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„Lassma“ Weltmeisterschaft machen - Humboldt-Universität zu Berlin

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<strong>„Lassma“</strong> <strong>Weltmeisterschaft</strong> <strong>machen</strong> –<br />

eine grammatische Untersuchung <strong>zu</strong>m Kiezdeutsch<br />

Magisterarbeit<br />

Zur Erlangung des akademischen Grades Magistra Artium (M.A.)<br />

<strong>Humboldt</strong>-<strong>Universität</strong> <strong>zu</strong> <strong>Berlin</strong><br />

Philosophische Fakultät II<br />

Institut für Germanistische Linguistik<br />

im Fach Germanistische Linguistik<br />

Eingereicht von: Ines Urban<br />

geb. am 22.12.1977<br />

in Ludwigshafen am Rhein<br />

Wissenschaftliche Betreuerin: Frau Prof. Heike Wiese<br />

Zweitgutachten von: Herr Prof. Norbert Fries<br />

<strong>Berlin</strong>, den 15. Oktober 2007


0 Kurzbeschreibung<br />

0 Kurzbeschreibung<br />

Diese Magisterarbeit mit dem Titel „ ‚Lassma’ <strong>Weltmeisterschaft</strong> <strong>machen</strong> – eine<br />

grammatische Untersuchung <strong>zu</strong>m Kiezdeutsch“ untersucht auf der Basis eines<br />

Korpus gesprochener Sprache von Jugendlichen mit Migrationshintergrund<br />

verschiedene grammatische und pragmatische Besonderheiten ihrer Sprache<br />

(„Kiez-Sprache“).


Inhaltsverzeichnis<br />

0 Kurzbeschreibung ________________________________________________ 2<br />

1 Einleitung ________________________________________________________ 5<br />

2 Kiez-Sprache _____________________________________________________ 8<br />

2.1 Die Informanten ________________________________________________________ 8<br />

2.2 Das Korpus _____________________________________________________________ 9<br />

2.3 Einflussfaktoren ________________________________________________________ 9<br />

2.4 Jugendsprache_________________________________________________________ 10<br />

2.4.1 Sprecherorientierte Perspektiven auf Jugendsprache/Kontaktsprache __________________ 11<br />

2.4.2 Ethnolekte______________________________________________________________________ 14<br />

2.4.3 Systemorientierte Perspektive _____________________________________________________ 17<br />

2.5 Kontaktsprachen ______________________________________________________ 21<br />

2.5.1 Grammatikalische Reduktion im Gastarbeiterdeutsch ________________________________ 23<br />

2.5.2 Grammatikalische Reduktion in Kiez-Sprache _______________________________________ 27<br />

3 Gesprochenes Deutsch___________________________________________ 29<br />

3.1 Pragmatische Eigenschaften ___________________________________________ 29<br />

3.2 Syntaktische Eigenschaften ____________________________________________ 30<br />

3.3 Lexikalische Eigenschaften ____________________________________________ 31<br />

4 Funktionsverbgefüge ____________________________________________ 33<br />

4.1 Funktionsverbgefüge im Standarddeutschen___________________________ 33<br />

4.2 Funktionsverbgefüge in Kiez-Sprache__________________________________ 37<br />

4.3 Funktionsverbgefüge in Kontaktsprachen______________________________ 41<br />

4.4 Funktionsverbgefüge in der deutschen Jugendsprache_________________ 42<br />

4.5 Probleme der Klassifizierung von Funktionsverbgefügen im<br />

Standarddeutschen ____________________________________________________ 43<br />

4.6 Weitere Versuche der Klassifizierung von x <strong>machen</strong>-Konstruktionen __ 47<br />

4.7 Gemeinsamkeiten und Unterschiede ___________________________________ 49<br />

4.8 Exkurs _________________________________________________________________ 50<br />

5 Die Entwicklung neuer Partikeln in Kiez-Sprache _______________ 53


5.1 Die Partikel musstu ____________________________________________________ 53<br />

5.2 V1-Deklarativsätze im Standarddeutsch ________________________________ 54<br />

5.3 V1-Deklarativsätze im gesprochenen Standarddeutsch _________________ 55<br />

5.4 V1-Deklarativsätze in deutschen Dialekten _____________________________ 57<br />

5.5 Die Beantwortbarkeit von Fragen anhand von V1-Deklarativsätzen ____ 58<br />

5.6 Musstu als Marker des tertiären Ethnolekts____________________________ 59<br />

5.7 Die Partikel lassma ____________________________________________________ 61<br />

5.8 Semantische Bleichung von Partikeln __________________________________ 63<br />

5.9 Lassma in der deutschen Jugendsprache ______________________________ 66<br />

6 Alternativen <strong>zu</strong>r Analyse nicht-standardisierter Sprache _______ 70<br />

6.1 Randgrammatik – Kerngrammatik ____________________________________ 70<br />

6.2 Construction Grammar ________________________________________________ 72<br />

6.2.1 Construction Grammar <strong>zu</strong>r Analyse gesprochener Sprache I __________________________ 72<br />

6.2.2 Construction Grammar <strong>zu</strong>r Analyse gesprochener Sprache II__________________________ 75<br />

6.2.3 Construction Grammar <strong>zu</strong>r Analyse von Funktionsverbgefügen________________________ 78<br />

7 Schluss __________________________________________________________ 81<br />

8 Anhang __________________________________________________________ 84<br />

9 Literaturverzeichnis ____________________________________________ 85<br />

10 Eigenständigkeitserklärung_____________________________________ 94<br />

11 Wissenschaftlicher Werdegang _________________________________ 95


1 Einleitung<br />

1 Einleitung<br />

„Kanak-Sprak“ oder „Dönerdeutsch“ sind nur zwei der Begriffe, die für die<br />

Sprache jugendlicher Migranten gebraucht werden. Dass die Jugendlichen ihre<br />

Sprache selbst als „krass reden“ oder „Kiez-Sprache“ (Wiese 2006 a, 2006 b)<br />

bezeichnen, spiegelt die Stigmatisierung, welche ihnen durch die hier<br />

erstgenannten Begriffe von der Mehrheitsgesellschaft entgegengebracht<br />

werden. Jugendsprache war schon immer ein Phänomen, welches Bücher mit<br />

Titeln wie „Lass uns mal ne Schnecke angraben“ (Müller-Thurau 1983) oder<br />

„Endgeil. Das voll korrekte Lexikon der Jugendsprache“ (Ehmann 2005)<br />

hervorbrachte. War man bis dato eher fasziniert bis pikiert, da man ja aus<br />

eigener Erfahrung wusste, dass sich die adoleszenten „Sprachflausen“ wieder<br />

legten, herrscht im Falle der Sprache von Jugendlichen mit<br />

Migrationshintergrund bei Lehrern und Sprachschützern eine große<br />

Ratlosigkeit. Hin<strong>zu</strong> kommt, dass nicht nur die jungen Migranten diese Sprache<br />

gebrauchen, sondern auch die deutschen Freunde aus ihrer unmittelbaren<br />

Umgebung. Doch ein Fakt sollte die Bedenkenträger <strong>zu</strong>mindest etwas trösten:<br />

wir sind nicht allein. Kiez-Sprache ist ein europäisches Phänomen, welches sich<br />

vor allem in Großstädten mit vielen verschiedenen Einwanderergruppen<br />

etabliert hat.<br />

Interessant an Kiez-Sprache ist, dass sie keine reine Reduktionsform der<br />

deutschen Standardsprache darstellt. Betrachtet man diese Varietät genauer,<br />

dann fallen neben Reduktionen eine ganze Reihe kreativer Neubildungen auf,<br />

welche das System der deutschen Standardsprache ergänzen. Auch das<br />

Schlagwort der „doppelten Halbsprachigkeit“ oder des „Semilinguismus“<br />

(Skutnabb-Kangas 1983), welches den häufigen Wechsel zwischen Deutsch und<br />

den verschiedenen Muttersprachen der Sprecher bezeichnet, ist für Kiez-<br />

Sprache unangebracht. Die meisten Jugendlichen beherrschen neben Kiez-<br />

Sprache durchaus die standardsprachlichen Varietäten des Deutschen. Führt<br />

man sich nun vor Augen, dass junge Migranten neben diesen Varietäten auch<br />

noch eine Muttersprache wie Arabisch oder Türkisch sprechen, ist man schnell<br />

bei einem beachtlichen sprachlichen Repertoire angelangt.<br />

Bisher sind <strong>zu</strong>m Thema Kiez-Sprache nicht viele Untersuchungen gemacht<br />

worden. Dies kann daran liegen, dass Kiez-Sprache fast ausschließlich im<br />

- 5 -


1 Einleitung<br />

gesprochenen Diskurs <strong>zu</strong> finden ist und daher nicht viele Daten <strong>zu</strong>r Verfügung<br />

stehen. Die Arbeiten, die bisher vorliegen, nähern sich der Kiez-Sprache<br />

überwiegend auf diskursiver Ebene. Federführend in diesem Bereich sind vor<br />

allem Androutsopoulos (2000, 2002, u. a.) und Auer (2003 u. a.). Sie zeigen in<br />

ihren Arbeiten u. a. auf, dass eine Unterscheidung zwischen „Kanak-Sprak“,<br />

welche vor allem medial vermittelt wird, und Kiez-Sprache unabdinglich ist,<br />

weil es sich bei diesen beiden Phänomen um zwei verschiedene Register<br />

handelt, welche sich allerdings aufeinander beziehen lassen. Mit Wiese (2006 a,<br />

2006 b) liegt im deutschsprachigen Raum eine der ersten Arbeiten vor, welche<br />

sich mit grammatikalischen Besonderheiten von Kiez-Sprache beschäftigt. In<br />

anderen europäischen Ländern gibt es bereits Untersuchungen: mit „Rinkeby-<br />

Svenska“, einer Varietät des Schwedischen, welche in Rinkeby, einem Vorort<br />

Stockholms, in welchem viele Migranten leben, gesprochen wird, beschäftigt<br />

sich Kotsinas (1992, 1998, u. a.).<br />

Im Hinblick auf die Niederlande untersuchen Appel (1999) und Nortier (2001)<br />

straattaal („Straßensprache“), die vor allem in Amsterdam und Utrecht<br />

gesprochen wird. Mit dem „køpenhavnsk multietnolekt“, welcher in<br />

multiethnischen Vierteln Kopenhagens benutzt wird, beschäftigt sich Quist<br />

(2000).<br />

Die empirische Basis dieser Magisterarbeit bildet ein Korpus von ca. acht<br />

Stunden gesprochener Sprache. Die sprachlichen Daten stammen von einem<br />

Freundeskreis von sechs Jugendlichen mit Migrationshintergrund, welche sich<br />

bei privaten Treffen mit Hilfe eines Diktiergerätes selbst aufgenommen haben.<br />

Dieses Material wurde anschließend transkribiert. Eine Konstruktion, die dabei<br />

auffiel, ist Lassma <strong>Weltmeisterschaft</strong> <strong>machen</strong>. Bei dieser und ähnlich<br />

strukturierten Konstruktionen fällt zweierlei auf: die Konstruktion<br />

<strong>Weltmeisterschaft</strong> <strong>machen</strong> weist Parallelen mit Funktionsverbgefügen des<br />

Deutschen auf. Der zweite interessante Aspekt in Lassma <strong>Weltmeisterschaft</strong><br />

<strong>machen</strong> ist die Form lassma, welche auf dem Weg ist, sich <strong>zu</strong> einer neuen<br />

Partikel der deutschen (Jugend-) Sprache <strong>zu</strong> entwickeln.<br />

Die Gliederung der Arbeit lässt sich folgendermaßen <strong>zu</strong>sammenfassen: <strong>zu</strong>nächst<br />

wird in Kapitel 2 das Phänomen Kiez-Sprache an sich charakterisiert. Dies<br />

beinhaltet eine kurze Vorstellung der Informanten und die Einordnung von<br />

Kiez-Sprache anhand ihrer Einflussfaktoren. Da Kiez-Sprache eine<br />

- 6 -


1 Einleitung<br />

jugendsprachliche Varietät ist, werden in den Kapiteln 2.4 und 2.5 Theorien <strong>zu</strong>r<br />

wissenschaftlichen Beschreibung von Jugendsprache vorgestellt. Kiez-Sprache<br />

wird vor allem in multiethnischen Wohngebieten gesprochen. Deshalb wird in<br />

Kapitel 2.6 der Frage nachgegangen, inwieweit Parameter aus der Erforschung<br />

von Kontaktsprachen <strong>zu</strong>r Erklärung bestimmter Phänomene in Kiez-Sprache<br />

angewendet werden können.<br />

Weiter werden in Kapitel 3 die pragmatischen, syntaktischen und lexikalischen<br />

Besonderheiten der gesprochenen Sprache vorgestellt, da diese den<br />

Be<strong>zu</strong>gspunkt für diese Varietät darstellt.<br />

In Kapitel 4 wird der Status von <strong>Weltmeisterschaft</strong> <strong>machen</strong> als<br />

Funktionsverbgefüge im System des Standarddeutschen (4.1), vergleichbarer<br />

Konstruktionen aus der Kiez-Sprache (4.2) und schließlich in Kapitel 4.3 in<br />

Be<strong>zu</strong>g auf andere Disziplinen, wie die der Kontaktsprachenforschung,<br />

untersucht.<br />

Mit der Entwicklung neuer Partikeln in Kiez-Sprache beschäftigt sich Kapitel 5.<br />

Lassma (wie in Lassma <strong>Weltmeisterschaft</strong> <strong>machen</strong>.), die Partikel, welche in<br />

Kapitel 5.7 behandelt wird, hat mit musstu einen sprecherexklusiven Gegenpart,<br />

der in Kapitel 5.4 vorgestellt wird.<br />

Lange Zeit wurde die Untersuchung von gesprochener Sprache als „Stochern im<br />

sprachlichen Müll“ abgetan. Diese Sicht der Dinge ist verständlich, da die<br />

Probleme, auf die man bei der Untersuchung gesprochener Sprache stößt,<br />

gewaltig sind, da man diese immer anhand von Parametern einer klassischen<br />

Grammatik <strong>zu</strong> analysieren versucht hat. Alternative Ansätze sind die der<br />

„Randgrammtik vs. Kerngrammatik“ (Fries 1987) und die der construction<br />

grammar, welche <strong>zu</strong>m Beispiel Auer (2007) und Deppermann (2006) für die<br />

Erforschung des gesprochenen Deutsch und Zeschel (2007) <strong>zu</strong>r Analyse von<br />

Funktionsverbgefügen modifiziert haben. Deren Ansätze werden schließlich im<br />

letzten Kapitel dieser Magisterarbeit vorgestellt, da sie <strong>zu</strong>r Analyse von Kiez-<br />

Sprache als nicht normierter Sprache sehr geeignet sind.<br />

- 7 -


2 Kiez-Sprache<br />

2.1 Die Informanten<br />

2 Kiez-Sprache<br />

Der Hauptinformant dieser Arbeit ist Sarmad. Er war verantwortlich für das<br />

Diktiergerät, mit dem er sich und seine Freunde bei privaten Treffen<br />

aufgenommen hat. Außerdem stammen alle extralinguistischen Informationen<br />

aus einem Interview mit ihm. Seine Familie stammt aus dem Irak und musste<br />

aus politischen Gründen flüchten. Er hat, wie alle Gruppenmitglieder, einen<br />

Realschulabschluss und war <strong>zu</strong> Beginn der Treffen auf der Suche nach einer<br />

Lehrstelle. Mittlerweile möchte er sein Abitur nach<strong>machen</strong> und dann studieren.<br />

Der Freundeskreis besteht aus sechs Jugendlichen im Alter zwischen 18 und 23<br />

Jahren. Die meisten Familien der Jugendlichen sind aus wirtschaftlichen<br />

Gründen emigriert. Die Jugendlichen sind keine Nachkommen der Gastarbeitergeneration,<br />

sind also nicht hier geboren, sondern bis auf eine Ausnahme<br />

erst im Alter zwischen 12 und 14 Jahren nach Deutschland gekommen. Alle<br />

sprechen Arabisch als Muttersprache. Dass in den Gesprächen aber fast nicht<br />

geswitcht wird, also nicht gewechselt wird zwischen verschiedenen Sprachen, ist<br />

wohl dem Umstand <strong>zu</strong><strong>zu</strong>schreiben, dass in den Herkunftsländern (wie dem<br />

Libanon oder dem Irak) unterschiedliche Dialekte des Arabischen gesprochen<br />

werden.<br />

Sarmad stammt aus einer (nach deutschem Wertesystem) sehr liberalen<br />

Familie:<br />

„Für ‘ne arabische Mutter ist meine Mutter richtig frei. Also meine Freundin schläft bei<br />

mir. Alles Drum und Dran. Letztens hatten wir einen Vorfall, dass meine Cousine einen<br />

Freund hatte und dass die Schwester von meiner Mama damit nicht klar kommt und ja,<br />

meine Mutter geht sie jetzt überreden. Sie sagt, wenn ich ‘nen Freund haben darf, dann<br />

dürfen die Mädchen auch.“<br />

Die Familien der anderen Jugendlichen sind dagegen wertkonservativ und<br />

verbieten <strong>zu</strong>m Beispiel den Umgang mit Mädchen oder das Trinken von<br />

Alkohol.<br />

- 8 -


2.2 Das Korpus<br />

2 Kiez-Sprache<br />

Das Korpus besteht aus ca. acht Stunden gesprochenen Materials. Da die<br />

Aufnahmen teilweise auf der Straße oder in öffentlichen Räumen entstanden,<br />

sind viele Passagen schwer verständlich. Aus diesem Grund war es kaum<br />

möglich, längere Sequenzen <strong>zu</strong> transkribieren. 1 Eine weitere Schwierigkeit ist<br />

der Umstand, dass ich kein Arabisch spreche. Da aber, wie weiter oben bereits<br />

erwähnt wurde, kaum arabische Redebeiträge vorkommen, und wenn doch,<br />

dann meist in Form kurzer Sequenzen2 bzw. von Partikeln, ist dies als<br />

unproblematisch für diese Arbeit <strong>zu</strong> werten. Inhaltlich ist das Material insofern<br />

eingeschränkt, als dass Redebeiträge über „ernste“ Themen völlig fehlen. Da die<br />

Jugendlichen selbst entscheiden konnten, was sie aufnehmen und was nicht,<br />

fehlen eventuell verschiedene Register ihrer Varietät.<br />

2.3 Einflussfaktoren<br />

Bekannt geworden und in den Fokus der Aufmerksamkeit gelangt ist die<br />

Sprache von Jugendlichen mit Migrationshintergrund unter dem Schlagwort<br />

„Kanak Sprak“. Diese Bezeichnung geht <strong>zu</strong>rück auf Feridun Zaimoglu (1995),<br />

der diese in seinem Roman „Kanak Sprak – 24 Mißtöne vom Rande der<br />

Gesellschaft“ beschreibt als<br />

„(...) eine Art Creol oder Rotwelsch mit geheimen Codes und Zeichen. Ihr Reden ist dem<br />

Free-Style-Sermon im Rap verwandt, dort wie hier spricht man aus einer Pose heraus. (...)<br />

Die Wortgewalt des Kanaken drückt sich aus in einem herausgepressten, kurzatmigen und<br />

hybriden Gestammel ohne Punkt und Komma, mit willkürlich gesetzten Pausen und<br />

improvisierten Wendungen. Der Kanake spricht seine Muttersprache nur fehlerhaft, auch<br />

das ‚Allemannisch’ ist ihm nur bedingt geläufig. Sein Sprachschatz setzt sich aus<br />

‚verkauderwelschten’ Vokabeln und Redewendungen <strong>zu</strong>sammen, die so in keiner der<br />

beiden Sprachen vorkommen. In seine Stegreif-Bilder und –Gleichnisse lässt er Anleihen<br />

vom Hochtürkisch bis <strong>zu</strong>m dialektalen Argot anatolischer Dörfer einfließen.“ (Zaimoglu<br />

1995: 13)<br />

1 Für eine rein soziolinguistische Untersuchung wäre das Material deshalb nicht geeignet.<br />

2 Bei den kurzen Sequenzen handelt es sich in erster Linie um Alltagsroutinen.<br />

- 9 -


2 Kiez-Sprache<br />

Sowohl diese Beschreibung als auch der Rest des Buches wurden von weiten Teilen<br />

der Leserschaft missverstanden und nicht als Satire erkannt. 3 So wurde „Kanak<br />

Sprak“ vor allem im politischen und sprachpolitischen Diskurs unter den<br />

Schlagworten „mangelnder Integrationswille“ oder „Sprachverfall“ bekannt. Heute<br />

entspricht der Begriff der stilisierten Variante des Ethnolekts, wie man ihn <strong>zu</strong>m<br />

Beispiel aus der so genannten „Ethnocomedy“ von Erkan und Stefan4 kennt. Deshalb<br />

eignet er sich nicht für die sprachwissenschaftliche Beschreibung nicht-stilisierter<br />

Sprache. Wiese (2006 b) benennt das Sprachphänomen als Kiez-Sprache5 und stellt<br />

sie und ihre Einflussgrößen folgendermaßen dar:<br />

Türkisch<br />

Kurdisch<br />

Deutsch<br />

Arabisch<br />

Persisch<br />

Kontakt-<br />

sprache<br />

Zweitspracherwerb<br />

Ethnolekt<br />

(Wiese 2006: 251)<br />

Im Folgenden werden die in der Grafik dargestellten Einflüsse auf Kiez-Sprache<br />

näher erläutert. Da die Kategorien, wie die Grafik bereits zeigt, nicht klar<br />

voneinander <strong>zu</strong> trennen sind, finden sich durchgängig Überschneidungen.<br />

2.4 Jugendsprache<br />

Kiezsprache<br />

Jugend-<br />

sprache<br />

US-Einflüsse<br />

In-group-<br />

Verwendung<br />

Abgren<strong>zu</strong>ng<br />

Androutsopoulos (2006: 106) geht von der Existenz zweier Hauptansätze in der<br />

Jugendsprachforschung aus:<br />

3 Dies ist wahrscheinlich dem Umstand <strong>zu</strong><strong>zu</strong>schreiben, dass Zaimoglu vorgibt, sein Material als<br />

teilnehmender Beobachter gesammelt <strong>zu</strong> haben: „Die folgenden ‚Protokolle’ sind in einem<br />

Zeitraum von anderthalb Jahren entstanden. Sie sind das Produkt ‚detektivischer’<br />

Nachforschungen im ‚Milieu’, im Kiez der Männer“ (Zaimoglu 1995: 15).<br />

4 Erkan und Stefan sind Kunstfiguren, die im wirklichen Leben John Friedmann und Florian<br />

Simbeck heißen und durch Filme und CDs bekannt geworden sind.<br />

5 Wiese (ebd.: 246) bezeichnet Kiez-Sprache als Varietät. Damit betont sie deren Eigenschaft<br />

über ein eigenes grammatisches System <strong>zu</strong> verfügen.<br />

- 10 -


der sprecherorientierte Ansatz, also<br />

2 Kiez-Sprache<br />

„qualitative, in der Regel gesprächsanalytisch vorgehende Ansätze der<br />

Soziolinguistik, die Formen und Funktionen sprachlicher Variabilität in<br />

spezifischen kommunikativen Kontexten aus der Perspektive der handelnden<br />

Individuen und Gruppen untersuchen“,<br />

und der systemorientierte Ansatz, also<br />

„jene strukturalistisch fundierten Ansätze, die – oft qualitativ vorgehend – die<br />

innere Struktur sprachlicher Varietäten, das Verhältnis sprachlicher Variation<br />

und soziodemographischer Kategorien sowie das Verhältnis zwischen<br />

Sprachvariationen und Sprachwandel untersuchen“.<br />

2.4.1 Sprecherorientierte Perspektiven auf Jugendsprache/<br />

Kontaktsprache<br />

Die folgenden Theorien <strong>zu</strong> „crossing“ oder den „Ethnolekten“ nach Peter Auer<br />

lassen sich sowohl unter dem Aspekt von Kiez-Sprache als Kontaktsprache als<br />

auch unter oben genanntem sprecherorientierten Ansatz der Jugendsprachforschung<br />

lesen.<br />

Bekannt geworden in der soziolinguistischen Untersuchung von<br />

Mehrsprachigkeit ist das Konzept des language crossing, das vom britischen<br />

Linguisten Ben Rampton (1995) entwickelt wurde. Mit seinem Modell versucht<br />

er, das bisher lediglich unter dem Begriff codeswitching behandelte Phänomen<br />

des Wechselns zwischen Sprachen und sprachlichen Stilen weiter auf<strong>zu</strong>fächern.<br />

Codeswitching konstruiert in jedem Fall Bedeutung: Durch den Wechsel der<br />

Sprache werden <strong>zu</strong>m Beispiel Zitate oder der Themenwechsel markiert oder<br />

Aussagen verstärkt (Dirim & Auer 2004: 159-180).<br />

Crossing oder sprachliche Kreu<strong>zu</strong>ng wird von Rampton (1995: 14f.) hingegen<br />

definiert als „the use of language varieties associated with social or ethnic<br />

groups that the speaker does not normally belong to.“ Die Topologie des<br />

crossing wird durch das Konzept der Liminalität, der Übergangssituation, des<br />

Anthropologen Victor Turner (1969) bestimmt. Das bedeutet, dass sprachliches<br />

Kreuzen in Situationen auftritt, in denen die herkömmlichen Regeln sozialer<br />

