PROUD PHOTO BOOTH BY OLIVER RATH ... - Proud magazine
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I<br />
ch<br />
burtstag im Vereins-<br />
erinnere mich<br />
noch sehr genau an<br />
meinen 14. Ge-<br />
heim der Neuköllner<br />
Sportfreunde.<br />
Damals habe<br />
ich die Location<br />
über<br />
Thommy<br />
bekommen.<br />
Jetzt wollen<br />
wir wieder in<br />
die Straße 12.<br />
Sonnenschein.<br />
Open Air und Technomusik.<br />
Dieses mal<br />
sind wir 25. Thommy ist<br />
genau die selbe Person wie<br />
vor 11 Jahren. Statt einem alten<br />
Golf fährt er inzwischen einen<br />
Hyunday Hybrid. Hinten im<br />
Hybrid sitzt sein Hund - ein altes,<br />
klappriges Tier, das jedoch lebensfroher<br />
wirkt als Thommy.<br />
Wir betreten das Gelände an der Abfahrt<br />
Grenzallee und reden über die<br />
Europameisterschaft und das Ausscheiden<br />
der Deutschen Nationalmannschaft.<br />
Überall liegt Dreck. Die<br />
Klotür vom Außenklo ist leicht geöffnet,<br />
der Trampelpfad in Richtung Vereinshütte<br />
ist voll mit Bierdeckeln.<br />
Wir stehen vor der Tür des Vereinsheimes,<br />
Thommy schließt auf. Muffig<br />
schlägt es uns entgegen. An den Seiten<br />
stehen übereinander gestapelte<br />
Stühle und aus der Bar ragt ein verbogener<br />
Zapfhahn einer längst nicht<br />
mehr funktionsfähigen Zapfanlage.<br />
Eine Packung Toilettenpapier liegt vor<br />
den zugenagelten Fenstern. Drinnen<br />
ist es dunkel, nur eine vergilbte Lichterkette<br />
und eine unabgedeckte Neon-<br />
STRASSE 12<br />
röhre an der Decke hellen den Raum<br />
ein wenig auf. Der Fußboden, altes<br />
gelbbraunes PVC, ist durch und durch<br />
aufgerissen. Viele Stücke im Boden<br />
fehlen komplett.<br />
„Hundert Euro. Fünfzig Kaution. Saubermachen<br />
müsst ihr selber“, beginnt<br />
Thommy uns aufzuklären. Während<br />
er redet, hält er uns einen kopierten<br />
Mietvertrag für das Wochenende unter<br />
die Nase. „Den Grill könnt ihr benutzen<br />
und wenn ihr dekoriert, könnt ihr<br />
alles für den nächsten Mieter hängen<br />
lassen”, die würden sich in der Regel<br />
freuen. Wir schlendern einmal durch<br />
den ca. 100qm großen Raum und<br />
entdecken an der hintersten Ecke ein<br />
mit blauen Müllbeuteln abgedecktes<br />
Regal. Hinter der Folie versteckt sich,<br />
eine Sammlung von gewonnenen Po-<br />
kalen der Neuköllner Sportfreunde<br />
- dem Verein, in<br />
dessen Haus wir uns<br />
befinden. Ruderer, Boxer,<br />
Fußballer. Für<br />
fast jede Sportart<br />
findet sich<br />
eine Trophäe.<br />
Unbeachtet<br />
dessen<br />
weist uns<br />
Thommy darauf<br />
hin, dass<br />
die Elektroheizungen<br />
nicht fest<br />
an der Wand installiert<br />
seien. Mit dem<br />
Finger deutet er dabei<br />
auf ein halben Quadratmeter<br />
großes, weißes Rechteck<br />
aus Blech, dass, halb zerfallen,<br />
auf dem Boden liegt.<br />
Wir verlassen das Haus, um in den angrenzenden<br />
Schuppen zu gehen. „Hier<br />
sind die Sicherungen“, erzählt uns<br />
Thommy,” falls mal eine rausfliegen<br />
sollte.” Hinter dem Schuppen stapeln<br />
sich kaputte Stühle, Kühlschränke,<br />
eine Waschmaschine und jeglicher<br />
anderer Schrott. Thommy bemerkt<br />
unsere Blicke und klärt uns auf: Alle<br />
möglichen Leute würden hier ihren<br />
Schrott von der Brücke herunterschmeißen<br />
und entsorgen. Dass das<br />
passiert, können wir uns vorstellen.<br />
Warum der ganze Schrott dort noch<br />
liegt, weniger.<br />
Trotzdem. Das Vereinsheim - Straße<br />
12 getauft, da es Grenzallee Ecke Straße<br />
12 liegt - ist der perfekte Ort für<br />
uns. Links von uns Sconto, rechts von<br />
uns ein Ableger vom Kanal, hinter uns<br />
62 REPORT 62<br />
eine Autobrücke und vor uns die Autobahn.<br />
Und in mitten der Freifläche ist<br />
eine Feuerstelle mit Steinen vor dem<br />
Vereinsheim aufgebaut. Es gibt einen<br />
maroden Grill und eine überdachte<br />
Metall-Wellblechkonstruktion.<br />
