die Schwestern den Wittelsbachern<br />

die Treue. So übernahm eine <strong>Barmherzige</strong> Schwester die Pflege<br />

der schwerkranken Königin an ihrem Zufluchtsort Schloss Wildenwarth bis<br />

zu deren Tod am 3. Februar 1919. 90<br />

Zu dem großen Bedauern, das die Schwestern über das Ende der<br />

Königsherrschaft empfanden, kam die Sorge, wie es weitergehen würde.<br />

Würde der Orden auch unter den neuen Machtverhältnissen weiter existieren<br />

können? Für die neu gegründete Bayerische Volkspartei empfanden die<br />

Ordensschwestern gewisse Sympathien, aber noch war nicht klar, welche<br />

politischen Kräfte sich durchsetzen würden. Ihre größten Befürchtungen<br />

schienen sich zu bestätigen, <strong>als</strong> nach der Ermordung Kurt Eisners eine weitere<br />

Radikalisierung einsetzte und am 7. April 1919 die USPD die Münchner<br />

Räterepublik ausrief, woraufhin die im Januar neu gewählte gemäßigte<br />

SPD-Regierung unter Hofmann nach Bamberg floh. Die Spartakisten<br />

machten den Schwestern das Leben schwer. Zweimal durchsuchten sie das<br />

Postulatsgebäude nach Lebensmitteln, Geld und verbotenen Schriften, die


Ludwig III. von<br />

Bayern, 1845 – 1921<br />

(Ölgemälde im<br />

Mutterhaus)<br />

Sondereinsätze in Zeiten von Seuchen und Kriegen<br />

die Schwestern angeblich an die Bevölkerung verteilt hätten. Als die Weißen<br />

Garden der Regierung Hofmann am 1. Mai in München einmarschierten<br />

und sich tagelang mit der Roten Armee der Räteregierung Straßenkämpfe<br />

lieferten, blieben auch die Schwestern nicht unbehelligt. Schüsse schlugen<br />

im Postulatsgebäude in der Blumenstraße ein. Im Martinsspital in Giesing<br />

wurde sogar der Ärmel einer der Schwestern von einem Geschoss durchlöchert,<br />

glücklicherweise ohne sie zu verletzen. Besonders schlimm war der<br />

Beschuss des Nußbaumpavillons: „Der Korridor des Nußbaumpavillons ist<br />

gegen die Nußbaumstraße gerichtet und in den bösen Wochen der kommunistischen<br />

Revolution wurden die Krankenzimmer unter heftiges Feuer gelegt durch ein in der<br />

Schillerstraße aufgestelltes Maschinengewehr, dessen Geschosse durch die Gangfenster<br />

und Zimmertüren durchschlugen. Die Schwestern konnten tagelang nur gebückt<br />

oder kniend ihre Kranken betreuen.“ 91<br />

Bei dem Kampf um München kamen mehr <strong>als</strong> 600 Menschen ums Leben,<br />

darunter etwa 150 Angehörige der regierungstreuen Truppen. Von den weiteren<br />

ca. 450 Toten waren bei weitem nicht alle Angehörige der Roten<br />

Armee, sondern sehr viele unbeteiligte Zivilisten. 92 Die siegreichen Weißen<br />

Garden nahmen blutige Rache an ihren Gegnern. Durch standrechtliche<br />

Erschießungen ermordeten sie in den ersten Tagen 252 Menschen, Revolutionäre<br />

und solche, die sie irrtümlich dafür hielten. 93<br />

Die Begeisterung der Schwestern über die zunächst <strong>als</strong> Befreier begrüßten<br />

Weißen Garden hielt sich in Grenzen. Viele Wochen mussten sie Einquartierungen<br />

von Soldaten in Kauf nehmen.<br />

Die Revolutionswirren brachten auch Einschränkungen für das klösterliche<br />

Leben mit sich. Oft mussten Konvente tagelang auf die Messfeier verzichten.<br />

Kandidatinnen konnten wegen der Einstellung des Bahnverkehrs<br />

151


<strong>Festschrift</strong> der <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern<br />

152<br />

erst Ende Mai in die Kongregation eintreten. In München konnte die große<br />

Fronleichnamsprozession im Revolutionsjahr 1919 nicht stattfinden. Allerdings<br />

erhielten die <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern vom Ordinariat die Erlaubnis,<br />

<strong>als</strong> Ersatz eine eigene Prozession im Bereich ihrer Mutterhaus-Arkaden<br />

abzuhalten.<br />

Nicht nur die politischen Unruhen, sondern auch die große wirtschaftliche<br />

Not erschwerte das Leben der ersten Nachkriegsjahre. Die Lebensmittelknappheit<br />

war durch Revolution und schlechte Ernten fast noch größer<br />

<strong>als</strong> zu Kriegszeiten. Von der schlechten Ernährungslage waren die <strong>Barmherzige</strong>n<br />

Schwestern nicht nur direkt, sondern auch indirekt betroffen, da<br />

sich die Mangelernährung der Bevölkerung an der steigenden Zahl von<br />

Kranken in den Krankenhäusern bemerkbar machte. Vor allem die Zahl der<br />

Tuberkulosekranken und deren Sterblichkeit stiegen stark an.<br />

In dieser Zeit erwies es sich <strong>als</strong> Segen, nicht nur für die Schwestern selbst,<br />

sondern vor allem auch für die Krankenhäuser in den Städten, dass die Kongregation<br />

an zahlreichen Niederlassungen eigene kleine Landwirtschaften<br />

betrieb. So berichtete Krankenhausdirektor Müller vom Krankenhaus l.d.I.<br />

aus dieser Zeit: „Die Einrichtung, dass die Küche den Ordensschwestern anvertraut<br />

war, hat sich namentlich während der Hungersnot der Kriegsjahre und Revolution<br />

sehr bewährt. Durch ihre Verbindungen mit ländlichen Kreisen konnten die<br />

Ordensschwestern immer wieder die notwendigen Nahrungsmittel für die Patienten<br />

herbeischaffen.“ 94<br />

Die Inflation der Jahre 1922/23 machte auch den <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern<br />

große Probleme. Die Gehälter, die für die Schwestern von den Krankenhäusern<br />

an das Mutterhaus bezahlt wurden, verloren, bis sie im Mutterhaus<br />

eintrafen, so an Wert, dass kaum noch etwas dafür gekauft werden<br />

konnte.<br />

Trotz aller Sparsamkeit waren aber manche Ausgaben unumgänglich, z. B.<br />

für die Kleidung der Novizinnen oder die Flaschen für die Füllerei des<br />

Brunnenbetriebs in Adelholzen. So berichtet die Mutterhauschronik aus<br />

dem Jahr 1922: „Die Teuerung brachte im Mutterhaus, das ständig mit doppeltem<br />

Noviziat bevölkert war, sorgenschwere Tage. Allmählich gingen Stoff und Leinwand<br />

Galgenhumor in der Inflationszeit<br />

„In der versprochnen Zeit<br />

sind wir gekommen allzu weit.<br />

Ein jeder ist jetzt Millionär.<br />

Wenn’s nur nicht lauter Schwindel wär!“<br />

Notiz auf einer Banknote zu 500.000 Mark<br />

im August 1923/Mutterhauschronik S. 123


Sondereinsätze in Zeiten von Seuchen und Kriegen<br />

aus: 1 m Tuch 900 Mark, 1 m Leinwand 200 Mark. Da war eine Einkleidung<br />

eine große Ausgabe… Im Dezember 1922 kostete 1 m Halbleinen 2.400 Mark,<br />

eine leere Adelholzener Flasche 100 Mark!“ 95<br />

Für manches der von den Schwestern geleiteten Krankenhäuser war die<br />

Inflation auch deswegen ein großes Problem, weil früher zu ihren Gunsten<br />

gemachte Stiftungen wertlos wurden. Besonders betroffen davon war das<br />

Krankenhaus links der Isar mit seiner Krankenhausstiftung. Die Mutterhauschronik<br />

berichtet, dass auf dem Höhepunkt der Inflation im Herbst<br />

1923 Einkaufen mit Geld unmöglich war, da es niemand mehr annehmen<br />

wollte. Stattdessen wurde sogar in den Krankenhäusern mit Naturalien wie<br />

Butter, Eiern und Fleisch abgerechnet.<br />

Buchstäblich über Nacht kam am 21. November 1923 mit der Einführung<br />

der Rentenmark endlich das Ende dieser irrwitzigen Zeit. Der Wert<br />

einer Rentenmark entsprach 1 Billion des Inflationsgeldes. Nun ging es<br />

wieder aufwärts und auch für die <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern brachen die<br />

„goldenen Zwanziger Jahre“ an.<br />

*<br />

153


154<br />

Kapitel 10<br />

Blütezeit des Ordens zu<br />

Beginn des 20. Jahrhunderts<br />

10.1. Großer Aufschwung um die Jahrhundertwende<br />

Trotz all der Widrigkeiten, die der 1. Weltkrieg, die Revolutionszeiten und<br />

die Not der Nachkriegs- und Inflationsjahre mit sich brachten, befand sich<br />

der Orden in den ersten drei Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts auf dem<br />

Höhepunkt seiner Entwicklung. Seit der Gründung im Jahr 1832 waren bis<br />

1870 sowohl die Zahl der Niederlassungen <strong>als</strong> auch die Zahl der Mitglieder<br />

kontinuierlich angewachsen. Von 1870 bis 1895 trat eine gewisse Stagnation<br />

ein, was die Übernahme von weiteren Einrichtungen anbelangte. 96<br />

Eine denkbare Ursache für diese Verzögerung des weiteren Aufschwungs<br />

könnte der rauere politische Gegenwind gewesen sein, den die Kongregation<br />

während des Kulturkampfes zu spüren bekam. Der spätere Superior Hiller<br />

machte in seinen Chronikaufzeichnungen am Beginn des 20. Jahrhunderts<br />

allerdings noch eine weitere Ursache aus, nämlich die in seinen Augen<br />

allzu lange Amtszeit der Generaloberin Schwester M. Regina Hurler. 97 Das<br />

Urteil Hillers ist jedoch mit Vorsicht zu genießen. Er scheint eine schwierige<br />

Persönlichkeit gewesen zu sein, die überall aneckte, was schließlich das<br />

Ordinariat 1914 dazu veranlasste, ihn zur Resignation zu bewegen. Auch<br />

scheint er von den Führungsqualitäten von Frauen grundsätzlich nicht viel<br />

gehalten zu haben. Dennoch ist die Tatsache nicht von der Hand zu weisen,<br />

dass einem Zuwachs von fast 60 Niederlassungen in den ersten beiden Jahrzehnten<br />

der Amtszeit der Generaloberin Schwester M. Regina, nur sechs<br />

Übernahmen in den letzten beiden Jahrzehnten gegenüberstehen. Denkbar<br />

wäre <strong>als</strong>o schon, dass zur Stagnation in dieser Zeit möglicherweise auch eine<br />

gewisse Tendenz der älter gewordenen Generaloberin beigetragen hat, die<br />

Kongregation nicht weiter wachsen zu lassen, sondern lieber zu konsolidieren.<br />

Ist mit zunehmendem Alter der Generaloberin eventuell der Schwung<br />

und Mut der Anfangsjahre dem Streben nach Sicherung des Bestehenden


Blütezeit des Ordens zu Beginn des 20. Jahrhunderts<br />

gewichen? Auch das bischöfliche Ordinariat scheint die extrem lange Amtszeit<br />

der Generaloberin <strong>als</strong> etwas problematisch eingestuft zu haben, wie die<br />

1895 erfolgten Modifikationen der Statuten zur zeitlichen Beschränkung<br />

der Amtszeit zeigen.<br />

Der Vorwurf Hillers, die Ordensleitung hätte den Aufschwung zunächst<br />

verschlafen, ist nicht ganz von der Hand zu weisen. Schon in den 1880er<br />

Jahren setzte ein Boom in der Krankenhauslandschaft ein, von dem allerdings<br />

zunächst Mallersdorfer Schwestern und Rotkreuzschwestern weit<br />

mehr profitierten. Bei den <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern ist der Aufschwung in<br />

Bezug auf den Zuwachs an Niederlassungen erst ab 1895, nach der Resignation<br />

der lang<strong>jährigen</strong> Generaloberin, festzustellen. Gerechtigkeitshalber sei<br />

jedoch erwähnt, dass der höhere Mitgliederzuwachs schon vorher einsetzte.<br />

Dass sich dieser nicht zugleich in der Übernahme neuer Filialen widerspiegelte,<br />

mag auch daran gelegen haben, dass die Kongregation in München<br />

mit den beiden Krankenhäusern links und rechts der Isar und der neuen<br />

chirurgischen Klinik sehr große Krankenhäuser zu versorgen hatte, die<br />

wegen der anhaltenden Ausdifferenzierung von Spezialabteilungen einen<br />

stetig steigenden Bedarf an Pflegekräften hatten, dem das Mutterhaus nachzukommen<br />

hatte.<br />

Mehrere Faktoren spielten zusammen bei der fast explosionsartigen Entwicklung<br />

des Krankenhauswesens um die Jahrhundertwende. Da war einmal<br />

der schon näher beschriebene wissenschaftliche und technische Fortschritt<br />

auf dem Gebiet der Medizin. Die Einstellung der Menschen zu den<br />

Krankenhäusern wandelte sich durch die verbesserten Aussichten auf Heilung<br />

ins Positive, wodurch der Andrang höher wurde. Verstärkt wurde diese<br />

Tendenz durch die längst überfällige staatliche Sozialgesetzgebung, durch<br />

die es sich nun erst die ärmeren Bevölkerungsschichten leisten konnten,<br />

die Behandlung in den Krankenhäusern in Anspruch zu nehmen. Durch<br />

die zunehmende Verstädterung in Folge der Industrialisierung stieg in den<br />

Städten die Notwendigkeit des Baus neuer, größerer Krankenanstalten. Dies<br />

galt in erster Linie für München, das sich in der zweiten Hälfte des 19.<br />

Jahrhunderts mit der Verfünffachung seiner Einwohnerzahl zur Großstadt<br />

entwickelt hatte, aber auch für zahlreiche kleinere bayerische Städte.<br />

Diese Entwicklung im Krankenhauswesen bedeutete aber auch, dass die<br />

Nachfrage nach geeignetem Pflegepersonal enorm anstieg. Da der Staat zwar<br />

in zunehmendem Maße den Bereich der Gesundheitsversorgung an sich<br />

zog, aber kein geeignetes Personal zur Verfügung hatte und sich auch nicht<br />

um die Ausbildung eines solchen kümmerte, waren die Mutterhausverbände<br />

gefragt, dieses zu beschaffen. Für die katholischen Gemeinden in Bayern<br />

waren dies neben den Mallersdorfer Schwestern in erster Linie nach wie vor<br />

die <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern vom Mutterhaus München und Augsburg.<br />

155


<strong>Festschrift</strong> der <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern<br />

Entwicklung<br />

der Zahl der<br />

Mitglieder<br />

der Kongregation<br />

von<br />

1832 – 2007<br />

156<br />

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Erstaunlicherweise konnten die Ordensgemeinschaften mit der damaligen<br />

rasanten Entwicklung Schritt halten. Auch die Zahl der Eintritte bei den<br />

Pflegeorden stieg entsprechend stark an. Im Jahr 1901 hatte erstm<strong>als</strong> die<br />

Gesamtzahl der <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern vom Mutterhaus München die<br />

Zahl 1000 überschritten, gerade mal ein knappes Vierteljahrhundert später<br />

im Jahr 1924 bereits die Zahl 2000. 98<br />

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10.2. Was bewegte so viele junge Frauen,<br />

<strong>Barmherzige</strong> Schwestern zu werden?<br />

Blütezeit des Ordens zu Beginn des 20. Jahrhunderts<br />

Gerade angesichts des heutigen Nachwuchsproblems fragt man sich, was<br />

früher so viele junge Frauen bewogen haben mag, diesen Schritt in eine<br />

Ordensgemeinschaft zu tun. Eine nicht zu unterschätzende Rolle spielte<br />

hierbei sicher das damalige gesellschaftliche und familiäre Umfeld. Diese<br />

Mädchen wuchsen noch in einer stark vom katholischen Glauben geprägten<br />

Umgebung auf, in der die Entscheidung für das Ordensleben nicht außerhalb<br />

der Vorstellungswelt war, sondern <strong>als</strong> ein denkbares und durchaus wünschenswertes<br />

Lebensmodell angesehen wurde. Wer sich für den geistlichen<br />

Lebensweg entschied, konnte sich in der Regel der gesellschaftlichen Hochachtung<br />

und der familiären Unterstützung sicher sein.<br />

Die Hauptmotivation für diese doch sehr einschneidende Lebensentscheidung<br />

war wie zu allen Zeiten der Glaube und der Wunsch, sein<br />

irdisches Leben ganz in den Dienst Gottes zu stellen, um das himmlische<br />

Seelenheil zu gewinnen. Nach der dam<strong>als</strong> herrschenden theologischen Einschätzung<br />

galt die Wahl der geistlichen Lebensform <strong>als</strong> der sicherste Weg zur<br />

Selbstheiligung, <strong>als</strong> die beste Möglichkeit, dem Himmel einen deutlichen<br />

Schritt näher zu kommen, näher, <strong>als</strong> es in jeder anderen Lebensform je<br />

möglich wäre.<br />

Warum aber war gerade der Zulauf bei den sozial tätigen Orden in dieser<br />

Zeit so groß? Nachdem die katholische Kirche durch die Säkularisierung<br />

und den damit verbundenen Verlust an politischer und gesellschaftlicher<br />

Macht am Anfang des 19. Jahrhunderts in Bayern stark geschwächt worden<br />

war, nutzte sie diese Umbruchsituation, um sich auf ihre ureigensten christlichen<br />

Werte wie die Nächstenliebe zu besinnen. Verstärkt wandte sie sich<br />

sozialen Aufgaben zu, um die mit der industriellen Revolution einhergehende<br />

Not vieler Menschen zu lindern. Hauptträger dieser neu erstarkten<br />

Rolle der Kirche waren die weiblichen karitativen Ordensgemeinschaften,<br />

somit nicht zuletzt die <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern. Diese Ordensschwestern<br />

trugen in der Bevölkerung wesentlich zu einem neuen positiven Bild<br />

von Kirche bei. An vielen Orten konnte man diese Vorbilder christlicher<br />

Nächstenliebe aus nächster Nähe <strong>als</strong> Helferinnen in den verschiedensten<br />

Notlagen erleben, wodurch manches Mädchen inspiriert worden sein mag,<br />

selbst diesen Weg einzuschlagen. Welche Rolle die Vorbildfunktion spielte,<br />

zeigte sich auch daran, dass die von den Schwestern geführten Schulen, die<br />

Hauswirtschaftsschulen und die eigene Re<strong>als</strong>chule in Indersdorf, zu bedeutenden<br />

Zentren für die Nachwuchsgewinnung wurden.<br />

Warum ließen sich die Mädchen nicht von dem für uns heute teilweise<br />

unvorstellbar schweren, ja auch häufig lebensgefährlichen Dienst abschre-<br />

157


<strong>Festschrift</strong> der <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern<br />

Schwestern<br />

und Kandidatinnen<br />

ziehen in<br />

die Mutterhauskirche<br />

ein (1950er<br />

Jahre)<br />

158<br />

cken? Sieht man sich die Angaben<br />

zur sozialen Herkunft in den<br />

Personalbüchern des Ordensarchivs<br />

an, stellt man fest, dass sich<br />

die <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern fast<br />

ausschließlich aus der ländlichen<br />

Bevölkerung Bayerns rekrutierten.<br />

Sie stammten in der überwiegenden<br />

Mehrheit aus kleinen bis<br />

mittleren Landwirtschaften oder<br />

aus kleinen Handwerksbetrieben.<br />

Hier war die oben schon angesprochene<br />

tiefe und selbstverständliche<br />

Frömmigkeit der Nährboden<br />

für die künftigen Ordensschwestern.<br />

Hier waren aber auch hartes<br />

Arbeiten und schwere Entbehrungen<br />

das Gewohnte. Dass dies<br />

eine gute Ausgangslage war, den<br />

Anforderungen des Lebens <strong>als</strong> <strong>Barmherzige</strong> Schwester gewachsen zu sein,<br />

hatten auch die Ordensoberen erkannt. So verfügten sie schon in den Statuten<br />

von 1835: „Bei gleichen geistigen und körperlichen Eigenschaften sollen arme<br />

Jungfrauen den vermöglichern vorgezogen werden; denn sie treten in den Orden der<br />

armen barmherzigen Schwestern und geloben Armuth.“ 99<br />

Die alternativen Lebensmodelle <strong>als</strong> Bäuerin und Mutter oder <strong>als</strong> ledige<br />

Magd wären ebenfalls häufig geprägt gewesen von Armut und Arbeit.<br />

Auch die Lebenserwartung wäre angesichts der dam<strong>als</strong> auf dem Land herrschenden<br />

hohen Frauensterblichkeit nicht unbedingt höher gewesen.<br />

Und man darf nicht übersehen, dass es neben der religiösen Motivation<br />

noch andere Faktoren gab, die den Beruf der <strong>Barmherzige</strong>n Schwester für<br />

so viele Mädchen erstrebenswert machte. Die kinderreichen Familien auf<br />

dem Land hatten oft Mühe, die Zukunft aller Kinder zu sichern. Ein möglicher<br />

Weg war schon immer der Weg ins Kloster gewesen, wodurch die<br />

Versorgung auf Lebenszeit gesichert war.<br />

Nicht zu unterschätzen ist auch die Tatsache, dass lange Zeit für Angehörige<br />

der ländlichen Unterschicht die Wahl eines geistlichen Berufes der<br />

einzige Weg war, aus dem ansonsten schon vorgezeichneten Leben auszubrechen<br />

und einen sozialen Aufstieg zu schaffen. Buben wurde ein Studium<br />

meist nur dann ermöglicht, wenn sie sich für den Priesterberuf entschieden.<br />

Für Mädchen war in der Regel der Klostereintritt die einzige Möglichkeit,<br />

einen höheren sozialen Status zu erlangen.


Blütezeit des Ordens zu Beginn des 20. Jahrhunderts<br />

Die Kongregation der <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern übte wie die vergleichbaren<br />

Orden auf die jungen Frauen noch aus einem weiteren Grund eine<br />

sehr große Anziehungskraft aus. Hier konnten sie ihre Talente über den von<br />

der Herkunft vorgegebenen Weg hinaus einbringen und weiterentwickeln.<br />

Hier bot sich ihnen eine der wenigen Möglichkeiten, einen anerkannten<br />

Beruf zu erlernen und auszuüben, noch dazu in einem sozial abgesicherten<br />

und gesellschaftlich hoch angesehenen Rahmen. Zunächst wurden ihnen<br />

damit die Berufe der Krankenschwester, Köchin und Hauswirtschafterin<br />

zugänglich gemacht, später durch zunehmende Spezialisierung der Aufgabenbereiche<br />

auch weitere Berufe wie Diätassistentin, Sekretärin, Kinderkrankenschwester,<br />

Kindergärtnerin oder Lehrerin in den Krankenpflegeschulen<br />

oder in den Hauswirtschafts- und Nähschulen. Und das Erstaunliche<br />

war, sie schafften es trotz der minimalen Bildung, die sie durch ihre ländliche<br />

Volksschulbildung mitbrachten, diese Berufe zu erlernen und auszufüllen.<br />

Die besonders Begabten unter ihnen übernahmen das Amt einer<br />

Oberin oder sogar der Generaloberin, Ämter, in denen auch dam<strong>als</strong> schon<br />

Managerfähigkeiten gefordert waren. Dass die Schwestern diesen Aufgaben<br />

gewachsen waren, macht einerseits deutlich, wie viele Talente in der ländlichen<br />

Bevölkerung ungenutzt brachlagen. Andererseits zeigt es auch, wie<br />

gekonnt die Kongregation es verstand, diese Fähigkeiten zu wecken und<br />

weiterzuentwickeln.<br />

Bei den <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern waren Berufung und Beruf immer<br />

eng verbunden, standen aber immer auch in einem gewissen Spannungsverhältnis.<br />

Immer galt es, die richtige Balance zwischen beiden Polen zu<br />

halten. Einerseits beanspruchte der berufliche Dienst die ganze Kraft und<br />

einen Großteil der Zeit der Schwester, andererseits musste ihr auch immer<br />

an ihrer eigenen, geistlichen Vervollkommnung gelegen sein. Aber lag nicht<br />

gerade in diesem Spannungsverhältnis der Reiz dieser besonderen Art von<br />

Ordensleben?<br />

10.3. Wer konnte <strong>Barmherzige</strong> Schwester werden?<br />

Es wurden keineswegs alle jungen Frauen, die einen Aufnahmeantrag stellten,<br />

<strong>als</strong> Kandidatinnen angenommen. Die in den Statuten von 1835 festgelegten<br />

Aufnahmebedingungen wurden in den ersten 100 Jahren weitgehend<br />

unverändert beibehalten: „Die Ordens-Obern werden jede, die sich zur<br />

Aufnahme melden, mit großer Sorgfalt ausforschen, ob sie von rechtschaffenen Eltern<br />

geboren, untadelhaft in ihrer Aufführung und fest entschlossen seyen, dem Geiste<br />

und den Sitten der Welt zu entsagen, um in frommer Zurückgezogenheit und in der<br />

genauen Beobachtung der Satzungen des Ordens zu verharren; ferner, ob sie gründ-<br />

159


<strong>Festschrift</strong> der <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern<br />

160<br />

liche Religionskenntnisse besitzen, im Lesen und Schreiben wohl unterrichtet seyen<br />

und Gesundheit und Kraft haben zur Pflege der Kranken.“ 100 Das Aufnahmealter<br />

war in der Regel zwischen 18 und 24 Jahren. Nur in Ausnahmefällen<br />

wurden ältere Kandidatinnen angenommen. Neben der für den schweren<br />

Dienst <strong>als</strong> <strong>Barmherzige</strong> Schwester notwendigen körperlichen Eignung<br />

wurden auch gewisse Schulkenntnisse vorausgesetzt. Allerdings hatte schon<br />

die erste Generaloberin Schwester Ignatia Jorth erkennen müssen, dass man<br />

den Anspruch diesbezüglich in Bayern etwas reduzieren musste, wo lange<br />

Zeit die Volksschulbildung auf dem Land noch viel zu wünschen übrig ließ.<br />

Fehlende Kenntnisse brachte der Orden seinen Kandidatinnen selbst bei<br />

oder nahm die Hilfe der Englischen Fräulein in Anspruch. Auch noch nach<br />

dem 2. Weltkrieg absolvierte eine Reihe von Schwestern die Re<strong>als</strong>chule<br />

dieses Ordens in Berg am Laim.<br />

Für uns ist heute schwer nachvollziehbar, dass nicht nur an die Kandidatin<br />

selbst ein hoher moralischer Anspruch gestellt wurde, sondern auch an<br />

ihr familiäres Umfeld, das die Anwärterin selbst ja nicht beeinflussen konnte<br />

und nicht zu verantworten hatte. So waren lange Zeit unehelich geborene<br />

Mädchen von der Aufnahme ausgeschlossen. Hier vollzog sich allerdings<br />

Anfang des 20. Jahrhunderts eine Wende. Zunächst wurde es vom Superior<br />

in einem inoffiziellen Schreiben festgelegt, solche Bewerberinnen nicht<br />

grundsätzlich auszuschließen, sondern nur auf den persönlichen Leumund<br />

zu sehen. Allerdings sollte vorerst noch nicht öffentlich über diese freiere<br />

Handhabung gesprochen werden. Erst bei der Änderung der Statuten im<br />

Jahr 1942 wurde auch offiziell festgelegt, Ausnahmen seien nach Prüfung<br />

des Einzelfalles möglich.<br />

Die Bewerberinnen hatten durch Zeugnisse zu belegen, dass sie die<br />

vorgeschriebenen Zulassungsvoraussetzungen mitbrachten. Neben Schul-,<br />

Gesundheits-, Impf- und Sittenzeugnissen hatten die Kandidatinnen bei<br />

ihrem Eintritt eine Mitgift in geringer Höhe und eine Mindestausstattung an<br />

Wäsche mitzubringen. Nach ca. einem Monat Probezeit wurden die neuen<br />

Kandidatinnen offiziell <strong>als</strong> Aspirantinnen bzw. unter der bald üblicheren<br />

Bezeichnung Postulantinnen in den Orden aufgenommen. In dieser Zeit<br />

trugen sie ursprünglich ihre weltliche Kleidung, bald aber wurde dafür eine<br />

einheitliche, einfache Kleidung eingeführt. Die Zeit des Postulats war eine<br />

Art Lehrzeit, in der die Kandidatinnen mit den verschiedenen Alltagsaufgaben<br />

einer Schwester vertraut gemacht wurden. In der Regel erfolgte<br />

nach einem Jahr Postulat bei Eignung die Einkleidung. Bei dieser erhielt<br />

die neue Schwester ihren Ordensnamen und ihr Ordenskleid und begann<br />

mit dem Noviziat. Dieses dauerte im Normalfall etwa zwei Jahre und war<br />

eine weitere Phase der Ausbildung, sowohl in geistlichen Dingen <strong>als</strong> auch<br />

im Beruf. Nach diesen zwei Jahren entschieden die Ordensoberen, ob die


Blütezeit des Ordens zu Beginn des 20. Jahrhunderts<br />

Novizin zur Ablegung der Gelübde zugelassen wurde. Sprach nichts dagegen,<br />

legte die Novizin vor dem Bischof und ihren Ordensoberen in einer<br />

feierlichen Zeremonie erstm<strong>als</strong> ihre Gelübde ab. Als vinzentinische Vereinigung<br />

waren die Gelübde bei den <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern ursprünglich<br />

einfache Gelübde, die jährlich wiederholt wurden: „Die Gelübde der barmherzigen<br />

Schwestern sind keine auf Lebenszeit verbindlichen, sondern einfache, die<br />

jährlich erneuert werden, und bestehen in Angelobung der Armut, Keuschheit und<br />

des Gehorsams.“ 101<br />

10.4. Überlegungen, das Mutterhaus zu verlegen<br />

Das Wachstum Ende des 19. Jahrhunderts führte dazu, dass es im Mutterhaus<br />

sehr eng wurde. Das Problem verschärfte sich noch, <strong>als</strong> die Kongregation<br />

im Krankenhaus links der Isar, wo ebenfalls großer Raummangel herrschte,<br />

Säle räumen musste, in denen bisher Schwestern untergebracht gewesen<br />

waren. Der daraufhin im Jahr 1901 erfolgte Dachausbau im Mutterhaus<br />

sorgte nur für eine kleine Entspannung der Situation, am grundlegenden<br />

Problem änderte es nichts. Dieses bestand darin, dass einerseits die Kongregation<br />

für ihre Schwestern mehr Raum benötigt hätte, andererseits auch<br />

das Krankenhaus l.d.I. und die aus ihm sich entwickelnden Kliniken immer<br />

mehr Platz beanspruchten. Wegen der besonderen, schon erwähnten Eigentumsverhältnisse,<br />

wonach das Mutterhaus auf städtischem Grund stand, hatten<br />

die Schwestern die schlechteren Karten. Sie mussten es hinnehmen, dass<br />

ein Bauvorhaben nach dem anderen zu Lasten ihres Mutterhausgartens ausgeführt<br />

wurde. So 1891, <strong>als</strong> wegen des Baus des Nußbaumpavillons erneut<br />

eine neue Einfahrt für das Mutterhaus angelegt werden musste. So auch<br />

1893, <strong>als</strong> ein neues Direktorhaus errichtet wurde. Da es weiter zurückversetzt<br />

wurde <strong>als</strong> das alte Haus und Direktor Ziemssen einen größeren Garten<br />

wünschte, musste die Kongregation wieder einen Teil des von ihr genutzten<br />

Gartens abgeben. Auch eine Erweiterung der Lindwurmstraße und der Bau<br />

eines neuen Waschhauses für das Krankenhaus gingen zu Lasten des Ordens.<br />

Im Jahr 1900 zwang der Magistrat die Schwestern, ihre Landwirtschaft auf<br />

dem Mutterhausareal aufzugeben. Alle Ökonomiegebäude mussten, obwohl<br />

sie erst 1896 nach einem verheerenden Brand wieder aufgebaut worden<br />

waren, entfernt werden, da der Platz für den Bau der Psychiatrischen Klinik<br />

benötigt wurde. Daraufhin verlegte die Kongregation die Landwirtschaft<br />

nach Berg am Laim. Statt der Ökonomie betrieb der Orden nun beim Mutterhaus<br />

nur noch eine Gärtnerei mit Treibhaus und Gemüsegarten. Auch<br />

das Treibhaus hatte neu aufgebaut werden müssen, da das alte hatte weichen<br />

müssen. Als Ersatz für die ebenfalls abgerissene Gärtnerwohnung wurde<br />

161


<strong>Festschrift</strong> der <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern<br />

Das Klinikareal<br />

rund<br />

um das<br />

Mutterhaus<br />

(Ausschnitt<br />

aus Stadtkarte<br />

1950 – 1960)<br />

162<br />

dem Orden genehmigt,<br />

einen Teil der<br />

Arkaden <strong>als</strong> Wohnung<br />

auszubauen.<br />

Durch die 1904<br />

eröffnete Psychiatrische<br />

Klinik und die<br />

1917 in Betrieb genommene<br />

Frauenklinik an<br />

der Lindwurmstraße<br />

war das Mutterhaus<br />

endgültig von allen<br />

Seiten eingekreist. Wie<br />

schon in der Zeit des<br />

Kulturkampfes in den<br />

1870er Jahren wurden auch jetzt wieder Forderungen laut, die <strong>Barmherzige</strong>n<br />

Schwestern hätten das Krankenhausgelände zu räumen, damit sich die<br />

Kliniken ungehindert entfalten könnten. Im Unterschied zu früher war die<br />

Ordensleitung nicht ganz abgeneigt, das Mutterhaus aufzugeben. Die Qualitätsminderungen<br />

aufgrund der Krankenhausexpansion waren inzwischen<br />

belastend geworden und man wünschte sich für die Ordensentwicklung<br />

bessere Bedingungen. Allerdings konnte an eine Rückgabe des Mutterhauses<br />

nur gedacht werden, wenn für einen erschwinglichen und gleichwertigen<br />

Ersatz gesorgt werden würde. In den folgenden Jahren führten die Ordensleitung<br />

auf der einen Seite und Klinikdirektion, Vertreter von Stadt und<br />

Staat auf der anderen Seite Verhandlungen, die sich eine Zeit lang Erfolg<br />

versprechend anließen. Es gab bereits sehr konkrete Planungen, das neue<br />

Mutterhaus in der Nähe des neuen Schwabinger Krankenhauses zu bauen.<br />

Der Staat war bereit, den Bau finanziell zu unterstützen. Die Stadt sollte der<br />

Kongregation den Bauplatz schenken. Am umstrittensten war die staatliche<br />

Forderung nach stärkerer finanzieller Beteiligung der Stadt, <strong>zum</strong>al sehr viele<br />

städtische Anstalten von den Schwestern versorgt würden. Der 1. Weltkrieg<br />

führte zunächst zu einem Stillstand der Verhandlungen. Allerdings schien<br />

sich 1917 eine Lösung abzuzeichnen, da sich der Orden mit dem von der<br />

Stadt angebotenen Bauplatz trotz einiger Bedenken einverstanden erklärte<br />

und bereit war, die Kosten für das neue Haus selbst zu übernehmen. Durch<br />

Kriegsende, Revolution und Inflation traten die Pläne zur Mutterhausverlegung<br />

völlig in den Hintergrund. Die Zusage der Kostenübernahme<br />

durch den Orden wurde gegenstandslos, weil das ersparte Vermögen in der<br />

Inflation wertlos geworden war. Gegen Ende der 20er Jahre wurden die<br />

Verhandlungen wieder aufgenommen. Beide Seiten verfolgten jedoch die


Angelegenheit wegen der sich bereits wieder abzeichnenden Verschlechterung<br />

der Wirtschaftslage mit wenig Nachdruck. 102 So berichtet die Mutterhauschronik<br />

1930: „Für den geplanten Mutterhausbau gingen in diesem Jahr<br />

die Pläne ganz und gar zurück. Man hatte bei der Stadt kein Geld. Dies war<br />

kein Geheimnis. In der Chirurgischen Klinik war solcher Platzmangel, dass unsere<br />

Schwestern nicht einmal die notwendigen Betten hatten. 6 Schwestern mussten mit<br />

3 Betten zurecht kommen, die Wächterinnen benützten sie bei Tag, die Tagschwestern<br />

bei Nacht. Einmalig in der Ordensgeschichte! Die göttliche Vorsehung wird<br />

dafür sorgen, dass die Frage des Mutterhausbaus zur rechten Zeit gelöst wird.“ 103<br />

10.5. Erwerb wichtiger neuer Niederlassungen<br />

Ein eigenes Postulatsgebäude<br />

1896 ließ die Kongregation in der Blumenstraße in München ein stattliches<br />

neues Gebäude erstellen. Der Orden hatte dafür zwei ältere Häuser, die<br />

schon seit Mitte des Jahrhunderts in seinem Besitz waren, abreißen lassen.<br />

Zur Arrondierung des Grundstückes kaufte er der Stadt einen Teil des Are<strong>als</strong><br />

des Nockher’schen Armenhauses am Oberanger ab, das 1895 aufgelöst und<br />

abgerissen worden war. Der Neubau sollte <strong>als</strong> Altenheim für die steigende<br />

Zahl alter Schwestern und <strong>als</strong> Exerzitienhaus dienen. Als sich jedoch das<br />

Problem der Unterbringung der neuen Kandidatinnen Anfang des 20. Jahrhunderts<br />

trotz des Ausbaus der Mansarden im Mutterhaus weiter verschärfte,<br />

entschied sich die Kongregation, das neue Gebäude für das Postulat zu nutzen.<br />

So gab es nun neben dem Noviziat, das schon seit 1853 im Nordflügel<br />

der Josephsburg in Berg am Laim untergebracht war, auch ein eigenes Pos-<br />

Das Postulatsgebäude<br />

in der<br />

Münchner<br />

Blumenstraße<br />

war<br />

bis zu seiner<br />

Zerstörung<br />

(1944) fast<br />

50 Jahre<br />

lang ein<br />

wichtiges<br />

Zentrum der<br />

Kongregation.<br />

Blütezeit des Ordens zu Beginn des 20. Jahrhunderts<br />

163


<strong>Festschrift</strong> der <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern<br />

164<br />

tulatsgebäude. Ab 1910 wurden in diesem Gebäude an der Blumenstraße<br />

erste Krankenpflegekurse abgehalten, 1920 offiziell die erste ordenseigene<br />

Krankenpflegeschule installiert.<br />

Bad Adelholzen – mehr <strong>als</strong> ein Erholungsheim für die Schwestern<br />

Die bedeutendste Neuerwerbung dieser Jahre war zweifellos der Kauf des<br />

Wildbads Adelholzen im Jahr 1907. 104 Schon seit längerer Zeit hatte sich die<br />

Ordensleitung nach einem dringend benötigten Erholungsheim für kranke<br />

und erholungsbedürftige Schwestern umgesehen. Längst war die einst zu<br />

diesem Zweck erworbene Josephsburg in Berg am Laim für diesen Zweck<br />

nicht mehr zu verwenden, da es für die vielen, inzwischen alt und gebrechlich<br />

gewordenen <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern <strong>als</strong> Ruhesitz diente und zudem<br />

das Noviziat beherbergte.<br />

Bei zwei gemeinnützigen Lotterien zur Förderung des Baus einer Kirche<br />

in Nürnberg bzw. in Tutzing, an denen der Orden im Jahr 1901 ausnahmsweise<br />

teilgenommen hatte, hatte er den 1. bzw. den 2. Preis mit 30.000 bzw.<br />

10.000 Mark gewonnen. Dieses Geld wollte man nun für ein neues Erholungshaus<br />

für die inzwischen 1400 Schwestern verwenden.<br />

Da nun der nötige Grundstock für die Finanzierung gelegt war, sah sich<br />

die Ordensleitung auf Drängen des Münchner Erzbischofs von Stein nach<br />

einem geeigneten Objekt um. Bald ging eine Reihe von Angeboten ein.<br />

So standen u. a. das Kloster Schlehdorf, das ehemalige Kurbad der Amalie<br />

Hohenester in Mariabrunn bei Röhrmoos und das Wemdinger Wildbad<br />

<strong>zum</strong> Verkauf. Im Jahr 1907 schließlich griff die Ordensleitung zu, <strong>als</strong> ihr<br />

Das Wildbad<br />

Adelholzen,<br />

Ansicht von<br />

1629


Blütezeit des Ordens zu Beginn des 20. Jahrhunderts<br />

Adelholzen bei Siegsdorf günstig angeboten wurde. Der Kauf des wunderschön<br />

gelegenen, aber etwas heruntergekommenen Bades wurde am<br />

1. April 1907 abgeschlossen.<br />

Das Wildbad in Adelholzen gilt mit seiner über 1700-<strong>jährigen</strong> Geschichte<br />

<strong>als</strong> ältestes Heilbad Bayerns. Nach einer Legende sollen die Heilquellen<br />

bereits im 3. Jahrhundert n. Chr. vom hl. Primus „im Holze des Andlo“<br />

entdeckt und <strong>als</strong> Heilwasser genutzt worden sein. Primus, der <strong>als</strong> römischer<br />

Legionär in den Chiemgau gekommen sei, habe hier <strong>als</strong> Einsiedler den<br />

Menschen der Umgebung den christlichen Glauben gelehrt und sie mit dem<br />

Quellwasser geheilt. Historisch belegt ist, dass Primus nach seiner Heimkehr<br />

nach Rom Opfer der Christenverfolgung durch Diokletian wurde und im<br />

Jahr 286 <strong>als</strong> Märtyrer starb.<br />

Wenn auch der Wahrheitsgehalt der Legende der Entdeckung der Quellen<br />

durch den Heiligen nicht mehr feststellbar ist, so ist doch die Berufung<br />

auf einen frühchristlichen Heiligen <strong>als</strong> Entdecker ein Hinweis darauf, dass<br />

die Geschichte der Heilquellen sehr weit zurückreichen muss. Namentlich<br />

belegbar sind die Besitzer von Adelholzen seit dem Jahr 959. Mehrere Jahrhunderte<br />

gehörte das Gut Adelholzen <strong>zum</strong> Besitz des Erzbistums Salzburg,<br />

das es der Familie von Schaumburg <strong>als</strong> Lehen überließ. Schon zu dieser Zeit<br />

scheint es ein Bad gewesen zu sein, allerdings nicht mit dem besten Ruf,<br />

wie sich aus einem Mahnschreiben des Herzogs Wilhelm V. an den damaligen<br />

Besitzer Hanns Christoph von Schaumburg im Jahr 1584 entnehmen<br />

lässt. Der Herzog beanstandete den allzu freizügigen, moralisch Anstoß erregenden<br />

Badebetrieb. Die Klientel des Badeortes scheint in dieser Zeit aus<br />

der einfacheren Bevölkerung der Umgebung bestanden zu haben. Dies sollte<br />

sich ab dem 17. Jahrhundert mit der Übernahme des Besitzes durch Otto<br />

Heinrich Lindl gründlich ändern. Lindl ließ das alte Bad von Grund auf<br />

renovieren und ein neues, schlossähnliches Kurhaus bauen. Zudem beauftragte<br />

er einen Arzt, den Medikus Bopp, mit einer Badbeschreibung und der<br />

Untersuchung der drei Heilquellen. Mit diesen Maßnahmen gelang es Lindl,<br />

aus Adelholzen einen Kurort mit bestem Ruf zu machen, der nun von vielen<br />

Gästen aus vornehmsten Kreisen besucht wurde. Wie sehr das Bad in<br />

dieser Zeit an Ansehen gewann, zeigt die Erhebung Adelholzens zu einer<br />

Hofmark mit eigener Gerichtsbarkeit durch den Kurfürsten Maximilian I.<br />

im Jahr 1629. Unter seinen neuen Besitzern, der Salzburger Architektenfamilie<br />

Zuccalli, wurden Schloss und Kapelle im 18. Jahrhundert vergrößert<br />

und noch prächtiger ausgebaut. Als Indiz für den damaligen Stellenwert des<br />

Kurortes gilt der wochenlange Aufenthalt der Kurfürstin Amalie mit einem<br />

großen Teil ihres Hofstaates im Jahr 1736.<br />

Als der Badeort Ende des 18. Jahrhunderts in den Besitz des Juristen Peter<br />

Sailer überging, entwickelte sich der Badeort zunächst weiterhin positiv.<br />

165


<strong>Festschrift</strong> der <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern<br />

166<br />

Dessen Sohn Franz Sailer allerdings scheint den Badebetrieb vernachlässigt<br />

zu haben. 1840 kam er bei einem Brand, bei dem das Schloss völlig zerstört<br />

wurde, ums Leben. Da er kurz vor dem Konkurs stand, wurde angenommen,<br />

dass er den Brand legte und Selbstmord beging.<br />

Nach dieser menschlichen Tragödie kaufte Georg Mayr den Besitz. Dieser<br />

betrieb bereits die Kaltwasserheilanstalt in Brunntal bei München. Er<br />

ließ das Kurhaus nicht an der Stelle des abgebrannten Schlosses, sondern in<br />

der heutigen freieren Lage erbauen. Trotz der Konkurrenz durch die inzwischen<br />

entstandenen Bäder in Traunstein, Reichenhall und Aibling verstand<br />

es Mayr, aus Adelholzen wieder ein florierendes Unternehmen zu machen.<br />

Dies blieb auch so, <strong>als</strong> Mayr den Besitz 1863 an den Münchner Magistratsrat<br />

Sauer verkaufte. Mit dem neuen Badearzt Dr. Liegl gewann das Bad<br />

ab 1878 sogar zusätzlich an Ansehen. Trotzdem mussten die Erben Sauers<br />

1888 erneut Konkurs anmelden. Nun kaufte der Sohn Georg Mayrs den<br />

ehemaligen Familienbesitz wieder zurück. Aber auch er scheint kein unternehmerisches<br />

Glück gehabt zu haben. Als sein größtes Problem erwies sich<br />

die Konkurrenz durch den angesehenen ehemaligen Badearzt von Adelholzen,<br />

Dr. Liegl, der im Jahr 1900 in unmittelbarer Nähe des Kurhauses das<br />

„Ludwigsbad“ eröffnet hatte. So musste auch Mayr im Jahr 1906 Konkurs<br />

anmelden.<br />

Nach dieser wechselvollen Geschichte begann in Adelholzen im April<br />

1907 mit der Übernahme des Besitzes durch die <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern<br />

eine neue, inzwischen schon 100-jährige Ära der Stabilität und Blüte.<br />

Obwohl der alte Kurort bei der Übernahme einen stark vernachlässigten<br />

und heruntergekommenen Eindruck machte, erkannten die Schwestern<br />

sofort, welchen Schatz sie erworben hatten. Zunächst galt es aber, das Bad<br />

wieder in einen guten Zustand zu bringen. So entwickelten sie schon bald<br />

eine rege Bautätigkeit. Eines der ersten Bauvorhaben war die Renovierung<br />

der alten Primuskapelle, um die Feier des Gottesdienstes zu ermöglichen.<br />

Eine Reihe von Wirtschaftsgebäuden wurde neu erstellt. Am Kurhaus selbst<br />

musste der Dachstuhl erneuert werden. Die Seitenflügel bekamen ein drittes<br />

Stockwerk, und im Haus wurde eine zusätzliche Kapelle eingerichtet.<br />

Durch den Anbau einer Veranda im Jahr 1910, von der aus die Kurgäste<br />

einen herrlichen Blick auf die Berge hatten, gewann das Kurhaus zusätzlich<br />

an Attraktivität. Damit auch für eine gute medizinische Versorgung gesorgt<br />

war, stellte die Kongregation Dr. Otto Prey aus Siegsdorf <strong>als</strong> Badearzt an.<br />

Dieser sollte mehrm<strong>als</strong> in der Woche zur Betreuung der Kurgäste nach<br />

Adelholzen kommen.<br />

Schnell sprach sich herum, welchen Aufschwung Adelholzen mit der<br />

Übernahme durch die Schwestern erlebte, und so trafen bald wieder die<br />

ersten Kurgäste ein. Häufig waren es ehemalige Kurgäste, die sich über die


Blütezeit des Ordens zu Beginn des 20. Jahrhunderts<br />

Wiedereröffnung freuten, aber auch<br />

neue Gäste konnten gewonnen<br />

werden.<br />

So entwickelte sich erstaunlich<br />

rasch wieder ein reger Kurbetrieb.<br />

Häufig fuhren nun Fuhrwerke zu<br />

den Bahnstationen in Bergen oder<br />

Siegsdorf, um Gäste für das idyllisch<br />

gelegene Adelholzen abzuholen.<br />

Da nun aber das Kurhaus auch<br />

weiterhin in erster Linie für den<br />

öffentlichen Kurbetrieb genutzt<br />

werden sollte, kaufte der Orden<br />

1912 das ehemalige „Ludwigsbad“<br />

des früheren Badearztes Dr. Liegl,<br />

um hier das dringend benötigte<br />

Erholungsheim für die eigenen<br />

Schwestern einzurichten. 1914<br />

erwarb er zudem die ebenfalls nahe<br />

gelegene Villa Hardt mit ihrem<br />

schönen Park. Nach der Renovierung<br />

der Villa wohnten hier in erster Linie hohe kirchliche Würdenträger<br />

während ihres Kuraufenthalts in Adelholzen.<br />

Der Münchner Erzbischof von Stein hatte den Kauf von Adelholzen<br />

auch deshalb sehr begrüßt, weil er sich in seiner Diözese ein von Ordensschwestern<br />

geführtes Kurhaus für seinen Klerus wünschte. Sein Nachfolger,<br />

Kardinal von Faulhaber, nutzte in seiner Amtszeit häufig diese Möglichkeit<br />

zur Erholung. Durch seine zahlreichen Aufenthalte in Adelholzen, bei<br />

denen er viele der Schwestern schätzen lernte, wurde seine Beziehung zu<br />

den <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern noch enger, <strong>als</strong> sie es ohnehin schon durch<br />

sein Amt <strong>als</strong> ihr oberster geistlicher Vorgesetzter gewesen wäre. Mit dem seit<br />

1914 amtierenden Superior des Ordens, Prälat Pfaffenbüchler, verband ihn<br />

zudem eine enge Freundschaft. So lag dem Erzbischof diese Kongregation<br />

ganz besonders am Herzen, was sich auch darin zeigte, dass er auf seinen<br />

Firmungsreisen quer durch die Diözese stets Nachwuchswerbung für sie<br />

machte.<br />

Mit Adelholzen, das <strong>zum</strong> beliebten Kurort des Klerus wurde, bekamen<br />

die Schwestern Kontakt zu vielen Priestern in leitenden Funktionen der<br />

Kirche. Besonders bemerkenswert war die enge Beziehung, die sich <strong>zum</strong><br />

päpstlichen Nuntius Eugenio Pacelli, dem späteren Papst Pius XII., entwickelte.<br />

Auch er, befreundet mit Kardinal von Faulhaber und Prälat Pfaf-<br />

<strong>Barmherzige</strong><br />

Schwestern<br />

vor dem<br />

Mitte des<br />

19. Jahrhunderts<br />

erbauten<br />

Kurhaus in<br />

Adelholzen<br />

(Postkarte<br />

ca. 1920er<br />

Jahre)<br />

167


<strong>Festschrift</strong> der <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern<br />

Der päpstliche<br />

Nuntius<br />

Eugenio<br />

Pacelli vor<br />

der Villa<br />

Hardt in<br />

Adelholzen<br />

(sitzend,<br />

rechts hinter<br />

ihm stehend<br />

Superior<br />

Pfaffenbüchler)<br />

168<br />

fenbüchler, genoss die Erholungsmöglichkeit<br />

im Chiemgau. Der<br />

Nuntius trug sich am 22. August<br />

1922 in das Adelholzener Kurbuch<br />

ein: „In dankbarer Erinnerung<br />

an die unvergesslichen Tage in Adelholzen<br />

wünsche ich allen, die das<br />

Glück haben hierher zu kommen, die<br />

gleiche Erholung, welche ich da gefunden<br />

habe.“ 105<br />

War beim Kauf von Adelholzen<br />

ursprünglich an den Erwerb<br />

eines Schwesternerholungsheimes<br />

gedacht worden, hatten<br />

die Schwestern sehr schnell die<br />

Bedeutung des Kurbetriebs <strong>als</strong><br />

wichtige Einnahmequelle erkannt.<br />

Dem seit 1911 amtierenden Kuraten<br />

Alfons Haslberger, der sich<br />

nicht nur der geistlichen Belange der Schwestern annahm, sondern auch die<br />

gesamte Ökonomie verwaltete, gelang es durch geschicktes Marketing, viele<br />

neue Gäste zu gewinnen, darunter so prominente wie die letzte bayerische<br />

Königin Maria-Theresia. Haslberger erstellte 1913 einen kleinen Führer, in<br />

dem sich die Kurgäste über die Geschichte Adelholzens, die Wirkung der<br />

Primusquelle und Ausflugsmöglichkeiten in die Umgebung informieren<br />

konnten. Zudem legte er ein Kurbuch aus, in dem sich die Gäste verewigen<br />

sollten. Er hoffte nicht zu Unrecht darauf, dass viele darin ihre Zufriedenheit<br />

über ihren Kuraufenthalt ausdrücken würden.<br />

Ein besonders geschätzter Gast: Nuntius Eugenio Pacelli,<br />

der spätere Papst Pius XII.<br />

Nicht nur in Adelholzen, sondern auch<br />

im Postulat und im Mutterhaus war der<br />

päpstliche Nuntius häufig Gast. Mehrere<br />

Male feierte er bei den Schwestern den<br />

Heiligen Abend. Die besondere Freundschaft<br />

des Nuntius zu den <strong>Barmherzige</strong>n<br />

Schwestern entwickelte sich nicht zuletzt<br />

aus den familiären Beziehungen seiner<br />

Haushälterin, Schwester Pascalina Lehnert,<br />

einer Kreuzschwester aus Altötting.<br />

Zwei leibliche Schwestern von Schwester<br />

Pascalina waren bei den <strong>Barmherzige</strong>n<br />

Schwestern eingetreten. Eine der Schwestern<br />

erkrankte schon kurz nach der Einkleidung<br />

und starb 1921 sehr jung. Der<br />

Nuntius besuchte die Kranke häufig im<br />

Mutterhaus und nahm Anteil an ihrem<br />

Schicksal. Die zweite Schwester bekam<br />

bei ihrer Einkleidung im Jahr 1922 wieder<br />

deren Ordensnamen Gradulpha. Schwes-


Nach einem vorübergehenden Einbruch<br />

des Kurbetriebs während des 1. Weltkriegs<br />

florierte er in den folgenden zwei Jahrzehnten,<br />

bis er Anfang der 1940er Jahre<br />

wegen kriegsbedingter Nutzung eingestellt<br />

werden musste.<br />

Während der Kurbetrieb von Anfang an<br />

ein wichtiger wirtschaftlicher Faktor war und<br />

auch der landwirtschaftlichen Nutzung des<br />

großen Gutes immer eine große Bedeutung<br />

zukam, spielte der Vertrieb des Heilwassers<br />

zunächst nur eine untergeordnete Rolle.<br />

Der Primusquelle wird seit Jahrhunderten<br />

eine heilende Wirkung nachgesagt. Eigentlich<br />

handelt es sich nicht um eine einzige Quelle, sondern um drei Quellen, die<br />

wegen ihrer identischen Zusammensetzung <strong>als</strong> Mischquelle genutzt werden.<br />

Zahlreiche Votivtafeln und Berichte von Ärzten und Patienten dokumentieren<br />

Heilungen von Patienten nach dem Genuss des Wassers. Die Heilkraft<br />

wird in erster Linie bei Krankheiten im Bereich von Stoffwechselstörungen<br />

gesehen. Vor allem bei Blasen-, Nieren- und Gallensteinen soll es seine heilsame<br />

Wirkung entfalten.<br />

Die Primusquelle war der Grund, weshalb Menschen seit vielen Jahrhunderten<br />

nach Adelholzen kamen. Allerdings war das Wasser früher immer nur<br />

zur Behandlung direkt vor Ort genutzt worden. Erst 1895 begann Vorbesitzer<br />

Georg Mayer mit dem Vertrieb des Wassers. Er war damit so erfolgreich,<br />

dass er sogar bis nach Übersee lieferte. Auch die <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern<br />

nahmen den Versand wieder auf, allerdings zunächst nur in bescheidenem<br />

Umfang, da ihnen nur ein kleiner Handfüllapparat zur Verfügung stand.<br />

ter Pascalina, die dem Nuntius nach Berlin<br />

und später nach Rom folgte, blieb schon<br />

allein wegen dieser leiblichen Schwester,<br />

aber auch durch ihre Freundschaft mit<br />

der Schreibschwester des Mutterhauses,<br />

Schwester M. Berthilia Hidringer, zeitlebens<br />

eng mit dem Mutterhaus verbunden.<br />

Auch Eugenio Pacelli hielt mit dem<br />

Superior der Schwestern, Prälat Pfaffenbüchler,<br />

von Rom aus Kontakt.<br />

Damit der päpstliche Staatssekretär<br />

auch in Rom die von ihm geliebte deutsche<br />

Weihnacht feiern konnte, schick-<br />

Blütezeit des Ordens zu Beginn des 20. Jahrhunderts<br />

ten ihm die <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern<br />

vom Mutterhaus München regelmäßig<br />

zu Weihnachten einen Christbaum.<br />

Anfang Januar 1932 bedankte er sich für<br />

den Christbaum und die Weihnachtsgeschenke<br />

vom Mutterhaus: „Auch ich<br />

denke mit einem Gefühl wehmütiger<br />

Freude an die Heiligen Nächte zurück, an<br />

denen ich im Mutterhause und in Ihrer<br />

Mitte das hl. Opfer darbringen durfte.“ 106<br />

Der Geistliche<br />

Rat<br />

Alfons Haslberger,<br />

Kurat<br />

in Adelholzen<br />

von 1911<br />

bis 1969<br />

169


<strong>Festschrift</strong> der <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern<br />

170<br />

Kurat Haslberger erkannte schnell das Potential, das im Vertrieb des<br />

Wassers steckte. Schon kurz nach seinem Amtsantritt setzte er sich für die<br />

Anschaffung einer neuen, wenn auch noch sehr einfachen Füllanlage ein.<br />

Er ließ das Wasser mit den neuesten wissenschaftlichen Methoden untersuchen,<br />

um die Heilwirkung werbewirksam wissenschaftlich belegen zu können.<br />

Den Kurgästen wurde nach Beendigung der Kur die Fortsetzung der<br />

Trinkkur zu Hause nahe gelegt. Als der Kurbetrieb im 1. Weltkrieg Verluste<br />

schrieb, beschloss der Kurat, den Sektor des Wasservertriebs <strong>als</strong> zusätzliches<br />

Standbein in Adelholzen auszubauen. Die Pläne zur weiteren Modernisierung<br />

der Füllerei konnten jedoch erst 1920 realisiert werden, nachdem<br />

die dafür erforderliche Elektrifizierung erfolgt war. Die neuen Maschinen<br />

übernahmen nun die Flaschenreinigung, die Abfüllung des Wassers und das<br />

Verschließen der Flaschen, Arbeitsgänge, die früher von den Schwestern per<br />

Hand erledigt werden mussten. Mit der neuen Anlage konnten die Füllmengen<br />

bereits erheblich gesteigert werden. Damit war der Grundstock<br />

gelegt für die zunehmende Bedeutung dieses Wirtschaftsektors in Adelholzen.<br />

Doch noch konnte keiner ahnen, welche ökonomische Bedeutung der<br />

Brunnenbetrieb in Zukunft für die gesamte Kongregation erhalten würde.<br />

Waldsanatorium bei Planegg<br />

Lager- und<br />

Versandraum<br />

der<br />

Primusquelle<br />

in den<br />

Anfangsjahren<br />

des<br />

Brunnenbetriebs<br />

Im Mai 1921 erwarb der Orden das Waldsanatorium bei Planegg. Um die<br />

stark verbreitete Krankheit Tuberkulose zu bekämpfen, hatte der damalige<br />

Direktor des Krankenhauses links der Isar, Dr. Hugo von Ziemssen, 1894<br />

einen „Verein für Volksheilstätten“ initiiert. Dieser ließ 1896 die erste bayerische<br />

Volksheilstätte mitten im Kreuzlinger Forst bei Planegg errichten.


