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PROUD PHOTO BOOTH BY OLIVER RATH ... - Proud magazine

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FRIEDE, FREUDE, FRONTPAGE<br />

Es ist eine dieser Geschichten, die so<br />

spannend und skurril zugleich sind,<br />

dass man sie eigentlich nicht im<br />

wirklichen Leben vermutet. Das erste<br />

Mal las ich von Jürgen Laarmann<br />

in Rainald Goetz Buch „Rave“, eines<br />

der ersten Bücher, die das Feiern und<br />

die Technoszene in Deutschland thematisieren.<br />

Die 90er und der kommerzielle<br />

Durchbruch elektronischer<br />

Musik, angeführt von einer Reihe originell<br />

verspulter Persönlichkeiten wie<br />

Westbam, Dr. Motte und eben Jürgen<br />

Laarmann, der mit "Frontpage" das<br />

damals wichtigste Szenemagazin<br />

gründete. JL, wie man ihn nannte, war<br />

Mitbegründer der Loveparade und erlebte<br />

als einer der prägenden Köpfe<br />

die Zeit, als Techno zur größten internationalen<br />

Jugendbewegung wurde<br />

und die Grenzen zwischen Realität<br />

und Größenwahn berauscht ineinander<br />

flossen. Es ist die Chronologie<br />

von Millionendeals, Partys in Flugzeugen,<br />

dem furiosen Aufstieg der<br />

„Raving Society“ und dem plötzlichen<br />

Knall. Ich treffe Laarmann in einem<br />

24 CHAT<br />

Café am Graefekiez, wo er auch seit<br />

einiger Zeit wohnt. Eigentlich wolle er<br />

viel lieber ein Interview mit mir führen,<br />

sagt er mir zur Begrüßung. „Ich<br />

mag die proud, vieles erinnert mich<br />

an die Frontpage.“ Seine nasale, fast<br />

schon krächzende Stimmlage passt<br />

eigentlich nicht zu seiner imposanten,<br />

kräftigen Statur, doch er macht einen<br />

sehr aufgeräumten, fast schon besonnenen<br />

Eindruck. In der Vorbereitung<br />

zu dem Interview las ich Kolumnen<br />

von Tanith, in denen JL nicht sehr gut<br />

weg kommt. Laarmann, der Gierige.<br />

Laarmann, der Maßlose. Laarmann,<br />

das Arschloch. Mitglied eines Konglomerats,<br />

das Techno in den 90ern unter<br />

sich aufteilen wollte. Wir bestellen<br />

uns zwei Bier und gehen zurück in die<br />

80er. Heute höre ich eine andere Geschichte.<br />

Wie kam die Idee ein Magazin wie<br />

„Frontpage“ zu machen?<br />

Meine Geschichte ist zunächst nicht<br />

anders als die die Story von proud. Nach<br />

dem Abitur habe ich in Frankfurt BWL<br />

studiert und schnell gemerkt, dass es<br />

mir zu langweilig wird. Dann haben wir<br />

das "HG" Magazin gegründet. Eine Art<br />

„Tempo“ für den Hochtaunuskreis. Eine<br />

ziemlich geistesgestörte Idee und die<br />

lokale Begrenzung führte auch schnell<br />

dazu, dass wir uns eingeschränkt fühlten.<br />

Von Anfang an verstanden wir uns<br />

jedoch als Agentur und entwickelten<br />

Anzeigen und Corporate Identity für<br />

unsere Kunden. Ab '85 sind wir dann<br />

nach Frankfurt und der "Technoclub“<br />

(Veranstaltungsreihe des ehemaligen<br />

Dorian Gray im Frankfurter Flughagfen)<br />

um Talla 2XLC war einer unserer<br />

ersten Kunden. Wir begannen mit der<br />

Gestaltung der Flyer und das Fanzine<br />

des Technoclubs war der Startschuß<br />

von Frontpage.<br />

Die Frontpage erlangte schnell über-<br />

regionale Bekanntheit. Dann kam der<br />

Umzug nach Berlin. Wie hast du die<br />

Unterschiede der beiden Städte wahrgenommen?<br />

Damals war es komplett anders als<br />

heute. Für mich war es eigentlich<br />

eher nervig nach Berlin zu gehen. In<br />

Frankfurt waren die amtlichen Clubs<br />

und Berlin konnte diesbezüglich noch<br />

nicht dagegenhalten. Ab '88 gründete<br />

Sven Väth im ehemaligen "Vogue" das<br />

"Omen" und es gab den Technoclub.<br />

Das Omen war trotzdem nie mein Laden.<br />

Bei mir ist es so: Wenn ich nach<br />

Hause gehen will, will ich nach Hause<br />

gehen. Im Omen gab es damals dieses<br />

schreckliche one point cash system<br />

und am Ende der Nacht stand man mit<br />

