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pdf Datei - Gymnasium Fridericianum Schwerin

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Konzept Schülerausstellung<br />

Izzy Fuhrmann – ein deutsch-jüdischer Musiker zwischen<br />

Verfolgung und Emigration<br />

Projektentwicklung (Phasen)<br />

Nach der Geburt der Projektidee , auf die die Schulleiter des <strong>Gymnasium</strong>s <strong>Fridericianum</strong><br />

und des Goethe-<strong>Gymnasium</strong>s in <strong>Schwerin</strong> sehr interessiert reagierten, fanden sich aus<br />

der damaligen Klassenstufe 11 im <strong>Fridericianum</strong> 12 und im Goethe-Gymansium 3<br />

Schüler mit großem Interesse an geschichtlicher Projektarbeit. Christine Kindt, Lehrerin<br />

für Geschichte und Deutsch am <strong>Fridericianum</strong>, fand sich sofort bereit, die Schüler<br />

pädagogisch zu begleiten.<br />

Im Januar 2006 fand das erste Kennenlernen der Schüler aus beiden Schulen mit den<br />

Verantwortlichen des Konservatoriums statt. Volker Ahmels stellte nicht nur die<br />

Projektidee vor, sondern weckte durch Fotos, Film- und Buchausschnitte sowie die<br />

Geschichte des Kennenlernens von Brigitte Medvin die Bereitschaft der Schüler, an<br />

einem Projekt mitzuwirken, dessen Ziel, bis zum September 2006 eine<br />

Schülerausstellung zu erarbeiten, klar war, dessen inhaltliche Ausgestaltung jedoch<br />

noch im Ungewissen lag.<br />

Dies änderte sich, als die Schüler am 7.und 8. März 2006 in Begleitung von Christine<br />

Kindt, Volker Ahmels und dem Volontär Christoph Wesemann in Berlin die Zeitzeugin<br />

Brigitte Medvin trafen. Nach einer gemeinsamen Führung durch das Jüdische Museum<br />

konnten die Schüler mit dortigen Mitarbeitern einen Workshop zum Umgang mit<br />

historischen Quellen durchführen. Dabei bezogen sie sich insbesondere auf die Zeit des<br />

Nationalsozialismus. Im Plenum wurden dann die Arbeitsergebnisse vorgestellt und<br />

Anknüpfungspunkte zur Familiengeschichte des Musikers Izzy Fuhrmann hergestellt. In<br />

einem mehrstündigen Gespräch mit Frau Medvin erfuhren die Schüler Einzelheiten zum<br />

Leben ihres Vaters und zu Ereignissen ihrer Kindheit und ihrer Jugend. Dabei war es für<br />

die Schüler faszinierend, einer Zeitzeugin gegenüber zu sitzen, die genau das erlebt<br />

hatte, was sie sonst in Geschichtsbüchern lasen. Durch den vorhergehenden Workshop<br />

war aber auch sichergestellt, dass die Einordnung von Zeitzeugenberichten in die große<br />

Geschichte notwendig ist. Schließlich haben auch die Schüler Erfahrungen mit<br />

Dokumentationen aus verschiedenen Medien, in denen die Erzählungen von Zeitzeugen


durch Nichtkommentierung zur absoluten Wahrheit erhoben werden. So diente der Tag<br />

im Jüdischen Museum nicht nur der Vertiefung historischer Kenntnisse und<br />

Arbeitsmethoden, sondern auch der Erziehung eines denkenden und im Umgang mit<br />

Medien sicherer werdenden Schülers.<br />

Am Abend dieses Tages konnten Schüler und Begleiter gemeinsam mit Brigitte Medvin<br />

im Deutschen Historischen Museum in Berlin den Film „Mädchen hinter Gittern“ sehen,<br />

in dem Brigittes Vater, Izzy Fuhrmann, in einer Szene mit seiner Kapelle auftrat. Brigitte<br />