Das Waldsanatorium<br />

bei Planegg,<br />

Ansicht<br />

von der<br />

Gartenseite<br />

um 1900<br />

Ende 1898 wurde dieses Sanatorium mit über 100 Betten für Tuberkulosepatienten<br />

eröffnet. Die Pflege der Kranken und die Wirtschaftsführung<br />

des Sanatoriums und der angeschlossenen Landwirtschaft übernahmen die<br />

<strong>Barmherzige</strong>n Schwestern. Im 1. Weltkrieg musste dem Militär fast die Hälfte<br />

der Volksheilstätte <strong>als</strong> Militärkrankenhaus für tuberkulosekranke Soldaten<br />

zur Verfügung gestellt werden.<br />

Die Niederlassung in Planegg befindet sich heute noch im Besitz der<br />

<strong>Barmherzige</strong>n Schwestern. Allerdings wurde das Lungensanatorium wegen<br />

des starken Rückgangs von Tbc-Patienten im Jahr 1984 geschlossen. Seit<br />

1986 dient es <strong>als</strong> Altenheim, zunächst für die eigenen Schwestern. Nach<br />

einer Gener<strong>als</strong>anierung wurde es 1997 <strong>als</strong> allgemeines Alten- und Pflegeheim<br />

ausgewiesen, das sowohl vollstationäre Pflege <strong>als</strong> auch Kurzzeitpflege<br />

anbietet. Immer weniger Heimbewohner sind Ordensangehörige. Auch<br />

beim Personal ersetzen immer mehr weltliche Mitarbeiter die Schwestern.<br />

Die Landwirtschaft ist für heutige Maßstäbe zu klein. Deshalb wird ein<br />

kleiner Teil der Flächen seit 2003 vom ordenseigenen Marxhof in Unterhaching<br />

bewirtschaftet, der größere Teil der Flächen und die Ökonomiegebäude<br />

wurden zur Stadtranderholung und für den Betrieb des Bauhofes<br />

an die Gemeinde Krailling verpachtet. Auch ein Kindergarten befindet sich<br />

neuerdings auf dem weiträumigen Gelände des Waldsanatoriums.<br />

Das Gut Marxhof<br />

Blütezeit des Ordens zu Beginn des 20. Jahrhunderts<br />

Das Gut Marxhof in Unterhaching kauften die Schwestern 1924. In der<br />

unmittelbaren Nachkriegszeit und der folgenden Inflation hatten die<br />

Schwestern Schwierigkeiten, ausreichend Lebensmittel für ihre Nieder-<br />

171


<strong>Festschrift</strong> der <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern<br />

172<br />

Der Marxhof<br />

in Unterhaching<br />

(Postkarte<br />

ca. 1930er<br />

Jahre)<br />

lassungen zu besorgen. Mit den – trotz der Inflation gleich gebliebenen<br />

und somit lächerlich geringen – Zahlungen der Stadt für die Verköstigung<br />

der Pfründner in den städtischen Anstalten von 89 Pfennigen pro Tag und<br />

Heiminsasse konnten die Schwestern die Lebensmittelversorgung nicht<br />

mehr garantieren. Sie hatten deshalb zunächst einen Hof in Perlach gepachtet.<br />

Als dessen Pachtvertrag nicht verlängert wurde, entschlossen sie sich,<br />

den gerade <strong>zum</strong> Verkauf stehenden Marxhof in Unterhaching zu erwerben.<br />

In den folgenden Jahren mussten an den Gebäuden des Hofes zahlreiche<br />

Renovierungsarbeiten durchgeführt werden. Das Gut bot sich wegen seiner<br />

ländlichen und dennoch stadtnahen Lage für die Errichtung eines weiteren<br />

Erholungsheims für die Schwestern an. Dessen Bau wurde 1926 genehmigt.<br />

1927 wurde zudem ein Nachbargrundstück zu einem günstigen Preis<br />

angekauft. Für den Bau der 1932 eingeweihten St. Altokirche stellte der<br />

Orden mit Genehmigung des Erzbischofs der Pfarrei das Baugrundstück<br />

zur Verfügung.<br />

10.6. Veränderungen der Statuten und Einführung der<br />

Ewigen Gelübde<br />

Das enorme Wachstum der Kongregation in den Jahren zwischen 1895 und<br />

1940 brachte nicht nur zahlreiche äußere Veränderungen mit sich, sondern<br />

wurde auch von bedeutenden internen Veränderungen begleitet. 107<br />

Bei der seit 40 Jahren amtierenden Generaloberin Schwester M. Regina<br />

Hurler machten sich zunehmend Anzeichen von Altersschwäche bemerkbar.<br />

Als sie dies selbst <strong>als</strong> Problem erkannt hatte, bot sie 1895 dem Erzbischof<br />

ihren Rücktritt an. Die freiwillige Resignation der Generaloberin nahm


Blütezeit des Ordens zu Beginn des 20. Jahrhunderts<br />

Superior Wendl mit Unterstützung des Erzbischofs Antonius von Thoma<br />

<strong>zum</strong> Anlass, einige organisatorische Veränderungen durchzusetzen. Der<br />

Superior entwarf eine Beilage zu den Statuten, die der Erzbischof 1895<br />

genehmigte. 103 Im Vorwort begründete von Thoma die Ergänzung damit,<br />

dass für die stark angewachsene Kongregation die wenigen und einfachen<br />

Bestimmungen zur inneren Organisation die Statuten von 1835 nicht mehr<br />

ausreichend seien. Zudem wünschte er, dass die in den letzten Jahren vom<br />

apostolischen Stuhl erlassenen neuen Verordnungen für die religiösen Frauengemeinschaften<br />

auch für die <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern gelten sollten.<br />

Die Statutenbeilage von 1895 traf sehr konkrete und detaillierte Regelungen<br />

zu Bestellung und Aufgabenverteilung der Ordensleitung. Zunächst<br />

wurde die Stellung des Superiors explizit gestärkt: „Der Superior führt die<br />

Oberaufsicht über das ganze Institut.“ Bestellung einer neuen Oberin und<br />

Versetzungen von Schwestern sollten nur mit ausdrücklicher Genehmigung<br />

des Superiors möglich sein, falls sie nicht sogar von ihm vorgenommen<br />

würden.<br />

Noch ausführlicher befasste sich die Statutenergänzung mit dem Amt<br />

der Generaloberin. Vor allem der Wahlmodus wurde ganz genau geregelt. In<br />

der Vergangenheit hatte es im Ermessen des Erzbischofs gelegen, entweder<br />

eine Wahl vornehmen zu lassen oder die Generaloberin selbst zu ernennen.<br />

Erst zweimal in der Ordensgeschichte war die Generaloberin durch<br />

Wahl bestimmt worden, nämlich 1845 die zweite Generaloberin Schwester<br />

M. Vinzentia Balghuber und 1855 die vierte Generaloberin Schwester M.<br />

Regina Hurler. In der langen Zeit ihrer Amtsführung wurde Schwester M.<br />

Regina immer nur vom Bischof in ihrem Amt bestätigt.<br />

In Zukunft sollten Delegierte der<br />

gesamten Schwesternschaft, das so<br />

genannte Generalkapitel, alle 6 Jahre<br />

die Generaloberin in einer geheimen<br />

Wahl unter Leitung des Erzbischofs<br />

oder des Superiors wählen. Wählbar<br />

sollten alle Schwestern über 40 sein,<br />

die seit mindestens 8 Jahren Professschwestern<br />

sind. Eine Wiederwahl<br />

sollte grundsätzlich möglich sein,<br />

außer es liegt ein Verbot der Wiederwahl<br />

vor. Für den Fall, dass auch nach<br />

dem dritten Wahlgang nicht die erforderliche<br />

absolute Mehrheit für eine<br />

Schwester zustande kommen sollte,<br />

behielt sich der Erzbischof die Ernen-<br />

GeneraloberinSchwester<br />

M. Avila<br />

Dorn (Ölgemälde<br />

im<br />

Mutterhaus)<br />

173


<strong>Festschrift</strong> der <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern<br />

174<br />

nung der Generaloberin vor. Die Macht der Generaloberin wurde beschnitten,<br />

indem ausdrücklich festgelegt wurde, sie müsse sich bei allen wichtigen<br />

Entscheidungen mit ihrem ständigen Rat beraten. Dieser ständige Rat sollte<br />

aus vier gewählten Schwestern bestehen. Zwei dieser Ratsschwestern sollte<br />

die Generaloberin zu ihren Assistentinnen bestimmen, wovon eine das Amt<br />

der Stellvertreterin, die andere das Amt der Novizenmeisterin erhalten sollte.<br />

Alle drei Jahre sollte die Generaloberin zudem ein Generalkapitel einberufen,<br />

um über den Stand der Kongregation und die Vermögensverhältnisse<br />

Rechenschaft abzulegen. Mit Genehmigung des Erzbischofs könnte die<br />

Generaloberin auch ein außerordentliches Generalkapitel einberufen, falls<br />

besondere Ereignisse dies erforderten.<br />

Auch zur Wahl der Kapitelschwestern, der Wahlschwestern, wurden<br />

genaue Regelungen und eine Einteilung in Wahlbezirke vorgenommen.<br />

Das aktive Wahlrecht wurde jeder Schwester, deren Profess mindestens vier<br />

Jahre zurückliegt, zugestanden. Als Delegierte wählbar sollten jedoch nur<br />

Oberinnen sein.<br />

Zur Anwendung kamen diese Neuregelungen erstm<strong>als</strong> im Jahr 1896. Die<br />

vom Erzbischof nach dem Rücktritt von Schwester M. Regina Hurler zur<br />

neuen Generaloberin ernannte ehemalige Oberin am Passauer Krankenhaus,<br />

Schwester M. Avila Dorn, wurde bei der Wahl durch das Generalkapitel<br />

bestätigt. Sie wurde 1902 und 1908 wiedergewählt, trat jedoch in der<br />

Mitte ihrer 3. Amtszeit zurück. Ihre Nachfolgerin Schwester M. Seraphina<br />

Sellmayr blieb aus gesundheitlichen Gründen nur ein Jahr im Amt. 1912<br />

und 1918 wurde Schwester M. Osmunda Rummel gewählt. Da sie 1924<br />

noch während ihrer zweiten Amtszeit verstarb, stellte sich die Frage nach<br />

einer 3. Wahl nicht mehr. Denn eine Wiederwahl nach 12 Jahren Amtszeit<br />

wurde inzwischen von Rom <strong>als</strong> bedenklich eingestuft. So hatte die Religiosenkongregation<br />

in Rom 1920 ein Schreiben herausgegeben, wonach<br />

die Wiederwahl nach 12 Jahren grundsätzlich abgelehnt werden sollte. Nur<br />

in begründeten Fällen sollte der Bischof Dispens bei der Religiosenkongregation<br />

einholen können, um eine erneute Wiederwahl zu ermöglichen.<br />

Von dieser Möglichkeit wurde bei den folgenden beiden Generaloberinnen<br />

Schwester M. Desideria Weihmayer und Schwester M. Castella Blöckl<br />

Gebrauch gemacht. Schwester M. Desideria war somit insgesamt 17 Jahre<br />

bis zu ihrem Tod im Amt. Schwester M. Castella wurde zwar 1953 eine<br />

3. Wahl ermöglicht, allerdings nur noch für drei Jahre Amtzeit. Seither wurden<br />

keine Ausnahmen mehr gemacht. Alle folgenden Generaloberinnen<br />

legten ihr Amt nach 12 Jahren nieder.<br />

Beim 10. Generalkapitel im Mai 1925 wurde für die Oberinnen der<br />

Niederlassungen festgelegt, dass sie nach 6 Jahren Amtszeit abgelöst bzw.<br />

ausgetauscht werden müssten.


Blütezeit des Ordens zu Beginn des 20. Jahrhunderts<br />

Von noch einschneidenderer<br />

Bedeutung war die Einführung der<br />

Ewigen Gelübde im Jahr 1934. Die<br />

<strong>Barmherzige</strong>n Schwestern hatten,<br />

wie schon erwähnt, <strong>als</strong> vinzentinische<br />

Gemeinschaft bisher zeitliche<br />

Gelübde abgelegt. Was bewegte die<br />

Kongregation nun, diesen Grundsatz<br />

fallen zu lassen? Die Initiative ging<br />

nicht von den Schwestern selbst aus,<br />

sondern vom Erzbischof von München<br />

und Freising, Michael Kardinal<br />

Faulhaber. In einem Schreiben<br />

des Mutterhauses an alle Filialen im<br />

Oktober 1933 wurde den Schwestern<br />

mitgeteilt, die Ordensleitung<br />

plane die Einführung der Ewigen Gelübde. Die Schwestern wurden aufgefordert,<br />

ein Formular auszufüllen, ob sie bereit seien, diese abzulegen. Das<br />

Ergebnis der Umfrage war mehr <strong>als</strong> eindeutig. Nur zwei Schwestern lehnten<br />

die Ewigen Gelübde rundweg ab und wollten sie auf keinen Fall selbst<br />

ablegen. Zwei weitere lehnten sie grundsätzlich ebenfalls ab, erklärten sich<br />

aber bereit, sie abzulegen, falls die Ordensleitung sie einführen sollte. Beim<br />

folgenden Generalkapitel im Januar 1934 wurde die Einführung beschlossen.<br />

Bei der dreitägigen Feier anlässlich der Heiligsprechung der Ordensheiligen<br />

Luise von Marillac legten die ersten <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern im<br />

Mutterhaus vor dem Erzbischof die Ewigen Gelübde ab. Den Schwestern,<br />

die vor der Einführung der Ewigen Gelübde eingetreten waren, wurde frei<br />

gestellt, ob sie diese ablegen wollten. Wer nach 1934 eintrat, musste jedoch<br />

nach 6 Jahren die Ewige Profess ablegen oder andernfalls den Orden wieder<br />

verlassen. Trotz der Freiwilligkeit legten fast alle Schwestern in den kommenden<br />

Jahren die Ewigen Gelübde ab. Die Mutterhauschronik berichtet<br />

1935: „Die Ablegung der Ewigen Gelübde geht in schöner Ordnung weiter. Die<br />

wenigen, die sich nicht entschließen konnten, die „Ewigen Gelübde“ abzulegen,<br />

dürfen gemäß den Konstitutionen, wie bisher weiter machen. Sie werden nicht auffallen,<br />

da ja alle Schwestern am Schmerzhaften Freitag wie üblich ihre Gelübde<br />

erneuern.“ 108 Nach wie vor wurde die Tradition beibehalten, die Gelübde<br />

jährlich zu erneuern. War es früher jedoch eine jährliche Wiederholung des<br />

Gelübdes gewesen, hatte es nun für einen Großteil der Schwestern nur noch<br />

eine rein zustimmende Bedeutung.<br />

Im Grunde änderte sich für das alltägliche Ordensleben der Schwestern<br />

konkret nichts durch die Ersetzung der zeitlichen Gelübde durch<br />

Generaloberin<br />

Schwester<br />

M. Osmunda<br />

Rummel<br />

(Ölgemälde<br />

im<br />

Mutterhaus)<br />

<strong>175</strong>


<strong>Festschrift</strong> der <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern<br />

176<br />

Professfeier<br />

in der<br />

Mutterhauskirche<br />

mit<br />

Kardinal von<br />

Faulhaber<br />

1939<br />

die Ewigen. Auch vorher war es nicht so leicht gewesen die Kongregation<br />

zu verlassen. Dreimal musste die Schwester ihre Vorgesetzten ernsthaft<br />

um Entlassung bitten, bevor der Bischof Dispens erteilte. Diese Regelung<br />

wurde auch für die Dispens von den Ewigen Gelübden übernommen.<br />

Allerdings waren nun die vor der Ewigen Profess abgelegten zeitlichen<br />

Gelübde nicht mehr so bindend wie früher. Das Verlassen der Gemeinschaft,<br />

aber auch die Entlassung durch die Vorgesetzten war nun leichter.<br />

Hat sich das Selbstverständnis der Schwestern durch die Einführung der<br />

Ewigen Gelübde geändert? Das ist schwer zu sagen, aber es ist anzunehmen,<br />

dass die meisten Schwestern schon die zeitlichen Gelübde mit der Absicht<br />

abgelegt hatten, sich für ihr ganzes Leben an die Kongregation zu binden.<br />

Mit der Einführung der Ewigen Gelübde hatten sie nun zudem die Möglichkeit,<br />

nach außen deutlicher zu machen, dass sie „vollwertige“ Ordensfrauen<br />

waren. Die Chronistin notierte 1934: „Mit wenigen Ausnahmen hat die<br />

Einführung der Ewigen Gelübde die Schwestern tief beglückt.“ 109<br />

Dass diejenigen, die es bedauerten, dass eine der wichtigsten Forderungen<br />

des hl. Vinzenz für seine Gründungen nun nicht mehr erfüllt wurde,<br />

die absolute Minderheit waren, zeigt, dass sich die Kongregation schon länger<br />

zu einem Orden im herkömmlichen Sinne entwickelt hatte.<br />

Welche Beweggründe hatte Kardinal von Faulhaber, die Einführung<br />

der Ewigen Gelübde bei den <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern durchzusetzen? Er<br />

selbst nennt seine Gründe in einem Schreiben an die bayerischen Bischöfe<br />

vom 12. Juli 1934. Ein Grund sei gewesen, dass er „die stille Sehnsucht vieler<br />

Vinzenzschwestern nach Ewigen Gelübden kannte“. Außerdem wünschte er,<br />

die Schwestern den anderen Orden rechtlich gleichzustellen. So erläutert<br />

er: „da … das Kirchenrecht von 1918 <strong>zum</strong> ersten Mal im Ordensrecht Klarheit


Blütezeit des Ordens zu Beginn des 20. Jahrhunderts<br />

schuf, habe ich mich entschlossen, die Kongregation der <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern,<br />

die im Sinne von can. 488,3 diözesanrechtlichen Charakter hat, die vota perpetua<br />

simplicia ablegen zu lassen, um auf diese Weise der Schwesternschaft die Privilegien<br />

einer wirklichen Kongregation von Religiosen unter Verpflichtung auf das kirchliche<br />

Ordensrecht, im besondern auf can. 538 – 631 und auf can. 669 – 672 zu<br />

verschaffen“. 110 Das neue kirchliche Gesetzbuch von 1918 hatte <strong>zum</strong> ersten<br />

Mal die vielen verschiedenen Ordensregeln zu einem klaren Ordensrecht<br />

zusammengefasst. Danach waren Ordenspersonen im eigentlichen Sinn nur<br />

diejenigen, die Ewige Gelübde abgelegt hatten. Nur diese sollten alle Rechte<br />

und Gnadenprivilegien dieses Standes genießen.<br />

Während andere vinzentinische Gemeinschaften wie das Pariser Mutterhaus<br />

oder auch das Straßburger Mutterhaus seit den 1880er Jahren päpstlich<br />

approbiert waren, war das Mutterhaus München nach wie vor keine<br />

Ordensgemeinschaft nach päpstlichem, sondern nach bischöflichem Recht.<br />

Ordensgemeinschaften, deren Mitglieder keine Gelübde auf Lebenszeit<br />

ablegen, werden nach dem Kirchenrecht nicht <strong>als</strong> Orden, sondern <strong>als</strong> Kongregationen<br />

bezeichnet. Allerdings hat auch eine Kongregation die Möglichkeit,<br />

beim Papst einen Antrag zu stellen, <strong>als</strong> eine Kongregation päpstlichen<br />

Rechts anerkannt zu werden.<br />

Als das Mutterhaus in Straßburg, zusammen mit einer Reihe weiterer von<br />

dort aus gegründeten Mutterhäusern, in den 1850er Jahren einen solchen<br />

Antrag auf päpstliche Approbation stellte, war zunächst auch das Münchner<br />

Mutterhaus dabei. Es dauerte allerdings bis 1872, bis die Straßburger Statuten<br />

approbiert wurden, und dies zunächst nur probeweise für 10 Jahre. Erst<br />

1884 erfolgte die eigentliche Approbation. Das Münchner Mutterhaus war<br />

aber nun anscheinend nicht mehr besonders daran interessiert, die päpstliche<br />

Approbation zu erhalten. Was steckte dahinter? Eventuell befürchtete<br />

man in diesen Zeiten des Kulturkampfs, den politischen Gegnern damit<br />

Rückenwind zu verschaffen. Man wollte sich wohl keine Steuerung durch<br />

Rom vorwerfen lassen.<br />

Schon Ludwig I. hatte bei der Einführung der <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern<br />

sehr viel Wert darauf gelegt, dass die neue Kongregation vom Ausland<br />

unabhängig war, sowohl vom Straßburger Mutterhaus <strong>als</strong> auch vom Papst<br />

in Rom. Während der Monarchie war es für die Münchner Kongregation<br />

eher von Vorteil <strong>als</strong> von Nachteil, eine Ordensgemeinschaft bischöflichen<br />

Rechts zu sein. So konnte man den Schwestern keinen Mangel an Loyalität<br />

gegenüber dem Staat vorwerfen und gleichzeitig hatten sie den Schutz<br />

aus Rom gegenüber den ihnen immer wohl gesonnenen Monarchen nicht<br />

nötig. Diese Voraussetzung hatte sich nun allerdings mit dem Ende der<br />

Monarchie 1918 geändert. Schon gegenüber den neuen republikanischen,<br />

erst recht aber gegenüber den nation<strong>als</strong>ozialistischen Machthabern mag der<br />

177


<strong>Festschrift</strong> der <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern<br />

Das für die<br />

Hundertjahrfeier<br />

der Kongregation<br />

am 10. März<br />

1932 festlich<br />

geschmückte<br />

Mutter-<br />

haus<br />

178<br />

Kardinal es für sicherer gehalten haben, der Münchner Kongregation durch<br />

Anpassung der Statuten an das von Rom vorgegebene Ordensrecht auch<br />

den Schutz des Vatikans zu sichern. Zwar erfolgte auch jetzt nicht die päpstliche<br />

Approbation der Kongregation. Bis heute ist sie eine Kongregation<br />

bischöflichen Rechts. Durch die Einführung der Ewigen Gelübde wurde<br />

sie jedoch <strong>als</strong> Orden im eigentlichen Sinne anerkannt und erwarb die damit<br />

verbundenen, von Rom gesicherten Rechte.<br />

10.7. Höhepunkte in der Ordensgeschichte:<br />

Hundertjahrfeier und Heilig-/Seligsprechung der<br />

Ordensheiligen Luise und Katharina<br />

Als das Mutterhaus München im Jahr 1932 sein 100-jähriges Bestehen<br />

begehen konnte, hatte es allen Grund <strong>zum</strong> Feiern. Aus der von der Elsässer<br />

Schwester Ignatia Jorth gegründeten kleinen vinzentinischen Ordensgemeinschaft<br />

war inzwischen eine Kongregation mit 2638 Mitgliedern und<br />

159 Niederlassungen geworden. Auch die Zahl der Kandidatinnen lag mit<br />

164 erfreulich hoch. 111<br />

Schon 1930 hatte man mit Renovierungsarbeiten am Mutterhaus begonnen,<br />

um <strong>zum</strong>indest das Nötigste vor dem <strong>Jubiläum</strong> instand zu setzen. Auf<br />

eine gründlichere Renovierung wurde allerdings verzichtet, da immer noch<br />

eine Verlegung des Mutterhauses im Raum stand.<br />

Als Kardinal von Faulhaber 1930 ein Buch über das Mutterhaus der<br />

<strong>Barmherzige</strong>n Schwestern in Fulda<br />

geschenkt bekommen hatte, regte<br />

er die Ordensoberen in München<br />

an, anlässlich ihres <strong>Jubiläum</strong>s ebenfalls<br />

ein Buch über ihr Mutterhaus<br />

schreiben zu lassen. 112 So beauftragen<br />

die Ordensoberen den Theologen Dr.<br />

Scherer, der auch schon ein Buch<br />

über die Geschichte des Straßburger<br />

Mutterhauses veröffentlicht hatte,<br />

eine Biographie der ersten Generaloberin<br />

in Bayern, Schwester Ignatia<br />

Jorth, zu verfassen. Prälat Pfaffenbüchler<br />

hatte statt einer Darstellung<br />

der geschichtlichen Entwicklung der<br />

Kongregation die Darstellung der


Lebensgeschichte der<br />

Gründerin gewünscht,<br />

allerdings nutzte Scherer<br />

diese, um die Gründungsgeschichte<br />

des<br />

Ordens anschaulich<br />

darzustellen. Der Superior<br />

selbst schrieb in<br />

seinem Festbrief zur<br />

Feier: „Große Ereignisse<br />

und weltbewegende Taten<br />

hat die Geschichte des<br />

Ordens nicht zu verzeichnen;<br />

wohl aber ein ständiges stilles Heldentum Stunde für Stunde, Tag für Tag, Tag<br />

und Nacht, werktags und feiertags, dem von vielen Seiten höchste Anerkennung und<br />

wärmstes Lob gespendet wurde und wird.“ 113<br />

Am 10. März 1932 feierte die Kongregation ihr 100-jähriges Bestehen<br />

mit Freunden und Gönnern in ihrem festlich geschmückten Mutterhaus.<br />

Auch aus den auswärtigen Filialen kamen viele <strong>Barmherzige</strong> Schwestern<br />

zur Feier ins tief verschneite München. Schneefall in der Nacht hatte die<br />

Stadt mit einem halben Meter Neuschnee bedeckt. Der Erzbischof von<br />

Hl. Schwester Katharina Labouré (1806 – 1876)<br />

Katharina Labouré wurde <strong>als</strong> einfaches<br />

Bauernmädchen am 2. Mai 1806 in<br />

einem kleinen Dorf in Burgund geboren.<br />

Früh schon mutterlos und an<br />

hartes Arbeiten gewöhnt, entschloss<br />

sie sich mit 24 Jahren, bei den <strong>Barmherzige</strong>n<br />

Schwestern in der Rue du Bac in<br />

Paris um Aufnahme zu bitten. Als Novizin<br />

hatte sie im Juli 1830 in der dortigen<br />

Kapelle eine Marienerscheinung. Bei<br />

einer weiteren Erscheinung Marias im<br />

November des gleichen Jahres erhielt<br />

Katharina den Auftrag, eine Muttergottesmedaille<br />

prägen und verbreiten<br />

zu lassen. Auf ihr inständiges Bitten<br />

hin führte ihr Beichtvater, dem sie sich<br />

anvertraute, den Auftrag schließlich aus.<br />

Die kleine Medaille fand eine unwahrscheinlich<br />

schnelle Verbreitung nicht<br />

nur in Frankreich, sondern weltweit. Da<br />

Blütezeit des Ordens zu Beginn des 20. Jahrhunderts<br />

immer wieder von Wundern im Zusammenhang<br />

mit der Medaille berichtet<br />

wurde, nannte sie das Volk bald „wundertätige<br />

Medaille“. Zu Katharinas<br />

Lebzeiten wusste die Öffentlichkeit<br />

nicht, wem die Muttergottes erschienen<br />

war und auf wen die Verbreitung<br />

der Medaille zurückging. Katharina<br />

führte über 40 Jahre das Leben einer<br />

einfachen und bescheidenen <strong>Barmherzige</strong>n<br />

Schwester. Die meiste Zeit davon<br />

arbeitete sie in einem Altenheim im<br />

Norden von Paris. Erst nach ihrem Tod<br />

am 31.12.1876 erfuhr die Öffentlichkeit<br />

von ihr. Schwester Katharina Labouré<br />

wurde 1933 selig und 1947 heilig gesprochen.<br />

Sie gilt neben dem hl. Vinzenz und<br />

der hl. Luise <strong>als</strong> bedeutendste Heilige<br />

der vinzentinischen Gemeinschaften.<br />

Seligsprechung<br />

von<br />

Katharina<br />

Labouré im<br />

Petersdom<br />

179


<strong>Festschrift</strong> der <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern<br />

Links:<br />

Hl. Katharina<br />

Labouré<br />

(Gemälde im<br />

Mutterhaus)<br />

Rechts:<br />

Hl. Luise<br />

von Marillac<br />

(Ölgemälde<br />

im<br />

Mutterhaus)<br />

180<br />

München und Freising, Michael Kardinal Faulhaber, leitete das feierliche<br />

Hochamt. Die Festpredigt am Nachmittag hielt Monsignore Konrad von<br />

Preysing, ein großer Freund des Ordens. Gegen Mittag war Oberbürgermeister<br />

Scharnagl in Begleitung zweier Stadträte ins Haus gekommen, um<br />

die Glückwünsche der Stadt zu überbringen. Als Dank und Anerkennung<br />

für die von den <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern seit 100 Jahren in den städtischen<br />

Einrichtungen geleisteten Dienste übereignete die Stadt München der Kongregation<br />

ein drei Tagwerk großes Stück Land in Berg am Laim. Von einem<br />

vorher geplanten Geldgeschenk hatte die Stadt Abstand genommen, weil<br />

die Ordensleitung signalisiert hatte, sie könne und wolle dieses wegen der<br />

allgemein schlechten wirtschaftlichen Lage und der angespannten finanziellen<br />

Lage der Stadt nicht annehmen.<br />

Hl. Luise von Marillac (1591 – 1660)<br />

Luise von Marillac wurde am 12. August<br />

1591 <strong>als</strong> uneheliche Tochter eines französischen<br />

Adeligen geboren, der <strong>als</strong> hoher<br />

königlicher Beamter eine einflussreiche<br />

Stellung am Pariser Hof innehatte. Es<br />

ist anzunehmen, dass die Mutter Luises<br />

von bürgerlicher Herkunft war und eine<br />

Heirat deshalb aus gesellschaftlichen<br />

Gründen nicht in Frage kam. Der Vater<br />

erkannte Luise dennoch <strong>als</strong> Tochter an<br />

und nahm sie zu sich, was jedoch für das<br />

Mädchen bedeutete, ohne Mutter aufzuwachsen.<br />

Während ihr Vater sie sehr<br />

liebte, scheint sie der Rest der adeligen<br />

Familie nie richtig akzeptiert zu haben.<br />

Umso größer war ihr Verlust, <strong>als</strong> sie den<br />

Vater schon <strong>als</strong> 13-Jährige verlor. Doch er<br />

hatte dafür gesorgt, dass seine Tochter<br />

eine standesgemäße Ausbildung erhielt.<br />

Zunächst wurde Luise von ihrer Tante im<br />

Kloster Poissy erzogen, später in einem<br />

Pariser Mädchenpensionat in der Haushaltsführung<br />

unterrichtet. Früh schon<br />

hatte sie den Wunsch, in einen Orden<br />

einzutreten, wurde aber wegen ihrer<br />

schwachen Gesundheit nicht aufgenom-


Die Romreisenden (von links):<br />

die Schwestern M. Clementia<br />

Schätz, M. Gradulpha Lehnert,<br />

M. Berthilia Hidringer, M.<br />

Pascalina Lehnert, Superior<br />

Pfaffenbüchler und Domkapitular<br />

Martin Grassl<br />

Besondere Freude bereitete den Schwestern das Glückwunschschreiben<br />

des Heiligen Vaters Pius XI. und die Geschenke ihres besonderen Gönners<br />

in Rom, Kardinal Pacelli. Er schickte ihnen zu ihrem <strong>Jubiläum</strong> zwei große<br />

Kerzen und ein Foto mit seinem Porträt und eigenhändiger Widmung.<br />

In den beiden dem <strong>Jubiläum</strong>sjahr folgenden Jahren sollte Rom den<br />

Münchner <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern, zusammen mit allen vinzentinischen<br />

Gemeinschaften, eine noch weit größere Freude machen: im Mai 1933<br />

wurde mit Schwester Katharina Labouré eine <strong>Barmherzige</strong> Schwester selig<br />

gesprochen und im März 1934 folgte die Heiligsprechung der Mitbegründerin<br />

der Vinzentinerinnen, Luise von Marillac. Zur Seligsprechung Katharinas<br />

durften den Superior drei <strong>Barmherzige</strong> Schwestern nach Rom begleiten:<br />

Schwester M. Berthilia Hidringer, Schwester M. Clementia Schätz<br />

und Schwester M. Gradulpha Lehnert. Besonders freudig wurden sie dort<br />

von der Haushälterin Pacellis, Schwester M. Pascalina Lehnert, der leiblichen<br />

Schwester von Schwester M. Gradulpha, empfangen. Zum Abschied<br />

men. Die Familie bestand schließlich auf<br />

der Heirat mit Antoine Le Gras, der <strong>als</strong><br />

Geheimsekretär der Königin Maria de<br />

Medici großen politischen Einfluss hatte.<br />

Doch in dieser Ehe, aus der ein Sohn hervorging,<br />

um den sie sich ihr Leben lang<br />

große Sorgen machte, scheint sie keine<br />

Erfüllung gefunden zu haben. Getrieben<br />

von der Sehnsucht, ihr Leben in den Dienst<br />

Gottes zu stellen, kämpfte sie immer<br />

wieder gegen ihre innere Unruhe und<br />

Unzufriedenheit an. In dieser Situation<br />

fand sie in Vinzenz von Paul einen geistlichen<br />

Begleiter, der ihr den gesuchten<br />

seelischen Halt gab. Schon zu Lebzeiten<br />

Blütezeit des Ordens zu Beginn des 20. Jahrhunderts<br />

ihres Mannes hatte Luise begonnen, karitativ<br />

zu wirken. Als ihr Mann nach zwölfjähriger<br />

Ehe verstarb, stellte sie ihr Leben<br />

ganz in den Dienst der Nächstenliebe.<br />

Ihr Seelsorger Vinzenz von Paul verstand<br />

es in den kommenden Jahren hervorragend,<br />

die Energie und Begeisterung<br />

Luises zu bündeln, indem er sie in sein<br />

im Aufbau befindliches Hilfswerk der<br />

christlichen Caritas mit einband. Zusammen<br />

mit Luise verwirklichte Vinzenz die<br />

Idee, Mädchen vom Land, die sich um<br />

die Armen, Kranken und anderen Notleidenden<br />

der französischen Hauptstadt<br />

annehmen sollten, in kleinen Gemein- >>><br />

181


<strong>Festschrift</strong> der <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern<br />

182<br />

überreichte Kardinal Pacelli den Schwestern ein Reliquiar der seligen<br />

Katharina.<br />

Zur Heiligsprechung von Luise von Marillac reisten nur Prälat Pfaffenbüchler<br />

und Kardinal von Faulhaber, aber im Juni feierte das Mutterhaus<br />

ein dreitägiges Fest, ein Triduum, zu Ehren der hl. Luise. Bei diesem Anlass<br />

wurden die ersten Ewigen Gelübde abgelegt.<br />

Die berechtigte Freude der <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern, nun neben dem<br />

hl. Vinzenz von Paul mit der hl. Luise eine weitere Heilige <strong>als</strong> Ordensgründerin<br />

verehren zu können, wurde durch die inzwischen erfolgte Machtübernahme<br />

der Nation<strong>als</strong>ozialisten in Deutschland überschattet. Schon im<br />

<strong>Jubiläum</strong>sjahr 1932 waren Jubel und Dankbarkeit über das in den vergangenen<br />

100 Jahren geschaffene Werk getrübt gewesen angesichts der drohenden<br />

politischen Veränderungen.<br />

Auch Kardinal Pacelli äußerte sich bereits im August gegenüber Superior<br />

Pfaffenbüchler äußerst besorgt über die politische Entwicklung in Deutschland:<br />

„Auch nach hierher dringt die Kunde von den Geschehnissen in Deutschland!<br />

„Der gerade Weg“ wird mir seit einiger Zeit zugesandt. Wir hoffen und beten,<br />

dass der liebe Gott Ihr schwergeprüftes Vaterland aus diesem Chaos heraus und einer<br />

glücklicheren Zeit entgegenführen möge.“ 114 Doch leider sollte erst noch eine<br />

sehr schwere Zeit anbrechen, <strong>als</strong> es der NSDAP 1933 gelang, die Macht zu<br />

übernehmen und alle anderen politischen Kräfte auszuschalten.<br />

schaften in Pariser Mietswohnungen<br />

unterzubringen. Vinzenz übertrug Luise<br />

die Leitung und Koordination dieser Helferinnen,<br />

die sich „Filles de la Charite –<br />

Töchter der christlichen Liebe“ nannten.<br />

Die päpstliche Approbation dieser neuen<br />

Kongregation im Jahr 1668 erlebten<br />

weder Vinzenz noch Luise, die beide 1660<br />

starben. Wie sehr diese neue Art von<br />

„Orden“ einem Bedürfnis der Zeit entsprach,<br />

zeigt die schnelle Ausbreitung. So<br />

entstanden aus den „Töchtern der Liebe“<br />

bzw. nach ihrem Vorbild zahlreiche vinzentinische<br />

Gemeinschaften, die sich von<br />

Frankreich ausgehend zunächst europaweit,<br />

dann auch weltweit um Notlei-<br />

*<br />

dende aller Art annahmen und bis heute<br />

annehmen. (Siehe Beitrag zu Vinzenz von<br />

Paul, Kap.1)<br />

Das Leitmotiv, das sich Luise für ihr Leben<br />

gewählt hatte, das Pauluswort, „die<br />

Liebe Christi, des Gekreuzigten, drängt<br />

uns“, ist <strong>als</strong> „Caritas Christi urget nos“,<br />

der Wahlspruch ihrer geistlichen Töchter<br />

geblieben.<br />

Die von allen diesen vinzentinischen Frauenkongregationen<br />

<strong>als</strong> Ordensgründerin<br />

verehrte Luise von Marillac wurde 1920<br />

zunächst selig und 1934 heilig gesprochen.<br />

Papst Johannes XXIII. ernannte sie<br />

zur Patronin aller im sozial-karitativen<br />

Bereich Tätigen.


Kapitel 11<br />

Die <strong>Barmherzige</strong>n<br />

Schwestern unter dem<br />

Nation<strong>als</strong>ozialismus<br />

11.1. Verdrängung aus der Kinder- und Jugendarbeit<br />

Nach ihrer Machtergreifung schienen die Nation<strong>als</strong>ozialisten die katholische<br />

Kirche im Gegensatz zu ihren anderen Gegnern zunächst noch zu schonen.<br />

Mit Ausnahme von sehr exponierten Katholiken wie beispielsweise dem<br />

Publizisten Fritz Gerlich, der mit seinem „Geraden Weg“ vehement vor der<br />

drohenden Gefahr durch die NSDAP gewarnt hatte, wurden Katholiken<br />

vorerst nicht behelligt.<br />

Schon im Juli 1933 schloss die neue Reichsregierung das Konkordat mit<br />

dem Vatikan, das unter den Regierungen der Weimarer Republik trotz langer<br />

Verhandlungen mit dem päpstlichen Nuntius nicht zustande gekommen<br />

war. Ziel der Nation<strong>als</strong>ozialisten war, die einflussreiche katholische Kirche,<br />

die sich schon in den letzten Jahren der Weimarer Republik <strong>als</strong> Gegner der<br />

Nation<strong>als</strong>ozialistischen Deutschen Arbeiterpartei (NSDAP) profiliert hatte,<br />

erst einmal ruhig zu stellen. Erst wollten sie sich auf die Ausschaltung ihrer<br />

anderen politischen Feinde wie der Kommunisten und Sozialdemokraten<br />

konzentrieren. Mit dem Vertragsabschluss mit dem Vatikan erhielt die neue<br />

Regierung zudem eine nicht unbeachtliche außenpolitische Anerkennung.<br />

Der Vatikan wiederum erhoffte sich durch das Konkordat, die katholische<br />

Kirche zu schützen und sie vor der Gleichschaltung zu bewahren.<br />

Doch trotz des Konkordats trauten viele deutsche Katholiken den neuen<br />

Machthabern nicht. So sorgten sich auch die <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern um<br />

ihre Zukunft, obwohl den Orden im Konkordat freie Entfaltung zugesichert<br />

worden war. Ein Chronikeintrag von 1933 zeigt dies deutlich: „Die Regierung<br />

der nationalen Revolution tat sich immer mehr hervor. Unbeugsam nahmen<br />

sie unter dem Schein der Freundlichkeit allen die Macht aus der Hand… Jeden Tag<br />

183


<strong>Festschrift</strong> der <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern<br />

184<br />

wurde die Sorge größer, jeden Tag auch die Vorsicht und Zurückhaltung, zu der die<br />

Schwestern nicht genug ermahnt werden konnten.“ 115<br />

Die Ordensoberen gaben den Schwestern strikte Anweisung, sich zu<br />

politischen Dingen nicht zu äußern, selbst untereinander sollten sie vorsichtig<br />

sein. Schriftlich sollte politisch Brisantes möglichst gar nicht festgehalten<br />

werden, was zur Folge hatte, dass im Archiv zur NS-Zeit nicht viel<br />

an derartigem Material zu finden ist. Anzunehmen ist, dass vieles nur noch<br />

im kleinen Kreis der Ordensoberen besprochen worden ist, ohne es schriftlich<br />

festzuhalten. Schon bald sollte sich zeigen, dass die Nation<strong>als</strong>ozialisten<br />

nicht daran dachten, das Konkordat wirklich einzuhalten. In den kommenden<br />

Jahren zeigten die Nation<strong>als</strong>ozialisten immer offener ihre grundsätzliche<br />

Gegnerschaft zur katholischen Kirche und verstießen gegen zahlreiche<br />

Bestimmungen des Konkordats. Auch Papst Pius XI. (1857 – 1939), der 1937<br />

mit der Enzyklika „Mit brennender Sorge“ gegen die Konkordatsbrüche<br />

protestierte, konnte die katholische Kirche in Deutschland nicht vor der<br />

Willkür der nation<strong>als</strong>ozialistischen Machthaber schützen.<br />

Eine geheime Anweisung des Reichssicherheitsdienstes vom 15. Februar<br />

1938 macht mehr <strong>als</strong> deutlich, was die Nation<strong>als</strong>ozialisten mit den katholischen<br />

Orden vorhatten: „Die Orden sind der militante Arm der katholischen<br />

Kirche. Sie müssen daher von ihren Einflussgebieten zurückgedrängt, eingeengt und<br />

schließlich vernichtet werden.“ 116<br />

Eines der ersten Angriffsziele der Nation<strong>als</strong>ozialisten waren die in der<br />

Erziehung tätigen Orden. Der NSDAP war sehr viel daran gelegen, den<br />

Erziehungsbereich ganz in die eigene Hand zu bekommen, um die Kinder<br />

in ihrem Sinne erziehen zu können. Einem Schreiben des Bayerischen<br />

Jugend so oder so?<br />

Sportliche junge Mädchen<br />

werden betenden<br />

<strong>Barmherzige</strong>n Schwestern<br />

gegenübergestellt<br />

(Ausschnitt aus der Zeitschrift<br />

„Der SA-Mann“<br />

vom 8. Mai 1937).


Die <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern unter dem Nation<strong>als</strong>ozialismus<br />

Kultusministeriums ist zu entnehmen,<br />

was die Regierung von der Erziehung<br />

durch Ordensangehörige hielt: „Bei<br />

der Eigenart des klösterlichen Erziehungsbetriebes<br />

ist eine Nation<strong>als</strong>ozialistische<br />

Gemeinschaftserziehung in klösterlichen<br />

Schülerheimen nicht durchführbar.“ 117<br />

Noch weit deutlicher wird in der<br />

Zeitschrift „Der SA-Mann“ vom<br />

8. Mai 1937 gegen die klösterliche<br />

Erziehung polemisiert: „… muß man<br />

untersuchen, wie weit die Produkte einer<br />

solchen welt- und lebensfremden, ja<br />

direkt naturwidrigen Erziehung für die<br />

Volksgemeinschaft überhaupt noch tragbar<br />

sind. Das auf einen engen Lebensraum<br />

zusammengedrängte deutsche Volk kann<br />

es sich einfach nicht mehr leisten, einen<br />

Teil seiner Jugend durch eine f<strong>als</strong>che lebensfremde Erziehung für die Erfüllung harter<br />

Gegenwartsaufgaben untüchtig machen zu lassen.“ 118<br />

Der nation<strong>als</strong>ozialistischen Regierung gelang es, die Orden in den Jahren<br />

1936/37 weitgehend aus dem Erziehungsbereich zu verdrängen. Auch die<br />

<strong>Barmherzige</strong>n Schwestern waren von dieser politischen Offensive betroffen:<br />

Zum einen indirekt durch die Schließung der Schülerheime der Salesianer<br />

bzw. Benediktiner in Amberg und Eichstätt, in denen die Schwestern die<br />

Hauswirtschaft geführt hatten, <strong>zum</strong> anderen in ihren eigenen Einrichtungen<br />

der Kinder- und Jugendpflege. In Strullendorf, einem dem städtischen Krankenhaus<br />

Bamberg angegliederten Walderholungsheim für schwächliche,<br />

unternährte und rachitische Kinder und Kinder mit geschlossener Tuberkulose,<br />

waren die Münchner <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern seit der Eröffnung des<br />

Heims im Jahr 1920 für Hauswirtschaft und Betreuung der Kinder zuständig<br />

gewesen. Das Singen eines Adventslieds „Komm doch Emmanuel! Komm<br />

und erlös dein Israel!“ sorgte bei den eingeladenen Vertretern der Stadt und<br />

Partei für einen Eklat. Folge war, dass zur Unterstützung der <strong>Barmherzige</strong>n<br />

Schwester, die <strong>als</strong> Kindergärtnerin arbeitete, eine NS-Kindergärtnerin eingestellt<br />

wurde. Obwohl das Mutterhaus daraufhin noch eine weitere eigene<br />

Kindergartenschwester nach Strullendorf schickte, erklärte der Bamberger<br />

Oberbürgermeister im Mai 1935, die <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern hätten<br />

sich ganz aus der Erziehungsarbeit zurückzuziehen und seien nur noch für<br />

die Hauswirtschaft zuständig. Diese wurde ihnen schließlich im März 1937<br />

ebenfalls gekündigt. Zusammen mit einer <strong>Barmherzige</strong>n Schwester, die in<br />

Eine <strong>Barmherzige</strong>Schwester<br />

beim<br />

Spielen mit<br />

einem Kind,<br />

Indersdorf<br />

1950er Jahre<br />

185


<strong>Festschrift</strong> der <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern<br />

186<br />

der ambulanten Pflege gearbeitet hatte, wurden die Schwestern aus Strullendorf<br />

abgezogen.<br />

Auch das Bezirkskinderheim Bogen, das die Schwestern 1915 <strong>als</strong> ärmliche<br />

Kleinkinderbewahranstalt übernommen und zu einem angesehenen<br />

Kinderheim entwickelt hatten, wurde ihnen 1937 überraschend gekündigt.<br />

Nach einer Protestaktion der Bevölkerung wurde die Kündigung vorübergehend<br />

wieder aufgehoben, wenig später aber erneut ausgesprochen. Da<br />

ihnen zunächst signalisiert worden war, auch die zweite Kündigung sei nicht<br />

ernst zu nehmen, waren die Schwestern umso härter betroffen, <strong>als</strong> ihnen am<br />

1. März 1938 schriftlich mitgeteilt wurde, sie hätten das Haus umgehend<br />

zu verlassen. Nachdem sie noch einen kleinen Aufschub erreichen konnten,<br />

verließen sie am 10. März endgültig das Kinderheim in Bogen, das daraufhin<br />

wie schon Strullendorf von der NSV, der Nation<strong>als</strong>ozialistischen Volkswohlfahrt,<br />

übernommen wurde.<br />

Auch die Marienanstalt im Kloster Indersdorf blieb nicht unbehelligt.<br />

Schon seit 1933 machte den Schwestern dort einer der weltlichen Lehrer zu<br />

schaffen, der offen nation<strong>als</strong>ozialistisches Gedankengut vertrat, ja sogar eine<br />

Hitlerjugend innerhalb der Klostermauern organisierte. Die Schwestern<br />

mussten hilflos mit ansehen, wie er nach eigenem Gutdünken schaltete und<br />

waltete. Spätestens seit 1936 war eine zunehmend feindselige Haltung der<br />

staatlichen Behörden gegenüber den Schwestern in Indersdorf festzustellen.<br />

Bei einer Visitation der Schulbehörde am 26.11.1936 hatte der Schulrat<br />

einiges zu beanstanden. 119 In der Bücherei sei kein nation<strong>als</strong>ozialistisches<br />

Schriftgut zu finden, die Bildnisse des Führers seien zwar vorhanden, aber<br />

gegenüber dem sonstigen Wandschmuck zu sehr im Hintergrund, statt mit<br />

dem Hitlergruß sei er von den Schwestern und den Kindern mit „Gelobt<br />

sei Jesus Christus“ oder „Grüß Gott“ begrüßt worden. Den Deutschen<br />

Gruß hätte bis auf eine Gruppe von Knaben keiner verwendet. Diesen<br />

negativen Visitationsbericht nahm das Bayerische Finanzministerium <strong>zum</strong><br />

Anlass, den Schwestern völlig widerrechtlich den langfristig geschlossenen<br />

Vertrag am 30.12.1937 zu kündigen. So mussten die <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern<br />

am 15. Juli 1938 die Anstalt schweren Herzens verlassen. Die Marienanstalt<br />

wurde daraufhin eine N.S.-Kinderheimstätte.<br />

Im Jahr 1943 wurde den Schwestern von der Stadt München die Kündigung<br />

für die Kinderkrippen St. Josef und St. Peter ausgesprochen. Nur die<br />

St. Annakrippe wurde ihnen noch belassen.<br />

Warum die Nation<strong>als</strong>ozialisten nicht auch versuchten, das Kinderheim<br />

in Landshut an sich zu bringen, ist nicht ganz zu klären. Wahrscheinlich<br />

wäre es in diesem Fall nicht ganz so einfach gewesen, da es dem Marienverein<br />

gehörte und nicht wie Indersdorf dem Staat bzw. wie Strullendorf der<br />

Stadt Bamberg. Auf staatliche und städtische Behörden war sicher leichter


Die <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern unter dem Nation<strong>als</strong>ozialismus<br />

Einfluss zu nehmen <strong>als</strong> auf diesen Verein. Und hier hatten die Schwestern<br />

auch keine eigene allgemeinbildende Schule, so dass der Staat immer noch<br />

die Möglichkeit hatte, über die Schulen die Kinder ideologisch in seinem<br />

Sinne zu formen.<br />

11.2. Die Braunen Schwestern – eine Bedrohung für<br />

<strong>Barmherzige</strong> Schwestern?<br />

Traditionell hatten die <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern in den von ihnen übernommenen<br />

Einrichtungen die so genannte Kostregie. Das heißt, sie waren<br />

eigenverantwortlich für Einkauf und Vorratshaltung zuständig. In München<br />

begannen die städtischen Behörden schon bald nach der Machtergreifung,<br />

den Schwestern durch schikanöse Kontrollen ihrer Wirtschaftsführung das<br />

Leben schwer zu machen. Diese Entwicklung gipfelte darin, dass den <strong>Barmherzige</strong>n<br />

Schwestern ab 1. Oktober 1936 die Kostregie in allen städtischen<br />

Altenheimen und Spitälern entzogen wurde. Mit einem neuen Vertrag zwischen<br />

der Stadt und dem Orden 120 , der <strong>zum</strong> 1. April 1937 in Kraft trat und<br />

alle alten Verträge außer Kraft setzte, wurde die eigenständige Kostregie der<br />

Schwestern auch in den städtischen Krankenhäusern und einigen Münchner<br />

Privatkliniken eingeschränkt.<br />

Während die Nation<strong>als</strong>ozialisten keinerlei Interesse daran hatten, den<br />

Ordensschwestern die Pflege in den vielen Altenheimen und Spitälern streitig<br />

zu machen, verfolgten sie ab 1935 mit Vehemenz das Ziel, die katholischen<br />

Orden und die Diakonissen aus den Krankenhäusern zu verdrängen.<br />

Doch um dieses Ziel zu erreichen, mussten sie erst für einen geeigneten<br />

Ersatz sorgen. Dafür sollten eigene nation<strong>als</strong>ozialistische Krankenschwestern<br />

ausgebildet werden. Deshalb starteten sie ab 1935 eine große Werbekampagne,<br />

um junge Frauen für die Ausbildung zu gewinnen. Ganz gezielt dienten<br />

in dieser Propaganda die Krankenschwestern der beiden christlichen Kirchen<br />

<strong>als</strong> negatives Gegenmodell für den neuen Typus von Krankenschwester.<br />

Die Werbung für die so genannten Braunen Schwestern ging deshalb oft<br />

einher mit einer Diffamierung der katholischen Ordensschwestern und der<br />

Diakonissen: „An Stelle der weltabgewandten Diakonisse und Ordensschwester<br />

tritt die lebensbejahende neue Deutsche Schwester, wie wir sie in der NS-Schwesternschaft,<br />

im Deutschen Roten Kreuz und im Reichsbund der freien Schwestern<br />

und Pflegerinnen sehen. Für sie ist der Schwesternberuf nicht Flucht aus dem Leben,<br />

sondern Lebensbejahung, Arbeit für das Leben unseres Volkes.“ 121<br />

Die Werbekampagne hatte in Südbayern weit weniger Erfolg <strong>als</strong> in Nordbayern.<br />

Hier wurde auch die erste bayerische NS-Schwesternschule am<br />

19.01.1936 in Bamberg eröffnet. Die erste Übernahme eines bayerischen<br />

187


<strong>Festschrift</strong> der <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern<br />

188<br />

Krankenhaus<br />

Schwabing<br />

(ca. 1960)<br />

Stadtkrankenhauses durch die NSV erfolgte ebenfalls im bekanntermaßen<br />

sehr „braunen“ Franken, nämlich in Ansbach.<br />

Trotz der Einrichtung der NS-Schwesternschule am Krankenhaus in<br />

Bamberg blieben die <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern weiterhin dort tätig. Der<br />

Chefarzt des Krankenhauses hatte nach der langen Zusammenarbeit mit<br />

den Ordensschwestern an deren Weiterbeschäftigung festgehalten. Nach<br />

Berichten älterer Schwestern gestaltete sich das Nebeneinander der Ordensschwestern<br />

und der jungen Braunen Schwestern nicht nur in Bamberg,<br />

sondern auch an anderen Krankenhäusern meist nicht problematisch. Die<br />

unerfahrenen Braunen Schwestern suchten häufig den Rat der erfahrenen<br />

<strong>Barmherzige</strong>n Schwestern.<br />

Für die Ordensschwestern waren weniger die einzelne Braune Schwester<br />

und die Zusammenarbeit mit ihr in der Praxis das Problem <strong>als</strong> vielmehr die<br />

politische Zielsetzung, die hinter der gezielten Förderung der NS-Schwesternschaft<br />

stand. Das Ziel war nun einmal, die Ordensschwestern ganz aus<br />

den Krankenhäusern zu drängen und durch die Braunen Schwestern zu<br />

ersetzen. Gerade in München, wo alle städtischen Krankenhäuser in der<br />

Hand der <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern waren, arbeitete die NSV hinter den<br />

Kulissen schon lange daran, für die Braunen Schwestern Terrain zu gewinnen.<br />

Immer wieder stellte die Gauleitung der NSDAP Anträge bei der<br />

Münchner Stadtverwaltung, so viele städtische Krankenhäuser wie möglich<br />

mit Braunen Schwestern zu besetzen. 122 Die Nation<strong>als</strong>ozialisten erreichten<br />

schließlich, dass Braune Schwestern im Krankenhaus rechts der Isar und im<br />

Schwabinger Krankenhaus ausgebildet wurden. Die Direktion des Krankenhauses<br />

Schwabing hatte zunächst generell den Antrag, dort auch Braune


Die <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern unter dem Nation<strong>als</strong>ozialismus<br />

Schwestern einzusetzen, mit dem Hinweis abgelehnt, diese seien überflüssig,<br />

schließlich aber eine Einsatzmöglichkeit in der Kinderabteilung angeboten.<br />

Gerade daran war die NSV besonders interessiert, da sie damit eine Möglichkeit<br />

für die Ausbildung von Kinderkrankenschwestern bekam. Doch die<br />

Gauleitung gab sich damit noch nicht zufrieden. Sie wollte weit mehr und<br />

machte Druck mit dem Hinweis auf das Gesetz zur Ordnung der Krankenpflege<br />

vom 28.09.1938, dessen Ziel vor allem sei, „die Krankenhäuser<br />

so weit wie möglich mit Schwestern zu besetzen, die neben einer sorgfältigen und<br />

gründlichen Ausbildung auch weltanschaulich die Voraussetzungen, die der Nation<strong>als</strong>ozialismus<br />

an sie stellt, erfüllen“. 123 Immer wieder wurde angemahnt, dass<br />

dies doch gerade in der „Hauptstadt der Bewegung“ möglich sein sollte.<br />

Das Krankenhaus rechts der Isar sollte nach den Vorstellungen der NSDAP<br />

vollständig übernommen werden und <strong>als</strong> Gaumutterhaus dienen. Der<br />

Gauleiter hatte bereits einen vorgefertigten Vertrag zur Übernahme <strong>zum</strong><br />

1. April 1940 vorbereitet und dem Oberbürgermeister <strong>zum</strong> Unterschreiben<br />

vorgelegt. So unter Druck geraten forderte die Stadtverwaltung eine<br />

Stellungnahme der Verwaltung des Krankenhauses rechts der Isar an. Diese<br />

stellte in einem detaillierten Plan die Kosten, die die Stadt bisher für die<br />

<strong>Barmherzige</strong>n Schwestern aufbringen musste, den Kosten, die für die neuen<br />

weltlichen Schwestern veranschlagt wurden, gegenüber. Dabei kam sie zu<br />

dem Ergebnis, dass mit der Einführung der neuen Schwestern erheblich<br />

höhere Kosten verbunden wären. Da die <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern nicht<br />

nur die Pflege innehätten, sondern auch die Hauswirtschaft und Verwaltung,<br />

müssten auch dafür neue Kräfte eingestellt werden. Die Schwestern,<br />

denen „eine denkbar sparsame Wirtschaft im Interesse des Hauses“ 124 attestiert<br />

wurde, kämen im Durchschnitt auf eine Arbeitszeit von 122 Stunden in der<br />

Woche. Für die neuen Schwestern könnte man nur die 60-Stundenwoche<br />

ansetzen. Bei Urlaub und Krankheit würde der Orden ohne Mehrkosten<br />

einen Ersatz stellen. Für die Ordensschwestern müssten zudem keine Sozialabgaben<br />

bezahlt werden. Hinzu käme, dass man für das weltliche Personal<br />

neue Personalwohnungen zur Verfügung stellen müsste, da ihm eine Unterbringung<br />

wie den <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern in einem Gemeinschaftszimmer<br />

von 8-10 Personen nicht zu<strong>zum</strong>uten wäre. Alles in allem kämen die<br />

jährlichen Personalkosten auf 457.000 RM, statt der bisherigen Kosten von<br />

knapp über 74.000 RM. Angesichts dieser Zahlen gab sich nicht nur die<br />

Stadtverwaltung, sondern auch der Sachbearbeiter der NSV geschlagen.<br />

Allerdings unternahm der Gauleiter ein Jahr später einen erneuten Vorstoß.<br />

In der Antwort des Oberbürgermeisters wird in Aussicht gestellt, dass die<br />

Braunen Schwestern in Zukunft einzelne Abteilungen in den städtischen<br />

Krankenhäusern übernehmen könnten. Konkrete Verhandlungen darüber<br />

wollte die Stadt jedoch erst nach Kriegsende führen.<br />

189


<strong>Festschrift</strong> der <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern<br />

190<br />

Das Mutterhaus<br />

um das<br />

Jahr 1930<br />

Der Versuch der Nation<strong>als</strong>ozialisten, die <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern aus<br />

den Münchner Krankenhäusern zu verdrängen, war <strong>als</strong>o <strong>zum</strong> einen daran<br />

gescheitert, dass die Krankenhausdirektoren kein Interesse daran hatten, ihr<br />

qualifiziertes Personal gegen die neuen Braunen Schwestern einzutauschen.<br />

Zum anderen wollte auch die Stadtverwaltung nicht riskieren, aus rein ideologischen<br />

Gründen die Stadtkasse mit erheblichen Mehrkosten zu belasten<br />

und eine funktionierende Gesundheitsversorgung zu gefährden. Nach<br />

Kriegsbeginn mit der zusätzlichen Belastung durch die Heimatlazarette war<br />

daran schon gar nicht mehr zu denken. Denn so sehr die Nation<strong>als</strong>ozialisten<br />

die Werbetrommel für die Braunen Schwestern rührten, schafften sie es<br />

doch nicht, genügend Schwestern zu rekrutieren, um die Ordensschwestern<br />

auch nur rein zahlenmäßig ersetzen zu können.<br />

An dieser Tatsache, dass es der NSV nicht gelang, den Bedarf an Pflegekräften<br />

mit ihren Braunen Schwestern zu decken, scheiterte auch der<br />

Versuch der Nation<strong>als</strong>ozialisten, die <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern aus ihrem<br />

Mutterhaus zu verteiben. 125 Ab 1936 gab es wieder sehr konkrete und<br />

großzügige Neubaupläne für das Krankenhaus links der Isar. Obwohl eine<br />

Bebauung denkbar gewesen wäre, der das Mutterhaus nicht hätte weichen<br />

müssen, planten Kultusministerium und Oberbürgermeister, die neue Überbauung<br />

des Geländes <strong>zum</strong> Anlass zu nehmen, das Mutterhaus endgültig zu<br />

beseitigen. Der Oberbürgermeister ließ zu diesem Zweck vom städtischen<br />

Fiskalreferat ein Rechtsgutachten ausarbeiten, das die Eigentumsfrage des<br />

Mutterhauses klären sollte. Das Gutachten vom 2.10.1937 126 kam zu dem<br />

Ergebnis, die Krankenhausstiftung habe dem Orden den Platz nur leihweise<br />

überlassen. Da die Eigentümerin diesen jetzt selbst dringend benötige,<br />

könne man dem Orden das auf dem Platz stehende Mutterhaus jederzeit


Die <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern unter dem Nation<strong>als</strong>ozialismus<br />

und ohne Entschädigung wegnehmen. Der Oberbürgermeister war mit diesem<br />

Rechtsgutachten im Rücken bereit, die Räumung des Hauses notfalls<br />

auch auf dem Rechtsweg durchzusetzen. Konkret wurde schon überlegt,<br />

welche Kündigungsfrist man dem Orden kulanterweise einräumen wolle.<br />

Die einzigen Bedenken, die der Oberbürgermeister hatte, entsprangen nicht<br />

der Rücksicht gegenüber den Schwestern, sondern der Angst, der Orden<br />

könnte seinerseits den erst am 2.3.1937 geschlossenen Vertrag mit der Stadt,<br />

die Pflege in den städtischen Krankenhäusern betreffend, kündigen, bevor<br />

die <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern durch genügend andere Pflegekräfte ersetzt<br />

werden könnten. Es ging schließlich um nicht weniger <strong>als</strong> den Ersatz von<br />