Ordnung in Frage gestellt werden. Indem eine dem Sprecher nicht eigene<br />

- 11 -


2 Kiez-Sprache<br />

Sprechweise verwendet wird, referiert diese auf (stereotypische) Werte und<br />

Eigenschaften derjenigen Gruppe, der die Varietät oder Sprache eigen ist<br />

(Androutsopoulos 2002: 83f.).<br />

Sprachliche Kreu<strong>zu</strong>ngen können prinzipiell in jedem Segment der Gesellschaft<br />

auftauchen; in der Literatur werden sie aber fast ausschließlich anhand der<br />

Sprache Jugendlicher beschrieben. Gemäß den Konzepten der bricolage6 oder<br />

Schwitallas Motto der „vielen Sprachen der Jugendlichen“ (1988, 1994) scheint<br />

die Symbolisierung fremder sozialer Identitäten typisch für jugendliches<br />

Sprechen <strong>zu</strong> sein. Als Beispiel für sprachliche Hybridisierung und bricolage<br />

führt Androutsopoulos (2002: 87) die „Ghetto-Attitüde“ des Hip-Hop an.<br />

Praktiken des sprachlichen Kreuzens konstruieren ein Prestige, welches die<br />

Benutzer von der Mehrheitsgesellschaft abgrenzt: „Mehrere AutorInnen heben<br />

das ‚versteckte’ bzw. ‚subkulturelle’ Prestige von Migrantensprachen und<br />

–varietäten als wesentliches Motiv für ihre Übernahme von Jugendlichen<br />

anderer Herkunft hervor.“ (ebd.: 87)<br />

Obwohl betont wird, dass crossing ab<strong>zu</strong>grenzen sei „von Formen des ‚echten’<br />

bilingualen Code-Switching (...) wie z. B. beim Gebrauch von Herkunfts- und<br />

Mehrheitssprachen unter Migrantenjugendlichen“ (ebd.: 85), ist es als Konzept<br />

der Aneignung im Falle der hier untersuchten Gruppe nicht ganz von der Hand<br />

<strong>zu</strong> weisen: Die Jugendlichen sind erst im Alter zwischen 12 und 14 Jahren nach<br />

Deutschland gekommen. Benutzt man hier das Konzept der Liminalität als<br />

Übergang von der Lebensphase der Kindheit in die der Jugend, könnte es sein,<br />

dass die Jugendlichen sich der dominanten Varietät in ihrem „Kiez“ angepasst<br />

haben und diese mit dem <strong>zu</strong> lernenden Deutsch der Schule und ihrer<br />

Muttersprache „gecrosst“ haben.<br />

Eksner (2006: 92) geht so weit, die beschriebene Sprechweise als Stylized<br />

Turkish German 7 (STG) <strong>zu</strong> bezeichnen und erklärt die Verwendung folgendermaßen:<br />

„The use of STG by rather fluent Turkish speakers of German shows the<br />

6 Unter bricolage versteht man einen kollektiven, schöpferischen Prozess bei welchem<br />

„Elemente der verschiedenen kulturellen Bereiche aus der Matrix des Bestehenden selegiert, in<br />

einen neuen Bedeutung verleihenden Kontext transformiert und <strong>zu</strong> einem für die jeweilige<br />

jugendliche Subkultur spezifischen Stilmuster <strong>zu</strong>sammengefügt werden“ (Neuland 1987: 69).<br />

7 Diese Bezeichnung ist an das von Ben Rampton (1995) beschriebene sprachliche Phänomen<br />

des Stylized Asian English angelehnt.<br />

- 12 -


2 Kiez-Sprache<br />

way that STG is dependend on very specific preconditions and properties and<br />

thus achieves meaning only in specific-ritualized-situational contexts“ (ebd.).<br />

Sie ist der Auffassung, dass der Ethnolekt der Jugendlichen nur im Kontext der<br />

Selbststilisierung existiere und nicht die „echte“ Sprache darstelle. Die Sprecher<br />

benutzten STG entweder im Gespräch mit gruppenfernen Individuen oder<br />

untereinander in den typischen Formen des crossing wie ritualisierte<br />

Drohungen, Frotzeleien u. ä.<br />

Anhand der hier <strong>zu</strong>grunde liegenden Daten kann diese Sichtweise nicht bestätigt<br />

werden, da die Sprecher bei gemeinsamen Unternehmungen durchgängig Kiez-<br />

Sprache verwendeten und <strong>zu</strong>m anderen kein Außenstehender bei den<br />

Aufnahmen anwesend war. An folgendem Beispiel ist allerdings <strong>zu</strong> erkennen,<br />

dass die Jugendlichen bestimmte Elemente aus dem Ethnolekt8 zitieren:<br />

S1: „Krass“, das denken voll viele, dass die Jugendlichen das sagen.<br />

Wir sagen halt „übertrieben“. „krass“ ist es halt <strong>zu</strong> sagen,<br />

wenn wir nen Witz <strong>machen</strong>.<br />

S2: Niemals in einem ernsten Kontext?<br />

S1: Also, das sagen halt die Deutschen Jugendlichen sagen halt „krass“.<br />

S2: Und du meinst, die <strong>machen</strong>´s in Anlehnung daran, dass sie ...<br />

S1: Es ist halt witzig, wenn jemand „krass“ sagt.<br />

„Geil“ sagen wir immer noch. „Geil“ ist „geil“.<br />

In der stilisierten Variante ist krass neben Ausdrücken wie Isch mach dich<br />

Messer. das bekannteste Element. Da die Verwendung von krass ausschließlich<br />

in der Textsorte „Witz“ bestätigt wird, wäre diese Verwendung als typische Form<br />

des crossing charakterisierbar.<br />

Die Aussage eines Informanten (S1), dass geil immer noch benutzt wird, impliziert,<br />

dass krass früher benutzt wurde und in dem von Androutsopoulos (2000)<br />

beschriebenen Prozess „from the screens to the streets and back again“ aus der<br />

Sprache dieser Jugendlichen verschwunden ist. Normalerweise beschreibt diese<br />

Formulierung die Entstehung verschiedener Ethnolekte. Auf den streets wird der<br />

8 Um welche Art Ethnolekt (vgl. z. B. die Dreiteilung von Peter Auer (2003)) es sich handelt, soll<br />

an dieser Stelle nicht diskutiert werden.<br />

- 13 -


2 Kiez-Sprache<br />

primäre Ethnolekt (also Kiez-Sprache) gesprochen. Dieser wird von den Medien (to<br />

the screens) in Form von „Ethno-Comedy“ aufgegriffen und findet schließlich (back<br />

again) wieder Ein<strong>zu</strong>g auf „anderen Straßen“: denen der Jugendlichen, die ihn in<br />

Form des crossing benutzen. An dem hier gezeigten Beispiel ist ersichtlich, dass es<br />

eine weitere Ebene geben kann: Die Formen des sekundären und tertiären Ethnolekts<br />

wirken sich auf den primären aus und führen in diesem Fall <strong>zu</strong>m Verschwinden<br />

bestimmter Elemente. Auer (2003: 257) schreibt, dass „(...) die Rückwirkung des<br />

medialen Ethnolekts auf den primären (...) nicht ausgeschlossen [ist], jedoch bisher<br />

nicht untersucht worden [ist].“<br />

Ähnliches berichtet Keim aus einer Untersuchung in Mannheim. In der von ihr<br />

untersuchten Gruppe von Frauen findet sich ein Beispiel, welches zeigt<br />

„(...) dass Mitglieder der zweiten Immigrantengeneration durchaus eine Spottvarietät des<br />

Gastarbeiterdeutsch in ihrem Register haben, dass diese Varietät jedoch in ihrer<br />

grammatischen Form wie auch ihrer sozialen Bedeutung (...) keine Ähnlichkeit mit dem<br />

jugendlichen Ethnolekt hat“ (Dirim & Auer 2004: 217).<br />

2.4.2 Ethnolekte<br />

Der Begriff „Ethnolekt“ wurde in den 70er Jahren des letzten Jahrhunderts in<br />

Zusammenhang mit der Erforschung des städtischen Dialekts einer nordamerikanischen<br />

Stadt mit vielen Immigranten geprägt. Clyne (2000: 86)<br />

definiert Ethnolekte als „varieties of a language that mark speakers as members<br />

of ethnic groups who originally used another language (...)“. Ähnlich umreißt<br />

Androusopoulos (20009) das Phänomen als „a variety of the majority language<br />

(or host language), which constitutes a vernacular for speakers of a particular<br />

ethnic descent and is marked by certain contact phenomena“.<br />

Auer (2003: 256) geht für das Deutsche von drei verschiedenen Ethnolekten<br />

aus. Diese definiert er als „eine Sprechweise (Stil), die von den Sprechern selbst<br />

und/oder von anderen mit einer oder mehreren nicht-deutschen ethnischen<br />

Gruppen assoziiert wird.“<br />

9 Die in dieser Arbeit verwendete Version des Aufsatzes von Androutsopoulos aus dem Internet<br />

verfügt nicht über Seitenzahlen.<br />

- 14 -


2 Kiez-Sprache<br />

Wie sich diese Ethnolekte gegenseitig beeinflussen, stellt Auer (ebd.: 257)<br />

anhand folgender Grafik dar:<br />

Die verschiedenen Ethnolekte unterscheiden sich weniger (aber auch) durch<br />

grammatische Merkmale, als durch die Art der Verwendung; <strong>zu</strong>m einen<br />

„(...) als primärer Ethnolekt, der in den deutschen Großstadtghettos entstanden ist und<br />

vor allem von männlichen Jugendlichen mit türkischem Familienhintergrund verwendet<br />

wird, die in Deutschland aufgewachsen sind“ (Auer 2003: 256).<br />

Der sekundäre Ethnolekt bezieht sich auf den ersten und wird fast<br />

ausschließlich durch die Medien vermittelt. Bekannt geworden ist er durch die<br />

so genannte „Ethno-Comedy“ von „Erkan und Stefan“ u. a. Die sprachlichen<br />

Eigenschaften variieren beim sekundären (medialen) Ethnolekt erheblich, da<br />

die Gattungen, in denen er vorkommt sehr heterogen sind (Sketch, Film,<br />

Zeitungsbericht, Comic, u.s.w.) (ebd.: 260).<br />

Der tertiäre Ethnolekt speist sich aus Versatzstücken des sekundären, indem<br />

deutsche Jugendliche diesen zitieren und weiterentwickeln.<br />

Für die Abgren<strong>zu</strong>ng vom sekundären und tertiären Ethnolekt ist es wichtig, dass<br />

der primäre Ethnolekt von den Sprechern niemals im Sinne von Crossing<br />

(Rampton 1995), also als Zitat, verwendet wird, sondern ausschließlich aus der<br />

sprachlichen Interaktion im gemischtsprachlichen Freundeskreis resultiert.<br />

Der Begriff „Ethnolekt“ impliziert, dass bestimmte ethnische Gruppen, in der<br />

Literatur meist türkischstämmige Jugendliche, die in Deutschland geboren sind,<br />

diesen geprägt haben und benutzen. Aus den hier untersuchten Daten geht dies<br />

nicht hervor. Die Informanten sind alle arabische Muttersprachler und bis auf<br />

eine Ausnahme nicht in Deutschland geboren, sprechen aber (mit einigen<br />

- 15 -


2 Kiez-Sprache<br />

Einschränkungen10) den gleichen Ethnolekt wie er in der einschlägigen Literatur<br />

beschrieben ist. Dies erklären Dirim & Auer (2004: 223) folgendermaßen:<br />

„Vielmehr wirkt der primäre Ethnolekt auch direkt, also ohne mediale Vermittlung, auf<br />

das Deutsche anderer ethnischer Gruppen und vor allem Jugendlicher mit rein<br />

deutschsprachigem Familienhintergrund ein, soweit sie mit den Trägern des primären<br />

Ethnolekts enge Netzwerkbeziehungen haben. Dies ist insbesondere in<br />

gemischtethnischen Jugendlichennetzwerken in den deutschen Großstädten der Fall. Von<br />

diesen Sprechern wird der primäre Ethnolekt eher erworben als zitiert – wie auch andere<br />

sprachliche Stile der türkischen Be<strong>zu</strong>gsgruppe, die von Code-Switching und Code-Mixing<br />

geprägt sind.“<br />

Aus der Türkei stammende Jugendliche sind im direkten Netzwerk meiner<br />

Informanten nicht vorhanden. Dass sie trotzdem den selben Ethnolekt<br />

sprechen, könnte dem Umstand <strong>zu</strong>geschrieben werden, dass sie im Wedding,<br />

einem Stadtteil <strong>Berlin</strong>s mit vielen türkischen Einwohnern, groß geworden sind<br />

und sich am dort vorherrschenden sprachlichen Diskurs orientieren im Sinne<br />

eines acts of identity, also „in der Wahl eines bestimmten Stils aus einem<br />

sozialen Stilrepertoire.“ (Dirim & Auer 2004: 39)<br />

Eine weitere Möglichkeit ist die<br />

„Herausbildung einer panethnischen, aber in der Migrantenszene entwickelten Varietät<br />

der Majoritätssprache. In die Konstruktion dieser Varietät gehen die Lexik und teils auch<br />

die Grammatik der Einwanderersprachen neben fossilisierten lernersprachlichen<br />

Elementen (Vereinfachungen) ein. Wird dieser Ethnolekt von anderen Jugendlichen<br />

übernommen und somit <strong>zu</strong> einer meist ‚ghettoorientierten’ Großstadtvarietät, so kann<br />

sich dahinter ein Fall von Transgression verbergen, also der Versuch, die Varietät <strong>zu</strong><br />

usurpieren; es kann aber auch um einen eher assimilatorischen Spracherwerbsprozess<br />

gehen, der sich aus dem Alltag einer Kommunikationsgemeinschaft zwischen den<br />

jugendlichen Sprechern ergibt. Eine ethnische Grenzüberschreitung ist dann nicht<br />

intendiert; entsprechend werden auch keine Ab- und Ausgren<strong>zu</strong>ngen gegen die<br />

ursprünglichen Träger dieser Varietät relevant. Umgekehrt reagieren die „Erfinder“ des<br />

Ethnolekts nicht negativ auf seine Verwendung durch andere“ (ebd.: 30).<br />

Diese Erklärung ist <strong>zu</strong>treffend. Allerdings wird hier der Status als<br />

Jugendsprache verneint, da es bei dieser, wie die folgenden Beispiele belegen,<br />

10 Unterschiede gibt es vor allem im lexikalischen Bereich. So benutzen die Informanten dieser<br />

Arbeit arabische Partikeln wie habibi (‚mein Schatz’). In den Daten von Dirim & Auer (2004),<br />

welche vor allem von türkischen Jugendlichen stammen, findet man türkische Partikeln wie lan<br />

(‚Junge’).<br />

- 16 -


2 Kiez-Sprache<br />

um Abgren<strong>zu</strong>ng geht und somit die Verwendung durch Außenstehende nicht als<br />

positiv gelten kann bzw. ausgeschlossen ist:<br />

(2-2)<br />

(a) S2: Aber du würdest es schon als eine Jugendsprache einschätzen?<br />

S1: Ja, die hört sich auch anders an als die Sprache,<br />

die hier die Erwachsenen so reden.<br />

S2: Aber mit deinen Eltern würdest du nie so reden?<br />

S1: Nein ((lachen))<br />

(b) S: If we´re really good friends, if we´re really good friends then we<br />

talk... We more talk about, for example, we don’t get along with<br />

Arabs, you know. I mean we also have Arab friends maybe, but..<br />

they... it is... the enemy group, you know, of us. Because we don’t<br />

like each other (Eksner 2006: 46).<br />

Die Aussagen in Beispiel (2-2a) stammen aus einem Gespräch mit dem<br />

Hauptinformanten dieser Arbeit (S1), Beispiel (2-2b) ist die Aussage eines<br />

Jugendlichen aus Kreuzberg, den Eksner (2006) 11 für ihre Arbeit interviewt hat.<br />

Beide Sprecher betonen den Status von Kiez-Sprache als Mittel der Abgren<strong>zu</strong>ng.<br />

Hier wird erneut deutlich, dass es sich bei Kiez-Sprache nicht ausschließlich um<br />

eine Kontaktsprache handeln kann, sondern auch andere Faktoren und<br />

Einflüsse eine Rolle spielen.<br />

2.4.3 Systemorientierte Perspektive<br />

Nach Henne (1986: 147) ist „jugendliches Sprechen dem informellen<br />

sprechsprachlichen Stil [näher] als vergleichbare Kommunikation unter<br />

Erwachsenen.“ Damit hängt <strong>zu</strong>sammen, dass jugendliche Sprecher eher<br />

dialektale Sprechweisen benutzen als Erwachsene. Weiterhin auffällig ist das<br />

vermehrte Auftreten von Gesprächspartikeln, Tag-Questions, Vagheits- und<br />

Anredeformeln.<br />

11 Da die gesamte Arbeit von Eksner (2006) auf Englisch verfasst ist, hat sie die Beispiele<br />

ebenfalls ins Englische übersetzt.<br />

- 17 -


2 Kiez-Sprache<br />

Laut Androutsopoulos (1998: 6) betreffen die meisten Befunde für altersspezifische<br />

Merkmale phonetisch-phonologische und morphosyntaktische<br />

Variablen. Als phonologische Besonderheiten werden Reduktions-,<br />

Assimilations- und Klitisierungsprozesse genannt.<br />

Im Bereich der Syntax fällt „die parataktische Syntax von weil, die Dativ-<br />

Rektion von Präpositionen (wegen, während), der Definitartikel an Personennamen<br />

sowie die syntaktische Reduktion (Elliptizität)“ (ebd.: 7) auf. Außerdem<br />

werden vor allem im Verbalbereich neuartige Zusammenset<strong>zu</strong>ngen erprobt und<br />

es treten Rektionsabweichungen auf (auf etwas abfahren oder stehen, etwas<br />

schnallen oder blicken). (Neuland 1987: 73).<br />

Im jugendsprachlichen Wortschatz sind die Bereiche „Intensivierungspartikeln“<br />

und „Tabuwörter“ besonders ausgeprägt. Des Weiteren fällt die große Anzahl<br />

von Neubildungen durch Zusammenset<strong>zu</strong>ngen auf. Außerdem werden eine<br />

Vielzahl von Anglizismen verwendet, die aus dem Umfeld des Hip-Hop<br />

stammen und auf die Affinität der jugendlichen Sprecher <strong>zu</strong> dieser<br />

Musikrichtung hinweisen (Androutsopoulos 1998: 531f.).<br />

Semantisch auffällig „sind die Bedeutungsverschiebungen gegenüber der<br />

Standardsprache (...); und zwar insbesondere in der Form von<br />

Bedeutungserweiterung, <strong>zu</strong>mal durch Aufhebung von Anwendungsbereichen<br />

aus dem Kontext der Sexualität.“ (Neuland 1987: 72)<br />

Im Folgenden soll anhand von Beispielen aus dem der Arbeit <strong>zu</strong>grunde<br />

liegenden Material gezeigt werden, dass es sich bei Kiez-Sprache aus<br />

korrelativer Perspektive eindeutig um eine jugendsprachliche Varietät handelt:<br />

Dialektale Sprechweisen werden nur von einem einzigen Sprecher benutzt.<br />

Besonders frequent tritt bei seinem Sprechen die tag-question-Partikel wa auf,<br />

welche typisch für das <strong>Berlin</strong>ische ist:<br />

(2-3) 12<br />

(a) das war das schönste wochenende (.) wa?<br />

(b) !HE! (.) du bist schon auf der straße (.) wa du bastard?<br />

12 Die Beispiele sind nach den Transkriptionskonventionen von GAT transkribiert (siehe<br />

Anhang).<br />

- 18 -


2 Kiez-Sprache<br />

Die Gesprächspartikel, die von allen Sprechern sehr häufig genutzt wird, ist<br />

wallah:<br />

(2-4)<br />

(a) wallah (.) natürlich bin isch erster<br />

(b) ja (-) jetzt noch eine runde wallah<br />

Wallah hat die Funktion, eine Äußerung <strong>zu</strong> verstärken und kann in fast jeder<br />

Position im Satz stehen. Ähnliches beobachtet Quist (2005: 152) bei<br />

Jugendlichen in Kopenhagen: „For instance, the word wallah appears quite<br />

frequently (...). It is a word of Arabic origin meaning by God (~ I swear in the<br />

name of god). It can be used to serve several functions, but is mostly used to<br />

intensify (...).“<br />

Neben wallah wird <strong>zu</strong>r Intensivierung einer Aussage häufig übertrieben<br />

gebraucht:<br />

(2-5)<br />

(a) wallah (-) das ist übertriebener <strong>zu</strong>fall (---) übertrIEBEN (-)<br />

(b) weiß nisch was wir alles erlebt haben<br />

übertrieben (-) übertrieben=einfach<br />

Ficken ist das mit Abstand am häufigsten genannte Lexem aus dem Bereich des<br />

Tabuwortschatzes. Auch geil tritt häufig auf, allerdings ist hier der Prozess der<br />

Umdeutung schon fortgeschrittener und die Vulgarität fast ausschließlich<br />

diachron ab<strong>zu</strong>leiten.<br />

(2-7)<br />

(a) wir ficken die welt<br />

(b) isch fick disch trotzdem (.) warte<br />

(c) du wirst so ein arschfick bekommen (--) warte (.) wallah<br />

Die Anglizismen, welche auftreten, lassen sich, wie bereits erwähnt, dem<br />

sprachlichen Kontext des Hip-Hop <strong>zu</strong>ordnen. 13<br />

13 In überspitzter Form umschreibt Zaimoglu dieses mit (schwarzem) Hip-Hop assoziierte<br />

Lebensgefühl wie folgt: „(...) wir sind hier allesamt nigger, wir haben unser ghetto, wir<br />

schleppen´s überall hin, wir dampfen fremdländich, unser schweiß ist nigger, unser leben ist<br />

- 19 -


(2-8)<br />

(a) isch brauch dein mitleid nicht (.) nigger<br />

(b) isch bin in da house<br />

(c) shit nigger (.) shit<br />

2 Kiez-Sprache<br />

Im Bereich der Anredeformeln ist <strong>zu</strong> beobachten, dass sich Kategorien<br />

überschneiden können, da die Anredeformeln häufig aus dem Bereich des<br />

Tabuwortschatzes (im Sinne von „politisch unkorrekt“) stammen.<br />

(2-9)<br />

(a) du wirst sowieso gefickt (.) du spast<br />

(b) armad (.) du !OPFER!<br />

(c) ja=er hat doch geklingelt<br />

wo isch hier angerufen habe du kleiner bastard<br />

Beispiele für die parataktische Verwendung von weil sind:<br />

(2-10)<br />

(a) weil der untere der fährt gute kurven<br />

(b) aber seiner ist trotzdem schnell (.) weil seiner is=n rennwagen<br />

Wie gezeigt wurde, treten in Kiez-Sprache viele Elemente auf, die aus der<br />

Forschung <strong>zu</strong>r deutschen Jugendsprache bekannt sind. Neben diesen Formen<br />

gibt es vor allem im morphosyntaktischen Bereich neben Reduktion (Kapitel<br />

2.7) kreative Neubildungen (Kapitel 4.1 ff.), die man so in der klassischen<br />

Jugendsprachforschung bisher nicht vorfindet. 14<br />

nigger, die goldketten sind nigger, unser zinken und unsere fressen und unser eigner stil ist so<br />

verdammt nigger, daß wir wie blöde an unsrer haut kratzen, und dabei kapieren wir, daß <strong>zu</strong>m<br />

nigger nicht die olle pechhaut gehört, aber <strong>zu</strong>m nigger gehört ne ganze menge anderssein und<br />

andres leben“ (Zaimoglu 1995: 24).<br />

14 Eine Möglichkeit, wie solche Formen auch Ein<strong>zu</strong>g in die „normale“ Jugendsprache finden ist<br />

der tertiäre Ethnolekt.<br />

- 20 -


2.5 Kontaktsprachen<br />

2 Kiez-Sprache<br />

Sowohl das Deutsch der Gastarbeiter (GAD) als auch die Ethnolekte<br />

europäischer Großstädte wurden und werden teilweise als Pidgin bezeichnet.<br />

Diese Kontaktsprache wird im Allgemeinen folgendermaßen definiert:<br />

„languages lexically derived from other languages, but which are structurally simplified,<br />

especially in their morphology. They come into being where people need to communicate<br />

but do not have a language in common. Pidgins have no (or few) first language speakers,<br />

they are the subject of language learning, they have structural norms, they are used by two<br />

or more groups, and they are usually unintelligible for speakers of the language from<br />

which the lexicon derives“ (Arend et al. 1995: 25).<br />

Einzelne Punkte treffen sowohl auf das GAD als auch auf Kiez-Sprache <strong>zu</strong>. Einen<br />

Einwand, der deutlich macht, dass eine solche Zuordnung jedoch nicht<br />

eindeutig gemacht werden kann, führen Arend et al. (1995: 26) an. Sie<br />

argumentieren dafür, nicht jede gebrochene Sprache als Pidgin <strong>zu</strong> bezeichnen;<br />

konkret halten sie das GAD nicht für ein solches: „the target language of these<br />

immigrants (...) is not the broken version of the language (...) – even if they<br />

decide not to try to learn these languages beyond a certain level.“<br />

Eine Ausnahme <strong>zu</strong> oben zitierter Annahme beobachten Arend et al. (ebd.: 26)<br />

widerum in Wohngebieten Stockholms, in welchen Migranten der zweiten<br />

Generation neben fließendem Schwedisch „a form of broken Swedish in certain<br />

situations“ benutzen und dass „cases like these may be called a pidgin, if they<br />

form targets for second language learning“ (ebd.: 26). Unter Jugendlichen in<br />

multiethnischen Wohnvierteln stellt das Erlernen von Kiez-Sprache definitiv ein<br />