Medvin war sehr bewegt, denn sie hatte den Film niemals zuvor gesehen. Während<br />

dieses Tages wurde von den pädagogischen Begleitern das Konzept der zu<br />

entwickelnden Schülerausstellung erarbeitet, sodass klar war, dass die Schüler in<br />

Gruppen verschiedene Themen zur Familiengeschichte der Fuhrmanns sowie zu deren<br />

Einordnung in die zeitgeschichtlichen Ereignisse zwischen 1933 und 1945 bearbeiten<br />

mussten. Die Schüler ordneten sich den zu bildenden Gruppen entsprechend des<br />

Interesses und natürlich der Freundschaften problemlos zu.<br />

Von März bis September 2006 beschäftigten sich die Schüler in ihren Gruppen mit den<br />

einzelnen Themenkreisen., wie z.B. Familiengeschichte, Antisemitismus, Problematik<br />

der Ostjuden, Judenverfolgung allgemein, Leben im Warschauer Ghetto, Aufstand im<br />

Warschauer Ghetto, Juden in Deutschland nach 1945. Die Schülerinnen, die die<br />

Familiengeschichte der Fuhrmanns aufarbeiteten, übersetzten viele von Brigitte zur<br />

Verfügung gestellte Dokumente aus dem Englischen ins Deutsche. Unterschiedliche<br />

Medien, wie private Literatur, Schriften aus der Landesbibliothek Mecklenburg-<br />

Vorpommern, Dokumentationen und auch das Internet, dienten den Schülern, um<br />

Informationen zu sammeln und diese dann zu verarbeiten. Die entstandenen Texte<br />

wurden von Christine Kindt und auch von Christoph Wesemann Korrektur gelesen.<br />

Gemeinsam erarbeiteten und verwirklichten die Schüler das Layout der Ausstellung,<br />

sodass zwei Tage vor der Eröffnung diese ebenfalls gemeinsam aufgebaut werden<br />

konnte.<br />

Am 27. September 2006 war der große Tag gekommen. Um 17 Uhr wurde im von<br />

zahlreichen Gästen besuchten Foyer des Intercity-Hotels in <strong>Schwerin</strong> die Ausstellung<br />

„Izzy Fuhrmann - ein jüdischer Musiker zwischen Verfolgung und Emigration“ eröffnet. In<br />

Anwesenheit von Brigitte Medvin, ihrem Mann sowie ihrer Tochter nebst Mann führten<br />

Volker Ahmels und eine Schülerin in das Projekt und die Ausstellung ein. Umrahmt<br />

wurde die Veranstaltung von einer Musikgruppe des <strong>Schwerin</strong>er Konservatoriums, die<br />

monatelang tätig gewesen war, um das uns von der Tochter zur Verfügung gestellte<br />

musikalische Material des Izzy Fuhrmann zu bearbeiten und nach Jahrzehnten wieder<br />

aufzuführen. Brigitte Medvin trug sich bei dieser Gelegenheit in das Goldene Buch der<br />

Landeshauptstadt <strong>Schwerin</strong> ein.<br />

Am 28. September 2006 fand im Konzertfoyer des Mecklenburgischen Staatstheaters<br />

eine öffentliche Veranstaltung statt, in deren Mittelpunkt Leben und Musik desIzzy<br />

Fuhrmann standen. Zwei der am Projekt beteiligten Schüler moderierten gemeinsam mit<br />

Volker Ahmels das Gespräch mit Brigitte Medvin. Auch hier wurde von Musikern des<br />

Konservatoriums <strong>Schwerin</strong> die Musik des in Vergessenheit geratenen Komponisten und<br />

Kapellmeister. Eine Licht-Show mit Fotos und Filmausschnitten mit Izzy Fuhrmann<br />

rundeten diesen Höhepunkt ab.