über 700 Schwestern und 7 Oberinnen. Der Oberbürgermeister hatte<br />

berechtigte Zweifel, ob dies gelingen würde, <strong>zum</strong>al ein vertrauliches Rundschreiben<br />

des Reichs- und Preußischen Innenministeriums vom 30. Juli<br />

1937 gewarnt hatte, dass „der Ersatz der Ordensangehörigen durch andere Pflegepersonen<br />

augenblicklich auf größte Schwierigkeiten“ stoße und deshalb „die<br />

örtlichen Stellen an der Einleitung übereilter und wegen ihrer Auswirkungen unerwünschter<br />

Maßnahmen verhindert werden sollen“. 127<br />

Auf direkte Anfrage bei NSV-Hauptamtsleiter Hilgenfeldt erhielt der<br />

Oberbürgermeister Ende Dezember 1937 Folgendes mitgeteilt: „Aus den<br />

mir unterstellten Schwesternschaften bin ich nicht in der Lage, Ersatz für die bei<br />

Ihnen tätigen Ordensschwestern zu stellen. Ich habe mich jedoch sofort an den<br />

Herrn Reichs- und Preußischen Minister des Innern gewandt, um durch diesen zu<br />

erreichen, dass einer Vertragskündigung durch den Orden vorgebeugt wird. Der Herr<br />

Reichs- und Preußische Minister des Innern hat mir mit Schreiben vom 23. ds. Mts.<br />

mitgeteilt, dass eine grundsätzliche Regelung in den Fragen der freien Wohlfahrtspflege<br />

in Kürze zu erwarten sei.“ 128<br />

Da der Orden im Stadtrat noch einige Freunde hatte, erfuhr die Ordensleitung<br />

bereits frühzeitig durch eine vertrauliche Mitteilung von der<br />

geplanten Enteignung. Die Beunruhigung war groß. Offizielle Verhandlungen<br />

mit dem Superior wurden erst Ende 1937 aufgenommen. In der<br />

entscheidenden Frage, wie sich der Orden im Falle einer Räumung des<br />

Mutterhauses verhalten werde, verhielt sich Prälat Pfaffenbüchler äußerst<br />

zurückhaltend und abwartend. Stadt und Kultusministerium ließen schließlich<br />

von dem riskanten Plan ab, der die städtische Gesundheitsversorgung<br />

hätte gefährden können. Sie wandten sich lieber neuen, noch attraktiveren<br />

Plänen zu. Diese sahen vor, in Nymphenburg ein neues Universitätsviertel<br />

mit verschiedenen Universitätskliniken zu errichten, Pläne, die letztlich aber<br />

am Kriegsausbruch scheiterten.<br />

Auch wenn die drohende Enteignung des Mutterhauses noch einmal<br />

abgewendet werden konnte, war deutlich geworden, dass die Stadt München<br />

und das Kultusministerium sofort bereit gewesen wären, die Barmher-<br />

191


<strong>Festschrift</strong> der <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern<br />

192<br />

zigen Schwestern aus ihrem Mutterhaus zu vertreiben, wenn die Nation<strong>als</strong>ozialistische<br />

Schwesternschaft einen Ersatz hätte stellen können.<br />

Den <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern war damit klar geworden, dass sie, sobald<br />

es ausreichend Braune Schwestern geben würde, umgehend aus dem Krankendienst<br />

verdrängt würden. Klar war ihnen aber auch geworden, dass ihr<br />

Orden nur so lange einen gewissen Schutz vor der Willkür der NS-Machthaber<br />

haben würde, so lange diese auf ihn angewiesen waren und er die benötigte<br />

hohe Zahl an Pflegekräften bereitstellen konnte. Umso beunruhigter<br />

waren die Ordensoberen über den deutlich spürbaren Rückgang der eigenen<br />

Kandidatinnenzahlen seit der Machtergreifung der Nation<strong>als</strong>ozialisten.<br />

11.3. Beschränkung des Ordensnachwuchses<br />

Es war kein Wunder, dass in dem von den Nation<strong>als</strong>ozialisten geschaffenen<br />

Klima der Verachtung alles Kirchlichen und insbesondere alles Klösterlichen<br />

die Kandidatinnenzahl rückläufig war. Das Bild der Braunen Schwester<br />

dagegen war in der öffentlichen Darstellung äußerst positiv besetzt. Auch<br />

der Krankendienst wurde in den NS-Werbekampagnen <strong>als</strong> weit weniger<br />

beschwerlich und gefährlich dargestellt, <strong>als</strong> ihn die <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern<br />

ihren Anwärterinnen ehrlicherweise beschrieben. Manche an der<br />

Krankenpflege interessierte Bewerberin mag nun leichter den Weg in die<br />

Nation<strong>als</strong>ozialistische Schwesternschaft gefunden haben. 1936 schrieb die<br />

Mutterhauschronistin dazu: „Mit wachsender Sorge sah man den Nachwuchs<br />

sich verringern. Diese Zeit ist nicht angetan, Ordensberufe hervorzubringen.“ 129<br />

In diesem Jahr traten außerdem 7 Professschwestern und 5 Novizinnen aus.<br />

Über den Austritt einer der Schwestern war man mehr erleichtert <strong>als</strong> traurig,<br />

da sie offen mit dem Nation<strong>als</strong>ozialismus sympathisiert hatte.<br />

Die Nation<strong>als</strong>ozialisten starteten ganz gezielte Abwerbeversuche. So<br />

luden sie junge Schwestern vor, in erster Linie Kinderkrankenschwestern,<br />

um sie anhand eines Fragebogens zu verhören. Mit Fragen wie: „Wünschen<br />

Sie eine bessere Stellung? Haben Sie früher einer Partei angehört? Haben<br />

Sie etwas einzuwenden gegen die jetzige Regierung? Sind Ihre Geschwister<br />

bei BDM oder HJ?“ 130 sollten die Schwestern teils unter Druck gesetzt,<br />

teils gelockt werden, von den <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern zu den Braunen<br />

Schwestern zu wechseln. Diese Versuche wurden wieder eingestellt, nachdem<br />

das Ordinariat die Schwestern darauf hingewiesen hatte, sie müssten<br />

auf diese Fragen nicht antworten.<br />

Der NS-Staat griff schließlich zu wirksameren Mitteln, den Ordensnachwuchs<br />

zu beschränken. Am 29. September 1940 wies der Arbeitsminister<br />

per Erlass alle Landesarbeitsämter an, den Eintritt von arbeitsfähigen Deut-


Die <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern unter dem Nation<strong>als</strong>ozialismus<br />

schen in einen Orden zu unterbinden. 131 Die Maßnahme wurde begründet<br />

mit dem hohen Bedarf an Arbeitskräften für kriegsbedingte Aufgaben und<br />

der Tatsache, dass in den kommenden Jahren geburtenschwache Jahrgänge<br />

ins Berufsleben eintreten würden. Die Ortsgruppen der NSDAP wurden<br />

angewiesen, jeden Fall von einem geplanten Ordenseintritt unverzüglich<br />

an das Arbeitsamt zu melden. Dieses sollte auf jeden Fall den Eintritt verhindern,<br />

indem es den potentiellen Ordenskandidaten strikt untersagte, ein<br />

schon bestehendes Arbeitsverhältnis zu lösen. Auch wenn es sich um mithelfende<br />

Familienangehörige handelte, wurde dies <strong>als</strong> nicht zu lösendes<br />

Dienstverhältnis betrachtet. Für den Fall, dass sich der Arbeitgeber selbst mit<br />

der Auflösung des Arbeitsverhältnisses einverstanden erklären sollte, war das<br />

Arbeitsamt angewiesen, sofort ein neues Dienstverhältnis zuzuweisen. Wer<br />

aber keine Arbeitsstelle hätte, wäre sofort <strong>zum</strong> Arbeitsdienst heranzuziehen.<br />

Die Bischöfe hofften vergeblich, der Erlass käme wegen des eklatanten<br />

Mangels an Krankenpflegekräften wenigstens bei den Krankenpflegeorden<br />

nicht zur Anwendung. Resigniert mussten sie schließlich feststellen: „Der<br />

Kampf gegen die Orden scheint notwendiger <strong>als</strong> eine ausreichende und fachgemäße<br />

Pflege unserer Kranken und auch unserer Soldaten.“ 132 Die Bischöfe rieten den<br />

Orden daraufhin, die einzige Lücke zu nützen, die dieser Erlass bot: Sie<br />

sollten mit ihren Kandidaten bzw. Kandidatinnen ein Ausbildungsverhältnis<br />

eingehen. Nur für den Fall, dass ein Ausbildungsverhältnis eingegangen<br />

wurde, konnte nämlich ein bestehender Dienstvertrag gelöst werden. Gerade<br />

für einen karitativ tätigen Orden wie die <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern bot<br />

sich hier eine kleine Möglichkeit, den Erlass zu unterlaufen, indem er mit<br />

Kandidatinnen einen Ausbildungsvertrag abschloss. Allerdings traf die Kongregation,<br />

die die meisten ihrer Kandidatinnen traditionell aus ländlichen<br />

Gebieten rekrutierte, der kriegsbedingte Mangel an männlichen Arbeitskräften<br />

auf den Bauernhöfen besonders hart. Viele junge Frauen mussten<br />

zu Hause ihre Väter oder Brüder ersetzen, die <strong>als</strong> Soldaten eingezogen worden<br />

waren. Manche potentielle Ordensbewerberin musste erst das Ende<br />

des Krieges und die Rückkehr der männlichen Arbeitskräfte auf den Hof<br />

abwarten, bevor sie an einen Klostereintritt denken konnte.<br />

11.4. Übergriffe auf das Ordensvermögen<br />

Noch bevor sie Ordenseintritte zu unterbinden versuchten, hatten die<br />

Nation<strong>als</strong>ozialisten schon einige Jahre daran gearbeitet, an das Vermögen<br />

der Orden zu kommen. Durch neue Steuergesetzgebung und schikanöse<br />

Überprüfung der Bücher machten sie kirchlichen Einrichtungen das Leben<br />

schwer.<br />

193


<strong>Festschrift</strong> der <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern<br />

Generaloberin<br />

M.<br />

Desideria<br />

Weihmayr<br />

(vorn)<br />

mit den<br />

Schwestern<br />

M. Emma<br />

Mayer, M.<br />

Timothea<br />

Ridinger und<br />

M. Berthilia<br />

Hidringer<br />

(von links)<br />

vor dem<br />

Mutterhaus<br />

vermutlich<br />

1938<br />

194<br />

In den Jahren 1935 – 37 führte der NS-Staat eine gezielte Kampagne<br />

durch, indem er katholischen Geistlichen groß aufgemachte Sittlichkeitsprozesse<br />

und Devisenprozesse anhängte. Beinahe wären die <strong>Barmherzige</strong>n<br />

Schwestern vom Mutterhaus München in einen solchen Devisenprozess<br />

geraten. Sie hatten nämlich gerade in diesen kritischen Jahren ein Projekt<br />

im Ausland gestartet. Der Papst hatte Anfang der 1930er Jahre die Münchner<br />

Ordensoberen angeregt, neue Niederlassungen im Ausland zu gründen. Das<br />

Mutterhaus München beschloss, in Zusammenarbeit mit dem St. Bonifatiuswerk<br />

und dessen Gener<strong>als</strong>ekretär Scherer, dem Autor der <strong>Jubiläum</strong>sschrift<br />

zur Hundertjahrfeier, in Bukarest ein Krankenhaus zu bauen. Dieses Projekt<br />

sollte sich von Anfang an <strong>als</strong> sehr schwierig erweisen. Waren schon die Verhandlungen<br />

mit den rumänischen Behörden nicht einfach, hätten ihnen die<br />

deutschen Behörden beinahe größte Probleme wegen der Devisen gemacht.<br />

Sie mussten sehr vorsichtig vorgehen, um nicht in den Verdacht zu geraten,<br />

gegen das Auslandsdevisengesetz zu verstoßen. Das Erzbischöfliche Ordinariat<br />

nahm sich der Sache an, um Schlimmeres zu verhindern. Der Domkapitular<br />

und spätere Weihbischof Johannes Neuhäusler verhandelte mit den<br />

Behörden und sorgte für einen formal unangreifbaren Ablauf der Finanzierung<br />

des neuen Projekts. 133<br />

Im Februar 1938 wurden die Schwestern erneut sehr beunruhigt, <strong>als</strong> zwei<br />

Männer, die sich <strong>als</strong> Gestapobeamte auswiesen, im Mutterhaus auftauchten,<br />

sich die Kassenschränke aufsperren und die Bücher vorlegen ließen. Da kurz<br />

vorher die Aktion der Nation<strong>als</strong>ozialisten zur Beschlagnahmung von Vereinsvermögen<br />

stattgefunden hatte, befürchteten die Schwestern das Schlimmste.<br />

Nach dem Abzug der beiden Beamten<br />

fehlte Geld. Das vom Mutterhaus<br />

eingeschaltete Ordinariat versuchte in<br />

den kommenden Tagen, bei der Gestapo<br />

mehr über die Hintergründe des<br />

Besuchs in Erfahrung zu bringen. Dort<br />

stellte man sich unwissend, so dass nie<br />

ganz geklärt werden konnte, wer diese<br />

Gestapobeamten geschickt hatte bzw.<br />

ob es sich wirklich um Leute von der<br />

Gestapo handelte. Der Vorfall hatte<br />

keine weiteren Folgen, außer dass das<br />

Ordinariat die Orden der Diözese aufforderte,<br />

sich in einem derartigen Fall<br />

die Ausweisplakette der Gestapobeamten<br />

genau anzusehen und dem Ordinariat<br />

sofort Bescheid zu geben. 134


Die <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern unter dem Nation<strong>als</strong>ozialismus<br />

Kaum war die ursprünglich geplante Enteignung des Mutterhauses ad<br />

acta gelegt worden, sah sich der Orden schon wieder mit der Gefahr konfrontiert,<br />

Staat oder NSDAP könnten ordenseigene Häuser für ihre Zwecke<br />

in Anspruch nehmen oder gar enteignen. Seit Kriegsbeginn wurden zahlreiche<br />

kirchliche Einrichtungen, mit Vorliebe auch Klöster, durch nation<strong>als</strong>ozialistische<br />

Organisationen, die Wehrmacht oder staatliche Behörden<br />

konfisziert und zweckentfremdet. Um nur zwei Beispiele zu nennen, die<br />

auch die <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern nicht unberührt ließen: Im Jahr 1941<br />

wurden sowohl das Mutterhaus der <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern von Untermarchtal<br />

<strong>als</strong> auch das Kloster der Missionsbenediktinerinnen von Tutzing<br />

beschlagnahmt. Als die Tutzinger Schwestern quasi von heute auf morgen<br />

ihr Kloster verlassen mussten, fanden sie liebevolle Aufnahme zunächst im<br />

Mutterhaus in der Nußbaumstraße, bevor sie auf die verschiedenen Niederlassungen<br />

der Kongregation der <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern verteilt wurden.<br />

Das Schicksal der Missionsbenediktinerinnen so hautnah mit zu erleben, hat<br />

sicher zur Angst der Schwestern vor demselben Schicksal beigetragen. Und<br />

diese Angst war durchaus berechtigt, gerade angesichts der doch sehr attraktiven<br />

Häuser der <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern, die durchaus Begehrlichkeiten<br />

von Staat und Partei wecken konnten.<br />

Sofort bei Kriegsbeginn wurde das Kurhaus von Adelholzen <strong>als</strong> Lazarett<br />

beschlagnahmt. Nach einigen Monaten konnte für kurze Zeit noch einmal<br />

der Kurbetrieb aufleben, um dann endgültig eingestellt zu werden, zugunsten<br />

einer Nutzung, die der Staat gerade <strong>als</strong> notwendig erachtete. Neben<br />

der Verwendung <strong>als</strong> Lazarett diente Adelholzen 1940 für einige Monate <strong>als</strong><br />

Übergangsheim für bessarabische Familien, Rumäniendeutsche, die auf ihre<br />

Umsiedlung in die besetzten polnischen Gebiete warteten. Als der Staat<br />

für die groß angelegte Aktion der Kinderlandverschickung Häuser suchte,<br />

geriet Adelholzen wieder ins Visier. Beinahe wäre es jetzt zu einer vollständigen<br />

Beschlagnahmung des Kurorts gekommen. Die Schwestern waren<br />

bereit, einen Teil der Gebäude für 260 Kinder zur Verfügung zu stellen. Dem<br />

Beauftragten für die Kinderlandverschickung im Gau München-Oberbayern<br />

der NSDAP, Oberstaller, war dies nicht genug. Er forderte die Aufnahme<br />

von 400 Kindern und die Bereitstellung aller Räumlichkeiten. Als<br />

sich die Schwestern dazu wegen ihres eigenen Bedarfs außer Stande sahen<br />

und sich weigerten, teilte ihnen Oberstaller unverzüglich am 31. März 1941<br />

schriftlich die Beschlagnahmung des gesamten Anwesens mit. Sie wurden<br />

aufgefordert, die Niederlassung bis <strong>zum</strong> 10. April zu räumen. 135 Der Brief<br />

versetzte die Schwestern in große Aufregung, die noch gesteigert wurde,<br />

<strong>als</strong> am gleichen Abend ein Herr Leonhardt aus Alzing sich <strong>als</strong> Lagerleiter<br />

für die Kinderlandverschickung ausgab und zusammen mit anderen, den<br />

Schwestern nicht bekannten Personen alles im Haus bis hin <strong>zum</strong> Weinkeller<br />

195


<strong>Festschrift</strong> der <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern<br />

196<br />

Seit 1919 haben die <strong>Barmherzige</strong>n<br />

Schwestern eine<br />

Begräbnisstätte auf dem<br />

Waldfriedhof. 1924 wurden<br />

die weit über 500 auf<br />

dem Alten Südfriedhof<br />

beerdigten Schwestern<br />

hierher überführt.<br />

inspizierte. Inwieweit Leonhardt überhaupt offiziell befugt war, ist unklar.<br />

Als er gegenüber der Oberin in unverschämter Weise auftrat und mit der<br />

Beschlagnahmung von Wertgegenständen und Lebensmitteln drohte, verwies<br />

sie ihn, um Zeit zu gewinnen, an das Mutterhaus in München.<br />

Als sich das unverschämte Vorgehen von Oberstaller und Leonhardt<br />

gegenüber den Adelholzener Schwestern herumgesprochen hatte, reagierte<br />

die Bevölkerung der Umgebung empört. Zusammen mit Josef Zett, dem<br />

lang<strong>jährigen</strong> Leiter der Adelholzener Ökonomie, legte der Siegsdorfer Bürgermeister<br />

beim Traunsteiner Landrat Widerspruch gegen die Enteignung<br />

Adelholzens ein. So unter Druck geraten, machte Oberstaller einen Rückzieher.<br />

Als er am 3. April wieder nach Adelholzen kam, war die drei Tage<br />

vorher angekündigte Beschlagnahmung kein Thema mehr und er akzeptierte<br />

den Vorschlag der Schwestern, 250 Kinder aufzunehmen.<br />

Auch der Versuch des Luftgaukommandos, das Postulatsgebäude in<br />

München zu konfiszieren, konnte im Februar 1942 erfolgreich abgewendet<br />

Ein herber Verlust – der Tod der Generaloberin<br />

Gerade in dieser Zeit der drohenden<br />

Beschlagnahmungen und der Angst vor<br />

einem beginnenden Luftkrieg hatte der<br />

Orden einen herben Verlust zu verkraften.<br />

Die seit 1924 amtierende Generaloberin<br />

Schwester M. Desideria Weihmayr,<br />

die sich trotz ihrer 77 Jahre nach<br />

wie vor umsichtig und tatkräftig um<br />

die Belange der Kongregation gekümmert<br />

hatte, starb am 10. Oktober 1941<br />

nach einer verschleppten Erkältung an<br />

Lungenentzündung. So trat die vom<br />

Generalkapitel am 16. November 1941<br />

gewählte Schwester M. Castella Blöckl<br />

ihr Amt <strong>als</strong> Generaloberin an. Sie sollte<br />

sich <strong>als</strong> würdige Nachfolgerin erweisen,<br />

die den Orden sicher durch die gefahrvollen<br />

und beschwerlichen Kriegs- und<br />

Nachkriegsjahre führte.


werden. Superior Pfaffenbüchler machte dringenden Eigenbedarf geltend.<br />

Schließlich sei im Gebäude in der Blumenstraße die staatlich anerkannte<br />

ordenseigene Krankenpflegeschule untergebracht, die für den dringend<br />

benötigten Nachschub an Pflegekräften sorge. 136<br />

Auch das Erholungsheim der Schwestern in Unterhaching war gefährdet.<br />

Doch in diesem Fall setzte sich sogar der Münchner Oberbürgermeister<br />

Fiehler dafür ein, dieses Haus den im anstrengenden Krankendienst stehenden<br />

Schwestern für ihre dringend benötigte Erholung zu belassen, um ihre<br />

Arbeitskraft zu erhalten. 137<br />

Eine andere Konfiszierungsmaßnahme konnte dagegen nicht verhindert<br />

werden. Die nach dem Mutterhaus älteste ordenseigene Niederlassung in<br />

Berg am Laim geriet ins Visier der Nation<strong>als</strong>ozialisten. Der Orden hatte<br />

dort in den 1920er Jahren umfangreiche Renovierungsarbeiten durchführen<br />

und 1936 einen zusätzlichen, stattlichen Neubau errichten lassen. Ihr<br />

neues Haus konnten die Schwestern nicht lange nutzen, da ihnen der Leiter<br />

der Münchner „Arisierungsstelle“ am 25.10.1941 einen Vertrag aufzwang,<br />

nach dem ein großer Teil des Gebäudes für eine so genannte „Heimanlage<br />

für Juden“ zur Verfügung gestellt werden musste.<br />

11.5. Konfrontation der Schwestern mit NS-Verbrechen<br />

Judenlager in Berg am Laim<br />

Die <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern unter dem Nation<strong>als</strong>ozialismus<br />

Anlässlich der Reichspogromnacht vom 9. November 1938 notierte die<br />

Mutterhauschronistin: „Eine schlimme Judenverfolgung begann. Es war grausam,<br />

<strong>als</strong> bestimmte Leute nachts durch die Sendlingerstraße fuhren, mit großen Ziegelsteinen<br />

die Schaufenster demolierten und die Läden ausraubten, wie sie unbescholtene<br />

Geschäftsleute festnahmen, die Stoffe herauswarfen und mitnahmen. Dazu musste<br />

man schweigen, wenn man nicht nach Dachau kommen wollte. Wie es in Dachau<br />

aussah? Man konnte es ahnen, weil doch manches durchdrang; aber man kann sich<br />

wohl kaum die Wirklichkeit vorstellen.“ 138<br />

Durch die Errichtung der „Heimanlage für Juden in Berg am Laim“, die<br />

vom 21. Juli 1941 bis <strong>zum</strong> 1. März 1943 bestand und nichts anderes war <strong>als</strong><br />

ein Sammellager für Juden vor ihrer Deportation in die Vernichtungslager,<br />

wurden die <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern nun in ihrem eigenen Kloster hautnah<br />

mit dem größten Verbrechen der Nation<strong>als</strong>ozialisten, dem Holocaust<br />

an den Juden, konfrontiert. Den Schwestern war von der Gestapo strikte<br />

Geheimhaltung auferlegt worden. Nicht zuletzt hatten die Nation<strong>als</strong>ozialisten<br />

das Kloster wegen seiner abgeschiedenen Lage ausgesucht. Die Öffentlichkeit<br />

sollte davon nicht allzu viel mitbekommen.<br />

197


<strong>Festschrift</strong> der <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern<br />

198<br />

Das Noviziatsgebäude<br />

in Berg am<br />

Laim in<br />

den 1960er<br />

Jahren. Hier<br />

befand sich<br />

von 1941<br />

bis 1943 die<br />

Heimanlage<br />

für Juden.<br />

Sicher, die Situation in Berg am Laim war nicht mit Dachau oder den<br />

zukünftigen Bestimmungsorten der Lagerinsassen vergleichbar. Es war um<br />

einiges humaner <strong>als</strong> das große Münchner Sammellager in Milbertshofen<br />

und noch ein einigermaßen erträglicher „Vorhof“ zur Hölle. Allerdings<br />

waren statt der im Vertrag vereinbarten 170 Personen zeitweise bis zu 320<br />

Menschen in der „Heimanlage“ einquartiert. Durch diese Überbelegung<br />

wurde es auch im ursprünglich sehr geräumigen neuen Schwesternhaus<br />

schnell bedrückend eng. Wie in Milbertshofen verlangte die Gestapo, dass<br />

die Jüdische Gemeinde selbst für die Finanzierung des Heims und die Verwaltung<br />

des Lagers sorgte. Die Leitung übernahmen formal der Bankkaufmann<br />

Curt Metzger und die <strong>als</strong> Wirtschafterin eingesetzte Else Behrend-<br />

Rosenfeld, eine promovierte Historikerin, die in der jüdischen Fürsorge<br />

arbeitete. Doch die eigentliche Kontrolle des Lagers hatte die gefürchtete<br />

Gestapo. Die klösterliche Idylle wurde zudem von der Angst der Heiminsassen<br />

vor ihrer ungewissen Zukunft überschattet. Mancher Bewohner<br />

war so verzweifelt, dass er Selbstmord beging.<br />

Wie verhielten sich die Schwestern in dieser auch für sie bedrückenden<br />

Situation? Else Behrend-Rosenfeld, der kurz vor ihrer eigenen Deportation<br />

die Flucht in die Schweiz gelang, stellte den <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern in<br />

ihrem Buch, in dem sie auch über die Zeit in Berg am Laim berichtete, ein<br />

hervorragendes Zeugnis der Menschlichkeit aus: „Die stets gleich freundlichen<br />

Gesichter der Nonnen, die nie ohne lächelnden Gruß an uns vorübergehen,<br />

und das wohltuende Bewusstsein, von ihnen nicht gehasst oder verachtet, sondern<br />

mit schwesterlicher Zuneigung betrachtet zu werden, bedeutete eine große Entlastung.“<br />

139 Obwohl den Schwestern strikt verboten war, mehr <strong>als</strong> den für<br />

den organisatorischen Ablauf nötigen Umgang mit den Heimbewohnern


zu pflegen, und sie sich einer ständigen Beobachtung ausgesetzt sahen, ließen<br />

sie es sich nicht nehmen, ihren jüdischen Mitbewohnern menschliche<br />

Anteilnahme zu zeigen. Wo es ihnen möglich war, im Verborgenen etwas<br />

für sie zu tun, geschah es. So erlaubten sie ihnen beispielsweise, den Garten<br />

zur Erholung und die Kirche für ihren jüdischen Gottesdienst zu benützen.<br />

Heimlich ließen sie ihnen zusätzliche Lebensmittel zukommen. Ein weiterer<br />

Heiminsasse, der <strong>als</strong> orthodoxer Jude zunächst große Vorbehalte gegen<br />

die Einlieferung in ein katholisches Kloster hatte, war beeindruckt von den<br />

Ordensschwestern: „Ich sah, mit welcher schlichten und selbstverständlichen Hingabe<br />

sie ihre Arbeit machten, ich fühlte ihre Sympathie für uns, ihr Mitfühlen bei<br />

allem, was wir erduldeten, und ihre Hilfsbereitschaft.“ 140<br />

Doch die Schwestern konnten nichts gegen die Schikanen machen,<br />

denen sich die Einquartierten ausgesetzt sahen. Diese mussten nun <strong>als</strong> Juden<br />

in der Öffentlichkeit den Judenstern tragen und durften, trotz ihrer häufig<br />

sehr langen Arbeitswege, keine öffentlichen Verkehrsmittel mehr benutzen.<br />

Es stand auch nicht in der Macht der Schwestern, die seit November<br />

1941 einsetzenden regelmäßigen Deportationen zu verhindern. Else Behrend-Rosenfeld<br />

schreibt, wie groß die Betroffenheit der Mitbewohner war,<br />

<strong>als</strong> die ersten Juden aus dem Lager in Berg am Laim nach Milbertshofen<br />

gebracht wurden, um von dort aus nach Osteuropa deportiert zu werden.<br />

Auch die Schwestern hätten große Anteilnahme gezeigt und zwei Säcke<br />

mit Kakao und Zucker zur Verfügung gestellt. Bei der ersten Deportation<br />

Münchner Juden am 20. November 1941 wurden 1000 Menschen, davon<br />

etwa 85 aus dem Heim in Berg am Laim, in Züge gepfercht, und Rich-<br />

Seit 1987 erinnert <strong>als</strong> Mahnmal ein<br />

großer Stein, der das erhalten gebliebene<br />

Eingangsportal des in den 1970ern<br />

abgerissenen Gebäudes versperrt, an<br />

die NS-Vergangenheit. Die Inschrift des<br />

Steins ist ein Zitat aus dem Buch von<br />

Else Behrend-Rosenfeld: „Wieviel leichter<br />

ist es, unter denen zu sein, die Unrecht<br />

erleiden, <strong>als</strong> unter denen, die Unrecht<br />

tun.“ Als Mahnung und Erinnerung an das<br />

Sammellager für jüdische Bürger in den<br />

Jahren 1941 – 1943.<br />

Die <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern unter dem Nation<strong>als</strong>ozialismus<br />

199


<strong>Festschrift</strong> der <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern<br />

200<br />

tung Riga transportiert. Wie man heute weiß, wurde der Zug, da Riga auf<br />

so viele Deportierte nicht vorbereitet war, stattdessen ins litauische Kaunas<br />

umgeleitet. Hier hatten deutsche Spezialeinheiten bereits seit Sommer 1941<br />

Tausende litauischer Juden erschossen. Auch die 1000 Münchner Juden<br />

wurden schon zwei Tage nach ihrer Ankunft von einem deutschen SS-Einsatzkommando<br />

erschossen.<br />

Zwar wussten die Schwestern in Berg am Laim dam<strong>als</strong> nichts Genaueres<br />

über das weitere Schicksal der Deportierten, aber sie befürchteten und<br />

ahnten sicher Schlimmstes. Wie hilflos mögen sie sich gefühlt haben, diesen<br />

Menschen nicht mehr helfen zu können? Doch ihre jüdischen Mitbewohner<br />

wussten um die beschränkten Möglichkeiten der Schwestern. Umso<br />

dankbarer waren sie, dass sie diese wenigen Möglichkeiten zur Hilfe auch<br />

wirklich nutzten. Noch Anfang der 1990er Jahre nahm Helmut Lisberger,<br />

einer der wenigen Überlebenden der Deportationen, wieder Kontakt mit<br />

den <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern auf und drückte seine Dankbarkeit aus „für<br />

die Hilfe und Tröstung, die wir Insassen des Lagers dam<strong>als</strong> durch die Schwestern im<br />

Kloster erhielten“. 141<br />

Zwangsabtreibungen in Hutthurm<br />

Mit einem weiteren NS-Verbrechen konfrontiert, gerieten einige Schwestern<br />

im Krankenhaus Hutthurm in der Nähe von Passau in schwerste<br />

Gewissensnöte. 142 Ein Arzt hatte sich dort für Zwangsabtreibungen bei<br />

Fremdarbeiterinnen zur Verfügung gestellt. Die zunächst praktizierte Verfahrensweise,<br />

schwangere Fremdarbeiterinnen wieder in ihre Heimat<br />

Maria-Theresia-Klinik – ein Hort der Humanität<br />

Auch bei der Unterstützung von Prof. Dr.<br />

Max Lebsche bewiesen die <strong>Barmherzige</strong>n<br />

Schwestern Zivilcourage. Prof. Lebsche,<br />

ein Chirurg von Weltformat, hatte auf<br />

eine glänzende Karriere verzichtet, weil er<br />

aus seiner katholisch-konservativen Weltsicht<br />

und aus seiner Gegnerschaft zur<br />

nation<strong>als</strong>ozialistischen Ideologie nie ein<br />

Hehl machte. Nach seiner erzwungenen<br />

Emeritierung <strong>als</strong> Professor für Chirurgie<br />

in der Poliklinik in der Pettenkoferstraße<br />

im Jahr 1936 konnte er nur noch in seiner<br />

kleinen Privatklinik, die er 1930 in einer<br />

Villa am Bavariaring eingerichtet hatte,<br />

unter erschwerten Bedingungen praktizieren.<br />

Ohne Rücksicht auf seine eigene<br />

Gefährdung leistete er dem nahe gelegenen<br />

Israelitischen Krankenhaus Hilfsdienste<br />

und behandelte jeden Patienten,<br />

unabhängig von Rasse- und Religionszugehörigkeit.<br />

So verarztete er beispielsweise<br />

in der Reichspogromnacht 1938 Juden,<br />

die sich vor den NS-Schlägern in seine<br />

Klinik geflüchtet hatten. Regelmäßig traf<br />

sich bei ihm ein Kreis von Freunden, die<br />

seine politische und religiöse Weltanschauung<br />

teilten und dezidierte Gegner<br />

des NS-Regimes waren, unter ihnen auch


zu schicken, hatte zur Folge, dass die<br />

Zahl der Schwangerschaften unter den<br />

Zwangsarbeiterinnen ab 1943 deutlich<br />

anstieg. Daraufhin erfolgte eine andere<br />

Handhabung dieses „Problems“. Statt<br />

die Schwangeren heimreisen zu lassen,<br />

gab es einen Erlass, Abtreibungen, die<br />

ansonsten grundsätzlich verboten waren,<br />

für diese Frauen straffrei durchzuführen.<br />

Obwohl die Frauen dafür eine Einverständniserklärung<br />

unterschreiben mussten,<br />

kann man kaum von einer wirklich<br />

freien Entscheidung ausgehen. Wurde<br />

Druck auf sie ausgeübt zu unterschreiben<br />

oder reichte schon der Druck, unter<br />

den gegebenen Umständen ein Kind zu<br />

bekommen? Der Hutthurmer Arzt soll zwischen Ende 1943 und April 1945<br />

mindestens 220 Schwangerschaftsabbrüche an Fremdarbeiterinnen vorgenommen<br />

haben. Aus weitem Umkreis wurden Schwangere zu ihm geschickt,<br />

weil sich andere Ärzte geweigert hatten, die Abtreibungen durchzuführen.<br />

In Hutthurm sollen Embryos noch im 7. und 8. Monat, <strong>als</strong>o schon lebensfähige<br />

Kinder, abgetrieben worden sein. Die <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern, die<br />

am Krankenhaus in der Hauptsache das Pflegepersonal stellten, wollten sich<br />

an diesen Morden nicht beteiligen. Mehr oder weniger überrumpelt von<br />

der neuen Praxis an ihrem Krankenhaus, hatten zwei der Schwestern bei<br />

drei Abtreibungen assistiert bzw. die Narkose gegeben. Eine der Schwestern<br />

der später im Konzentrationslager inhaftierte<br />

Domkapitular Johannes Neuhäusler.<br />

Dass Prof. Lebsche, der aufgrund seiner<br />

Haltung und seiner Aktivitäten immer<br />

wieder ins Visier der Nation<strong>als</strong>ozialisten<br />

geriet, ein solches Schicksal erspart blieb,<br />

scheint er seinen außerordentlichen chirurgischen<br />

Fähigkeiten verdankt zu haben,<br />

auf die auch die Nation<strong>als</strong>ozialisten nicht<br />

verzichten wollten.<br />

Die <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern setzten<br />

sich durch die Zusammenarbeit mit Prof.<br />

Lebsche einer gewissen Gefahr aus. So<br />

galt ja auch für Krankenschwestern das<br />

strikte Verbot, nichtarische Patienten zu<br />

versorgen. Doch die Schwestern ließen<br />

Die <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern unter dem Nation<strong>als</strong>ozialismus<br />

sich nicht einschüchtern und hielten<br />

immer, auch bei Verhören, treu zu ihm.<br />

Der Orden war aber auch in anderer Hinsicht<br />

für den Professor und seine Klinik<br />

eine wichtige Stütze. Da die Maria-Theresia-Klinik<br />

keine Lebensmittelkarten<br />

zugeteilt bekam, war die Versorgung<br />

mit Nahrungsmitteln aus den ordenseigenen<br />

landwirtschaftlichen Betrieben<br />

eine wichtige Überlebenshilfe. Dabei<br />

bewiesen die Schwestern durchaus Einfallsreichtum:<br />

Um hinter dem Rücken<br />

des Staates ein Schwein zur verbotenen<br />

Schwarzschlachtung ins Krankenhaus zu<br />

schmuggeln, wurde es <strong>als</strong> Neuzugang<br />

getarnt im Krankenwagen angeliefert. 146<br />

Professor Dr.<br />

Max Lebsche<br />

(1886 – 1957)<br />

201


<strong>Festschrift</strong> der <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern<br />

202<br />

war daraufhin weinend zusammengebrochen. In ihrer Not wandten sich<br />

die Ordensschwestern an ihre Vorgesetzten im Münchner Mutterhaus und<br />

an das Passauer Ordinariat. Von beiden Seiten bekamen die Hutthurmer<br />

Schwestern die klare Anweisung, in Zukunft die Assistenz bei derartigen<br />

Operationen zu verweigern. Als sie dies so handhabten, mussten sie sich<br />

nicht nur vom Arzt übelste Beschimpfungen wie „Mistviecher“, „christliche<br />

Hauben“ und „wenn ich euch nur draußen hätte“ 143 anhören, sondern wurden<br />

auch vom Landratsamt mit der Drohung, die Gestapo werde sich schon<br />

darum kümmern, unter Druck gesetzt. Generaloberin Schwester M. Castella<br />

Blöckl legte daraufhin dem Passauer Ordinariat eine schriftliche Stellungnahme<br />

vor, die ihr der Erzbischof von München und Freising ausgearbeitet<br />

hatte. Aus der Zusicherung des Reichskirchenministeriums gegenüber der<br />

Bischofskonferenz am 18.10.1943, dass kein Arzt gezwungen werde, eine<br />

Abtreibung durchzuführen, leitete Kardinal von Faulhaber ab: „Dann darf<br />

auch auf die Schwestern in der Krankenpflege ein Gewissensdruck nicht ausgeübt<br />

werden. Für das Gewissen der Schwester … gelten die gleichen Grundsätze wie<br />

früher für die Mitwirkung bei der … Euthanasie und für die … Sterilisation.“<br />

Schließlich wurde vereinbart, dass die <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern zwar<br />

„entfernte Vorbereitungen zu derartigen Operationen und auch die Pflege der Operierten<br />

… übernehmen, dass sie aber … eine unmittelbare Mitwirkung im Gewissen<br />

ablehnen müssen.“ 144<br />

Die <strong>als</strong> durchaus kirchenkritisch bekannte Autorin Anna Rosmus, die<br />

ihre Recherchen zu den Zwangsabtreibungen in Hutthurm 1993 veröffentlichte,<br />

sagt zur Rolle der katholischen Kirche in dieser Sache: „Die haben<br />

genügend Dreck am Stecken, aber in diesem Fall sind sie ein Musterbeispiel an<br />

Zivilcourage und Konsequenz.“ 145<br />

Beschäftigung von Fremdarbeitern<br />

In der gesamten deutschen Wirtschaft herrschte bald nach Beginn des<br />

2. Weltkriegs ein eklatanter Arbeitskräftemangel. Zunächst wurden deshalb<br />

im Ausland so genannte Fremdarbeiter angeworben, wobei jedoch bald in<br />

den besetzten Gebieten <strong>zum</strong> Instrument der Zwangsrekrutierung gegriffen<br />

wurde. Diese heute deshalb meist <strong>als</strong> Zwangsarbeiter bezeichneten Arbeitskräfte<br />

wurden von den deutschen Arbeitsämtern auf Antrag der Arbeitgeber<br />

den verschiedenen Betrieben zugeteilt. Auch kirchliche Einrichtungen, in<br />

denen der Arbeitskräftemangel durch staatliche Beschränkung des Nachwuchses<br />

und vielfach vom Staat auferlegten zusätzlichen Aufgaben besonders<br />

hoch war, machten von dieser Möglichkeit Gebrauch. So beschäftigten<br />

auch die <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern in Bad Adelholzen und in Planegg


Zwangsarbeiter, die überwiegend in der Landwirtschaft, vereinzelt auch in<br />

der Hauswirtschaft, eingesetzt wurden. Im Mutterhaus arbeiteten zwei Russinnen<br />

im Garten und zwei Kroatinnen im Haus. 147<br />

Während die in großen industriellen Betrieben eingesetzten Zwangsarbeiter<br />

meist unter sehr unmenschlichen Bedingungen zu leiden hatten,<br />

ging es den in der Landwirtschaft eingesetzten Arbeitern in der Regel etwas<br />

besser, was Verpflegung und Unterkunft anbelangte. Die Behandlung war<br />

jedoch sehr unterschiedlich und hing ganz von den jeweiligen Arbeitgebern<br />

ab. Die enge Zusammenarbeit mit den Arbeitgebern barg einerseits die<br />

Gefahr, deren Willkür noch stärker ausgesetzt zu sein, andererseits aber auch<br />

die Chance der menschlicheren, ja teilweise familiären Behandlung. Man<br />

kann wohl mit Recht annehmen, dass die <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern ihre<br />

Fremdarbeiter nicht unmenschlich behandelt haben. Wie auch die anderen<br />

kirchlichen Arbeitgeber nahmen die Schwestern darauf Rücksicht, dass<br />

Familien nicht getrennt, sondern gemeinsam beschäftigt wurden. Für eine<br />

gute Behandlung durch die Schwestern spricht auch die Tatsache, dass die<br />

im Mutterhaus eingesetzten Frauen nach Kriegsende freiwillig noch mehrere<br />

Monate, teilweise sogar Jahre dort blieben.<br />

Allerdings konnten die Schwestern das tragische Schicksal eines ihrer<br />

Zwangsarbeiter in Adelholzen nicht verhindern. Ein Pole nahm im September<br />

1942 Anstoß daran, dass seine Frau vom Verwalter bei einem Streit ins<br />

Gesicht geschlagen worden war. Auf die deutsche Rechtsprechung vertrauend,<br />

erstattete er Anzeige gegen den Verwalter. Statt gegen diesen ging die<br />

Justiz gegen den polnischen Zwangsarbeiter vor. Obwohl der Verwalter sich<br />

vor Gericht ausdrücklich für ihn einsetzte, wurde der polnische Familienvater<br />

zu zwei Jahren Straflager verurteilt und starb kurz vor Kriegsende in<br />

einem Außenlager des Konzentrationslagers Flossenbürg.<br />

11.6. Einsatz in Lazaretten und<br />

Ausweichkrankenhäusern<br />

Die <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern unter dem Nation<strong>als</strong>ozialismus<br />

Schon in den Jahren 1936 und 1937 gab es Hinweise auf einen drohenden<br />

Krieg. 1936 wurden die <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern von den Behörden<br />

aufgefordert, eine Luftschutzausbildung zu machen. 148 Dazu die Chronik:<br />

„Laufend wurden von Hofrat Dr. Schöner im Mutterhaus und in den größeren<br />

Häusern Gas- und Sanitätskurse für alle Münchener Schwestern abgehalten. Von<br />

Luftschutzwarten und vom Wehrkreis selbst wurden Gaskurse anberaumt, bei denen<br />

die Schwestern im Feuerwehranzug mitmachen mussten.“ 149 Bereits 1937 musste<br />

der Orden Listen für das Rote Kreuz erstellen, wie viele Schwestern<br />

im Kriegsfall für den Lazarettdienst freigestellt werden könnten. Im Sep-<br />

203


<strong>Festschrift</strong> der <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern<br />

204<br />

tember 1938 ging ein Schreiben an die in Frage kommenden Schwestern,<br />

wie sie sich im Falle einer Mobilmachung zu verhalten hätten. 150 Denn<br />

auch die Nation<strong>als</strong>ozialisten konnten und wollten nicht auf die Hilfe der<br />

Ordenskrankenschwestern in den Lazaretten verzichten. Allerdings wurden<br />

sie im 2. Weltkrieg nur hinter der Front in den Heimatlazaretten eingesetzt.<br />

Schließlich hätten sie nicht <strong>zum</strong> nation<strong>als</strong>ozialistischen Erscheinungsbild<br />

gepasst. Die Schwestern waren alles andere <strong>als</strong> traurig darüber, nicht<br />

auch noch in den Frontlazaretten eingesetzt zu werden. Sie hatten in den<br />

Heimatlazaretten mehr <strong>als</strong> genug zu tun. Da diese Lazarette häufig in den<br />

bestehenden Krankenhäusern eingerichtet wurden, mussten für die Zivilbevölkerung<br />

so genannte Ausweichkrankenhäuser geschaffen werden. Da<br />

für diese die Stammkrankenhäuser zuständig waren, in denen die <strong>Barmherzige</strong>n<br />

Schwestern die Pflege hatten, waren sie automatisch auch für die<br />

Pflege in diesen häufig aufs Land ausgelagerten Hilfskrankenhäusern zuständig,<br />

was eine ungeheure Mehrbelastung für die Pflegeschwestern und die<br />

Verwaltung bedeutete. Hatten die <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern schon in Friedenszeiten<br />

die Hauptlast der Krankenversorgung in München getragen, so<br />

trugen sie jetzt auch die Hauptlast der zusätzlichen Belastung durch die<br />

Lazarette und Hilfskrankenhäuser. Der Chefarzt einer Münchner Klinik, der<br />

dringend um weitere Schwestern bat, die ihm aber das Mutterhaus nicht<br />

stellen konnte, warnte: „Die Arbeitsbelastung der Schwestern in den Ausweichkrankenhäusern<br />

und im Stammkrankenhaus ist so außerordentlich groß, daß ich<br />

um ihre Gesundheit in Sorge bin.“ 151 Wenigstens konnte die Ordensleitung<br />

1940 mit einer Eingabe beim Oberkommando der Wehrmacht – unterstützt<br />

durch Schreiben von einer Reihe von Krankenhausdirektoren – erreichen,<br />

dass Kandidatinnen und Novizinnen nicht mehr wie bisher <strong>zum</strong> Reichsarbeitsdienst<br />

herangezogen wurden. 152<br />

Kardinal von Faulhaber versuchte, den <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern ihren<br />

schweren Arbeitseinsatz etwas zu erleichtern, indem er für sie, die er <strong>als</strong><br />

„Handlanger der göttliche Liebe“ sah, eine Reihe von Dispensen aussprach.<br />

So wurden sie vom regelmäßigen Empfang der Beichte, dem Nüchternheitsgebot<br />

vor der Kommunion, Pflichtgebeten und in besonderen Fällen<br />

sogar vom Tragen der Ordenskleidung befreit. 153<br />

Bereits kurz nach Kriegsbeginn hatten die karitativen Orden auf Anraten<br />

des Kardin<strong>als</strong> weibliche Lehr-, Klausur- und Missionsorden um Unterstützung<br />

gebeten. Im November 1939 schrieb Domkapitular Dr. Johannes<br />

Neuhäusler einige Orden an, von denen er annahm, dass sie – beispielsweise<br />

durch ihre von den Nation<strong>als</strong>ozialisten erzwungene Freistellung aus der<br />

Lehrtätigkeit – Kapazitäten frei hätten. Zunächst blieb die Resonanz jedoch<br />

sehr gering. Als der Mangel an Pflegeschwestern noch größer geworden<br />

war, wandte sich das Mutterhaus im Jahr 1941 erneut an zahlreiche Klöster


Die <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern unter dem Nation<strong>als</strong>ozialismus<br />

mit der dringenden Bitte,<br />

ihnen Hilfsschwestern zur<br />

Verfügung zu stellen. 154<br />

Dieser Aufruf zeigte endlich<br />

eine größere Wirkung.<br />

Nicht nur aus Bayern, sondern<br />

aus ganz Deutschland<br />

kamen den <strong>Barmherzige</strong>n<br />

Schwestern nun andere<br />

Ordensschwestern zu<br />

Hilfe. Neben den schon<br />

erwähnten Tutzinger Missionsschwestern,<br />

die nach ihrer Vertreibung aus Tutzing im April 1941 in<br />

verschiedenen Niederlassungen der <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern mitarbeiteten,<br />

zeigte sich eine Reihe von Orden zur Hilfe bereit. So unterstützten in<br />

den kommenden Jahren zeitweise über 200 Hilfsschwestern anderer Orden<br />

die Münchner <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern im Krankendienst. 155 Allein die<br />

Tutzinger Schwestern stellten eine Zeit lang 60 Hilfsschwestern und ein<br />

Mutterhaus aus dem Rheinland 40 Schwestern. Besonders freuten sich die<br />

Münchner Schwestern auch, <strong>als</strong> sich das gesamte 13-köpfige Noviziat eines<br />

Dominikanerinnenklosters für ein Aushilfskrankenhaus zur Verfügung stellte.<br />

Nicht wenige dieser Hilfsschwestern nutzten diese Zeit, um sich in der<br />

Krankenpflege ausbilden zu lassen.<br />

Auch wenn diese Helferinnen erst noch angeleitet und ausgebildet werden<br />

mussten, bedeuteten sie dennoch eine Entlastung der <strong>Barmherzige</strong>n<br />

Schwestern, die diesen und ihren Ordensleitungen sehr dankbar für diese<br />

Unterstützung waren.<br />

Am 31.12.1944 waren noch 159 Hilfsschwestern<br />

von folgenden Orden registriert<br />

Arme Schulschwestern (10)<br />

Augustinerinnen aus dem Rheinland (5),<br />

Benediktinerinnen von Tutzing (9) und Frauenchiemsee (12)<br />

Birgittinnen von Altomünster (4)<br />

Dominikanerinnen von Donauwörth (6), Schlehdorf (12), Strahlfeld (12) und<br />

Volkersberg (8), Elisabethinerinnen aus dem Rheinland (3)<br />

Franziskanerinnen von Mallersdorf (8), der Mutter Schervier (46) und Reutberg (3),<br />

Kapuziner-Klarissinnen (6)<br />

Klaraschwestern von Aiterhofen (3)<br />

Salesianerinnen von Dietramszell (2) und Zangberg (1)<br />

Servitinnen vom Herzogspital (6)<br />

Solanusschwestern (3)<br />

Der Luftkrieghinterließ<br />

in der<br />

Münchner<br />

Innenstadt<br />

nur noch<br />

Ruinen.<br />

205


<strong>Festschrift</strong> der <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern<br />

206<br />

Allerdings sorgten schon bald die feindlichen Fliegerangriffe dafür, dass<br />

die Arbeit der Schwestern, insbesondere in den Münchner Niederlassungen,<br />

in einem unvorstellbaren Ausmaß erschwert wurde: „In Kellern und Bunkern<br />

halbzerstörter Krankenhäuser und Kliniken Münchens – und anderer Städte<br />

– versorgten <strong>Barmherzige</strong> Schwestern Tag und Nacht unter unsäglichen Mühen die<br />

Kranken.“ 156 Für die Münchner Krankenhäuser entstand wegen des Luftkrieges<br />

noch eine Reihe weiterer Ausweichkrankenhäuser auf dem Land,<br />

die alle mitversorgt werden mussten.<br />

11.7. Verluste des Ordens durch die Luftangriffe<br />

Wegen der vielen Luftschutzübungen war die Angst vor Luftangriffen bei<br />

den Schwestern schon lange präsent. 157 Dennoch waren sie nicht auf das<br />

Ausmaß der Gefahr vorbereitet. Erst nach den ersten Angriffen im Jahr 1940<br />

wurde im Mutterhaus ein Luftschutzkeller eingerichtet. So war man, <strong>als</strong> nach<br />

einer längeren Pause die Alliierten die Angriffe auf München ab Sommer<br />

1942 wieder aufnahmen, im Mutterhaus etwas besser gerüstet. Bei jedem<br />

Alarm suchten nun alle Schwestern, die nicht <strong>als</strong> Brandwachen eingeteilt<br />

waren, den Keller auf. Kardinal von Faulhaber hatte den Frauenorden eine<br />

Genehmigung erteilt, dass bei Fliegeralarm, sofern kein Priester im Haus<br />

war, die Oberin oder eine andere Schwester das Allerheiligste mit in den<br />

Luftschutzkeller tragen durfte. Die Chronistin erinnert sich, „wie tröstlich<br />

diese Prozessionen waren, da wir den Herrn bei uns wussten.“ 158 Der Kardinal<br />

bestimmte zudem, dass zehn Minuten nach jedem Fliegerangriff eine Generalabsolution<br />

durch alle Priester der Stadt erfolgen sollte. 159<br />

Beim ersten größeren Angriff auf die Münchner Innenstadt im September<br />

1942 kam das Mutterhaus mit einem Schaden von 67 Fensterscheiben<br />

noch glimpflich davon. Am 7. September 1943 wurde das Mutterhaus <strong>zum</strong><br />

ersten Mal getroffen. Eine Hausecke war von oben bis unten gesprengt. Zum<br />

Glück war niemand verletzt worden. Nach und nach trafen Meldungen<br />

aus den vielen Münchner Niederlassungen ein. Vor allem die Innenstadtkliniken<br />

waren <strong>zum</strong> Teil schwer beschädigt worden. Großes Glück hatten die<br />

in der Maria-Theresia-Klinik von Prof. Lebsche eingesetzten <strong>Barmherzige</strong>n<br />

Schwestern. Eine Phosphorbombe hatte in einem Gartenhäuschen in die<br />

dort gelagerten 300 Flaschen Adelholzener Wasser eingeschlagen, woraufhin<br />

das Mineralwasser das Feuer löschte, bevor es Schaden anrichten konnte.<br />

Nicht auszudenken, wenn die Bombe statt dessen die nur einige Meter entfernten<br />

Ätherbehälter getroffen hätte.<br />

Nach dem Schock dieses Angriffes beschlossen die Ordensoberen, nur<br />

noch die unteren Stockwerke des Mutterhauses zu benützen. Es wurde


Die <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern unter dem Nation<strong>als</strong>ozialismus<br />

außerdem damit begonnen, wertvolle Bilder, Statuen, Bücher, Nähmaschinen,<br />

nicht benötigte Wäsche etc. in andere Häuser auszulagern, vor allem<br />

in das <strong>als</strong> besonders sicher geltende Adelholzen. 1944 wurde die Schreibschwester<br />

M. Berthilia Hidringer mit der gesamten Buchhaltung der<br />

Kongregation ebenfalls dorthin evakuiert. Um dem Mutterhaus dennoch<br />

schnellen Zugriff auf die Personaldaten zu ermöglichen, wurden die Daten<br />

aus den alten Personalbüchern auf <strong>Datei</strong>karten übertragen, die vor Ort bleiben<br />

sollten.<br />

Wegen ihrer zentralen Lage waren vom 1944 noch forcierten Bombenkrieg<br />

zunächst in erster Linie das Mutterhaus in der Nußbaumstraße und<br />

das Postulat in der Blumenstraße betroffen. Das Postulatsgebäude wurde<br />

bei fünf Angriffen schwer getroffen und erlitt schließlich am 27.11.1944<br />

einen Tot<strong>als</strong>chaden. Das Mutterhaus wurde siebenmal bombardiert, wobei<br />

am 17.12.1944 die Mutterhauskirche völlig zerstört wurde und das übrige<br />

Mutterhaus so schwer beschädigt wurde, dass nach dem Angriff vom<br />

17.1.1945 kaum noch Räume bewohnbar waren. Glücklicherweise waren<br />

keine Todesopfer zu beklagen.<br />

Ausgerechnet im Erholungsheim Unterhaching, das wegen seiner Randlage<br />

<strong>als</strong> relativ sicher galt, musste die Kongregation die ersten Kriegsopfer<br />

beklagen. Da man dort nicht mit Luftangriffen gerechnet hatte, war auch<br />

der Luftschutzbunker nicht ganz vorschriftsmäßig. In diesem Schutzraum<br />

saßen am Vormittag des 13. Juni 1944 insgesamt 30 <strong>Barmherzige</strong> Schwestern,<br />

darunter 26 Schwestern, die zur Erholung auf den Marxhof gekommen<br />

waren, betend zusammen und hofften, dass der schon seit fast zwei Stunden<br />

anhaltende Angriff auf München bald zu Ende gehen würde. Die Angst der<br />

Schwestern war groß, da sie die Flieger immer in der Nähe hörten. Als sie<br />

schon mit einem baldigen Ende des Angriffs rechneten, schlug eine Bombe<br />

direkt neben dem Bunker ein, so dass die Schwestern verschüttet wurden.<br />

Obwohl die nur leicht verletzte Oberin Schwester M. Amarantha Saxinger<br />

sich schnell befreien und Helfer für die Bergung holen konnte, kam für<br />

einen Teil der Schwestern jede Hilfe zu spät. Elf Schwestern konnten nur<br />

noch tot geborgen werden, eine verstarb kurze Zeit nach der Bergung. 16<br />

<strong>zum</strong> Teil schwer Verletzte konnten trotz des herrschenden Bettenmangels in<br />

der Münchner Chirurgischen Klinik untergebracht werden. Generaloberin<br />

Schwester M. Castella Blöckl, die unmittelbar nach dem Angriff telefonisch<br />

von dem Unglück verständigt worden war, hatte sich sofort vom Ökonomieleiter<br />

von Berg am Laim mit dessen Lastwagen nach Unterhaching bringen<br />

lassen. Dieser transportierte die ersten Verletzten in die Klinik in der Nußbaumstraße,<br />

bevor mit dem Sanitätsauto die weiteren Opfer folgten. Noch<br />

am gleichen Abend verstarb dort Schwester M. Polyxena Prager, die <strong>als</strong><br />

ambulante Krankenschwester in Unterhaching sehr beliebt war. Zwei wei-<br />

207


<strong>Festschrift</strong> der <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern<br />

Gedenkstätte<br />

auf dem<br />

Waldfriedhof<br />

für die<br />

durch Fliegerangriffe<br />

getöteten<br />

Schwestern.<br />

208<br />

tere Schwestern erlagen<br />

ihren Verletzungen<br />

am 23. Juni und am<br />

5. Juli. So waren insgesamt<br />

15 Tote bei diesem<br />

Angriff zu beklagen.<br />

Von den verletzten<br />

Schwestern waren viele<br />

noch lange leidend.<br />

Nur drei Schwestern,<br />

unter ihnen die Oberin,<br />

waren so gut wie<br />

unverletzt geblieben.<br />

Trauer und Betroffenheit waren groß: „Die Anteilnahme von nah und fern<br />

war groß und rührend: Von der Durchgabe der telegrafischen Meldungen an die verschiedenen<br />

Angehörigen – die Beamten im Telegrafenamt waren erschüttert – von<br />

den Einwohnern Unterhachings, den Ärzten, Behörden, geistlichen und weltlichen<br />

Stellen, bis zu den Bekannten und Unbekannten – eine allgemeine Trauer.“ 160 Die<br />

Schwestern schmückten ihre toten Mitschwestern mit weißen Schleiern<br />

und Myrtenkränzen. Jede bekam einen Rosenkranz in die Hand, die Jüngste,<br />

„unsere lebensfrohe Schwester M. Ingolda“ 161 , einen roten. Erschütternd<br />

war auch die Beerdigung von den inzwischen 13 verstorbenen Schwestern<br />

am 17. Juni 1944 auf dem Waldfriedhof. Domkapitular Grassl hielt eine<br />

ergreifende Grabrede: „Der Orden der <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern steht heute<br />

mit seiner Generaloberin vor einem ausgeschaufelten Grab, so groß, so weit, so wehe-<br />

und schmerzvoll, wie noch nie ein Grab sich geöffnet in den 112 Jahren seines<br />

Bestehens in Bayern.“ 162 Als besonders tragisch wurde empfunden, dass bei<br />

diesem Angriff Schwestern ums Leben kamen, die an wesentlich gefährlicheren<br />

Orten gearbeitet hatten und zur Erholung in das <strong>als</strong> sicher geltende<br />

Unterhaching kamen. Drei Schwestern wollten zudem schon am Morgen<br />

ihre Heimreise antreten, mussten aber wegen des Fliegeralarms wieder vom<br />

Bahnhof auf den Marxhof zurückkehren.<br />

Die Luftangriffe nahmen in den folgenden Wochen und Monaten an<br />

Zahl und Intensität weiter zu. Waren in den Jahren 1942 und 1943 je drei<br />

Angriffe auf München geflogen worden, wurden im Jahr 1944 insgesamt 29<br />

Bombardements registriert. Die Tragödie in Unterhaching hatte Angst und<br />

Sorge um das Leben der Mitschwestern noch erhöht. So war es allen Niederlassungen<br />

ein besonderes Anliegen, über das Mutterhaus miteinander Kontakt<br />

zu halten. Das Mutterhaus verschickte unmittelbar nach jedem Angriff<br />

knapp gefasste „Lebenszeichen“-Karten mit bis zu zehn erlaubten Worten<br />

an die auswärtigen Niederlassungen, um sie über den Zustand der Münch-


Die <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern unter dem Nation<strong>als</strong>ozialismus<br />

ner Niederlassungen<br />

auf dem Laufenden zu<br />

halten. Später folgten<br />

ausführlichere Berichte.<br />

Als Post- und Bahnverkehr<br />

in München<br />

immer mehr <strong>zum</strong><br />

Erliegen kamen, mussten<br />

diese Karten zu<br />

Fuß weit außerhalb<br />

Münchens transportiert<br />

werden, bis sie von der<br />

Bahn an ihre Zielorte<br />

mitgenommen werden konnten. Auch die Verbindung nach Adelholzen, wo<br />

der gesundheitlich angeschlagene Ordenssuperior Pfaffenbüchler fast die<br />

gesamte Kriegszeit zubrachte, wurde immer mehr erschwert. Dabei machten<br />

sich der Prälat und die Schwestern im Chiemgau große Sorgen um die<br />

Münchner Schwestern, wenn sie die feindlichen Flugzeuge im Anflug auf<br />

München beobachteten. So schrieb der Superior im Juli 1944 an Herrn<br />

Hirschmann, den äußerst zuverlässigen Ökonomieverwalter von Berg am<br />

Laim, der ihm regelmäßig Bericht erstattete: „Sie können sich denken, dass<br />

meine Gedanken oft und oft in München und in Berg am Laim weilen, besonders<br />

dann, wenn ich von einer Gefahr höre oder gar voraussehe wie es der Fall ist,<br />

wenn die Flieger hoch über Adelholzen gehen nach Norden und dann nach Westen<br />

schwenken, worauf ich dann die Detonationen der Geschosse zu Gehör bekomme;<br />

die Erholungsschwestern, welche solche Angriffe erlebt haben, sind dann, je nach<br />

ihren Nerven, mehr oder weniger aufgeregt.“ 163<br />

Selbst zwischen den Münchner Niederlassungen wurde es mit zunehmender<br />

Intensität des Kriegsgeschehens immer schwieriger, Verbindung<br />

zu halten. Schon der kurze Weg vom Postulat <strong>zum</strong> Mutterhaus durch die<br />

nach einem Bombardement brennende Stadt konnte lebensgefährlich sein.<br />

In einem Bericht an die auswärtigen Filialen beschreibt die Generaloberin<br />

diese Ausnahmesituation: „Soweit, meine lieben Schwestern, sind uns Nachrichten<br />

zugegangen. Es konnte nur durch Boten geschehen, die mühsam durch die<br />

zerstörten Stadtteile kommen; denn München ist ohne Telefon, ohne Licht, ohne<br />