Ziel im Spracherwerb dar. Dieser Fakt spräche also für den Status von Kiez-<br />

Sprache als Pidgin.<br />

Im Folgenden wird näher auf die Kategorisierbarkeit des GAD als Pidgin<br />

eingegangen, bildet es doch einen möglichen Einflussfaktor für Kiez-Sprache.<br />

Michael Clyne (1968) war der Erste, der vom GAD als einem Pidgin sprach.<br />

Einer der Gegner dieser Sichtweise ist Jürgen Meisel, der in seinem 1975<br />

veröffentlichten Aufsatz „Ausländerdeutsch und Deutsch ausländischer Arbeiter<br />

– <strong>zu</strong>r möglichen Entstehung eines Pidgin in der BRD“ viele Gegenargumente<br />

aufführt. Interessant an seinen und den Ausführungen anderer sind besonders<br />

die Hypothesen, welche für die Zukunft der Gastarbeiter und deren Sprache<br />

aufgestellt wurden, hängt doch von diesen die Definition als Pidgin oder Nicht-<br />

- 21 -


2 Kiez-Sprache<br />

Pidgin ab. So hielt Meisel für einen zentralen Faktor für das Verschwinden des<br />

Pidgins oder der Lernervarietät die Dauer des Aufenthalts in der<br />

Bundesrepublik: „Man darf zwar nicht unbedingt von vornherein annehmen,<br />

daß jemand umso besser Deutsch lernt, je länger er im Land bleibt. Es gibt<br />

jedoch genügend Hinweise darauf, dass diese Korrelation richtig ist“ (Meisel<br />

1975: 10). Diese Vermutung ist aus heutiger Sicht für viele Gastarbeiter nicht<br />

eingetroffen.<br />

Auch einige der Informanten dieser Arbeit haben sich, wie folgendes Zitat aus<br />

einem Gespräch mit einem der Jugendliche zeigt, „dem Druck des Deutschen“<br />

(ebd.: 10) erfolgreich entzogen.<br />

„Zwei (...), die reden nur so, aber die verstehen das. Wenn du mit denen reden<br />

würdest, würden sie es verstehen. Aber wenn sie sich dann ausdrücken, ist es<br />

halt anders. Die können nicht wechseln.“<br />

Diese Möglichkeit zog Meisel in Betracht:<br />

„Wenn es da<strong>zu</strong> kommen sollte [<strong>zu</strong>r Ausbildung eines Pidgin], dann als Folge der<br />

Diskriminierung und der Isolation der ausländischen Arbeiter, wie sie sich <strong>zu</strong>m Beispiel<br />

in der <strong>zu</strong>nehmenden Ghettobildung manifestiert. Am Ende dieser Entwicklung stünde die<br />

Germanisierung des besonders anpassungswilligen Teils der Betroffenen und die<br />

endgültige Zuordnung der übrigen <strong>zu</strong>m Reservoir der Hilfsarbeiter der deutschen<br />

Wirtschaft.“<br />

Für manche ehemaligen Gastarbeiter ist diese Befürchtung leider eingetroffen:<br />

Der anpassungswilllige Teil hat die „Ghettos“ verlassen, in welchen sich die<br />

Übrigen ausgrenzen und von der Gesellschaft ausgegrenzt werden. Eine dritte<br />

Möglichkeit jedoch hat Meisel nicht in Betracht gezogen: dass es zwischen<br />

Anpassung und Ausgren<strong>zu</strong>ng etwas geben könnte wie die „Ethnic Urban Youth“<br />

Dieser Wandel betrifft:<br />

„den Übergang vom Selbst- und Fremdbild eines ökonomisch benachteiligten und sozial<br />

diskriminierten Arbeits-Subproletariats ohne ‚legitimes’ kulturelles, sprachliches oder<br />

ökonomisches Kapital, ohne Selbstbewusstsein und ohne Anspruch auf Dauerhaftigkeit,<br />

<strong>zu</strong> einer arrivierten ‚Minderheit’, die weiß, dass sie in diesem Land auch in Zukunft leben<br />

wird – ohne ethnisch in der deutschen Bevölkerung auf<strong>zu</strong>gehen“ (Dirim & Auer 2004: 2).<br />

- 22 -


2 Kiez-Sprache<br />

2.5.1 Grammatikalische Reduktion im Gastarbeiterdeutsch<br />

Aus rein grammatischer Perspektive scheint es zwischen dem GAD und Kiez-<br />

Sprache viele Ähnlichkeiten <strong>zu</strong> geben (vgl. Kapitel 2.7). Die wichtigsten<br />

grammatischen Eigenschaften des GAD werden im Folgenden kurz vorgestellt:<br />

Im GAD kann jedes Element im Satz mit nix („nichts“) negiert werden, wenn es<br />

unmittelbar auf den Negationsträger folgt:<br />

(2-11)<br />

(a) Ich nix mit Kopf arbeit (Türke)<br />

(b) Niks gut Wetter 15 (Griechin)<br />

Des Weiteren werden Wörter bevor<strong>zu</strong>gt, welche Meisel (ebd.: 36) als „einfach“<br />

oder „unmarked“ bezeichnet. So ist <strong>zu</strong>m Beispiel die Verwendung von tun,<br />

<strong>machen</strong>, gehen auffällig, wenn für diese die in der Standardsprache üblichen<br />

Verben wie rennen oder fahren stehen könnten, welche die Art der Tätigkeit<br />

präzisieren.<br />

Deutlicher, so Meisel (ebd.), wird diese Erscheinung in der Tendenz <strong>zu</strong><br />

analytischen Phrasen, unter welchen „Ausdrücke verstanden [werden], mit<br />

denen lexikalische Einheiten, die für die Sprecher als ‚irgendwie schwierig’<br />

gelten, umschrieben werden“:<br />

(2-12)<br />

(a) nix Arbeit „arbeitslos“<br />

(b) viel Arbeit „fleißig“<br />

Ebenfalls können Adverbiale paraphrasiert werden, wie<br />

(2-13) andere Platz „anderswo“<br />

Eine weitere Besonderheit ist die Tendenz des GAD <strong>zu</strong>r Dekomposition von<br />

Verben:<br />

(2-14) Tot <strong>machen</strong> „töten“, „ermorden“<br />

Häufig ist auch das Weglassen des Artikels <strong>zu</strong> beobachten, wie in<br />

15 Beispiel von Clyne (1986: 135), zitiert nach Meisel (1975: 35).<br />

- 23 -


(2-15)<br />

2 Kiez-Sprache<br />

(a) Leuten gut, Geld gut, aber was <strong>machen</strong> mit Fuß? 16 (Griechin)<br />

(b) Wir kommen aus Türkei 17 (Türke)<br />

An Beispielen wie<br />

(2-16) jetzt gehen alle deutsche Familie, aber wir gehe sehr selten 18<br />

ist <strong>zu</strong> beobachten, dass Präpositionen häufig fehlen.<br />

(Türke)<br />

Außerdem treten viele Konstruktionen auf, in denen der Ausfall des Verbs,<br />

besonders der Kopula, <strong>zu</strong> beobachten ist:<br />

(2-17) Kind alles in der Türkei geboren 19 (Türke)<br />

Ein weiteres Charakteristikum des GAD ist das Fehlen von Flexionsendungen<br />

wie in<br />

(2-18) Ein gut Kostum 20 (Griechin)<br />

und der Ausfall von Personalpronomen:<br />

(2-19) Heute morgen wieder hier kommen 21 (Spanier)<br />

(Meisel (1975): 35ff.)<br />

Aus der Tatsache, dass Sprecher verschiedener Muttersprachen ähnliche Fehler<br />

<strong>machen</strong>, leitet Meisel ab, dass „alle Merkmale des ‚Gastarbeiterdeutsch’ (...)<br />

anders als mit Sprachmischung erklärt werden [können]. Dabei sind<br />

gelegentlich Interferenzen mit der Muttersprache <strong>zu</strong> erkennen“ (ebd.: 24). Für<br />

Meisel sind weder die sprachlichen noch die sozialen Kriterien erfüllt, um von<br />

einem Pidgin sprechen <strong>zu</strong> können. Jedoch zieht er die Möglichkeit in Betracht,<br />

dass es <strong>zu</strong> einer Stabilisierung, also <strong>zu</strong> einem Pidgin, kommen könnte, wenn die<br />

Simplifizierung nicht die einzige linguistische Besonderheit bleibt, sondern sich<br />

16 Beispiel von Clyne (1968: 132), zitiert nach Meisel (1975: 39).<br />

17 Beispiel von Dittmar, Klein et al. (1974: 25), zitiert nach Meisel (1975: 39).<br />

18 Beispiel: (ebd.: 26), zitiert nach Meisel (ebd.).<br />

19 Beispiel: (ebd.: 25), zitiert nach Meisel (ebd.).<br />

20 Beispiel von Clyne (1968: 40), zitiert nach Meisel (ebd.: 40).<br />

21 ebd.: 133, zitiert nach Meisel Meisel (ebd.).<br />

- 24 -


2 Kiez-Sprache<br />

Sprachmischungen nachweisen lassen, <strong>zu</strong>m Beispiel „(...) Fälle, in denen<br />

Formen hervorgebracht werden, die in keiner der beteiligten Sprachen<br />

existieren.“ (ebd.: 23)<br />

Dies ist, wie ab Kapitel 4 gezeigt werden soll, in Kiez-Sprache der Fall.<br />

Kotsinas ist ebenfalls der Auffassung, dass die Besonderheiten von<br />

Migrantensprachen „are not primarily caused by interference from the speakers’<br />

mother tongues. Instead, they are the result of compensatory strategies used by<br />

the speakers to fulfill their grammatical and pragmatic needs“ (2001: 126).<br />

Als Strategien nennt sie „repetition, circumlation, analytic decomposition,<br />

lexical over-use and semantic over-extension“. 22 (ebd.: 130)<br />

Auch Dirim & Auer (2004: 213) schreiben <strong>zu</strong> Kiez-Sprache: „Eine interferenzbezogene<br />

Interpretation stößt sowieso auf Schwierigkeiten, weil manche der<br />

ethnolektalen Merkmale in den Familiensprachen kein strukturelles Korrelat<br />

haben: Im Arabischen gibt es <strong>zu</strong>m Beispiel Präpositionen.“<br />

Kotsinas (ebd.: 125) nennt Varietäten, in denen „creole-like features“<br />

vorkommen, auch wenn kein Pidgin als Basis existiert, „creoloids“.<br />

Ebenfalls interessant <strong>zu</strong>r Einordnung des GAD und der Kiez-Sprache ist<br />

Whinomms (1971) dreistufiges Modell der Hybridisierung:<br />

Auf die primäre Hybridisierung geht Whinnom nicht näher ein. Er bemerkt nur,<br />

dass in dieser Dialekte ausdifferenziert werden.<br />

Von sekundärer Hybridisierung ist dann <strong>zu</strong> sprechen, wenn zwei<br />

unterschiedliche Sprachen aufeinander treffen und eine Anpassung stattfindet.<br />

Beherrscht eine dieser Sprechergruppen die Kontaktsituation, ist eine totale<br />

sprachliche Anpassung der schwachen Gruppe an die starke <strong>zu</strong> erwarten. Wegen<br />

der Begren<strong>zu</strong>ng des Sprachlernvermögens geschieht die Anpassung von<br />

Erwachsenen nur partiell. Die folgende Generation wird aber bereits die Sprache<br />

der mächtigeren Sprachgruppe als Muttersprache erlernen. Die durch die<br />

22 Speziell für mein Thema interessant ist die analytische Dekomposition. Darunter versteht<br />

Kotsinas die Erset<strong>zu</strong>ng von Verben durch Phrasen vom Typ „<strong>machen</strong> + N“. Mühlhäusler (1986:<br />

146) nennt als Beispiel mekim sigar („smoke“). Diese Konsruktion ist der von mir untersuchten<br />

Lassma <strong>Weltmeisterschaft</strong> <strong>machen</strong>. sehr ähnlich (vgl. Kapitel 4).<br />

- 25 -


2 Kiez-Sprache<br />

sekundäre Hybridisierung entstandene Sprache wird somit nur eine begrenzte<br />

Lebensdauer haben.<br />

Da<strong>zu</strong> bemerkt Keim (1984: 73)<br />

„Das GAD ist kein Pidgin-Deutsch, sondern konstituiert sich aus einer Menge von<br />

Kontaktsprachen, die durch zweite Hybridisierung im Sinne von Whinnom entstanden<br />

sind. Das GAD ist damit keine stabile Sprache, sondern durch hohe Variabilität<br />

ausgezeichnet. Je nach Grad der Durchbrechung von sozialer Distanz und von<br />

emotionalen Barrieren ist mit größerem Erfolg beim Zweitspachenerwerb, d.h.<br />

Annäherung an die Zielsprache, oder mit geringerem Erfolg <strong>zu</strong> rechen, d. h. in höherem<br />

Maße Auftreten von Pidginmerkmalen.“<br />

Für das GAD wurde genau diese Entwicklung erwartet: Die erste Generation<br />

spricht eine fossilisierte Lernersprache, wogegen die zweite Generation das<br />

Standarddeutsche erlernt.<br />

Von tertiärer Hybridisierung spricht man, wenn sich Sprecher aus<br />

verschiedenen Sprachgemeinschaften, die nicht bereits über eine ausgeprägte<br />

Kontaktsprache (durch sekundäre Hybridisierung) verfügen, an die Sprache<br />

einer dominierenden Gesellschaft anpassen, ohne mit dieser in intensivem<br />

Kontakt <strong>zu</strong> stehen. Die Kommunikation findet also hauptsächlich innerhalb der<br />

untergeordneten Sprachgemeinschaft ab; die dominierende Gesellschaft ist aber<br />

so stark, dass sie die Ausrichtung der entstehenden Kontaktsprache auf ihre<br />

Sprache erzwingt. Die so entstehende Sprache hat zwar Ähnlichkeiten mit der<br />

dominierenden Sprache, ist aber kommunikativ von dieser unabhängig. Die<br />

Konventionen und Normen, die entstehen, sind dementsprechend unabhängig<br />

und lassen eine Sprachform entstehen, die für Sprecher der dominierenden<br />

Sprachgemeinschaft nicht mehr ohne Weiteres verständlich ist. Diese Situation<br />

kann, wenn die neue Sprachform genügend Prestige erhält, um die<br />

Ausgangssprache der dominierenden Gruppe <strong>zu</strong> verdrängen, <strong>zu</strong>r Entwicklung<br />

eines Creol führen (Bartsch et al. 1975: 33).<br />

Kiez-Sprache weist nach Whinnoms Modell die meisten Ähnlichkeiten mit der<br />

tertiären Hybridisierung auf.<br />

Wie schon die Vorstellung eines Bruchteils der geführten Diskussion <strong>zu</strong>m Status<br />

vom GAD oder von Kiez-Sprache (und ihren Entsprechungen in anderen<br />

Ländern) als einem Pidgin zeigt, ist eine Zuordnung dieses Phänomens nicht<br />

einfach. Geht man rein grammatisch vor, sind viele Gemeinsamkeiten von Kiez-<br />

- 26 -


2 Kiez-Sprache<br />

Sprache und dem GAD mit klassischen Pidgin- oder Kreolsprachen <strong>zu</strong> finden.<br />

Ausschlaggebend für die Kategorisierung sind hier aber auch die sozialen<br />

Entstehungsbedingungen. So entstanden die meisten Pidgins im Kontext von<br />

Kolonialisierung. Beim GAD wurde dieser Aspekt berücksichtigt, wollte man<br />

damit auf die soziale Misere der Gastarbeiter aufmerksam <strong>machen</strong>, indem man<br />

sie im weitesten Sinne als ausgebeutete Minderheit, ähnlich den Sklaven auf den<br />

Plantagen, verglich. Dies ist bei Kiez-Sprache nicht möglich, da es sich bei deren<br />

Sprechern um eine selbstbewusste, junge Generation von Migranten handelt,<br />

die zwar teilweise von der Gesellschaft ausgegrenzt werden, damit, unter<br />

anderem auch sprachlich, selbstbewusst umgehen. Nur deshalb ist es möglich,<br />

dass Kiez-Sprache von Lehrern und anderen „Bedenkenträgern“ eine<br />

ablehnende Haltung entgegengebracht wird. Wären die jungen Migranten eine<br />

<strong>zu</strong> bemitleidende Minderheit, würde man sich ihnen sprachlich vermutlich wie<br />

den Gastarbeitern in den 70er Jahren des letzten Jahrhunderts in einer Form<br />

von Foreigner Talk (Hinnenkamp 1982) nähern, nicht aber ihre Sprache<br />

kritisieren.<br />

2.5.2 Grammatikalische Reduktion in Kiez-Sprache<br />

Neben den sprachlichen Besonderheiten, die in Kapitel 2.5 genannt wurden und<br />

die dem Bereich der Jugendsprache <strong>zu</strong>gehörig sind, tauchen in Kiez-Sprache<br />

Konstruktionen auf, welche typisch für Ethnolekte sind:<br />

„Zu den auffälligsten phonetischen Merkmalen des Ethnolekts“, so schreiben<br />

Dirim & Auer (2004: 207), „gehört vor allem die Koronalisierung von /ç/, die<br />

zwar ein allgemeines Merkmal des Frankfurter Regiolekts (bzw. allgemein des<br />

Mitteldeutschen) ist und deshalb bei einem Sprecher aus Frankfurt nicht<br />

verwundert.“ Allerdings, so betonen sie, werde diese Realisierung von /ç/ auch<br />

außerhalb des Koronalisierungsgebietes realisiert. Diese Aussage kann anhand<br />

der <strong>Berlin</strong>er Daten, auf denen diese Arbeit basiert, nur bestätigt werden.<br />

Weiter auffällig ist die Reduktion des Anlautclusters /ts/ <strong>zu</strong> /s/, welches<br />

ebenfalls in dem hier untersuchten Material <strong>zu</strong> finden ist.<br />

Ein anderes Charakteristikum, das oft <strong>zu</strong>r Beschreibung von Kiez-Sprache<br />

benutzt wird, ist deren morphologische und syntaktische Reduktion (ebd.):<br />

- 27 -


(2-20) Das Fehlen von Präpostionen<br />

(a) S2: mein vater hat (.) trägt leder23 (b) S1: wallah?<br />

(c) S2: ja:: geht moschee mit lederhose „in die moschee“<br />

(2-21) Das Fehlen von Pronomen<br />

S3: in kurven ist das untere auto besser (.)<br />

aber in grade ist sein auto besser (-)<br />

weil der untere der fährt gute kurven<br />

jetzt geht andere richtung<br />

ja da<br />

da da gradeaus (.) sarmad<br />

„jetzt geht es“<br />

(2-22) Das Fehlen von Artikelformen<br />

S2: nix (.) bist du bescheuert<br />

Schuld dir GAR nix<br />

S1: wer schuldet mir?<br />

S2: d. schuldet dir drei euro glaub isch (.) drei euro (.)<br />

für taxi „für das Taxi“<br />

(2-23) Die Veränderung von Genera<br />

S1: gestern ist auf mein schienbein<br />

son eine fette dings „so ein fettes Dings“<br />

Vorne so pf: gefallen<br />

2 Kiez-Sprache<br />

Diese Daten lassen den Eindruck entstehen, dass sich Kiez-Sprache, wie das<br />

GAD, vor allem durch grammatische Reduktion auszeichnet. Wie in Kapitel 4<br />

gezeigt wird, ist dies jedoch nur eines von mehreren Charakteristika von Kiez-<br />

Sprache.<br />

23 Die Beispiele stammen alle, soweit nicht anders angegeben, aus meinem Material.<br />

- 28 -


3 Gesprochenes Deutsch<br />

3 Gesprochenes Deutsch<br />

Da nicht das geschriebene, normierte Standarddeutsch den Be<strong>zu</strong>gspunkt für<br />

Kiez-Sprache (als Varietät des Deutschen) darstellt, 24 sondern die gesprochene<br />

Sprache, wird diese hier kurz mit ihren Besonderheiten vorgestellt:<br />

3.1 Pragmatische Eigenschaften<br />

Koch & Oesterreicher (1985: 19ff.) unterscheiden sprachliche Äußerungen<br />

danach, in welchen Situationstypen sie verankert sind.<br />

Der Kontext, in dem sich die Sprecher des hier untersuchten Korpus befanden,<br />

ist nach dieser Definition dem Bereich der „Nähe“ <strong>zu</strong><strong>zu</strong>ordnen:<br />

„Nähekommunikation findet zwischen Kommunikationspartnern statt, die sich von<br />

Angesicht <strong>zu</strong> Angesicht begegnen, deren Vertrautheit miteinander Emotionen und<br />

Spontanität <strong>zu</strong>lässt und die sich in einem gemeinsamen Raum befinden, innerhalb dessen<br />

sie auf Gegenstände verweisen können“ (Schwitalla 2003: 21).<br />

Kommunikation im Distanzbereich ist im Gegensatz da<strong>zu</strong> dann gegeben, wenn<br />

die Beteiligten räumlich getrennt sind, wenn die Kommunikation (wie es z. B.<br />

bei institutionellen Interaktionen der Fall ist) ein vorher bestimmtes Thema und<br />

Ziel hat oder wenn die Rede in der Öffentlichkeit geschieht.<br />

Weiterhin zeichnet sich gesprochene Sprache, vor allem im Bereich der<br />

Nähekommunikation, durch Ökonomie aus. Behagel schreibt:<br />

„Was man im Aufbau des Dramas als Exposition bezeichnet, die Vorausset<strong>zu</strong>ngen, aus<br />

denen Handlung und Rede des Handelnden hervorgeht, das muss das geschriebene Wort<br />

oft erst unmissverständlich schildern: Für den Redenden sind sie <strong>zu</strong>meist unmittelbar<br />

gegeben; und zwar nicht bloß Ort und Zeit. Er kennt in der Regel die Stimmung des<br />

Hörenden, den Umkreis und die Beschaffenheit der Vorstellungswelt, über die er gebietet,<br />

die Verhältnisse unter denen er lebt (...). Diese Gemeinsamkeit der Vorausset<strong>zu</strong>ng<br />

gestattet es, mit wenigen Worten, ja mit einem einzigen ganze Reihen von Vorstellungen<br />

ab<strong>zu</strong>tun; eine große Sparsamkeit, ja übermäßige Bequemlichkeit und Trägheit des<br />

Ausdrucks wird hierdurch begünstigt“ (Behagel 1927: 15).<br />

24 Es existieren durchaus geschriebene Texte des Ethnolekts. Diese tragen Titel wie „Wem ist<br />

dem geilste Tuss im Land“ (Freidank 2001) oder „Ich geh Schule, wie isch Bock hab (Freidank<br />

2002) und sind eindeutig dem Bereich „Kanak Sprak“, also der stilisierten Variante, <strong>zu</strong>gehörig.<br />

- 29 -


3 Gesprochenes Deutsch<br />

Diese Sparsamkeit führt <strong>zu</strong> einigen grammatikalischen Besonderheiten, die im<br />

Weiteren dargestellt werden:<br />

3.2 Syntaktische Eigenschaften<br />

Die meisten Grammatiken gehen vom Satz als der Basiseinheit der<br />

syntaktischen Analyse aus, welcher dann durch die weitere Analyse in immer<br />

kleinere Einheiten differenziert wird.<br />

Das Problem der Anwendbarkeit einer solchen Theorie für die gesprochene<br />

Sprache besteht darin, dass sich beim Sprechen und Hören die syntaktische<br />

Struktur erst allmählich aufbaut und <strong>zu</strong>sätzlich verändert, unterbrochen oder<br />

wiederholt werden kann (Schwitalla 2003: 100).<br />

Die Termini „Ellipse“ und „Anakoluth“, welche für bestimmte Strukturen der<br />

gesprochenen Sprache verwendet werden, gehen vom klassischen Konzept des<br />

Satzes aus, dem durch die Anwendung verschiedener pragmatischer<br />

Operationen Elemente „fehlen“. Wie in Kapitel 6 gezeigt wird, existieren<br />

alternative Theorien, welche eine Unterscheidung in Kerngrammatik vs.<br />

Randgrammatik (Kapitel 6.1) vornehmen oder die Syntax der gesprochenen<br />

Sprache an einer Zeitachse orientieren und deren Regeln somit durch<br />

nachträgliche Bearbeitung und vorgreifende Projektionen aufgebaut werden<br />

(Kapitel 6.2).<br />

Was man unter einer Ellipse <strong>zu</strong> verstehen hat, ist sehr umstritten: „Eine erste<br />

Differenzierung betrifft Weglassungen von Satzteilen, die aufgrund des<br />

vorhergehenden syntaktischen und semantischen Kontextes ergänzt werden<br />

können.“ (ebd.: 102). Mit dieser Definition umschreibt man im Allgemeinen<br />

Analepsen. Diesen stehen freie Ellipsen im engeren Sinne gegenüber, „in denen<br />

wirklich eine echt syntaktische Vollendung innerlich gefordert, aber äußerlich<br />

nicht geleistet wird“ (Bühler 1965: 166f; hier zitiert nach Schwitalla 2003: 102).<br />

Ein Erklärungsmodell für Ellipsen und Analepsen ist das Ökonomieprinzip,<br />

„nach dem man nicht mehr <strong>zu</strong> sagen braucht, als für den Hörer <strong>zu</strong>m Verständnis<br />

des Mit<strong>zu</strong>teilenden nötig ist“ (ebd.: 103).<br />

Gleichzeitig, so Schwitalla, erfolge eine stärkere Bindung der eigenen Äußerung<br />

an die vorhergehende. Dadurch entsteht eine Verstehenserleichterung, da der<br />