Vom 2. Oktober bis 5. Oktober 2006 unternahmen die Schüler gemeinsam mit den<br />

Preisträgern des Wettbewerbs „Verfemte Musik“ eine Reise nach Prag und<br />

Theresienstadt. Einerseits lernten die Schüler durch die Teilnahme an drei Konzerten<br />

der Wettbewerbsteilnehmer Musik verfolgter Musiker kennen und eröffneten sich damit<br />

kulturelle Bereiche, die von ihnen vorher nicht wahrgenommen wurden. Andererseits<br />

waren die Führungen durch das jüdische Prag und das KZ Theresienstadt für alle<br />

außerordentlich eindrucksvoll. Besonders der Besuch in Theresienstadt war durch die<br />

Erzählungen der Zeitzeugin Eva Herrmanova, die als Jugendliche dort inhaftiert war,<br />

anschaulich und sehr berührend. Stand doch vor allen eine Frau, die all das Leiden<br />

selbst erlebt hatte.<br />

Besonderheiten/Charakteristika<br />

Das Schülerprojekt bot die Möglichkeit der Annäherung an die Problematik des<br />

Holocaust von zwei verschiedenen: Auf der einen Seite kamen die Schüler mit<br />

historischem Grundwissen und historischem Interesse zur gemeinsamen Arbeit und<br />

erlebten durch die Beschäftigung mit der verfemten Musik, insbesondere deren<br />

Künstlern, ein verbindendes Element zwischen Geschichte, Politik und Kultur. Auf der<br />

anderen Seite gewannen die am Wettbewerb beteiligten jungen Künstler durch die<br />

Beschäftigung mit den Künstlerschicksalen neue Historische Erkenntnisse. Dadurch hat<br />

sich für beide Seiten eine Sensibilisierung für gesellschaftliche Zusammenhänge und<br />

eine Bewusstseinserweiterung insgesamt ergeben.<br />

Mit dem Projekt wurde auch ein neuer Lernansatz verfolgt: Die Struktur der Ausstellung<br />

wurde zwar von der pädagogischen Begleitung erarbeitet, die Schüler aber bestimmten<br />

den Umfang und die Art und Weise der Recherche selbst, entwickelten selbstständig<br />

das Layout und organisierten die für die Umsetzung notwendigen Arbeitsschritte.<br />

Das Projekt war für alle Beteiligten auch eine interessante Erfahrung in der Arbeit mit<br />

Zeitzeugen. Auf der einen Seite war es für Brigitte Medvin eine Möglichkeit, sich mit<br />

ihrer eigenen Familiengeschichte intensiv auseinanderzusetzen und aufzuarbeiten.<br />

Auch ihre eigenen Kinder und Enkelkinder profitierten durch die Erinnerungsarbeit und<br />

kennen sind in der Lage, die Erlebnisse der Vorfahren weiterzugeben. Für Brigitte selbst<br />

brachte dieses Projekt noch eine andere Erfahrung. Nachdem sie jahrzehntelang im<br />

Prinzip kein Deutsch gesprochen hatte, begann sie seit den gemeinsamen Tagen in<br />

Berlin diese, ihre Muttersprache neu zu lernen und wiederzuentdecken. Dadurch fand<br />

sie einmal einen Teil ihrer Identität wieder und benutzte die deutsche Sprache mit<br />

sichtbar größer werdender Freude. Andererseits verbesserte sich durch die Neu-<br />

Entdeckung der Muttersprache die Kommunikation mit den Schülern, die natürlich alle<br />

Englisch sprechen können. Für die Jugendlichen war die Zusammenarbeit mit Brigitte<br />

Medvin eine sehr emotionale Erfahrung und eine unmittelbare Illustration der<br />

Geschichte. Denn sie verbinden mit den Ereignissen, die sie im Unterricht<br />

kennenlernen, nun nicht mehr nur Namen, Begriffe und unvorstellbare Zahlen, sondern<br />

sie sehen hinter diesen Namen, Begriffen und Zahlen nun konkrete Gesichter und<br />

Geschichten. Aufgabe der pädagogischen Betreuung war es natürlich, die Arbeit mit der<br />

Zeitzeugin zu begleiten und die Relativität zwischen der eigenen, kleinen und der<br />

großen Geschichte herzustellen.