Gas, ohne Sirene, ohne Wasser… Ich weiß nicht, ob Ihr ermessen könnt, in welcher<br />

Bedrängnis unsere Schwestern waren, namentlich der betroffenen Anstalten; diese<br />

Not und Angst und Sorge um die Anvertrauten; dann die viele Arbeit nach den<br />

Angriffen.“ 164<br />

Die Schwestern in den Niederlassungen mussten sich trotz ihrer eigenen<br />

Angst erst um die ihnen anvertrauten Kranken, Kinder und alten Leute<br />

Lebenszeichenkarte<br />

des Mutterhauses<br />

an Superior<br />

Pfaffenbüchler<br />

vom<br />

17. Dezember<br />

1944<br />

209


<strong>Festschrift</strong> der <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern<br />

210<br />

Das Mutterhaus<br />

nach dem<br />

schweren<br />

Luftangriff<br />

vom<br />

17. Dezember<br />

1944<br />

kümmern: „Wenn auch die Kranken <strong>zum</strong> Teil in den Kellern blieben, so war es<br />

doch eine übergroße Belastung, die Operierten, die Schwerkranken, die Kinder alle<br />

zu bergen.“ 165<br />

Und nach dem Angriff mussten die Schwestern die Brände löschen, wobei<br />

häufig die Erschwernis hinzukam, dass das Löschwasser ausging. Sehr dankbar<br />

waren die Schwestern im Mutterhaus und im Postulat, <strong>als</strong> ihnen immer<br />

wieder Soldaten aus der Kaserne in der Blumenstraße zu Hilfe kamen. Bei<br />

dem durch Phosphorbomben ausgelösten verheerenden Brand der Mutterhauskirche,<br />

der auch das Mutterhaus selbst zu zerstören drohte, standen die<br />

Schwestern zunächst jedoch ganz ohne Hilfe. Die Löschtrupps mussten verständlicherweise<br />

zunächst versuchen, die in Brand stehenden umliegenden<br />

Kliniken zu retten. Erst <strong>als</strong> ein Löschtrupp, der für die Chirurgische Klinik<br />

anrückte, gesehen hatte, dass dort jede Hilfe zu spät kam, konnte mit seiner<br />

Hilfe ein Teil des Mutterhauses gerettet werden. Aber wie sah es nach den<br />

Bränden aus? Die Häuser mussten notdürftig wieder abgedichtet werden.<br />

Häufig blieben offene Stellen im Dach, so dass bei jedem Regen trotz Fliegergefahr<br />

Wasser geschöpft werden musste. Und wie war bei diesem Chaos<br />

noch der Alltag zu bewältigen? Es gab kaum noch Möglichkeiten, die viele<br />

Wäsche der Krankenhäuser zu waschen. Zum Kochen kamen viele Bewohner<br />

der umliegenden Häuser ins Mutterhaus, da sie nach dem Ausfall der<br />

Gasversorgung zu Hause nicht mehr kochen konnten. Zum Schlafen hatte<br />

man im Mutterhaus nur noch einige Gemeinschaftsräume notdürftig hergerichtet.<br />

Gegen Ende des Krieges zog man ganz in den Keller. An Schlaf<br />

war wegen der vielen nächtlichen Angriffe sowieso häufig nicht mehr zu<br />

denken. Obwohl ihre Schwestern sie immer wieder darum baten, lehnte es<br />

die Generaloberin ab, sich außerhalb Münchens, gedacht wurde in erster


Die Ruinen<br />

der<br />

Münchner<br />

Frauenkirche<br />

Die <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern unter dem Nation<strong>als</strong>ozialismus<br />

Linie an Planegg, in Sicherheit zu bringen. Sie wollte mit ihren Mitschwestern<br />

im Mutterhaus ausharren.<br />

Besonders eindrucksvoll ist der Bericht des Mutterhauses über die letzten<br />

Kriegsmonate. Den Heiligen Abend 1944, einige Tage nach dem Verlust<br />

der Mutterhauskirche und eines Teils des Hauses, begingen die Schwestern<br />

wegen eines mehrstündigen Angriffs im Keller. Auch am Weihnachtstag<br />

mussten sie dort Schutz suchen. Trotz der Gefahr kamen an diesem Tag viele<br />

Besucher, unter ihnen auch Kardinal von Faulhaber, um die Schwestern zu<br />

trösten. Bis <strong>zum</strong> Dreikönigstag herrschte Ruhe, die die Schwestern nutzten,<br />

einige Räume notdürftig wieder herzurichten. Doch schon am Abend des<br />

6. Januars entbrannte der Luftterror erneut mit größter Vehemenz. Wieder<br />

brannte das Mutterhaus.<br />

In den kommenden Wochen verstärkte sich die Sorge um die auswärtigen<br />

Niederlassungen, denn nun wurden von den alliierten Bombern auch<br />

kleinere Orte angegriffen. Und bei diesen Angriffen in den letzten Kriegsmonaten<br />

sollten die Schwestern weitere Todesopfer zu beklagen haben. Am<br />

22. Januar 1945 warfen die feindlichen Flieger über Sonthofen, das sie vorher<br />

immer nur überflogen hatten, Bomben ab. Die Zerstörung des dortigen<br />

Heilig-Geist-Spit<strong>als</strong> kostete drei der fünf in dieser Niederlassung tätigen<br />

<strong>Barmherzige</strong>n Schwestern und einigen der ihnen anvertrauten alten Menschen<br />

das Leben. Nur drei Tage später kamen bei der Bombardierung des<br />

Münchner Ostens drei weitere <strong>Barmherzige</strong> Schwestern in Berg am Laim<br />

ums Leben. Zwei Schwestern hatte man nur noch tot unter einer eingestürzten<br />

Treppe bergen können. Eine ältere Schwester erlitt durch die Aufregung<br />

einen Herzstillstand. Am 9. April 1945 traf es das <strong>als</strong> sicher geltende<br />

Planegg. Trotz des großen materiellen Schadens war man dankbar, dass dieser<br />

Angriff kein Menschenleben forderte. In Aschaffenburg, das bereits seit<br />

211


<strong>Festschrift</strong> der <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern<br />

212<br />

1942 Angriffsziel gewesen war, war im November 1944 das Krankenhaus<br />

zerstört worden. Immer mehr auswärtige Niederlassungen wie beispielsweise<br />

Bamberg, Passau, Erding, Landshut, Regensburg und Ingolstadt waren<br />

nun von Luftangriffen betroffen. Bei dem Bombardement von Donauwörth<br />

am 19. April 1945, bei dem sowohl das Spital <strong>als</strong> auch das Krankenhaus vernichtet<br />

wurden, wurden zwei <strong>Barmherzige</strong> Schwestern verletzt. Die Oberin<br />

der ambulanten Station, Schwester M. Ismeria Rosenbaum, galt <strong>als</strong> vermisst<br />

und konnte erst nach Wochen, <strong>als</strong> der Krieg bereits zu Ende war, tot unter<br />

den Trümmern geborgen werden.<br />

Am 29. April, <strong>als</strong> die Amerikaner bereits vor München standen, geriet die<br />

Niederlassung in Berg am Laim noch einmal in höchste Gefahr. Die erzwungene<br />

Unterbringung des Flak-Überprüfungskommandos in einem Teil des<br />

Klosters hatte sich während des Krieges <strong>als</strong> sehr günstig erwiesen, da die<br />

Soldaten nach den Angriffen immer schnelle Hilfe beim Löschen der Brände<br />

und der Bergung Verschütteter leisteten. Am Kriegsende hätte diese Einquartierung<br />

beinahe fatale Folgen gehabt. Ein großer Teil der Soldaten hatte<br />

den Krieg bereits verloren gegeben und sich Zivilkleidung besorgt, um sich<br />

vor dem Einmarsch der Amerikaner abzusetzen. Allerdings war kurz vorher<br />

ein neuer Befehlshaber eingesetzt worden, der darauf bestand, zusammen mit<br />

den Luftwaffenhelfern, 16- und 17-<strong>jährigen</strong> Jugendlichen, die Stellung bis<br />

<strong>zum</strong> letzten Mann zu verteidigen. Durch das heftige Flakfeuer direkt hinter<br />

dem Kloster wurde dieses <strong>zum</strong> Angriffsziel für die Amerikaner. Bei dem<br />

schweren Beschuss wurde die St. Michaelskirche getroffen und das Altarbild<br />

stark beschädigt. Die Schwestern waren erschüttert über diese sinnlose Zerstörung.<br />

Glücklicherweise setzten sich die Offiziere und erwachsenen Soldaten<br />

schließlich doch ab und so konnten die amerikanischen Soldaten das<br />

Kloster widerstandslos einnehmen. Als sie in dem „Widerstandsnest“ nur<br />

noch die Schwestern und Flakjungen entdeckten, entspannte sich die Lage.<br />

Ein Fall von „Selbsterhöhung“<br />

Dass die Schwestern selbst unter widrigsten<br />

Umständen im Luftschutzkeller<br />

nie ganz ihren Humor verloren, zeigt<br />

folgende Anekdote: Die Schwestern<br />

mussten sich im Mutterhauskeller notdürftige<br />

Schlafstätten einrichten, wobei<br />

sie sich <strong>als</strong> recht einfallsreich erwiesen.<br />

Schwester M. Tertulliana Berghofer,<br />

Mesnerin und Nähschwester, stapelte<br />

mehrere Kisten mit Nähutensilien<br />

übereinander und legte ihre Matratzen<br />

obenauf. Die Schwester, von recht kleiner<br />

Statur, konnte ihr so hochgelegenes<br />

Bett nur noch mit Hilfe einer Staffelei<br />

erreichen, fühlte sich aber offensichtlich<br />

dort oben recht wohl. Allerdings sorgte<br />

sie mit dieser ausgefallenen Bettstatt<br />

für Aufsehen und wurde nun ausgiebig<br />

wegen ihrer „Selbsterhöhung“<br />

geneckt. 167


Die <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern unter dem Nation<strong>als</strong>ozialismus<br />

Nach kurzem Misstrauen zeigten sich die Amerikaner schnell sehr freundlich<br />

gegenüber den Schwestern und den „Children“.<br />

Ähnliche Erfahrungen machten auch die in den letzten Wochen im<br />

Mutterhauskeller ausharrenden Schwestern. Hin und Her gerissen zwischen<br />

dem Hoffen auf ein baldiges Kriegsende und dem Bangen, wie die einmarschierenden<br />

Amerikaner sich verhalten würden, hatten sie dort betend<br />

abgewartet, was passieren würde. Wie froh waren sie, <strong>als</strong> sie bald nach dem<br />

Einmarsch der Amerikaner erfahren durften, dass diese ihnen grundsätzlich<br />

freundlich gesinnt waren. Und vor allen Dingen war die Erleichterung<br />

unendlich groß, dass endlich der lang ersehnte Friede herrschte: „Wenn auch<br />

alles Schutt und Asche war und München eine einzige Ruine zu sein schien: es war<br />

Friede, das war genug. Man hatte ruhiges Arbeiten, man hatte ungestörte Nächte,<br />

man hatte den Frieden.“ 166<br />

Traurig war die Bilanz des Mutterhauses am Ende dieses schrecklichen<br />

Krieges: 21 <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern brachte er durch die Bombenangriffe<br />

den Tod. Zudem starben viele Schwestern aufgrund der übermenschlichen<br />

Belastung in diesen Jahren frühzeitig. So sank die durchschnittliche<br />

Lebenserwartung von 57,2 Jahren (1938) auf 52,5 Jahre (1945), die Zahl der<br />

verstorbenen Schwestern stieg von 26 (1938) auf 62 (1945). 168<br />

Der Gesamtschaden an den ordenseigenen Gebäuden betrug grob<br />

geschätzt 1,6 Millionen Reichsmark. Das Postulatsgebäude war zu 100 %<br />

zerstört, das Mutterhaus zu zwei Dritteln beschädigt. In München waren<br />

fast alle Niederlassungen nur noch Ruinen. Die einzige Münchner Niederlassung,<br />

die den Bombenkrieg fast unbeschädigt überstanden hatte, war<br />

die Maria-Theresia Klinik von Prof. Lebsche am Bavariaring. Viele gläubige<br />

Katholiken sahen in der Verschonung dieser Klinik inmitten der um<br />

sie herum entstandenen Trümmerwüste das Wirken der Muttergottes. Prof.<br />

Lebsche, ein glühender Marienverehrer, hatte dem Gnadenbild der Schmerzhaften<br />

Muttergottes der zerstörten Herzogspitalkirche, von der eine wundersame<br />

Augenwende überliefert ist, in seinem Krankenhaus Asyl gewährt.<br />

Die Maria-Theresia-Klinik wurde in den letzten Kriegsmonaten ein Ort<br />

intensivsten Gebetes. Viele gläubige Münchner kamen wegen der seit Januar<br />

1945 aus der zerbombten Fronleichnamskapelle hierher verlegten Ewigen<br />

Anbetung und wegen der Madonna in die Klinik.<br />

*<br />

213


GeneraloberinSchwester<br />

M. Castella<br />

Blöckl<br />

führte die<br />

Kongregation<br />

in den<br />

schweren<br />

Zeiten des<br />

Krieges und<br />

der ersten<br />

Nachkriegszeit.<br />

214<br />

Kapitel 12<br />

Wiederaufbau und neue Wege<br />

12.1. Beseitigung der Trümmer<br />

Die Generaloberin beschloss, am 8. Mai 1945 mit der Beseitigung der<br />

Trümmer zu beginnen. Sie hatte dieses wahrhaft historische Datum gewählt,<br />

ohne vorher zu ahnen, dass an diesem Tag der Krieg in Deutschland offiziell<br />

zu Ende gehen sollte. Als erstes sollte der Schutt aus der zerstörten<br />

Mutterhauskirche entfernt werden. Mit einer kaum vorstellbaren Energie<br />

machten sich die Schwestern an die Arbeit, um ihr Ziel zu erreichen, das<br />

Fest Christi-Himmelfahrt am 10. Mai in der Ruine der Mutterhauskirche<br />

feiern zu können. Angespornt durch die Generaloberin, die es sich nicht<br />

nehmen ließ, mit anzupacken und den ersten Schubkarren mit Schutt belud<br />

und wegfuhr, überboten sich die Schwestern gegenseitig in ihrem Arbeitseifer.<br />

Schnell fanden sich auch noch Krankenhausangestellte und Geistliche<br />

<strong>als</strong> Helfer ein. Mit diesem ungeheuren Arbeitseinsatz gelang es tatsächlich,<br />

in zwei Tagen die Mutterhauskirche so<br />

weit von Trümmern zu befreien, dass<br />

das hochgesteckte Ziel erreicht wurde:<br />

am 10. Mai 1945 feierten die <strong>Barmherzige</strong>n<br />

Schwestern voll Dankbarkeit<br />

und Freude den Himmelfahrtstag<br />

unter freiem Himmel in den Ruinen<br />

ihrer Mutterhauskirche. Glücklicherweise<br />

war schönes Wetter. Die amerikanischen<br />

Flugzeuge am Himmel<br />

stellten glücklicherweise keine Bedrohung<br />

mehr dar.<br />

Nach diesem Fest ging das<br />

Schutträumen unvermindert weiter.<br />

Bis Pfingsten sollte auch der Schutt<br />

im Mutterhaus und im Lichthof besei-


Prozession<br />

in der<br />

zerstörten<br />

Stadt<br />

Wiederaufbau und neue Wege<br />

tigt werden. Während auch das Pfingstfest bei schönem Wetter am 20. Mai<br />

festlich begangen werden konnte, mussten die Prozessionen am Fronleichnamstag,<br />

dem 31. Mai 1945, um einige Tage verschoben werden. Am Tag<br />

davor hatte ein schwerer Hagel gewütet und unter anderem das Getreidefeld<br />

in Berg am Laim und den Gemüsegarten im Mutterhaus schwer<br />

geschädigt. Nach dem Unwetter setzte starker Dauerregen ein, so dass die<br />

Schwestern, deren Mutterhaus auf der Nordseite immer noch kein Dach<br />

hatte, mit dem Wasserschöpfen kaum mehr nachkamen. Umso erleichterter<br />

war man, <strong>als</strong> am 1. Juni das Wetter wieder schön wurde. Zwei Tage später,<br />

am 3. Juni, fand mit rund 20.000 Teilnehmern in aller Feierlichkeit die<br />

Fronleichnamsprozession in München statt. Sie wurde von den Katholiken<br />

<strong>als</strong> wahrer Triumphzug erlebt. Unendlich groß war die Freude, den Glauben<br />

nach all den dunklen Jahren der nation<strong>als</strong>ozialistischen Herrschaft wieder in<br />

der Öffentlichkeit zeigen zu können.<br />

Wie schon in den letzten Kriegswochen war in den ersten Nachkriegswochen<br />

eine der größten Sorgen des Mutterhauses der Kontakt mit den<br />

auswärtigen Filialen. Besondere Freude herrschte deshalb, <strong>als</strong> die Generaloberin<br />

am 1. Juni endlich die Schwestern und Superior Pfaffenbüchler in<br />

Adelholzen besuchen konnte. Die amerikanische Militärregierung hatte ihr<br />

die Sondergenehmigung erteilt, für notwendige Fahrten das Auto von Berg<br />

am Laim zu benützen. Vorher hatte Prof. Lebsche, der <strong>als</strong> einer der wenigen<br />

sehr schnell sein Auto wieder benützen durfte, für wichtige Fahrten den<br />

Chauffeur gemacht.<br />

Da der Bahn- und Postverkehr immer noch unterbrochen war, konnte<br />

die Verbindung zu den meisten Niederlassungen nur über Boten hergestellt<br />

werden. So dauerte es lange, bis endlich auch zu den weiter entfernten<br />

Niederlassungen wie Bayreuth und Regensburg wieder Kontakt<br />

hergestellt werden konnte. Die größten Sorgen machte man sich um die<br />

215


<strong>Festschrift</strong> der <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern<br />

216<br />

beiden Schwestern, die Bischof von Preysing in Berlin den Haushalt führten.<br />

Im Krieg waren sie ausgebombt worden und hatten mehrm<strong>als</strong> ihre<br />

Notunterkünfte wechseln müssen. Schon dam<strong>als</strong> hatte man in München<br />

oft wochenlang nichts mehr von ihnen gehört. Jetzt, nach Kriegsende, blieb<br />

das Mutterhaus mehrere Monate im Ungewissen über ihr Schicksal. Erst im<br />

September kamen beruhigende Nachrichten aus Berlin.<br />

12.2. Sondereinsätze in der unmittelbaren<br />

Nachkriegszeit<br />

Trotz der eigenen Sorgen kümmerten sich die Schwestern um die vielen<br />

Mitmenschen, die gerade in diesen ersten Nachkriegswochen ihre Hilfe<br />

brauchten. Da in München die Nahrungsmittelversorgung sehr mangelhaft<br />

war, herrschte großer Andrang an der Mutterhauspforte, wo die <strong>Barmherzige</strong>n<br />

Schwestern Tee und Suppe für die Hungrigen ausgaben. Diese Notversorgung<br />

nahmen nicht nur Arme in Anspruch, sondern auch Reisende, die<br />

sonst keine Möglichkeit sahen, in München an etwas Essbares zu kommen:<br />

„In der Großstadt war die Beschaffung von Lebensmitteln fast unmöglich, besonders<br />

der Produkte, die täglich frisch vom Lande kamen. In keinem Gasthaus der Stadt<br />

gab es Suppe, Brot etc. Nur bei den <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern in der Nußbaumstraße<br />

gab es warme Suppe, das sprach sich herum. Unsere Pfortenspeisung dehnte sich<br />

nicht nur auf die Armen aus. Es kamen Handwerker und Geschäftsleute und manch<br />

besserer Herr war froh, wenn er eingeladen wurde, an der Pforte Mittag zu machen.<br />

Leute, die am Bahnhof ankamen, fragten gleich nach der Nußbaumstraße, weil sie<br />

in Würzburg oder Nürnberg gehört hatten, dort gäbe es Suppe.“ 169<br />

Auch viele ehemalige Häftlinge aus dem Konzentrationslager in Dachau<br />

kamen an die Pforte und berichteten den erschütterten Schwestern von<br />

ihren Erlebnissen. Keiner konnte am Kriegsende mehr die Augen davor<br />

verschließen, wohin die NS-Ideologie geführt hatte: „Aus den Konzentrationslagern<br />

strömten die Gefangenen heraus, furchtbare Dinge wurden offenbar.“ 170<br />

Kaum einem jedoch wurde das Ausmaß der Grausamkeit in den Lagern<br />

so deutlich vor Augen geführt, wie einigen <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern, die<br />

von den amerikanische Behörden zu Sondereinsätzen bei der Pflege von<br />

ehemaligen KZ-Häftlingen herangezogen wurden.<br />

So mussten die Schwestern der ambulanten Pflegestation in Landsberg auf<br />

Befehl der amerikanischen Behörden die Pflege der schwerkranken Juden<br />

des befreiten KZ Kaufering-Landsberg übernehmen. Der Bürgermeister<br />

war angewiesen worden, für die Pflege der Lagerinsassen Ordensschwestern<br />

ins Lager zu schicken. So machten sich am 29. April 1945 Schwester<br />

M. Betha Blöchl und Schwester M. Reinlinde Rast in Begleitung eines


Wiederaufbau und neue Wege<br />

Arztes, zweier Sanitäter und der Schwester des Bürgermeisters <strong>zum</strong> Lager<br />

auf. Schon der Weg dorthin war sehr beschwerlich, da wegen der Sprengung<br />

der Brücken durch die Deutschen große Umwege gemacht werden<br />

mussten. Schwester M. Betha berichtete später ans Mutterhaus: „Schwester<br />

M. Reinlinde und ich beteten im Stillen ohne Unterlass auf dem Weg dorthin. Wir<br />

fühlten, dass wir vor eine große Aufgabe gestellt wurden. Aber, wie konnten wir<br />

auch nur ahnen, was Schreckliches auf uns wartete.“ 171 Im Lager befanden sich<br />

885 Menschen, darunter an die 300 Schwerkranke. Schwester M. Betha<br />

beschreibt das Krankenrevier, in dem etwa 50 Kranke lagen: „Unvergesslich<br />

bleibt uns der grauenvolle Anblick, unbeschreiblich der Jammer und das Elend, das<br />

uns hier empfing, das Heulen und Schreien der Kranken. Wir fanden hier etwa 50<br />

Kranke, total verkommen und verwahrlost, starr von Schmutz und Läusen, <strong>zum</strong><br />

Skelett abgemagert, in Lumpen gehüllt… Großes Entsetzen befiel uns, <strong>als</strong> wir<br />

die Kranken in solch menschenunwürdigen Unterkünften antrafen.“ Obwohl die<br />

Amerikaner sie eindringlich vor dem im Lager grassierenden Fleckfieber<br />

gewarnt hatten, dachten sie nicht mehr an ihre eigene Gefährdung: „Beim<br />

Anblick all dieses Elends hatten wir all die Gefahren der Ansteckung vergessen. Aber<br />

was waren hier auf diesen ausgedehnten Arbeitsfeldern zwei armselige Schwestern?<br />

Im ganzen Lager kein Tropfen Wasser, kein Licht – Verbandmaterial hatten wir mitgebracht.“<br />

Strömender Regen, der in Schnee überging, erschwerte die Lage<br />

zusätzlich. Einige Tage arbeiteten die beiden Schwestern, im Wechsel mit<br />

zwei weiteren <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern, Schwester M. Jolenta Beyer und<br />

Schwester M. Ursinella Fleischmann, unter unvorstellbar schweren Bedingungen,<br />

um den Kranken und Sterbenden nach ihren Kräften beizustehen.<br />

„Tief beschämte uns die wiederholte Anklage, dass es Deutsche waren, die diese Verhältnisse<br />

zugelassen und geduldet haben. Nun hatten wir Gelegenheit ein wenig gut<br />

zu machen, was andere verbrochen hatten.“ Da auch die Amerikaner einsahen,<br />

dass im Lager keine ordentliche Krankenpflege möglich war, transportierten<br />

sie die Kranken nach und nach in die Landsberger Kaserne. Allerdings war<br />

auch diese völlig überbelegt und in einem jämmerlichen Zustand. Zunächst<br />

fehlten auch hier Strom und Wasser, aber immerhin hatten nun alle ein<br />

Dach über dem Kopf. Die <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern blieben hier weiterhin<br />

für die Pflege der Kranken zuständig, unter denen viele an Typhus und<br />

Fleckfieber litten. Während die Schwestern M. Betha und M. Reinlinde<br />

nach einigen Wochen wieder in ihre ambulante Pflegestation zurückkehren<br />

durften, mussten die beiden anderen Schwestern noch bis Anfang August in<br />

der Kaserne durchhalten.<br />

Auch im Krankenhaus Eggenfelden pflegten die <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern<br />

viele ehemalige KZ-Häftlinge, die dort von den Amerikanern eingewiesen<br />

worden waren. Die meisten von ihnen waren typhuskrank und<br />

befanden sich in einem grauenvollen Allgemeinzustand.<br />

217


<strong>Festschrift</strong> der <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern<br />

Sterbezimmer<br />

des<br />

seliggesprochenen<br />

Priesters<br />

Karl Leisner<br />

im Waldsanatorium<br />

bei Planegg<br />

218<br />

Da die Amerikaner<br />

schnell Vertrauen zu den<br />

<strong>Barmherzige</strong>n Schwestern<br />

gefasst hatten, übertrugen<br />

sie ihnen in vielen<br />

Krankenhäusern<br />

die Pflege der ausländischen<br />

Patienten. Auch<br />

im Münchner Ausländerkrankenhaus<br />

in der<br />

Schwabinger Rümannstraße<br />

waren die Schwestern<br />

tätig. Dieses Haus<br />

war ursprünglich <strong>als</strong> städtisches Altenheim gebaut, aber nach Fertigstellung<br />

<strong>als</strong> Lazarett genutzt worden. Von Juni 1945 bis März 1951 diente es <strong>als</strong> Krankenhaus<br />

der UNRRA (United Nations Relief and Rehabilitation Administration),<br />

einer Organisation der Vereinten Nationen (UNO), die für die so<br />

genannten „displaced persons“ zuständig war. Diese entwurzelten und heimatlos<br />

gewordenen Menschen waren in erster Linie ehemalige KZ-Häftlinge<br />

und Zwangsarbeiter, die nicht mehr in ihre Heimat zurück konnten<br />

oder wollten. Auch der Strom der Flüchtlinge und Vertriebenen aus den<br />

deutschen Ostgebieten stellte für die Schwestern eine große Herausforderung<br />

dar.<br />

Bei der Pflege der vielen typhuskranken KZ-Häftlinge und Flüchtlinge<br />

war es nicht verwunderlich, dass zwischen 1945 und 1947 auch zwölf<br />

<strong>Barmherzige</strong> Schwestern an Typhus starben. 172 Darunter war auch die schon<br />

mehrfach erwähnte Schwester M. Gradulpha Lehnert, die leibliche Schwes-<br />

Die Rettung kam zu spät:<br />

Der selig gesprochene Priester Karl Leisner<br />

Im Waldsanatorium der <strong>Barmherzige</strong>n<br />

Schwestern in Planegg starb am 12.<br />

August 1945 der 1996 selig gesprochene<br />

Priester Karl Leisner (1915-1945). Auch er<br />

war ein Opfer der Nation<strong>als</strong>ozialisten,<br />

die ihn <strong>als</strong> jungen Diakon wegen systemfeindlicher<br />

Äußerungen im November<br />

1939 verhaftet hatten. Ab Dezember<br />

1940 war er im Konzentrationslager<br />

Dachau inhaftiert, wo er im Dezember<br />

1944 geheim und unter schwierigsten<br />

Umständen durch einen inhaftierten<br />

französischen Bischof <strong>zum</strong> Priester<br />

geweiht wurde. Während der Haft verschlechterte<br />

sich sein Gesundheitszustand<br />

zunehmend. Bei der Befreiung<br />

aus dem Konzentrationslager war seine<br />

Tuberkulose schon so weit fortgeschritten,<br />

dass es keine Rettung mehr gab.<br />

Freunde brachten ihn zu den <strong>Barmherzige</strong>n<br />

Schwestern in Planegg, die ihn bis<br />

zu seinem Tod liebevoll pflegten.


ter von Schwester Pascalina, der Haushälterin von Papst Pius XII. Schwester<br />

M. Gradulpha hatte am Städtischen Krankenhaus in Traunstein die Isolierstation<br />

geleitet, bis sie selbst an Typhus erkrankte und im November 1946<br />

verstarb. 173<br />

Auch ohne diese sehr belastenden Sonderaufgaben wären die Schwestern<br />

ausgelastet gewesen. Weiterhin mussten sie, teilweise noch Jahre lang,<br />

die vielen Ausweichkrankenhäuser aufrechterhalten, bis die Kliniken in<br />

München wieder aufgebaut waren. Die Hilfsschwestern der anderen Orden<br />

aber waren für Aufgaben ihrer eigenen Gemeinschaften abgezogen worden.<br />

Auch in München selbst gab es viel zu tun. So arbeiteten die <strong>Barmherzige</strong>n<br />

Schwestern weiterhin im Schwabinger Krankenhaus, das die Amerikaner<br />

beschlagnahmt und <strong>zum</strong> Amerikanischen Hospital umfunktioniert hatten.<br />

Hier waren ein gewisses Maß an Englischkenntnissen und Flexibilität<br />

gefordert.<br />

Die Maria-Theresia-Klinik wurde in der unmittelbaren Nachkriegszeit<br />

<strong>zum</strong> Zentrum der Gesundheitsversorgung in München. Die Amerikaner<br />

hatten dem politisch unbelasteten Chirurgen Prof. Lebsche eine zentrale<br />

Rolle bei der Neuorganisation der Münchner Gesundheitsversorgung eingeräumt.<br />

Seine kleine Privatklinik hatte zudem <strong>als</strong> einziges Krankenhaus<br />

weit und breit die Bombenangriffe unbeschädigt überstanden, wodurch<br />

sie ein wichtiges Auffangbecken für Patienten aus weitem Umkreis wurde.<br />

Viele Operationen wurden hier durchgeführt, die sonst nur in den Universitätskliniken<br />

üblich waren. Für die <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern an der Klinik<br />

bedeutete diese Sonderstellung der Klinik und ihres Chefs eine große<br />

Mehrbelastung in der Pflege und Verwaltung.<br />

12.3. Wiederaufbau des Mutterhauses<br />

Wiederaufbau und neue Wege<br />

Die <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern gingen mit viel Elan den Wiederaufbau ihres<br />

Mutterhauses an. Im Februar 1946 erhielten sie die Baugenehmigung. Allerdings<br />

erwies sich das Unternehmen wegen der großen Materialknappheit<br />

<strong>als</strong> sehr schwierig. Für alles benötigte man Bezugsscheine. Wegen des großen<br />

Mangels an Nägeln mussten die Schwestern in allen ihren Filialen eine<br />

Nagelsammelaktion durchführen. Hatte man endlich die dringend benötigten<br />

Materialien, musste man sie gut bewachen, damit sie nicht über Nacht<br />

wieder verschwanden.<br />

Dementsprechend groß war die Freude, <strong>als</strong> nach all den Schwierigkeiten<br />

die wieder aufgebaute Mutterhauskirche eingeweiht werden konnte: „Der<br />

Weiße Sonntag (24. April) 1949 wird <strong>zum</strong> Meilenstein in der Geschichte unseres<br />

Ordens und er wird davon zeugen, dass auch die furchtbaren Erschütterungen der<br />

219


<strong>Festschrift</strong> der <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern<br />

220<br />

Einweihung<br />

der wiederaufgebautenMutterhauskirche<br />

1949:<br />

Kardinal<br />

von Faulhaber<br />

zieht<br />

mit den<br />

Schwestern<br />

und Superior<br />

Nißl in die<br />

Kirche ein.<br />

vergangenen Jahre das Werk des hl. Vinzenz in unserem Vaterlande nicht zerstören<br />

konnten, sondern dass aus den Ruinen neues Leben blüht.“ 174<br />

1950 wurden auch die Bauarbeiten am Mutterhaus abgeschlossen.<br />

Der seit 1914 amtierende Superior Prälat Pfaffenbüchler durfte den<br />

Abschluss des Wiederaufbaus der Ordenszentrale nicht mehr erleben. Er<br />

verstarb am 3. Februar 1947 in Adelholzen. Zum neuen Superior wurde im<br />

Juli 1947 der Stadtpfarrer von St. Ludwig in München, Karl Nißl, ernannt.<br />

Zusammen mit der beim Generalkapitel im November 1947 wiedergewählten<br />

Generaloberin Schwester M. Castella Blöckl stellte dieser nun die<br />

Weichen für die Zukunft, die zunächst sehr hoffnungsvoll aussah. In den<br />

ersten drei Nachkriegsjahren war die Zahl der Neueintritte erfreulich hoch.<br />

Im Jahr 1947 stieg die absolute Zahl der Ordensschwestern mit dem Eintritt<br />

von 55 Kandidatinnen noch ein letztes Mal auf insgesamt 2645 an. Seit dem<br />

Höchststand von 1938 mit 2837 Mitgliedern war die Zahl kontinuierlich<br />

zurückgegangen. <strong>175</strong> Die Zunahme der Neueintritte unmittelbar nach dem<br />

Krieg lässt sich mit einem gewissen Überhang aus den letzten Kriegsjahren<br />

erklären. Viele junge Frauen hatten ihren Ordenseintritt bis nach Kriegsende<br />

zurückgestellt, meist aus Rücksicht auf ihre Familien, die ihre Mithilfe<br />

beispielsweise in ihrem landwirtschaftlichen Betrieb benötigten. Schon<br />

unmittelbar nach dem Krieg kamen die ersten Anmeldungen. Die Chronik<br />

berichtet von einer Bewerberin aus Aschaffenburg, die sich zu Fuß bzw. per<br />

Anhalter auf den Weg nach München machte. In diesen ersten Nachkriegsjahren<br />

wurden die Einkleidungs- und Professfeiern in St. Michael in Berg<br />

am Laim gefeiert. Groß war die Freude, <strong>als</strong> 1949 diese Feiern in die wieder<br />

aufgebaute Mutterhauskirche zurückverlegt werden konnten. Die erste<br />

Einkleidungsfeier darin fand schon zwei Wochen nach der Einweihung statt.


Das wiederaufgebaute<br />

Mutterhaus<br />

1950. Der<br />

Chor der<br />

Mutterhauskirche<br />

wurde beim<br />

Wiederaufbau<br />

verlängert.<br />

Die neu eingekleideten Novizinnen erhielten die Namen der 21 im Krieg<br />

getöteten Schwestern.<br />

1946 kehrte nach 34 Jahren das Noviziat nach Berg am Laim zurück.<br />

1912 war es von dort für drei Jahre nach Adelholzen verlegt worden. Von<br />

1915 bis 1944 befand es sich im Mutterhaus, wurde aber 1944 wegen der<br />

Fliegerangriffe nach Planegg ausgelagert. Da das Postulatsgebäude zerstört<br />

worden war, wurde auch das Postulat in Berg am Laim untergebracht.<br />

Nach dem „Boom“ von 1947 ging die Zahl der Kandidatinnen allerdings<br />

kontinuierlich zurück. Der Nachwuchsmangel und der damit verbundene<br />

Rückgang der Schwesternzahl machten sich in den folgenden Jahren bereits<br />

bemerkbar und nahm immer größeren Einfluss auf die Entscheidungen der<br />

Ordensleitung.<br />

Pilgerreisen nach Rom im Heiligen Jahr 1950<br />

Im Mai 1950 reiste die Ordensleitung<br />

nach Rom. Schwester M. Berthilia Hidringer<br />

durfte sie begleiten. Schwester<br />

Pascalina Lehnert, die schon mehrm<strong>als</strong><br />

erwähnte Haushälterin des früheren<br />

Nuntius Pacelli, des nun seit 1939 amtierenden<br />

Papstes Pius XII., hatte alles für<br />

einen angenehmen Aufenthalt vorbereitet.<br />

Kardinal von Faulhaber, ebenfalls<br />

gerade in der Ewigen Stadt, empfing<br />

die Delegation und ernannte bei die-<br />

Wiederaufbau und neue Wege<br />

sem Anlass den neuen Superior Karl<br />

Nißl <strong>zum</strong> Prälaten. Höhepunkt des Aufenthalts<br />

war die Audienz beim Heiligen<br />

Vater, der nach wie vor großen Anteil<br />

an der Münchner Kongregation nahm.<br />

Nicht nur die Ordensleitung pilgerte im<br />

Heiligen Jahr nach Rom, sondern auch<br />

eine große Anzahl der Schwestern,<br />

nämlich insgesamt 120, durfte diese<br />

besondere Freude erleben.<br />

221


<strong>Festschrift</strong> der <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern<br />

222<br />

12.4. Neue Entwicklungen in Indersdorf und Landshut<br />

Schon kurz nach Kriegsende nahm Superior Pfaffenbüchler Verbindung mit<br />

dem Ordinariat auf, um die Möglichkeit einer Rückkehr der <strong>Barmherzige</strong>n<br />

Schwestern nach Indersdorf zu besprechen. Und tatsächlich sollte diese<br />

bald erfolgen, allerdings unter anderen Bedingungen, <strong>als</strong> die Schwestern sie<br />

erhofft hatten. Anfang Juli wurde die Ordensleitung von der amerikanischen<br />

Besatzungsmacht verständigt, dass das Kloster Indersdorf von der UNRRA<br />

beschlagnahmt worden sei. Es sollten dort ca. 300 Kinder betreut werden,<br />

deren Eltern in den Konzentrationslagern getötet worden waren oder <strong>als</strong><br />

vermisst galten. In Indersdorf sollten sie bleiben, bis sich entweder doch<br />

noch die Eltern meldeten oder eine Adoption zustande kam. Die Amerikaner<br />

ordneten an, das Mutterhaus solle für diese Aufgabe Schwestern zur<br />

Verfügung stellen. So machten sich am 11. Juli 1945 fünf Schwestern auf den<br />

Weg nach Indersdorf. Fünf weitere sollten in Kürze folgen. Die Schwestern<br />

wurden von der Indersdorfer Bevölkerung freudig begrüßt. Immer wieder<br />

hörten sie: „Mei Schwestern, weil’s no wieder da seid’s.“ 176 Die Ordensfrauen<br />

kamen zwar mit ihren amerikanischen Vorgesetzten gut zurecht, konnten<br />

sich aber mit dem Mangel an Ordnung und Erziehung, der in dem Heim<br />

herrschte, nur schwer identifizieren. Als die UNRRA im Sommer 1946 mit<br />

den Kindern nach Prien am Chiemsee umzog, konnten die <strong>Barmherzige</strong>n<br />

Schwestern wieder ins Mutterhaus zurückkehren. Nach dem Abzug der<br />

UNRRA nutzte eine andere Flüchtlingsorganisation der UNO, die IRO<br />

(International Refugee Organization), das Kloster für die Unterbringung<br />

von Jugendlichen und jungen Erwachsenen, im Alter von 16-26 Jahren.<br />

Diese jungen Menschen waren Vollwaisen, meist jüdischer Abstammung,<br />

die unter der nation<strong>als</strong>ozialistischen Herrschaft Furchtbares erlebt hatten.<br />

Nicht wenige hatten die Ermordung ihrer Eltern mit ansehen müssen und<br />

selbst nur überlebt, weil ihre Arbeitskraft noch ausgebeutet werden sollte.<br />

Ihren Hass und ihre Zerstörungswut ließen sie am Inventar des Klosters aus,<br />

wohl in der irrigen Annahme, es handle sich um NS-Eigentum. Nach ihrem<br />

Abzug im August 1948 ließen sie das Haus völlig verwüstet zurück.<br />

Die Ordensleitung hatte seit Jahren mit dem Eigentümer des Klosters,<br />

dem Freistaat Bayern, Verhandlungen wegen einer erneuten Übernahme<br />

geführt. Allerdings bestand sie darauf, die Niederlassung käuflich zu erwerben.<br />

Auf einen Pachtvertrag wollte man sich nach den Erfahrungen von 1938<br />

nicht mehr einlassen. Gerade angesichts des heruntergekommenen Zustands<br />

und der damit nötigen Investitionen an Geld und Arbeit wollte man nicht<br />

riskieren, bald wieder vor die Tür gesetzt zu werden. Auch der neue Superior<br />

Karl Nißl war <strong>als</strong> gebürtiger Indersdorfer sehr an dem Kauf des Klosters<br />

interessiert. Am 1. August 1949 ging das Kloster schließlich in den Besitz des


Wiederaufbau und neue Wege<br />

Ordens über. Schon<br />

im November 1948<br />

hatten Schwester M.<br />

Ado Ehrensberger und<br />

Schwester M. Sentiana<br />

Kundler die mühevolle<br />

Arbeit übernommen,<br />

das Haus wieder<br />

bewohnbar zu machen.<br />

Bald wurden sie dabei<br />

von der neuen Oberin<br />

Schwester M. Adrama<br />

Kuchler unterstützt.<br />

Nun stand die<br />

Frage im Raum, wie man das Kloster in Zukunft nutzen sollte. Als Erstes<br />

knüpften die Schwestern an die Tradition der Kinderbetreuung an, indem<br />

sie bereits im November 1949 einen Kindergarten eröffneten. Dafür wurden<br />

die Schwestern M. Edhilda Hillenmeyer und M. Humilitas Käsbauer, beide<br />

ausgebildete Kindergärtnerinnen, nach Indersdorf geschickt. Sie beschäftigten<br />

60 Kinder in einem einzigen 90 m² großen Raum unter zunächst<br />

sehr primitiven Bedingungen mit den wenigen zur Verfügung stehenden<br />

Spielsachen und Materialien wie Papier- und Schreinerabfällen.<br />

Auch mit dem Angebot eines Winterkurses für Landfrauen, der ebenfalls<br />

im November 1949 begann, nahm der Orden eine seit Ende 1922<br />

in Indersdorf gepflegte Tradition wieder auf. Bis zu ihrem unfreiwilligen<br />

Abzug 1938 hatten die Schwestern jeweils von November bis April Winterkurse,<br />

bei entsprechender Nachfrage zusätzlich auch noch dreimonatige<br />

Sommerkurse angeboten.<br />

Auch in Adelholzen hatte der Orden 1930 mit solchen Kursen begonnen,<br />

zunächst nur für den eigenen Ordensnachwuchs, dann auch für Nichtordensangehörige.<br />

Diese Kurse wurden schon 1933 wieder eingestellt, nach<br />

dem Krieg noch einmal von 1946 – 1949 aufgenommen.<br />

Zweck dieser Kurse, die auch bereits <strong>als</strong> Haushaltungsschule bezeichnet<br />

wurden, war laut einem Prospekt aus Indersdorf, „katholische Mädchen<br />

aus bäuerlichen Familien … zu pflichtgetreuen christlichen Hausfrauen und sachverständigen<br />

Landwirtinnen heranzubilden“. 177 Auch wenn dies für heutige<br />

Ohren recht antiquiert klingen mag, so waren doch bei genauerem Hinsehen<br />

die Unterrichtsinhalte, besonders was den Ernährungs- und Gesundheitsbereich<br />

anbelangte, schon erstaunlich fortschrittlich. Neben den <strong>Barmherzige</strong>n<br />

Schwestern übernahmen auch weltliche Fachlehrkräfte einen Teil<br />

des Unterrichts.<br />

Schwester<br />

M. Adelgunde<br />

Flier mit<br />

ukrainischen,<br />

kroatischen<br />

und französischenKleinkindern<br />

beim<br />

UNRRA-<br />

Einsatz in<br />

Indersdorf<br />

1946<br />

223


<strong>Festschrift</strong> der <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern<br />

224<br />

Vorübergehend stellte der Orden in seinem Indersdorfer Kloster ab Januar<br />

1951 Räume für die katholische Landvolkshochschule für Frauen zur Verfügung.<br />

Diese Initiative zur Erwachsenenbildung der ländlichen Bevölkerung<br />

ging von Weihbischof Johannes Neuhäusler aus und wurde von Organisationen<br />

wie dem Frauenbund und dem Bauernbund, aber auch von staatlicher<br />

Seite unterstützt. 1953 wurde diese erste katholische Volkshochschule in<br />

Oberbayern in das neu gebaute Haus auf dem Petersberg verlegt.<br />

Nach Abzug der Volkshochschule baute der Orden den Bereich der<br />

Hauswirtschaftsschule weiter aus. Ende 1952 richtete er eine einjährige<br />

Hauswirtschaftliche Berufsschule in Indersdorf ein. Gedacht war diese für<br />

14- bis 17-jährige Mädchen, die unmittelbar nach ihrer Schulentlassung mit<br />

dem einen Jahr in der Hauswirtschaftsschule ihre Berufsschulpflicht ableisten<br />

und die Zugangsberechtigung zu verschiedenen Ausbildungsberufen<br />

wie Kinderpflegerin, Krankenschwester oder Säuglingsschwester erwerben<br />

konnten. Die zunächst noch parallel dazu fortbestehenden Landfrauenkurse,<br />

die sich an 18- bis 25-jährige Frauen richteten, wurden nach einiger Zeit<br />

wegen mangelnder Nachfrage wieder eingestellt. Die einjährige Hauswirtschaftsschule<br />

dagegen erfreute sich über mehrere Jahrzehnte einer großen<br />

Resonanz. Erst 1984 gab der Orden seine Indersdorfer Hauswirtschaftsschule<br />

endgültig auf, da seit Beginn der 1980er Jahre die Anmeldungen stark<br />

zurückgingen.<br />

Als noch zukunftsweisender <strong>als</strong> die Einrichtung der Berufsfachschule für<br />

Hauswirtschaft sollte sich ein anderer Weg erweisen, den die Schwestern<br />

auf Anraten des Erzbischöflichen Ordinariats von München und Freising<br />

bei ihrem Neubeginn in Indersdorf beschritten. Während die Schwestern<br />

noch darüber nachdachten, ob man in der Tradition der alten Marienanstalt<br />

ein Heim für die vielen Kriegs- und Flüchtlingswaisen einrichten oder<br />

Schwester M. Amanda<br />

Padberg beim<br />

Kochunterricht in der<br />

Haushaltungsschule<br />

Indersdorf in den<br />

1950er Jahren. Eine<br />

der Schülerinnen<br />

(3. von links) wurde<br />

später selbst <strong>Barmherzige</strong><br />

Schwester:<br />

Schwester M. Felana<br />

Stichlmair arbeitet<br />

heute in der ambulanten<br />

Station in<br />

Oberstdorf.


Wiederaufbau und neue Wege<br />

das Kloster lieber <strong>als</strong> Erholungs- und<br />

Exerzitienhaus nutzen sollte, trat das<br />

Schulreferat des Ordinariats mit dem<br />

Vorschlag an die Kongregation heran,<br />

eine im Landkreis Dachau dringend<br />

benötigte Mittelschule zu eröffnen.<br />

Eine allgemeinbildende weiterführende<br />

Schule stellte für den Orden<br />

trotz seiner Erfahrungen mit Landfrauen-,<br />

Näh- und Krankenpflegekursen<br />

völliges Neuland und somit<br />

eine große Herausforderung dar. Da<br />

die Kongregation nach Möglichkeit<br />

mit ihren eigenen Schwestern <strong>als</strong><br />

Lehrpersonal arbeiten wollte, mussten<br />

zunächst geeignete Schwestern<br />

gefunden und zu Lehrerinnen ausgebildet<br />

werden. Die Entscheidung für die Re<strong>als</strong>chule in Indersdorf erforderte<br />

viel Mut, einen hohen Einsatz an finanziellen Mitteln und vor allem viel<br />

Engagement der dort eingesetzten <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern. Doch es sollte<br />

sich lohnen: Indersdorf wurde zu einem wichtigen Bildungszentrum im<br />

Dachauer Land.<br />

Die lange Zeit an der Re<strong>als</strong>chule <strong>als</strong> Lehrerin und Direktorin tätige<br />

Schwester M. Borromäa Raabe, eine profunde Kennerin der Geschichte des<br />

Klosters Indersdorf, beschreibt den anstrengenden Alltag der Lehrschwestern:<br />

„30 Wochenstunden und mehr bei Klassenstärken von oft über 40 Schülerinnen<br />

– dazu Mithilfe im Internat und während der Ferien auch kräftig in Haus und<br />

Garten. Da mussten die Holzfußböden abgespänt, eingelassen, gebohnert werden,<br />

ohne Maschinen versteht sich! … Außer Klassenstöbern, Schränke auswischen und<br />

Möbeltragen gab es für uns noch andere „Ferienjobs“: Caritasverband und Kreisjugendring<br />

haben viele Jahre dafür gesorgt, dass wir den Umgang mit Kindern nicht<br />

verlernten.“ 178 Erst Anfang der 1980er Jahre gaben die Schwestern diese<br />

zusätzlichen Betreuungsangebote während der Ferien auf, da die Schwestern<br />

nicht mehr die Jüngsten waren und die Schulferien zur Erholung brauchten.<br />

Doch <strong>als</strong> sie 1987 das Internat endgültig aufgaben, stellten sie die Internatsräume<br />

drei weitere Jahre verschiedenen Gruppen preiswert zur Verfügung.<br />

Auch nach 1990 blieb das Kloster Indersdorf ein offenes Haus. Bis zu ihrem<br />

Abzug 1995 gewährten die Schwestern hier Menschen in Ausnahmesituationen<br />

Unterkunft. So nahmen sie zwei Jahre lang 25 Asylbewerber auf. Auch<br />

bei besonderen Anlässen wie dem Kirchentag und dem Taizé-Treffen in<br />

München stellten sie Räume zur Verfügung.<br />

Erdkundeunterricht<br />

bei<br />

Schwester<br />

M. Borromäa<br />

Raabe an der<br />

Re<strong>als</strong>chule<br />

Indersdorf<br />

(1962)<br />

225


<strong>Festschrift</strong> der <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern<br />

226<br />

Das Engagement des Ordens in Indersdorf trug reiche Früchte. Die Mädchenre<strong>als</strong>chule<br />

erlangte schnell einen hervorragenden Ruf. Durch die staatliche<br />

Bildungsoffensive in den 70er Jahren wuchs die Zahl der Schülerinnen<br />

stetig an. Die Re<strong>als</strong>chule nahm immer mehr Raum ein. So waren die nach der<br />

Schließung der Berufsfachschule und des Internats frei gewordenen Räume<br />

schnell wieder belegt. Eine Erweiterung und Modernisierung der Schule<br />

war unabdingbar. Zudem drängte die Öffentlichkeit schon längst darauf, die<br />

Schule auch für Buben zu öffnen. Angesichts des fortgeschrittenen Alters<br />

der in Inderdorf tätigen Schwestern und des allgemeinen Nachwuchsmangels<br />

in der Kongregation entschloss sich die Ordensleitung im Interesse<br />

der Zukunftssicherung der Einrichtung, die Trägerschaft <strong>zum</strong> 1. September<br />

1987 an das Katholische Schulwerk der Erzdiözese abzugeben.<br />

Ende der 80er Jahre kaufte der Landkreis für die Schule den ehemaligen<br />

Klostermeierhof an. In den folgenden Jahren folgten Sanierung und Ausbau<br />

des denkmalgeschützten Anwesens. Nach dieser Erweiterung konnte im<br />

Herbst 1992 die Öffnung der Mädchenre<strong>als</strong>chule für Buben realisiert werden.<br />

Die Schwestern halfen auch nach Abgabe der Trägerschaft weiterhin<br />

nach Kräften mit. Im August 1995 jedoch ging die Geschichte der <strong>Barmherzige</strong>n<br />

Schwestern im Kloster Indersdorf endgültig zu Ende. Schweren<br />

Herzens verließen sie diesen Ort, an dem sie seit 1856 gewirkt hatten. Sie<br />

hinterließen eine gut funktionierende, allgemein anerkannte Re<strong>als</strong>chule, die<br />

wesentlich zur Bereicherung der Bildungslandschaft des Dachauer Landkreises<br />

beiträgt.<br />

Den Kindergarten in Indersdorf, der aus den bescheidenen Anfängen<br />

von 1949 längst zu einer modernen Vorzeigeeinrichtung geworden ist, führte<br />

die Kongregation noch einige Jahre weiter. Zum 1. Januar 2003 übergab<br />

sie ihn an das Franziskuswerk in Schönbrunn.<br />

Marienanstalt in Landshut<br />

Auch in der Marienanstalt in Landshut übernahm der Orden in der Nachkriegszeit<br />

selbst die Trägerschaft. 179 Der Grund dafür war die miserable<br />

finanzielle Lage der Anstalt. In der Kriegs- und Besatzungszeit herrschte<br />

große Not im Kinderheim. Das alte Modell der Finanzierung durch den<br />

Marienverein erwies sich <strong>als</strong> nicht mehr tragfähig. Mit den zur Verfügung<br />

stehenden Mitteln konnte kaum noch der Betrieb, geschweige denn die<br />

dringend anstehende Sanierung finanziert werden. Um die Zukunft des<br />

Kinderheims zu sichern, entschloss sich die Kongregation, die Trägerschaft<br />

selbst zu übernehmen. Nachdem der Marienverein dem Orden die<br />

Anstalt per Schenkung <strong>zum</strong> 1. Januar 1953 übertragen hatte, machte sich


dieser an die notwendigen Um- und Ausbauten. Auch in den 1960er Jahren<br />

wurde kräftig weitergebaut. So entstand 1966 ein neues Säuglingsheim<br />

für Kinder bis sechs Jahren und nach der Auflösung der Landwirtschaft an<br />

der Stelle der Ökonomiegebäude u. a. ein neuer Kindergarten. Waren im<br />

Heim vor dem Krieg 50 Kinder und während des Krieges an die 90 Kinder<br />

untergebracht worden, konnten nun nach den Umbauten ca. 140 Kinder<br />

betreut werden. Um die Einrichtung trotz Schwesternmangels weiterhin zu<br />

erhalten, schenkten die <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern ihr 1973 in St. Vinzenz<br />

umbenanntes Kinderheim <strong>zum</strong> 1. Januar 2002 dem Caritasverband Landshut.<br />

Die Schwestern blieben allerdings auch unter dem neuen Träger dort<br />

tätig. Heute sind noch fünf <strong>Barmherzige</strong> Schwestern in der Einrichtung im<br />

Einsatz.<br />

12.5. Krankenhäuser und Altenheime<br />

in eigener Trägerschaft<br />

„Notkrankenhaus“ Adelholzen<br />

Wiederaufbau und neue Wege<br />

Nicht nur die wichtigsten Einsatzorte der Kinder- und Jugendpflege der<br />

<strong>Barmherzige</strong>n Schwestern, die Einrichtungen in Indersdorf und Landshut,<br />

übernahm der Orden in eigener Trägerschaft, auch im Bereich der Krankenpflege<br />

ist eine ähnliche Entwicklung zu beobachten. Das erste ordenseigene<br />

Krankenhaus eröffnete das Mutterhaus im Jahr 1946 in dem im selben Jahr<br />

<strong>als</strong> Bad anerkannten Adelholzen. 180 Die Idee der Ordensleitung, im Kurhaus<br />

ein Krankenhaus für Innere Medizin einzurichten, bedeutete jedoch noch<br />

Links: Die<br />

alte Marienanstalt<br />

in<br />

Landshut<br />

Rechts: Das<br />

Kinderheim<br />

in Landshut<br />

in den<br />

1960er<br />

Jahren<br />

227


<strong>Festschrift</strong> der <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern<br />

228<br />

keine bewusste Weichenstellung, in Zukunft eigene Krankenhäuser zu führen,<br />

sondern war aus der Not der unmittelbaren Nachkriegszeit entstanden.<br />

So konnten die Ordensleitung und Kardinal von Faulhaber die Beschlagnahmung<br />

des Kurhauses durch die Amerikaner nur dadurch verhindern,<br />

dass das in der Kriegszeit eingerichtete Lazarett <strong>als</strong> Krankenhaus weitergeführt<br />

wurde. Nach Schließung des Lazaretts Ende August 1945 begannen<br />

die nötigen Umbau- und Renovierungsarbeiten, in einer Zeit knapper<br />

Baumaterialien kein leichtes Unterfangen. Schon im Juni 1946 konnten die<br />

ersten Patienten aufgenommen werden. Da das Wasser der Primusquelle<br />

für seine Heilkraft bei Stoffwechselkrankheiten bekannt war, setzte man<br />

den entsprechenden Schwerpunkt und ließ das Krankenhaus 1947 unter<br />

der Bezeichnung „Stoffwechselkrankenhaus Bad Adelholzen“ ins Handelsregister<br />

eintragen. Obwohl sich das Kurhaus trotz der Umbauten für ein<br />

modernes Krankenhauses wenig eignete, blieb das Notkrankenhaus wegen<br />

seiner Beliebtheit bei Patienten und einweisenden Ärzten, aber auch wegen<br />

des großen Bettenmangels in der Nachkriegszeit bis <strong>zum</strong> 1. April 1969 in<br />

Betrieb. Lange Zeit war das Krankenhaus nicht einmal an die öffentliche<br />

Wasserversorgung angeschlossen, sondern deckte seinen Bedarf mit dem<br />

Wasser der Primusquelle. Nachdem in Traunstein und Trostberg zwei große<br />

neue Krankenhäuser entstanden waren und der Orden in Ruhpolding selbst<br />

einen Krankenhausbau plante, entschloss sich die Ordensleitung zur Schließung<br />

des Adelholzener Krankenhauses, <strong>zum</strong>al dort schon längst eine Sanierung<br />

anstand. Nach der Renovierung wurde Adelholzen 1970 <strong>als</strong> Fortbildungs-<br />

und Exerzitienhaus wiedereröffnet.<br />

Maria-Theresia-Klinik<br />

Auch die Entscheidung, mit dem Kauf der Maria-Theresia-Klinik die Trägerschaft<br />

für ein weiteres Krankenhaus zu übernehmen, traf die Ordensleitung<br />

weniger aus dem Wunsch nach mehr ordenseigenen Krankenhäusern<br />

<strong>als</strong> vielmehr aus dem Bestreben, die Zukunft der Klinik zu sichern. 181 Der<br />

Orden wollte mit dem Kauf der chirurgischen Privatklinik am Bavariaring<br />

im Jahr 1952 das Lebenswerk des kinderlosen Prof. Lebsche erhalten. Um die<br />

Klinik zukunftsfähig zu machen, ließ die Kongregation in den Jahren 1952<br />

und 1953 die notwendig gewordenen umfangreichen Sanierungsarbeiten<br />

durchführen. Durch einen großzügigen Anbau wurde die Kapazität des<br />

Hauses verdoppelt. Auch unter dem neuen Träger leitete Prof. Lebsche die<br />

Klinik weiterhin wie gewohnt. Erst nach seinem Tod im Jahr 1957 ging die<br />

Verwaltung des Hauses in die Hände des Mutterhauses über. Für die ärztliche<br />

Leitung konnten die <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern Prof. Dr. Karl Tauber <strong>als</strong>


neuen Chefarzt gewinnen.<br />

Auch unter Prof.<br />

Tauber blieb der Ruf der<br />

Klinik ausgezeichnet.<br />

Nach seinem Tod im Jahr<br />

1974 entschloss sich das<br />

Mutterhaus, die bereits<br />

wieder fällige Modernisierung<br />

der Klinik in<br />

Angriff zu nehmen. Um<br />

den gestiegenen Komfortbedürfnissen<br />

der<br />

Patienten, aber auch dem<br />

technischen Fortschritt in Haus- und Medizintechnik gerecht zu werden,<br />

musste eine umfassende Renovierung vorgenommen werden. Ein für die<br />

Klinikerweiterung angekauftes Nachbarhaus in der Güllstraße wurde durch<br />

einen kostenintensiven unterirdischen Tunnel unter der Straße mit dem<br />

Stammhaus verbunden. Da ein Klinikbetrieb unter diesen Umständen nicht<br />

mehr möglich gewesen wäre, musste das Haus 1975 für eineinhalb Jahre<br />

geschlossen werden. Eine solche Klinikschließung war ein großes Risiko,<br />

aber bei der Wiedereröffnung des Hauses 1977 zeigte sich, dass sowohl die<br />

Patienten <strong>als</strong> auch die einweisenden Ärzte der Klinik treu geblieben waren.<br />