- 30 -


3 Gesprochenes Deutsch<br />

Hörer auf die Informationsteile gelenkt wird, die rhematisch sind. Durch die<br />

Ausfüllung aller syntaktischen Positionen wird die Grice’sche Konversationsmaxime<br />

verletzt, nicht mehr <strong>zu</strong> sagen, als notwendig ist, da diese die implizite<br />

Forderung enthielte, dieses „Mehr“ <strong>zu</strong> interpretieren (ebd.: 105).<br />

In Fällen wie<br />

(3-1)<br />

(a) [es] hod sich nix geRIEHRD<br />

(b) [dann] sim ma also äh HIgange<br />

spricht Schwitalla (ebd.: 107) nicht von Analepsen, da die Sätze alle erforderten<br />

Ergän<strong>zu</strong>ngen enthalten. Auer (1993) bezeichnet sie als „eigentliche<br />

Verbspitzenstellung“.<br />

„Set<strong>zu</strong>ngen“ oder „syntaktische Eigenkonstruktionen“ werden häufig für die<br />

Bezeichnung von Ellipsen im engeren Sinne verwendet. Sie sind „Kurzformen,<br />

die nicht Satzteile aus vorhergehenden Sätzen weglassen“ (Schwitalla 2003:<br />

107).<br />

Ein weiteres Phänomen, welches schon im Kapitel <strong>zu</strong>r Jugendsprache bekannt<br />

ist, sind weil-Sätze mit Verbzweitstellung. Die meisten Untersuchungen<br />

erklären die Verwendung damit, dass sie weil mit Verbletztstellung als faktische<br />

Begründung interpretieren; dagegen weil und Verbzweitstellung als<br />

Begründung für die eigene Einschät<strong>zu</strong>ng (epistemisches weil) bzw. den<br />

vollzogenen Sprechakt“ (ebd.: 144).<br />

Es gibt viele weitere Besonderheiten, die im Bereich der Syntax von<br />

gesprochener Sprache erwähnenswert wären. Hier wurden vor allem die<br />

behandelt, welche für den weiteren Verlauf der Arbeit von Belang sind.<br />

3.3 Lexikalische Eigenschaften<br />

Bemerkenswert sind im Bereich der Lexik erneut die Parallelen <strong>zu</strong>r<br />

Jugendsprache. Erklärbar ist dies damit, dass sich Jugendsprache fast<br />

ausschließlich im Bereich der Mündlichkeit bzw. der konzeptionellen<br />

Mündlichkeit abspielt. Des Weiteren wird klar, wie wichtig die sprecherorientierte<br />

Jugendsprachforschung (vgl. Kapitel 2.4) ist, da sie durch<br />

- 31 -


3 Gesprochenes Deutsch<br />

pragmatische Modelle weitaus mehr erklären kann als eine rein lexikalische<br />

Perspektive, wie sie in den 1980er Jahren gang und gebe war.<br />

So sind <strong>zu</strong>m Beispiel „in der Privatheit mündlicher Kommunikation (...)<br />

lexikalische Formen von Drastik und Expressivität eher erlaubt als in Bereichen<br />

konzeptioneller Schriftlichkeit“. Außerdem hat die gesprochene Sprache „im<br />

semantischen Bereich der Sexualität (...) einen viel größeren Wortschatz<br />

auf<strong>zu</strong>weisen als die geschriebene“ (ebd.: 149).<br />

Da Raum, Zeit, Sprecher und Adressat der Sprechsituation unmittelbar gegeben<br />

sind, werden diese mitgedacht: „Das gemeinsame Kontextwissen ermöglicht<br />

viele Weglassungen, Verkür<strong>zu</strong>ngen und Pronominalisierungen.“ (ebd.: 152).<br />

Anhand verbaler Deixis und Zeigegesten ist es möglich, Teile der Umgebung <strong>zu</strong><br />

fokussieren und somit <strong>zu</strong>m Gegenstand gemeinsamer Aufmerksamkeit <strong>zu</strong><br />

<strong>machen</strong>.<br />

Eine weitere Besonderheit der gesprochenen Sprache ist die gehäufte<br />

Verwendung von Modalpartikeln, denen die Funktion <strong>zu</strong>kommt, die Einstellung<br />

des Sprechers aus<strong>zu</strong>drücken. Ihre Häufigkeit steigt mit dem Grad der<br />

Informalität und Nähe (ebd.: 153f.).<br />

- 32 -


4 Funktionsverbgefüge<br />

4 Funktionsverbgefüge<br />

Funktionsverbgefüge (FVG) im Standarddeutschen und in der Kiez-Sprache<br />

haben eine interessante Gemeinsamkeit: Sie standen bzw. stehen in der<br />

Schusslinie der Sprachpflege. Im Deutschen „nannte [man sie]<br />

‚Hauptwörterkrankheit’, ‚Substantivitis’, ‚Wortmacherei’, ‚streckende<br />

Umschreibung’, ‚Aufblähung des Zeitwortes’, ‚Verbalaufschwemmung’,<br />

‚Verbzerstörung’, oder ‚Entverbalisierung’“ (von Polenz 1963: 11).<br />

Im Falle des Standarddeutschen hat sich diese Betrachtungsweise grundlegend<br />

geändert. Heute findet man die Beschreibung von FVG in jeder Grammatik und<br />

nicht einmal Bastian Sick25 würde an der Aussage Er brachte das Stück <strong>zu</strong>r<br />

Aufführung. etwas aus<strong>zu</strong>setzen haben.<br />

Mit der Kiez-Sprache verhält es sich anders. Zwar steht nicht explizit die<br />

Verwendung von FVG in der Kritik, sondern die gesamte Varietät, doch<br />

Konstruktionen vom Typ Ich mach dich Messer. 26, werden in der Öffentlichkeit<br />

gerne zitiert „weil sie als ritualisierte Drohung bestimmte Klischees über die<br />

Sprecher dieser Varietät bedien[en]“ (ebd.: 247).<br />

Im Folgenden werden FVG im Standarddeutschen (Kapitel 4.1), in Kiez-Sprache<br />

(Kapitel 4.2), in Kontaktsprachen (4.3), und in der Jugendsprache (4.4)<br />

betrachtet, um schließlich die Konstruktion Lassma <strong>Weltmeisterschaft</strong> <strong>machen</strong>.<br />

in diesen Rahmen ein<strong>zu</strong>ordnen.<br />

4.1 Funktionsverbgefüge im Standarddeutschen<br />

Es ist schwierig, in der Literatur eine eindeutige Definition für FVG <strong>zu</strong> finden:<br />

„Die Schwierigkeiten der Definition liegen sicherlich nicht in einem Mangel an Kriterien<br />

begründet (...). Vielmehr scheinen mir die meisten Kriterien nur für einen sehr engen<br />

Bereich der im Allgemeinen als FVG bezeichneten Verb-Nomen-Kombinationen<br />

25 Bastian Sick, der mit der „Zwiebelfisch“-Kolumne bei der Online-Ausgabe der Zeitschrift DER<br />

SPIEGEL und Büchern wie „Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod“ (2004) bekannt geworden ist,<br />

gilt als der Sprachpfleger der Gegenwart.<br />

26 Wiese (2006) behandelt in ihrem Aufsatz Konstruktionen der Art Ich mach dich Messer als<br />

Funktionsverbgefüge.<br />

- 33 -


4 Funktionsverbgefüge<br />

<strong>zu</strong>treffend <strong>zu</strong> sein, nämlich für lexikalisierte Verbindungen. Dennoch gehen in jede<br />

Untersuchung über FVG auch nicht-lexikalisierte und produktive Verbindungen ein.“<br />

(Winhard 2005: 3)<br />

Im Allgemeinen bezeichnet man mit „Funktionsverbgefüge“ die gesamte Fügung<br />

von Verb und nominalem Teil. Mit „Funktionsverb“ ist der verbale Teil gemeint;<br />

der nominale Teil wird als Substantiv im Funktionsverbgefüge (SF) bezeichnet<br />

(Helbig 1979: 273).<br />

Die IDS-Grammatik (Zifonun et al. 1997: 702ff., 1068ff.) kategorisiert FVG als<br />

eine Untergruppe der Nominalisierungsverbgefüge, die wie folgt charakterisiert<br />

werden:<br />

„Nominalisierungsverbgefüge sind mehr oder weniger verfestigte, syntaktisch komplexe,<br />

aber semantisch einfache Prädikate, die aus einem so genannten Nominalisierungsverb<br />

und einer Akkusativ-NP oder PP mit deverbalem oder – seltener – deadjektivischen<br />

Nomen gebildet sind, so dass dieses semantisch den Prädikatskern bildet.“<br />

Als Beispiele werden genannt:<br />

(4-1)<br />

(a) Verzicht leisten<br />

(b) Hoffnung/Ahnung/Ähnlichkeit haben<br />

(c) sich einer Prüfung unterziehen<br />

(d) einen Besuch <strong>machen</strong><br />

Dabei zeigen<br />

„Funktionsverben gegenüber ihrer Vollverbverwendung eine ‚verblaßte’ Bedeutung, die<br />

einfache Bedeutungskomponenten wie ‚kausativ’, ‚passiv’ oder solche der zeitlichen<br />

Phrasierung wie ‚inchoativ’, ‚durativ’ umfasst. Die Kernbedeutung des Prädikats wird<br />

dagegen wieder durch den nominalen Bestandteil denotiert, in der Regel ein deverbales<br />

oder deadjektivisches Nomen.“<br />

- 34 -


Van Pottelberge (2007: 437) charakterisiert FVG folgendermaßen:<br />

4 Funktionsverbgefüge<br />

1) Das Verb der Konstruktion ist „bedeutungsarm“ oder wird in einer<br />

„verblassten“ Bedeutung benutzt. Es handelt sich meist um stereotype<br />

Allerweltsverben, was auch mit dem Adjektiv „light“ 27 <strong>zu</strong>m Ausdruck<br />

gebracht wird.<br />

2) Das Substantiv ist im Prinzip ein Verbalabstraktum oder formal mit einem<br />

Verb verwandt. Es bezeichnet ein Ereignis oder einen Zustand und ist<br />

daher „Träger der Bedeutung“. Als zentraler Bestandteil übernimmt das<br />

Substantiv teilweise die Rolle des Verbs, v. a. im Hinblick auf die<br />

Leerstellen im Satz, deren Ausfüllung von der Bedeutung des Substantivs<br />

bestimmt wird (z. B. das Gesetz kommt <strong>zu</strong>r Abstimmung, wo das<br />

Substantiv Abstimmung das Subjekt Gesetz selektiert, und nicht das Verb<br />

kommen).<br />

3) Substantiv und Verb bilden <strong>zu</strong>sammen eine enge formale und semantische<br />

Einheit oder ein einziges (mehrteiliges) Prädikat. Das Funktionsverb oder<br />

„light verb“ allein ergibt entweder einen unvollständigen Satz (z. B. er stellt<br />

es <strong>zu</strong>r Diskussion → *er stellt es) oder eine völlig andere Interpretation<br />

(vgl. z. B. er kommt <strong>zu</strong>r Ruhe mit er kommt).<br />

4) Die Verb-Substantiv-Verbindung ist mit einem bekannten Verb paraphrasierbar.<br />

Dieses Merkmal spielt eine bedeutende Rolle in der Heuristik<br />

der Funktionsverbgefüge, weil die Paraphrasierbarkeit nicht nur die<br />

(semantische) Einheit belegt, sondern das Nebeneinander von z. B. <strong>zu</strong>r<br />

Anwendung bringen und anwenden trägt auch <strong>zu</strong>r Auffassung bei, dass<br />

ein Funktionsverbgefüge einen verbalen Charakter aufweist und<br />

systematisch mit dem verwandten Verb <strong>zu</strong>sammenhängt.<br />

27 Der Begriff „light verb“ stammt aus der englischen Literatur <strong>zu</strong>m Thema und wird auf Seite<br />

38f. dieser Arbeit näher erläutert.<br />

- 35 -


4 Funktionsverbgefüge<br />

Welche Funktion kann man nun dem Funktionsverb in einem FVG <strong>zu</strong>ordnen?<br />

Dass die Funktionsverben nicht vollkommen ihres Inhalts entleert, sondern nur<br />

semantisch gebleicht oder „light“ sind, zeigt Helbig (1979: 274) an folgenden<br />

Beispielen:<br />

(4-2)<br />

(a) Angst haben<br />

(b) Angst bekommen<br />

(c) in Angst versetzen<br />

Der unterschiedliche Beitrag der Verben in diesen Konstruktionen resultiert aus<br />

dem Unterschied in der Aktionsart:<br />

Angst haben bezeichnet einen Zustand, kann also als durativ bezeichnet werden.<br />

Angst bekommen beschreibt eine Zustandsveränderung, ist also inchoativ <strong>zu</strong><br />

verstehen. In Angst versetzen benötigt einen Aktanten, der dies „tut“ (Agens)<br />

und ist somit kausativ interpretierbar.<br />

Funktionsverbgefüge werden in der einschlägigen Literatur oft als lexikalisiert<br />

beschrieben. Helbig (ebd.: 275) argumentiert gegen diese Sichtweise, indem er<br />

den Funktionsverbgefügen Konstruktionen vom Typ ins Gras beißen oder ins<br />

Wort fallen entgegenstellt, welche für ihn in jedem Falle phraseologische<br />

Verbindungen darstellen, bei welchen „die einzelnen Teile semantisch leer sind<br />

[und] die Bedeutung der gesamten phraseologischen Ganzheit (...) nur<br />

insgesamt fassbar [ist].“ Das ist nach Helbig, bei den FVG nicht der Fall, da diese<br />

eine bestimmte – wenn auch allgemeine – Bedeutung behielten. Auch Eisenberg<br />

(1999: 304) ist der Auffassung, dass „FVG keine Lexikalisierungen [sind],<br />

sondern produktiven Mustern [folgen]. Ihr Aufbau ist restringiert, weicht aber<br />

nicht von grammatischen Regularitäten ab. Lexikalisierungen kommen vor,<br />

jedoch kann von einer allgemeinen Tendenz der FVG <strong>zu</strong>r Lexikalisierung nicht<br />

die Rede sein.“ Eisenberg zählt allerdings lediglich Konstruktionen vom Typ FV<br />

+ PrGR (Präpositionalgruppe) <strong>zu</strong>m Kernbereich der FVG (ebd.: 300).<br />

- 36 -


4 Funktionsverbgefüge<br />

In der englischsprachigen Literatur werden Verben in vergleichbaren<br />

Konstruktionen als „light verbs“ 28 bezeichnet. Dabei werden vor allem<br />

Konstruktionen wie:<br />

(4-3)<br />

(a) have a rest/a read/a think<br />

(b) take a sneak/a drive/a walk/a plunge<br />

(c) give a sight/a shout/a shiver/a pull/a ring<br />

beschrieben, welche meist wie folgt definiert werden 29:<br />

„The intuition behind the term ‚light’ is that although these constructions respect the<br />

standard verb complement schema in English, the verbs take, give, etc. cannot be said to<br />

be predicating fully. (...) The verbs therefore seem to be more of a verbal lincenser for<br />

nouns. However, the verbs are clearly not entirely devoid of semantic predicative power<br />

either: there is a clear difference between take a bath and give a bath. The verbs thus<br />

seem to be neither at their full semantic power, nor at a completely depleted stage“ (Butt<br />

2004 : 1).<br />

4.2 Funktionsverbgefüge in Kiez-Sprache<br />

Die einzige Untersuchung <strong>zu</strong> FVG in Kiez-Sprache liegt mit Wiese (2006 b) vor.<br />

Sie untersucht Konstruktionen vom Typ Ich mach dich Messer. und vergleicht<br />

diese mit standarddeutschen FVG und solchen aus Kontaktsprachen. Wiese<br />

beschreibt Verben in Ausdrücken wie Ich mach dich Messer. als semantisch<br />

gebleicht und im Wesentlichen die Aktionsart bestimmend. Das Nomen liefert<br />

zwar die begriffliche Bedeutung, ist aber morphosyntaktisch stark reduziert<br />

(Wiese 2006 b: 265).<br />

Den wesentlichen Unterschied <strong>zu</strong> den FVG im Deutschen sieht Wiese (2006 b:<br />

267) in der jeweiligen Ableitbarkeit der Konstruktion:<br />

28 Sowohl die Bezeichnung als auch die Beispiele stammen von Jespersen (1954: 117).<br />

29 Heute wird der Begriff auch „in den auf Chomskys Vorstellungen und Prämissen aufbauenden<br />

Grammatikmodellen benutzt und verweist dort nicht immer auf das Verb einer Verb-Substantiv-<br />

Verbindung (...) sondern manchmal auf modale oder aspektuelle Hilfsverben, oder auf<br />

hochabstrakte Postulate, die je nach der Ausrichtung und dem Entwicklungsstand des Modells<br />

variieren (van Pottelberge 2007: 436).<br />

- 37 -


4 Funktionsverbgefüge<br />

Im Standarddeutschen stellt die Tatsache, dass in Konstruktionen wie Er bringt<br />

das Stück <strong>zu</strong>r Aufführung. die Bedeutung mehr als die Summe der<br />

Konstituenten ist, kein Interpretationsproblem dar, da hier Lexikalisierung<br />

vorliegt. Dies sieht sie als weiteren Unterschied <strong>zu</strong>m Standarddeutschen, da in<br />

Kiez-Sprache, ähnlich wie in Kontaktsprachen, nur eine geringe Zahl von<br />

Verben <strong>zu</strong>r Bildung von FVG <strong>zu</strong>r Verfügung stehen, diese aber hinsichtlich ihrer<br />

nominalen Ergän<strong>zu</strong>ngen, im Unterschied <strong>zu</strong>m Standard, weitgehend frei sind.<br />

Die semantischen Repräsentationen in der Kiez-Sprache sind laut Wiese<br />

unterspezifiziert: „Die Gesamtbedeutung von Konstruktionen wie ‚Ich mach<br />

dich Messer’ greift zwar grundsätzlich auf die Bedeutung der Konstituenten <strong>zu</strong><br />

(im Gegensatz etwa <strong>zu</strong> Idiomen wie ‚auf die Palme bringen’ etc.), dies reicht aber<br />

für das Verständnis der Konstruktion nicht aus.“ (ebd.: 267). Wiese schließt<br />

daraus, dass die Interpretation solcher Konstruktionen durch Hin<strong>zu</strong>ziehen des<br />

sprachlichen und nicht-sprachlichen Kontextes gestützt werden muss.<br />

Wie ist eine Konstruktion wie Ich mach dich Messer. semantisch ableitbar?<br />

Wiese (ebd.: 267f.) nimmt für den Beitrag des Verbs einen semantischen<br />

Rahmen an, welcher<br />

a) die Prädikation organisiert, indem er eine Leerstelle für ein Ereignis und<br />

die Basis für seine Instantiierung bereitstellt und<br />

b) den Beitrag des Nomens integriert, indem er eine Leerstelle für eine<br />

entsprechende Entität x liefert und das Ergebnis durch ein Prädikat<br />

charakterisiert, in dem x zentral involviert ist. Auf der semantischen Ebene<br />

bleibt dieses Prädikat unspezifisch und wird lediglich hinsichtlich der<br />

Aktionsart eingeschränkt. Seine Spezifizierung und damit die entsprechende<br />

Argumentstruktur wird durch pragmatische Mechanismen<br />

gestützt.<br />

Die semantische Repräsentation von Wiese (ebd.: 268) sieht folgendermaßen<br />

aus:<br />

λx [λα λe (e INST (F(α) : ZI(x,e)]<br />

- 38 -


Diese ist wie folgt interpretierbar:<br />

• λx ist hier die Leerstelle für den Beitrag des Nomens.<br />

• F steht für das Prädikat.<br />

• α verweist auf die Argumentstruktur.<br />

• e identifiziert das Ereignis.<br />

4 Funktionsverbgefüge<br />

• „:“ ist ein asymmetrischer Konnektor, <strong>zu</strong> verstehen als „so, dass“. Er<br />

signalisiert die Restriktion der linken durch die rechte Konstituente.<br />

• ZI(x,e) ist <strong>zu</strong> lesen als „Die Entität x ist in dem Ereignis e zentral<br />

involviert.<br />

• INST verweist auf die Aktionsart, im Fall von <strong>machen</strong> ist diese als<br />

inchoativ oder kausativ <strong>zu</strong> bezeichen.<br />

Der semantische Beitrag von <strong>machen</strong>, so Wiese (ebd.) besteht in dieser<br />

Repräsentation darin,<br />

„die Bedeutung von Messer mit Hilfe des Prädikats ZI („ist zentral involviert in“) auf ein<br />

Ereignis ab<strong>zu</strong>bilden und dabei die Aktionsart als inchoativ oder kausativ <strong>zu</strong> markieren.<br />

„Messer <strong>machen</strong>“ ist entsprechend charakterisiert als inchoative oder kausative Aktivität,<br />

in der ein Messer zentral involviert ist. Die weitere Spezifizierung der Interpretation als<br />

„Einwirken/Angreifen mit einem Messer“ muss durch pragmatische Mechanismen unter<br />

Rückgriff auf den nominalen Bedeutungsbeitrag geleistet werden.“<br />

Als weitere Beispiele, die die verschiedenen Aktionsarten belegen sollen, welche<br />

in „x + <strong>machen</strong>“ Konstruktionen möglich sind, nennt Wiese (ebd.: 268)<br />

(4-4)<br />

(a) Ampel <strong>machen</strong> Bewegung (inchoativ)<br />

(b) U-Bahn /Fahrrad haben Verfügung (durativ)<br />

(c) neues Kino sein Subsumtion (durativ)<br />

(d) Thema sein Assoziation (durativ)<br />

In den FVG des Standarddeutschen können durch Reihenbildung verschiedene<br />

Aktionsarten dargestellt werden:<br />

- 39 -


(4-5)<br />

4 Funktionsverbgefüge<br />

(a) Angst haben Zustand (durativ)<br />

(b) Angst bekommen Zustandsveränderung (inchoativ)<br />

(c) in Angst versetzen Zustandsveränderung durch Agens<br />

(kausativ)<br />

Interessant ist hier die Frage, ob eine ähnliche Entwicklung in der Kiez-Sprache<br />

<strong>zu</strong> erwarten ist bzw. schon <strong>zu</strong> beobachten ist. Wenn Formen wie<br />

(4-6)<br />

(a) U-Bahn/Fahrrad haben<br />

(b) U-Bahn/Fahrrad werden<br />

(c) U-Bahn/Fahrrad <strong>machen</strong><br />

möglich sind, wäre das ein Argument dafür, dass sich diese Konstruktionen dem<br />

Standarddeutschen weiter annähern.<br />

Im Folgenden soll untersucht werden, ob es sich bei <strong>Weltmeisterschaft</strong> <strong>machen</strong><br />

in der kiezsprachlichen Konstruktion Lassma <strong>Weltmeisterschaft</strong> <strong>machen</strong>. um<br />

ein mit Messer <strong>machen</strong> in Ich mach dich Messer. vergleichbares Phänomen<br />

handelt. Da<strong>zu</strong> werden als erster Schritt vergleichbare Konstruktionen in<br />

anderen Disziplinen vorgestellt.<br />

Der Kontext, in dem Lassma <strong>Weltmeisterschaft</strong> <strong>machen</strong>. geäußert wurde, ist<br />

das gemeinsame Spielen auf der Spielekonsole „Playstation“. Einer der<br />

Informanten fordert die Mitspieler mit dieser Aussage da<strong>zu</strong> auf, das Spiel<br />

„Formel 1“ <strong>zu</strong> beenden und nun „Fifa“, also Fußball, <strong>zu</strong> spielen.<br />

Da Kiez-Sprache, wie in Kapitel 2 gezeigt wurde, ein kontaktsprachliches<br />

Phänomen darstellt und Einflüsse aus dem Bereich der Jugendsprache zeigt,<br />

werden im Folgenden die Phänomene Kontaktsprache und Jugendsprache auf<br />

deren Verwendung von Funktionsverbgefügen oder ähnlichen Konstruktionen<br />

untersucht.<br />

- 40 -


4.3 Funktionsverbgefüge in Kontaktsprachen<br />

Mühlhäusler (1986: 173) schreibt, dass<br />

4 Funktionsverbgefüge<br />

„Finally, most pidgins surveyed exhibit a considerable shortage of verbs. One way<br />

of obtaining new verbs ist the generation of verbs from nouns. A second way, and<br />

one which involves explicit signalling the category verb, is to employ a phrase of<br />

the type ‚to make + N.“<br />

Als Beispiele nennt er<br />

(4-7) Pidgin German 30 (Beispiel von Hinnenkamp 1983: 7)<br />

Foto <strong>machen</strong><br />

(4-8) Hiri Motu 31<br />

(a) laulau karaia ‚to make picture’ to take a photograph<br />

(b) durua karaia ‚to assistance make’ to help<br />

(c) hera karaia ‚to decoration make’ to adorn<br />

(4-9) Tok Pisin 32<br />

(a) mekim hos ‚to make horse’ to saddle<br />

(b) mekim krismas ‚ to make christmas’ to celebrate<br />

(c) mekim pepa ‚to make paper’ to write, sign a contract<br />

(d) mekim man ‚to make man’ to marry a man<br />

(e) mekim siga ‚to make cigar’ to smoke<br />

30 Zum umstrittenen Begriff des Pidgin German, siehe Kapitel 2.6.<br />

31 Hiri Motu ist eine auf der Motu-Sprache basierende Pidgin-Sprache, die neben Englisch und<br />

Tok Pisin eine der drei nationalen Sprachen Papua-Neuguineas ist.<br />

32 Die Kreolsprache Tok Pisin ist die am weitesten verbreitete Verkehrssprache in Papua-<br />

Neuguinea. Es handelt sich um eine Variante bzw. Weiterentwicklung des melanesischen Pidgin,<br />