Interessant an diesem Projekt war auch die Beschäftigung mit dem Warschauer Ghetto<br />

als einem Ort, an dem es trotz allem auch ein gewisses kulturelles Leben zu Beginn<br />

gab. Durch die Recherchen und die Reise nach Theresienstadt wurden den<br />

Jugendlichen aber die Unterschiede in dieser Hinsicht zwischen dem Warschauer<br />

Ghetto und dem KZ Theresienstadt, wo zahlreiche Künstler aus Böhmen, Mähren,<br />

Deutschland und vielen anderen Gebieten ein reges Kulturleben organisierten und dies<br />

während der gesamten Existenz des Lagers am Leben erhielten, deutlich.<br />

Eine Besonderheit dieses Projektes war die intensive musikpädagogische Anleitung des<br />

Fachbereichsleiters, Herrn Andrees, für die Erarbeitung der Musikstücke Izzy<br />

Fuhrmanns. Die Noten stammten aus dem Besitz der Familie, lagen nur handschriftlich<br />

vor und waren jahrzehntelang nicht benutzt worden. Durch Projektmitarbeiter am<br />

Konservatorium <strong>Schwerin</strong> konnte eine eigene Produktion der Fuhrmann-Titel als<br />

Schellack-Aufnahme realisiert werden.<br />

Probleme/Lösungen<br />

Den Schülern wurde die Verantwortung für Recherche und Gestaltung übertragen. Sie<br />

wurden dabei zwar stets pädagogisch begleitet, aber sowohl Lehrer als auch die<br />

Öffentlichkeit müssen natürlich akzeptieren, dass eine Schülerausstellung nicht die<br />

inhaltliche Tiefe und Exaktheit bieten kann wie die Arbeit eines Fachhistorikers.<br />

Der Umgang mit dem musikalischen Material war schwierig, weil zunächst eine<br />

Aufarbeitung der sich im Familienbesitz befindlichen und seit Jahrzehnten nicht<br />

benutzten handschriftlichen Noten erfolgen musste. Außerdem mussten Partituren<br />

geschrieben und Tonträger hergestellt werden. Dank der Fachkompetenz der<br />

Musikschule und ihrer Fachbereichsleiter konnten diese Probleme gelöst werden. So<br />

konnte die Musik Izzy Fuhrmanns bei den Veranstaltungen im September aufgeführt<br />

werden und als<br />

Schellack-Aufnahmen vorliegen.<br />

Anekdotisches<br />

Am Morgen des 8. März 2006 standen alle Beteiligten während der gemeinsamen<br />

Berlin-Reise im Foyer der Landesvertretung Mecklenburg-Vorpommerns in Berlin.<br />

Plötzlich gratulierten zwei Jugendliche Brigitte Medvin zum Frauentag und schenkten ihr<br />

eine kleine, liebenswerte Nascherei. Gerührt wegen der Herzlichkeit und überrascht<br />

wegen dieses in Amerika unbekannten Tages nahm Brigitte die Aufmerksamkeit an. Als<br />

sie im September in <strong>Schwerin</strong> die Ausstellung eröffnete, erinnerte sie sich immer noch<br />

an die Gratulation zum Frauentag und noch einmal stiegen Tränen der Rührung in ihre<br />

Augen.


Beteiligte Lehrkräfte:<br />

Christine Kindt Lehrerin für Geschichte und Deutsch<br />

Margret Schmal Fachlehrerin für Kunst und Geschichte<br />

Volker Ahmels Leiter des Konservatoriums <strong>Schwerin</strong><br />

Beteiligte Schüler<br />

Sylvi Alm Sebastian Oehmigen<br />

Wiebke Hose Mathias Nabert<br />

Elisabeth Hill Björn Schmidt<br />

Carolin Leu Tim Schonschek<br />

Nora Wendland Kay Ernst<br />

Swetlana Rapoport Clemens Reich<br />

Franziska Doliff Alexander Kozhushner<br />

Susanna Gammius Peter Grambow

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