Auch unter dem neuen Chefarzt Prof. Dr. Alfred Schaudig, einem Spezialisten<br />

für Herzschrittmacherimplantationen, florierte die Klinik weiter. Nach<br />

seinem Abschied übertrug die Kongregation die Leitung zwei Chefärzten.<br />

Seit 1995 bzw. seit 1997 bestimmen Dr. Michael Zimmermann und Prof.<br />

Dr. Dr. Tomas F. Hoffmann die Geschicke der Klinik maßgeblich mit.<br />

In den Jahren 2001-2003 erfolgte erneut eine Sanierung des Hauses.<br />

Weil eine Schließung nicht möglich war, musste der Umbau bei laufendem<br />

Klinikbetrieb weiterlaufen, eine sehr strapaziöse Zeit, die dank des Einsatzes<br />

der Mitarbeiter gemeistert werden konnte.<br />

Krankenhaus Vinzentinum<br />

Wiederaufbau und neue Wege<br />

Mitte der 1960er Jahre suchte die Gemeinde Ruhpolding einen neuen Träger<br />

für ihr völlig veraltetes Gemeindekrankenhaus. 182 Dem neuen Träger<br />

sollte das alte Gebäude unentgeltlich überlassen werden unter der Auflage,<br />

innerhalb der nächsten fünf Jahre ein neues Krankenhaus zu errichten. Verhandlungen<br />

der Gemeinde mit anderen potentiellen Trägern wie dem Roten<br />

Kreuz, Caritas und auch den am alten Krankenhaus tätigen Mallersdorfer<br />

Die Maria-<br />

Theresia-<br />

Klinik<br />

nach dem<br />

Umbau in<br />

den 1970er<br />

Jahren<br />

229


<strong>Festschrift</strong> der <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern<br />

Das KrankenhausVinzentinum<br />

in<br />

Ruhpolding<br />

230<br />

Schwestern waren an der<br />

mit dem Geschenk verbundenen<br />

hohen finanziellen<br />

Belastung für den<br />

Neubau gescheitert. Die<br />

<strong>Barmherzige</strong>n Schwestern<br />

nahmen schließlich<br />

die Schenkung des<br />

Gemeindekrankenhauses<br />

samt eines Grundstückes<br />

von 11.000 m² <strong>zum</strong> 1.<br />

Januar 1966 an. Da der<br />

neue Bau mit Rücksicht<br />

auf Landschafts- und Ortsbild nicht hoch werden durfte, war ein großer<br />

Baugrund nötig. Deshalb kaufte der Orden Nachbargrundstücke auf, so<br />

dass ein Grund von 20.000 m² für den Neubau zur Verfügung stand. Nach<br />

Abriss des alten Krankenhauses ließ die Kongregation einen Neubau in<br />

Atriumbauweise errichten. Das „Vinzentinum“ der <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern<br />

konnte am 1. Februar 1971 bezogen werden.<br />

Das neue Ruhpoldinger Krankenhaus wurde wie das kurz vorher aufgelassene<br />

Adelholzener Krankenhaus ein Krankenhaus für Innere Medizin.<br />

Hinter den Kreiskliniken in Traunstein und Trostberg ist es das drittgrößte<br />

Krankenhaus im Landkreis Traunstein. Nach einer Überflutungskatastrophe<br />

im August 1991 wurde es gründlich saniert und den modernen Erfordernissen<br />

angepasst.<br />

Krankenhaus Neuwittelsbach<br />

1885 hatte der Geheimrat Dr. Rudolf von Hößlin eine Kuranstalt eröffnet,<br />

die 1914 in die Stiftung „Kuranstalt Neuwittelsbach R. von Hößlin’sche<br />

Stiftung“ umgewandelt und ab 1932 <strong>als</strong> „Klinik für Innere Krankheiten“<br />

geführt wurde. 183 Bei Luftangriffen wurde die Klinik Anfang Januar 1945<br />

zerstört. Von 1948 bis 1951 betrieb die Stiftung <strong>als</strong> Ersatz das „Kurhaus<br />

Brendel“ in Tutzing, um sich schließlich 1957 aufzulösen. Das Stiftungsvermögen<br />

ging an die Rotkreuzschwestern in München.<br />

Das Ruinengrundstück an der Renatastraße im Stadtbezirk Neuhausen-<br />

Nymphenburg hatte die Stiftung bereits im März 1947 an die Kongregation<br />

der <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern verkauft. Zur Arrondierung kauften die<br />

Schwestern noch weitere Nachbargrundstücke in der Romanstraße und<br />

begannen im November 1970 mit dem Bau einer weiteren ordenseigenen


Fachklinik für Innere<br />

Medizin. Im Mai 1973<br />

wurde das neue Krankenhaus<br />

Neuwittelsbach an<br />

der Ecke Romanstraße/<br />

Renatastraße von Kardinal<br />

Döpfner eingeweiht.<br />

Einzigartige Besonderheiten<br />

im Raum München<br />

sind heute die<br />

Rheuma-Tagklinik des<br />

Krankenhauses und eine<br />

Ganzkörper-Kältekammer<br />

zur Schmerzlinderung.<br />

Auch das Krankenhaus Neuwittelsbach wurde durch Sanierungsmaßnahmen<br />

immer wieder auf den modernsten Stand gebracht. So fanden<br />

Umbaumaßnahmen von 1994 bis 1998 statt. 2005 konnte der Abschluss<br />

einer weiteren Sanierung, bei der unter anderem die Fenster und die Fassade<br />

erneuert wurden, gefeiert werden.<br />

Den Bau der neuen ordenseigenen Krankenhäuser in Ruhpolding und<br />

München kann man <strong>als</strong> Teil einer neuen Ordensstrategie ab den 1960er<br />

Jahren sehen. Zu einer Zeit, <strong>als</strong> ein sich verschärfender Nachwuchsmangel<br />

bereits dazu geführt hatte, dass sich die Schwestern aus Niederlassungen<br />

zurückziehen mussten, entschied sich die Ordensleitung dafür, eigene Häuser<br />

zu bauen, in denen in der Zukunft die Kräfte konzentriert werden sollten.<br />

Eine weitere Folge dieser Richtungsentscheidung war der Bau von<br />

Altenheimen.<br />

Altenheime in Teisendorf und Ruhpolding<br />

Wiederaufbau und neue Wege<br />

Das erste öffentliche Altenheim der Kongregation entstand in Teisendorf. 184<br />

Schon seit der Eröffnung des Teisendorfer Krankenhauses im Jahr 1905<br />

waren dort <strong>Barmherzige</strong> Schwestern tätig. In den 60er Jahren entsprach das<br />

alte Haus längst nicht mehr den Anforderungen moderner Krankenpflege.<br />

Staatliche Zuschüsse für einen Krankenhausneubau wurden der Gemeinde<br />

verweigert, da die Regierung von Oberbayern keinen Bedarf mehr für ein<br />

Krankenhaus in der Region sah. Wie Ruhpolding machte nun auch die<br />

Gemeinde Teisendorf den <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern das Angebot, ihnen das<br />

alte Gemeindekrankenhaus samt Grundstück unentgeltlich zu überlassen.<br />

Anders <strong>als</strong> in Ruhpolding sollte der Orden aber <strong>als</strong> Gegenleistung ein moder-<br />

Das KrankenhausNeuwittelsbach<br />

nach<br />

der letzten<br />

Sanierung<br />

2005<br />

231


<strong>Festschrift</strong> der <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern<br />

Das Alten-<br />

und Pflegeheim<br />

St.<br />

Adelheid in<br />

Ruhpolding<br />

232<br />

nes Altenheim errichten.<br />

Die Ordensleitung<br />

erklärte sich einverstanden<br />

und so kam<br />

im November 1966<br />

der Schenkungsvertrag<br />

zustande. Nach dem<br />

Abriss des Krankenhauses<br />

begannen schon<br />

bald die Arbeiten und<br />

im August 1968 konnte<br />

das neue Alten- und<br />

Pflegeheim St. Elisabeth<br />

eingeweiht werden.<br />

Da sich in den letzten Jahrzehnten die Anforderungen an ein Altenheim<br />

stark gewandelt haben, entschloss sich die Kongregation, das Haus im Jahr<br />

2000 nach gerade mal 30 Jahren abzureißen und einen Neubau zu errichten,<br />

der die zeitgemäße Seniorenbetreuung ermöglicht. Während der Bauzeit<br />

wurden die Bewohner vorübergehend in Wohncontainern beim Schwesternheim<br />

St. Vinzenz in Inzell untergebracht. Groß war die Freude, <strong>als</strong> die<br />

Bewohner am 1. Juli 2001 zurückkehren und die neue Seniorenwohnanlage<br />

mit Pflegeheim St. Elisabeth beziehen konnten. Im neuen Gebäude<br />

sind sowohl Betreutes Wohnen <strong>als</strong> auch stationäre Voll- und Kurzzeitpflege<br />

sowie Tagespflege möglich.<br />

Als der Orden in Ruhpolding das Krankenhaus Vinzentinum baute,<br />

errichtete er gleichzeitig auch das Alten- und Pflegeheim St. Adelheid. 185<br />

Der Orden hatte dem Ruhpoldinger Verkehrsverein das Altenheim Dr.<br />

Barth abgekauft und Nachbargrundstücke erworben, um das neue Haus<br />

zu bauen. Als das Vinzentinum in den 1990er Jahren saniert wurde, wurde<br />

auch die notwendig gewordene Modernisierung des Alten- und Pflegeheim<br />

durchgeführt.<br />

Altenheime in Berg am Laim, Unterhaching, Planegg und Alzing<br />

In Berg am Laim hatte das Mutterhaus schon im 19. Jahrhundert, <strong>als</strong> die erste<br />

Generation der <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern alt geworden war, ein Altenheim<br />

für die eigenen Schwestern. In den 1950er Jahren zeichnete sich ab, dass die<br />

dortigen Räumlichkeiten nicht ausreichen würden, wenn die vielen zur Blütezeit<br />

zwischen 1895 und 1930 eingetretenen Schwestern das Ruhestandsalter<br />

erreichen würden. Die Ordensleitung fasste deshalb 1963 den Beschluss,


Wiederaufbau und neue Wege<br />

in Unterhaching ein<br />

neues Schwesternaltenheim<br />

zu bauen. 186 Nach<br />

dem Abriss einiger baufällig<br />

gewordener Ökonomiegebäude<br />

entstand<br />

dort eine großzügige<br />

Anlage für 150 Schwestern.<br />

Das neue Heim,<br />

das nach der Ordensheiligen<br />

Katharina Labouré<br />

benannt wurde, konnte<br />

1967 bezogen werden.<br />

Da damit der wachsende<br />

Bedarf noch nicht gedeckt war und die Räumlichkeiten in Berg<br />

am Laim den Anforderungen nicht mehr entsprachen, wurde an diesem<br />

wichtigen Ordensstandort in den Jahren zwischen 1977 und 1982 ebenfalls<br />

ein neues Altenheim errichtet. 1970 war der landwirtschaftliche Betrieb in<br />

Berg am Laim aufgegeben worden, so dass alle Ökonomiegebäude abgerissen<br />

und an ihrer Stelle der Neubau des Alten- und Pflegeheims St. Michael<br />

gebaut werden konnte. Das große moderne Gebäude wurde zwar mit<br />

einem Architekturpreis ausgezeichnet, erregte aber bei der Bevölkerung<br />

wegen der unmittelbaren Nähe zur Michaelskirche, eines prächtigen Rokoko-Bauwerks,<br />

zunächst etwas Unmut.<br />

Als in Planegg der Sanatoriumsbetrieb eingestellt wurde, wurde auch<br />

dieses Haus im Jahr 1985 zu einem Altenheim für die Schwestern umgebaut.<br />

187 Zusätzlich wurde 1989 noch das Schwesternheim St. Hildegard in<br />

Alzing, Gemeinde Siegsdorf,<br />

nahe bei Adelholzen,<br />

für die Ruhestandsschwestern<br />

eröffnet. 188<br />

Nun hatte man<br />

genügend Platz für die<br />

Ruhestandsschwestern<br />

geschaffen, ja es zeichnete<br />

sich schon in den<br />

90er Jahren ab, dass<br />

bald wieder Kapazitäten<br />

in den ordenseigenen<br />

Altenheimen frei würden.<br />

Inzwischen waren<br />

Das Schwesternheim<br />

St.<br />

Katharina<br />

Labouré in<br />

Unterhaching<br />

Das<br />

Alten- und<br />

Pflegeheim<br />

St. Michael<br />

in Berg am<br />

Laim (Luftbild<br />

Anfang<br />

der 1980er<br />

Jahre)<br />

233


<strong>Festschrift</strong> der <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern<br />

234<br />

bereits viele <strong>Barmherzige</strong> Schwestern, die in den Boomzeiten der Kongregation<br />

beigetreten waren, verstorben. Der Rückgang seit den 1940er Jahren<br />

begann sich nun auch bei der Zahl der in den Ruhestand kommenden<br />

Schwestern auszuwirken. Deshalb beschloss die Ordensleitung, die Häuser<br />

in Berg am Laim, Unterhaching und Planegg <strong>als</strong> öffentliche Alten- und<br />

Pflegeheime ausweisen zu lassen. In den letzten Jahren nutzen vermehrt<br />

zivile Bewohner die Möglichkeit, in diesen Heimen ihren Lebensabend zu<br />

verbringen. Eine Besonderheit der Häuser in Berg am Laim und Unterhaching<br />

ist, dass hier alt gewordenen Mitgliedern fremder Orden, die über<br />

keine eigenen Altenheime verfügen, die Möglichkeit eröffnet wurde, ein<br />

gemeinschaftliches Leben zu führen.<br />

Von den ordenseigenen Altenheimen ist heute nur noch das Schwesternheim<br />

St. Hildegard in Alzing den eigenen Schwestern vorbehalten.<br />

12.6. Eigene Berufsfachschulen für Pflegeberufe<br />

Wie schon erwähnt, hatte die Kongregation bereits seit den 1920er Jahren<br />

eine staatlich anerkannte ordenseigene Schule für Krankenpflege, in der<br />

sie ihren eigenen Schwesternnachwuchs ausbildete. 189 Da das Postulatsgebäude<br />

in der Blumenstraße, in der die Schule untergebracht war, bei den<br />

Luftangriffen im 2. Weltkrieg zerstört worden war, wurde die Schule ab<br />

1948 in das Mutterhaus verlegt. Seit 1970 ruht diese Schule aus Mangel an<br />

Nachwuchs.<br />

Schon ab 1910 hatten die <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern zudem die städtische<br />

Krankenpflegeschule am Schwabinger Krankenhaus bzw. nach deren<br />

Verlegung ab 1946 bis 1959 am Krankenhaus rechts der Isar geleitet, an der<br />

sowohl eigene Schwestern <strong>als</strong> auch freie Schwestern ausgebildet wurden.<br />

In der Nachkriegszeit wurde bald deutlich, dass die <strong>Barmherzige</strong>n<br />

Schwestern den großen Bedarf an Pflegekräften nicht mehr allein würden<br />

decken können. Beim Jahresschluss 1957 arbeiteten in den immerhin<br />

noch 150 Niederlassungen der <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern neben den 2295<br />

Ordensschwestern bereits 846 weltliche Schwestern. 190 Ihr Anteil betrug<br />

demnach bereits 36%. Auf Anregung des Ordens wurden an einigen der<br />

kommunalen Krankenhäuser, in denen die Ordensschwestern tätig waren,<br />

Krankenpflegeschulen für die Ausbildung von freien Schwestern eröffnet.<br />

Lehrschwestern der Kongregation übernahmen den Unterricht und meist<br />

auch die Leitung an diesen Schulen.<br />

Zudem entschloss sich die Ordensleitung, selbst eine Krankenpflegeschule<br />

für katholische freie Schwestern zu gründen. Als Bauplatz wählte der<br />

Orden wegen seiner günstigen Lage zu den Innenstadtkliniken das Rui-


nengrundstück in der Thalkirchner<br />

Straße, auf dem bis<br />

zu seiner Zerstörung durch<br />

Bomben im Januar 1945 das<br />

„Maria-Regina-Stift“ gestanden<br />

hatte. Nach dem Ankauf<br />

weiterer benachbarter Ruinengrundstücke<br />

begannen<br />

die Bauarbeiten. Anfang 1959<br />

konnte der Neubau bezogen<br />

werden und im März begann<br />

bereits der erste Kurs. Die<br />

praktische Ausbildung sollte<br />

in den Innenstadtkliniken und<br />

in der ordenseigenen Maria-<br />

Theresia-Klinik durchgeführt<br />

werden. Da viele weltliche<br />

Schwestern eine Unterkunft in München suchten, bauten die Schwestern<br />

auch noch ein Schwesternwohnheim, das 1962 eingeweiht werden konnte.<br />

Wurden zunächst nur katholische Schwesternschülerinnen aufgenommen,<br />

ist die Zulassung inzwischen unabhängig von der Konfession. In der<br />

seit 1980 <strong>als</strong> Berufsfachschule für Krankenpflege Maria Regina bezeichneten<br />

Schule hatte zunächst der Orden die Leitung und den Großteil der<br />

Lehrschwestern gestellt. Heute sind an der Schule ausschließlich weltliche<br />

Lehrkräfte tätig.<br />

Zusammen mit dem Krankenhausbetrieb eröffneten die <strong>Barmherzige</strong>n<br />

Schwestern im Jahr 1971 in Ruhpolding auch eine Berufsfachschule für<br />

Krankenpflegehilfe. Diese einjährige Ausbildung ermöglicht Hauptschülern,<br />

ausgebildete Krankenpflegehelfer/innen zu werden und zugleich<br />

Aschaffenburg (1954 – 1969)<br />

Bamberg (1957 – 1980)<br />

Altötting (1957 – 1987)<br />

Landshut (1953 – 1975)<br />

Neumarkt Opf. (1960 – 1981)<br />

Schongau (1958 – 1980)<br />

Traunstein (1960 – 1981)<br />

Donauwörth (1964 – 1967)<br />

Wiederaufbau und neue Wege<br />

Kommunale Krankenpflegeschulen, an denen <strong>Barmherzige</strong><br />

Schwestern unterrichteten 191<br />

Krankenhaus Schwabing (1910 – 1964)<br />

Krankenhaus Mü. r.d.I. (1946 – 1959)<br />

Kreiskrankenhaus Eggenfelden<br />

(1972 – 1973)<br />

Auch an der Krankenpflegeschule der<br />

<strong>Barmherzige</strong>n Brüder in Regensburg<br />

unterrichteten <strong>Barmherzige</strong> Schwestern<br />

1959 – 1976.<br />

Die Schwestern<br />

M.<br />

Jonilla<br />

Pühringer<br />

und M. Vinzentia<br />

Moll<br />

(von links)<br />

begrüßen<br />

neue Schülerinnen<br />

der<br />

Berufsfachschule<br />

Maria<br />

Regina<br />

(1966)<br />

235


<strong>Festschrift</strong> der <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern<br />

<strong>Barmherzige</strong><br />

Schwestern<br />

an der Primusquelle<br />

in Adelholzen<br />

in<br />

den 1950er<br />

Jahren<br />

236<br />

die Zugangsvoraussetzungen zur Ausbildung <strong>als</strong> Krankenschwester oder<br />

Krankenpfleger zu erwerben. Nachdem der Orden 1979 den Schulbetrieb<br />

für mehr <strong>als</strong> ein Jahrzehnt eingestellt hatte, eröffnete er 1991 die Schule<br />

wieder.<br />

1995 gründeten die Schwestern eine weitere Schule in Ruhpolding, die<br />

Berufsfachschule für Altenpflege. Beide Schulen befinden sich in einem<br />

Nebengebäude des Alten- und Pflegeheims St. Adelheid.<br />

12.7. Adelholzener Alpenquellen – Ausbau des Betriebs<br />

In der Zeit nach dem 2. Weltkrieg vollzog sich eine bemerkenswerte Entwicklung<br />

in dem einzigen rein gewerblichen Betrieb der <strong>Barmherzige</strong>n<br />

Schwestern, dem Adelholzener Brunnenbetrieb. 192 Durch die Bereitschaft<br />

der Ordensleitung, immer wieder die nötigen, oft sehr hohen Investitionen<br />

zu tätigen, um die Füllanlagen auf den neuesten Stand der Technik<br />

zu bringen, und durch die Anpassung der Produktpalette an die sich verändernden<br />

Kundenwünsche blieb das Unternehmen nicht nur konkurrenzfähig,<br />

sondern erlangte eine führende Position unter den deutschen<br />

Brunnenbetrieben.<br />

In der unmittelbaren Nachkriegszeit hatte der Betrieb zunächst ebenso<br />

wie die Konkurrenzbetriebe Probleme, genügend Glasflaschen zu bekommen.<br />

Millionen Glasflaschen waren während des Krieges zu Bruch gegangen<br />

oder zweckentfremdet worden. Es dauerte, bis die Glasproduktion den<br />

Bedarf wieder decken konnte. Die<br />

Produktion von Limonade wurde<br />

erschwert, weil es an Zucker und<br />

Essenzen dafür fehlte. Treibstoffmangel<br />

erschwerte den Vertrieb. Dennoch<br />

gelang es den Schwestern, 1945 und<br />

1946 Produktion und Vertrieb sowohl<br />

von Wasser <strong>als</strong> auch von Brause aufrecht<br />

zu erhalten. In den folgenden<br />

von Not geprägten Nachkriegsjahren<br />

ging der Absatz durch den weitgehenden<br />

Wegfall der Limonadenproduktion<br />

zurück. Die Vorräte an Zucker<br />

und Essenzen für die Brauseproduktion<br />

waren inzwischen weitgehend<br />

aufgebraucht. Erst 1950, <strong>als</strong> die Limonadenproduktion<br />

wieder in groß-


Wiederaufbau und neue Wege<br />

em Umfang einsetzte, begann der<br />

Aufschwung. Der Adelholzener<br />

Brunnenbetrieb wurde Mitglied in<br />

dem bayerischen Verband „Brunnengebiet<br />

Bayern“, dem noch 14<br />

andere Betriebe angehörten, und<br />

beteiligte sich an der Genossenschaft<br />

Deutscher Brunnen. Die<br />

deutschen Betriebe hofften, durch<br />

Zusammenarbeit, vor allem durch<br />

gemeinsame Werbekampagnen, der<br />

übermächtigen amerikanischen<br />

Konkurrenz besser gewachsen zu<br />

sein. Gemeinsam vertrieben sie vor allem die neu entwickelte Orangenlimonade<br />

„Raspa“, die intensiv beworben wurde. Obwohl die Schwestern<br />

über die Werbekampagne nicht immer glücklich waren, entschlossen sie<br />

sich schließlich zur Produktion. Während der Vertrieb dieser Limonade in<br />

Deutschland insgesamt nicht besonders erfolgreich lief, konnte Adelholzen<br />

den Vertrieb von „Raspa“ bis 1964 ständig steigern. In den 60er Jahren<br />

entwickelte Adelholzen mit „Primella“ eine eigene Limonade. Ein Erfolg<br />

wurde auch die erste kalorienreduzierte Limonade „bleib in form“, die<br />

Adelholzen bis heute im Sortiment hat. Der Brunnenbetrieb profitierte vom<br />

Wirtschaftswunder der Nachkriegsjahrzehnte, aber auch von dem Geschick<br />

einer fähigen Geschäftsführung. Kurat Haslberger, der sich viele Jahrzehnte<br />

äußerst umsichtig und vorausschauend um die ökonomischen Belange kümmerte,<br />

hatte rechtzeitig die fähige Schwester M. Iphigenia Insam, die in den<br />

60er Jahren die Geschäftsführung übernahm, <strong>als</strong> Nachfolgerin aufgebaut.<br />

Die Geschäftsleitung erkannte früh, dass die Zukunft weniger im Bereich<br />

des Tafel- und Heilwassers <strong>als</strong> vielmehr im Bereich der gesüßten Getränke<br />

liegen würde. Außerdem sah sie, dass die Produktionsbedingungen ständig<br />

den neuesten technischen Möglichkeiten angepasst werden mussten. So war<br />

1960, immerhin 30 Jahre nach der letzten Modernisierung der Füllerei, die<br />

Investition in eine neue Anlage dringend geboten. Nachdem der Einbau der<br />

damaligen neuesten Technik erfolgt war, konnte die Produktion verdoppelt<br />

werden. Mit dem sich in den kommenden Jahrzehnten immer schneller<br />

vollziehenden technischen Fortschritt sollten die Abstände bis zur nächsten<br />

Modernisierung immer kürzer werden.<br />

Ein entscheidender Schritt erfolgte 1970, <strong>als</strong> sich der Orden entschloss,<br />

eine großzügige neue Produktionsanlage im Tal unterhalb des Kurhauses<br />

zu errichten. Mit der neuen Anlage, mit der wiederum eine Verdopplung<br />

der Produktion möglich war, wurde endgültig die Industrialisierung des<br />

Schwester<br />

M. Iphigenia<br />

Insam,<br />

Generalökonomin<br />

1966 – 1987<br />

237


<strong>Festschrift</strong> der <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern<br />

Die Produktionsstätte<br />

des Brunnenbetriebs<br />

vor 1970<br />

Die Füllerei<br />

in den<br />

1960er<br />

Jahren<br />

238<br />

Betriebs vollzogen. Auch<br />

in der Verwaltung fand<br />

eine Umstrukturierung<br />

statt. Zur Unterstützung<br />

von Schwester M. Iphigenia,<br />

die in ihrer Funktion<br />

<strong>als</strong> Generalökonomin der<br />

Kongregation auch noch<br />

zahlreiche andere Aufgaben<br />

hatte, wurde <strong>als</strong><br />

weltlicher Betriebsleiter<br />

Vero Kriesche eingestellt.<br />

Die Großzügigkeit der neuen Anlage war auf weiteren Zuwachs in der<br />

Zukunft angelegt und durchaus nicht risikofrei. Doch die Verkaufszahlen<br />

stiegen weiter, obwohl inzwischen das Wirtschaftswachstum in Deutschland<br />

seit der Ölkrise 1973 gebremst worden war und die Zahl der Arbeitslosen<br />

anstieg. Schon 1973 war mit der Füllung von 30 Millionen Flaschen im<br />

Jahr die Kapazität der Anlage voll ausgeschöpft. Gerade rechtzeitig vor dem<br />

Jahrhundertsommer von 1976 mit Hitzerekorden wurde die bereits beim<br />

Bau der neuen Produktionsstätte geplante zweite Abfüllanlage eingerichtet.<br />

Nun waren weitere 40.000 Füllungen pro Stunde möglich.<br />

Der steigende Wasserbedarf konnte mit den bisher genutzten Quellen<br />

nicht mehr gedeckt werden, deshalb musste eine 5 km entfernte Quelle<br />

im Bergener Moos erschlossen und über eine Leitung mit dem Betrieb<br />

verbunden werden.<br />

Und laufend gingen die Anpassungen an die modernste Technik weiter.<br />

1986 wurde zur 1700-Jahr-Feier von Adelholzen eine weitere Füllanlage in<br />

Betrieb genommen. Die inzwischen drei Füllanlagen erreichten nun schon<br />

eine Kapazität von über 100.000 Flaschen in der Stunde. Kaum war die<br />

neue Anlage installiert,<br />

kam es im Jahr 1987 zu<br />

einer großen Krise der<br />

Mineralwasserwirtschaft.<br />

Ausgelöst worden war<br />

diese durch einen Artikel<br />

in der Zeitschrift „natur“,<br />

in dem davor gewarnt<br />

wurde, Mineralwasser zu<br />

trinken, da die Werte<br />

für Natrium und Nitrat<br />

in vielen Fällen teils


Wiederaufbau und neue Wege<br />

weit über den Grenzwerten<br />

lägen und somit<br />

ein Gesundheitsrisiko<br />

darstellten. Eine große<br />

Verunsicherung bei den<br />

Verbrauchern und erhebliche<br />

Umsatzeinbrüche<br />

bei vielen Brunnenbetrieben<br />

waren die Folgen.<br />

Der Adelholzener Primusquelle<br />

schadete diese<br />

Diskussion jedoch nicht,<br />

sondern führte im Gegenteil zu einer enormen Umsatzsteigerung, weil das<br />

Adelholzener Wasser <strong>als</strong> eines der natriumärmsten Wasser in den Testberichten<br />

ausdrücklich <strong>als</strong> besonders empfehlenswert bezeichnet wurde. So konnte<br />

die Füllmenge von 144 Millionen Flaschen im Jahr 1986 auf über 200<br />

Millionen im Jahr 1988 gesteigert werden. Damit stieß die Primusquelle<br />

schon wieder an ihre Kapazitätsgrenzen und eine erneute Erweiterung war<br />

unumgänglich. Die Installation weiterer Anlagen oder Maschinen reichte<br />

dieses Mal nicht aus, es musste wie 1971 ein Neubau, das Werk II, in Angriff<br />

genommen werden.<br />

Das Jahr 1989 markiert den Beginn einer neuen Ära der Adelholzener<br />

Primusquelle. Schwester M. Iphigenia, maßgeblich an der Entwicklung<br />

der Primusquelle von einer kleinen Füllerei zu einem großen, modernen<br />

Brunnenbetrieb beteiligt, schied im Alter von 80 Jahren endgültig aus der<br />

Geschäftsleitung aus. Ihre Nachfolge trat Schwester M. Theodolinde Mehltretter<br />

an. Zudem wurden mit dem Bau des Werks II, den Schwester M.<br />

Iphigenia noch auf den Weg gebracht hatte, die Weichen für das kommende<br />

Jahrzehnt gestellt. Die neue computergestützte Anlage war zusammen mit<br />

den Technikern des Betriebes entwickelt und somit die Steuerungs- und<br />

Prozessüberwachung den besonderen Firmenbedürfnissen angepasst worden.<br />

Im Dezember 1989 wurde das neue Werk von Erzbischof Friedrich<br />

Kardinal Wetter feierlich eingeweiht. Mit zwei unabhängigen Füllanlagen<br />

war die Flexibilität des Betriebs entscheidend erhöht worden.<br />

Mit dem kostenintensiven Neubau war der Orden durchaus ein hohes<br />

Risiko eingegangen. Nur wenn es gelingen würde, den Umsatz zu steigern<br />

oder <strong>zum</strong>indest auf dem erreichten Stand zu halten, wäre das neue<br />

Werk rentabel. Die letzten Jahrzehnte hatte man sich daran gewöhnt, dass<br />

die Füllmengen von Jahr zu Jahr stetig anstiegen. Dementsprechend groß<br />

war der Schock, <strong>als</strong> die Primusquelle 1993, erstm<strong>als</strong> seit 30 Jahren, einen<br />

leichten Rückgang der Füllmengen zu verzeichnen hatte. Die Stagnation<br />

Betriebsgebäude<br />

der<br />

AdelholzenerAlpenquellen<br />

GmbH<br />

239


<strong>Festschrift</strong> der <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern<br />

240<br />

traf nicht nur den Adelholzener Betrieb, sondern die gesamte Mineralwasserbranche,<br />

da eine weitgehende Sättigung des Marktes erreicht war. Die<br />

kleine Krise von 1993 hatte der Ordensleitung das Risiko der bisherigen<br />

Rechtsform der Firma bewusst gemacht. Zum 1. Januar 1994 wurde deshalb<br />

der Brunnenbetrieb Adelholzener Primusquelle in eine GmbH umgewandelt,<br />

in die Adelholzener Alpenquellen GmbH mit Sitz in München und<br />

Zweigniederlassung in Siegsdorf. Ein Aufsichtsrat, in dem Schwestern aus<br />

der Ordensleitung und Fachleute aus der Wirtschaft vertreten sind, übt die<br />

Kontrolle aus. Infolge der GmbH-Gründung haftet nun der Orden nicht<br />

mehr unbeschränkt mit seinem gesamten Vermögen, sondern nur noch<br />

mit dem dafür angelegten Stammkapital. Den Vorsitz der Geschäftsführung<br />

übernahm Schwester M. Theodolinde Mehltretter, die auch für die Personalabteilung<br />

zuständig war. Vero Kriesche übernahm die Geschäftsführung<br />

für den Bereich Produktion und Technik, Franz Demmelmair für das Ressort<br />

Finanzen und Verwaltung. Die Firmenverwaltung, die immer noch im<br />

Kurhaus untergebracht war, zog nun in das neue Firmengebäude um.<br />

1994 erfolgte die Zertifizierung des Qualitätsmanagements des Betriebes<br />

nach DIN ISO 9001.<br />

Doch, um auf dem gesättigten und hart umkämpften deutschen Getränkemarkt<br />

weiterhin konkurrenzfähig zu bleiben, mussten Ordensleitung und<br />

Geschäftsführung des Betriebs in den nächsten Jahren neue Ideen entwickeln<br />

und sehr flexibel auf veränderte Verbraucherwünsche reagieren.<br />

Als Erstes setzte die Firmenleitung auf die Entwicklung neuer Produkte.<br />

Es zeigte sich ein neuer Trend in der Branche, Mineralwasser mit Fruchtsäften<br />

zu mischen. Auch in Adelholzen schloss man sich diesem Trend mit der<br />

Reihe „Adelholzener PLUS“ an und brachte 1995 eine Apfelschorle auf<br />

den Markt. Als sich diese <strong>als</strong> großer Erfolg erwies, erweiterte der Betrieb<br />

diese Reihe durch rote Schorlen, die ebenfalls großen Anklang fanden.<br />

Aber nicht nur bei der Erweiterung des Produktsortiments musste die<br />

Firmenleitung flexibel auf neueste Entwicklungen reagieren, sondern auch<br />

bei den Verpackungen. Mitte der 90er Jahre kamen neue PET-Kunststoffflaschen<br />

auf den Markt. Die in den 70er und 80er Jahren in der deutschen<br />

Mineralwasserwirtschaft fast ausschließlich benutzte, genormte 0,7-Liter-<br />

Perlen-Einheitsglasflasche wurde immer mehr verdrängt. Die Ordensleitung<br />

stand den Kunststoffflaschen zunächst äußerst skeptisch gegenüber. Auf keinen<br />

Fall wollte man damit die gute Umweltbilanz des Unternehmens oder<br />

das Image der Adelholzener Getränke <strong>als</strong> hochwertige und gesundheitsfördernde<br />

Getränke gefährden. Aus Verantwortung für den Betrieb und seine<br />

Mitarbeiter musste jedoch auch an die Konkurrenzfähigkeit gedacht werden<br />

und so konnte man den Trend zur PET-Flasche nicht einfach ignorieren.<br />

Allerdings war zunächst noch nicht absehbar, ob sich die Kunststoffflasche


Wiederaufbau und neue Wege<br />

wirklich würde durchsetzen können. Deshalb entschlossen sich Ordens-<br />

und Betriebsleitung mit der Installation einer kleinen PET-Füllanlage mit<br />

einer stündlichen Füllkapazität von 16.000 Liter im Jahr 1997 zu einem<br />

„sanften“ Einstieg. Der Trend zu Kunststoffflasche hielt nicht nur an, sondern<br />

es kam in den folgenden Jahren zu einem wahren Boom. Die Adelholzener<br />

Alpenquellen zogen aus dieser Entwicklung Konsequenzen und ließen<br />

2002 und 2004 neue PET-Mehrweganlagen installieren. Dabei gingen sie<br />

einen neuen, zukunftsweisenden Weg. Als einer der ersten Brunnenbetriebe<br />

arbeiteten sie bei der Abfüllung mit der Reinraumtechnik, durch die ein<br />

aseptisches Klima im Füllraum geschaffen wird, das den Bedingungen in<br />

einem OP-Saal vergleichbar ist und die Abfüllung von Fruchtsaftgetränken<br />

ohne Konservierungsmittel ermöglicht. Auch in Bezug auf die Flaschengrößen<br />

zeigten sich die Adelholzener einfallsreich. So erschlossen sie sich<br />

mit den 0,5-l-PET-Flaschen unter dem Label „Die Leichten für unterwegs“<br />

einen neuen Markt. Eine Idee der Brauereien aufgreifend, führten sie teilbare<br />

Getränkekästen für einen Teil ihrer Produkte ein.<br />

Schwer tat sich die Ordensleitung zunächst mit ihrer Zustimmung zu<br />

dem Einstieg in das PET-Einwegsystem. Die großen Discounter, die die<br />

Logistikprobleme bei der Rücknahme der Pfandflaschen vermeiden wollten,<br />

übten zunehmend Druck auf die Getränkehersteller aus, auch Einwegsysteme<br />

anzubieten. Nach langen Diskussionen befürwortete die Ordensleitung<br />

die Installierung einer ersten Einweganlage im Jahr 2000. Allerdings sollte<br />

in den Einwegflaschen keines der traditionellen Getränke der Adelholzener<br />

angeboten werden. Da sowohl der Markt für Mineralwasser <strong>als</strong> auch für<br />

Schorlen stark durch jeweilige regionale Anbieter besetzt und nahezu gesättigt<br />

war, sollte für die Einwegflasche, die auf dem ganzen deutschen Markt<br />

vertrieben werden sollte, ein neues Produkt entwickelt werden. In den USA<br />

war die Idee entwickelt worden, Wasser mit zusätzlichem Sauerstoff anzureichern.<br />

Die Geschäftsführung gab ein wissenschaftliches Gutachten in Auftrag,<br />

das klären sollte, ob durch diese Sauerstoffanreicherung tatsächlich eine<br />

gesundheitsfördernde Wirkung nachgewiesen werden könne. Erst nachdem<br />

die Wissenschaftler dies bestätigt hatten, genehmigte die Ordensleitung den<br />

Einstieg in die Produktion von sauerstoffangereicherten Erfrischungsgetränken,<br />

die unter dem Namen ACTIVE 02 zunächst <strong>als</strong> sauerstoffangereichertes<br />

Wasser, nach dessen Erfolg auch in verschiedenen Geschmacksrichtungen<br />

auf den Markt kamen. Als besonders pfiffig erwies sich für diese<br />

neuartigen Getränke, die mit dem Image von Sportlichkeit und Jugendlichkeit<br />

beworben werden, der so genannte Sportslock-Verschluss, ein neuer,<br />

nur mit einer Hand zu öffnender Trinkverschluss.<br />

Diese so genannte „Sport Linie“ wurde 2003 durch die „Fitness Linie“<br />

(kohlensäurefreie und kalorienarme Getränke) ergänzt. Inzwischen gehören<br />

241


<strong>Festschrift</strong> der <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern<br />

242<br />

Inbetriebnahme einer<br />

neuen PET-Einweganlage<br />

im Jahr 2005:<br />

Schwester M. Theodolinde<br />

Mehltretter mit<br />

Pater Leopold Mader<br />

OFMConv (rechts) und<br />

Volker Kronseder vom<br />

Anlagenbauer Krones<br />

zu der Produktpalette von ACTIVE 02 auch die Reihen „Active Fresh“<br />

und „Active Live“. Diese kohlensäurefreien und diätetischen Getränke sind<br />

von der 2003 per Gesetz eingeführten Pfandpflicht ausgenommen.<br />

Auch wenn die Bedeutung der klassischen Perlenglasflasche durch die<br />

neuen Kunststoffflaschen erheblich eingeschränkt wurde, wurde sie in Adelholzen<br />

doch nicht ganz verdrängt. Neben den PET-Einwegflaschen mit<br />

einem Anteil von 17,7% und den PET-Mehrwegflaschen mit einem Anteil<br />

von 33,6% im Jahr 2005 spielt die klassische Glasflasche nach wie vor eine<br />

große Rolle.<br />

Früher war der Betrieb äußerst zurückhaltend mit Werbung umgegangen.<br />

Um konkurrenzfähig zu bleiben, hielt die Unternehmensleitung Mitte<br />

der 90er Jahre den Ausbau der Werbemaßnahmen für unumgänglich. Die<br />

Unternehmensleitung mit Geschäftsführerin Schwester M. Theodolinde<br />

Mehltretter ging dabei mutig neue Wege. Da die Werbung im Fernsehen<br />

von Fachleuten <strong>als</strong> besonders effektiv angesehen wird, entschied man sich für<br />

Werbespots im Bayerischen Fernsehen. Schwester M. Theodolinde scheute<br />

sich nicht, sich selbst dafür zur Verfügung zu stellen. Welchen Stellenwert die<br />

Werbung inzwischen einnimmt, zeigt das neu geschaffene Ressort Marketing<br />

und Vertrieb unter der Leitung eines weiteren Geschäftsführers, Stefan<br />

Hoechter. Früher beschränkte sich die Werbung weitgehend auf das Absatzgebiet<br />

Südbayern mit Schwerpunkt München. Dort fahren schon seit Anfang<br />

der 70er Jahre die städtischen Busse und Straßenbahnen mit Adelholzener<br />

Werbung. Nachdem Ende der 90er Jahre die fränkischen Brunnenvertriebe,<br />

entgegen früherer Gepflogenheit, auch auf den südbayerischen Absatzmarkt<br />

drängten, beschloss die Unternehmensleitung, nun ebenfalls die Werbung<br />

auf ganz Bayern auszudehnen. Besonders wichtig war es in den letzten Jahren<br />

geworden, sich von der Konkurrenz durch ganz individuelle Produkte


Wiederaufbau und neue Wege<br />

und Flaschenformen abzuheben und ein einheitliches Erkennungszeichen<br />

für alle Firmenprodukte mit hohem Wiedererkennungswert zu entwickeln.<br />

Dies ist den Adelholzener Alpenquellen sehr gut gelungen mit dem Bild der<br />

Berge, die die Reinheit des Wassers assoziieren sollen.<br />

Die neuen Unternehmensstrategien erwiesen sich <strong>als</strong> äußerst erfolgreich:<br />

Inzwischen ist Adelholzen der Marktführer in Bayern für Mineralwasser,<br />

Heilwasser, Schorle und kalorienarme Erfrischungsgetränke. Deutschlandweit<br />

zählt der Betrieb zu den führenden Anbietern für „Wasser mit<br />

Geschmack“ und im Segment Schorle. Ja, mit den neuen, voll im Trend<br />

der Zeit liegenden Produkten in der Einwegflasche gelang den Adelholzener<br />

Alpenquellen sogar die Erschließung internationaler Absatzmärkte. Seit<br />

2002 exportiert das Unternehmen nicht nur in europäische Länder wie<br />

die Schweiz, Österreich, Italien, Irland und Luxemburg, sondern auch nach<br />

Japan, Südkorea und in die Vereinigten Arabischen Emirate. Mit der neuen,<br />

2005 installierten vollaseptischen PET-Einweganlage mit einer Füllleistung<br />

von stündlich 30.000 Flaschen betreiben die Adelholzener Alpenquellen die<br />

weltweit größte Abfüllanlage für sauerstoffangereicherte Getränke. Zuletzt<br />

wurde im Juni 2007 eine neue PET-Einweganlage eröffnet.<br />

Für die <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern stellte sich mit wachsendem Erfolg<br />

ihres Brunnenbetriebs immer mehr die Frage, wie ein auf Gewinnmaximierung<br />

angelegtes Wirtschaftsunternehmen <strong>zum</strong> Selbstverständnis ihres<br />

Ordens passt. Die Ordensleitung entwickelte im Rahmen dieser Diskussionen<br />

eine Unternehmensphilosophie, die bei allen Entscheidungen <strong>zum</strong><br />

Tragen kommen soll.<br />

Die Ordensleitung muss Sorge dafür tragen, dass das Unternehmen,<br />

das schon längst zu der wichtigsten Einnahmequelle des Ordens und zu<br />

einem der wichtigsten Arbeitgeber im Chiemgau geworden ist, wirtschaftlich<br />

„gesund“ bleibt. Deshalb werden von den Gewinnen der Adelholzener<br />

Alpenquellen zuallererst die für die Zukunft des Betriebs nötigen Investitionen<br />

getätigt. Die Entscheidungen der Unternehmensleitung müssen aus<br />

Verantwortung gegenüber den rund 420 Mitarbeitern immer auch unter<br />

dem unternehmerischen Aspekt getroffen werden. Die für neue Investitionen<br />

nicht benötigten Gewinne aber verwendet der Orden nicht nur zur<br />

Finanzierung der eigenen karitativen Werke, sondern fördert damit auch<br />

ordensfremde soziale Einrichtungen und Projekte. Zur Unternehmensphilosophie<br />

gehört außerdem, dass neben Kundenzufriedenheit und Gewährleistung<br />

von Qualitätsprodukten auch die Zufriedenheit der Mitarbeiter ein<br />

zentrales Anliegen bleiben muss. Während in vielen anderen Firmen schon<br />

längst alle Zusatzleistungen gestrichen worden sind, zeugen in Adelholzen<br />

weiterhin freiwillige soziale Leistungen, beispielsweise die kostengünstige<br />

Versorgung in der Betriebskantine mit biologischem Essen aus den eige-<br />

243


<strong>Festschrift</strong> der <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern<br />

244<br />

nen Landwirtschaften, von einem sozial verantwortlichen Umgang mit den<br />

eigenen Mitarbeitern.<br />

Nicht nur mit den Mitarbeitern, auch mit der Umwelt will man verantwortungsvoll<br />

umgehen. Der Umweltschutz hat in Adelholzen bereits<br />

eine lange Tradition. Schon Anfang der 70er Jahre wurde eine eigene Kläranlage<br />

für den Betrieb gebaut. Bei der Expansion des Werks in den 90er<br />

Jahren gelang es durch eine eigene Umweltstrategie, den Verbrauch von<br />

Wasser und Energie zu senken, Müll zu reduzieren und Reinigungsmittel<br />

möglichst sparsam zu verwenden. Ein großer Teil des Mülls wird recycelt,<br />

durch Kraft-Wärme-Kopplung wird Energie besonders effizient genutzt.<br />

Schon 1997 legte das Unternehmen <strong>als</strong> eines der ersten in der Branche eine<br />

Umwelterklärung nach dem EG-Öko-Audit ab, verbunden mit regelmäßigen<br />

Validierungen in den folgenden Jahren. Für ihr besonderes umweltpolitisches<br />

Engagement erhielt der Betrieb im Jahr 2004 die „Staatsmedaille<br />

für Umwelt und Gesundheit“ des Bayerischen Umweltministeriums.<br />

*


Kapitel 13<br />

Neue Herausforderungen<br />

für den Orden in einer<br />

säkularisierten Gesellschaft<br />

13.1. Nachwuchsmangel: Ursachen und Folgen<br />

Die Geschichte der <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern nach dem 2. Weltkrieg kann<br />

man durchaus <strong>als</strong> eine Erfolgsgeschichte sehen. Der Orden hatte durch hohe<br />

Eintrittszahlen viele arbeitsfähige Schwestern, die in zahlreichen kommunalen<br />

und staatlichen sozialen Einrichtungen Dienst leisteten. Die Anzahl<br />

der ordenseigenen Häuser erhöhte sich stark und deren Entwicklung verlief<br />

sehr positiv. Der einzige rein gewerbliche Betrieb, die Adelholzener Alpenquellen<br />

GmbH, entwickelte sich von einem kleinen Brunnenbetrieb mit<br />

Handfüllapparaten zu einem international agierenden Getränkehersteller<br />

mit Produktionsanlagen, in denen modernste Technik eingesetzt wird.<br />

Karte von den<br />

Niederlassungen<br />

der Kongregation zu<br />

Beginn der 1950er<br />

Jahre<br />

245


<strong>Festschrift</strong> der <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern<br />

Entwicklung<br />

der Zahl<br />

der Kandidatinnen<br />

von 1828 bis<br />

2007<br />

246<br />

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In der Gesellschaft genießen die <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern Respekt<br />

und Ansehen. Der Staat honorierte das hohe soziale Engagement der Kongregation<br />

mehrfach durch die Verleihung von Verdienstorden an die jeweiligen<br />

Generaloberinnen. Und dennoch sah sich der Orden schon seit den<br />

Anfangsjahren der Bundesrepublik Deutschland mit einem Problem konfrontiert,<br />

das alle Erfolge überschattete und die Zukunft des Ordens immer<br />

mehr in Frage stellen sollte: der Nachwuchs blieb zunehmend aus.<br />

Schon in der ersten Hälfte der 50er Jahre fielen die jährlichen Eintritte<br />

unter 30, in der zweiten Hälfte unter 20. Das Problem des Nachwuchsmangels<br />

wurde immer deutlicher. Ab Mitte der 60er Jahre erfolgte ein noch<br />

größerer Einbruch. Jetzt traten nur noch ein bis zwei junge Frauen jährlich<br />

ein. In den 70er Jahren gab es erstm<strong>als</strong> Jahre, in denen kein Eintritt zu verzeichnen<br />

war. In den 80er Jahren waren Eintritte nur noch die Ausnahme<br />

und seit 1988 gab es überhaupt keinen Neuzugang mehr. 193<br />

Was waren die Ursachen für den Rückgang des Nachwuchses?<br />

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Einige der oben genannten gesellschaftlich bedingten Faktoren, die früher<br />

einen Ordenseintritt für eine junge Frau attraktiv gemacht hatten, fielen<br />

im Nachkriegsdeutschland weg, da sich seit den 60er Jahren die Rahmenbedingungen<br />

grundlegend änderten. Als Frauenkongregation waren die<br />

<strong>Barmherzige</strong>n Schwestern insbesondere von der Veränderung des Rollenbildes<br />

der Frau betroffen. Auch Frauen wurde nun das Recht auf eine gute<br />

Ausbildung und die Ausübung eines Berufes zugestanden. Durch die Bildungsreform<br />

in den 70er Jahren wurde dieses Recht auch für Mädchen aus<br />

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Neue Herausforderungen für den Orden in einer säkularisierten Gesellschaft<br />

unteren Schichten in reale Chancen umgesetzt. Nun standen Frauen immer<br />

mehr Berufe offen, mit denen sie ihren Lebensunterhalt sichern konnten<br />

und durch die sozialen Sicherungssysteme auch für den Fall von Krankheit<br />

und Alter versorgt waren.<br />

Mit dem Wandel der äußeren Rahmenbedingungen ging gleichzeitig<br />

ein grundlegender Wertewandel in der Gesellschaft einher. Alte Tugenden<br />

wie Pflichterfüllung und Gehorsam wurden auf dem Hintergrund, welche<br />

verheerende Rolle sie beim Funktionieren des NS-Staates gespielt hatten,<br />

immer mehr hinterfragt. Auch christliche Werte wie Demut und Nächstenliebe<br />

schienen nicht mehr in eine Zeit zu passen, in der die Selbstverwirklichung<br />

des Individuums <strong>als</strong> oberstes Ziel propagiert wurde.<br />

Und wie waren die traditionellen Ordensgelübde von Gehorsam, Armut<br />

und Keuschheit mit den neuen Wertvorstellungen zu vereinbaren? Immer<br />

mehr Bürger forderten die demokratischen Prinzipien nicht nur in der<br />

Politik, sondern auch in der Gesellschaft ein. Die in vielen Gesellschaftsbereichen,<br />

beispielsweise in den Schulen und in den Kirchen, noch vielfach<br />

vorhandenen autoritären Strukturen wurden zunehmend in Frage gestellt.<br />

Gehorsam <strong>als</strong> Wert an sich erschien fragwürdig und nicht vereinbar mit der<br />

Selbstbestimmung des Menschen. In der Wohlstandsgesellschaft aufgewachsene<br />

Menschen, die an ein bestimmtes Konsumverhalten gewöhnt waren,<br />

konnten auch das Gelübde der Armut immer schwerer nachvollziehen. Erst<br />

recht galt dies für das Gelübde der Keuschheit. Seit der sexuellen Revolution<br />

der 60er Jahre konnten mit diesem Begriff viele überhaupt nichts mehr<br />

anfangen. An die Stelle einer früheren Leibfeindlichkeit und Verteufelung<br />

der Sexualität trat nun das andere<br />

Extrem einer völligen Enttabuisierung<br />

und einer starken Überbetonung<br />

der Bedeutung der Sexualität.<br />

Der bewusste Verzicht auf das Ausleben<br />

der Sexualität, den es in der<br />

Geschichte in allen Kulturen gegeben<br />

hat und der meist mit Respekt<br />

Ewige<br />

honoriert wurde, wurde nun vielfach<br />

<strong>als</strong> geradezu naturwidrig angesehen.<br />

Der Einfluss der Kirchen auf<br />

Politik und Gesellschaft wurde in<br />

den letzten Jahrzehnten zurückgedrängt.<br />

Die Gesellschaft entwickelte<br />

sich immer mehr zu einer säkularisierten<br />

Gesellschaft. Immer weniger<br />

junge Menschen wachsen heute in<br />

Profess von<br />

Schwester<br />

M. Katharina<br />

Blümlhuber,<br />

dem jüngsten<br />

Mitglied<br />

der Kongregation,<br />

vor<br />

Superior<br />

König im<br />

Jahr 1992<br />

247


<strong>Festschrift</strong> der <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern<br />

248<br />

einer christlich geprägten Umgebung auf. Falls sich heutzutage jemand für<br />

den Ordensberuf entscheidet, erfährt er statt der früheren Anerkennung und<br />

Unterstützung meist völliges Unverständnis oder sogar Ablehnung. Ein solcher<br />

Lebensentwurf ist den meisten Menschen absolut fremd geworden.<br />

Folgen des Nachwuchsmangels<br />

Die Folgen des Nachwuchsmangels waren für das Mutterhaus der <strong>Barmherzige</strong>n<br />

Schwestern gravierend. Gerade in den Wiederaufbaujahren in den<br />

50er Jahren war eine große Zahl an Krankenschwestern gefragt. So vermerkte<br />

die Ordenschronik im Jahr 1955: „Im Hinblick auf den großen Baueifer vieler<br />

Gemeinden bzw. Träger der Anstalten wäre es notwendig, zahlreichen Nachwuchs<br />

zu haben; denn unaufhörlich kommen Bitten um Vermehrung der Schwestern… Es<br />

ist ein Schmerz für das Mutterhaus, die Bitten um Ordensschwestern nicht erfüllen<br />

zu können. Wir müssen gemeinsam dieses Kreuz unserer Zeit tragen… „Herr,<br />

sende Arbeiter in deinen Weinberg!“ – mit dieser innigen Bitte beschließen wir das<br />

alte Jahr.“ Und 1956 heißt es dort: „Die größte Sorge ist die Nachwuchssorge. Es<br />

können nicht einmal die durch Sterbefälle erledigten Posten besetzt werden.“ 194<br />

Der Schwesternmangel zwang die <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern, sich aus<br />

immer mehr Niederlassungen zurückzuziehen. Der Rückzug begann Ende<br />

der 50er Jahre mit der Kündigung des Krankenhauses in Burghausen und<br />

erfasste in den kommenden Jahrzehnten praktisch alle ordensfremden Krankenhäuser<br />

und Altenheime. Hatte der Orden 1960 noch 154 Niederlassungen,<br />

sank die Zahl im Jahr 1970 auf 140 und im Jahr 1980 auf 105. 195 In<br />

den 80er Jahren beschleunigte sich diese Entwicklung und erreichte mit 40<br />

Abgaben den Höhepunkt der Kündigungswelle. In den 90er Jahren wurden<br />

weitere 30 Niederlassungen aufgegeben. Heute, im Jahr 2007, ist die Zahl<br />

der Niederlassungen auf 28 geschrumpft.<br />

Auch in München, wo die Alten- und Krankenpflege lange Zeit fast<br />

ausschließlich in der Hand der <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern war, blieb ihnen<br />

die Aufgabe von immer mehr Häusern nicht erspart. Zunächst trennten<br />

sie sich von den städtischen Krankenhäusern. So erfolgte bereits 1960 die<br />

Kündigung des Sanatoriums in Harlaching und 1964 des Schwabinger<br />

Krankenhauses. In den 70er Jahren gaben sie das Krankenhaus rechts der<br />

Isar und das Krankenhaus am Biederstein ab. In den 80er Jahren zogen<br />

sich die <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern aus den Altenheimen der Stadt München<br />

zurück, in denen sie teilweise – wie im Heilig-Geist-Spital – schon<br />

seit den Gründungsjahren ihrer Kongregation tätig gewesen waren. Auch<br />

der Rückzug aus den Münchner Universitätskliniken, den die Schwestern<br />

möglichst lange hinausgezögert hatten, ließ sich schließlich nicht vermeiden.