<strong>zu</strong> dem auch Bislama auf Vanuatu, Pijin auf den Salomonen und Torres Creole auf den Inseln<br />

der Torres Strait (Australien) gehören.<br />

- 41 -


4 Funktionsverbgefüge<br />

Diese Konstruktionen sind solchen wie <strong>Weltmeisterschaft</strong> <strong>machen</strong> aus meinem<br />

Material sehr ähnlich.<br />

Die Funktion von Funktionsverben oder „light verbs“ wie to do scheint deren<br />

Vermögen <strong>zu</strong> sein, fremdsprachliches Material in eine andere Sprache <strong>zu</strong><br />

integrieren: „Cross-linguistically, a common form of light verb is ‚to do’, and has<br />

been observed that one of the major functions of ‚do’-periphrases crosslinguistically<br />

is precisly to integrate loan verbs“ (Wichmann & Wohlgemuth<br />

2005: 1).<br />

4.4 Funktionsverbgefüge in der deutschen Jugendsprache<br />

Androutsopoulos (1998: 234f.) bezeichnet <strong>machen</strong> und kriegen in Konstruktionen<br />

wie<br />

(4-10)<br />

(a) ich mache eine Verlade<br />

(b) sie kriegt die Krise<br />

als Funktionsverbgefüge:<br />

„Das FV kriegen hat passivische inchoative Bedeutung, sein Subjekt ist Patiens<br />

der ausgedrückten Handlung. Das FV <strong>machen</strong> hat hingegen aktivische kausative<br />

Bed., sein Subjekt ist Agens bzw. Veranlasser des im Substantiv ausgedrückten<br />

Geschehens.“<br />

Außerdem besteht zwischen kriegen und <strong>machen</strong> eine reguläre Beziehung der<br />

Aktionsartendifferenzierung und die Konstruktionen zeigen Reihenhaftigkeit.<br />

Speziell für das Funktionsverb <strong>machen</strong> nimmt Androutsopoulos drei<br />

verschiedene semantische Gruppen an:<br />

1) Grundbedeutung ‚sich entfernen’, ‚davongehen’:<br />

einen Abflug /einen Abgang / die Flatter / eine Flocke / den Adler / eine<br />

Mücke <strong>machen</strong><br />

- 42 -


2) Grundbedeutung ‚Ärger, Aufruhr verursachen’:<br />

Trouble / Zoff / Ärger / Panik / Putz <strong>machen</strong><br />

3) diverse ‚elementare’ Handlungen:<br />

Worte / Party / Power <strong>machen</strong> (ebd.: 236)<br />

4 Funktionsverbgefüge<br />

<strong>Weltmeisterschaft</strong> <strong>machen</strong> wäre nach dieser Kategorisierung eindeutig der<br />

dritten Gruppe <strong>zu</strong>gehörig, den ‚elementaren Handlungen’. Gemeinsam ist allen<br />

Beispielen in Gruppe 3), dass sie wie Massennomen verwendet werden und<br />

ohne Artikel stehen müssen: Party <strong>machen</strong> bedeutet etwas anderes als eine<br />

Party <strong>machen</strong>. Unter diesem Aspekt ist <strong>Weltmeisterschaft</strong> <strong>machen</strong> nicht<br />

reduziert, in dem Sinne, dass die Artikelform fehlt. Eine <strong>Weltmeisterschaft</strong><br />

<strong>machen</strong> drückt vergleichbar mit eine Party <strong>machen</strong> einen anderen Sachverhalt<br />

aus. Es geht hier nicht um eine bestimmte Party oder <strong>Weltmeisterschaft</strong>,<br />

sondern um die Aktion an sich.<br />

4.5 Probleme der Klassifizierung von<br />

Funktionsverbgefügen im Standarddeutschen<br />

Wie in Kapitel 4.1 angedeutet wurde, scheint es im Standarddeutschen<br />

Probleme <strong>zu</strong> geben, alle als FVG bezeichneten Konstruktionen unter einer<br />

Definition <strong>zu</strong> erfassen.<br />

Storrer (2006) plädiert in ihrem Aufsatz dafür, Fällen wie<br />

Er tritt in Verbindung mit dem Minister.<br />

gegenüber solchen wie<br />

Er trifft eine Entscheidung.<br />

einen anderen Status <strong>zu</strong><strong>zu</strong>weisen.<br />

Sie stellt die Thesen auf, dass a) der Status von NKN (nominale Komponente der<br />

Nominalisierungsverbkonstruktion) in SVG (Streckverbgefügen) und in FVG<br />

(Funktionsverbgefügen) verschieden ist und b) sich in beiden Gruppen (also<br />

FVG und SVG) die NKN durch systematisch beschreibbare Spezifika von den<br />

- 43 -


4 Funktionsverbgefüge<br />

jeweiligen Komplementklassen (Prädikativkomplemente und Termkomplemente)<br />

unterscheiden lassen und schließlich c) beide Gruppen die Besonderheit<br />

aufweisen, dass die Argumentstruktur der gesamten Konstruktion im<br />

Wesentlichen von der Argumentstruktur des NKN determiniert ist. (ebd.: 279)<br />

Um ihre Thesen <strong>zu</strong> stützen, führt sie mit verschiedenen Beispielsätzen Tests<br />

durch, die in der Literatur <strong>zu</strong>r Bestimmung der Referenzfähigkeit angewendet<br />

werden.<br />

Die Beispiele von Storrer sind:<br />

(1) Er tritt in Verbindung mit dem Minister.<br />

(2) Er trifft eine Entscheidung.<br />

(3) Er tritt dem Minister auf den Schlips.<br />

(4) Er trifft den Nagel auf den Kopf.<br />

(5) Er tritt in die Pfütze.<br />

(6) Er trifft die Zielscheibe.<br />

Als Beispiele aus der Kiez-Sprache füge ich hin<strong>zu</strong> 33<br />

(7) Ich mach dich Messer.<br />

(8) Lassma <strong>Weltmeisterschaft</strong> <strong>machen</strong>.<br />

Anhand folgender Tests wird versucht, den verschiedenen Konstruktionen einen<br />

unterschiedlichen Status <strong>zu</strong><strong>zu</strong>weisen:<br />

Erfragbarkeit<br />

(1) *Wohin / *In was / *Wohinein tritt er? In Verbindung mit dem<br />

Minister.<br />

(2)<br />

? Was trifft er? Eine Entscheidung.<br />

(3) *Wohin / *In was / * Wohinein tritt er? Dem Minister auf den<br />

Schlips.<br />

(4) *Was trifft er? Den Nagel auf den Kopf.<br />

33 Da ich kein Sprecher von Kiez-Sprache bin, kann ich hier in Be<strong>zu</strong>g auf die Akzeptabilität der<br />

im Folgenden an kiezsprachlichen Beispielen durchgeführten Tests nur Vermutungen anstellen.<br />

M.E. sind trotzdem Tendenzen erkennbar, die in weiteren Untersuchungen untermauert werden<br />

müssten.<br />

- 44 -


(5) Wohin/ In was / ? Wohinein tritt er? In die Pfütze.<br />

(6) Was trifft er? Die Zielscheibe.<br />

(7) *Was mach ich dich? Messer.<br />

(8) Lassma was <strong>machen</strong>? <strong>Weltmeisterschaft</strong>.<br />

Erset<strong>zu</strong>ng durch charakteristische Proform<br />

(1) *Er tritt in sie / dorthinein.<br />

(2)<br />

? Er trifft sie.<br />

(3) *Er tritt dem Minister auf ihn / dorthinein.<br />

(4) *Er trifft ihn.<br />

(5) Er tritt in sie / dorthinein.<br />

(6) Er trifft sie.<br />

(7) *Ich mach dich das.<br />

(8) *Lassma die <strong>machen</strong>. 34<br />

Freie Wahl des Artikels<br />

4 Funktionsverbgefüge<br />

(1) Er tritt *in die Verbindung / *in Verbindungen / ? in eine enge<br />

Verbindung mit dem Minister.<br />

(2) Er trifft eine Entscheidung / verschiedene Entscheidungen / die<br />

Entscheidung, X <strong>zu</strong> tun.<br />

(3) Er tritt dem Minister auf den Schlips / *auf die Schlipse / * auf<br />

einen Schlips.<br />

(4) Er trifft den Nagel auf den Kopf / *die Nägel auf die Köpfe / *einen<br />

Nagel auf den Kopf.<br />

(5) Er tritt in die Pfütze / die Pfützen / eine Pfütze.<br />

(6) Er trifft die Zielscheiben / die Zielscheibe / eine Zielscheibe.<br />

(7) Ich mach dich Messer / *Ich mach dich die Messer / *Ich mach<br />

dich ein Messer.<br />

34 Dass diese Konstruktion ungewohnt klingt, könnte daran liegen, dass <strong>Weltmeisterschaft</strong><br />

artikellos verwendet wird. Auch die jugendsprachliche Variante (nicht-kiezsprachlich) Party<br />

<strong>machen</strong> ist nicht durch die <strong>machen</strong> paraphrasierbar.<br />

- 45 -


4 Funktionsverbgefüge<br />

(8) Lassma <strong>Weltmeisterschaft</strong> <strong>machen</strong> / Lassma so <strong>Weltmeisterschaft</strong><br />

<strong>machen</strong>/ ? Lassma <strong>Weltmeisterschaft</strong>en <strong>machen</strong>.<br />

Verneinung mit dem quantifizierenden Determinativ kein<br />

(1)<br />

? Er tritt in keine Verbindung mit dem Minister.<br />

(2) Er trifft keine Entscheidung.<br />

(3) *Er tritt dem Minister auf keinen Schlips.<br />

(4) *Er trifft keinen Nagel auf den Kopf.<br />

(5) Er tritt in keine Pfütze.<br />

(6) Er trifft keine Zielscheibe.<br />

(7) *Ich mach dich kein Messer.<br />

(8) Lassma keine <strong>Weltmeisterschaft</strong> <strong>machen</strong>.<br />

Modifizierbarkeit durch ein Adjektivattribut<br />

(1)<br />

? Er tritt in eine enge Verbindung mit dem Minister.<br />

(2) Er trifft eine klare Entscheidung.<br />

(3) *Er tritt dem Minister auf den roten Schlips.<br />

(4) *Er trifft den rostigen Nagel auf den Kopf.<br />

(5) Er tritt in die schmutzige Pfütze.<br />

(6) Er trifft die hintere Zielscheibe.<br />

(7) Ich mach dich *scharfes/*rotes Messer.<br />

(8) Lassma übertrieben / fett 35 <strong>Weltmeisterschaft</strong> <strong>machen</strong>.<br />

Nach Storrer (ebd. 282) verhalten sich die FVG-NKN in (2) „eher wie die<br />

Bestandteile von Phraseolexemen in (3) und (4), während das Verhalten der<br />

35 diese Adjektive wurden gewählt, da die Frequenz und die Positionen, in welchen sie im dieser<br />

Arbeit <strong>zu</strong>grunde liegenden Material auftauchen, ihr Erscheinen an dieser Stelle wahrscheinlich<br />

macht.<br />

- 46 -


4 Funktionsverbgefüge<br />

SVG-NKN in (2) dem der Komplemente in (5) und (6) ähnelt.“ 36 Sie schließt<br />

daraus, dass<br />

„die SVG-NKN explizit der Komplementklasse <strong>zu</strong><strong>zu</strong>ordnen [seien], <strong>zu</strong> der die<br />

entsprechende freie Konstruktion gehört. Vielmehr werden sie meist <strong>zu</strong>sammen mit den<br />

FVG-NKN den Prädikativen <strong>zu</strong>gerechnet, wobei das verschiedene Verhalten bezüglich der<br />

morphosyntaktischen Restriktionen auf unterschiedliche Grade von Lexikalisierung bzw.<br />

Idiomatisierung <strong>zu</strong>rückgeführt wird. Dies verdeckt jedoch die Tatsache, dass die FVG-<br />

NKN unabhängig vom Grad ihrer Idiomatisierung typischen morphosyntaktischen<br />

Restriktionen unterliegen, während dies bei SVG-NKN nicht der Fall ist“ (ebd.: 292).<br />

Auch von Polenz (1987: 70) schlug vor, nur diejenigen Verb-Substantiv-<br />

Verbindungen, in denen das Verb „eine systematisch beschreibbare<br />

Eigenbedeutung“ hat, also eine Aktionsart oder ein kausatives oder passivisches<br />

Verhältnis ausdrückt, als FVG <strong>zu</strong> beschreiben. Alle anderen Verbindungen einer<br />

Nominalisierung mit einem gebleichten Verb hingegen als „Nominalisierungsverbgefüge“<br />

und deren Verben als „Nominalisierungsverben“.<br />

Um den Unterschied zwischen Lassma <strong>Weltmeisterschaft</strong> <strong>machen</strong>. und Ich<br />

mach dich Messer. <strong>zu</strong> erfassen, halte ich diese Untersuchung für sinnvoll.<br />

Danach ist Ich mach dich Messer. als relativ typisches FVG des Deutschen<br />

erfassbar. Lassma <strong>Weltmeisterschaft</strong> <strong>machen</strong>. verhält sich anders und ist dieser<br />

Sichtweise folgend eher den SVG-NKN <strong>zu</strong><strong>zu</strong>ordnen. In Kapitel 4.6 wird<br />

versucht, die Gründe hierfür näher <strong>zu</strong> erläutern.<br />

4.6 Weitere Versuche der Klassifizierung von x <strong>machen</strong>-<br />

Konstruktionen<br />

Ein weiterer Einordnungsversuch von Konstruktionen wie <strong>Weltmeisterschaft</strong><br />

<strong>machen</strong> wäre die Kategorisierung von <strong>machen</strong> als serielles Verb. Dagegen<br />

spricht, dass serielle Verben immer mit einem anderen Verb, statt wie im Falle<br />

von FVG mit einem Nomen, auftauchen: „As their name implies, they consist of<br />

a series of two (or more) verbs; they both have the same subject and are not<br />

36 Storrer ist sich bewusst, dass Ergebnisse von Proben, welche an kontextfreien Sätzen<br />

durchgeführt werden, nicht überbewertet werden sollten. Deshalb untermauert sie im weiteren<br />

Verlauf der Arbeit ihre Argumentation anhand einer korpusgestützen Fallstudie.<br />

- 47 -


4 Funktionsverbgefüge<br />

joined by a conjunction (‚and’) or a complementizer (‚to’) as they would be in<br />

European languages“ (Holm 2000: 205).<br />

Wiese (2006: 264) betrachtet Fälle aus dem Niederländischen, wie:<br />

(4-11) Foturaf kijken yapiyorlar<br />

Foto gucken <strong>machen</strong>. PRÄS.3PL<br />

Die Parallelen <strong>zu</strong> FVG liegen für sie darin begründet, dass der Kopf der<br />

Konstruktion (in diesem Fall das native Verb kijken) voll flektiert wird, aber auf<br />

semantischer Ebene gebleicht ist. Die Ergän<strong>zu</strong>ng (hier yapiyorlar als nichtnatives<br />

Verb) liefert einen wesentlichen semantischen Beitrag, wird aber<br />

morphosyntaktisch als „black box“ behandelt. Zusammenfassend meint Wiese<br />

(ebd.: 264), dass „wie auch in den anderen Fällen (...) die Integration hier somit<br />

über eine analytische Bildung [läuft], in der das (native) Verb die Prädikation<br />

besorgt, während das Nomen bzw. das nicht-native Verb die lexikalische<br />

Bedeutung liefert.“ Unterstützt wird diese Auffasung auch durch Jäger (2006:<br />

72), für den periphrastische Konstruktionen37, serielle Verben und FVG ein<br />

Kontinuum bilden: „In all three predicate constructions there is at least one item<br />

that is conceptually schematic and one that requires syntactic arguments.“<br />

Als weiteres Beispiel nennt Wiese (2006 b.) Belege aus dem Gastarbeiterdeutsch<br />

, wie z. B.:<br />

(4-12) Telefon <strong>machen</strong>.<br />

Weitere Beispiele aus meinem Material sind<br />

(4-13)<br />

(a) wollen wir danach turnier <strong>machen</strong>?<br />

(b) dann macht neuversuch jetzt<br />

(c) S2: weißt du was ich trainieren werde?<br />

nur rücken brust bauch <strong>machen</strong> und arme im urlaub<br />

37 damit bezeichnet er „do-constructions“.<br />

- 48 -


S1: ohne beine<br />

S2: beine isch mach nie (.) wallah<br />

S3: er muss nicht arme <strong>machen</strong> und beine<br />

4.7 Gemeinsamkeiten und Unterschiede<br />

4 Funktionsverbgefüge<br />

Gemeinsam haben Konstruktionen wie <strong>Weltmeisterschaft</strong> <strong>machen</strong> aus der Kiez-<br />

Sprache und solche wie Angst <strong>machen</strong> im Standarddeutschen oder Messer<br />

<strong>machen</strong> in der Kiez-Sprache folgende Charakteristika:<br />

1) <strong>machen</strong> hat gegenüber seiner Verwendung als Vollverb eine verblasste<br />

Bedeutung.<br />

2) die Kernbedeutung des Prädikats wird durch den nominalen<br />

Bestandteil (Angst und <strong>Weltmeisterschaft</strong>) denotiert.<br />

3) zwischen dem Funktionsverb und dem nominalen Bestandteil liegt eine<br />

Arbeitsteilung vor.<br />

4) die Verben stammen aus einer hochfrequenten Klasse.<br />

Der größte Unterschied scheint darin <strong>zu</strong> liegen, dass <strong>Weltmeisterschaft</strong> <strong>machen</strong><br />

(1) leichter interpretierbar ist als Konstruktionen vom Typ Messer <strong>machen</strong> oder<br />

Angst <strong>machen</strong> (2).<br />

Dies könnte in erster Linie darin begründet sein, dass <strong>machen</strong> in (1) in der<br />

prototypischen Semantik des Standarddeutschen verwendet wird, wo es in<br />

Zusammenhang mit Ereignissen erscheint: Den Grundkurs Linguistik mache<br />

ich nächstes Jahr. oder die bereits erwähnte jugendsprachliche Verwendung<br />

Am Wochenende <strong>machen</strong> wir Party. kommen im Standarddeutschen in<br />

unmarkierter Verwendung vor. Wird <strong>machen</strong> hingegen mit einem Objekt<br />

(Messer) oder mentalen Zustand (Angst) verwendet, widerspricht dies der<br />

prototypischen Semantik von <strong>machen</strong>, und andere Interpretationsmechanismen,<br />

wie z. B. das Hin<strong>zu</strong>ziehen des pragmatischen Hintergrunds,<br />

setzen ein.<br />

- 49 -


4 Funktionsverbgefüge<br />

Dies erklärt auch die in Kapitel 4.4 gezeigten Ergebnisse der Grammatikalitätstests:<br />

Ich mach dich *scharfes/*rotes Messer.<br />

ist nicht akzeptabel, weil hier keine Aktion im prototypischen Sinne von <strong>machen</strong><br />

vollzogen wird. Wäre dies gemeint, müsste die Aussage verstanden werden als<br />

Ich mache dich <strong>zu</strong> einem scharfen/roten Messer. Wie Wiese (2006 b) gezeigt<br />

hat, ist diese Interpretation aber falsch.<br />

Lassma übertrieben / fett <strong>Weltmeisterschaft</strong> <strong>machen</strong>.<br />

ist hingegen problemlos durch ein Adjektiv modifizierbar, da <strong>machen</strong> hier in<br />

prototypischer Verwendung <strong>zu</strong>r Beschreibung eines Ereignisses gebraucht wird<br />

und die Art und Weise dieser Aktion durch das Adjektiv näher beschrieben wird.<br />

4.8 Exkurs<br />

Interessant ist die Parallele zwischen der Verwendung bestimmter Verbkonstruktionen<br />

im kindlichen Spracherwerb und in Kontaktsprachen bzw. Kiez-<br />

Sprache:<br />

Goldberg et al. (2004) gehen der Frage nach, warum sowohl in der kindlichen<br />

Sprache als auch in der Sprache der Mutter mit dem Kind („Babytalk“)<br />

bestimmte Verben wie go, put und give mit einer erhöhten Frequenz<br />

auftauchen.<br />

Als einen Faktor geben sie an, dass diese Verben <strong>zu</strong> einer Klasse hochfrequenter<br />

Verben in den meisten Sprachen gehören. 38 Des Weiteren schreiben sie, dass<br />

„each of the main uses of these verbs designates a basic pattern of experience,<br />

for example, someone causing someone to receive something (give), someone<br />

causing something to move (put), or someone acting on something (do)“ (ebd.:<br />

298).<br />

Begründet werden kann dies damit, dass „the generality of the meaning of these<br />

verbs and their highly frequent and early appearance in children’s speech<br />

38 Ninio (1999) nennt diese Verben „pathbreaking verbs“ und schreibt, dass diese aus der Klasse<br />

der „light verbs“ und „verbs of general-purposes“ stammen.<br />

- 50 -


4 Funktionsverbgefüge<br />

suggests that they may aid children in generalizing patterns from the input“<br />

(ebd.: 299). Auch Clark (1996) vermutet, das bestimmte, früh erworbene Verben<br />

als „templates“ für den weiteren Erwerb als semantische Basis dienen.<br />

An dieser Stelle soll nicht diskutiert werden, inwieweit die Entstehung von<br />

Kontaktsprachen und der Erstspracherwerb als universelle Mechanismen<br />

<strong>zu</strong>sammenhängen. Da vermutet wird, dass das Gastarbeiterdeutsch als<br />

Ethnolekt einen der verschiedenen Inputs für Kiez-Sprache darstellt und es viele<br />

Gemeinsamkeiten zwischen Erst- und Zweitspracherwerb gibt, 39 wäre die Frage<br />

interessant, inwieweit diese Phänomene <strong>zu</strong>sammenhängen.<br />

Die Funktionen, die den Verben als „templates“ <strong>zu</strong>geschrieben werden, erinnern<br />

sehr an die der Funktionsverben oder der seriellen Verben.<br />

Die Annahme, dass<br />

„(...) the input is structured in such a way as to make the generalization from verb islands<br />

to argument structure constructions straightforward. One particular verb accounts for the<br />

lion’s share of tokens of each argument frame considered in an extensive corpus study<br />

(...). The dominance of a single verb in the construction facilitates the association of the<br />

meaning of the verb in the construction with the construction itself, allowing learners to<br />

get a ‚fix’ on the construction’s meaning.“ (Goldberg et al. 2004: 307f.)<br />

wird durch folgende Vorkommen von gewinnen in dem hier <strong>zu</strong>grunde liegenden<br />

Korpus bestätigt:<br />

(4-13)<br />

(a) S1: ja (.) isch hab gewonnen<br />

(b) S3: drei sekunden oder so<br />

(c) S1: ja wallah (.) isch hab dich gewonnen<br />

isch hab ihn gewonnen<br />

hab isch disch gewonnen?<br />

nein (.) isch hab noch nicht gewonnen<br />

39 Diese Sichtweise ist umstritten. Befürworter der L1=L2-Hypothese ist <strong>zu</strong>m Beispiel Ervin-<br />

Tripp (1974), welche schreibt: „We found that the function of early sentences, and their form,<br />

their semantic redundancy, their reliance on ease of short-term memory, their<br />

overgeneralization of lexical forms, their use of simple order strategies were similar to processes<br />

we have seen in first language acquisition. In broad outlines, then, the conclusion is tenable that<br />

first and second language learning is similiar in natural situations.“ (aus Ellis 1994: 108)<br />

- 51 -


(d) S2: jetzt muss ich ihn gewinnen<br />

dann hab ich alle gewonnen<br />

4 Funktionsverbgefüge<br />

Die Argumentstruktur von gewinnen ist in (4-13 a) konform mit den Regeln des<br />

Standarddeutschen. Daneben existieren Konstruktionen wie in (4-13 c), welche<br />

die Argumentstruktur von gewinnen nach standarddeutschem Regelwerk<br />

verletzen. Gewinnen wird hier abweichend realisiert: <strong>zu</strong>m Agens der Situation<br />

(ich) tritt das Patiens (dich). Das alternative Verb, welches Agens und Patiens<br />

umfasst, ist besiegen: Ich habe dich besiegt. oder alternativ <strong>zu</strong> (4-13 d) jetzt<br />

muss ich ihn besiegen. Zieht man nun die Argumentation von Goldberg et al.<br />

hin<strong>zu</strong>, wäre die Verwendung von gewinnen statt besiegen damit <strong>zu</strong> erklären,<br />

dass gewinnen 1) frequenter in der Verwendung ist und 2) die Bedeutung einer<br />

Konstellation „X besiegt Y“ mit Hilfe eines semantischen „templates“, in diesem<br />

Falle gewinnen, erfasst wird.<br />

Interessant wäre es in diesem Zusammenhang ebenfalls, die Reihenbildung der<br />

