PROUD PHOTO BOOTH BY OLIVER RATH ... - Proud magazine
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Auch wenn wir in der Realität unsere<br />
Köpfe übereinander schütten würden,<br />
so sind wir hier Instant-Freunde,<br />
weil wir hier sind und hier hingehören<br />
und die Entscheidung der Einlassung<br />
mit dem Überqueren der gesetzfreien<br />
Zone geschehen ist.<br />
Bruderschaft und Schwesternschaft–<br />
eigentlich gibt es keine Unterschiede<br />
mehr zwischen Dir und mir. Junge und<br />
Mädchen. Wir sind frei, und irgendwann<br />
musst Du auch nicht mehr weggucken,<br />
wenn ich im Moos Pipi mache.<br />
Lieber erzählen wir uns währenddessen<br />
Gedichte, oder zumindest die Teile<br />
davon, an die wir uns noch erinnern<br />
können. Wir interpretieren Alles neu.<br />
Denken, wir hätten das Feuer erfunden,<br />
wenn wir mitten in der Nacht<br />
unsere funkelnden Augen im Feuerzeuglicht<br />
sehen.<br />
Wir üben das ultimative Glück und<br />
vergessen alles, was wir jemals gelernt<br />
haben. Wir rennen rückwärts durch<br />
den Wald und lieben so, als gäbe es<br />
kein Morgen mehr. Als gab es nie ein<br />
Gestern. Nur wer schon mal barfuß<br />
im Matsch getanzt und seine Seele<br />
wiedergefunden hat und erschöpft in<br />
die Sonne fällt zum trocknen, weiß,<br />
was uns verbindet. Begegnungen. Entscheidungen,<br />
die keine Kraft kosten.<br />
Loslassen. Leben.<br />
Realitätsfindung in der Parallelrealität.<br />
In der Natur eingesperrt, wird sich<br />
diese Realität gebaut, die uns zwischen<br />
all dem Leben in der Stadt fehlt.<br />
Eine Realität mit Gemeinschaft, in der<br />
man Fremde umarmt. Und ein debiles<br />
Grinsen beweist, dass wir gerade in<br />
einem besonderen Moment angekommen<br />
sind, ein Moment, der besonders<br />
lange dauert - so lange, bis das Zelt<br />
abgebaut wird, in dem gerade jemand<br />
schläft, den wir vorgestern noch nicht<br />
kannten.<br />
Wie lange können wir einfach die Zeit<br />
ignorieren, bevor wir zu ihr zurück<br />
müssen?<br />
Es ist egal, wann wir das letzte Mal<br />
geduscht haben, denn die bunte Farbe<br />
auf unseren Körpern riecht so schön<br />
nach Erdbeersekt. Der Glitzer ist noch<br />
von vorgestern oder war es vorvorgestern?<br />
Wir leben in einer Welt in der<br />
Zeit keine Rolle mehr spielt und wir<br />
nur die Rollen, die wir uns in diesem<br />
Moment ausgedacht haben.<br />
Lieber die Feder auf dem Kopf als Federkern<br />
im Rücken. Die Hängematte<br />
schaukelt uns den Weg in die Nacht,<br />
oder in den Morgen. Dann, wann<br />
wir wollen, und nicht dann, wenn es<br />
Schlafenszeit ist.<br />
Alltag kann man überall finden. Dafür<br />
braucht man kein Wasser, das sauber<br />
und gefiltert aus Wänden fließt. Viel<br />
lieber möchten wir den Wert des Wassers<br />
spüren, in dem es sich rar macht.<br />
Erfrischt, wenn es zu heiß wird, tröpfchenweise,<br />
sparsam.<br />
Wenn in den eigenen vier Wänden alles<br />
im Überfluss fließt, im Kühlschrank<br />
die Reste auf die Rückkehr warten, die<br />
Heizung uns falsche Jahreszeiten vorgaukelt<br />
- dann ist Verzicht ein echter<br />
Luxus. Mein Schlafsack fährt gerade<br />
mit meinem Auto davon. Wir sind frei.<br />
Realitätsverlust.<br />
All unsere Muster liegen noch im<br />
feuchten Rucksack. Wir sind einfach<br />
nur hier und im Jetzt und arrangieren<br />
uns mit der Umwelt oder sie sich mit<br />
uns. Wir verschwenden unsere Zeit<br />
sinnvoll.<br />
Alles, was wo anders zählt, ist hier nur<br />
einen Takt wert.<br />
Wir glauben nicht mehr an Zahlen.<br />
Alle Werte neu gemischt. Das Buffet<br />
der Emotionen neu arrangiert.<br />
Handy leer, Handy verloren, Herz voll,<br />
Herz verloren. Tausendfach.<br />
Scheißegal... dieses Lied ist gerade so<br />
wunderschön!<br />
Komm wir verstecken uns im Wald<br />
und tun so als wären wir unsichtbar.<br />
Und es funktioniert. Weil Alles, was<br />
wir uns wünschen funktioniert, zumindest<br />
hier.<br />
Ich finde mich in Dir wieder und mache<br />
eine Ausnahme, weil wir in einer<br />
Ausnahmesituation sind.<br />
Die Welt da draußen existiert schon<br />
gar nicht mehr. Heimweh oder Sehnsucht<br />
an Etwas wurde mit Freiheit getauscht.<br />
Wer braucht schon Spiegel, wenn<br />
wir uns auch so sehen können, wer<br />
braucht schon Spülmittel, Waschmittel,<br />
Bahnfahrkarten, Emails, Facebook,<br />
Öffnungszeiten oder Currywurst,<br />
wenn wir einfach Alles haben können?<br />
Oder lieber noch: Nichts.<br />
Wir verwöhnten Stadtkinder, denken,<br />
wir wären in der Natur. Eine Natur mit<br />
Lichteffekten, Dixie Klos und Bass der<br />
uns aufweckt.<br />
Aber immerhin berühren die nackten<br />
Füße den Boden. Uns kann nichts<br />
mehr stoppen, außer die Realität.<br />
All die Liebe und Freundlichkeit- zu<br />
Hause wartet das Alleine sein. Das<br />
Ankommen, runterkommen, wieder<br />
klarkommen. Können wir es schaffen,<br />
dieses Gefühl, irgendwie mit nach<br />
Haue zu nehmen. Wo sind dann die<br />
Anderen?<br />
Warum kann nicht alles so bleiben wie<br />
es ist?<br />
Das Gehirn neu programmiert. Die<br />
Zellen sind leergeschüttelt vom Lachen–<br />
Insiderwitze, die niemand anderes<br />
versteht, vielleicht sogar nicht mal<br />
mehr wir selbst, wenn wir wieder dort<br />
angekommen sind, wo im Briefkasten<br />
mit unserem echten Namen drauf,<br />
Rechnungen warten.<br />
Nur eines werden wir wirklich besser<br />
können wenn wir zurück sind: Schlafen.<br />
Träumen macht müde.<br />
Text: Anna-Zoe Schmidt<br />
22 SHOOT SHOOT<br />
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