Neue Herausforderungen für den Orden in einer säkularisierten Gesellschaft<br />

Von der Chirurgischen Klinik trennte<br />

sich die Kongregation bereits 1974.<br />

1979 gab sie die Gynäkologische Klinik<br />

auf, 1981 die Haunersche Kinderklinik,<br />

1985 und 1986 zog sie sich<br />

aus der Frauenklinik und der Orthopädischen<br />

Klinik zurück. In den 90er<br />

Jahren erfolgte noch die Aufgabe der<br />

Psychiatrischen und der Dermatologischen<br />

Klinik. Als letzte Münchner<br />

Universitätsklinik verließen die <strong>Barmherzige</strong>n<br />

Schwestern im Juni 2000 die<br />

Medizinische Klinik der Innenstadt, das<br />

ehemalige Allgemeine Krankenhaus,<br />

ihre erste Wirkungsstätte in Bayern bei<br />

ihrer Gründung 1832. Schon in den<br />

60er Jahren hatte die Kongregation die<br />

Verantwortung für die Hauswirtschaft in der Medizinischen Klinik abgegeben.<br />

Seit Ende der 1970er Jahre hatten sich die Schwestern sukzessive auch<br />

aus der Pflege zurückgezogen, indem sie eine Station nach der anderen in<br />

die Hände weltlicher Pflegekräfte gaben. Zum 30. Juni 2000 schieden nun<br />

endgültig die letzten sieben <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern aus dieser Klinik aus,<br />

die so eng wie kein anderes Haus mit dem Wirken der Schwestern in Bayern<br />

verbunden ist. Dieser Abschied war besonders schmerzvoll, machte er<br />

doch mehr <strong>als</strong> deutlich, dass endgültig eine Ära zu Ende ging. Eine Ära, in<br />

der die <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern lange Zeit fast ausschließlich das gesamte<br />

nichtärztliche Personal an den Münchner Universitätskliniken gestellt und<br />

zu deren Erfolgsgeschichte wesentlich beigetragen hatten.<br />

Jeder einzelne Abschied aus den vielen Niederlassungen in ganz Bayern<br />

war stets mit Trauer verbunden. Der Ordensleitung fiel jede einzelne Entscheidung<br />

schwer, da die Niederlassungen oft schon mehr <strong>als</strong> hundert Jahre<br />

von den <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern betreut worden waren. Aber sie sah, dass<br />

die immer weniger und immer älter werdenden Schwestern ihre Kräfte auf<br />

weniger Niederlassungen, vorwiegend die eigenen, konzentrieren mussten.<br />

Und wie hart kam erst mancher Schwester der Rückzug aus einem Haus<br />

an, das ihr oft jahrzehntelang Heimat gewesen war? Groß war auch meist<br />

das Bedauern der örtlichen Bevölkerung, die sich an die lange Präsenz der<br />

Schwestern gewöhnt hatte und sich nicht vorstellen konnte, auf sie verzichten<br />

zu müssen.<br />

Für die Träger der Einrichtungen bedeutete der Weggang der Schwestern<br />

ebenfalls einen großen Verlust. Zwar war es im Gegensatz zu früher<br />

Tafel im<br />

Eingangsbereich<br />

der Medizinischen<br />

Klinik, die<br />

an das lange<br />

Wirken<br />

der <strong>Barmherzige</strong>n<br />

Schwestern<br />

in diesem<br />

Haus<br />

erinnert<br />

249


<strong>Festschrift</strong> der <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern<br />

250<br />

kein Problem mehr, geeignetes und qualifiziertes weltliches Personal zu finden,<br />

aber die Umstellung bedeutete auf jeden Fall eine nicht unerhebliche<br />

Erhöhung der Personalkosten. Da die Ordensschwestern nicht an tarifliche<br />

Arbeitszeiten gebunden waren und Belastungen durch Urlaubszeiten,<br />

Krankheit und Alter von der Kongregation selbst getragen wurden, waren<br />

sie für den Träger relativ kostengünstige Mitarbeiter. Diesen Aspekt hatten<br />

schon die Klinikdirektoren der Münchner Krankenhäuser den Nation<strong>als</strong>ozialisten<br />

entgegengehalten, die an Stelle der Ordensschwestern Braune<br />

Schwestern hatten einführen wollen. Auch in den 50er und 60er Jahren, <strong>als</strong><br />

wegen des Mangels an Ordensschwestern immer mehr weltliche Krankenschwestern<br />

angestellt werden mussten, hatten die Direktionen immer wieder<br />

darauf hingewiesen, dass ein 1:1-Ersatz einer <strong>Barmherzige</strong>n Schwester<br />

durch eine weltliche Schwester nicht ausreiche und schon deshalb höhere<br />

Personalkosten unumgänglich seien. So schrieb der Direktor der Frauenklinik<br />

im Oktober 1966 an die Universitätsverwaltung: „Ohne die Qualität<br />

der freien Schwestern in Frage stellen zu wollen, muss jedoch gesagt werden, dass<br />

sie keinen vollen Ersatz für die ausgeschiedenen Ordensschwestern darstellen: Die<br />

Ordensschwestern haben sich im Gegensatz zu den freien Schwestern nicht an die<br />

47-Stundenwoche gehalten, sondern darüber hinaus so lange gearbeitet, <strong>als</strong> ihre<br />

Anwesenheit notwendig war. Außerdem waren in Notfällen die Ordensschwestern<br />

durch ihre Unterbringung im Klinikgebäude auch außerhalb ihrer Arbeitszeit ständig<br />

einsatzbereit.“ 196 Die Universitätsverwaltung bestätigte diese Sichtweise<br />

in einem Schreiben an das Kultusministerium im November 1966: „Die<br />

Universität kann die Richtigkeit der Behauptung bestätigen, dass der Ersatz einer<br />

Ordensschwester durch eine geprüfte weltliche Schwester im Verhältnis 1:1 unzureichend<br />

ist. Eine Verhältniszahl von 1:1,5 entspricht den praktischen Notwendigkeiten<br />

eher.“ 197<br />

Dieses Problem wurde mit weiteren gesetzlichen Arbeitszeitverkürzungen<br />

noch verschärft. So beantragte die Universitätsverwaltung beim<br />

Kultusministerium im Februar 1970, dass bei dem ab Juli 1970 angekündigten<br />

sukzessiven Rückzug des Ordens die in der Frauenklinik tätigen 38<br />

<strong>Barmherzige</strong>n Schwestern nicht nur durch 38 weltliche Schwestern, sondern<br />

durch weitere 32 ersetzt werden sollten. 198<br />

13.2. Nachkonziliare Umbruchsituation<br />

Die gesellschaftlichen Veränderungen führten nicht nur zu einem Rückgang<br />

des Ordensnachwuchses mit allen seinen Folgen für das Wirken des Ordens<br />

nach außen, sondern auch zu Veränderungen innerhalb des Ordens. Nach<br />

und nach setzten sich Lockerungen bei den vorher noch recht strengen


Neue Herausforderungen für den Orden in einer säkularisierten Gesellschaft<br />

Regelungen des Alltagslebens durch. Schon Anfang der 50er Jahre stellte<br />

die damalige Ordenschronistin Schwester M. Emma Mayer bedauernd fest,<br />

dass die formal noch bestehende, sehr restriktive Regelung für den Heimaturlaub<br />

in der Praxis durch immer mehr Ausnahmen unterlaufen wurde. So<br />

häuften sich Fälle, in denen Geistliche die Ordensleitung um die Genehmigung<br />

baten, dass eine <strong>Barmherzige</strong> Schwester an Primizfeiern oder Priesterjubiläen<br />

in ihrem Heimatort teilnehmen durfte. Immer mehr geriet die<br />

Leitung durch derartige Anfragen unter Druck und wünschte deshalb eine<br />

Klärung der Regelung beim Generalkapitel von 1953. 199 Kardinal von Faulhaber<br />

riet dem Orden zu äußerster Zurückhaltung, was die Heimfahrten<br />

betraf. So bestätigte das Generalkapitel die alte strenge Regelung, wonach<br />

eine Schwester zu Lebzeiten der Eltern nur ein einziges Mal in die Heimat<br />

reisen durfte und nach dem Tod der Eltern noch ein einmaliger Grabbesuch<br />

gestattet war. Auch für Primizfeiern und Priesterjubiläen sollte es<br />

keine Ausnahmen mehr geben, außer es handelte sich um einen Bruder der<br />

<strong>Barmherzige</strong>n Schwester.<br />

Aber die neue Zeit war nicht aufzuhalten. So wurde schon beim Generalkapitel<br />

1959 eine wesentlich liberalere Heimfahrtsregelung erlassen. Nun<br />

durften die Schwestern bei Lebzeiten der Eltern alle drei Jahre, nach dem<br />

Tod der Eltern alle fünf Jahre zu den Geschwistern in die Heimat reisen und<br />

dort bis zu fünf Tage Urlaub verbringen. Schwerkranke Eltern sollten jederzeit<br />

besucht werden dürfen und die Teilnahme an ihrer Beerdigung sollte<br />

auf jeden Fall ermöglicht werden. 200 Außerdem bürgerte es sich ein, dass<br />

an Einkleidungs-, Profess- und <strong>Jubiläum</strong>sfeiern, zu denen früher nur eine<br />

kleine Zahl nächster Verwandter zugelassen worden war, ein größerer Kreis<br />

Angehöriger teilnehmen durfte.<br />

Vergleichbar mit der gesamtgesellschaftlichen Tendenz wurde beim<br />

Ordensnachwuchs mehr Wert auf einen mittleren und höheren Bildungsabschluss<br />

gelegt. So besuchten immer mehr junge Schwestern die Mittelschule,<br />

zunächst die der Englischen Fräulein in Berg am Laim und ab 1955<br />

auch die ordenseigene Mittelschule in Indersdorf. Einige absolvierten das<br />

Gymnasium bei den Armen Schulschwestern. Da für die Re<strong>als</strong>chule in<br />

Indersdorf dringend eigenes Lehrpersonal benötigt wurde, wurden einige<br />

Schwestern für das Lehramt ausgebildet. So nutzte beispielsweise Schwester<br />

M. Borromäa Raabe die vom Kloster Seligenthal in Landshut angebotene<br />

Möglichkeit, in einer zwei<strong>jährigen</strong> Ausbildung die Lehrbefähigung<br />

zu erlangen. Als externe Schülerin wohnte die junge Schwester im nahe<br />

gelegenen Heilig-Geist-Spital, das von den eigenen Mitschwestern geleitet<br />

wurde. Der weiteren Ausdifferenzierung der Berufswelt wurde durch die<br />

Ausbildung von Schwestern für neue Berufe und durch berufliche Weiterbildung<br />

Rechnung getragen.<br />

251


<strong>Festschrift</strong> der <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern<br />

Kandidatinnentracht<br />

bis 1959<br />

(Puppe aus<br />

dem Schaukasten<br />

im<br />

Mutterhaus)<br />

252<br />

Änderung der Ordenstracht<br />

Bereits in den frühen 50er Jahren setzte die Diskussion über eine Änderung<br />

der Ordenskleidung ein. Anlass dazu waren Äußerungen von Papst<br />

Pius XII., wonach er die Einführung schlichterer Trachten begrüßen würde.<br />

Die Münchner Ordensleitung, die wie der Großteil ihrer Schwestern an<br />

der traditionellen Flügelhaube festhalten wollte, wandte sich beunruhigt an<br />

ihre langjährige Kontaktperson in Rom, Schwester Pascalina Lehnert. Diese<br />

konnte die Münchner Schwestern vorläufig beruhigen. Für den Fall, dass<br />

eine Ordensgemeinschaft eine Änderung ihrer Tracht wünschte, würde der<br />

Papst seine Zustimmung geben. Er denke aber nicht an eine verbindliche<br />

Auflage für alle Orden, ihre Kleidung zeitgemäßer zu gestalten. 201 Doch das<br />

Thema blieb aktuell, <strong>zum</strong>al das Mutterhaus der <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern<br />

in Untermarchtal 1954 eine neue Tracht einführte, wenn auch zunächst nur<br />

für neu Eingekleidete.<br />

Das Mutterhaus München ersetzte 1959 die doch recht altertümlich wirkende<br />

Tracht der Postulantinnen durch eine einfachere Kandidatinnentracht.<br />

Nach dieser zaghaften kleinen Veränderung brach mit den 60er Jahren eine<br />

Zeit von großen, grundlegenden Reformen an. Der Anstoß ging jedoch<br />

nicht von den Schwestern selbst aus, sondern von der obersten Kirchenleitung,<br />

dem neuen Papst Johannes XXIII. Der Nachfolger des 1958 verstorbenen<br />

Papst Pius XII. nahm wider Erwarten trotz seines fortgeschrittenen<br />

Alters schon unmittelbar nach seinem Amtsantritt eine grundlegende Erneuerung<br />

der katholischen Kirche in Angriff. Er forderte, die Kirche müsse sich<br />

der neuen Zeit stellen und in der Gegenwart ankommen, wofür er den<br />

Begriff „Aggiornamento“ („Heutigwerden“) prägte. Im Januar 1959 gab<br />

er seine Absicht kund, ein neues Konzil<br />

einzuberufen. Nach den notwendigen<br />

Vorbereitungen eröffnete Johannes<br />

XXIII. im November 1962 das Zweite<br />

Vatikanische Konzil, das sich ohne Vorgaben,<br />

in möglichst freiem Diskurs, zu<br />

den unterschiedlichsten Fragenkomplexen<br />

Gedanken machen und neue, auch<br />

für die Zukunft tragfähige Antworten<br />

finden sollte. Wie von Papst Johannes<br />

XXIII. erhofft, entwickelte das Konzil<br />

eine große reformerische Eigendynamik,<br />

die auch durch den Tod des Papstes im<br />

Juni 1963 nicht gestoppt werden konnte.<br />

Sein Nachfolger Papst Paul VI. führte


Neue Herausforderungen für den Orden in einer säkularisierten Gesellschaft<br />

das Konzil in diesem Sinne bis zu dessen<br />

Abschluss im Dezember 1965 weiter.<br />

In dieser Zeit des Aufbruchs der Kirche<br />

in die Moderne konnte sich die<br />

Ordensleitung der <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern<br />

nicht länger gegen die schon lange<br />

diskutierte und von vielen Schwestern<br />

befürchtete Änderung der Tracht stellen.<br />

Der neue Erzbischof von München und<br />

Freising, Julius Kardinal Döpfner, drängte<br />

die <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern zur Änderung<br />

ihrer Ordenskleidung, noch bevor<br />

das 1965 erlassene Dekret des Zweiten<br />

Vatikanischen Konzils dies ausdrücklich<br />

forderte: „17. Das Ordensgewand <strong>als</strong> Zeichen<br />

der Weihe sei einfach und schlicht, arm<br />

und zugleich schicklich, dazu den gesundheitlichen Erfordernissen, den Umständen<br />

von Zeit und Ort sowie den Erfordernissen des Dienstes angepasst. Ein Gewand,<br />

das diesen Richtlinien nicht entspricht, muss geändert werden. Das gilt sowohl für<br />

Männer wie für Frauen.“ 202<br />

Im Jahr 1963 bekamen zunächst nur die neu eingekleideten Novizinnen<br />

ein neues Ordenskleid. Die Mutterhauschronistin, die den Bruch mit der<br />

alten Tradition sehr bedauerte, notierte dazu: „1963 brachte dem Orden das,<br />

vor dem schon lange gebangt wurde: den Verlust der Flügelhaube.“ Ab 1964 folgte<br />

die Umkleidung aller Schwestern: „Wir vollzogen den Akt der Umkleidung<br />

im Gehorsam gegen die Kirche, von deren Oberhaupt sie empfohlen und gegenüber<br />

dem Erzbischof unserer Diözese, Julius Kardinal Döpfner, von dem sie strengstens<br />

verlangt wurde.“ 203 Die alte Flügelhaube wurde durch einen einfachen wei-<br />

Generaloberin Schwester<br />

M. Mildgitha<br />

Bachleitner bei einer<br />

Audienz bei Papst<br />

Johannes XXIII. (1961)<br />

Die ersten<br />

Kandidatinnen<br />

in<br />

der neuen<br />

Tracht im<br />

Treppenhaus<br />

des Mutterhauses<br />

im<br />

Jahr 1959<br />

253


<strong>Festschrift</strong> der <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern<br />

Neue<br />

Ordenstracht<br />

ab<br />

1964 (Puppe<br />

aus dem<br />

Schaukasten<br />

im<br />

Mutterhaus)<br />

254<br />

ßen Schleier ersetzt, der nur das Gesicht frei ließ. Nach 1972 konnten sich<br />

die Schwestern wahlweise zwischen diesem Schleier und dem neu eingeführten<br />

Schleier entscheiden, der auch den Haaransatz sichtbar machte. Das<br />

weiße Schultertuch der alten Tracht wurde durch einen kleinen weißen<br />

Kragen ersetzt.<br />

Nicht alle Schwestern waren gegen die Einführung des schlichteren<br />

Schleiers an Stelle der alten Flügelhaube: „Der Verlust und das Verschwinden<br />

der Flügelhaube wurde von vielen bedauert und betrauert, von manchen begrüßt.“ 204<br />

Manche Schwester mag die Abschaffung der alten Kopftracht auch <strong>als</strong><br />

Erleichterung angesehen haben. Waren die Flügelhauben doch alles andere<br />

<strong>als</strong> pflegeleicht gewesen. Aufwändig mussten sie gestärkt werden, und das<br />

Feststecken der Haube war eine Kunst, die junge Schwestern erst erlernen<br />

mussten. Allerdings verloren die <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern mit ihren<br />

Flügelhauben auch ihr „Markenzeichen“, das sie vorher unverwechselbar<br />

gemacht hatte. Die neue Tracht konnte nun leicht mit der Ordenskleidung<br />

anderer Gemeinschaften verwechselt werden. Das Ordenskleid, das „heilige<br />

Kleid“, blieb auch weiterhin ein einfaches schwarzes Gewand. Dieses wird<br />

nach wie vor in der Kirche getragen. Für den Arbeitsalltag wurde das weiße<br />

Arbeitsgewand der Schwestern beibehalten. Neu hinzu kamen in den kommenden<br />

Jahren das pflegeleichte, aber dennoch festliche dunkelblaue Kleid<br />

und das graue Kleid für Urlaub und Freizeit.<br />

Neue Lebensordnung für die Schwestern<br />

Das Zweite Vatikanische Konzil sollte noch weiter reichende Folgen für die<br />

Kongregation haben. Neben thematischen Schwerpunkten wie der Erneuerung<br />

der Liturgie, dem Selbstverständnis der<br />

Kirche allgemein, der christlichen Ökumene<br />

und dem Umgang der Kirche mit nichtchristlichen<br />

Religionen befasste sich das Konzil<br />

auch mit der Frage nach einer Reform des<br />

Ordenslebens. Von dem dazu im Oktober<br />

1965 veröffentlichten Dekret über die zeitgemäße<br />

Erneuerung des Ordenslebens „Perfectae<br />

Caritatis“ waren auch die <strong>Barmherzige</strong>n<br />

Schwestern betroffen. Alle Ordensgemeinschaften<br />

wurden aufgefordert, in den nächsten<br />

Jahren ein Generalkapitel einzuberufen, das<br />

die Ordensregeln und -statuten darauf überprüfen<br />

sollte, ob sie noch zeitgemäß wären.


Neue Herausforderungen für den Orden in einer säkularisierten Gesellschaft<br />

In den folgenden Jahren setzten<br />

sich die <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern in<br />

mehreren außerordentlichen Reformkapiteln<br />

mit der Erneuerung ihrer<br />

Gemeinschaft auseinander. Ein erstes<br />

Ergebnis dieser Beratungen war<br />

die 1970 vom Erzbischof approbierte<br />

neue Lebensordnung. Sie ist in erster<br />

Linie eine Überarbeitung der alten<br />

Ordensregeln, die rechtlichen Bestimmungen<br />

wurden nur in den Anhang<br />

aufgenommen und in den folgenden<br />

Jahren weiter überarbeitet. Die heute<br />

gültige Lebensordnung von 1985 ist<br />

das Ergebnis dieses langen Prozesses.<br />

Viele der neuen Regelungen betrafen<br />

das alltägliche Leben der Schwestern. 207 War früher der Alltag einer<br />

<strong>Barmherzige</strong>n Schwester stark reglementiert, sollte nun der einzelnen<br />

Schwester mehr persönliche Freiheit eingeräumt werden. An die Stelle der<br />

früher üblichen starken Kontrolle, die bis zur Zensur der Post gereicht hatte,<br />

sollte nun die weitgehende Eigenverantwortlichkeit der Schwester treten. So<br />

fielen die früher sehr strengen Beschränkungen von Fernseh- und Radiokonsum.<br />

Die Urlaubs- und Taschengeldregelungen wurden weiter gelockert.<br />

Ab 1973 durften die Schwestern, wenn sie es wünschten, ihren gesamten<br />

Urlaub in ihrer Heimat verbringen. Zunehmend wurde ihnen auch gestattet<br />

an Freizeitaktivitäten wie Bergwandern teilzunehmen, wofür das Tragen<br />

von Freizeitkleidung erlaubt wurde. Seit 1969 war es den Schwestern<br />

freigestellt, ihren Taufnamen beizubehalten, selbst einen Ordensnamen zu<br />

Kandidatinnen beim<br />

Federballspiel im<br />

Mutterhausgarten<br />

(ca. 1960)<br />

Einkleidung<br />

und Profess<br />

in der neuen<br />

Ordenstracht<br />

im<br />

Mai 1965 mit<br />

Julius Kardinal<br />

Döpfner<br />

255


<strong>Festschrift</strong> der <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern<br />

Ordenstracht<br />

bis<br />

1964 (Puppe<br />

aus dem<br />

Schaukasten<br />

des Mutterhauses)<br />

256<br />

wählen oder sich für einen<br />

Doppelnamen zu entscheiden.<br />

1971 wurde die Kandidatinnentracht<br />

abgeschafft.<br />

Bis zur Einkleidung trugen<br />

die Kandidatinnen nun ihre<br />

eigene zivile Kleidung. Für<br />

die Zeit zwischen der ersten<br />

zeitlichen Profess und der<br />

Profess auf Lebenszeit wurde<br />

die Bezeichnung „Juniorat“<br />

eingeführt. Während dieses<br />

Juniorats sollten die jungen<br />

Schwestern nicht nur fachlich,<br />

sondern auch spirituell unter Anleitung einer dazu bestimmten Junioratsleiterin<br />

weitergebildet werden.<br />

Die Lebensordnung von 1970 beschränkte die Arbeitszeit auf höchstens<br />

54 Wochenstunden. Damit lag die Höchstarbeitsdauer zwar noch um einiges<br />

über der tariflichen Arbeitszeit, aber die Regelung sicherte den Schwestern<br />

erheblich mehr Zeit für Erholung <strong>als</strong> früher.<br />

Das Radfahren, das den Augsburger <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern bereits<br />

1954 genehmigt worden war, wurde nun auch den Münchner Schwestern<br />

erlaubt. Diese Neuerung war für die Schwestern nicht nur ein weiteres Freizeitvergnügen,<br />

sondern für manche Schwester – beispielsweise in der ambulanten<br />

Pflege – auch eine sehr große Erleichterung. Ein Teil der Schwestern,<br />

in erster Linie die älteren, sah die vielen neuen Freiheiten mit Besorgnis.<br />

Die Flügelhaube der <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern<br />

Vinzenz von Paul hatte für die von<br />

ihm gegründeten neuen Ordensgemeinschaften<br />

gefordert, sie sollten auf<br />

Ordenskleidung verzichten und stattdessen<br />

Alltagskleidung tragen. So beruht die<br />

Kleidung der vinzentinischen Gemeinschaften<br />

auf der dam<strong>als</strong> in den unteren<br />

Schichten üblichen Bekleidung. Während<br />

diese Kleidung jedoch der Mode unterworfen<br />

war und sich im Laufe der Jahrhunderte<br />

änderte, blieben die Ordensleute<br />

bei der alten Kleidung. Mädchen und<br />

Frauen hatten früher alle eine Kopfbede-<br />

ckung zu tragen. So geht die Flügelhaube<br />

der <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern auf die<br />

Kopfhaube der bretonischen Landmädchen<br />

zurück, erfuhr allerdings im Laufe<br />

der Zeit einige Abänderungen.<br />

Die auffällige Haube wurde schnell <strong>zum</strong><br />

Erkennungs- und Markenzeichen der<br />

<strong>Barmherzige</strong>n Schwestern. Allerdings<br />

erregte sie bei manchem auch Anstoß.<br />

Der Hildesheimer Bischof hatte deshalb<br />

bei der Gründung des dortigen Mutterhauses<br />

auf einer Änderung der Ordenstracht<br />

bestanden. Aus Rücksicht auf die


Neue Herausforderungen für den Orden in einer säkularisierten Gesellschaft<br />

Doch ein Großteil, vorwiegend<br />

die jüngeren, freute sich<br />

über die neuen Bestimmungen<br />

und traute sich einen<br />

verantwortlichen Umgang<br />

mit den neuen Freiheiten zu.<br />

Auch sie waren Kinder ihrer<br />

Zeit und hätten die alten<br />

restriktiven Regelungen, die<br />

die älteren Generationen<br />

noch <strong>als</strong> selbstverständlich<br />

akzeptiert hatten, immer<br />

weniger verstanden und <strong>als</strong><br />

Schikanen empfunden.<br />

Wandel des Superiorenamtes<br />

Die ehemalige<br />

Generaloberin<br />

Schwester M.<br />

Gundebalda<br />

Engelhart bei<br />

ihrer Diamantenen<br />

Profess<br />

im Jahr 1990.<br />

Neben ihr steht<br />

ihre Nachfolgerin,<br />

die dam<strong>als</strong><br />

amtierende<br />

Generaloberin<br />

Schwester<br />

Maria Siglinde<br />

Reichart.<br />

Auch in der Ordensleitung waren die Schwestern gewillt, mehr Eigenverantwortung<br />

zu übernehmen. So begannen sie, die Notwendigkeit des Superiors<br />

<strong>als</strong> einer Art männlichen Geschäftsführers des Ordens zu hinterfragen.<br />

Der tatsächliche Einfluss des Superiors war auch früher schon abhängig<br />

gewesen von den jeweiligen Persönlichkeiten des Amtsinhabers und der<br />

Generaloberin. Das Amt an sich war jedoch nie in Frage gestellt worden.<br />

Immer war die Notwendigkeit anerkannt worden, dass die <strong>Barmherzige</strong>n<br />

Schwestern <strong>als</strong> Frauenkongregation einen vom Bischof eingesetzten Pries-<br />

Diasporasituation der katholischen Kirche<br />

in der überwiegend protestantischen<br />

Umgebung mussten die Schwestern auf<br />

die Aufsehen erregende Haube verzichten<br />

und stattdessen schwarze Schleier<br />

tragen. 205<br />

Auch mancher Arzt beanstandete die Flügelhaube.<br />

In erster Linie hielten die Chirurgen<br />

die ausladende Haube beim Einsatz<br />

im Operationssaal für unpraktisch<br />

und unhygienisch. So berichtet die Mutterhauschronik,<br />

dass Prof. Dr. Lexer, der<br />

Nachfolger Prof. Sauerbruchs an der Chirurgischen<br />

Klinik, bei seinem Amtsantritt<br />

1928 darauf bestanden habe, die Schwes-<br />

tern müssten sich von ihrer Haube trennen:<br />

„Die müsst ihr weg tun!“ 206 Generaloberin<br />

Schwester M. Desideria Weihmayer<br />

besprach das Problem mit Kardinal von<br />

Faulhaber, der ihr riet, der Forderung des<br />

Professors zu entsprechen. Nur dem Einfallsreichtum<br />

der erfahrenen Schwester<br />

M. Potamiena Maier war es zu verdanken,<br />

dass sich die Operationsschwestern nicht<br />

dam<strong>als</strong> schon von ihrer Flügelhaube trennen<br />

mussten. Sie ließ einen Überzug aus<br />

einem feinen, waschbaren Stoff anfertigen,<br />

den die OP-Schwestern über ihre<br />

Haube ziehen konnten. Mit dem Ergebnis<br />

gab sich auch der Professor zufrieden.<br />

257


<strong>Festschrift</strong> der <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern<br />

258<br />

Verabschiedung von<br />

Superior Prälat Joseph<br />

König im Juli 2001<br />

durch Schwester M.<br />

Adelinde Schwaiberger<br />

und Schwester M.<br />

Hiltrudis Zehetmaier in<br />

ihren damaligen Funktionen<br />

<strong>als</strong> Generaloberin<br />

bzw. Generalvikarin<br />

ter benötigten, der ihre Interessen nach außen vertrat und die Ordensgeschäfte<br />

beaufsichtigte. Noch bei der Änderung der Statuten im Jahr 1942<br />

war unter dem sehr einflussreichen Superior Pfaffenbüchler und dem stark<br />

in die Geschicke des Ordens eingreifenden Kardinal von Faulhaber das Amt<br />

des Superiors gestärkt worden. In der Nachkriegszeit emanzipierten sich<br />

die Schwestern nach und nach von diesem männlichen Führungsanspruch.<br />

Das Generalkapitel im Februar 1966 stellte die Weichen für die Zukunft,<br />

indem es das Amt der Generalökonomin mit umfassenden Kompetenzen<br />

für die Leitung der gesamten Ökonomie der Kongregation einrichtete. In<br />

Schwester M. Iphigenia Insam hatte der Orden eine sehr fähige Schwester<br />

für dieses Amt gefunden, die von Bad Adelholzen aus über zwei Jahrzehnte<br />

kompetent und selbstständig die wirtschaftlichen Geschicke leitete. Als sie<br />

1987 in den Ruhestand ging, übernahm Schwester M. Theodora Werner<br />

dieses verantwortungsvolle Amt vom Mutterhaus aus, in dessen Verwaltung<br />

sie schon seit 1981 tätig war.<br />

Das Amt des Superiors hatte immer aus zwei unterschiedlichen Aufgabenbereichen<br />

bestanden, der Beratung der Schwestern in wirtschaftlichen<br />

und geistlichen Fragen. Mit der Einführung des Amts der Generalökonomin<br />

nahm der Einfluss des seit 1947 amtierenden Superior Karl Nißl auf<br />

die Geschäftsführung des Ordens ab. Somit trat seine Funktion <strong>als</strong> geistlicher<br />

Begleiter der Schwestern mehr in den Vordergrund. Auf Wunsch der<br />

Schwestern genehmigte Kardinal Döpfner 1965 zudem das Amt eines Spiritu<strong>als</strong><br />

für die Kongregation. So erhielten sie in dem Priester Dr. Peter Kern<br />

einen weiteren spirituellen Begleiter. Als jedoch im Jahr 1972 sowohl Superior<br />

Nißl <strong>als</strong> auch Spiritual Dr. Peter Kern ihr Amt niederlegten, fasste Kardinal<br />

Döpfner beide Ämter wieder unter der Bezeichnung Superior zusammen.<br />

Doch im Grunde wurde nur noch die alte Bezeichnung übernommen.<br />

Der Aufgabenbereich des neu ernannten Superiors Joseph König entsprach


Neue Herausforderungen für den Orden in einer säkularisierten Gesellschaft<br />

weit mehr dem eines Spiritu<strong>als</strong> <strong>als</strong> dem des Superiors im herkömmlichen<br />

Sinne. Er sollte in erster Linie geistlicher Begleiter der Ordensschwestern<br />

sein. Der Superior wurde in der neuen Lebensordnung von 1970 nicht<br />

mehr <strong>als</strong> Teil der Ordensleitung aufgeführt. Im Ordensrat hatte er nur noch<br />

eine beratende Stimme. Bis zu seinem Ruhestand im Jahr 2001, <strong>als</strong>o ganze<br />

29 Jahre lang, begleitete Prälat König die Kongregation <strong>als</strong> Superior „der<br />

neuen Art“ durch eine Zeit, die mit vielen Veränderungen und Umwälzungen<br />

für die Schwestern verbunden war. Er sollte der letzte Superior sein.<br />

Sein Nachfolger Pater Prof. Dr. Robert Lachenschmid SJ steht den Schwestern<br />

seit dem 1. September 2001 <strong>als</strong> Spiritual zur Seite.<br />

Demokratische Gestaltung der Ordensleitung<br />

Das Generalkapitel von 1966 führte nicht nur das Amt der Generalökonomin<br />

ein, sondern gestaltete die Ordensleitung gemäß der Vorgaben des Konzils<br />

demokratischer. 208 Die oberste Autorität des Ordens sollte nicht mehr<br />

die Generaloberin sein, sondern das Generalkapitel. Dieses wird alle sechs<br />

Jahre von allen Professschwestern gewählt. Wählbar sind alle Schwestern,<br />

die bereits die Profess auf Lebenszeit abgelegt haben. Dem Generalkapitel<br />

gehören neben den gewählten Schwestern kraft ihres Amtes die amtierende<br />

Generalleitung und die ehemaligen Generaloberinnen an. Wie viele Delegierte<br />

in das Generalkapitel zu wählen sind, kann der Generalrat festlegen,<br />

allerdings sollen die gewählten Delegierten im Verhältnis zu der amtierenden<br />

Generalleitung mindestens zwei Drittel des Generalkapitels ausmachen. In<br />

der Regel sitzen etwa 30 Schwestern im Generalkapitel. Dieses Gremium<br />

berät und entscheidet alle wichtigen Ordensangelegenheiten und legt für alle<br />

Schwestern verbindliche Richtlinien fest. Wenn besonders schwerwiegende<br />

Die seit 2004 amtierende<br />

Ordensleitung. Von links: Gener<strong>als</strong>ekretärin<br />

Schw. Anna Maria<br />

Burgauer, Schw. M. Vinzentia<br />

Moll, Generalökonomin Schw.<br />

M. Theodora Werner, Generaloberin<br />

Schw. M. Theodolinde<br />

Mehltretter, Schw. M. Adelinde<br />

Schwaiberger, Schw. M. Epiphania<br />

Böhm, Schw. M. Evelina<br />

Franzl und Generalvikarin Schw.<br />

M. Veneranda Sachsenhauser;<br />

nicht auf dem Bild: Schw. Rosa<br />

Maria Dick, Beauftragte für Fort-<br />

und Weiterbildung<br />

259


<strong>Festschrift</strong> der <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern<br />

Aufbau<br />

der Ordensleitung<br />

260<br />

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Entscheidungen anstehen,<br />

kann die Generaloberin<br />

auch ein außerordentliches<br />

Generalkapitel<br />

einberufen, das allerdings<br />

dann wieder neu gewählt<br />

werden muss.<br />

Eine der wichtigsten<br />

Aufgaben des Generalkapitels<br />

ist die Wahl des<br />

neuen Generalrats. Dieser<br />

besteht aus der Generaloberin<br />

und fünf Generalrätinnen.<br />

Die Generaloberin<br />

war zwar auch<br />

früher schon von den<br />

Schwestern des Ordensrates<br />

unterstützt und<br />

beraten worden, seit 1966<br />

wurden die Ratsschwestern<br />

jedoch stärker mit in<br />

die Verantwortung eingebunden.<br />

Der in Generalrat<br />

umbenannte Ordensrat<br />

wurde von einem rein<br />

beratenden Gremium zu<br />

einem beschlussfähigen<br />

Gremium mit echter Mitbestimmung. 1966 wurde auch das neue Amt der<br />

Generalvikarin eingeführt. Die Generaloberin ernennt eine ihrer Generalrätinnen<br />

zur Vikarin, die sie <strong>als</strong> ihre Stellvertreterin und Hausoberin des<br />

Mutterhauskonvents entlasten soll.<br />

Die Generaloberin ernennt mit Zustimmung des Generalrats Schwestern<br />

für die Ämter der Generalökonomin, der Gener<strong>als</strong>ekretärin und der Beauftragten<br />

für die Fort- und Weiterbildung. Als weitere Ämter sind vorgesehen<br />

die Leiterinnen des Postulats, des Noviziats und des Juniorats. Diese Ämter<br />

sind wegen des fehlenden Nachwuchses derzeit jedoch nicht besetzt.<br />

Die in die Ämter berufenen Schwestern können dem Generalrat angehören,<br />

müssen es aber nicht. Eine Ausnahme stellt die Generalökonomin dar.<br />

Sie darf nicht gleichzeitig dem Generalrat angehören. Der Generalrat tagt<br />

in der Regel einmal monatlich. Die Inhaberinnen der Ämter nehmen, falls<br />

sie keine Generalrätinnen sind, an diesen Beratungen nur teil, wenn es um


Neue Herausforderungen für den Orden in einer säkularisierten Gesellschaft<br />

Belange geht, die ihr Amt betreffen. Eine Ausnahme bildet die Gener<strong>als</strong>ekretärin,<br />

die zur Unterstützung des Generalrats bei allen Sitzungen zugegen<br />

ist.<br />

Die Generalleitung wird gebildet aus dem Generalrat mit der Generaloberin<br />

und den Inhaberinnen der genannten Ämter. Der aktuellen, im Jahr<br />

2004 gewählten Generalleitung gehören neun Schwestern an.<br />

Die nach den Veränderungen in der Ordensleitung ins Amt gewählten<br />

Generaloberinnen wollten die gewandelte Stellung der Generaloberin<br />

auch in ihrer Anrede deutlich machen. Die ab 1968 amtierende Generaloberin<br />

Schwester M. Gundebalda Engelhart ließ sich nicht mehr mit der<br />

früher üblichen Bezeichnung „Ehrwürdige Mutter“ ansprechen, sondern<br />

wünschte nur noch „Mutter Gundebalda“ genannt zu werden. Ihre Nachfolgerin<br />

Schwester M. Siglinde Reichart bat ihre Mitschwestern, weiterhin<br />

bei der Anrede „Schwester“ zu bleiben. Da es mancher Schwester schwer<br />

fiel, die Generaloberin wie jede andere Mitschwester anzusprechen, entsprach<br />

die neue Generaloberin schließlich dem Wunsch vieler Schwestern,<br />

auch den ersten Teil ihres Ordensnamen „Maria“ auszusprechen und ließ<br />

sich Schwester Maria Siglinde nennen. Bei ihren beiden Nachfolgerinnen<br />

im Amt, Schwester M. Adelinde Schwaiberger und Schwester M. Theodolinde<br />

Mehltretter, war die Beibehaltung der Anrede „Schwester“ schon kein<br />

Thema mehr.<br />

Schwierige Phase nach dem Konzil<br />

Nicht wenige Katholiken bedauerten, dass mit dem Zweiten Vatikanischen<br />

Konzil, das viele Neuerungen und Änderungen nach sich zog, manche alte<br />

Traditionen aufgegeben wurden. Außerdem befürchteten etliche Gläubige<br />

eine mit dem Glauben nicht zu vereinbarende Anpassung an den Zeitgeist.<br />

Kritik gab es auch aus den Reihen der <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern. Zeitweise<br />

war sogar die Einigkeit der Schwesternschaft gefährdet. Viele, vorwiegend<br />

ältere Schwestern standen den Veränderungen skeptisch gegenüber.<br />

Besorgt und verunsichert beobachteten sie die Entwicklung. Auf der<br />

anderen Seite standen Schwestern, die voll Hoffnung und Aufbruchstimmung<br />

in die Zukunft blickten und denen teilweise die Reformen noch<br />

zu wenig waren. Hinzu kam, dass sich alle Ordensangehörigen gezwungen<br />

sahen, sich mit ihrem bisherigen Selbstverständnis auseinanderzusetzen. Das<br />

Zweite Vatikanische Konzil sieht jeden getauften Christen in gleicher Weise<br />

zur Heiligkeit berufen. Dadurch wurde das bisherige Selbstverständnis von<br />

Ordensangehörigen von ihrer besonderen Berufung in Frage gestellt. Nach<br />

früherer Auffassung gab es grundsätzlich zwei Wege, das Heil zu erlangen:<br />

261


<strong>Festschrift</strong> der <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern<br />

Links: Mutterhauskirche<br />

nach der<br />

Neugestaltung<br />

im Jahr<br />

1971<br />

Rechts:<br />

Madonna in<br />

der Mutterhauskirche<br />

(1978)<br />

262<br />

Den Weg eines gewöhnlichen Christen, der durch die Befolgung der Gebote<br />

das ewige Heil erlangen konnte, und den besonderen Weg der Ordensleute,<br />

die durch die Einhaltung der drei Evangelischen Räte, der Ehelosigkeit,<br />

der Armut und des Gehorsams, ihre Heiligung erreichten. Dieser zweite<br />

Weg galt <strong>als</strong> der höherwertige. Der Stand der Ordensleute wurde bereits im<br />

Diesseits <strong>als</strong> ein Stand der Vollkommenheit angesehen. Das Konzil räumte<br />

mit diesen Vorstellungen auf und sah das Leben <strong>als</strong> Mönch oder Nonne <strong>als</strong><br />

eine mögliche Form von vielen gleichwertigen Lebensformen, in denen ein<br />

Christ sich vervollkommnen könne.<br />

Dieses gewandelte Bild von Berufung mag mit dazu beigetragen haben,<br />

dass die Lockerung der früheren strengen Regeln für das Alltagsleben der<br />

Schwestern nicht den erhofften Anstieg von Eintritten zur Folge hatte. Im<br />

Gegenteil, die Zahl der Kandidatinnen ging weiter drastisch zurück. Waren<br />

1967 noch acht Kandidatinnen eingetreten, waren es 1968 nur noch drei,<br />

1969 zwei und 1970 eine Kandidatin. Noch deutlicher zeigt die ungewöhnlich<br />

hohe Zahl an Austritten in den Jahren 1969 mit acht und 1970 mit<br />

neun, wie groß die Verunsicherung der <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern in dieser<br />

Zeit des Umbruchs war. 209<br />

Aber wie jede Krise barg auch diese die Chance eines Neuanfangs. Die<br />

<strong>Barmherzige</strong>n Schwestern nutzten diese zur Entwicklung eines neuen<br />

Selbstverständnisses und zur spirituellen Erneuerung. Sie besannen sich<br />

in zunehmendem Maße auf ihre vinzentinischen Wurzeln. Einerseits versuchten<br />

sie, neu zu definieren, wie das vinzentinische Apostolat der tätigen


Neue Herausforderungen für den Orden in einer säkularisierten Gesellschaft<br />

Nächstenliebe in einer veränderten Zeit mit immer weniger <strong>Barmherzige</strong>n<br />

Schwestern zu erfüllen sei. Andererseits setzten sie sich verstärkt mit der<br />

besonderen Spiritualität des Ordensgründers auseinander. Vinzenz von Paul<br />

hatte das Gebet und das Leben mit dem Evangelium, das heißt, seine enge<br />

Verbindung zu Gott, immer <strong>als</strong> Basis seiner Arbeit für den Nächsten gesehen:<br />

„Je mehr wir an der eigenen Vervollkommnung arbeiten, um so besser sind wir<br />

fähig, dem Nächsten gut zu sein.“ 210 Die spirituelle Weiterentwicklung der<br />

Schwestern trat nun mehr in den Mittelpunkt und neben der fachlichen<br />

Weiterbildung wurden nun auch die spirituellen Angebote weiter ausgebaut.<br />

Eine weitere Folge dieser Rückbesinnung auf die vinzentinischen Wurzeln<br />

war die verstärkte Zusammenarbeit mit den anderen von Straßburg ausgegangenen<br />

Mutterhäusern ab Mitte der 1960er Jahre. In der Bündelung ihrer<br />

Kräfte sahen die <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern einen wichtigen Lösungsansatz,<br />

ihre Gemeinschaften zukunftsfähig zu machen.<br />

13.3. Zusammenarbeit in der Vinzentinischen<br />

Föderation<br />

Der Kontakt zwischen den von Straßburg aus gegründeten Mutterhäusern<br />

mit ihrem Stammmutterhaus in Straßburg und auch untereinander war<br />

nie ganz abgerissen. In der Amtszeit von Schwester Marie Ange Vogel <strong>als</strong><br />

Straßburger Generaloberin (1946 – 1964) intensivierten sich diese Beziehungen.<br />

So notierte die Ordenschronistin 1956: „In Straßburg knüpft man<br />

seit der Ernennung von Sr. Marie Ange zur Generaloberin immer mehr Verbindung<br />

mit den von Straßburg ausgegangenen Mutterhäusern, so auch mit München.<br />

Am 28. Juni kamen abends per Wagen<br />

die Mutter Ange mit 2 Begleitschwestern<br />

an… Der Eindruck der Besucherinnen war<br />

denkbar gut. Sie besitzen spürbar den Geist,<br />

den man aus dem Buch von Mutter Ignatia<br />

lesen kann.“ Die Münchner trugen auch<br />

ihren Teil zur weiteren Verbesserung der<br />

Beziehungen bei, wobei man auf ein<br />

bewährtes bayerisches Mittel zurückgriff:<br />

„Vor der Abreise von Mutter Ange sandte<br />

man gutes Münchener Bier (Export) nach<br />

Straßburg, das am Vinzenztag ankam und<br />

große Freude machte.“ 211<br />

In der nachkonziliaren Umbruchsituation<br />

entschlossen sich die Straßburger<br />

Hängende<br />

Statue des<br />

hl. Vinzenz<br />

in der<br />

Mutterhauskirche<br />

263


<strong>Festschrift</strong> der <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern<br />

Gründungen, noch enger zusammenzuarbeiten,<br />

um gemeinsam den<br />

Konzilsauftrag der Erneuerung des<br />

Ordenslebens umzusetzen. Im Mai<br />

1966 hatte auf Anregung des Konzils<br />

ein Treffen aller Generaloberinnen<br />

der Bundesrepublik Deutschland<br />

stattgefunden. Neben dem offiziellen<br />

Tagungsgeschehen kam es<br />

dabei zu einer vorsichtigen Annäherung<br />

der Angehörigen der vinzentinischen<br />

Gemeinschaften. Die Idee<br />

eines Zusammenschlusses wurde hier<br />

bereits geboren. In der Folge trafen<br />

sich die von Straßburg aus gegründeten<br />

Gemeinschaften zu regelmäßigen<br />

Tagungen, auf denen sie die<br />

anstehenden Reformen diskutierten und ab 1968 begannen, eine gemeinsame<br />

Lebensordnung auszuarbeiten. Ergebnis war die Lebensordnung von<br />

1970.<br />

Im November 1970 schlossen sich zunächst zehn von Straßburg mittelbar<br />

oder unmittelbar gegründete Mutterhäuser an historischem Ort,<br />

im Mutterhaus Straßburg, zur Vinzentinischen Föderation zusammen. 212<br />

Das Föderationskreuz<br />

Inzwischen gehören der Föderation zwölf Mutterhäuser an. Zu den zehn<br />

Gründungsmitgliedern (Straßburg, Augsburg, Freiburg, Fulda, Heppenheim,<br />

München, Paderborn, Hildesheim, Untermarchtal und Innsbruck mit den<br />

Provinzen Meran und Treviso) kamen die Mutterhäuser Mananthavady/<br />

Indien und Dong-Suwon/Südkorea hinzu. Als Zeichen ihrer Zusammengehörigkeit<br />

tragen die Schwestern eine kleine Silberplakette <strong>als</strong> Anhänger.<br />

Ein Kreuz ruht auf einem Anker, dem Symbol für Halt und Hoffnung. Der<br />

Anker verweist mit seiner V-Form auch gleichzeitig auf den Ordensgründer<br />

Vinzenz von Paul. Rund um das Kreuz, das symbolhaft die Mitte bildet, sind<br />

viele Menschen zu erkennen, womit die vinzentinische Idee der Gottesliebe<br />

durch praktizierte Nächstenliebe versinnbildlicht ist.<br />

Ziel der Föderation war und ist, die Unabhängigkeit der einzelnen Mutterhäuser<br />

in ihren unterschiedlichen Ausprägungen beizubehalten und dennoch<br />

die Zusammenarbeit auszubauen. Die Kooperation reicht von gemeinsamen<br />

Noviziatsschulungen, Fort- und Weiterbildungen, Begegnungstagen<br />

bis zur Veröffentlichung der gemeinsamen Zeitschrift „heute“. Ab 1979<br />

überarbeitete die Föderation die Lebensordnung von 1970. Ergebnis war<br />

die gemeinsame Lebensordnung von 1984, deren Approbation je nach<br />

264


Neue Herausforderungen für den Orden in einer säkularisierten Gesellschaft<br />

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Zuständigkeit durch den Bischof bzw. durch Rom in den Jahren zwischen<br />

1984 und 1986 erfolgte. Die Lebensordnung der Münchner Kongregation<br />

wurde 1985 vom Erzbischof von München und Freising approbiert.<br />

Auf jährlichen Tagungen pflegen die Mitglieder der Föderation einen<br />

regen Gedankenaustausch. Sie arbeitet auch mit den übrigen vinzentinischen<br />

Gemeinschaften zusammen, beispielsweise durch die Mitarbeit bei<br />

MEGVIS, der Mittel-Europäischen Gruppe für Vinzentinische Studien, die<br />

ihren Sitz in Köln hat. MEGVIS veröffentlicht Studienberichte rund um<br />

den hl. Vinzenz und seine Spiritualität. Jede Vinzentinerin, jeder Vinzentiner<br />

kann dafür Beiträge liefern.<br />

Seit 1994 gehören alle Mitglieder der Föderation offiziell auch zu der<br />

großen Vinzentinischen Familie der „Töchter der Liebe“ und der Lazaristen,<br />

die auf die direkte Gründung durch den hl. Vinzenz von Paul zurückgehen.<br />

In Rom wurde 1994 die Affiliation der vinzentinischen Gemeinschaften<br />

mit einer Urkunde besiegelt, wodurch nun alle Gemeinschaften gegenseitig<br />

Anteil an den geistigen Gütern haben: „Affiliation ist die gegenseitige<br />

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Alle direkt<br />

oder indirekt<br />

von Straßburg<br />

aus<br />

gegründetenGemeinschaften<br />

265


<strong>Festschrift</strong> der <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern<br />

Schwesternzahl<br />

der Föderation<br />

bei der<br />

Föderationstagung<br />

im Oktober<br />

2006 in<br />

Hildesheim<br />

266<br />

Profess-<br />

Schwestern<br />

Novizinnen Postulantinnen<br />

Augsburg 187 – –<br />

Freiburg 240 – –<br />

Fulda 180 – –<br />

Heppenheim 66 – –<br />

Hildesheim<br />

Perú<br />

Innsbruck<br />

Meran<br />

Treviso<br />

Tansania<br />

Dong-Suwon/<br />

Südkorea<br />

155<br />

40<br />

158<br />

102<br />

26<br />

83<br />

1<br />

6<br />

–<br />

–<br />

1<br />

12<br />

–<br />

3<br />

–<br />

–<br />

–<br />

15<br />

217 4 10<br />

Mananthavady 227 4 15<br />

München 453 – –<br />

Paderborn 399 – –<br />

Straßburg 149 – –<br />

Untermarchtal 463 3<br />

3<br />

Tansania<br />

183 17 10<br />

Quelle: „heute“ 1/2007<br />

Teilnahme an allen geistlichen<br />

Verdiensten durch Gebete und<br />

gute Werke und die Teilnahme<br />

an den Früchten der Eucharistiefeiern,<br />

die die Mitglieder<br />

der beteiligten Gemeinschaften<br />

vollbringen.“ 213<br />

Einige Mutterhäuser der<br />

Föderation hatten versucht,<br />

ihr Nachwuchsproblem<br />

durch den Einstieg in die<br />

Mission zu beheben. Auch<br />

im Münchner Mutterhaus<br />

wurde eine Zeitlang diese<br />

Idee diskutiert, aber wieder<br />

fallen gelassen, da die betreffenden<br />

Mutterhäuser inzwischen<br />

erkannt hatten, dass die<br />

Mission kein zukunftsträchtiger<br />

Weg war, um Nach-<br />

wuchs für Deutschland zu gewinnen. Schnell hatten sie einsehen müssen,<br />

dass es mehr Sinn machte, die Schwestern in ihrer Heimat zu belassen und<br />

vor Ort wirken zu lassen. Bald entwickelten sich Missionen zu selbstständigen<br />

Mutterhäusern.<br />

In München gab es Anfang der 1970er Jahre Versuche, kleine Schwesterngemeinschaften<br />

in den herkömmlichen Aufgabenbereichen in den<br />

Niederlassungen neben dem mehrheitlich weltlichen Personal zu belassen.<br />

Dieser Ansatz wurde wegen verschiedener damit verbundener Probleme<br />

wieder aufgegeben. 214<br />

*


Kapitel 14<br />

Die Kongregation heute<br />

Das Nachwuchsproblem wurde in den letzten 20 Jahren immer gravierender.<br />

1988 war <strong>zum</strong> letzten Mal eine Kandidatin eingetreten, verließ aber<br />

einige Jahre später den Orden wieder. Somit ist die 1960 geborene und<br />

1983 eingetretene Schwester M. Katharina Blümlhuber heute die jüngste<br />

Schwester. Das Gros der Schwestern ist bereits älter <strong>als</strong> 65 Jahre.<br />

Aufgrund des fehlenden Nachwuchses waren der Mitgliederschwund<br />

und die starke Überalterung schon seit den 60er Jahren absehbar. Die erste<br />

und wichtigste Konsequenz, die die Ordensleitung aus dieser Entwicklung<br />

zog, war die Konzentration der Kräfte auf die ordenseigenen Häuser. Der<br />

Rückzug aus den nichtordenseigenen Niederlassungen der Kranken- und<br />

Altenpflege ist heute beinahe abgeschlossen. Von den im Jahr 2007 verbliebenen<br />

28 Niederlassungen sind 15 ordenseigen. Von den 13 nichtordenseigenen<br />

Niederlassungen sind nur noch 6 aus dem traditionellen Aufga-<br />

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Tätigkeitsfelder<br />

der<br />

Kongregation<br />

im Jahr<br />

2007<br />

267


<strong>Festschrift</strong> der <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern<br />

268<br />

bengebiet der <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern und nur noch mit sehr kleinen<br />

Konventen besetzt.<br />

Neben der Konzentration auf die eigenen Häuser schlug die Ordensleitung<br />

noch einen zweiten Weg für die Zukunft ein. So erschloss sich der<br />

Orden in den letzten zwei Jahrzehnten neue Tätigkeitsfelder, einerseits den<br />

Bereich der Seelsorge und der spirituellen Lebenshilfe, andererseits den<br />

Bereich sozialer und psychologischer Hilfe für verschiedene Randgruppen<br />

der Gesellschaft. Für diese Aufgaben stellte der Orden einzelne Schwestern<br />

oder kleine Gruppen ab. Zum überwiegenden Teil sind andere Organisationen<br />

die Träger dieser Initiativen. So sind die weiteren sieben nichtordenseigenen<br />

Einrichtungen, für die die Kongregation heute noch Schwestern<br />

stellt, im Bereich neuer Projekte zu finden. 215<br />

14.1. Rückzug aus den traditionellen Einsatzbereichen<br />

in nichtordenseigenen Niederlassungen<br />

Nur wenige Schwestern sind heute noch in ordensfremden Einrichtungen<br />

in den traditionellen Aufgabengebieten tätig. Heute arbeiten noch zwei<br />

Schwestern in der ambulanten Sozi<strong>als</strong>tation in Oberstdorf. Auch in den<br />

Haushalten des Spätberufenenseminars St. Matthias in Waldram und im<br />

Herzoglichen Georgianum in München sind ebenfalls je zwei Schwestern<br />

beschäftigt. Im Münchner Bischofshof arbeiten nach wie vor Schwester M.<br />

Adelberga Öttl im Haushalt und Schwester M. Solemnis Simmelbauer <strong>als</strong><br />

Sekretärin. Als einzige in der Krankenpflege in einer Münchner Universitätsklinik<br />

verbliebene Schwester ist Schwester M. Belanda Schneider an der<br />

Psychiatrischen Klinik tätig.<br />

Nur im inzwischen von der Caritas geführten Kinderheim St. Vinzenz<br />

in Landshut besteht in einem ordensfremden Haus und in einem traditionellen<br />

Aufgabengebiet noch ein größerer Konvent von fünf <strong>Barmherzige</strong>n<br />

Schwestern. Im Kinderheim werden heute an die 60 Kinder betreut, für<br />

die das Jugendamt aufgrund problematischer Familienverhältnisse <strong>zum</strong>indest<br />

vorübergehend eine Heimunterbringung für die bessere Lösung hält.<br />

Daneben wurden in den letzten Jahren Betreuungsangebote wie Krippe<br />

und Hort weiter ausgebaut, da diese wegen der häufigeren Berufstätigkeit<br />

beider Elternteile immer mehr nachgefragt werden. Das neueste Hilfsangebot<br />

richtet sich an jugendliche allein erziehende Frauen, denen durch<br />

die Betreuung ihrer Kleinkinder die Möglichkeit gegeben wird, die eigene<br />

Ausbildung abzuschließen. Damit soll jungen Frauen bei einer ungewollten<br />

Schwangerschaft die Entscheidung für das Kind erleichtert werden.<br />

Zwei der <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern in Landshut leisten noch pädagogische


Schwester M. Irene<br />

Reidinger mit Kindern<br />

ihrer Gruppe<br />

im Landshuter Kinderheim<br />

St. Vinzenz<br />

(2006)<br />

Arbeit in den Kindergruppen. Die anderen drei Schwestern arbeiten in der<br />

Verwaltung bzw. kümmern sich um alles, was in Haus und Garten anfällt.<br />

Auch die bereits weit im Rentenalter stehende Oberin Schwester M. Tyella<br />

Eichstetter, die bis zur Übernahme durch die Caritas die Heilpädagogische<br />

Einrichtung geleitet hatte, lässt es sich nicht nehmen, überall mit anzupacken,<br />

wo es nötig ist. 216<br />

14.2. Ordenseigene Häuser<br />

Nach wie vor liegt der Tätigkeitsschwerpunkt der <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern<br />

in ihren eigenen Häusern in den Bereichen Krankenpflege und Altenpflege.<br />

In ihren drei Kliniken sowie sechs Alten- und Pflegeheimen ist neben den<br />

inzwischen unverzichtbaren weltlichen Mitarbeitern auch noch eine größere<br />

Zahl an Schwestern tätig. Zufriedene Patienten der Kliniken betonen<br />

in ihren Dankesbriefen häufig, wie wohltuend sie neben der kompetenten<br />

medizinischen Versorgung die besondere, durch die <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern<br />

geprägte Atmosphäre empfunden hätten.<br />

Zum 1. Januar 1990 wurde die Zentralverwaltung der ordenseigenen Kliniken<br />

und derjenigen Altenheime, in denen ausschließlich weltliche Bewohner<br />

leben, zur Krankenhaus- und Altenheimdirektion zusammengelegt.<br />

Krankenhäuser<br />

Die Kongregation heute<br />

In den letzten Jahren intensivierte sich die Zusammenarbeit der beiden<br />

Münchner Kliniken. Sie erstreckt sich unter anderem auf die Bereiche<br />

Küche, Labor und EDV. Kooperationen gibt es aber auch mit Kliniken<br />

269


<strong>Festschrift</strong> der <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern<br />

Maria-Theresia-Klinik<br />

am Bavariaring<br />

in München<br />

nach<br />

Abschluss<br />

der Sanierung<br />

2003<br />

270<br />

anderer kirchlicher Träger.<br />

So betreiben das Krankenhaus<br />

Neuwittelsbach und<br />

die Maria-Theresia-Klinik<br />

zusammen mit dem<br />

Klinikum Dritter Orden<br />

das Zentrum für Radiologie<br />

und Nuklearmedizin<br />

Nymphenburg, um bei<br />

der Anschaffung und beim<br />

Betrieb teurer Spezialgeräte<br />

Kosten zu sparen.<br />

Maria-Theresia-Klinik<br />

In der chirurgischen Fachklinik an der Theresienwiese sind noch 22 der<br />

rund 100 Beschäftigten <strong>Barmherzige</strong> Schwestern. Kurz vor der Feier ihres<br />

75-<strong>jährigen</strong> Bestehens erfuhr die 68-Betten-Klinik eine besondere Auszeichnung.<br />

Seit 1. April 2005 ist sie offizielles Akademisches Lehrkrankenhaus<br />

der Ludwig-Maximilian-Universität, in dem Medizinstudenten den<br />

chirurgischen Teil ihres Praktischen Jahres ableisten können.<br />

Krankenhaus Neuwittelsbach<br />

In der Fachklinik für Innere Medizin im Münchner Stadtbezirk Neuhausen-Nymphenburg<br />

ist der Anteil der Ordensschwestern mit 15 von ca. 180<br />

Beschäftigten geringer <strong>als</strong> in der Maria-Theresia-Klinik. Das Krankenhaus<br />

hat neben den 132 Betten für die stationäre Behandlung 10 teilstationäre<br />

Plätze in der angeschlossenen Rheuma-Tagklinik. Neuwittelsbach ist die<br />

einzige Rheumaklinik im Großraum München, die über eine Kältekammer<br />

verfügt. Sie wird zur Schmerzlinderung eingesetzt. Seit Beginn des Jahres<br />

2007 ist das Krankenhaus <strong>als</strong> erste nicht-universitäre Klinik Münchens mit<br />

einem PET/CT (Positronen-Emissions-Tomographie/Computertomographie)<br />

zur Untersuchung von Tumorpatienten ausgestattet.<br />

Krankenhaus Vinzentinum<br />

In der 82-Betten-Klinik für Innere Medizin in Ruhpolding sind noch acht<br />

<strong>Barmherzige</strong> Schwestern im Einsatz. Als Besonderheit verfügt das Krankenhaus<br />

Vinzentinum seit Oktober 2005 über ein Schlafmedizinisches Zentrum,<br />

in dem in einem mit 4 Messplätzen ausgestatteten Schlaflabor Schlafstörungen<br />

diagnostiziert werden.