Wir freunden uns mit Thommy an,<br />
erzählen ihm von proud, unseren Partys<br />
und Projekten. Wir diskutieren ein<br />
weiteres Mal über das Ausscheiden<br />
der Deutschen Nationalmannschaft,<br />
bevor er uns den Schlüssel zum Vereinsheim<br />
in die Hände drückt und mit<br />
seinem Hund im Hybridauto wegfährt.<br />
Am folgenden Wochenende ist die<br />
Party. "Väthertag" klingt nach unseren<br />
Abenteuern der letzten Monate schon<br />
fast absurd. Fetzo kauft die halbe Metro<br />
mit Würstchen leer, Chrissns Anlage<br />
wird aufgebaut und der Tag liefert<br />
einen Sonne-Wolkenmix. Es ist eine<br />
gute Stimmung, auch ohne Väth. Irgendwann<br />
erscheint das Ordnungsamt<br />
und verdrängt uns ins innere des<br />
Vereinsheims. Die Bässe wummern<br />
noch bis spät in die Nacht. Irgendwann<br />
um drei Uhr morgens beschließen<br />
Emin und Gesa abzubauen. Mit<br />
ein paar gekonnten Handgriffen sind<br />
Anlage, Platten und CD-Spieler in der<br />
Robbe.<br />
Am Sonntag Abend treffen wir<br />
Thommy. Inzwischen wurde das zugeschissene<br />
Außenklo gesäubert, die<br />
Bierdeckel eingesammelt und der zerfetzte<br />
PVC-Boden des Vereinsheims<br />
gewischt. Wir bedanken uns und kommen<br />
ins Gespräch über Straße 12 und<br />
wer außer uns das Vereinsheim denn<br />
noch nutzen würden. Es wäre schwierig<br />
Mieter zu finden. Manche Jahre liefen<br />
besser, manche schlechter. Jahre?.<br />
Ja, seit 40 Jahren gehört das Vereinsheim<br />
zum Verein. Seit fast 35 Jahren<br />
betreut durch Thommy. Jetzt hat er<br />
jedoch Probleme mit seiner Gesundheit<br />
und immer weniger Leute würden<br />
nachfragen. Es ist unmöglich für den<br />
Verein die Grundkosten zu tragen -<br />
ein Geschäft, bei dem sie draufzahlen.<br />
Zum 01.01.2013 soll das Vereinsheim<br />
gekündigt und aufgegeben werden.<br />
Wir äußern unser Bedauern und erhalten<br />
ein Angebot - kommt zum nächsten<br />
Vereinstreffen in der Lipschitzallee<br />
und mit dem passenden Konzept kann<br />
proud der Verwalter und Betreiber der<br />
Fläche werden. Vorraussetzung, der<br />
Sportbezug muss her. Ganz einfach ist<br />
es nicht, jedoch auch nicht unmöglich.<br />
Das Katerholzig ist schließlich auch<br />
ein Kulturcafé und Restaurant. Ehrlich<br />
und direkt findet ein gemeinsames<br />
Brainstorming statt und wir werden<br />
uns einig. Partys möchten wir feiern,<br />
aber auch Sport machen. So erzählen<br />
wir, dass sich proud und Freunde bereits<br />
an jedem verdammten Dienstag<br />
zum Bolzen treffen und unsere Grafikdesigner<br />
Meister im Kickern sind,<br />
sogar in richtigen Ligen spielen. Auch<br />
Kino und Tanzunterricht können wir<br />
uns vorstellen. Vor allem aber, einen<br />
Treffpunkt. Eine physische Anlaufstelle<br />
für uns, für den NSF und die jungen<br />
Berliner. Zum Grillen, zum Abhängen,<br />
zum Feiern.<br />
Wir möchten das marode Vereinsheim<br />
“Straße 12” wieder aufbauen. Ein Platz<br />
für Partys, Sport und Kultur. Wechselnde<br />
Angebote und Hilfe bei der Organisation<br />
von Freizeitsportaktivitäten<br />
wie Fußball- oder Kickerturniere.<br />
Und hierfür gründen wir eine neue<br />
Abteilung Freizeitsport bei der Neukölllner<br />
Sportfreunde e.V. unter unserer<br />
Leitung, die sich aktiv um neue<br />
Mitglieder bemüht und Angebote in<br />
kulturellen Bereichen fördert. Ebenso<br />
möchten wir fördern, dass alle bei der<br />
Gestaltung des Standortes teilnehmen<br />
und diesen nutzen.<br />
Zum Redaktionsschluss fehlte die finale<br />
Entscheidung. Es liegt inzwischen<br />
weder beim NSF noch an proud. Ent-<br />
scheiden tut nun die Berliner Bürokratie.<br />
Die SpAN Nutzungsverordnung.<br />
Das Amt für Sport und Kultur (ein<br />
und dasselbe in Neukölln, was sehr<br />
schön ist) und letztendlich das Liegendschaftsamt<br />
von Berlin, dem das<br />
Grundstück gehört.<br />
Ein Vereinsheim für proud. Ein Ver-<br />
einsheim für Euch.<br />
Emin Mahrt<br />
REPORT<br />
63