BILD-Zeitung mit Konstruktionen wie „Wir sind Papst“, „Wir sind Weltmeister“<br />

oder „Wir sind Knut“ <strong>zu</strong> untersuchen. Diese sind hochgradig usuell und haben<br />

doch gewisse Gemeinsamkeiten mit den in Kontaktsprachen auftretenden X<br />

<strong>machen</strong>-Konstruktionen: Sie bilden einen semantischen Rahmen, der eine X-<br />

Stelle bereitstellt, welche mit bestimmten Nomen gefüllt werden kann. „Wir<br />

sind Papst“ ist unter standarddeutschem Regelwerk eindeutig als falsch <strong>zu</strong><br />

bezeichnen, kann jedoch unter Berücksichtigung von pragmatischen Regeln und<br />

dem Kontext interpretiert werden.<br />

- 52 -


5 Die Entwicklung neuer Partikeln in Kiez-Sprache<br />

5 Die Entwicklung neuer Partikeln in Kiez-Sprache<br />

Ein anderer Prozess in Kiez-Sprache ist laut Wiese (2006 a: 12) die Entwicklung<br />

neuer Partikeln. 40 Als Beispiele nennt sie lassma (wie in Lassma<br />

<strong>Weltmeisterschaft</strong> <strong>machen</strong>.) und musstu, welche für sie <strong>zu</strong>m selben Subsystem<br />

gehören:<br />

„Both stand in sentence-initial position and are combined with infinitive constructions.<br />

Their pragmatic function is to introduce directives41 : musstu is speaker exclusive and<br />

indicates a suggestion to the hearer (‘you should do p’/’You have to do p in order to<br />

achieve your goal.’), while lassma is speaker-inclusive and introduces a proposal for an<br />

action performed by speaker and hearer(s) (‘Let us do p.’)“ (ebd.).<br />

Diese direktiven Partikeln, denen stets eine Verbkonstruktion im Infinitiv folgt,<br />

zeichnen sich durch Zweisilbigkeit und ihre satzinitiale Position aus (ebd.: 17).<br />

5.1 Die Partikel musstu<br />

Bei musstu verschmilzt das flektierte Verb musst mit dem Subjekt du. Eine<br />

weitere Besonderheit ist die Verb-Erst-Stellung: musstu statt du musst.<br />

Beispiele aus der Kiez-Sprache sind:<br />

(5-1)<br />

(a) Musstu Doppelstunde fahren.<br />

40 Der Status von lassma und musstu als Partikeln ist durchaus streitbar. Peter Auer (2003: 16f.)<br />

schreibt <strong>zu</strong>r Entwicklung von Diskurspartikeln: „Sprachliche Zeichen (Wörter, Phrasen) aus<br />

zentralen grammatischen Kategorien (...) entwickeln sich in Richtung auf eine weniger zentrale<br />

grammatische Kategorie (nämlich der Randkategorie der Diskursmarker). Dabei kommt es <strong>zu</strong><br />

einer grammatischen Umkategorisierung. In diesem Prozess verlieren die ursprünglichen<br />

Konstruktionen an externer und (soweit vorhanden) interner Syntax. Die interne Syntax geht<br />

verloren, weil komplexe Konstruktionen einer Univerbierung unterliegen, nicht mehr variabel<br />

sind und nicht mehr in ihre Konstituenten zerlegbar sind (...). Die externe Syntax wird in allen<br />

Fällen reduziert, weil das Wort bzw. die univerbierte Konstruktion in eine periphere<br />

syntaktische Position rückt und dabei seine bzw. ihre Fähigkeiten abnimmt, andere<br />

Strukturelemente <strong>zu</strong> regieren oder sonst wie formal <strong>zu</strong> beeinflussen. (...) In allen Fällen wird<br />

<strong>zu</strong>sammen mit der formalen Umkategorisierung die ursprüngliche Semantik der Wörter oder<br />

Konstruktionen ausgebleicht.“ Da Ähnliches über musstu und lassma <strong>zu</strong> sagen ist, kann man m.<br />

E. <strong>zu</strong>mindest von der Entwicklung von lassma und musstu <strong>zu</strong> Partikeln in der Kiez-Sprache<br />

sprechen.<br />

41 Die Bezeichnung des direktiven Sprechakts entspringt der Klassifizierung von Searle (1975).<br />

Dieser unterscheidet fünf verschiedene Klassen von Sprechakten: Repräsentative, Direktive,<br />

Kommissive, Expressive und Deklarationen, wobei die direktiven Sprechakte als Versuch einer<br />

Person S, eine Handlung einer Person A hervor<strong>zu</strong>rufen definiert werden. Typische Verben sind<br />

fragen, befehlen, vorschlagen, nahe legen.<br />

- 53 -


5 Die Entwicklung neuer Partikeln in Kiez-Sprache<br />

(b) Musstu Lampe rein<strong>machen</strong>. (Wiese 2006 a)<br />

Nicht auf den ersten Blick ersichtlich ist es, dass Konstruktionen dieser Art auch<br />

in der standarddeutschen Umgangssprache vorkommen. In der linguistischen<br />

Diskussion sind sie unter den Schlagwörtern „Null-Topik“ oder „Vorfeldellipse“<br />

bekannt geworden. 42 Die Erststellung des Verbs in Deklarativsätzen (V1-DS) ist<br />

im geschriebenen und gesprochenen Standarddeutsch keine Seltenheit.<br />

5.2 V1-Deklarativsätze im Standarddeutsch<br />

Im Standarddeutschen gibt es fünf Funktionstypen von V1-Deklarativsätzen<br />

(vgl. Simon 1998: 138):<br />

(1) Den Typ des narrativ verwendeten V1-DS. Dieser Typ tritt häufig<br />

textinitial in Witzen auf:<br />

Ich wurd dann hier als Peppone bezeichnet. Kommt ein Kumpel, das<br />

Kirchenblatt hat er mir gebracht: (...) Hab ich dem Redakteur gesagt:<br />

(...). Hat der Kerl das in die Zeitung reingehaun.<br />

(2) Der zweite Typ dient eher da<strong>zu</strong>, einen Gedankengang ab<strong>zu</strong>schließen. Vor<br />

allem die Verben bleiben, hin<strong>zu</strong>kommen und folgen treten hier auf<br />

Die Bundesrepublik wird nach ihrer Unterschrift unter den <strong>zu</strong><br />

erwartenden Atomsperrvertrag mit leeren Händen dastehen. Bleibt die<br />

Hoffnung auf eine Entspannung mit nachfolgender Wiedervereinigung.<br />

(3) Der dritte Typ ist charakterisiert durch ein indikativisches Modalverb<br />

(sollen oder mögen) und ein Subjekt in der dritten Person. Ebenfalls tritt<br />

hier häufig die Abtönungspartikel doch auf. Laut Önnerfors (1997: 152ff.)<br />

liegt die Funktion solcher Sätze im Bereich der deontischen Modalität.<br />

Damit sind abstrakte Konzepte der Notwendigkeit und der Möglichkeit<br />

gemeint.<br />

Die nächsten Jahre gammle ich. Mein Vater rechnet damit. ‚Soll sich<br />

der Junge doch austoben’, sagt er, ‚soll er sich doch die Hörner<br />

abstoßen.’<br />

42 Vgl. hier<strong>zu</strong> Fries 1988.<br />

- 54 -


5 Die Entwicklung neuer Partikeln in Kiez-Sprache<br />

(4) Der vierte Typ ist ausschließlich in der Schriftsprache <strong>zu</strong> finden. Er<br />

zeichnet sich durch die absolute Nichtweglassbarkeit der<br />

Abtönungspartikel doch aus und wird für inhaltliche Begründungen<br />

verwendet.<br />

Die Kunde überrascht an diesem Orte nicht wenig, ist doch Hannovers<br />

Oper unter allen größeren Häusern Deutschland seit mehreren Jahren<br />

die, die den konservativsten Spielplan hat (...).<br />

(5) Den fünften Funktionstyp stellt der exklamativ verwendete V1-DS dar.<br />

Bin ich froh, wenn ich die Uni nimmer seh, du!<br />

5.3 V1-Deklarativsätze im gesprochenen Standarddeutsch<br />

Auch Auer (1993: 203) betont, dass die Typen von Verbspitzenstellung allesamt<br />

so häufig sind, „daß sie als überregionale Eigenschaften der Syntax der<br />

gesprochenen Sprache bezeichnet werden müssen.“<br />

Neben den Fällen, in welchen die Verbspitzenstellung im geschriebenen wie<br />

auch teilweise im gesprochenen Deutsch erlaubt sind, wie <strong>zu</strong>m Beispiel in Frageoder<br />

Befehlssätzen, beschreibt er folgende Verwendungsweisen, die vor allem im<br />

gesprochenen Deutsch vorkommen:<br />

Grundsätzlich unterscheidet er diese in „eigentliche“ und „uneigentliche<br />

Verbspitzenstellung“. Zunächst <strong>zu</strong>r eigentlichen Verbspitzenstellung:<br />

Am Beispiel<br />

(5-2) Und is gut daß der Mami was hingeschriebm hast/ da fréut sie sich<br />

séhr daß du kurz heimgekommen bist.<br />

zeigt Auer (ebd.: 196), dass sich das gesprochene vom geschriebenen Deutsch<br />

dahingehend unterscheidet, „daß es auf die semanto-pragmatisch weitgehend<br />

überflüssige<br />

verzichtet.“<br />

Vorfeldbeset<strong>zu</strong>ng mit einem Platzhalterelement (‚dummy’)<br />

Die uneigentliche Verbspitzenstellung ist dadurch charakterisiert, dass das Verb<br />

deshalb am Anfang steht, weil dem Satz eine seiner obligatorischen<br />

Ergän<strong>zu</strong>ngen fehlt, welche sonst die Vorfeldposition ausgefüllt hätte. Diese<br />

- 55 -


5 Die Entwicklung neuer Partikeln in Kiez-Sprache<br />

Form der Verbspitzenstellung stellt die häufigste Verwendung dar. Ein Beispiel<br />

ist:<br />

(5-3) Bin ich froh, wenn ich die Uni nimmer seh du – also ehrlich – bin<br />

bestimmt nimmer <strong>zu</strong>m Vergnüge hier. –<br />

Hier fehlt das deiktische Pronomen ich im Vorfeld.<br />

Ebenfalls häufig ist die Verbspitzenstellung bei Personalpronomen der zweiten<br />

Person Singular:<br />

(5-4)<br />

(a) H: Ne ich muß dann auch noch sicherlich weiß=a; kriechs immer<br />

so;=mußte so ein zwei Sitzbäder am Tag <strong>machen</strong>;=n e<br />

(b) M: ja,<br />

(c) H: muß also mit: - soso Kamillenbäder ne,<br />

Anhand dieser Sequenz zeigt Auer (ebd.: 199), wie die Alternation zwischen<br />

muß(t) und mußte weitere Gründe für das Fehlen des Pronomens der 2. Person<br />

erklären kann: „Es wird durch eine phonologische Klitisierungsregel (du > e/t +<br />

__, sodann e>∅) reduziert. Syntaktisch lässt sich in diesen Fällen also nicht<br />

zwischen uneigentlicher und eigentlicher Verbspitzenstellung unterscheiden.“<br />

Um eigentliche Verbspitzenstellung handelt es sich in dem Falle, in welchem das<br />

fehlende Satzglied satzphonologisch erklärt wird. Wenn man das fehlende<br />

Satzglied syntaktisch erklärt, handelt es sich um uneigentliche<br />

Verbspitzenstellung.<br />

Zurück<strong>zu</strong>führen ist die Tendenz <strong>zu</strong>r Verbspitzenstellung im gesprochenen<br />

Deutsch laut Auer (ebd.: 203) auf zwei strukturelle Unterschiede zwischen<br />

gesprochenem und geschriebenem Deutsch:<br />

1) Die gesprochene Sprache hat die Tendenz, Syntagmen mit extrem hoher<br />

Kohäsion <strong>zu</strong>m Vortext oder <strong>zu</strong>m Kontext der Sprechsituation direkt mit<br />

dem Finitum ein<strong>zu</strong>leiten. Diese Tendenz ist für die uneigentliche<br />

Verbspitzenstellung verantwortlich.<br />

- 56 -


5 Die Entwicklung neuer Partikeln in Kiez-Sprache<br />

2) Die gesprochene Sprache zeigt die Tendenz, auf die expletive<br />

Vorfeldbeset<strong>zu</strong>ng <strong>zu</strong> verzichten. Diese Tendenz erklärt die eigentliche<br />

Verbspitzenstellung.<br />

5.4 V1-Deklarativsätze in deutschen Dialekten<br />

Die Form in 5-4 a hat mit den Beispielen aus der Kiez-Sprache die größte<br />

Ähnlichkeit. Dieser Typ von V1-Deklarativsätzen, welcher auch in verschiedenen<br />

Dialekten vorkommt, wie<br />

(5-5) Miassns fei net traurig sei. / Kinnans fei no sitznbleim.<br />

im Bayrischen, oder<br />

(Simon 1998)<br />

(5-6) Musstu halt noch mal hingehen. (Wiese 2006 a)<br />

im gesprochenen Standarddeutsch.<br />

Anschließend an Kapitel 3.2 ist Simon (1998: 140) der Auffassung, dass eine<br />

Interpretation dieser Konstruktionen als Ellipse schwierig ist, da „es kein<br />

Satzglied [gibt], von dem man gesichert sagen kann, dass es fehlt.“ Weiter zitiert<br />

er hier Önnerfors (1997), welcher anhand der Antworten<br />

(5-7)<br />

(a) Da/Es stand plötzlich ein Mann vor der Tür. vs.<br />

(b) Stand plötzlich ein Mann vor der Tür.<br />

auf die Frage Was war los? aufzeigt, dass es, wenn auch geringfügige, aber doch<br />

nachweisbare distributionelle und semantische Unterschiede zwischen V1-DS<br />

und Verb-Zweit-Sätzen mit initialem da oder es gibt.<br />

Charakteristisch sind für Simon (1998) für V1-DS im Bayrischen folgende<br />

Punkte:<br />

a) Das Subjekt ist als pronominales Klitikum am Verb realisiert.<br />

b) Das Subjekt ist ein Adressatenpronomen.<br />

c) Das Verb ist ein Modalverb.<br />

d) Der Satz wird für direktive Sprechakte benutzt.<br />

- 57 -


5 Die Entwicklung neuer Partikeln in Kiez-Sprache<br />

e) Die Funktion des direktiven Sprechaktes kann als beruhigend bezeichnet<br />

werden. (Wiese 2006 a)<br />

Für Wiese (ebd.) treffen die ersten vier Eigenschaften auch auf die<br />

kiezsprachliche Verwendung von musstu <strong>zu</strong>. Der letzte Punkt, also die Funktion,<br />

den Sprechaktes als „beruhigend“ <strong>zu</strong> kennzeichnen, ist für sie hingegen nicht<br />

gegeben. Daraus schließt sie, dass „The development of a particle in Kiez-<br />

Sprache is based on the reinterpretation and generalization of a pattern found in<br />

spoken standard German.“ (ebd.)<br />

5.5 Die Beantwortbarkeit von Fragen anhand von V1-<br />

Deklarativsätzen<br />

Grundsätzlich sind Konstruktionen von V1-DS im Kiezdeutsch <strong>zu</strong>r<br />

Beantwortung von Fragen geeignet:<br />

(5-8) Mach mit dein Fuß. Musstu so <strong>machen</strong>. (Wiese 2006 a: 12)<br />

Diese Sequenz ist als Antwort auf die Frage Wie muss ich das <strong>machen</strong>?<br />

durchaus vorstellbar.<br />

Betrachtet man folgende Beispiele von Reis (1995: 69), in welchen auf eine<br />

Frage nur ein V2-Deklarativsatz möglich ist<br />

(5-9)<br />

A: Was war auf dem Bild <strong>zu</strong> sehen?<br />

B: Ein Mann steht an der Tür./*Steht da ein Mann an der Tür. ,<br />

scheint sich Kiezdeutsch hier abweichend <strong>zu</strong> verhalten.<br />

Auer (1993: 211) ist allerdings der Auffassung, dass V1-Deklarativsätze unter<br />

bestimmten Umständen als Antworten erscheinen können:<br />

„Wichtig ist, daß mit ‚Antworten’ hier konversationelle, nicht syntaktische Objekte<br />

gemeint sind; es müssen also keineswegs die üblichen syntaktischen (oder auch<br />

prosodischen) Merkmale von ja/nein-Fragen im Vorgängertum liegen. Gefordert ist<br />

vielmehr lediglich, das das konversationelle Objekt, auf das geantwortet wird, sequentiell<br />

implikativ ist (...).<br />

- 58 -


Auch Önnerfors (1997: 201) meint, dass<br />

5 Die Entwicklung neuer Partikeln in Kiez-Sprache<br />

„die Verwendung von V1-DS in Antwortkontexten nicht unmöglich [ist], besonders dann<br />

nicht, wenn ihr Auftreten durch eine nachfolgende narrative Sequenz so<strong>zu</strong>sagen<br />

abgestützt wird, wobei gewissermaßen der gesamte narrative Kontext die Frage auf die<br />

Antwort liefert.“<br />

Ein Beispiel dafür ist:<br />

(5-20)<br />

A: Was ist passiert?<br />

B1: ?? Hat ein Mann angerufen, sonst nix.<br />

B2: Hat ein Mann angerufen, mit dem ich vorher noch nie geredet habe.<br />

Hab ich ihn gefragt, was er denn will. Wechselt der auf einmal<br />

plötzlich das Thema, sagt er:... (ebd.: 199)<br />

Offensichtlich ist die Beantwortung von Fragen im Standarddeutschen durch<br />

V1-Deklarativsätze möglich, dies unterliegt aber im Vergleich <strong>zu</strong>r Kiez-Sprache<br />

starken Restriktionen. Diese Tatsache spricht erneut dafür, dass sich Kiez-<br />

Sprache standardsprachlicher Muster bedient, diese aber generalisiert und<br />

modifiziert.<br />

5.6 Musstu als Marker des tertiären Ethnolekts<br />

Dass sich Sprecher hinsichtlich der Verwendung bestimmter Merkmale<br />

unterscheiden können, zeigen folgende Beispiele aus dem hier untersuchten<br />

Material:<br />

(5-11)<br />

(a) S3: habibi du musst doch gradaus<br />

(b) S2: du opfer (.) du musst warten<br />

(c) S2: aber du darfst nicht so viel wackeln<br />

du musst immer versuchen gradeaus<br />

(d) S2: du bist erster<br />

aber trotzdem<br />

du musst drücken<br />

- 59 -


ja jetzt in die kurve wieder<br />

alles reindrücken ALLES<br />

5 Die Entwicklung neuer Partikeln in Kiez-Sprache<br />

Im hier untersuchten Korpus benutzen die Sprecher durchgängig die<br />

standardsprachliche Variante du musst. Die Form musstu X hingegen kommt in<br />

dem hier untersuchten Korpus überhaupt nicht vor. Ob es sich hier um<br />

verschiedene Stile oder um einen anderen pragmatischen Kontext handelt, kann<br />

an dieser Stelle nicht beantwortet werden.<br />

Weiter fällt auf, dass die Form musstu im Gegensatz <strong>zu</strong> lassma (siehe nächstes<br />

Kapitel) viel häufiger im Sinne des tertiären Ethnolekts verwendet wird, wie<br />

folgende Beispiele aus dem Internet belegen:<br />

Beispiel 1)<br />

Quelle: http://www.nuforum.eu/nuforum/ftopic10221.html (Stand 3. 10.2007)<br />

Hier treten neben mussdu auch Parallelformen wie klicksdu, und siehsdu auf.<br />

Diese gehäufte Verwendung ethnolektaler Merkmale ist typisch für den<br />

sekundären und tertiären (welcher sich auf den sekundären bezieht) Ethnolekt:<br />

„Nimmt man etwa den sekundären Ethnolekt (...) und vergleicht ihn mit dem<br />

primären Ethnolekt, so zeigt sich, dass die meisten seiner Merkmale auch im<br />

sekundären Ethnolekt vorkommen. Der Unterschied liegt <strong>zu</strong>m einen in der<br />

gehäuften und ausnahmslosen Verwendung dieser Merkmale im sekundären<br />

Ethnolekt und <strong>zu</strong>m anderen in der Verwendung weiterer Merkmale, die keine<br />

Basis im primären Ethnolekt haben“ (Dirim & Auer 2004: 218).<br />

Ein weiterer Be<strong>zu</strong>g auf den tertiären Ethnolekt ist die Aussage isse gude<br />

Basarmann, welche sich auf das Klischee des Türken als Händler und Feilscher<br />

bezieht.<br />

- 60 -


Beispiel 2)<br />

5 Die Entwicklung neuer Partikeln in Kiez-Sprache<br />

Quelle:http://forum.chemikalien.de/viewtopic.php?t=13112&view=previous&sid=9efe9e4374be<br />

7112800b74a41670f0ce (Version: 10. Oktober 2007)<br />

Hier wird durch die Verwendung des Ethnolekts erneut auf negative Stereotype<br />

verwiesen. Ist der Text <strong>zu</strong>nächst standardsprachlich verfasst, wird bei<br />

Einführung des Themas Drogen („Dope“) in den Ethnolekt gewechselt. Solche<br />

Auslöser werden als thematische Trigger bezeichnet. Hierbei wird „der<br />

Ethnolekt-Gebrauch durch ein Thema veranlasst, das für die medialen<br />

Stilisierungen typisch ist, z. B. Mobiltelefone“ (Androutsopoulos 2000: 12).<br />

Auch Auer (2003: 261) stellte in einem Interview mit Gymnasiasten fest, „dass<br />

der ‚Türkenslang’ auch für Aggression und street smartness steht und eng mit<br />

den türkischen „Tschapos“ (Kleinkriminelle und Zuhälter) assoziiert wird.“<br />

Musstu scheint, obwohl es sich, wie gezeigt wurde (und im Gegensatz <strong>zu</strong><br />

lassma), nur begrenzt vom Standarddeutschen unterscheidet, über eine viel<br />

stärkere Symbolkraft für Kiez-Sprache <strong>zu</strong> verfügen (im Sinne des tertiären<br />

Ethnolekts), bzw. ein stärkerer Trigger <strong>zu</strong> sein als lassma.<br />

5.7 Die Partikel lassma<br />

Laut Wiese (2006 a) ist lassma der sprecherinklusive Gegenpart <strong>zu</strong>r<br />

sprecherexklusiven Konstruktion musstu.<br />

Beispiele aus der Kiesprache sind<br />

(5-12)<br />

(a) lassma <strong>Weltmeisterschaft</strong> <strong>machen</strong><br />

(b) lassma licht aus<strong>machen</strong><br />

- 61 -


5 Die Entwicklung neuer Partikeln in Kiez-Sprache<br />

im Gegensatz <strong>zu</strong> Beispielen aus dem Standarddeutschen:<br />

(5-13)<br />

(a) Lass uns mal aussteigen.<br />

(b) Lass sie mal aussteigen.<br />

(c) Lass mal die Frau aussteigen. (Wiese 2006 a)<br />

Lassma setzt sich <strong>zu</strong>sammen aus dem Verbstamm lass, wie er in<br />

standarddeutschen V1-Imperativsätzen benutzt wird, und der Modalpartikel<br />

mal, welche durch den Verlust der Koda <strong>zu</strong> ma reduziert wurde.<br />

In Fällen wie (5-13a) spricht man im Standarddeutschen von einer<br />

„Klasse von sprachlichen Formen, die in semantisch-pragmatischer Hinsicht die<br />

Aufforderung an die 1. Person Plural <strong>zu</strong>r gemeinsamen Aktion ausdrückt. In den<br />

indoeuropäischen Sprachen nicht durch ein eigenes morphologisches Paradigma<br />

gekennzeichnet wird der Adhortativ in diesen z. B. periphrasitisch oder durch<br />

konjunktivische Formen der 1. Pers. Pl. ausgedrückt“ (Fries, Onlinelexikon: Adhortativ).<br />

Als Beispiele werden an selber Stelle genannt:<br />

(5-14)<br />

(a) Lasst uns streiken!<br />

(b) Seien wir mutig!<br />

Allgemeiner ausgedrückt repräsentieren „Hortative constructions [...] a<br />

substantial proportion of speech patterns generated by man and are<br />

instrumental in regulating joint activities in society“ (Xrakovskij 2001: 1028).<br />

Ob der Adhortativ <strong>zu</strong>m System der Imperative gerechnet wird, ist umstritten.<br />

Fries (1996) und Platzack & Rosengren (1994) rechnen sie nicht hin<strong>zu</strong>. Liedtke<br />

(1998), der den Adhortativ zwar grundsätzlich <strong>zu</strong> den Imperativformen zählt,<br />

räumt ein, dass „das Korrelat des Adhortativsatzes (...) das Merkmal der<br />

Sprecher-Involviertheit [aufweist], infolgedessen (...) die möglichen Illokutionen<br />

seiner Äußerung auf Vorschlag oder Aufruf beschränkt [sind]“ (ebd. :261).<br />

Auch <strong>zu</strong>r Bedeutung des Adhortativ lassen sich sehr unterschiedliche<br />

Meinungen finden. Erben (1961: 470) beschreibt die Verwendung von Laß(t)<br />

uns gehen! als „höflich vertraulich“ und „um Zustimmung erbittend“. Ganz<br />

anders Schulz & Griesbach (1970: 74): „Will man der Aufforderung besonderen<br />

- 62 -


5 Die Entwicklung neuer Partikeln in Kiez-Sprache<br />

Nachdruck verleihen, gebraucht man den Imperativ von lassen mit dem<br />

Infinitiv im zweiten Prädikatsteil und das Personalpronomen uns als Objekt.“<br />