Alten- und Pflegeheime<br />

Ein Großteil der Schwestern<br />

befindet sich inzwischen<br />

im Ruhestand. Ungefähr<br />

die Hälfte der Ruhestandsschwestern<br />

verbringt ihren<br />

Lebensabend in dem größten<br />

ordenseigenen Alten-<br />

und Pflegeheim St. Michael<br />

in Berg am Laim. Die<br />

übrigen leben in den Alten-<br />

und Pflegeheimen in Unterhaching, Planegg und Alzing. In diesen Häusern<br />

bilden die Ruhestandsschwestern etwa zwei Drittel der dort lebenden<br />

Ordensschwestern. Das andere Drittel besteht aus arbeitsfähigen Schwestern,<br />

die sich zusammen mit dem weltlichen Personal um ihre Mitschwestern<br />

und die übrigen Heimbewohner kümmern.<br />

In den beiden Alten- und Pflegeheimen in Ruhpolding und Teisendorf<br />

leben keine Ruhestandsschwestern, aber zehn bzw. sechs berufstätige<br />

Schwestern arbeiten dort bzw. sind in der Leitung tätig.<br />

Alle Alten- und Pflegeheime wurden in den letzten Jahren gründlich<br />

saniert und den neuesten Erfordernissen angepasst. Kurzzeitpflege ist in<br />

allen Häusern möglich. An den Standorten Berg am Laim und Teisendorf<br />

wurden zudem Wohneinheiten für Betreutes Wohnen geschaffen.<br />

Eine Besonderheit unter den Altenheimen stellt das Schwesternheim<br />

St. Hildegard im Siegsdorfer Ortsteil Alzing dar. Das ordensinterne Altenheim<br />

dient nicht nur <strong>als</strong> Alterssitz für über 50 Schwestern, sondern zudem<br />

<strong>als</strong> Erholungshaus für die eigenen Schwestern und für Angehörige anderer<br />

Ordensgemeinschaften.<br />

Schulen<br />

Die Kongregation heute<br />

Die <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern betreiben drei Berufsfachschulen: die Berufsfachschule<br />

für Krankenpflege Maria Regina in München sowie die Berufsfachschulen<br />

für Altenpflege und Krankenpflegehilfe in Ruhpolding. Darin<br />

wurde und wird ein großer Teil der später in den eigenen Krankenhäusern<br />

und Alteneinrichtungen eingesetzten weltlichen Pflegekräfte ausgebildet.<br />

Und die Schwestern legen Wert darauf, dass ihre Schulen weiterhin eine<br />

besondere christliche Prägung haben. Dafür wurde ihre Berufsfachschule<br />

für Krankenpflege Maria Regina im Jahr 2005 mit dem ersten Preis eines<br />

Betreutes<br />

Wohnen in<br />

St. Elisabeth<br />

in Teisendorf<br />

271


<strong>Festschrift</strong> der <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern<br />

Praktische<br />

Ausbildung<br />

zur Krankenpflege<br />

(2002)<br />

272<br />

gemeinsamen Wettbewerbs<br />

des Landes-<br />

Caritasverbandes und<br />

der Liga Bank ausgezeichnet.<br />

Bei diesem<br />

Wettbewerb konnten<br />

katholische Fachschulen<br />

für Pflegeberufe<br />

ihr christliches Profil<br />

und ihre religiösen<br />

Angebote präsentieren.<br />

Die Münchner<br />

Schule der <strong>Barmherzige</strong>n<br />

Schwestern<br />

stellte sich mit ihrem Kursprojekt „Ethik ohne Grenzen“ vor. Dieses einwöchige<br />

Seminar bietet die Schule im Rahmen des alljährlichen vierwöchigen<br />

Austauschs mit den Schülerinnen und Schülern der Krankenpflegeschulen<br />

der <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern in Linz und in Wien an. Das Seminar<br />

soll christlich sozialisierten Schülern ihren Glauben neu erfahrbar machen<br />

und nichtgläubigen Schülern die Chance geben, den christlichen Glauben<br />

kennen zu lernen.<br />

Das im Gebäude der Berufsfachschule Maria Regina befindliche Schwesternheim<br />

hat einen eigenen Konvent mit elf <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern.<br />

Ein Teil davon kümmert sich um das Schwesternheim, dessen Zimmer zu<br />

etwa einem Drittel von Schülerinnen der Berufsfachschule belegt sind, die<br />

hier wohnen können und verpflegt werden. Der Rest der Zimmer wird an<br />

andere junge Auszubildende und Studierende vermietet.<br />

Landwirtschaft<br />

Die Kongregation betreibt nach wie vor drei landwirtschaftliche Betriebe,<br />

die mit ihren Produkten die ordenseigenen Häuser versorgen. So liefert der<br />

Primushof Fleisch und Wurstwaren aus der eigenen Metzgerei. Der reine<br />

Grünlandbetrieb mit ca. 100 Hektar Weiden und 60 Hektar Wald betreibt in<br />

erster Linie Rinderaufzucht und -mast, hält aber auch Schweine und Schafe.<br />

Den Sommer verbringen die Jungrinder auf der Bäckeralm. Der Primushof<br />

arbeitet eng mit dem Katharinenhof zusammen, der über 140 Hektar Grün-<br />

und Ackerland und 27 Hektar Wald bewirtschaftet. Beide Betriebe sind zertifizierte<br />

Naturland-Betriebe. Der Katharinenhof im Ortsteil Fachendorf der<br />

Gemeinde Pittenhart wurde von der Kongregation 1992 nach ökologischen


Gesichtspunkten neu<br />

aufgebaut. Der Milcherzeugungsbetrieb<br />

überlässt die auf dem<br />

Katharinenhof geborenen<br />

Kälber dem<br />

Primushof zur Aufzucht.<br />

Die trächtigen<br />

Jungkalbinnen kehren<br />

wieder auf den Katharinenhof<br />

zurück.<br />

Auch der 130<br />

Hektar große Marxhof<br />

in Unterhaching<br />

spielt für die Kongregation <strong>als</strong> Kartoffellieferant für die ordenseigenen<br />

Häuser eine große Rolle. Zwar musste die historische Hofanlage in den<br />

1960er Jahren dem Bau des Alten- und Pflegeheimes St. Katharina Labouré<br />

weichen, aber dem reinen Anbaubetrieb stehen Wirtschaftsgebäude neben<br />

dem Altenheim und seit einigen Jahren zusätzlich eine große Halle auf den<br />

Feldern zur Verfügung. Der Marxhof betreibt integrierten Landbau, d.h.,<br />

durch Berücksichtigung der Boden- und Klimaverhältnisse und entsprechende<br />

Wahl der Kulturen und Sorten kann die Verwendung von Düngemitteln<br />

und Pflanzenschutzmitteln so gering wie möglich gehalten werden.<br />

Vom Marxhof aus werden auch die landwirtschaftlichen Flächen des Waldsanatoriums<br />

bei Planegg mitbewirtschaftet. Durch eine Betriebskooperation<br />

mit dem Weise-Hof in Unterhaching seit 2002 kann der Betrieb noch<br />

effizienter arbeiten.<br />

In den ordenseigenen landwirtschaftlichen Betrieben arbeitet heute<br />

keine <strong>Barmherzige</strong> Schwester mehr mit.<br />

Adelholzener Alpenquellen GmbH<br />

Die Kongregation heute<br />

Auch im ordenseigenen Brunnenbetrieb ist heute keine Schwester mehr<br />

tätig, seit sich Schwester M. Theodolinde Mehltretter nach ihrer Wahl zur<br />

Generaloberin aus der Geschäftsführung zurückgezogen hat.<br />

Der Orden weiß sehr zu schätzen, welche Möglichkeiten der erfolgreiche<br />

Betrieb ihm bietet, Menschen in Not zu helfen. In großzügiger<br />

Weise unterstützen die <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern mit den erwirtschafteten<br />

Gewinnen, die nicht für Investitionen benötigt werden, soziale Einrichtungen<br />

und Hilfsinitiativen verschiedenster Art. Als ein Beispiel von vie-<br />

Der Primushof<br />

in<br />

Adelholzen<br />

273


<strong>Festschrift</strong> der <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern<br />

274<br />

len sei der „Vinzenz-von-Paul-Förderpreis“ 217 genannt, den die Kongregation<br />

zusammen mit der Adelholzener Alpenquellen GmbH gestiftet hat. In<br />

Zusammenarbeit mit dem Caritasverband der Erzdiözese München und<br />

Freising wird mit dem Preis herausragendes soziales Engagement Ehrenamtlicher<br />

honoriert, z. B. in Nachbarschaftshilfen, Besuchsdiensten, Hospizkreisen<br />

oder in Flüchtlingshilfen. Bei der erstmaligen Preisvergabe im<br />

Jahr 2005 wurden insgesamt 15 Initiativen gefördert. Auch am Ende des<br />

<strong>Jubiläum</strong>sjahres 2007 soll wieder der „Vinzenz-von-Paul-Förderpreis“ im<br />

Gesamtumfang von 25.000 € vergeben werden.<br />

Innerbetriebliche Fortbildung<br />

Den ersten Preis des<br />

Vinzenz-von-Paul-<br />

Förderpreises in der<br />

Region Süd belegte<br />

das Projekt „PROFI“,<br />

das in Niederbergkirchen<br />

die Familien<br />

der Gemeinde<br />

unterstützt. Ausgezeichnet<br />

wurden<br />

die Vertreter des<br />

Projekts von Weihbischof<br />

Dr. Franz Dietl<br />

(2.v.r.), Caritasdirektor<br />

Hans Lindenberger<br />

(l.) und Schwester<br />

M. Theodolinde<br />

Mehltretter.<br />

Die Kongregation beschäftigt in ihren ordenseigenen Häusern und Einrichtungen<br />

inzwischen insgesamt etwa 1500 weltliche Mitarbeiter. Auf diese ist<br />

sie wegen ihres fehlenden Nachwuchses und ihrer immer älter werdenden<br />

Schwestern in steigendem Maße angewiesen. Der Orden zeigt die Wertschätzung<br />

für seine Mitarbeiter durch die Gewährung von freiwilligen Sozialleistungen,<br />

aber auch die preisgünstige Versorgung in den Kantinen, u. a.<br />

mit Bioprodukten aus den eigenen Landwirtschaften und Getränken aus<br />

Adelholzen. Doch das ist nicht alles. Die Schwestern bemühen sich, ihre<br />

Mitarbeiter an ihrem geistlichen Leben teilhaben zu lassen, in dem sie diese<br />

beispielsweise zu besonderen festlichen Anlässen einladen, gemeinsam mit<br />

ihnen Gottesdienst zu feiern. Viel liegt den Schwestern daran, den besonderen<br />

vinzentinischen Geist ihrer Einrichtungen zu erhalten. Ihr Ziel ist


es, auch ihren zivilen Mitarbeitern den vinzentinischen Auftrag näher zu<br />

bringen. Großen Wert legt die Kongregation deshalb auf die innerbetriebliche<br />

Fortbildung, wofür sie ein eigenes Bildungsreferat eingerichtet hat.<br />

Neben dem thematisch sehr breit gefächerten Kursangebot zur fachlichen<br />

Fortbildung nutzen die Mitarbeiter gerne auch spirituelle Angebote wie<br />

Kurzexerzitien und Besinnungswochenenden.<br />

Spirituelle Angebote<br />

Spirituelle Angebote, nicht nur für die eigenen Schwestern und Mitarbeiter,<br />

sondern für jeden Interessierten, sind in den letzten Jahren ein wichtiger<br />

Tätigkeitsbereich der Kongregation geworden. Bevorzugte Veranstaltungsorte<br />

für diese Veranstaltungen sind das Haus Mechtild in der Augsburger<br />

Straße in München und das Exerzitien- und Bildungshaus in Bad Adelholzen.<br />

Aber auch die anderen Erholungsheime der Schwestern, St. Vinzenz in<br />

Inzell, Haus Luise in Unterwössen und St. Hildegard in Alzing stehen für<br />

Exerzitien und Besinnungswochenenden zur Verfügung. Wie weit gefächert<br />

das von Schwester Rosa Maria Dick konzipierte und geleitete spirituelle<br />

Angebot des Ordens inzwischen ist, zeigt ein Blick in das Programm. So<br />

reicht das Angebot von regelmäßig stattfindenden Treffen wie „Rast und<br />

Besinnung am Abend“ im Haus Mechtild über ein Besinnungswochenende<br />

in Inzell, das sich mit dem Ostergeheimnis befasst, bis zu Schweigeexerzitien<br />

in Bad Adelholzen. Fußwallfahrten bereichern das Programm. Wählen kann<br />

man beispielsweise zwischen einer Fußwallfahrt von München nach Andechs<br />

oder einer zweitägigen Wallfahrt von Bad Adelholzen nach Altötting.<br />

Seit September 2006 bieten die vier Schwestern des neuen Konvents im<br />

Haus Mechtild sowohl Menschen, die aus welchen Gründen auch immer<br />

Der Konvent des<br />

Hauses Mechtild (von<br />

links) Schwester M.<br />

Andrea Leyrer,<br />

Schwester M. Adelgundis<br />

Semmler, Schwester<br />

M. Belanda Schneider<br />

und Schwester Rosa<br />

Maria Dick<br />

Die Kongregation heute<br />

275


<strong>Festschrift</strong> der <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern<br />

276<br />

eine Auszeit benötigen, <strong>als</strong> auch Menschen, die sich für das Leben in einer<br />

geistlichen Gemeinschaft interessieren, die Möglichkeit, eine Zeit lang mit<br />

ihnen zu wohnen und ihr Leben zu teilen. Solche Auszeiten bzw. Einzelexerzitien<br />

unter dem Motto „Komm und sieh!“ sind das ganze Jahr über<br />

möglich.<br />

14.3. Neue Projekte – Schwestern in Einzelaufgaben<br />

Das neue Angebot im Haus Mechtild kann man <strong>als</strong> Teil eines Weges sehen,<br />

den die Kongregation in den letzten beiden Jahrzehnten eingeschlagen<br />

hat: Einzelne Schwestern oder kleine Schwesterngemeinschaften übernehmen<br />

innerhalb eines neuen Projekts Aufgaben jenseits der herkömmlichen<br />

Tätigkeitsfelder der Kongregation. 218 Teils entwickeln die Schwestern selbst<br />

die Idee für eine Initiative, teils lassen sie sich von Ideen anderer begeistern.<br />

Gemeinsam ist diesen neuen Projekten, dass es sich meist um eine Einzelaufgabe<br />

für eine Schwester handelt und dass damit Defizite des staatlichen<br />

sozialen Netzes ausgeglichen werden sollen. Die Hilfe richtet sich häufig an<br />

vernachlässigte gesellschaftliche Randgruppen oder Menschen in besonderen<br />

Notsituationen, für die sich sonst niemand zuständig fühlt. Der Orden<br />

unterstützt diese Initiativen, in dem er dafür seine engagierten Schwestern<br />

zur Verfügung stellt. In vielen Fällen leistet er zudem noch organisatorische<br />

und finanzielle Hilfen.<br />

Der Ordensleitung ist wichtig, dass die Schwestern trotz ihres Einzeleinsatzes<br />

einer Schwesterngemeinschaft, einem Konvent, angehören. So sind<br />

alle Schwestern, die in München in Einzelaufgaben der neuen Projekte<br />

eingesetzt sind, Teil des Konvents Maria Regina. Auch wenn diese Schwestern<br />

während ihres Dienstes teilweise an ihren Einsatzorten wohnen, haben<br />

sie dennoch ein zusätzliches Zimmer im Haus Maria Regina, wo sie sich<br />

an ihren freien Tagen zurückziehen und am gemeinschaftlichen Leben ihrer<br />

Mitschwestern teilnehmen können.<br />

Haus Benedikt Labré e.V.<br />

Walter Lorenz, ein ehemaliger Lokführer, hatte nach einem einschneidenden<br />

persönlichen Erlebnis mit Obdachlosen, in denen er Christus zu<br />

sehen meinte, Anfang der 1980er Jahre begonnen, sein Leben in den Dienst<br />

dieser Randgruppe zu stellen. Er gründete den Verein Benedikt Labré e.V.,<br />

benannt nach einem französischen Heiligen, der im 18. Jahrhundert mit<br />

Armen und Bettlern gelebt hatte. Lorenz wollte Obdachlosen in München


nicht nur ein Heim bieten, sondern mit ihnen unter einem Dach leben.<br />

Früh schon hatten die <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern die Initiative sowohl<br />

finanziell <strong>als</strong> auch personell unterstützt. Heute arbeitet mit Schwester M.<br />

Timothea Heitzer noch eine <strong>Barmherzige</strong> Schwester im Haus des Vereins<br />

in der Pommernstraße.<br />

Haus St. Benno in Oberschleißheim<br />

1996 eröffnete die Erzdiözese München und Freising das Haus St. Benno<br />

in Oberschleißheim in der Trägerschaft des Katholischen Männerfürsorgevereins<br />

e.V. 219 Dieses Haus dient <strong>als</strong> Alten- und Pflegeheim für ehemalige<br />

Obdachlose. Hier sollen sie in Würde ihren Lebensabend verbringen können.<br />

Häufig sind diese Menschen, die teilweise jahrzehntelang auf der Straße<br />

gelebt haben, frühzeitig gealtert und gesundheitlich stark angegriffen. Auch<br />

psychische Krankheiten sind keine Seltenheit. Von Anfang an unterstützte<br />

das Mutterhaus dieses Projekt personell. Heute kümmert sich Schwester M.<br />

Dagmar Raab, eine gelernte Krankenschwester, hauptsächlich im Nachtdienst<br />

um die kranken und alten Heimbewohner. Da sie während ihres<br />

Dienstes im Haus lebt, absolviert sie dort nicht nur Nachtdienste, sondern<br />

übernimmt auch weitere Aufgaben wie Besuche im Krankenhaus. Auch<br />

eine liebevolle und würdige Sterbebegleitung ist Teil ihrer Aufgaben. Sehr<br />

liegt ihr das seelische Wohl der ihr Anvertrauten am Herzen. So organisiert<br />

sie Andachten und versucht, durch ihren gelebten Glauben ansteckendes<br />

Vorbild zu sein.<br />

Zum Engagement der <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern für die Obdachlosen<br />

gehören auch heute noch die schon erwähnten „Pfortenspeisungen“, vor<br />

allem die „Vinzenzstube“ in Berg am Laim und die Suppenstube im Haus<br />

Mechtild.<br />

Schwester M. Dagmar<br />

Raab mit einem<br />

Bewohner des Hauses<br />

St. Benno<br />

Die Kongregation heute<br />

277


<strong>Festschrift</strong> der <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern<br />

278<br />

Der Jakobsbrunnen – Gemeinde für Menschen in seelischer Not e.V.<br />

Initiatoren des Projekts „Jakobsbrunnen“ waren die <strong>Barmherzige</strong> Schwester<br />

M. Clementine Rodler und der Jesuitenpater Arnold Brychcy. 220 Beide<br />

hatten in ihrer beruflichen Tätigkeit <strong>als</strong> Stationsschwester in der psychiatrischen<br />

Universitätsklinik bzw. <strong>als</strong> Seelsorger in einem Reha-Zentrum<br />

für psychisch Kranke die Erfahrung gemacht, dass es ein großes Defizit in<br />

der ambulanten Nachsorge für Psychiatriepatienten gab. In ihren 14 Jahren<br />

an der Klinik hatte Schwester M. Clementine häufig erleben müssen, dass<br />

sich Psychiatriepatienten nach ihrer Entlassung in ihrem Alltag allein nicht<br />

zurechtfanden. Der Weg zurück in die stationäre Behandlung, nicht selten<br />

aber auch Selbstmorde, waren die Folgen. Mitte der 80er Jahre entwickelte<br />

Schwester M. Clementine zusammen mit Pater Brychcy die Idee, selbst<br />

etwas gegen diesen Missstand zu unternehmen. Sie orientierten sich dabei<br />

am amerikanischen Fountain House Modell. Chronische Psychiatriepatienten<br />

können sich dort einem Club anschließen, in dem sie durch gemeinsame<br />

Aktivitäten und den Austausch mit anderen Patienten stabilisiert werden.<br />

Zudem erhalten sie dort Hilfe bei ihrer Wiedereingliederung in den<br />

normalen Alltag.<br />

Allerdings wollten Schwester M. Clementine und Pater Brychcy einen<br />

anderen Schwerpunkt setzen <strong>als</strong> das amerikanische Vorbild. Selbst vom<br />

Glauben getragen, sahen sie in der seelsorgerischen Begleitung der Kranken<br />

einen wichtigen Ansatzpunkt, den Patienten Kraft und Halt zu geben. Am<br />

1. März 1988 eröffneten sie in einem Haus im Münchner Stadtteil Laim das<br />

„Religiöse Zentrum für Psychisch Kranke“. Ende desselben Jahres zogen sie<br />

in das ordenseigene Haus Mechtild in der Augsburger Straße um, wo ihnen<br />

das Mutterhaus unentgeltlich Räume zur Verfügung stellte. Von Anfang an<br />

stießen die Initiatoren bei der damaligen Generaloberin Schwester Maria<br />

Ein Ort der Begegnung<br />

für Menschen in<br />

seelischer Not ist der<br />

Jakobsbrunnen.<br />

Schwester M. Clementine<br />

Rodler mit einigen<br />

engagierten ehrenamtlichen<br />

Mitarbeitern<br />

des Vereins im Garten<br />

seines Hauses (rechts:<br />

Pater Arnold Brychcy)


Siglinde Reichart auf offene Ohren. Als 1990 schließlich die Gründung des<br />

Vereins „Der Jakobsbrunnen – Gemeinde für Menschen in seelischer Not“<br />

unter dem Dach des Caritasverbandes erfolgte, gehörte auch die Kongregation<br />

zu den Gründungsmitgliedern. Bis heute unterstützt sie den Verein,<br />

dessen Aufgabe laut Satzung „die seelsorgliche Begleitung und die Betreuung<br />

von psychisch kranken Menschen in Krisen und in seelischer Not“ ist.<br />

Nicht zuletzt dank eines finanziellen Beitrags der Kongregation konnte der<br />

Verein 1997 ein Haus im Münchner Vorort Lochham erwerben, das nun <strong>als</strong><br />

Begegnungs- und Beratungsstätte dient.<br />

Das Hilfsangebot richtet sich nicht nur an die Patienten selbst, sondern<br />

auch an ihre Angehörigen. Es reicht von individueller Einzelberatung bis hin<br />

zu Gruppenangeboten wie Gebetskreisen, Bibelkreisen, Seminaren, Exerzitien,<br />

Wallfahrten und gemeinsamen Gottesdiensten. Bei allem Vertrauen auf<br />

die heilende Liebe Gottes versprechen Pater Brychcy und Schwester M.<br />

Clementine den Patienten keine schnelle und wundersame Heilung und<br />

betonen die Notwendigkeit begleitender therapeutischer und medizinischer<br />

Maßnahmen. Sie sehen den Jakobsbrunnen <strong>als</strong> Teil eines sozialen Netzes für<br />

die Patienten. So halten sie Verbindung zu Ärzten und Kliniken, vermitteln<br />

den Patienten Kontakt zu sozialen Diensten und leisten pragmatische Hilfe<br />

bei der Wiedereingliederung in den Alltag.<br />

Projekt Omnibus<br />

Die Kongregation heute<br />

Seit 1. März 2002 arbeitet Schwester Daniela Maria Holzner beim Projekt<br />

„Omnibus“ der Franziskaner an der Hauner’schen Kinderklinik mit. 221 Die<br />

Kinderklinik hat ein weites Einzugsgebiet. So kommen Patienten nicht nur<br />

aus ganz Deutschland, sondern auch aus anderen Staaten, in denen die medizinische<br />

Versorgung nicht<br />

so gut ist, beispielsweise<br />

aus Russland und Arabien.<br />

Für Eltern, die ihrem Kind<br />

während des Klinikaufenthalts<br />

möglichst nahe sein<br />

wollten, gab es in der bereits<br />

1886 gebauten Kinderklinik<br />

kaum Unterbringungsmöglichkeiten.<br />

Zu der Sorge<br />

um das schwerkranke Kind<br />

kam für die Eltern deshalb<br />

häufig der Stress, vorüber-<br />

Schwester<br />

Daniela<br />

Maria<br />

Holzner mit<br />

Gästen des<br />

Hauses am<br />

Frühstückstisch<br />

279


<strong>Festschrift</strong> der <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern<br />

Schwester<br />

Mirjam<br />

Riesbeck<br />

bereitet den<br />

Gottesdienst<br />

in der<br />

Kapelle des<br />

Deutschen<br />

Herzzentrums<br />

vor.<br />

280<br />

gehend eine kostengünstige Unterkunft in Kliniknähe zu finden. Als Krankenhausseelsorger<br />

sah der Franziskanerpater Michael Först diese Not und<br />

wollte etwas dagegen unternehmen. So rief er 1985 die Initiative „Omnibus“<br />

ins Leben. Mit Hilfe von Spendengeldern mietete er Wohnungen an,<br />

wo Eltern und Geschwister der kleinen Patienten nicht nur umsonst wohnen<br />

konnten, sondern auch betreut wurden. Pater Michael erlebte nicht<br />

mehr, dass 1999 in einem Neubau an der Lindwurmstraße zwei Stockwerke<br />

erworben werden konnten. Dort stehen nun 25 Zimmer zur Verfügung für<br />

Eltern und Geschwister von Kindern, die in der Hauner’schen Kinderklinik<br />

oder auch in einer anderen Klinik in stationärer Behandlung sind.<br />

Bei „Omnibus“, inzwischen eine Stiftung des bürgerlichen Rechts, ging<br />

es nie ausschließlich um eine günstige Übernachtungsmöglichkeit, sondern<br />

um seelischen Beistand für Menschen in einer extrem belastenden Situation.<br />

Die Eltern können sich, wenn sie es wünschen, zurückziehen, haben<br />

aber auch die Möglichkeit, sich mit anderen betroffenen Eltern auszutauschen.<br />

Die Betreuer bieten ihnen unaufdringlich seelsorgerische Begleitung<br />

an. Die Verstärkung des Betreuerteams, neben den Franziskanern auch<br />

ehrenamtliche Helfer, durch Schwester Daniela wird <strong>als</strong> Bereicherung für<br />

„Omnibus“ empfunden. Die gelernte Kinderkrankenschwester und Heilpädagogische<br />

Erzieherin kümmert sich kompetent und liebevoll um die<br />

Geschwisterkinder. Auch die betreuten Erwachsenen wissen die Möglichkeit<br />

zu schätzen, je nach Wunsch und Situation zwischen einem männlichen<br />

oder weiblichen Ansprechpartner wählen zu können.<br />

Krankenhausseelsorge – Schwester Mirjam im Herzzentrum<br />

Schwester Mirjam Riesbeck, ausgebildete<br />

Gemeindereferentin, ist <strong>als</strong><br />

Klinikseelsorgerin am Deutschen<br />

Herzzentrum in München tätig. Als<br />

solche hat die <strong>Barmherzige</strong> Schwester<br />

die Aufgabe, Gottesdienste vorzubereiten<br />

und durchzuführen. Patienten,<br />

die nicht an Gottesdiensten teilnehmen<br />

können, bringt sie die Heilige<br />

Kommunion ans Krankenbett. Liebevoll<br />

schmückt sie den Andachtsraum<br />

der Klinik entsprechend dem Verlauf<br />

des Kirchenjahres und hält ihn <strong>als</strong><br />

Ort der Stille Tag und Nacht offen.


Ihre Hauptaufgabe aber besteht darin, den Patienten und ihren Angehörigen<br />

<strong>als</strong> Seelsorgerin beizustehen. Das kann die Organisation der Taufe<br />

eines Kindes vor einer Operation sein, aber auch Sterbe- und Trauerbegleitung.<br />

Manchmal geht es aber auch nur darum, Menschen Aufmerksamkeit<br />

zu schenken, ihnen durch Gespräche die Möglichkeit zu geben, ihr Herz<br />

zu erleichtern.<br />

„Oase“ in der Pfarrgemeinde St. Margaret München-Sendling<br />

Die Kongregation heute<br />

Schwester M. Werrica Rauch, vorher in der Krankenpflege und in der Ausbildung<br />

von Krankenschwestern an der Krankenpflegeschule Maria Regina<br />

eingesetzt, gründete im Januar 1991 zusammen mit Pfarrer Valentin Königbauer<br />

die „Oase“ in der Sendlinger Pfarrei St. Margaret. Mit der Oase wollte<br />

sie einen Ort der Besinnung, des Gebetes und der Glaubensorientierung<br />

schaffen, eine geistliche Oase mitten in dem Getriebe der Großstadt München.<br />

Ziel der Initiative ist es u. a., Menschen in schwierigen Lebenssituationen<br />

sowohl seelsorgerische Begleitung <strong>als</strong> auch praktische Unterstützung<br />

im Alltag anzubieten. So unterschiedlich der angesprochene Personenkreis,<br />

so vielfältig ist auch das Angebot der „Oase“. Für Kontaktangebote wie<br />

„Mutter-Kind Tea Time“ oder „Frauen treffen Frauen“ bis hin zu Gebetsabenden<br />

und Bibelgesprächskreisen bietet die „Oase“ Raum. Den Mittelpunkt<br />

der „Oase“ bildet die seelsorgerische Betreuung durch Schwester<br />

Werrica, die stets für persönliche Glaubensgespräche zur Verfügung steht.<br />

Zusammen mit einem festen Team aus ehrenamtlichen Helfern, die nach und<br />

nach Mitglied der „Oase“ geworden sind, bereitet sie die Themen für das<br />

spirituelle Angebot<br />

vor. Der Schwerpunkt<br />

liegt dabei<br />

auf den so genannten<br />

„Alpha-Kursen“,<br />

einer Art Einführungskurs<br />

in den<br />

Glauben. Ist es doch<br />

erklärtes Ziel des<br />

Projekts, Menschen,<br />

die Gott suchen und<br />

der Kirche entfremdet<br />

wurden, wieder<br />

an den Glauben<br />

heranzuführen.<br />

Schwester<br />

M. Werrica<br />

Rauch im<br />

Gespräch<br />

mit Teilnehmern<br />

eines<br />

Glaubenskurses<br />

281


<strong>Festschrift</strong> der <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern<br />

282<br />

Die Kongregation unterstützte die Initiative von Anfang an, nicht nur<br />

durch die Freistellung von Schwester Werrica, sondern durch finanzielle<br />

Hilfe beispielsweise bei der Anmietung und Renovierung der Räumlichkeiten.<br />

Der Dienst Schwester M. Werricas beschränkt sich nicht mehr nur<br />

auf die Sendlinger Pfarrei. Sie betreut neu in die Kirche aufgenommene<br />

Menschen im gesamten Stadtgebiet. Zudem stellt sie die Alphakurse auch<br />

in anderen Pfarreien vor und bietet Starthilfe für die Kurse an.<br />

Unterstützung der Hospizbewegung<br />

Auch bei der Gründung des ersten Hospizes in Bayern, dem 1991 eröffneten<br />

Hospiz Johannes von Gott im Krankenhaus der <strong>Barmherzige</strong>n Brüder<br />

im Münchner Stadtteil Nymphenburg, waren die <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern<br />

beteiligt. In den ersten Jahren bemühten sich dort zwei, zeitweise auch<br />

drei <strong>Barmherzige</strong> Schwestern darum, schwerstkranke Menschen im letzten<br />

Stadium ihrer unheilbaren Krankheit ein würdiges und möglichst schmerzfreies<br />

Sterben zu ermöglichen. Schweren Herzens musste sich die Kongregation<br />

<strong>zum</strong> Jahresende 1995 aus dem aktiven Einsatz im Johanneshospiz<br />

wieder zurückziehen. Allerdings unterstützt die Kongregation <strong>als</strong> Mitglied<br />

des Fördervereins nach wie vor diese für viele Schwerstkranke und ihre<br />

Angehörigen so wichtige Einrichtung.<br />

Projekt Tschechien<br />

Schwester M. Tabitha Götschl, langjährige Oberin an der Psychiatrischen<br />

Universitätsklinik in München, hatte bei einer Reise nach Tschechien<br />

Der neue Konvent von Kajov,<br />

kurz nach der Ankunft im<br />

Juli 1999: die Schwestern<br />

M. Tabitha Götschl (links), M.<br />

Raphaela Schreml (2. v. l.), M.<br />

Bonavita Wolf (3. v. r.) und M.<br />

Leonarda Seitz (2. v. r.). Mit<br />

auf dem Foto: Generaloberin<br />

Schwester M. Adelinde<br />

Schwaiberger (3. v. l.) und<br />

Generalökonomin Schwester M.<br />

Theodora Werner (rechts), die<br />

die Schwestern zu ihrer neuen<br />

Wirkungsstätte begleiteten,<br />

und der Pfarrer von Krumlov.


Die Kongregation heute<br />

den früher sehr bekannten Marien-<br />

Wallfahrtsort Gojau, tschechisch Kajov,<br />

gesehen. Erschüttert über die Vernachlässigung<br />

des Ortes in vierzig Jahren<br />

kommunistischer Herrschaft entstand<br />

bei ihr der Wunsch, hier eine Gemeinschaft<br />

der <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern zu<br />

gründen und den Ort wieder zu einem<br />

Zentrum geistlichen Lebens zu machen.<br />

Sie fand mit ihrer Idee sowohl bei ihren<br />

Ordensoberen <strong>als</strong> auch beim Bischof von<br />

Budweis Gehör. Man einigte sich darauf,<br />

dass dem neuen Schwesternkonvent das<br />

stark renovierungsbedürftige Pfarrhaus<br />

des Wallfahrtortes zur Verfügung gestellt<br />

werden sollte. Die Münchner Ordensleitung<br />

erklärte sich einverstanden, vier Schwestern nach Tschechien zu schicken.<br />

Ende Juli 1999 machten sich Schwester M. Tabitha Götschl, Schwester<br />

M. Raphaela Schreml, Schwester M. Leonarda Seitz und Schwester M.<br />

Bonavita Wolf zu ihrem neuen Einsatzort auf.<br />

Der Anfang in Kajov erforderte einiges an Pioniergeist und erinnerte<br />

an die Anfänge der Kongregation in Bayern. Während die Kirche bereits<br />

renoviert war, war der Pfarrhof in einem so schlechten Zustand, dass sich<br />

die vier Schwestern zwei Jahre lang ein einziges, unbeheiztes Zimmer teilen<br />

mussten. Erschwerend kamen die Verständigungsprobleme hinzu. Alle<br />

Schwestern mussten erst einmal Tschechisch lernen. Als Erstes wurde die<br />

Renovierung des Pfarrhofes in Angriff<br />

genommen. Finanziert wurde diese aus<br />

Spendenmitteln und aus Mitteln der<br />

Kongregation. Auch die Ausstattung<br />

mit Möbeln übernahm zu einem Teil<br />

das Mutterhaus. Nach und nach konnten<br />

sich die Schwestern in Kajov ihren<br />

eigentlichen Aufgaben, der Pfarrseelsorge<br />

und der Gemeindecaritas, widmen.<br />

In Zusammenarbeit mit der inzwischen<br />

in Tschechien aufgebauten Caritas<br />

kümmern sich die Schwestern um die<br />

ambulante Versorgung von kranken und<br />

alten Bürgern des Ortes. Gleichzeitig<br />

liegt ihnen die Arbeit mit den Kindern<br />

Der Innenhof<br />

des<br />

Pfarrhofs<br />

von Kajov<br />

vor der<br />

Renovierung<br />

Die Kirche<br />

des Marienwallfahrtsortes<br />

Kajov<br />

283


<strong>Festschrift</strong> der <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern<br />

284<br />

der Gemeinde am Herzen. Durch Beschäftigungsangebote wie Basteln und<br />

die Übernahme des Patronats für den Jugendchor halten sie Kontakt zu den<br />

Kindern und Jugendlichen des Ortes. Der Elterngeneration, die im Kommunismus<br />

aufwuchs und sich nun in der neuen demokratischen Gesellschaftsordnung<br />

mehr und mehr am westlichen Materialismus orientiert, liegt meist<br />

wenig an einer religiösen Erziehung ihrer Kinder, selbst wenn diese getauft<br />

sind. Die Schwestern versuchen, ihnen die Grundlagen des Glaubens zu<br />

vermitteln. Ihr Pfarrhaus soll ein offenes Haus sein, nicht nur für tschechische<br />

Priester, sondern auch für Obdachlose und Hilfe suchende Straßenprostituierte<br />

von der nahe gelegenen deutsch-tschechischen Grenze.<br />

Die Schwestern schafften es innerhalb kurzer Zeit, den Wallfahrtsort<br />

Kajov nicht nur äußerlich wieder in alter Schönheit erstehen zu lassen, sondern<br />

ihn auch geistlich neu zu beleben. Heute ist Kajov nicht nur für tschechische<br />

Wallfahrer, sondern auch für Pilger aus Österreich und Deutschland<br />

ein neuer Anziehungspunkt. Vor allem Jugendliche aus den drei Ländern<br />

kommen im Sommer mit Zelten und Schlafsäcken auf der Suche nach<br />

einem Sinn für ihr Leben, der über die atheistische oder materialistische<br />

Einstellung ihrer Umgebung hinausgeht.<br />

14.4. Neues Mutterhaus<br />

Im Jahr 2003 berief Generaloberin Schwester M. Adelinde Schwaiberger<br />

ein außerordentliches Generalkapitel ein, das über die Zukunft des Mutterhauses<br />

in der Nußbaumstraße entscheiden sollte. 222 Konkreter Anlass war ein<br />

Schreiben der Universität vom August 2002, in dem vom Orden die Abtre-<br />

Generaloberin<br />

Schwester M. Theodolinde<br />

Mehltretter,<br />

Generalökonomin<br />

Schwester M. Theodora<br />

Werner und<br />

Friedrich Kardinal<br />

Wetter bei der<br />

Grundsteinlegung<br />

des neuen Mutterhauses<br />

im Juli 2005.<br />

Links Architekt<br />

Anton Zeller


Das neue Mutterhaus<br />

in München-<br />

Berg am Laim,<br />

Vinzenz-von-Paul-<br />

Straße 1<br />

Die Kongregation heute<br />

tung des restlichen Mutterhausgartens für einen geplanten Spielplatz der<br />

jugendpsychiatrischen Abteilung der ans Mutterhaus angrenzenden Psychiatrischen<br />

Klinik gefordert wurde. Dieses Schreiben führte den Schwestern<br />

wie schon so oft in der Vergangenheit die rechtlich unsicheren Eigentumsverhältnisse<br />

deutlich vor Augen. Auch wenn das Grundstück, auf dem das<br />

Gebäude steht, früher Eigentum der städtischen Krankenhausstiftung war<br />

und heute Eigentum des bayerischen Staates ist, war bisher <strong>zum</strong>indest das<br />

Nutzungsrecht der Schwestern unstrittig gewesen. Dieses Nutzungsrecht<br />

war jedoch von Anfang an mit der Bedingung verknüpft gewesen, dass die<br />

Schwestern im damaligen Allgemeinen Krankenhaus, der heutigen Medizinischen<br />

Klinik, den Krankenpflegedienst leisteten. Mit dem endgültigen<br />

Rückzug aus dieser Klinik im Juni 2000 hätte nun auch das Nutzungsrecht<br />

in Frage gestellt werden können.<br />

Bei den Überlegungen des Generalkapitels musste auch die Tatsache<br />

berücksichtigt werden, dass das alte Mutterhaus aus dem Jahr 1839 in den<br />

kommenden Jahren gründlich hätte saniert werden müssen, um auch in<br />

Zukunft <strong>als</strong> Zentrale der Kongregation fungieren zu können. Wegen der<br />

ungeklärten rechtlichen Situation wäre jedoch eine solche kostenintensive<br />

Investition mit unwägbaren Risiken verbunden gewesen.<br />

Angesichts dieser Lage war es nicht weiter verwunderlich, dass das Generalkapitel<br />

in geheimer Abstimmung einstimmig für den Bau eines neuen<br />

Mutterhauses in Berg am Laim votierte.<br />

Bei der seit über 100 Jahren immer wieder diskutierten Frage nach Verlegung<br />

des Mutterhauses war seit den 1960er Jahren der Standort Berg am<br />

Laim favorisiert worden. Für den östlichen Stadtteil Münchens sprach einiges:<br />

Immerhin befindet sich dort die zweitälteste Ordensniederlassung, die in der<br />

285


<strong>Festschrift</strong> der <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern<br />

Die Kapelle<br />

des neuen<br />

Mutterhauses<br />

wurde dem<br />

hl. Vinzenz<br />

von Paul<br />

geweiht.<br />

286<br />

Geschichte der Kongregation immer<br />

eine besondere Rolle gespielt hat. Mit<br />

der Aufgabe der Ökonomie stand auch<br />

der nötige Baugrund zur Verfügung.<br />

Inzwischen war auch die Verkehrsanbindung<br />

durch zwei U-Bahnlinien<br />

äußerst günstig.<br />

Im Mai 2005 begannen die Bauarbeiten<br />

auf einem ca. 11.000 Quadratmeter<br />

großen Grundstück in der<br />

Nähe des ordenseigenen Altenheimes<br />

St. Michael. Die feierliche Grundsteinlegung<br />

für das mit 7000 Quadratmeter<br />

Wohn- und Nutzfläche sehr großzügig<br />

geplante neue Mutterhaus erfolgte<br />

am 13. Juli 2005. Nach fast 170 Jahren<br />

nahmen die Schwestern Anfang 2007<br />

Abschied von ihrem angestammten<br />

Mutterhaus und zogen in ihre neue Zentrale um.<br />

Das vom Architekturbüro Zeller & Romstätter konzipierte neue Mutterhaus<br />

ist ein architektonisch interessanter Bau. Für den Grundriss verwendeten<br />

die Architekten die griechischen Buchstaben Alpha und Omega,<br />

die aus der Offenbarung des Johannes entnommene Symbolik für Gott <strong>als</strong><br />

Anfang und Ende allen Seins. Den unteren Querbalken des Omega bildet<br />

das Eingangsgebäude, in dessen Mitte sich der Eingangsbereich mit Foyer<br />

befindet. Von hier gewährt eine Sichtachse den Blick auf die gegenüberliegende<br />

Mutterhauskapelle, die das Alpha darstellt.<br />

Das neue Mutterhaus bietet mehr Platz <strong>als</strong> das alte. So konnten hier<br />

neben den Schwesternwohnungen, der Ordensverwaltung und der Schneiderei<br />

auch die bisher wegen Platzmangels ausgelagerten Bereiche der Innerbetrieblichen<br />

Fortbildung und der Krankenhaus- und Altenheimdirektion<br />

untergebracht werden. Gästezimmer und Gruppenräume für größere Veranstaltungen<br />

ergänzen das Raumangebot.<br />

Den Mittelpunkt des Gebäudes bildet die neue Mutterhauskapelle St.<br />

Vinzenz, die – wesentlich kleiner <strong>als</strong> die alte Mutterhauskirche – den Anforderungen<br />

des ebenfalls kleiner gewordenen Mutterhauskonvents besser entspricht.<br />

Frei im würfelförmigen Raum schwebend, hängt das große Kreuz<br />

der alten Kirche in der neuen Kapelle und kontrastiert mit dem bunten<br />

Glasfenster der Altarwand, das die Auferstehung symbolisieren soll. Auch<br />

Altar, Ambo und Tabernakel der alten Mutterhauskirche haben wieder ihren<br />

Platz gefunden.


Mehrere hundert Gäste<br />

begrüßte Schwester M.<br />

Theodolinde Mehltretter<br />

am 10. März 2007<br />

zur Einweihung des<br />

neuen Mutterhauses,<br />

u. a. Friedrich Kardinal<br />

Wetter, Christa<br />

Stewens, die Bayerische<br />

Staatsministerin für<br />

Arbeit und Sozialordnung,<br />

Familie und<br />

Frauen, sowie Abt Dr.<br />

Johannes Eckert.<br />

Am 10. März 2007, auf den Tag genau <strong>175</strong> Jahre nach Ankunft der ersten<br />

beiden <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern aus Straßburg, feierte die Kongregation<br />

die Einweihung ihres neuen Mutterhauses. An die 400 Gäste nahmen an<br />

der feierlichen Segnung des Hauses durch Friedrich Kardinal Wetter teil.<br />

Benediktinerabt Dr. Johannes Eckert aus der Münchner Abtei St. Bonifaz<br />

konnte für die Festansprache gewonnen werden, die er unter das Motto<br />

„Der Barmherzigkeit Raum geben“ stellte.<br />

Mit dem Umzug in ihre neue Ordenszentrale zu Beginn des <strong>Jubiläum</strong>sjahres<br />

2007 setzten die <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern ein Zeichen der<br />

Hoffnung. Sie demonstrierten mit diesem Neubeginn in Berg am Laim,<br />

dass sie an die Zukunft ihrer Gemeinschaft glauben.<br />

14.5. Wie wird die Zukunft aussehen?<br />

Die Kongregation heute<br />

Der früher das Leben der Kongregation beherrschende Dienst in städtischen<br />

und staatlichen Krankenhäusern und Altenheimen wird inzwischen von<br />

einem ebenso gut ausgebildeten weltlichen Pflegepersonal geleistet. Abgesehen<br />

davon, dass die <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern in diesem Bereich ersetzbar<br />

geworden sind, könnten sie diese Aufgabe mit ihrem stark zurückgegangenen<br />

Person<strong>als</strong>tand heute nicht mehr leisten.<br />

Das vinzentinische Apostolat ist jedoch nach wie vor höchst aktuell. Der<br />

hl. Vinzenz von Paul fasste seinen Auftrag sehr weit: Den Mitmenschen in<br />

Not zu helfen. Diese Not kann sehr viele und zu verschiedenen Zeiten sehr<br />

287


<strong>Festschrift</strong> der <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern<br />

288<br />

unterschiedliche Ausprägungen erfahren. Hier gilt es, aufmerksam zu sein,<br />

um die Nöte der Zeit zu erkennen.<br />

Schon der Heilige hatte gesehen, dass Menschen nicht nur Hilfe zur<br />

Erhaltung ihrer physischen Gesundheit, sondern auch ihrer seelischen<br />

und geistlichen Gesundheit benötigen: „Weder Gott noch die Menschen sind<br />

damit zufrieden, wenn wir armen Kranken nur Nahrung und Heilmittel bringen.<br />

Wir haben nach Gottes Willen auch eine seelsorgliche Aufgabe an ihnen zu<br />

erfüllen.“ 223<br />

Sogar in unserer reichen Gesellschaft mit ihrem gut ausgebauten sozialen<br />

Netz gibt es viele Mitmenschen in Not. Psychische Probleme und<br />

Orientierungslosigkeit können durch materielle Absicherung nicht beseitigt<br />

werden. Zudem ist absehbar, dass auch die Zahl der materiell Notleidenden<br />

in Zukunft mit einem Abbau des sozialen Netzes und hoher Arbeitslosigkeit<br />

weiter ansteigen kann. So wird es für Menschen, die sich für ihre Mitmenschen<br />

engagieren möchten, auch in Zukunft viel zu tun geben. Dabei<br />

wird Offenheit gefragt sein, nicht nur um die Not zu erkennen, sondern<br />

auch für neue Formen der Hilfe. Doch was kann dabei die Kongregation<br />

noch leisten mit ihren immer mehr abnehmenden personellen Kräften?<br />

Sie kann weiterhin in der schon praktizierten Weise Projektarbeit betreiben:<br />

Not erkennen, darauf aufmerksam machen und Initiativen zur Abhilfe<br />

starten. Über die personelle Hilfe hinaus unterstützt die Kongregation<br />

Hilfsprojekte bereits heute durch Bereitstellung von Geldmitteln, Räumen,<br />

Material etc. Auch dies wird ein Weg für die Zukunft darstellen, wenn die<br />

Zahl der arbeitsfähigen Ordensschwestern weiter zurückgeht.<br />

Als weitere wichtige Aufgabe, auch in der Zukunft, sehen die <strong>Barmherzige</strong>n<br />

Schwestern die Erfüllung des vinzentinischen Auftrags, Seelsorger für<br />

ihre Mitmenschen zu sein. So möchten sie Menschen, die orientierungslos<br />

geworden sind und den Sinn ihres Lebens hinterfragen, dabei helfen, Gott<br />

zu finden. Dabei kommt ihnen <strong>als</strong> Ordensleuten, die ihr ganzes Leben in<br />

den Dienst Gottes gestellt haben, eine ganz besondere Rolle <strong>als</strong> Zeugen<br />

eines gelebten Glaubens zu, im Sinne des Vinzenzwortes: „Nichts entspricht<br />

dem Evangelium mehr, <strong>als</strong> auf der einen Seite Erleuchtung und Kräfte für die<br />

eigene Seele zu sammeln, dann aber den Menschen von dieser geistigen Nahrung<br />

mitzuteilen.“ 224<br />

In den ordenseigenen Einrichtungen der Alten- und Krankenpflege<br />

sehen die Schwestern ihren Auftrag darin, den gewachsenen Anforderungen<br />

in diesen Bereichen auch in Zukunft gerecht zu werden und ihren<br />

weltlichen Mitarbeitern den vinzentinischen Geist zu vermitteln, damit die<br />

Einrichtungen trotz des allmählichen Rückzugs der <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern<br />

in diesem Sinne weitergeführt werden. Auch den nicht mehr arbeitsfähigen<br />

Schwestern kommt innerhalb der Kongregation mit dem Apostolat


des Gebets und des Opfers noch<br />

eine wichtige Aufgabe zu.<br />

Die Kongregation versucht,<br />

den bei ihrer Gründung vor <strong>175</strong><br />

Jahren eingeschlagenen Weg in<br />

Treue weiter zu gehen, dabei aber<br />

offen zu bleiben für neue Herausforderungen.<br />

Schwer überschattet<br />

das Fehlen des Nachwuchses<br />

die Zukunft der Kongregation.<br />

Auf dem letzten Generalkapitel<br />

im November 2004 bekannte die<br />

damalige Generaloberin Schwester<br />

M. Adelinde Schwaiberger:<br />

„Das Ausbleiben von neuen Berufungen<br />

in dieser Zeit ist für unsere<br />

Kongregation eine Grenzerfahrung,<br />

die ich persönlich und, ich glaube, die<br />

gesamte Gemeinschaft <strong>als</strong> die größte<br />

spürbare Armut erleben, die es zu tragen gibt.“ 225<br />

Aber es war dieselbe Generaloberin, die den Bau des neuen Mutterhauses<br />

in Angriff genommen und damit ihren Glauben an die Zukunft<br />

bekundet hat. Denn trotz aller Unsicherheit vertrauen die <strong>Barmherzige</strong>n<br />

Schwestern darauf, dass Gott auch in Zukunft Menschen berufen wird, die<br />

ihr Leben ganz in seinen Dienst stellen wollen. Sie glauben fest daran, dass<br />

sich ein Teil dieser berufenen Menschen auch von dem zeitlos modernen<br />

Auftrag des hl. Vinzenz ansprechen lassen wird, den Dienst an Gott durch<br />

den Dienst an den Mitmenschen, durch tätige Nächstenliebe zu verwirklichen.<br />

Ihre Zuversicht stützt sich auf den festen Glauben daran, dass Gott<br />

für alles sorgen wird. Den Menschen kommt dabei nur die Aufgabe zu, mit<br />

den eigenen, beschränkten Möglichkeiten zu versuchen, den Willen Gottes<br />

zu erkennen und umzusetzen. Denn wie ihr geistiger Gründervater Vinzenz<br />

von Paul sind die <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern vom Mutterhaus München<br />

überzeugt:<br />

„Gottes Dinge geschehen von selbst. Die wahre Weisheit besteht darin, der Vorsehung<br />

Schritt für Schritt zu folgen.“ 226<br />

*<br />

Die Kongregation heute<br />

Hl. Vinzenz<br />

von Paul<br />

(Wandteppich<br />

im<br />

Mutterhaus)<br />

289


290<br />

Anhang<br />

Generaloberinnen des Mutterhauses München<br />

1. Schwester Ignatia Jorth<br />

Amtszeit<br />

1832 – 1845<br />

2. Schwester M. Vinzentia Balghuber 1845 – 1848<br />

3. Schwester M. Benonia Stanglmaier 1848 – 1855<br />

4. Schwester M. Regina Hurler 1855 – 1895<br />

5. Schwester M. Avila Dorn 1895 – 1911<br />

6. Schwester M. Seraphina Sellmayer 1911 – 1912<br />

7. Schwester M. Osmunda Rummel 1912 – 1924<br />

8. Schwester M. Desideria Weihmayr 1924 – 1941<br />

9. Schwester M. Castella Blöckl 1941 – 1956<br />

10. Schwester M. Mildgitha Bachleitner 1956 – 1968<br />

11. Schwester M. Gundebalda Engelhart 1968 – 1980<br />

12. Schwester Maria Siglinde Reichart 1980 – 1992<br />

13. Schwester M. Adelinde Schwaiberger 1992 – 2004<br />

14. Schwester M. Theodolinde Mehltretter seit 2004<br />

Oberin des Allgemeinen Krankenhauses (bzw. des Krankenhauses l.d.I. bzw. der<br />

Medizinischen Klinik in der Innenstadt) waren, bevor sie Generaloberin wurden:<br />

Sr. Ignatia (gleichzeitig beide Ämter) und die 3.,4.,7.,12. Generaloberin<br />

Superioren des Mutterhauses München<br />

1. Superior J. Michael Rädlinger<br />

Amtszeit<br />

1832 – 1833<br />

2. Superior Michael Hauber 1833 – 1843<br />

3. Superior Josef Riedl 1843 – 1846<br />

4. Superior Herenäus Haid 1846 – 1848<br />

5. Superior Peter Paul Gradler 1848 – 1853<br />

6. Superior Karl von Prentner 1853 – 1857<br />

7. Superior Anton Etzinger 1857 – 1884<br />

8. Superior Johann Paul Wendl 1884 – 1900<br />

9. Superior Konrad Hiller 1900 – 1914<br />

10. Superior Prälat Johann Pfaffenbüchler 1914 – 1947<br />

11. Superior Prälat Karl Nißl 1947 – 1972<br />

12. Superior Prälat Joseph König 1972 – 2001


Spirituale des Mutterhauses München<br />

1. Spiritual Dr. Peter Kern<br />

Amtszeit<br />

1965 – 1972<br />

2. Spiritual Pater Prof. Dr. Robert Lachenschmid SJ seit 01.09.2001<br />

Person<strong>als</strong>tand<br />

Jahr Schw. Nov. Kand. Gesamt<br />

1832 2 14 33 49<br />

1835 30 22 15 67<br />

1840 65 39 39 143<br />

1845 121 35 30 186<br />

1850 183 25 30 238<br />

1855 260 77 33 370<br />

1860 368 63 36 467<br />

1865 447 41 34 522<br />

1870 487 62 44 593<br />

1875 543 50 27 620<br />

1880 548 57 36 641<br />

1885 587 54 42 683<br />

1890 592 78 60 730<br />

1895 660 93 67 820<br />

1900 767 141 76 984<br />

1905 927 130 95 1152<br />

1910 1120 186 132 1438<br />

1915 1433 208 113 <strong>175</strong>4<br />

1920 1590 146 109 1845<br />

1925 <strong>175</strong>7 202 119 2078<br />

1930 2099 211 146 2456<br />

1932 2246 246 139 2631<br />

1935 2324 229 129 2682<br />

1940 2672 91 39 2802<br />

1945 2526 25 40 2591<br />

1950 2509 95 24 2628<br />

1955 2501 78 28 2607<br />

1960 2432 40 18 2490<br />

1965 2283 31 7 2321<br />

1970 2062 5 1 2068<br />

1975 1797 2 0 1799<br />

Anhang<br />

291


<strong>Festschrift</strong> der <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern<br />

292<br />

Jahr Schw. Nov. Kand. Gesamt<br />

1980 1555 1 2 1558<br />

1985 1273 1 0 1274<br />

1990 1056 1 0 1057<br />

1995 828 0 0 828<br />

2000 627 0 0 627<br />

2005 474 0 0 474<br />

2006 449 0 0 449<br />

Schw. = Professschwestern; Nov. = Novizinnen; Kand. = Kandidatinnen<br />

Quelle: BSMüA 30 und statistische Angaben der Mutterhausverwaltung<br />

Stand jeweils 31.12. des Jahres<br />

Verzeichnis der Niederlassungen<br />

Übernahme<br />

Ort Name der Einrichtung Abgabe<br />

1832 München Allgemeines Krankenhaus, Städt. Krankenhaus<br />

links der Isar, Uniklinik Medizinische Klinik der<br />

Innenstadt, Ziemssenstraße<br />

2000<br />

1835 Landshut Städt. Krankenhaus An der Lände, Neubau 1965 1984<br />

1836 München Heilig-Geist-Spital in Mathildenstr., ab 1907 am<br />

Dom-Pedro-Platz<br />

1984<br />

1837 Aschaffenburg Städt. Krankenhaus 1969<br />

1837 Neumarkt/Opf. Städt. Krankenhaus 1986<br />

1839 München Mutterhaus (Nußbaumstraße), ordenseigen 2007<br />

1840 München Krankenhaus Haidhausen, Städt. Krankenhaus<br />

rechts der Isar<br />

1977<br />

1840 Orb Krankenhaus (1875 Übernahme durch Mutterhaus<br />

Fulda)<br />

1875<br />

1841 Eichstätt Städt. Krankenhaus/Kreis-Krankenhaus 1994<br />

1841 München Nockher’sche Armenanstalt in der Blumenstraße 1895<br />

1842 München Erholungsheim in Berg a. Laim, Alters- u.<br />

Rekonvaleszenten-Heim, Neubau 1980 Altenund<br />

Pflegeheim St. Michael, ordenseigen<br />

1842 München Städt. St. Josef-Spital 1934<br />

1842 Neunburg v. W. Armen- u. Krankenhaus 1872<br />

1843 Bad Tölz Städt. Krankenhaus 1983<br />

1843 Landshut Waisenhaus, mit Krankenhaus verwaltet 1922<br />

1844 Ingolstadt Krankenhaus 1917


Übernahme<br />

Ort Name der Einrichtung Abgabe<br />

1845 Ingolstadt Städt. Heilig-Geist-Spital 1995<br />

1846 Amberg Gefangenen-Strafanstalt (1862 nach Wasserburg<br />

verlegt)<br />

1862<br />

1846 Donauwörth Städt. Krankenhaus 1967<br />

1846 Donauwörth Lungenspital/Städt. Bürgerspital 1983<br />

1847 Augsburg Ambul. Pflege Bachsches Seelhaus (Anfänge<br />

Mtths. Augsburg)<br />

1862<br />

1847 Erding Städt. Krankenhaus, seit 1888 zusätzlich städtische<br />

Josefsanstalt<br />

1973<br />

1847 Landshut Kinderbewahranstalt, mit Krankenhaus verwaltet 1921<br />

1847 Sünching Bezirks-Krankenhaus/Altenpflegeheim 1979<br />

1848 Lichtenfels Städt. Krankenhaus 1973<br />

1849 Landsberg Städt. Heilig-Geist-Spital, Kinderabteilung 1970<br />

aufgegeben<br />

1994<br />

1850 Amberg Marienspital/Städt. Marien-Krankenhaus 1974<br />

1850 Landsberg Städt. Krankenhaus 1983<br />

1850 Ottobeuren Spital/Gemeindl. Josefs-Pensionat 1987<br />

1851 Vilsbiburg Bezirks-Krankenhaus, seit 1860 zusätzlich<br />

Heilig-Geist-Spital<br />

1988<br />

1853 Amberg Rettungsanstalt St. Maximilian/Säuglingsheim 1937<br />

1853 Amberg Waisenhaus, Neubau 1966 Kinderheim<br />

Joh.-Heinrich-Werner-Haus<br />

1998<br />

1853 Deggendorf Städt. Krankenhaus 1967<br />

1853 Dinkelscherben Heilig-Geist-Spital 1980<br />

1853 Kempten Kreis-Krankenhaus 1980<br />

1853 Kempten und Bezirks-/Kreis-Spital-Stiftung 1983<br />

1853 München Hauner’sches Kinderspital/<br />

Universitäts-Kinderklinik<br />

1981<br />

1853 Regensburg Kindheit Jesu Anstalt, 1967 Neubau 1976<br />

1854 Bamberg Städt. Krankenhaus 1980<br />

1854 Deggendorf Städt. Waisenhaus/Kinderheim 1978<br />

1854 Eggenfelden Bezirks-Krankenhaus 1974<br />

1854 Eichstätt Kindererziehungsanstalt, Rettungsanstalt 1857<br />

1854 Haimhausen Kinder-Erziehungsanstalt<br />

(nach Indersdorf verlegt)<br />

1856<br />

1855 Landshut Magdalenenheim, Armenbeschäftigungs-Anstalt 1988<br />

1855 München Krippenanstalt St. Anna 1958<br />

1855 München Armenversorgungsanstalt 1973<br />

Anhang<br />

293


<strong>Festschrift</strong> der <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern<br />

294<br />

Übernahme<br />

Ort Name der Einrichtung Abgabe<br />

1855 Regensburg Domkapitel’sches Waisenhaus/Katholisches<br />

Kinderheim<br />

1976<br />

1855 Sonthofen Heilig-Geist-Spital 1991<br />

1855 Tirschenreuth Bezirks-/Kreis-Krankenhaus 1982<br />

1855 Tirschenreuth Invalidenheim 1988<br />

1856 Dillingen Heilig-Geist-Spital/Hospital-Stiftung 1984<br />

1856 Indersdorf Kloster/Marienanstalt 1938<br />

1856 Passau Städt. Krankenhaus 1972<br />

1857 Passau Armenlazarett, 1907 in Maierhof aufgegangen 1907<br />

1857 Landshut Marienanstalt, 1973 in Kinderheim St. Vinzenz<br />

umbenannt, von 1952 – 2001 ordenseigen, 2002<br />

Schenkung an Caritasverband<br />

1857 München Städt. amb. Pflegestation bei St. Ludwig 1945<br />

1857 München Ambulante Pflegestation St. Bonifaz 1922<br />

1857 Traunstein Städt. Krankenhaus 1989<br />

1858 Burghausen Städt. Krankenhaus 1957<br />

1858 Immenstadt Bezirks-Spital, Pfründner-/Waisenanstalt,<br />

1874 – 1971 auch Kinderbewahranstalt<br />

1987<br />

1858 Landshut Heilig-Geist-Spital 1981<br />

1859 München Armenhaus/Städt. Altenheim an der Kreuzkirche 1944<br />

1859 Augsburg Katholisches Krankenhaus (Mtths. Augsburg) 1862<br />

1859 Landau/Isar Bezirks-Krankenhaus 1979<br />

1859 München Versorgungs-Anstalt für Unheilbare St. Nikolai<br />

am Gasteig<br />

1941<br />

1860 Wasserburg Städt./Kreis-Krankenhaus 1985<br />

1860 Dingolfing Distr.-/Bezirks-/Kreis-Krankenhaus 1982<br />

1860 Regensburg Katharinenspital 1980<br />

1861 Griesbach Bezirks-/Kreis-Krankenhaus 1971<br />

1861 Hengersberg Bezirks-Krankenhaus 1969<br />

1861 Schongau Bezirks-/Kreis-Krankenhaus 1980<br />

1862 Altötting Städt. Krankenhaus, Neubau 1985, Zusammenlegung<br />

mit Neuötting<br />

1997<br />

1862 Wasserburg Städt. Heilig-Geist-Spital, seit 1971 Caritas-<br />

Altenheim St. Konrad<br />

1992<br />

1862 Wasserburg Gefangenenanstalt 1909<br />

1863 Palling Distriktarmenhaus u. Gemeinde-Krankenhaus,<br />

Pflegeheim<br />

1994<br />

1863 Weilheim Krankenhaus 1887


Übernahme<br />

Ort Name der Einrichtung Abgabe<br />

1863 Frontenhausen Gemeinde-Spital/Kreis-Krankenhaus, ab 1981<br />

Mechtildisheim (Altenheim)<br />

1982<br />

1863 Passau Josefspital in der Heilig-Geist-Gasse, seit 1907<br />

Josefspensionat Maierhof in der Innstraße<br />

1985<br />

1864 München Ambulante Pflegestation i. d. Pfarrei St. Peter 1944<br />

1864 Plattling Bezirks-/Kreis-Krankenhaus 1987<br />

1864 Regensburg Bischof Wittmanns Erziehungs-Anstalt 1976<br />

1865 Frontenhausen Bürgerheim 2000<br />

1865 Bamberg Städt. Antonistift für Unheilbare 1981<br />

1865 Miesbach Distriktskrankenhaus/Städt. Krankenhaus 1973<br />

1865 Regensburg Domkapitel’sches Krankenhaus 1930<br />

1865 Schongau Städt. Heilig-Geist-Spital 1987<br />

1865 Trostberg Bezirks-Krankenhaus, von 1870 bis 1942 auch<br />

Bruderhaus<br />

1967<br />

1865 München Krippenanstalt St. Josef 1943<br />

1865 München Krippenanstalt St. Bonifaz 1922<br />

1865 Schongau ambulante Pflegestation 1970<br />

1866 Moosburg Bezirks-Krankenhaus 1982<br />

1866 München Chirurgische Klinik, Beginn <strong>als</strong> Aushilfskrankenhaus<br />

von l. d. Isar<br />

1974<br />

1866 Velden Bezirks-Krankenhaus, ab 1977 Pflegeheim 1978<br />

1868 Burghausen Heilig-Geist-Spital 1979<br />

1868 Dillingen Städt. Krankenhaus 1958<br />

1868 Dorfen Gemeinde-Krankenhaus 1989<br />

1868 Haag/Obb. Bezirks-Krankenhaus 1986<br />

1868 Neuötting Städt. Krankenhaus, 1985 zusammenlegt mit<br />

Altötting<br />

1985<br />

1869 Bamberg Irrenanstalt, Nervenklinik St. Getreu 1997<br />

1869 Indersdorf Bezirks-Krankenhaus 1992<br />

1869 Wegscheid Bezirks-Krankenhaus 1988<br />

1869 Wasserburg Bruder- und Armenhaus 1970<br />

1869 Wegscheid ambulante Pflegestation 1966<br />

1870 Holzkirchen Distrikts-/Gemeinde-Krankenhaus 1983<br />

1871 München Krippenanstalt St. Peter 1943<br />

1871 Gundelfingen Städt. Spital u. Krankenhaus mit ambul. Pflegestation<br />

(bis 1976)<br />

1991<br />

1872 Lauingen Städt. Spital, ambul. Pflegestation, ab 1989<br />

Caritas-Sozi<strong>als</strong>tation<br />

2000<br />

1874 München St. Georgiritter Krankenhaus Nymphenburg 1912<br />

Anhang<br />

295


<strong>Festschrift</strong> der <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern<br />