den anderen Verstrahlten in einer Reihe<br />

und musste sich die würdelosen Gespräche<br />

derer anhören, die ihre Karte<br />

verloren hatten, und am Ausgang nicht<br />

auslösen konnten. Das ging meist bis<br />

zum Eintreffen der Polizei. Überhaupt<br />

herrschten in Frankfurt damals zwei<br />

Fraktionen: Die Hipnessfraktion um<br />

Sven Väth und die Schwarzkittelkinder<br />

aus dem Technoclub. Die Frankfurter<br />

waren untereinander verstritten, aber<br />

wenn es darum ging gegen Berlin zu<br />

schießen, waren sich wieder alle einig.<br />

Die Frankfurter verstanden sich immer<br />

als die Techno-Hauptstadt und<br />

das ließen sie Berlin auch spüren. Als<br />

Berlin nach dem Mauerfall die ganzen<br />

neuen Locations hatte und hier richtig<br />

was passierte, sah Frankfurt alt aus.<br />

Zuerst hat man in Frankfurt noch gelacht,<br />

ich inklusive. Zwar gab's bereits<br />

1986 in Berlin die erste Houseparty von<br />

Westbam im "Ex und Pop", einem alten<br />

Punkschuppen. Auch das legendäre<br />

erste "UFO" war eher ein skurriler Laden<br />

und nach heutigen Maßstäben totaler<br />

Underground. Man hat einen kleinen<br />

abgeranzten Raum betreten und<br />

in der hintersten Ecke führte eine Leiter<br />

in einen unterirdischen Raum, der<br />

komplett zugenebelt war und in den<br />

höchstens 150 Leute passten. Erst mit<br />

der Maueröffnung ist die Szene gebreakt<br />

und es gab 3000er Parties. Frontpage<br />

hat Berlin promotet, deswegen galt<br />

ich in Frankfurt schnell als der Berlin<br />

Verräter.<br />

Fanden diese Streitereien auch innerhalb<br />

der Frontpage statt?<br />

Absolut. Frontpage war immer gut<br />

für Kontroversen, davon hat das Heft<br />

gelebt. Es ging um die Beste und aktuellste<br />

Idee von Techno. Der Konflikt<br />

fand auf allen Ebenen statt. Zwischen<br />

den Veranstaltern, in den Plattenrezensionen,<br />

zwischen den Djs – das hat<br />

das Heft ja interessant gemacht. Mein<br />

Problem war, dass ich das Berlin Ding<br />

promotete, aber aus Frankfurt bezahlt<br />

wurde. Im nachhinein ist es ein Wunder,<br />

wie lang das gut ging. Erst 1993<br />

habe ich mit Frontpage als Frontpage<br />

The Next Generation im Eigenverlag<br />

selbst herausgegeben.<br />

Seit 1991 warst du Mitveranstalter der<br />

Loveparade. Was war die Ursprungsidee?<br />

Die Idee war House und Techno und<br />

die dazugehörige Kultur bekanntzumachen<br />

und ein jährliches Treffen aller<br />

Anhänger dieser Musik zu organisieren<br />

und sich offen zu zeigen. Obwohl die<br />

Loveparade 1989 klein angefangen hatte,<br />

war mir von Anfang an klar, dass es<br />

irgendwann mal ein Milionending wird.<br />

Motte fand die Frontpage gut und<br />

so kam es zu der Zusammenarbeit.<br />

Meine Aufgabe war es, die anderen<br />

Städte miteinzubeziehen. In erster<br />

Linie waren das die Frankfurter und<br />

die Kölner. Im Nachhinein muss man<br />

sagen, dass das komplette Organisationsteam<br />

total unterschiedliche Vorstellungen<br />

hatte und so entstanden<br />

Streitereien von der ersten Minute an.<br />

Die Loveparade war die größte Hassveranstaltung<br />

ever, quasi mit Eintragung<br />

des Warenzeichens und das soll-<br />

te über die Jahre so bleiben.<br />

Finanzielle oder ideologische Streitigkeiten?<br />

Über all die Jahre wurde nicht viel verdient<br />

mit der Loveparade. Erst ab 1998<br />

wurde es finanziell interessant. Es ging<br />

auch vor allem darum, welche Musik<br />

gespielt werden sollte, vor allem auf der<br />

Abschlussveranstaltung. Da kam noch<br />

einmal der Frankfurt-Berlin Konflikt<br />

zum Tragen. Auch der Demonstrations-<br />

Status wurde kontrovers diskutiert.<br />

Für mich war die Love-Parade nie eine<br />

politische Veranstaltung.<br />

Das erste Motto war „Friede, Freude,<br />

Eierkuchen.“ Friede stand für die Ab-<br />

CHAT<br />

25

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