Thüringer Orgeln - Lukaskantorei Stuttgart
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Floh bei Schmalkalden<br />
Der Ort (der Name Floh kommt von „fließend<br />
Wasser“, ist also mit dem englischen<br />
flow verwandt) war wie Schmalkalden kurhessisch,<br />
seit der Wende gehört die<br />
Gemeinde wieder zur Landeskirche Kurhessen-Waldeck.<br />
Die Kirche wurde<br />
1710/12 als reformierte Kirche gebaut, in<br />
der fast auf jeglichen Schmuck verzichtet<br />
wurde, bis auf die Kanzel,die einiges<br />
Schnitzwerk erhielt. 1743 erhielt die Kirche<br />
ihre charakteristische Ausmalung mit dem<br />
blauen Wolkenhimmel.<br />
Die große Orgel wurde 1788/89 von Johann<br />
Marcus Östereich aus Oberbimbach bei<br />
Fulda erbaut. Dieser Erbauer wurde erst im<br />
Zuge der Orgelrestaurierung 2007/08 ermittelt:<br />
OBM Stade von Orgelbau Waltershausen<br />
kam aufgrund von Bauvergleichen<br />
(Nieder-Moos, Stadtlengsfeld, Bremen bei<br />
Geisa) zu diesem Ergebnis, und Rainer Erbe aus Floh konnte dies aufgrund seiner Recherchen, u. a. im<br />
Gemeindearchiv, bestätigen und beweiskräftige Dokumente vorlegen. Die Orgel kostete zusammen mit<br />
den Schmiede- und Bildhauerarbeiten und dem Fuhrlohn 1070 Taler. Zum Vergleich: der Kirchenbau<br />
hatte 1710/12 3036 Taler gekostet.<br />
100 Jahre lang wurde die Orgel von der ortsansässigen<br />
Werkstatt Hilpert betreut. 1814 erstellt Georg<br />
Friedrich Hilpert, der 1828 zum Orgelsachverständigen<br />
für die Kreise Hersfeld und Schmalkalden berufen<br />
wurde, einen Kostenvoranschlag über eine<br />
Reparatur und Änderung der Traktur und der Bälge.<br />
Sein Sohn Martin Friedrich Hilpert repariert 1851<br />
die Orgel, baut die Traktur um, tauscht die Manuale<br />
aus, damit nun das Hauptwerk auf dem 1. Manual<br />
zu spielen ist und fügt auf einer leeren Schleife im<br />
Oberwerk das Register Flauto dolce 4’ ein, das sehr<br />
gut zu den anderen Stimmen passt.<br />
Der Erste Weltkrieg brachte – wie bei den meisten<br />
<strong>Orgeln</strong> Deutschlands und Österreichs – den Verlust<br />
der wertvollen Prospektpfeifen mit sich, die für Rüstungszwecke<br />
eingeschmolzen wurden. Sie wurden<br />
später durch Zinkpfeifen ersetzt. 1939 wurde die<br />
Keilbalganlage entfernt und durch einen Magazinbalg<br />
mit Schöpfgebläse und Elektromotor ersetzt.<br />
1960/61 wurden einige Veränderungen durch Fa.<br />
Schüßler aus Greiz vorgenommen. Wiederum<br />
wurde die Traktur verändert, Sperrholz und Kunstleder<br />
hielten Einzug in das ehrwürdige Instrument,<br />
das Metallpfeifenwerk wurde um einen Halbton angelängt<br />
und mit Stimmrollen versehen. Leider wurde auch die Trompete ersatzlos entfernt und vernichtet,<br />
nur einige Becher wurden später als Dekoration im Treppenhaus der Kirche ausgestellt.<br />
Trotzdem kann man von einem hohen Erhaltungsgrad des Instruments sprechen. 23 von 26 Registern<br />
sind erhalten, dazu die Windladen, Gehäuse und Tragwerk und Teile der Traktur. Die originale<br />
Keilbalganlage ist leider verloren. 2008 wurde die Östereich-Orgel von Orgelbau Waltershausen<br />
(Joachim Stade) nach denkmalpflegerischen Gesichtspunkten sorgfältig restauriert. Die Trakturführung<br />
und die Manualverteilung von Hilpert 1851 wurde beibehalten, ebenso der Magazinbalg von 1939. Die<br />
beiden Prospektregister und die Trompete des Hauptwerks wurden rekonstruiert, die erhaltenen<br />
Trompetenbecher wurden wiederverwendet. Vorbild war die erhaltene Trompete der Östereich-Orgel in<br />
Nieder-Moos/Oberhessen.<br />
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