296<br />

Übernahme<br />

Ort Name der Einrichtung Abgabe<br />

1875 Hutthurm Bezirks-Krankenhaus 1980<br />

1876 Rotthalmünster Bezirks-Krankenhaus 1984<br />

1883 München Johannis-Spital, Sendlingerstraße 1895<br />

1884 München Städt. Mathilden-Pensionat 1980<br />

1888 Altötting Städt. Marienstift 1989<br />

1890 Landsberg Ambulante Pflegestation Marienheim 1970<br />

1895 München Städt. Altersheim St. Martin 1983<br />

1896 Haag/Obb. Gemeindl. Pfründner-Anstalt, 1960 Caritas-<br />

Altenheim St. Kunigund<br />

1996<br />

1896 München Postulat, ordenseigen 1944<br />

1898 Dorfen Gemeindl. Marienstift mit ambulanter Pflegestation<br />

(bis 1967)<br />

1983<br />

1898 Planegg Waldsanatorium, Lungenheilstätte bis 1984,<br />

seit 1986 Alten- und Pflegeheim, seit 1921<br />

ordenseigen<br />

1899 Immenstadt Städt. ambulante Krankenpflegestation 1986<br />

1899 München Städt. Sanatorium Harlaching 1960<br />

1901 Bogen Bezirks-Krankenhaus mit ambulanter Pflegestation<br />

(bis 1967)<br />

1973<br />

1901 Erding Fischersche Bezirks-Armenanstalt 1986<br />

1901 Grafenau Bezirks-Krankenhaus 1989<br />

1901 Oberstdorf Gemeindliches Krankenhaus 1977<br />

1901 Oberstdorf Ambulante Pflegestation, ab 1953 Vinzenz Haus<br />

1902 Erding Städt. Heiliggeist-Spital mit ambulanter Pflegestation<br />

(bis 1967)<br />

1990<br />

1902 Peiting Gemeindliches Krankenhaus 1972<br />

1903 Plattling Städt. Josefsheim (angebunden ans Krankenhaus) 1981<br />

1904 München Universitätsklinik für Psychiatrie 1991<br />

1905 Landau/Isar Städt. Heilig-Geist-Spital mit ambulanter Pflegestation<br />

(bis 1967)<br />

1986<br />

1905 Landshut/Achdorf<br />

Bezirks-/Kreis-Krankenhaus 1992<br />

1905 Teisendorf Gemeindl. Krankenhaus mit ambulanter<br />

Pflegestation<br />

1967<br />

1906 Altötting Städt. Bruderhaus (1973 mit Marienstift<br />

zusammengelegt)<br />

1973<br />

1906 Bärnau Städt. Krankenhaus mit ambulanter<br />

Krankenpflegestation<br />

1969<br />

1906 Donauwörth Ambulante Pflegestation 1991


Übernahme<br />

Ort Name der Einrichtung Abgabe<br />

1906 München Chirurgische Klinik an der Mandlstraße 1907<br />

1906 Sonthofen Ambul. Pflegestation, seit 1993 Caritas-Sozialzentrum<br />

St. Hildegard<br />

2006<br />

1907 Bad Adelholzen Kurhaus, Lazarett, Krankenhaus 1946 – 1969, seit<br />

1970 Bildungs- und Exerzitienhaus, Primusquelle<br />

bzw. seit 1994 Adelholzener Alpenquellen<br />

GmbH, Landwirtschaft (Primushof), ordenseigen<br />

1907 Waldkirchen Bezirks-Krankenhaus 1992<br />

1908 Passau Städt. Josefs-Pensionat/Bürgerliche<br />

Heilig-Geist-Stift<br />

1978<br />

1908 Immenstadt Bezirks-/Kreis-Krankenhaus 1991<br />

1908 Ingolstadt Garnison-Lazarett 1921<br />

1908 München I. Univ. Frauenklinik 1985<br />

1909 Lauingen Bezirk-Krankenhaus 1977<br />

1909 Marienhöhe Erholungsheim 1909<br />

1909 Velden Gemeindliche Johannesanstalt 1978<br />

1910 Bad Tölz Städt. Josefs-Pensionat 1989<br />

1910 München Städt. Krankenhaus Schwabing 1964<br />

1910 München Kinder-Krankenhaus Schwabing 1969<br />

1910 Siegenburg Gemeindliches Krankenhaus 1977<br />

1911 Alzing Genesungsheim der LVA, seit 1967 ordenseigen<br />

Schwesternheim St. Ludovika, seit 1989 Schwesternheim<br />

St. Hildegard<br />

1911 München Städt. Bürgerheim 1991<br />

1912 Bayreuth Kinderheim, -garten, ambul. Pflegestation,<br />

Caritas-Sozi<strong>als</strong>tation<br />

2007<br />

1912 München Herzogliches Georgianum (1912 – 1939;<br />

1950 – 1973; seit 1983)<br />

1912 Peiting Marienheim 1971<br />

1913 Hausstein Sanatorium am Hausstein bei Deggendorf 1975<br />

1913 München Orthopädische Klinik 1986<br />

1913 Reit im Winkl Gemeindliches Krankenhaus 1970<br />

1915 Bogen Bezirks-Kinderheim/Bewahranstalt 1938<br />

1916 Scheidegg i. Allg. Kinderheilstätte, Prinz-Luitpold-Kinderklinik 1982<br />

1917 München Gynäkologische Klinik 1979<br />

1919 Dietfurt Städt. Krankenhaus mit ambul. Krankenpflegestation<br />

(bis 1987)<br />

1974<br />

1919 München Gilmer’sche Klinik und Schlösser’sche<br />

Augenklinik<br />

1943<br />

Anhang<br />

297


<strong>Festschrift</strong> der <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern<br />

298<br />

Übernahme<br />

Ort Name der Einrichtung Abgabe<br />

1919 Ströging Altersheim Maria-Theresia-Anstalt 1921<br />

1919 Traunstein Städt. Bürgerheim 1970<br />

1920 Regensburg Städt. Krankenhaus an der Greflingerstraße 1929<br />

1920 Sonthofen Gemeindl. Krankenhaus 1970<br />

1920 Strullendorf Wald-Erholungsstätte 1937<br />

1922 Amberg Säuglingsheim 1936<br />

1922 Bamberg Entbindungsanstalt u. Hebammenschule, Staatl.<br />

Frauenklinik<br />

1971<br />

1923 Schongau Städt. Altersheim/Bürgerheim 1991<br />

1923 Unterhaching Marxhof, Erholungsheim, 1967 Neubau Schwesternheim<br />

St. Katharina Labouré, ordenseigen<br />

1925 München Bischöfliches Palais, Haushalt<br />

(1925 – 1952; seit 1977)<br />

1926 Partenkirchen Sanatorium Haus St. Hildegard 1975<br />

1927 Emmering Kinder-Erholungsheim „Walburga-Heim“ 1956<br />

1928 Grafenau Marienanstalt, Kinderbewahranstalt,<br />

Kindergarten<br />

1977<br />

1928 München Städt. Altersheim St. Josef am<br />

Luise-Kiesselbach-Platz<br />

1979<br />

1928 Schrobenhausen Pensionat St. Georgstift 1994<br />

1929 Fuchsmühl Marienheim, Kinderbewahranstalt, ambul. Pflegestation,<br />

ab 1953 auch Altenpflege<br />

1994<br />

1929 München Krankenhaus l.d.I., Dermatologische Abteilung,<br />

Thalkirchner Straße<br />

1995<br />

1929 Regensburg Krankenhaus der <strong>Barmherzige</strong>n Brüder,<br />

Frauenabeilung<br />

1995<br />

1929 Traunstein Erzbischöfliches Studienseminar, Haushalt 2003<br />

1930 München Maria-Theresia-Klinik, Chirurgische Privatklinik<br />

Prof. Lebsche, seit 1952 ordenseigen<br />

1930 Regensburg Domkapitel’sches Josefsheim/Pensionat 1978<br />

1931 Amberg Don Bosco Heim, Schülerheim 1937<br />

1931 München Ambul. Pflege beim Altenheim in Berg a. L.,<br />

ab 1971 Sozi<strong>als</strong>tation<br />

1985<br />

1932 Eichstätt Bischöfliches Palais, Haushalt 1935<br />

1933 München Reginastift 1945<br />

1934 Neumarkt/Rott Gut und Stift St. Veit 2004<br />

1934 München Kuranstalt/Chirurgische Privatklinik Dr.<br />

Rinecker<br />

1971<br />

1934 München Kuranstalt/Medizinische Privatklinik Dr. Müller 1985


Übernahme<br />

Ort Name der Einrichtung Abgabe<br />

1934 München Albertus-Stift (Leopoldstraße bzw.<br />

Werneckstraße)<br />

1977<br />

1934 Siegenburg Kinderheim u. -garten 1977<br />

1935 Berlin Bischöfliches Palais 1951<br />

1935 München Schwesternheim Sollner Straße, ordenseigen 1967<br />

1935 München Kinderheim St. Vinzenz 1945<br />

1936 Eichstätt Studienseminar St. Benedikt 1941<br />

1936 München Ambul. Krankenpflegestation St. Georg in<br />

Bogenhausen<br />

1952<br />

1937 München Villa Rosipal 1944<br />

1939 München Hilfs-Krankenhaus Max-Josef-Stift 1948<br />

1939 München Hilfs-Krankenhaus Pullach, Berchmanskolleg 1943<br />

1940 Landshut Hilfs-Krankenhaus Adelmannschloss 1965<br />

1940 München Hilfs-Krankenhaus Nymphenburg 1950<br />

1942 München Städt. Altersheim Schwabing, 1942 Lazarett,<br />

1945 Ausländerkrankenhaus der UNRRA, IRO,<br />

ab 1951 Altenheim<br />

1977<br />

1943 München Hilfs-Krankenhaus Waldtrudering 1948<br />

1944 Burgellern Ausweich-Krankenhaus* 1965<br />

1945 Indersdorf Marienheim im Auftrag der UNRRA 1946<br />

1945 München Krankenhaus am Biederstein 1973<br />

1946 Bogen Kinderheim, ab 1972 Pfarr-Kindergarten 1992<br />

1946 München Privatklinik Krecke-Klinik 1958<br />

1947 Achatswies Kinder-Krankenhaus bei Fischbachau (zu<br />

Schwabing gehörend)<br />

1970<br />

1947 Bad Tölz Darlappheim, Altenheim 1968<br />

1948 Ohlstadt Ausweich-Krankenhaus der Kinderklinik 1966<br />

1949 Indersdorf Kloster Indersdorf (Marienanstalt), Landfrauenschule,<br />

1952-1984 Haushaltungsschule, seit 1952<br />

Re<strong>als</strong>chule (1989 an Erzdiözese abgegeben), seit<br />

1949 Kindergarten St. Vinzenz (2003 an Franziskuswerk<br />

Schönbrunn abgegeben), ordenseigen<br />

von 1949 bis 1989 bzw. Kindergarten bis 2002<br />

1995<br />

1950 München Röntgen-Institut (zur Chirurgischen Klinik<br />

gehörend)<br />

1959<br />

1955 München Kindergarten in Berg am Laim 1986<br />

1959 München Schwesternheim Maria Regina,<br />

Schwesternwohnheim<br />

Anhang<br />

299


<strong>Festschrift</strong> der <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern<br />

300<br />

Übernahme<br />

Ort Name der Einrichtung Abgabe<br />

1959 München Krankenpflegeschule Maria Regina für freie<br />

katholische Schwestern, seit 1980 BFS für<br />

Krankenpflege<br />

1961 Deggendorf Pfarrkindergarten St. Martin 1986<br />

1964 Hengersberg Altersheim 1969<br />

1964 Inzell Schwesternerholungsheim St. Vinzenz,<br />

ordenseigen<br />

1965 Unterwössen Schwesternerholungsheim Bichlhof, ordenseigen<br />

1966 Ruhpolding Altenheim St. Anna, 1971 Neubau Altenheim St.<br />

Adelheid, ordenseigen<br />

1967 Regensburg Bischöfliches Studienseminar, Haushalt 1989<br />

1968 Teisendorf Seniorenwohnanlage mit Pflegeheim St.<br />

Elisabeth<br />

1971 Ruhpolding Krankenhaus Vinzentinum<br />

1971 Ruhpolding Krankenpflegehilfe-Schule, ab 1991 BFS für<br />

Krankenpflegehilfe<br />

1972 München Städt. Krankenhaus Neuperlach, Onkologische<br />

Abteilung<br />

1984<br />

1972 München Berchmanskolleg, Altenpflege<br />

(nach Unterhaching verlegt)<br />

1997<br />

1972 München Ambulante Krankenpflege St. Gertrud 1974<br />

1973 Lichtenfels Städt. Altersheim/Mayacher Stiftung 1994<br />

1973 München Internes Krankenhaus Neuwittelsbach,<br />

ordenseigen<br />

1973 München Städt. Altenheim 1987<br />

1974 Dietfurt Caritas-Altenheim 1997<br />

1974 Trostberg Kreis-Krankenhaus (kleine Gruppe von<br />

Schwestern)<br />

1976<br />

1975 Indersdorf Sozi<strong>als</strong>tation Dachau 1978<br />

1976 Regensburg Kinder-Zentrum St. Vinzenz, Heilpädagogisches<br />

Kinderheim<br />

1997<br />

1977 Gräfelfing Caritas-Altenheim St. Gisela 1996<br />

1977 Inzell Gemeinde-Krankenhaus 1998<br />

1979 München Caritas-Sozi<strong>als</strong>tation Sendling 1987<br />

1981 Plattling Caritas-Sozi<strong>als</strong>tation St. Vinzenz 2004<br />

1982 Frontenhausen Mechtildisheim 2001<br />

1983 München Deutsches Herzzentrum (Krankenhausseelsorge)<br />

1986 München Caritas-Sozi<strong>als</strong>tation Haidhausen 1987<br />

1986 München Haus Benedikt Labré, Obdachlosen-Betreuung


Übernahme<br />

Ort Name der Einrichtung Abgabe<br />

1987 Unterwössen Schwesternerholungsheim Haus Luise,<br />

ordenseigen<br />

1987 Wolfratshausen Erzbischöfliches Spätberufenen-Seminar St.<br />

Matthias in Waldram<br />

1988 München Passionisten-Kloster St. Gabriel (Haushalt) 2001<br />

1988 München Haus Mechtild/Noviziat, seit 2007 Haus der<br />

Stille, ordenseigen<br />

1988 München Der Jakobsbrunnen, erst Laim, dann Haus<br />

Mechtild, seit 1997 in Lochham<br />

1990 München Johannes-Hospiz der <strong>Barmherzige</strong>n Brüder 1995<br />

1991 München „Oase“ Pfarrgemeinde St. Margret<br />

1995 Ruhpolding BFS für Altenpflege, ordenseigen<br />

1995 Fachendorf Katharinenhof in Pittenhart, ordenseigen<br />

1996 Oberschleißheim Alten- und Pflegeheim für Obdachlose, Haus St.<br />

Benno<br />

1997 München Caritas-Sozi<strong>als</strong>tation in Berg am Laim 1999<br />

1999 Kajov Projekt Tschechien, Pfarrseelsorge,<br />

Gemeindecaritas<br />

2002 München Projekt OMNIBUS<br />

2007 München Neues Mutterhaus in Berg am Laim, ordenseigen<br />

ambul. = ambulante; städt. = städtisch; staatl. = staatlich; Mtths. = Mutterhaus<br />

* Auf die Auflistung der zahlreichen Ausweichkrankenhäuser der Münchner Kliniken,<br />

in denen die Schwestern tätig waren, wurde hier aus Platzgründen verzichtet.<br />

Quelle: BSMüA 017, Niederlassungsverzeichnisse<br />

Anhang<br />

301


<strong>Festschrift</strong> der <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern<br />

302<br />

Die <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern<br />

Gedicht König Ludwig I.<br />

Gedruckt 1844 in der Zeitschrift „Sion“<br />

Engel, die im irdischen Gefilde<br />

nur allein dem Wohl der Menschen leben,<br />

Güte sind sie, sie sind Liebe, Milde,<br />

haben sich den Leidenden gegeben.<br />

Gott anbeten und die Kranken pflegen,<br />

ein ununterbrochenes Selbstverleugnen<br />

ist ihr Daseyn, keinen Wunsch sie hegen,<br />

sind sich gleich, was sich auch mag ereignen.<br />

Nicht die Körper, die allein genesen,<br />

auch die Seelen ihr Bemühen rettet,<br />

sie verändern ganz des Menschen Wesen,<br />

lösen, was ihn an die Sünde kettet.<br />

Endelos ihr gänzliches Entsagen,<br />

geh‘n dem Tode immerfort entgegen,<br />

unaufhörlich sie das Leben wagen,<br />

überall verbreitend Ruh‘ und Segen.<br />

Heil‘ge Jungfrau‘n, Gottes muth‘ge Schaaren,<br />

heldenhafter <strong>als</strong> des Krieges Helden;<br />

denn kein Ruhm, wie groß auch die Gefahren,<br />

ihre Todsverachtung wird vergelten.<br />

Ihnen wird kein Lohn jem<strong>als</strong> auf Erden,<br />

was auch wären ihnen ird‘sche Kronen!<br />

Jenseits nur kann Lohn denselben werden,<br />

Himmlisches sich bloß im Himmel lohnen.<br />

Christus, Du nur kannst die Willen lenken,<br />

Du nur kannst die Herzen so entzünden,<br />

dass, sich selbst vergessend, sie sich senken<br />

ganz in Liebe, die nicht zu ergründen.


Literaturverzeichnis<br />

Adelholzener Alpenquellen GmbH, Manuskript der <strong>Festschrift</strong> <strong>zum</strong> 100-<strong>jährigen</strong><br />

<strong>Jubiläum</strong> der Übernahme des Betriebs durch die <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern (2007)<br />

Bartholmä, Friedrich, Die <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern in München in bezug auf Krankenpflege.<br />

Eine Stimme an unsere Zeit, Verlag M. S. Kreuzer, Augsburg 1838.<br />

Behrend-Rosenfeld, Else R., Ich stand nicht allein, Leben einer Jüdin in Deutschland<br />

1933-1944, Verlag C.H.Beck, München 1988, Tagebuchaufzeichnungen, erstm<strong>als</strong><br />

erschienen 1945.<br />

Brentano, Clemens von, Die <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern, 2. Auflage, Mainz 1852.<br />

Buchberger, Michael (Hg.), Die Kulturarbeit der katholischen Kirche in Bayern,<br />

München 1920.<br />

Buchborn, Eberhard (Hg.), Vom Allgemeinen Krankenhaus zur Medizinischen Klinik<br />

Innenstadt der Ludwig-Maximilians-Universität, München 1988.<br />

300 Jahre <strong>Barmherzige</strong> Schwestern vom Heiligen Vinzenz von Paul 1633-<br />

1933, 100 Jahre Welt-Vinzenz-Verein 1833-1933, Hanns Eder-Verlag, München<br />

1933.<br />

Eder, Manfred, Helfen macht nicht ärmer, Von der kirchlichen Armenfürsorge zur<br />

modernen Caritas in Bayern, Altötting 1997.<br />

Förg, Gabriele (Hg.), Bayern – Land mit Löwenspuren, Geschichten aus der bayerischen<br />

Geschichte, Allitera Verlag, München 2005.<br />

Frings, Bernhard, Mit ganzem Herzen, Hundert Jahre Missionsschwestern vom Heiligen<br />

Herzen Jesu von Hiltrup, Laumann-Verlag, 2000.<br />

Gebhardt, M. Caritas Schwester, Die <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern in der NS-Zeit, in:<br />

Das Erzbistum München und Freising in der Zeit der nation<strong>als</strong>ozialistischen Herrschaft,<br />

hrsg. Von Georg Schwaiger, Sonderdruck, Verlag Schnell & Steiner, München,<br />

Zürich 1984.<br />

Dies., Geschichte der barmherzigen Schwestern vom hl. Vinzenz von Paul,<br />

Mutterhaus München, Typoskript, kurz Mutterhauschronik genannt, Fortführung<br />

(bis 1974) und Überarbeitung einer im Jahr 1953 handgeschriebenen<br />

Chronik von Sr. M. Emma Mayer (starb 1978). Diese <strong>Barmherzige</strong> Schwester war<br />

von 1925 – 1967 im Schreibzimmer des Mutterhauses beschäftigt, hatte <strong>als</strong>o engen<br />

Kontakt mit der Ordensleitung. Diese Chronik basiert auf der Briefchronik und<br />

schöpft aus persönlichen Erinnerungen von Schwester Emma ohne Anspruch auf<br />

Vollständigkeit. Da der Autorin nur die digitale Form der Mutterhauschronik vorlag,<br />

bezeichnen alle Seitenangaben die jeweiligen Bildschirmseiten.<br />

Glowatzki, Herbert CM (gesammelt), Gedrängt vom Erbarmen, Worte des heiligen<br />

Vinzenz von Paul, Salzkotten 1959.<br />

303


<strong>Festschrift</strong> der <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern<br />

304<br />

Häberl, Franz Xaver, Abhandlung über öffentliche Armen- und Krankenpflege, München<br />

1813<br />

Hauber, Michael, Allgemeine Statuten des Ordens der <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern des<br />

hl. Vinzenz von Paul im Königreich, München 1835.<br />

Ders., Zwölf gottselige Betrachtungen über die Vorzüge und Pflichten des Ordens der<br />

BS <strong>als</strong> Armen- und Krankenpflegerinnen in den Spitälern, Sulzbach 1835.<br />

Hausberger, Karl / Hubensteiner, Benno, Bayerische Kirchengeschichte, Süddeutscher<br />

Verlag GmbH, München 1985.<br />

Hubensteiner, Benno, Bayerische Geschichte, Staat und Volk, Kunst und Kultur, München<br />

1980<br />

Kasberger, Erich / Knauer-Nothaft, Christl, Berg am Laim. Von den Siedlungsanfängen<br />

<strong>zum</strong> modernen Stadtteil Münchens, Volk Verlag, 2006.<br />

Kerschensteiner, Hermann, Geschichte der Münchner Krankenanstalten, Verlag J.F.<br />

Lehmann, München, Berlin 1939.<br />

Kobell, Luise von , Luise von Kobell und die Könige von Bayern, Historien und Anekdoten<br />

anno 1790 – 1890, Hg. Kurt Wilhelm, Ehrenwirtverlag, München 1980.<br />

Kongregation der <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern vom hl.Vinzenz von Paul, Mutterhaus<br />

München (Hg.), Alten- und Pflegeheim Waldsanatorium Planegg, <strong>Festschrift</strong><br />

zur Einweihung am 19.02.2003, anlässlich des Abschlusses der Gener<strong>als</strong>anierung,<br />

München 2003.<br />

Dies. (Hg.), Alten- und Pflegeheim St. Michael Berg a. Laim, <strong>Festschrift</strong> zur Einweihung<br />

am 22.07.2004, anlässlich des Abschlusses der Gener<strong>als</strong>anierung, München<br />

2004.<br />

Dies. (Hg.), Gedenkfeier anlässlich des 150<strong>jährigen</strong> Wirkens der <strong>Barmherzige</strong>n<br />

Schwestern in Bayern am 10.März 1982, Seitz-Verlag, München 1982.<br />

Dies. (Hg.), Lebensordnung der Kongregation der <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern vom<br />

hl. Vinzenz von Paul Mutterhaus München, München 1985.<br />

Dies./St.Vinzentius Zentralverein München (Hg.), 400 Jahre Vinzenz von Paul<br />

1581-1981, Predigten und Ansprachen, München 1981.<br />

Kopp, Franz Xaver, Generalbericht über die Choleraepidemie 1836-1837 in München,<br />

München 1837.<br />

Kunz, Irene, Grundausbildung und Spezialisierung in der Krankenpflege. Zwischen<br />

1800 und 1960. Med. Diss. Freiburg 1984.<br />

Laube, Volker, Fremdarbeiter in kirchlichen Einrichtungen im Erzbistum München<br />

und Freising, 1939 – 1945, Eine Dokumentation, Schriften des Archivs des Erzbistums<br />

München und Freising, Bd. 7, Regensburg 2005.<br />

Locher, Wolfgang Prof. Dr., 100 Jahre Chirurgische Universitätsklinik München an<br />

der Nußbaumstraße, München 1991.<br />

Ders., 150 Jahre Dr. von Haunersches Kinderspital 1846 – 1996, München 1996.<br />

Ders./Scriba, Peter C., Prof. Dr. Dr. hc. (Hg.), Zum Abschied der <strong>Barmherzige</strong>n<br />

Schwestern, Feierstunde zur Verabschiedung der <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern vom Hl.


Literaturverzeichnis<br />

Vinzenz von Paul aus der Medizinischen Klinik Innenstadt in München am 8.Juni<br />

2000, München 2000.<br />

Martin, Anselm, Geschichtliche Darstellung der Kranken- und Versorgungsanstalten<br />

zu München mit medizinisch-administrativen Bemerkungen aus dem Gebiet der<br />

Nosokomialpflege, Georg Franz Verlag, München 1834.<br />

Nicolai, Frauke, 650 Jahre Fürsorge und Pflege, Ein Bericht <strong>zum</strong> <strong>Jubiläum</strong> der Heilig-<br />

Geist-Spital-Stiftung der Stadt Landsberg, Landsberg/Augsburg 1999.<br />

Riehl, Hans, Märchenkönig und Bürgerkönige, Wittelsbacher Geschichte(n)<br />

1808 – 1918, Verlag W. Ludwig, Pfaffenhofen 1979.<br />

Rosmus, Anna, Wintergrün, Verdrängte Morde, Konstanz 1993.<br />

Sauer, Sr. M. Sigram O.S.B. (zusammengestellt), Das Mutterhaus der Missionsbenediktinerinnen<br />

von Tutzing in schwerer Zeit, Tutzing 2003.<br />

Schad, Martha, Bayerns Königinnen, Piper-Verlag, München/Zürich 2005.<br />

Scherer, Emil Clemens, Die Kongregation der <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern von Straßburg.<br />

Ein Bild ihres Werdens und Wirkens von 1734 bis zur Gegenwart. (Forschungen<br />

zur Kirchengeschichte des Elsaß Bd. 2), Butzon & Bercker, Kevelaer 1930.<br />

Ders., Schwester Ignatia Jorth und die Einführung der <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern in<br />

Bayern, Gilde-Verlag, Köln 1932.<br />

Seidler, Eduard, Geschichte der Pflege des kranken Menschen, 3. Aufl., Stuttgart<br />

1966.<br />

Sintzel, Michael, Erinnerungen an die wohlerwürdige Frau Ignatia Jorth, Gründerin<br />

und erste General-Oberin des Ordens der <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern in Bayern,<br />

München 1845.<br />

Ders., Geschichte der Entstehung, Verbreitung und Wirksamkeit des Ordens der <strong>Barmherzige</strong>n<br />

Schwestern, Regensburg 1847.<br />

Sporer, Irmgard, Das Mutterhaus der <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern vom Heiligen Vinzenz<br />

von Paul von München, Med. Diss. TU München 1988.<br />

Sterner, Lieselotte, Die Kongregation der <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern vom hl. Vinzenz<br />

von Paul in Hildesheim von 1852 bis <strong>zum</strong> Zweiten Vatikanischen Konzil, Untersuchung<br />

einer karitativen Ordensgemeinschaft vor dem Hintergrund der sozialen<br />

und politischen Entwicklung im 19. und 20. Jahrhundert, Hannover 1999.<br />

Thorr, Joseph, Darstellung der baulichen und inneren Einrichtungen eines Krankenhauses<br />

durch die Organisationsverhältnisse des städtischen allgemeinen Krankenhauses<br />

in München erläutert. Nebst einer Übersicht der Leistungen dieser Anstalt<br />

vom Jahre 1820-1846, München 1847.<br />

Ders., Die Leistungen des allgemeinen Krankenhauses in München von der Eröffnung<br />

bis <strong>zum</strong> Jahre 1854, München 1854.<br />

Walther, Philipp Franz Dr. von, Über den finanziellen Zustand des allgemeinen Krankenhauses<br />

in München im Jahre 1835.<br />

305


306<br />

Bildnachweis<br />

Allgemeines Krankenhaus in München, Lithographie von Carl August Lebschée<br />

(1800 – 1877) um 1830, S. 20, Ausschnitt aus Stadtkarte München, S. 162, Wiedergabe<br />

mit freundlicher Genehmigung des Stadtarchivs München.<br />

König Ludwig I., S. 22, Königin Caroline, S. 85 und Königin Therese, S. 137, Gemälde<br />

von Joseph Stieler (1781 – 1858), Wiedergabe mit freundlicher Genehmigung des<br />

Wittelsbacher Ausgleichsfonds, München.<br />

Professor Johann Nepomuk von Ringseis, S. 38, Gemälde von Joseph Stieler, Wiedergabe<br />

mit freundlicher Genehmigung des Bayerischen Nationalmuseums.<br />

Grafiken S. 78, 134, 135, 156, 246, 260, 265, 267 von der Autorin erstellt.<br />

Fahrkarte, S. 47, Wiedergabe mit freundlicher Genehmigung von Frau Therese Weiß,<br />

der ehemaligen Besitzerin des Hotelgasthofs zur Post in Fürstenfeldbruck (früher<br />

Postkutschenstation).<br />

Alle weiteren Abbildungen sind dem Fotobestand des Mutterhauses München<br />

entnommen.


Archivalienverzeichnis<br />

Archiv des Instituts für Geschichte der Medizin der Universität<br />

München<br />

Bestand Krankenhaus links der Isar<br />

340/III Übereinkunft des Magistrats mit dem Orden der <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern<br />

über die Verpflegung und das Dienstpersonal.<br />

734/1 Wiederherstellung des Ordens der <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern. I. Epoche<br />

1826/1831.<br />

734/2 Wiederherstellung des Ordens der <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern. II. Epoche ab<br />

1832.<br />

734/3 Die Einführung des Instituts der <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern in auswärtigen<br />

Krankenhäusern.<br />

740 Geldbezüge der <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern im Krankenhause links der Isar.<br />

1846 – 1853.<br />

Archiv des Mutterhauses der <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern in München<br />

Gesamtbestand gesichtet.<br />

Wichtiger Hinweis: Mit der Verlegung des Archivs ins neue Mutterhaus wird<br />

eine Neuordnung der Bestände vorgenommen. Die hier gemachten Angaben<br />

beziehen sich noch auf die alte Ordnung des Archivs.<br />

Bayerisches Hauptstaatsarchiv<br />

MK 49353 <strong>Barmherzige</strong> Schwestern v. Hl. Vinzenz von Paul. Bestätigung der<br />

Körperschaftsrechte.<br />

MK 69469 Gesamtverwaltung der Universitätskliniken links der Isar. Verwendung des<br />

Mutterhauses der <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern 1959 – 1972.<br />

MInn 89195 Rechtsstatus des Ordens der <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern vom Hl. Vinzenz<br />

von Paul in München 1946.<br />

307


<strong>Festschrift</strong> der <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern<br />

308<br />

Archiv des Erzbistums München und Freising<br />

AEM, NL-Pfaffenbüchler Nr.1.<br />

Erzbischöfliches Archiv der Diözese München und Freising<br />

EAM, Erzbischöfe 1821 – 1917, Karton 3 und 15a.<br />

EAM, NL Faulhaber, 5501, 5660-66, 8182, 8183, 8186, 8187, 8189.<br />

Staatsarchiv München<br />

Mü LRA 58779, Kloster- und Ordensangelegenheiten, 1828.<br />

LRA 59135, Maßregeln gegen die Cholera.<br />

RA 2529, 51019, <strong>Barmherzige</strong> Schwestern in München, Aufstellung eines Superiors,<br />

1884.<br />

RA 3675 Das Krankenhaus in der Stadt München, 1839 1863.<br />

RA 3675, 57251, Das Krankenhaus in München l. d. Isar, 1864 – 1905.<br />

Stadtarchiv München<br />

Krankenanstalten, Nr. 42, Krankenpflege durch <strong>Barmherzige</strong> Schwestern und Diakonissen,<br />

1819 – 1868.<br />

Ebd., Nr. 43, Öffentlicher Bericht von Krankenhausinspektor Thorr 1854.<br />

Ebd., Nr. 72, Superioren, 1832 – 1914.<br />

Ebd., Nr. 76, Weltliche Krankenpflegerinnen, 1919 – 1939.<br />

Ebd., Nr. 77, NS-Schwestern, weltliche Schwestern, 1939 – 1941.<br />

Ebd., Nr. 217, Städtisches Sanatorium Harlaching.<br />

Stadtchronik.


Abkürzungsverzeichnis<br />

AEM Archiv der Erzdiözese München und Freising<br />

BSMüA Archiv des Mutterhauses der <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern in<br />

München<br />

GeschMedMüA Archiv des Instituts für Geschichte der Medizin der Universität<br />

München<br />

BayHStA Bayerisches Hauptstaatsarchiv München<br />

EAM Erzbischöfliches Archiv der Erzdiözese München und Freising<br />

Jhg. Jahrgang<br />

Krankenhaus l.d.I. Krankenhaus links der Isar, früher Allgemeines Krankenhaus, jetzt<br />

Medizinische Klink der Innenstadt in der Ziemssenstraße<br />

Mutterhauschronik Schwester M. Caritas Gebhardt, Die Geschichte der <strong>Barmherzige</strong>n<br />

Schwestern vom hl. Vinzenz von Paul, Mutterhaus München,<br />

Typoskript<br />

NL Nachlass<br />

StAM Staatsarchiv München<br />

StadtAM Stadtarchiv München<br />

SZ Süddeutsche Zeitung<br />

309


310<br />

Anmerkungen<br />

1 Martin, 1834, , S.73, aus Bericht des Innenministeriums zur Aufhebung des<br />

Elisabethspit<strong>als</strong>.<br />

2 Ebd., S. 87.<br />

3 Ebd. S. 87.<br />

4 Kerschensteiner, 1939, S. 186.<br />

5 BSMüA, Königliches Reskript v. 29.07.1827, IV.<br />

6 Ebd., VII.<br />

7 GeschMedMüA, 734/1, Straßburger Generalvikar Liebermann an Dompropst<br />

von Streber, 05.04.1828, Abschrift vom 9.04.1828.<br />

8 Ebd., Brief der Straßburger Generaloberin, Sr. Vinzenz Sultzer, an den Magistrat<br />

vom 14.09.1828.<br />

9 Ebd., Brief des Straßburger Generalvikars an das Münchner Ordinariat vom<br />

12.12.1828, Abschrift.<br />

10 Zitiert nach Scherer, Schwester Ignatia Jorth, S. 28.<br />

11 GeschMedMüA 734/1, Straßburger Generaloberin an Magistrat, 26.02.1830.<br />

12 Zitiert nach<br />

Generaloberin.<br />

Scherer, S. 32, Brief von Sr. Mechtildis an Straßburger<br />

13 StadtAM, Stadtchronik.<br />

14 Bayerischer Volksfreund vom 29.04.1830, BayHStA, M Inn Nr. 61673.<br />

15 Zitiert nach Scherer, S. 35.<br />

16 BSMüA,01 Mappe 2.<br />

17 Ebd.<br />

18 Zitiert nach Scherer, S. 38, Brief von Pater Rupert Leiß an Superior Thomas.<br />

19 Aus GeschMedMüA 734/2.<br />

20 GeschMedMüA, 734/1.<br />

21 BSMüA, 01 Mappe 7, Schwester Ignatia Jorth, Presseberichte und Stadtchronik<br />

behaupten, die beiden Straßburger Schwestern seien in Dachau von der Magistratsdelegation<br />

empfangen worden. Sie gingen demnach davon aus, dass die Schwestern die Route<br />

über Dachau, nicht über FFB genommen hätten. Anzunehmen ist, dass sich dieser Irrtum<br />

aufgrund mangelnder Recherche vonseiten der Presse eingeschlichen hat und unbesehen übernommen<br />

wurde.<br />

22 StadtAM, Stadtchronik.<br />

23 GeschMedMüA, 734/2, Übereinkunft vom Januar 1832 und BSMüA, 01<br />

Mappe 2.<br />

24 BSMüA, 02 Mappe 8, 1834-1847, Schreiben der Oberin an Magistrat vom<br />

4.10.1834.


25 Zitiert nach Scherer, S. 54/55.<br />

26 Ebd. S. 55/56, Bericht der Krankenhauskommission vom 5. April 1833.<br />

27 Ebd., S. 59/60, Festpredigt von Döllinger.<br />

28 Ebd., S. 173.<br />

29 Ebd.<br />

30 Ebd., S. 161/162.<br />

31 BSMüA 20 Generaloberinnen, Sr. Ignatia Jorth, Brief des Münchner Ordinariats<br />

an Magistrat wg. Aufenthaltsverlängerung 5.8.1834.<br />

32 BSMüA, 01 Mappe 2, auch in 01 Mappe 1 und 03 Mappe 3, Eingabe Ignatias<br />

vom 24. April 1835.<br />

33 Zitiert nach Scherer, S. 73, Brief Sr. Ignatias an Straßburger Generaloberin.<br />

34 BSMüA, 03 Mappe 8, Königliches Reskript vom 30. Mai 1835.<br />

35 BSMüA, 03 Mappe 3, Brief Sr. Ignatias an das Mutterhaus in Straßburg am<br />

25.06.1836.<br />

36 Kopp, Franz Xaver, 1837, S. 173.<br />

37 BSMüA, 03 Mappe 3, Brief Sr. Ignatias an Mutterhaus Straßburg am 25.06.1833.<br />

38 Walther, 18, S. 8.<br />

39 Vgl. <strong>zum</strong> Mutterhausbau BSMüA, 02, auch zu den folgenden Kostenangaben;<br />

zu der Debatte bei den Landständen hier auch Exemplare der Münchner Politischen<br />

Zeitung vom 06.11.1837.<br />

40 BSMüA, 03 Mappe 3, Brief Sr. Ignatias an Mutterhaus Straßburg am 05.08.1836.<br />

41 Zitiert nach Scherer, S. 96.<br />

42 Ebd.<br />

43 Ebd., S. 103/104, Brief Sr. Ignatias an Sr. Vinzenz Sultzer am 4.8.1833.<br />

44 Ebd., S. 104, Brief Sr. Ignatias an Sr. Vinzenz Sultzer, einige Wochen später <strong>als</strong><br />

4.8.1833.<br />

45 Ebd.<br />

46 Ebd., S. 107.<br />

47 Ebd., S. 119.<br />

48 Ebd., S. 124.<br />

49 Ebd.<br />

50 BSMüA 30, Personalbücher 1832-1879.<br />

51 Scherer, S. 143.<br />

52 GeschMedMüA, 734/2 und BSMüA 01 Mappe 2, Schreiben des Magistrats an<br />

Generaloberin Sr. Ignatia Jorth, anlässlich der Überreichung eines Silberkreuzes am<br />

24. Mai 1836.<br />

53 Zitiert nach Scherer, S.199 Brief Sr. Ignatias an Straßburger Ordensleitung ca.<br />

Ende Mai 1836.<br />

54 Ebd., S. 217.<br />

55 Ebd., S. 224.<br />

56 Vgl. BSMüA 30, Personalbücher 1832–1879, 1880–1901.<br />

Anmerkungen<br />

311


<strong>Festschrift</strong> der <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern<br />

312<br />

57 Vgl. BSMüA, 017 Niederlassungen.<br />

58 BSMüA, 1026, Henlesche Stiftung.<br />

59 Ebd., Brief des Augsburger Superiors an den Münchner Superior vom<br />

11.09.1895.<br />

60 Ebd., Antwortschreiben des Münchner Superiors an den Augsburger Superior<br />

61<br />

vom 17.09.1895.<br />

Buchborn, S. 9.<br />

62 GeschMedMüA, 734/1, Thorrbericht.<br />

63 Buchborn, S. 3.<br />

64 Kerschensteiner, S. 185/186.<br />

65 Ebd., S. 187.<br />

66 GeschMedMüA, 734/1, Thorrbericht.<br />

67 Statuten von 1835, § 2.<br />

68 Vgl. zu allen folgenden Angaben zu Pflegeausbildung BSMüA 50, 3300, 3301,<br />

3305 und Mutterhauschronik.<br />

69 BSMüA, 03 Mappe 3, Brief Sr. Ignatias an Sr. Vinzenz Sultzer am 5.8.1836.<br />

70 Nicolai, Frauke, 1999, S. 13.<br />

71 Angaben aus dem Gener<strong>als</strong>ekretariat des Mutterhauses, Sr. Anna Maria<br />

Burgauer, Dezember 2006.<br />

72 Kerschensteiner, S. 241.<br />

73 Ebd.<br />

74 Gebhardt, Mutterhauschronik, S. 46.<br />

75 Kobell, S. 317.<br />

76 Kerschensteiner, S. 258.<br />

77 Gebhardt, Mutterhauschronik, S. 74.<br />

78 Kopp, S. 74/75.<br />

79 Vgl. Kerschensteiner und Kobell.<br />

80 Gebhardt, Mutterhauschronik, S. 96.<br />

81 Kerschensteiner, S. 293, Direktor Friedrich von Müller über Spanische Grippe.<br />

82 Gebhardt, Mutterhauschronik, S. 118.<br />

83 BSMüA, 60 Lazarettpflege.<br />

84 Alle folgenden Angaben aus BSMüA, 60 Lazarettpflege.<br />

85 BSMüA, 03 Mappe 3, Brief der Straßburger Generaloberin an Münchner Gene-<br />

raloberin, 23. 10.1870.<br />

86 Alle folgenden Angaben aus BSMüA, 60 Lazarettpflege.<br />

87 Ebd., Kriegstagebuch von Sr. M. Alma Mack.<br />

88 Ebd., Bericht von Sr. M. Magdalena Barnickel.<br />

89 Ebd.<br />

90 Vgl. zu Revolution und Inflation Gebhardt, Mutterhauschronik, S. 122 – 124.<br />

91 Kerschensteiner, S. 289.


92 aus Internet: http://www.dhm.de/lemo/html/weimar/revolution/raeterepublik/<br />

index.html.<br />

93 aus Internet: http://www.br-online.de/wissen-bildung/collegeradio/medien/<br />

94<br />

geschichte/revolution3. Vgl. Neue Schriftenreihe des Stadtarchivs München, Bd.<br />

Nr. 29, Revolution und Räteherrschaft in München.<br />

Kerschensteiner, ebd.<br />

95 Gebhardt, Mutterhauschronik, S. 123.<br />

96 Diese und die folgenden Angaben zur Statistik zu Niederlassungen aus BSMüA<br />

017.<br />

97 BSMüA 03 Mappe 8, Hillerchronik.<br />

98 BSMüA 30 Mitgliederverzeichnisse.<br />

99 Hauber, Allgemeine Statuten, 1835, auch in BSMüA, 03 Mappe 8, Statuten<br />

von 1835, Königliches Reskript vom 30. Mai 1835.<br />

100 Ebd.<br />

101 Ebd.<br />

102 Zur geplanten Mutterhausverlegung vgl. BSMüA 05,06,07 und BayHStA, MK<br />

39646, Mutterhaus der BS, Verlegung des Mutterhauses, 1927 – 1939.<br />

103 Gebhardt, Mutterhauschronik, S. 121.<br />

104 Zu Adelholzen vgl. Gebhardt, Mutterhauschronik und BSMüA 020, darin u. a.<br />

Haslberger, Alfons (Kurat),Wildbad Adelholzen, Einst und jetzt, Ein Führer<br />

zu seinen Heilquellen, in seiner Geschichte und Umgebung, 1913 und<br />

Neuauflage 1925.<br />

105 zitiert nach Manuskript der <strong>Festschrift</strong> <strong>zum</strong> 100-<strong>jährigen</strong> <strong>Jubiläum</strong> der Übernahme<br />

der Adelholzener Alpenquellen durch die <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern (2007)<br />

106 AEM, NL Pfaffenbüchler Nr. 1, Pacelli an Pfaffenbüchler 5.1.1932.<br />

107 Vgl. zu den folgenden Angaben und Zitaten BSMüA 208, Ordensregel-Statuten,<br />

Beilage zur Ordensregel der <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern des Mutterhauses<br />

München, Innere Verfassung und Verwaltung, 05.11.1895.<br />

108 Gebhardt, Mutterhauschronik, S. 141.<br />

109 Ebd.<br />

110 EAM-NL Faulhaber, V 5662, <strong>Barmherzige</strong> Schwestern 1933 – 1945, Schreiben<br />

an die bayerischen Bischöfe vom 12.07.1934.<br />

111 Gebhardt, Mutterhauschronik, S. 132, Stand vom 10.03.1932; die abweichende<br />

Angabe von 143 Kandidatinnen im Jahr 1932 in BSMüA 30 Status des Ordens ab<br />

1828, alte Liste, erklärt sich daraus, dass dort der Stand vom 31.12.1932 genannt<br />

wird, inzwischen waren einige dieser Kandidatinnen eingekleidet worden und wurden<br />

somit zu den Novizinnen gerechnet. Allerdings gibt es für die Mitgliederzahlen<br />

ab 1932 eine neue Liste, bei der es zu der alten Liste geringfügige Abweichungen<br />

gibt. Da aber Schwester M. Emma Mayer die neue Liste mit den Polizeianmelde-,<br />

Profess- und Totenbüchern abgeglichen hat, stützt sich die Autorin mit ihren Statistiken<br />

ab 1932 auf die neue Liste. Für 1932 nennt die neue Liste eine Gesamtzahl der<br />

Anmerkungen<br />

313


<strong>Festschrift</strong> der <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern<br />

314<br />

Mitglieder von 2631 und eine Kandidatinnenzahl von 139. Die Zahlen der neuen<br />

Liste weichen <strong>als</strong>o geringfügig nach unten ab. Scherer spricht im <strong>Jubiläum</strong>sjahr<br />

sogar von 194 Kandidatinnen, eine Zahl, die zwar von späteren Autoren übernommen<br />

wurde, aber nicht verifizierbar ist.<br />

112 EAM NL Faulhaber V 5660, Mutterhaus der BS 1919 – 1933.<br />

113 BSMüA 10, Festbrief von Superior Pfaffenbüchler zur 100-Jahrfeier.<br />

114 AEM, NL Pfaffenbüchler Nr. 1, Pacelli an Pfaffenbüchler, Vatikan 20.8.1932.<br />

115 Gebhardt, Mutterhauschronik, S. 133.<br />

116 Zitiert nach Eder, Manfred, Helfen macht nicht ärmer, S. 480, Geheimanweisung<br />

des Reichssicherheitsdienstes vom 15.2.1938.<br />

117 Gebhardt, Die <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern in der NS-Zeit, S. 693/694.<br />

118 BSMüA 801, Zeitungsausschnitte, SA-Mann vom 8.5.1937.<br />

119 BSMüA 803, Widerstand gegen das Nazi-Regime und Verfolgte, Bericht<br />

vom Stadtjugendamt an Superior Pfaffenbüchler vom 18.2.1937.<br />

120 BayHSTA MK 39646, Mutterhaus der BS, Verlegung des Mutterhauses,<br />

1927 – 1939, Vertrag vom 2.3.1937 zwischen Stadt und Orden.<br />

121 Völkischer Beobachter vom 1.1.1938, zitiert nach Gebhardt, Die <strong>Barmherzige</strong>n<br />

Schwestern in der NS-Zeit, S. 700/701.<br />

122 Siehe zu Folgendem StAM, Krankenanstalten Nr. 77, NS-Schwestern, weltliche<br />

Schwestern 1939 – 41.<br />

123 Ebd., Schreiben der Gauleitung der NSDAP, Gau München-Oberbayern an<br />

Münchner Oberbürgermeister, 18.12.1939.<br />

124 Ebd., Bericht der Krankenhausverwaltung vom Krankenhaus r.d.I. vom<br />

12.1.1940.<br />

125 Siehe zu folgendem Vorgang BayHSTA MK 39646, Mutterhaus der BS, Verlegung<br />

des Mutterhauses, 1927 – 1939.<br />

126 Ebd., Rechtsgutachten vom 28.10.1937 von Fiskalreferent Mayr im Auftrag des<br />

OB Fiehler erstellt.<br />

127 Ebd., OB an Kultusministerium in einem geheimen Schreiben vom 25.11.1937.<br />

128 Ebd., OB zitiert in Schreiben an Kultusministerium vom 16.5.1938 aus dem<br />

Schreiben Hilgenfeldts an OB vom 29.12.1937.<br />

129 Gebhardt, Mutterhauschronik, S. 142, hier auch die Angaben zu den Austritten<br />

entnommen.<br />

130 Gebhardt, Die <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern in der NS-Zeit, S. 702.<br />

131 EAM NL Faulhaber, 8186 Besteuerung der Orden, Beschränkung des Nachwuchses,<br />

Erlass des Arbeitsministers vom 29.9.1940 an die Präsidenten der<br />

Landesarbeitsämter.<br />

132 Ebd., Aktenvermerk, Konferenz München 1942 <strong>zum</strong> Ordensnachwuchs.<br />

133 Siehe dazu BSMüA024 Bukarest; EAM NL Faulhaber, 5666 <strong>Barmherzige</strong><br />

Schwestern in Bukarest.<br />

134 Gebhardt, Mutterhauschronik, S. 136.


135 BSMüA 80, Brief des Beauftragten für KLV im Gau München-Oberbayern der<br />

NSDAP i.A. Oberstaller am 31.März 1941 an das Kurhaus Adelholzen.<br />

136 BSMüA 601 Lazarettpflege im II. Weltkrieg, Mappe 2.<br />

137 Gebhardt, Mutterhauschronik, S. 139.<br />

138 Ebd.<br />

139 Behrend-Rosenfeld, Else, Ich stand nicht allein, 1988, S. 114, siehe auch S. 113,<br />

128/129.<br />

140 Ebd., S. 129.<br />

141 BSMüA 802 III. Reich-Judenverfolgung, Schreiben von Helmut Lisberger vom<br />

17.2.1991, zu der Heimanlage in Berg am Laim siehe auch Kasberger, Erich/<br />

Knauer-Nothaft Christl, Berg am Laim, 2006, Beitrag von Erich Kasberger zu der<br />

„Heimanlage für Juden in Berg am Laim“.<br />

142 Zu folgenden Vorgängen siehe: Rosmus, Anna, Wintergrün, 1993.<br />

143 Zitiert nach Rosmus, S. 15.<br />

144 Ebd., S. 14.<br />

145 Zitiert nach SZ vom 28./29.8.1993.<br />

146 Siehe dazu BSMüA 031 Maria-Theresia-Klinik.<br />

147 Diese und folgende Angaben aus Laube, Volker, Fremdarbeiter in kirchlichen Einrichtungen,<br />

2005.<br />

148 BSMüA 80.<br />

149 Gebhardt, Mutterhauschronik, S. 137.<br />

150 BSMüA 601, Lazarettpflege im II.Weltkrieg, Mappe 1.<br />

151 Zitiert nach Gebhardt, Die <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern in der NS-Zeit, S. 708.<br />

152 Ebd., S. 699/700, Schreiben der Ordensleitung an Oberkommando der Wehrmacht<br />

vom 8.2.1940, Unterstützungsschreiben verschiedener Klinikdirektoren und<br />

des Gesundheitsamts.<br />

153 Ebd., S. 713.<br />

154 Ebd., S. 708 ff.; Dies., Mutterhauschronik, S. 151/152; BSMüA 602 II. Weltkrieg,<br />

Situation Krankenhäuser u. Ausweich-Krankenhäuser, Pflegepersonal und<br />

Hilfsschwestern.<br />

155 BSMüA 602, Listen der Hilfsschwestern, Rundschreiben der Generaloberin<br />

Schwester M. Castella Blöckl vom 31.3.1942, Listen über Hilfsschwestern.<br />

156 Gebhardt, Die <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern in der NS-Zeit, S. 708.<br />

157 Zu den Luftangriffen vgl. BSMüA 801 II. Weltkrieg-Luftangriffe; Gebhardt, Mutterhauschronik<br />

S.153 f., Dies., Die <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern in der NS-Zeit,<br />

S. 711 f.<br />

158 Gebhardt, Mutterhauschronik, S. 154.<br />

159 BSMüA 80, Anweisung des Kardin<strong>als</strong> <strong>zum</strong> religiösen Verhalten bei Fliegerangrif-<br />

fen vom 28.9.1942 und 5.10.1942.<br />

160 Gebhardt, Mutterhauschronik, S. 157.<br />

Anmerkungen<br />

315


<strong>Festschrift</strong> der <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern<br />

316<br />

161 BSMüA 801 II. Weltkrieg-Luftangriffe, Bericht der Generaloberin an die Schwestern<br />

vom 17.6.1944.<br />

162 Ebd., Grabrede von Domkapitular Grassl am 17.6.1944.<br />

163 BSMüA 018 Berg am Laim, Brief von Superior Pfaffenbüchler an Herrn Hirschmann,<br />

vom 29. Juli 1944, aus Bad Adelholzen.<br />

164 BSMüA 801, Bericht der GO an auswärtige Filialen vom 14.7.1944.<br />

165 Gebhardt, Mutterhauschronik S. 161.<br />

166 Ebd., S. 177.<br />

167 BSMüA 09 Zerstörung des Mutterhauses durch Bomben, Einiges aus dem<br />

Mutterhaus 1945, S. 9.<br />

168 Gebhardt, Die <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern in der NS-Zeit, Tabelle 2b, S. 691.<br />

169 Gebhardt, Mutterhauschronik, S. 178.<br />

170 Ebd., S. 172.<br />

171 BSMüA Häuserakte Landsberg, Zitate aus Blöchl, Sr. M. Betha, Bericht<br />

der Ambulanten Krankenpflegestation über die Pflege der Juden vom 29.<br />

April bis 1. August 1945.<br />

172 Gebhardt, Die <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern in der NS-Zeit, S. 716.<br />

173 EAM NL-Faulhaber, V 5661, Mutterhaus der <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern<br />

1933-1952, Benachrichtigung an Domvikar Grassl durch die Familie<br />

Lehnert-Kinzhofer.<br />

174 Gebhardt, Mutterhauschronik, S. 202.<br />

<strong>175</strong> BSMüA 30, Mitgliederverzeichnisse.<br />

176 Siehe dazu BSMüA 030 Marienheim Kloster Indersdorf, darin vor allem:<br />

Raabe, Sr. M. Borromäa, Die Geschichte der <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern<br />

in Indersdorf 1856-1995, Vortrag von 1997, Zitat S.10.<br />

177 Ebd.,Werbeprospekt für Landfrauen-Schule Indersdorf.<br />

178 Ebd., Raabe, S. 13.<br />

179 Siehe dazu BSMüA 033, Landshut Marienheim.<br />

180 Siehe dazu BSMüA 020, Bad Adelholzen.<br />

181 Siehe dazu BSMüA 031, Maria-Theresia-Klinik.<br />

182 Siehe dazu BSMüA 037 Ruhpolding, Krankenhaus Vinzentinum.<br />

183 Siehe dazu BSMüA 028 Krankenhaus Neuwittelsbach.<br />

184 Siehe dazu BSMüA 038 Teisendorf, Altenheim St. Elisabeth.<br />

185 Siehe dazu BSMüA 036 Ruhpolding, Altenheim St. Adelheid.<br />

186 Siehe dazu BSMüA 022 Unterhaching.<br />

187 Siehe dazu BSMüA 021 Waldsanatorium Planegg.<br />

188 Siehe dazu BSMüA 026 Schwesternheim St. Hildegard.<br />

189 Siehe dazu BSMüA 019 Postulat und BSMüA 3300 Ordenseigene<br />

Krankenpflegeschulen.<br />

190 Gebhardt, Mutterhauschronik, S. 273.<br />

191 Siehe dazu BSMüA 3301 Kommunale Krankenpflegeschulen.


192 Siehe dazu BSMüA 020 Bad Adelholzen und Manuskript der <strong>Festschrift</strong> <strong>zum</strong><br />

100-<strong>jährigen</strong> <strong>Jubiläum</strong> der Übernahme der Adelholzener Alpenquellen durch die<br />

<strong>Barmherzige</strong>n Schwestern.<br />

193 BSMüA 30, Mitgliederverzeichnisse.<br />

194 Gebhardt, Mutterhauschronik, S. 264/65.<br />

195 BSMüA 017,Verzeichnisse der Niederlassungen.<br />

196 BayHSTA, MK 69532 Hebammen und Schwestern der I. Frauenklinik,<br />

Direktor der Frauenklinik an Universitätsverwaltung, 25.10.1966.<br />

197 Ebd., Universität an Kultusministerium, 4.11.1966.<br />

198 Ebd., Universität an Kultusministerium, Februar 1970.<br />

199 Gebhardt, Mutterhauschronik, S. 252 f.<br />

200 BSMüA 20 Leitung, 204 Informationsberichte Generalkapitel 1953 –1975.<br />

201 Gebhardt, Mutterhauschronik, S. 259.<br />

202 BSMüA 20 Leitung, 207 Änderung der Ordenstracht, Dekret über die zeitgemäße<br />

Erneuerung des Ordenslebens vom II. Vatikanischen Konzil im Oktober<br />

1965, Erzbischöfliches Ordinariat München und Freising (Hg.), S. 19.<br />

203 Gebhardt, Mutterhauschronik, S. 293/294.<br />

204 Ebd. S. 294.<br />

205 300 Jahre <strong>Barmherzige</strong> Schwestern, 1933, Domkapitular Seeland zu Mutterhaus<br />

Hildesheim, S. 79 ff.<br />

206 Gebhardt, Mutterhauschronik, S. 130/131.<br />

207 Siehe dazu BSMüA 20 Leitung, 204 Informationsberichte Generalkapitel<br />

1953-1975.<br />

208 Siehe die heute gültigen Regelungen in Lebensordnung der Kongregation von<br />

1985.<br />

209 BSMüA 20 Leitung, Generaloberinnen, Bericht der GO Sr. Gundebalda <strong>zum</strong><br />

Generalkapitel 1980.<br />

210 Glowatzki, Herbert CM (gesammelt), Gedrängt vom Erbarmen, Worte des heiligen<br />

Vinzenz von Paul, Salzkotten 1959, S. 54.<br />

211 Gebhardt, Mutterhauschronik S. 266/267.<br />

212 Siehe dazu BSMüA 1026 Vinzentinische Föderation.<br />

213 BSMüA 1029 Affiliation, Affiliationsurkunde.<br />

214 BSMüA 2011 Kleine Gemeinschaften, Schwestern in Einzelaufgaben.<br />

215 Die aktuellen statistischen Daten beruhen auf Angaben aus der Mutterhausverwaltung.<br />

Bei den Angaben zur Zahl der Niederlassungen und der jeweiligen<br />

Besetzung mit Schwestern wurden die Zahlen von 7/2007 verwendet. Die Zahlen<br />

<strong>zum</strong> Person<strong>als</strong>tand der Schwestern sind der Jahresabschlussstatistik <strong>zum</strong> 31.12.2006<br />

entnommen. Weitere Quellen <strong>zum</strong> aktuellen Stand der Kongregation: http://<br />

www.barmherzige-schwestern-muenchen.de und Rechenschaftsbericht<br />

des Generalkapitels vom November 2004.<br />

216 Gespräch mit Schwester M. Tyella Eichstetter am 10.3.07.<br />

Anmerkungen<br />

317


<strong>Festschrift</strong> der <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern<br />

318<br />

217 Siehe auch heute 4/2005.<br />

218 BSMüA 2011 Kleine Gemeinschaften, Schwestern in Einzelaufgaben und<br />

Mappe zu neuen Projekten aus Gener<strong>als</strong>ekretariat.<br />

219 Siehe auch heute, Zeitschrift der Föderation Vinzentinischer Frauengemeinschaften<br />

4/2002, Sr. M. Ingela Hofmann, Sr. M. Dagmar Raab, Haus St.<br />

Benno, S. 5 f.<br />

220 Ebd., Sr. M. Clementine Rodler, „Der Jakobsbrunnen“, S. 3 f.<br />

221 Ebd., Sr. Daniela Maria Holzner, Projekt Omnibus, S. 30 f.<br />

222 BSMüA 20 Leitung, Außerordentliches Generalkapitel am 11./12.1.2003, Rundschreiben<br />

der Generaloberin vom 16.1.2003, Schreiben der Ludwig-Maximilian-<br />

Universität an Ordensleitung vom 9.8.2002.<br />

223 Glowatzki, S. 106.<br />

224 Ebd., S. 96.<br />

225 Rechenschaftsbericht des Generalkapitels vom November 2004, S. 2.<br />

226 Glowatzki, S. 13.


Impressum<br />

<strong>175</strong> Jahre <strong>Barmherzige</strong> Schwestern in Bayern, 1832 – 2007<br />

Herausgegeben im <strong>Jubiläum</strong>sjahr 2007 von der<br />

Kongregation der <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern<br />

vom heiligen Vinzenz von Paul<br />

Mutterhaus München<br />

Vinzenz-von-Paul-Straße 1<br />

81671 München<br />

www.barmherzige-schwestern-muenchen.de<br />

Verantwortlich: Schwester M. Theodolinde Mehltretter, Generaloberin<br />

Verfasserin: Hildegard Zellinger-Kratzl<br />

Redaktion: Wolfgang Dausch<br />

Produktion: Don Bosco Kommunikation<br />

Grafik: Margret Russer<br />

Satz: undercover<br />

Litho: Camscan<br />

Druck: Don Bosco Druck & Design<br />

319


Das Logo der Kongregation der <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern vom hl. Vinzenz<br />

von Paul, Mutterhaus München, lässt mehrere Einzelteile erkennen:<br />

ein Dach, das über allem steht, ein stilisiertes Haus, das sich aus mehreren<br />

Bausteinen zusammensetzt, und ein weißes Kreuz in der Mitte des<br />

Hauses. Das dunkle Blau des Daches lässt an Schutz und Geborgenheit<br />

denken. Es könnte die Hand Gottes über der Kongregation sein, vielleicht<br />

auch die schützende, segnende Hand des hl. Vinzenz von Paul.<br />

Auch das Mutterhaus kann darunter verstanden werden, in dem alle<br />

Einrichtungen und Hilfswerke der Kongregation ihren Ursprung und ihre<br />

Heimat haben. Die Bausteine, die das weiße Kreuz aussparen, verdeutlichen<br />

die Krankenhäuser, Altenheime und die vielen weiteren Wirkungsstätten,<br />

in denen Schwestern und Mitarbeiter im Geist des hl. Vinzenz<br />

wirken. Die drei violetten Bausteine weisen auf das Sakrale hin. Im Sinne<br />

der Kongregation bedeuten sie Glaube, Hoffnung und Liebe, vinzentinisch<br />

„Dienen in der Einfachheit der Liebe“. Das Kreuz steht für Heil und<br />

Erlösung. Die Kongregation der <strong>Barmherzige</strong>n Schwestern will unter<br />

dem Schutz Gottes dazu beitragen, den Menschen das Heil zu bringen.

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