Interessant ist, dass im Deutschen neben der Form in (5-14b) auch folgende<br />

existiert:<br />

(5-15) Lass uns streiken!<br />

Es ist hier also möglich, eine Unterscheidung dahingehend <strong>zu</strong> <strong>machen</strong>, ob der<br />

Sprecher nur, wie in Beispiel (5-15), eine Person auffordert, eine gemeinsame<br />

Handlung aus<strong>zu</strong>führen, oder wie in Beispiel (5-14a & b) eine undefinierte<br />

Anzahl von Personen, die aber nicht kleiner als zwei sein darf.<br />

Die Beispiele (5-12 a & b), also die kiez-sprachlichen Varianten, erlauben beides,<br />

wie folgende Aussage aus dem Interview mit einem meiner Informanten (S1)<br />

belegt:<br />

I: „lassma“, das kann man <strong>zu</strong> ner Gruppe sagen und <strong>zu</strong> einem,<br />

meintest du?<br />

S1: ja, das kann man <strong>zu</strong> mädchen, <strong>zu</strong> jungen, <strong>zu</strong> allen sagen<br />

Damit entspricht es Konstruktionen wie dem enlischen let’s : „The English<br />

construction for the expression of exhortatives, i.e. commands to the first person<br />

or a group of people including the speaker, is let’s , as in Let’s go to the movies“<br />

(König & Siemund 2005: 29).<br />

5.8 Semantische Bleichung von Partikeln<br />

Die Bedeutung von mal, welche im Standarddeutschen „etwas Zwangloses und<br />

unverbindliches signalisiert“ (Helbig & Kötz 1984: 35), weist eine semantische<br />

Bleichung auf, wie folgendes Beispiel aus dem hier untersuchten Korpus<br />

illustriert:<br />

(5-16) S1: lassma jetzt fifa street spielen mann<br />

Die oben beschriebene Funktion von mal scheint hier durch jetzt aufgehoben <strong>zu</strong><br />

werden. Durch jetzt wird die Absicht des Sprechers verstärkt, das Spiel sofort <strong>zu</strong><br />

wechseln. Im Standarddeutschen bedeutet eine Aussage wie<br />

(5-17) Lass uns mal ins Kino gehen<br />

- 63 -


5 Die Entwicklung neuer Partikeln in Kiez-Sprache<br />

dass diese gemeinsame Aktivität in absehbarer Zeit geplant ist, aber nicht sofort<br />

und enthält die genannte Unverbindlichkeit. Deshalb klingt eine Aussage wie<br />

(5-18) Lass uns mal jetzt ins Kino gehen. ,<br />

im Gegensatz <strong>zu</strong><br />

(5-19) Lass uns jetzt mal ins Kino gehen.<br />

merkwürdig. Allerdings liegt dies nicht in der veränderten Wortstellung<br />

begründet, sondern in der Verwendung eines „anderen“ mal. Es handelt sich<br />

hierbei nicht um das abschwächende mal aus Beispiel (5-17), sondern um die<br />

Partikel mal, welche über eine zeitliche Konnotation verfügt. Paraphrasierbar<br />

wäre der Satz in (5-19) etwa mit<br />

(5-20) Lass uns jetzt endlich ins Kino gehen.<br />

Aus diesen Beispielen ist gut ersichtlich, dass es sich bei lassma in Kiez-Sprache<br />

nicht um eine elliptische Form des Standarddeutschen Lass uns mal handeln<br />

kann.<br />

Abgesehen von der Subjektlosigkeit der Konstruktion Lassma wirken hier<br />

Mechanismen, die so auch in der Standardsprache auftauchen.<br />

So ist <strong>zu</strong>m Beispiel die Grammatikalisierung von Modalpartikeln, d. h. deren<br />

Verlust an semantischer und phonologischer Substanz und syntaktischer<br />

Freiheit ein häufig <strong>zu</strong> beobachtender Prozess.<br />

Als Beispiel für den Verlust von phonologischer Substanz nennt Wegener (1998:<br />

39) Beispiele wie:<br />

(5-21) Was hat er’n gesagt? Was haste’n dann gesagt?<br />

Hier wird die ursprünglich einsilbige Partikel denn klitisiert. Zum Verlust an<br />

semantischer Substanz stellt Wegener fest, dass (ebd. 40): „Semantic Bleaching<br />

ist ein Merkmal von Modalpartikeln und es ist <strong>zu</strong>gleich eines der grundlegenden<br />

Merkmale von Grammatikalisierung.“<br />

Ihre Annahme belegt sie durch Beispiele wie:<br />

(5-22)<br />

(a) Du kannst ruhig laut sein!<br />

(b) Tirol ist eben bergig. ,<br />

in denen die Modalpartikel mit ihrem Antonym auftritt. Oder solcher wie<br />

(5-23)<br />

(a) Das war einfach <strong>zu</strong> einfach.<br />

- 64 -


5 Die Entwicklung neuer Partikeln in Kiez-Sprache<br />

(b) Du kannst ruhig ganz ruhig liegen bleiben. ,<br />

bei welchen die Modalpartikel mit ihrem Heterosem stehen kann.<br />

Mit Beispielen wie<br />

(5-24)<br />

(a) Adv.: Denn wolln wir mal gehen.<br />

(b) Konj.: Denn wie sagte Peter neulich?<br />

(c) MP: *Denn wie heißt du?<br />

zeigt sie den Verlust an syntaktischer Freiheit von Modalpartikeln: Die<br />

Heteroseme (Adverb und Konjunktion) können im Vorfeld, Mittelfeld und teils<br />

sogar als Satzäquivalent auftreten. Modalpartikeln können hingegen nur im<br />

Mittelfeld stehen (ebd.: 41).<br />

Eine ähnliche Entwicklung ist auch in Kontaktsprachen <strong>zu</strong> finden:<br />

Anhand der Beispiel aus<br />

(1) dem Russenorsk43 vaersgo ju på moja skib vaskom.<br />

please you on my ship wash<br />

‚Clean my ship’<br />

(2) dem „Immigrant Swedish“<br />

varsego, titta en fel<br />

please look one error<br />

‚Look, i have made only one error<br />

zeigt Kotsinas (1996: 129f.), dass<br />

„There seems to be a tendency for certain particles to be involved in a process of<br />

grammaticalization, for instance for interjections meaning ‚please’ to mark imperative<br />

(...). Very often, though, davaj and vaersgo ‚please’ in Russenorsk and varsagod ‚please’<br />

in immigrant swedish, are placed sentence-initally (...). Normally markers like these are<br />

used to indicate politeness, but both the frequency of the markers and the fact that the<br />

43 Russenorsk war eine als Pidgin bezeichnete Sprache, die Elemente des Russischen und des<br />

Norwegischen vereinte.<br />

- 65 -


5 Die Entwicklung neuer Partikeln in Kiez-Sprache<br />

semantic content of them in some cases seems to be diluted suggest that these words have<br />

a purely grammatical function.“<br />

So ist Beispiel (1) die Aussage eines Kapitäns, die als Aufforderung und nicht als<br />

freundliche Bitte verstanden werden muss.<br />

Auch an diesen Beispielen aus Kontaktsprachen zeigt sich derselbe Prozess, der<br />

bereits bei Kiez-Sprache und dem Standarddeutschen gezeigt wurde:<br />

„a lexical element becomes part of the grammar as a functional morpheme.<br />

Grammaticalization is a general process occuring in all languages (...), whereby patterns<br />

that occur frequently in discourse may get reinterpreted. As a result lexical items acquire a<br />

grammatical function, or functional elements become more grammatical (...). Often, the<br />

change in categorial statuts goes hand in hand with a phonological reduction and a shift<br />

from more to less concrete on the semantic level, or, especially in later stages of the<br />

development, with semantic generalization or bleaching“ (Arend et al. 1995: 113).<br />

5.9 Lassma in der deutschen Jugendsprache<br />

Wiese schreibt (2006 a: 17), dass „The development of lassma goes one step<br />

further than that of musstu: it builds on a construction that is not found in the<br />

spoken standard variety.“<br />

Anhand folgender Beispiele aus dem Internet44 ist allerdings an<strong>zu</strong>nehmen, dass<br />

lassma bereits Ein<strong>zu</strong>g in die Jugendsprache deutscher Muttersprachler<br />

genommen hat:<br />

Beispiel 1)<br />

Einkaufspassage Märkisches Viertel von Patrick Ewald45 :<br />

(1) Heut is Zahltach<br />

(2) Da klimpern wieder die Groschen inner Tasche<br />

(3) Da sindwa wieder Leute vonna Welt<br />

(4) Lassma gleich Märkische Zeile jehn<br />

(5)<br />

(...)<br />

und uns ein Stück vom kleenen Glück koofen<br />

44 Die Beispiele stammen mit Ausnahme des Gedichts entweder aus Foren oder Blogs und<br />

zeichnen sich durch die für diese Textsorten typische konzeptionelle Mündlichkeit aus.<br />

45Quelle: http://www.crespo-foundation.de/fileadmin/redakteure/pdf/patrick_ewald.pdf. (Version:<br />

8.10.2007).<br />

- 66 -


5 Die Entwicklung neuer Partikeln in Kiez-Sprache<br />

(6) Kieck dir ma die Männekens<br />

(7) Da anner Imbissbude an<br />

(8) Die stehn da und treiben sich<br />

(9) das Bier inne Adern<br />

(10) und stopfen sich jenüsslich<br />

(11) Lebensläufe inne Ohren<br />

(12) Total fatal<br />

(13) Lassma n Bogen um die Plaudertaschen <strong>machen</strong><br />

(14) und bei Kaiser’s die Probierstände plündern<br />

(15) während die Sonne n Jedicht uff’n Bordsein malt<br />

(16) Und wenn uns Kaiser’s rauswirft dann plündernwa<br />

(17) Dann plündernwa halt woanders, da isses eh besser<br />

(18) und wenn’s nix mehr <strong>zu</strong> plündern jibt<br />

(19) setzenwa uns uffe bank und kiecken uns die Leute an<br />

(20) wie se dem neusten Hype nachrennen<br />

(...)<br />

Dieses Gedicht zeigt in den Zeilen (4) und (13) Beispiele von lassma, wie sie für<br />

Kiez-Sprache typisch sind. Der Text ist in <strong>Berlin</strong>er Mundart mit eindeutigen<br />

Anleihen an Formen der gesprochenen Sprache verfasst. Da außer der Partikel<br />

lassma + VINF keine Elemente aus der Kiez-Sprache <strong>zu</strong> finden sind, ist es<br />

wahrscheinlich, dass der Autor dieses Textes kein Sprecher von Kiez-Sprache<br />

ist. Interessant ist, woher diese Form stammt. In Beschreibungen <strong>zu</strong>m<br />

<strong>Berlin</strong>ischen kommt lassma nicht vor. Dass der Autor im Sinne des crossing den<br />

tertiären Ethnolekt anwendet, ist bei der Thematik des Gedichts ebenfalls nicht<br />

<strong>zu</strong> vermuten.<br />

Weitere Beispiele, die nicht dem <strong>Berlin</strong>ischen <strong>zu</strong><strong>zu</strong>ordnen sind, verfestigen die<br />

Annahme, dass es sich bei lassma nicht um ein exklusives Element der <strong>Berlin</strong>er<br />

Stadtsprache handeln kann:<br />

- 67 -


Beispiel 2)<br />

5 Die Entwicklung neuer Partikeln in Kiez-Sprache<br />

Quelle: http://www.klamm.de/forum/archive/index.php/t-12272-p-2.html (25.09.2007)<br />

Beispiel 3)<br />

Quelle: http://www.doppelagent.de/category/allgemeines/ (<strong>zu</strong>letzt gesichtet am 25.09.2007)<br />

Beispiel 4)<br />

Quelle: http://www.heiner-juergens.de/ (<strong>zu</strong>letzt gesichtet am 25.09.2007)<br />

Beispiel 4) zeigt eine <strong>zu</strong>sätzliche Verwendung von lassma: Außer <strong>zu</strong>r<br />

Aufforderung an die 2. Ps. Sg. oder Pl. wird lassma in diesem Beispiel <strong>zu</strong>r<br />

Aufforderung an die 1. Ps. Sg. benutzt.<br />

- 68 -


Beispiel 5)<br />

5 Die Entwicklung neuer Partikeln in Kiez-Sprache<br />

Quelle: http://blog.eigenfrequenz.net/2007/05/16/lass-ma-<strong>zu</strong>m-bk-fahrn/ (<strong>zu</strong>letzt gesichtet am<br />

25.09.2007)<br />

Inwieweit Kiez-Sprache als Basis für diese Entwicklung dient, wäre weiter <strong>zu</strong><br />

untersuchen.<br />

- 69 -


6 Alternativen <strong>zu</strong>r Analyse nicht-standardisierter Sprache<br />

6 Alternativen <strong>zu</strong>r Analyse nicht-standardisierter<br />

Sprache<br />

Bei der Untersuchung nicht-standardisierter Sprache wie Kiez-Sprache oder<br />

gesprochener Standardsprache stößt man auf viele Probleme, die darauf<br />

beruhen, dass dort Konstruktionen verwendet und produziert werden, die mit<br />

klassischen Grammatikmodellen nur schwer erklärt werden können.<br />

6.1 Randgrammatik – Kerngrammatik<br />

Im Standarddeutschen gibt es Konstruktionen, die der Definition des typisch<br />

deutschen Satzes nicht entsprechen. Fries (1987: 75f.) nennt als Beispiele:<br />

(6-1)<br />

(a) Einfahrt freihalten!<br />

(b) Jetzt aber aufgestanden!<br />

(c) Du Esel!<br />

Er kritisiert, dass Konstruktionen dieser Art bislang in der<br />

Grammatikschreibung kaum berücksichtigt worden sind und die „speziellen<br />

grammatischen und pragmatischen Eigenarten solcher Konstruktionen“ (ebd.:<br />

75) nicht gewürdigt wurden. Wenn sie erwähnt würden, so spräche man von<br />

ihnen lediglich als „Reduktionsformen gewöhnlicher Satzmuster“ (ebd.).<br />

Die Analyse solcher Konstruktionen als Ellipsen, die ausschließlich semantischpragmatisch<br />

geprägt sind, ist für Fries (ebd.) nicht ausreichend, da „es (...)<br />

nämlich nicht einmal auf die Semanto-Pragmatik solcher Konstruktionen<br />

[<strong>zu</strong>trifft], daß diese mit der ‚vollständiger Sätze’ übereinstimmt, wie weniger<br />

noch auf ihre Syntax, Morphologie und Phonologie“ (ebd.).<br />

Die Argumente, welche gegen eine Einordnung der genannten Konstruktionen<br />

als Ellipsen hervorgebracht werden können, sind nach Fries (ebd.: 78) auf zwei<br />

Richtungen reduzierbar:<br />

(1) Konstruktionen der genannten Art verfügen typ-spezifisch über grammatische<br />

und pragmatische Eigenarten, die nicht mit den grammatischen<br />

Eigenarten entsprechender „voller Sätze“ übereinstimmen.<br />

- 70 -


6 Alternativen <strong>zu</strong>r Analyse nicht-standardisierter Sprache<br />

(2) Konstruktionen der genannten Art besitzen typ-übergreifende<br />

Gemeinsamkeiten, welche sie klar von „normalen Sätzen“ unterscheiden.<br />

Aus diesen Annahmen leitet er ab, dass es neben „kerngrammatischen Regeln“<br />

des Deutschen wie der, dass das Verb im Deutschen immer über infinite und<br />

finite Formen verfügt oder der Artikel eines Nomens vor demselben steht (ebd.<br />

:80), „randgrammatische Regeln“ geben müsse, welche konstruktionsbezogen<br />

seien.<br />

Im Gegensatz <strong>zu</strong> kerngrammatischen Konstruktionen, welche „eine hohe<br />

Flexibilität hinsichtlich ihrer Einsetzbarkeit/Realisierung in unterschiedlichen<br />

situativen bzw. textuellen Typen“ (ebd.: 89) aufweisen, sind randgrammatische<br />

Regeln „bis <strong>zu</strong> einem gewissen Grad von außergrammatischen Faktoren abhängig“<br />

(ebd.).<br />

Wie gezeigt wurde, kann es sich bei der Partikel lassma nicht um eine elliptische<br />

Form von lass uns mal handeln, da sie andere pragmatische Funktionen erfüllt.<br />

Diese Fälle der Weglassbarkeit des nominativischen Subjektpronomens beim<br />

standarddeutschen Imperativ (den Fries <strong>zu</strong> den randgrammatischen<br />

Konstruktionen zählt), erklärt er mit der Abhängigkeit randgrammatischer<br />

Regeln von außergrammatischen Faktoren. So ist je nach situativem Kontext das<br />

Subjekt obligatorisch oder fakultativ. Dies hängt unter anderem damit<br />

<strong>zu</strong>sammen, ob weitere Be<strong>zu</strong>gspersonen anwesend sind oder nicht (ebd.: 89).<br />

Wie im Kapitel 3 gezeigt wurde, können in der gesprochenen Sprache durch die<br />

dort vorhandene Deixis verschiedene Elemente fehlen, auf die im gemeinsamen<br />

Be<strong>zu</strong>gskontext verwiesen werden kann. Da sich Kiez-Sprache fast ausschließlich<br />

im gesprochensprachlichen Kontext manifestiert und in diesem entstanden ist,<br />

ist es nicht verwunderlich, dass das Subjekt uns in dieser Konstruktion fehlt.<br />

Ebenfalls trifft folgende Feststellung auf kiezsprachliche Konstruktionen in<br />

hohem Maße <strong>zu</strong>: „Randgrammatische Konstruktionen sind ganz allgemein<br />

durch ein ‚Viel’ an semantischem Gehalt gegenüber einem ‚Weniger’ an<br />

phonologischem Material und syntaktisch-morphologischer Strukturiertheit<br />

gekennzeichnet“ (ebd.: 92). Eine Konstruktion wie lassma <strong>Weltmeisterschaft</strong><br />

<strong>machen</strong> passt also sehr gut ins System der Theorie einer Randgrammatik der<br />

deutschen Standardsprache, wobei der Begriff Randgrammatik nicht<br />

„suggerieren [sollte], daß es sich hierbei um Konstruktionen von untergeordneter<br />

Bedeutung handele (...) Insbesondere das Faktum, daß entsprechende<br />

- 71 -


6 Alternativen <strong>zu</strong>r Analyse nicht-standardisierter Sprache<br />

Konstruktionstypen über einen hohen Grad konstruktioneller Bedeutung verfügen, ist<br />

wohl damit in Verbindung <strong>zu</strong> bringen, daß in verschiedenen situativen / textuellen<br />

Zusammenhängen das Erfordernis besteht, durch möglichst wenig phonetisches /<br />

graphisches Material möglichst viel Information in kurzer Zeit <strong>zu</strong> übermitteln“ (Fries<br />

1987: 95).<br />

6.2 Construction Grammar<br />

Eine radikalere Alternative ist die so genannte construction grammar, welche<br />

keine Unterscheidung zwischen Rand- und Kerngrammatik macht, sondern rein<br />

deskriptiv vorgeht.<br />

6.2.1 Construction Grammar <strong>zu</strong>r Analyse gesprochener Sprache I<br />

Deppermann (2006), der die Anwendbarkeit derselben auf die gesprochene<br />

Sprache überprüft, hält die construction grammar für die Beschreibung<br />

gesprochener Sprache für geeigneter und führt dies auf drei Prämissen <strong>zu</strong>rück,<br />

die darauf beruhen, dass klassische Grammatiken immer von der Annahme<br />

ausgehen, dass<br />

1) vollständige syntaktische Einheiten Sätze sind, welche eine<br />

2)<br />

Proposition ausdrücken und mindestens aus einem Subjekt und<br />

einem Prädikat bestehen müssen.<br />

Syntaktische Regeln sind rein formal, und deshalb abstrakt und<br />

allgemein. Sie gelten für alle Instanzen der betreffenden grammatischen<br />

Kategorie (z. B. Wortart oder Satztyp) bzw. syntaktischen Relation<br />

(z. B. Satzglied), d. h. sie sind deduktiv und exhaustiv.<br />

3) Die Bedeutung von Phrasen und Sätzen ist kompositional, d. h. sie<br />

ergibt sich aus der lexikalischen Bedeutung der Wörter und der<br />

syntaktischen Struktur ihrer Verknüpfung (ebd.: 44).<br />

Entgegen Prämisse 1) sind <strong>zu</strong>m Beispiel Gliederungssignale wie ey oder ähm<br />

syntaktisch nicht eingebunden, d. h. kein Teil der Satzstruktur. Strukturell<br />

irreguläre Bildungen widersprechen Prämisse 2): da sie nicht durch allgemeine<br />

Regeln lizensiert sind, sind sie nicht oder nur beschränkt produktiv. Aus diesem<br />

Grund müssen Konstruktionen wie Ich mach dich Messer anhand <strong>zu</strong>sätzlicher<br />

Erklärungsmuster interpretiert werden. Ebenfalls widersprechen strukturell<br />

- 72 -


6 Alternativen <strong>zu</strong>r Analyse nicht-standardisierter Sprache<br />

reguläre Bildungen mit reduziertem grammatischen Paradigma Prämisse 2).<br />

Konstruktionen wie Ich hätte ihn (gerade wieder) (V können). folgen einem<br />

syntaktisch und semantisch regulärem Muster, sind aber nicht voll produktiv;<br />

d. h. sie können <strong>zu</strong>m Beispiel kein Futur I und II und keinen Indikativ bilden.<br />

Prämisse 3) wird durch nicht-kompositionale Interpretationen verletzt. Sie sind<br />

syntaktisch regulär, semantisch aber nicht. Als Beispiel nennt Deppermann<br />

(ebd.) hier das FVG Party <strong>machen</strong>. Da<strong>zu</strong> meint er, dass das Beispiel Party<br />

<strong>machen</strong> zwar mehr oder weniger durch seine Konstituenten motiviert, aber<br />

keineswegs durch sie determiniert ist. Anakoluthe in der gesprochenen Sprache<br />

widersprechen Prämisse 1) und 2). Die Verbspitzenstellung im Aussagesatz<br />

weicht, wie in Kapitel 5.2 gezeigt, von topologischen Regeln ab und verletzt<br />

damit Prämisse 2), bei Pronomentilgung verstößt sie <strong>zu</strong>sätzlich gegen die<br />

Prämissen 1) und 3). Mit allen drei Prämissen unverträglich sind für<br />

Deppermann (ebd.) Ellipsen. Diese sind weder vollständige Satzstrukturen noch<br />

nach kontextfreien Regeln <strong>zu</strong> erzeugen und außerdem nicht kompositional in<br />

ihrer Interpretation (ebd.: 45f.).<br />

Zur besseren Handhabung solcher Konstruktionen der gesprochenen Sprache<br />

schlägt Deppermann die construction grammar46 als Analysemodell vor.<br />

Die drei theoretischen Grundannahmen der construction grammar, auf die er<br />

sich bezieht, sind<br />

(1) die Annahme, dass Konstruktionen ein umfassender Beschreibungsrahmen<br />

für sprachliches Wissen sind;<br />

(2) die Auffassung von Sprache als nicht-autonomen, kognitivem Symbolsystem<br />

und<br />

(3) eine gebrauchstheoretische Sicht der Bildung und der mentalen<br />

Repräsentation sprachlicher Strukturen (ebd.: 48).<br />

Aus konstruktionsgrammatischer Sicht werden syntaktische Strukturen nicht<br />

durch maximale universale Regeln erzeugt. Vielmehr bestehen sie aus<br />

Konstruktionen, die sehr unterschiedlich allgemein (schematisch) sind. Nach<br />

46 Bekannte Vertreter der construction grammar sind <strong>zu</strong>m Beispiel Fillmore et al. (1988); Kay<br />

(1997) oder Ronald Langacker (1987) oder die neueren Ansätze von Croft (2001).<br />

- 73 -


6 Alternativen <strong>zu</strong>r Analyse nicht-standardisierter Sprache<br />

Deppermann sind viele Konstruktionen idiomatisch. Diese Annahme belegt er<br />

damit, dass sie lexikalisch ganz oder teilweise spezifiziert seien, hinsichtlich der<br />

semantischen Klassen möglicher lexikalischer Instanziierungen restringiert und<br />

außerdem nur unter bestimmten syntaktischen oder pragmatischen<br />

Kontextbedingungen an<strong>zu</strong>wenden seien.<br />

Die idiomatische Formfixiertheit kommt in unterschiedlichen Ausprägungen<br />

vor:<br />

1) Lexikalisch voll spezifizierte Konstruktionen sind lexikalisch fixierte<br />

Phraseologismen wie oh Gott, <strong>zu</strong>m Wohl, so wahr mir Gott helfe, einen<br />

drauf <strong>machen</strong> oder ins Gras beißen, die in unterschiedlichem Maße<br />

grammatisch paradigmatisierbar sind.<br />

2) Lexikalisch teilspezifizierte Konstruktionen sind mehr oder weniger<br />

schematisch an Wortklassen oder semantische Klassen gebunden,<br />

andere sind in bestimmten Konstituenten lexikalisch fixiert. Ihre<br />

Konstituenten sind in ihrer Stellung und ihrer Obligatorik oft variabel,<br />

manchmal auch fix. Als Beispiel nennt Deppermann hier typisch N. Diese<br />

Konstruktionen haben oft sehr idiosynkratische Restriktionen.Das Beispiel<br />

typisch N fordert unter anderem, dass das Adjektiv typisch nicht nicht<br />

flektiert wird und dass es ein artikelloses Nomen bzw. einen Eigennamen<br />

modifiziert.<br />

3) Voll schematisierte Konstruktionen, wie ditransitive Konstruktionen vom<br />

Typ Ich schenke dir das Buch verfügen über keine phonologischlexikalische<br />

Spezifizierung (ebd.: 48f.).<br />

Deppermann fasst <strong>zu</strong>sammen, dass „Äußerungen nach dieser Sicht also nicht<br />

regelgeleitet aus atomaren Einheiten aufgebaut [werden]. Vielmehr werden von<br />

vornherein syntaktische Ganzheiten (Konstruktionen) gelernt“ (ebd.: 49). Im<br />

Unterschied <strong>zu</strong> universalgrammatischen Ansätzen ist die construction<br />

grammar also eine bottom-up-Grammatik und nimmt an, dass nicht „maximal<br />

abstrakte syntaktische Strukturen nach und nach durch einzelsprachliche<br />

Parameterfixierung resringiert werden“, sondern dass „das Kind <strong>zu</strong>nächst<br />

konkrete, lexikalisch und morphologisch spezifische Konstruktionen [lernt], aus<br />

denen nach und nach, in Abhängigkeit von kommunikativen Erfahrungen und<br />

- 74 -


6 Alternativen <strong>zu</strong>r Analyse nicht-standardisierter Sprache<br />

oftmals nicht einheitenkategorial konsistent abstrakte Schemata induziert<br />

werden.“ (ebd.)<br />

Die Generalisierung von Konstruktionen ist „ein induktiver Prozess der<br />

Schematisierung“ (ebd).<br />

Das Beispiel [das ist so hart]<br />

↓<br />

[NP Kopula so EvalAdj]<br />

↓<br />

[NP Kopula Adj]<br />

↓<br />

[NP VP]<br />

zeigt, dass semantisch und lexikalisch spezifische Konstituenten einzelner<br />

Konstruktionen auf abstraktere Kategorien hin verallgemeinert werden (ebd.:<br />

49f.).<br />

Innerhalb eines Beschreibungsrahmens nimmt die Construction Grammar also<br />

ein Kontinuum von Morphologie, Lexikon und Syntax an.<br />

6.2.2 Construction Grammar <strong>zu</strong>r Analyse gesprochener Sprache II<br />

Auch Auer (2007) fordert für die Beschreibung gesprochener Sprache ein<br />

alternatives Syntaxmodell, das möglichst „realitätsnah“ die Phänomene der<br />

Mündlichkeit erfassen kann. Entgegen der „offline-Grammatik“, welche „eine<br />

vom Realisierungsmodus unabhängige sprachlich-grammatische Kompetenz<br />

der Sprecher im Auge (...) hat“ (ebd.: 95), entwickelt er ein inkrementelles<br />

Modell, welches dialogisch orientiert sein soll und der Tatsache Rechnung trägt,<br />

„dass mündliches Kommunizieren auch unter hohem Zeit- und Handlungsdruck<br />

deshalb funktioniert, weil viele, auch scheinbar komplexe Syntaxstrukturen<br />

bereits mehr oder weniger stark musterhaft festgelegt sind“ (ebd.: 96). Auch<br />

hier werden wieder die Grundlagen der construction grammar angewandt, da<br />

die Syntax gesprochener Sprache dem häufigen Gebrauch bestimmter<br />

syntaktischer Muster Rechnung tragen soll.<br />

- 75 -


6 Alternativen <strong>zu</strong>r Analyse nicht-standardisierter Sprache<br />

Diese syntaktischen Muster sind durch unterschiedliche Serialisierungsvorschrifen<br />

in verschiedenen Sprachen ganz unterschiedlicher Natur: „Es ist<br />

unmittelbar einsichtig, dass eine Sprache mit rigiden Serialisierungsvorschriften<br />

präzisere syntaktische Projektionen erlaubt als eine mit freier Wortstellung“<br />

(ebd.: 98). Laut Auer betrifft dies vor allem Adjazenzprojektionen von einer<br />

syntaktischen Position <strong>zu</strong>r nächsten: So lässt sich im klassischen Latein aus dem<br />

Konstruktionsbeginn Gallia ... für die nächste Position keine<br />

Fortset<strong>zu</strong>ngserwartung ableiten. Auf den Konstruktionsbeginn Frankreich ...<br />

hingegen folgt mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit (abgesehen von<br />

parenthetischen Erweiterungen und Prolepsen) ein finites Verb (ebd.). Ein<br />

weiteres Beispiel für das Deutsche ist das flektierte Adjektiv, welchem in den<br />

meisten Fällen ein Nomen folgt.<br />

Weiter beschreibt er die Rektion als serialisierendes Element: „Voranstehende<br />

regierende Elemente ermöglichen die beste Vorhersage über nachfolgende<br />

regierte Elemente (...).“ (ebd.: 99)<br />

Am Beispiel<br />

(6-2) kommt → ein Mann in einen Laden ...<br />

zeigt Auer, dass im Deutschen verbinitiale Syntagmen die Vorhersage des Kasus<br />

und der Anzahl nachfolgender nominaler Ergän<strong>zu</strong>ngen ermöglichen.<br />

Die Projektion lässt sich also nicht nur auf adjazente Elemente reduzieren,<br />

sondern kann auch auf nicht-adjazente Strukturen angewendet werden.<br />

Ein Exempel statuiert er anhand von Konstruktionen mit projizierendem so:<br />

„Dahinter steckt die Idee, dass die Sprachbenutzer rekurrente Anwendungen<br />

allgemeiner Regeln mit der Zeit getrennt speichern und direkt abrufen“ (ebd.:<br />

108). Er nennt folgende Konstruktionen, in welchen so ein nachfolgendes<br />

satzwertiges Syntagma projiziert:<br />

(a) Konsekutivkonstruktionen<br />

... ist SO Y → (dass) S<br />

(b) Konzessivkonstruktion<br />

so ADJ es/das/der auch V→ S<br />

- 76 -


6 Alternativen <strong>zu</strong>r Analyse nicht-standardisierter Sprache<br />

(c) katadeiktische korrelative dass-Konstruktion (Topikalisierung)<br />

... V SO → dass ... S<br />

(d) katadeiktische korrelative wie-Konstruktion<br />

(X V) SO (Adj/Advb) → wie S<br />

(e) Quotativ-Konstruktion<br />

(und) ich/er so → S<br />

(f) es ist so-Konstruktion<br />

es ist SO → (dass) S (ebd.: 120)<br />

Nach Auer impliziert eine solche Beschreibung im Rahmen der construction<br />

grammar,<br />

„dass die sechs Konstruktionen einzeln gespeichert und prozessiert werden, auch wenn<br />

zwischen ihnen beschreibbare Ähnlichkeiten bestehen. Die Verfügbarkeit einer Vielzahl<br />

solcher Konstruktionen ermöglicht es den Gesprächsteilnehmern, mit großer<br />

Geschwindigkeit und trotzdem großer Präzision Projektionen auf<strong>zu</strong>bauen und<br />

Gestaltschlüsse vorher<strong>zu</strong>sagen.“ (ebd. 121)<br />

Wie ist das alles auf eine Konstruktion wie lassma <strong>Weltmeisterschaft</strong> <strong>machen</strong><br />

an<strong>zu</strong>wenden? Die construction grammar macht die Erforschung von nichtnormierter<br />

Sprache (wie z. B. gesprochene Sprache oder Kiez-Sprache) durch<br />

ihre deskriptive Perspektive leichter handhabbar als dies mit einer normativen<br />

Herangehensweise möglich ist.<br />

Auf folgende Beispiele aus dem hier untersuchten Korpus wird nun versucht, die<br />

von Auer vorgeschlagene Analyse an<strong>zu</strong>wenden:<br />

(1) lassma fifa spielen<br />

lassma N VINF<br />

(2) lassma licht aus<strong>machen</strong><br />

lassma N VINF<br />

(3) lassma was neues nehmen<br />

lassma N VINF<br />

- 77 -


(4) lassma jetzt fifa street spielen<br />

lassma Adv N VINF<br />

(5) lassma weltmeisterschaft <strong>machen</strong><br />

lassma N VINF<br />

(6) lassma jetzt weltmeisterschaft <strong>machen</strong><br />

lassma Adv N VINF<br />

6 Alternativen <strong>zu</strong>r Analyse nicht-standardisierter Sprache<br />

Dass diese mit lassma47 eingeleiteten Konstruktionen nach dem Muster lassma<br />

N VINF oder lassma N VINF gebildet werden, wurde bereits in Kapitel 5.7 gezeigt.<br />

Interessant sind sie aus der Perspektive der construction grammar aus einem<br />

bestimmten Grund: Sie scheinen über die für die gesprochene Sprache<br />

bevor<strong>zu</strong>gte Eigenschaft <strong>zu</strong> verfügen, besonders schnell verarbeitet <strong>zu</strong> werden, da<br />

sie über eine sehr starke Projektionskraft verfügen. Gerade der Jugend- und<br />

Kiez-Sprache, die sich durch sehr schnelle Turnwechsel und eine große Dichte<br />

sprachlicher Äußerungen auszeichnen, scheinen Konstruktionen dieser Art sehr<br />

entgegen<strong>zu</strong>kommen.<br />

6.2.3 Construction Grammar <strong>zu</strong>r Analyse von<br />

Funktionsverbgefügen<br />

Der Aufsatz von Zeschel (2007) versucht, speziell FVG im Beschreibungsmodell<br />

der Construction Grammar <strong>zu</strong> erfassen. Diese Herangehensweise an FVG hält<br />

er für sinnvoll, weil<br />

„sich in ihnen unverkennbar regelhafte Tendenzen mit ausgeprägten idiomatischen<br />

Beschränkungen verbinden, so dass eine einheitliche Erfassung des Phänomens im<br />

Rahmen eines kohärenten Grammatikmodells vielfach als problematisch betrachtet wird<br />

(...) und dass sich Funktionsverbgefüge (wie grammatische Konstruktionen insgesamt) als<br />

komplexe Kategorie zahlreicher einzelner Idiomverbände charakterisieren lassen, die<br />

durch das Prinzip der Familienähnlichkeit <strong>zu</strong>sammengehalten und durch die genannten<br />

Tendenzen geformt werden“ (ebd.).<br />

47 Ein ähnliches Verhalten ist für die unter XX beschriebenen Konstruktionen mit musstu <strong>zu</strong><br />

erwarten.<br />

- 78 -


Anhand des Beispiels 48<br />

6 Alternativen <strong>zu</strong>r Analyse nicht-standardisierter Sprache<br />

(6-3) Den Stein ins Rollen gebracht haben die sechs Frauen, die ...<br />

zeigt Zeschel, dass es sich nicht, wie auf den ersten Blick <strong>zu</strong> vermuten wäre, um<br />

eine feste idiomatische Bildung handelt, die über eine konventionelle<br />

metaphorische Verbindung verfügt. Dies zeigt er, indem er folgende Varianten<br />

entgegenstellt:<br />

(6-4)<br />

(a) Endlich kam der Stein ins Rollen.<br />

(b) Wir haben die gesamte Kampagne ins Rollen gebracht.<br />

Hier ist nach Zeschel das Argument des Prädikats in der PP durch einen<br />

spezifischeren Ausdruck aus der jeweiligen Zieldomäne erfasst.<br />

(c) Das würde eine Kostenlawine in Gang setzen, heißt es in dem<br />

Schreiben.<br />

Dieses Beispiel zeigt, so Zeschel, dass die Bedeutung nicht an der Verwendung<br />

des spezifischen Prädikats rollen hängt.<br />

(d) Die Handlung <strong>zu</strong>m Laufen brachte immer wieder die türkische<br />

Putzfrau Fatma ...<br />

Wie dieses Beispiel zeigt, ist zwar in der Kombination Stein und Rollen die Wahl<br />

der Präposition auf ins festgelegt, bei ähnlichen Ausdrücken jedoch nicht.<br />

Obwohl kein einziges konkretes Wort in allen Ausdrücken vertreten ist, sei die<br />

formale und semantische Ähnlichkeit nicht <strong>zu</strong> übersehen. Aus diesem Grund<br />

versucht er ein allgemeineres Muster für Konstruktionen diesen Typs <strong>zu</strong><br />

erstellen:<br />

[(NPAGT) NPTHM [in [NBewegung.ART+WEISE]] V]<br />

48 Die Beispiele von Zeschel stammen alle aus dem offenen Gigakorpus PUBLIC.<br />

- 79 -


6 Alternativen <strong>zu</strong>r Analyse nicht-standardisierter Sprache<br />

Anhand einer Korpusanalyse kommt er schließlich unter anderem auf folgendes<br />

Ergebnis 49:<br />

N-Typ INTR-INCH INTR-STAT KAUS-INCH KAUS-STAT 50<br />

Gang - - - +++ ns ns<br />

Schwung +++ - - - - +++<br />

Bewegung ns ns ns ns<br />

Rollen ns - - - +++ - -<br />

Fahrt +++ - - - - - ns<br />

Laut Zeschel weist diese Tabelle auf deutlich unterschiedliche Präferenzen hin.<br />

Allein das Nomen Bewegung ist relativ unspezifisch über die vier<br />

Konstruktionen verteilt. Bei den anderen Typen zeigen sich sehr ausgeprägte<br />

Kontraste (ins Rollen kommen vs. ??im Rollen sein vs. Ins Rollen bringen vs.<br />

??im Rollen halten). Diese Werte, so Zeschel, liefern „ein starkes Indiz dafür,<br />

dass die Parameter Aspekt und Partizipiantenstruktur des <strong>zu</strong><br />

versprachlichenden Szenarios (Geht es um einen Zustandswechsel? Liegt ein<br />

kausatives Szenario vor?) einen signifikanten Einfluss auf die Wahl des<br />

Nominals in der PP haben“ (ebd.). Die Tabelle sagt also voraus, dass Sprecher<br />

im Falle eines kausativen oder stativen Sachverhalts – also in einer Situation, in<br />

der jemand oder etwas dafür sorgt, dass der bezeichnete Prozess weiterhin<br />

abläuft/sich entfaltet/reibungslos funktioniert etc. eher die Formulierung X in<br />

Schwung halten als beispielsweise X im Rollen wählen werden.<br />

Diese Art der Herangehensweise, so Zeschel (ebd.), sei hervorragend geeignet,<br />

„um komplexe und vielfältig aufgesplittete Phänomene wie die hier<br />

untersuchten Funktionsverbgefüge gewissermaßen ‚von unten’ auf<strong>zu</strong>rollen und<br />

in ein kohärentes Gesamtmodell des sprachlichen Wissens <strong>zu</strong> integrieren.“<br />

49 „+“ bedeutet signifikant angezogen, „-“ signifikant abgestoßen und „ns“ ein nicht-signifikantes<br />

Verhältnis.<br />

50 INTR-INCH=kommen, INTR-STAT=bleiben, KAUS-INCH=setzen, KAUS-STAT=halten<br />

- 80 -


7 Schluss<br />

„Die Sprache von meinem Vorfahr war mehr kompliziert wie heut.“<br />

7 Schluss<br />

So beschreibt Uwe Hinrichs in einem Interview mit der Wochenzeitung „Die<br />

Zeit“ (2006, Nr. 27) das Hochdeutsch der Zukunft. Dass dieser Prozess eine<br />

große Faszination auf Sprecher des Deutschen auswirkt, zeigt der unglaubliche<br />

Erfolg, den Bastian Sick mit seinen Büchern und Lesungen hat. Eine Leserin<br />

schreibt in einer Buchkritik <strong>zu</strong> „Der Dativ ist dem Genetiv sein Tod“ (2004):<br />

„Manchmal errötet man ob seiner eigenen Fehler. Ich hätte nicht gedacht, mit<br />

wie vielen Sprachirrtümern man aufgewachsen ist und jahrelang der Meinung<br />

war, man drücke sich ordnungsgemäß aus. Es ist unglaublich, wie vieles man<br />

wiederfindet und plötzlich merkt ‚Das wußte ich ja gar nicht!’“ 51<br />

Diese „Fehler“ können aus einer anderen Perspektive ganz neutral als<br />

Indikatoren von Sprachwandel interpretiert werden:<br />

Keller (2004) schreibt hier<strong>zu</strong>: „Allerdings wird er von den Zeitgenossen nicht<br />

als Wandel wahrgenommen, sondern als Sprachverfall. (...) Eine Sprache ist ein<br />

komplexes System konventioneller Regeln. Jede Veränderung einer Konvention<br />

beginnt notwendigerweise mit einer Übertretung; und Übertretungen<br />

sprachlicher Konventionen nennt man ‚Fehler’. Wenn der Fehler schließlich<br />

<strong>zu</strong>m allgemeinen Usus geworden ist, dann hat er aufgehört ein Fehler <strong>zu</strong> sein<br />

und eine neue Konvention ist entstanden.“ Als Beispiel nennt er das Präteritum<br />

des Verbs schrauben: „Dieses hat sich von schrob <strong>zu</strong> schraubte entwickelt und<br />

bis dieser Prozess vollzogen war, machte der, der schraubte benutzte, einen<br />

Fehler.“<br />

Aus anderen Ländern mit ausgeprägtem Migrantenpopulationen ist folgende<br />

Entwicklung <strong>zu</strong> beobachten: „Urban American Ethnolects are not stable<br />

varieties. Just as the ancestral language tends to be lost within three or four<br />

generations after emigration (...), its ethnolectal representation appears not to<br />

remain in the same form for more than a couple of generations.“ (Wölck 2002:<br />

161). Ein bekanntes Beispiel wie sich Ethnolekte weiterentwickeln und<br />

schließlich Einfluss auf die Standardsprache nehmen, ist die Sprache der<br />

51 Dieser Text stammt von der Internetseite http://www.amazon.de. Dort können Leser Bücher<br />

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- 81 -


7 Schluss<br />

amerikanischen Stadt Buffalo. Hier entwickelten sich unter dem Einfluss von<br />

deutschen und polnischen Einwanderern verschiedene neue Strukturen, wie<br />

<strong>zu</strong>m Beispiel eine Form des „incomplete ‚perfect’ tense to express the completed<br />

past, as in ‚I´ve lived in New York five years; now my home is Buffalo’“ (ebd.).<br />

Hier soll nicht dafür argumentiert werden, dass Jugendliche mit Migrationshintergrund<br />

keine standardsprachlichen Varietäten <strong>zu</strong> lernen brauchen. Um auf<br />

dem Arbeitsmarkt eine Chance <strong>zu</strong> haben, ist das Beherrschen der<br />

Standardsprache nach wie vor unumgänglich. Vielmehr sollte Lehrern und<br />

anderen „Bedenkenträgern“ vermittelt werden, dass es sich bei Kiez-Sprache,<br />

wie auch in dieser Arbeit gezeigt worden ist, um eine jugendsprachliche Varietät<br />

mit den daraus resultierenden Charakteristika handelt. Auch sollte der Blick<br />

dafür geschärft werden, dass es sich bei Kiez-Sprache um keine reine<br />

Reduktionsform des Standarddeutschen handelt. Vielmehr entstehen hier<br />

Formen, die der Kommunikation besonders <strong>zu</strong>träglich <strong>zu</strong> sein scheinen und die<br />

das Standarddeutsche bisher nicht bereitgestellt hat. Auch wenn<br />

Konstruktionen wie Ich mach dich Messer. oder Lassma <strong>Weltmeisterschaft</strong><br />

<strong>machen</strong>. auf den ersten Blich stark vom Standarddeutschen ab<strong>zu</strong>weichen<br />

scheinen, fügen sie sich bei näherer Betrachtung gut ins System der<br />

Standardsprache ein.<br />

Das Missverständnis, welches in Be<strong>zu</strong>g auf Kiezsprache und andere<br />

Sprachwandel- und Kontaktphänomen in der Standardsprache zwischen<br />

Lehrern, anderen „Laienlinguisten“ und der Sprachwissenschaft herrscht, liegt<br />

in der unterschiedlichen Konzeptualisierung von Sprache begründet. In der<br />

„Laienlinguistik“ „zeig[t] sich eine große Vielfalt in der metaphorischen<br />

Konzeptualisierung von fremden sprachlichen Einflüssen auf die<br />

Muttersprache. Die nahrungsmetaphorischen Metaphern (Wortsalat,<br />

Wortgulasch, Sprachpanscher) akzentuieren vor allem ästhetische und<br />

gesundheitliche Aspekte, während die Vergiftungs- und die Genetik-Metapher<br />

fließende Übergänge <strong>zu</strong> den Organismus- und Krankheitsmetaphern (...)<br />

aufweisen“ (Osthus & Polzin-Haumann 2006). Sprachmischung wird in dieser<br />

Art der Konzeptualisierung als unrein oder chaotisch wahrgenommen.<br />

Demgegenüber stehen Sprachwissenschaftler, wie z. B. der weiter oben zitierte<br />

Rudi Keller, die Sprachwandel und –mischung aus einer deskriptivfunktionalen<br />

Perspektive betrachten. Osthus & Polzin-Haumann (2006) stellen<br />

- 82 -


7 Schluss<br />

in Hinblick auf dieses Missverständnis die Frage, „ob die Linguistik dies <strong>zu</strong>m<br />

Anlass nehmen [sollte], über ihre gesellschaftliche Außenwirkung<br />

nach<strong>zu</strong>denken und sich vielleicht – ohne historisch entwickelte,<br />

fachkonstituierende Positionen auf<strong>zu</strong>geben – gemäß der von Ortner/Sitta<br />

(2003:8) formulierten ‚Bringschuld der Wissenschaft gegenüber der<br />

Öffentlichkeit’ etwas engagierter in die Gesellschaft bewegende Fragen<br />

einbringen.“ In Be<strong>zu</strong>g auf Kiez-Sprache und deren Wahrnehmung in der<br />

Öffentlichkeit ist dies sicher eine sinnvolle Forderung.<br />

- 83 -


8 Anhang<br />

Transkriptionskonventionen nach GAT (Selting et al. 1998):<br />

Sequenzielle Struktur/Verlaufsstruktur<br />

8 Anhang<br />

[ ] Überlappungen und Simultansprechen<br />

[ ]<br />

= schneller, unmittelbarer Anschluss neuer Beiträge oder Einheiten<br />

Pausen<br />

(.) Mikropause<br />

(-), (--), (---) kurze, mittlere, längere Pausen von ca. 0.25 - 0.75 Sek.; bis ca. 1 Sek.<br />

(2.0) geschätzte Pause, bei mehr als ca. 1 Sek. Dauer<br />

(2.85) gemessene Pause (Angabe mit zwei Stellen hinter dem Punkt)<br />

Sonstige segmentale Konventionen<br />

und=äh Verschleifungen innerhalb von Einheiten<br />

:, ::, ::: Dehnung, Längung, je nach Dauer<br />

äh, öh, etc. Verzögerungssignale, sog. „gefüllte Pausen“<br />

' Abbruch durch Glottalverschluss<br />

Lachen<br />

so(h)o Lachpartikeln beim Reden<br />

haha hehe hihi silbisches Lachen<br />

((lacht)) Beschreibung des Lachens<br />

Rezeptionssignale<br />

hm, ja, nein, nee einsilbige Signale<br />

hm=hm, ja=a, zweisilbige Signale<br />

nei=ein, nee=e<br />

'hm'hm mit Glottalverschlüssen, meistens verneinend<br />

Akzentuierung<br />

akZENT Primär- bzw. Hauptakzent<br />

ak!ZENT! extra starker Akzent<br />

Sonstige Konventionen<br />

((hustet)) para- und außersprachliche Handlungen u. Ereignisse<br />

sprachbegleitende para- und außersprachliche<br />

Handlungen und Ereignisse mit Reichweite<br />

interpretierende Kommentare mit Reichweite<br />

( ) unverständliche Passage je nach Länge<br />

(solche) vermuteter Wortlaut<br />

al(s)o vermuteter Laut oder Silbe<br />

(solche/welche) mögliche Alternativen<br />

((...)) Auslassung im Transkript<br />

→ Verweis auf im Text behandelte Transkriptzeile<br />

- 84 -


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http://lexikon.anaman.de/<br />

- 93 -


10 Eigenständigkeitserklärung<br />

Ich erkläre, dass ich die Arbeit selbständig verfasst und keine anderen als die<br />

angegebenen Quellen und Hilfsmittel benutzt habe.<br />

<strong>Berlin</strong>, den 15.10.2007 Ines Urban


11 Wissenschaftlicher Werdegang<br />

Name: Ines Urban<br />

Geburtsdatum: 22.12.1977<br />

Geburtsort: Ludwigshafen am Rhein, Rheinland-Pfalz<br />

2001-2007: <strong>Humboldt</strong>-<strong>Universität</strong>, <strong>Berlin</strong><br />

Studium des Magisterstudiengangs Germanistische Linguistik<br />

2003-2007: studentische Hilfskraft, Lehrstuhl Syntax (Prof. Norbert Fries)<br />

2001-2007: Freie <strong>Universität</strong>, <strong>Berlin</strong><br />

Hauptstudium des Magisterstudiengangs Ethnologie<br />

1999-2001: Friedrich-Karls-<strong>Universität</strong>, Heidelberg<br />

Grundstudium des Magisterstudiengangs Ethnologie<br />

Studium des Magisterstudienganges Germanistik<br />

1997-1999: <strong>Universität</strong> Mannheim<br />

Studium des Magisterstudiengänge Germanistik, Politik und<br />

Wirtschafts- und Sozialgeschichte<br />

1988-1997: Edith-Stein-Gymnasium, Speyer<br />

Allgemeine Hochschulreife<br />

1984-1988: Luitpold-Grundschule, Hettenleidelheim

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