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Oliver Stone: Platoon - Medienpädagogik TU Dresden - Technische ...

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<strong>Technische</strong> Universität <strong>Dresden</strong><br />

Fakultät Erziehungswissenschaften<br />

Hausarbeit in dem Filmseminar:<br />

Kinder, Krieg und Kino<br />

Seminarleiter: Prof. Dr. Ralf Vollbrecht<br />

SS 2005<br />

Christliche Assoziationen in <strong>Oliver</strong> <strong>Stone</strong>s<br />

<strong>Platoon</strong><br />

Eingereicht von:<br />

Sarah Grahl<br />

Matrikelnummer: 2937312<br />

HF Amerikanistik/ Erziehungswissenschaft 7. Semester<br />

Königsbrücker Str. 28<br />

01099 <strong>Dresden</strong><br />

Tel. 0351/ 5635884<br />

E-Mail: sarahgrahl@yahoo.com<br />

Mittwoch, 25. Januar 2006


1. Einleitung .......................................................................................................... 2<br />

2. Zusammenfassung des Inhalts von <strong>Platoon</strong>...................................................... 3<br />

3. Christliche Assoziationen in <strong>Platoon</strong>................................................................ 5<br />

3.1 An den Anfang gestelltes Bibelzitat in <strong>Platoon</strong>.............................................. 6<br />

3.2 Der Kampf zwischen Gut und Böse in <strong>Platoon</strong>........................................... 8<br />

3.2.1 Elias ..................................................................................................... 10<br />

3.2.2 Chris Taylor......................................................................................... 13<br />

3.2.3 Sgt. Barnes........................................................................................... 15<br />

4. Zusammenfassung - die Bedeutung Christlicher Assoziationen für den Film17<br />

5. Quellenangabe................................................................................................. 18


1. Einleitung<br />

<strong>Oliver</strong> <strong>Stone</strong>s Film <strong>Platoon</strong> ist in vielerlei Hinsicht außergewöhnlich. Bemerkenswert ist<br />

zunächst, dass <strong>Platoon</strong> der erste Kriegsfilm ist, in welchem ein Veteran Drehbuchautor und<br />

Regisseur zugleich war. Dadurch wird eine sehr besondere und zugleich persönliche<br />

Sichtweise auf den Krieg gegeben. <strong>Stone</strong> war als Soldat an dem Vietnamkrieg vom<br />

September 1967 bis zum November 1968 beteiligt. 1 Die im Krieg gewonnenen Erfahrungen<br />

waren sehr nachhaltig und ließen den Jungen aus gutem Hause reifen. Sie finden sich in<br />

<strong>Stone</strong>s Werken wieder, eben auch in <strong>Platoon</strong>. Vietnam hinterließ tiefe Spuren im Leben<br />

<strong>Oliver</strong> <strong>Stone</strong>s. Die Erfahrung ließ ihn erwachsen werden, in Vietnam fühlte er sich „mehr am<br />

Leben als je zuvor“. 2 <strong>Stone</strong> hat seine Erfahrungen als Soldat und Veteran in drei Filmen<br />

verarbeiten. <strong>Platoon</strong> war 1986 der erste, es folgten 1989 Born on the Fourth of July und<br />

Heaven and Earth 1993.<br />

Neben dem persönlichen Erleben des Kriegs durch den Regisseur und Drehbuchautor ist auch<br />

die unterschiedlich ausfallende Bewertung des Films durch Kritiker ein Aspekt, der <strong>Platoon</strong><br />

besonders erscheinen lässt. Während die einen <strong>Platoon</strong> klar als Antikriegsfilm einstuften,<br />

stuften andere ihn als Kriegsfilm ein. Es ist vielleicht gerade die sehr persönliche Erfahrung<br />

mit dem dargestellten Krieg, welche die Einordnung so schwierig macht. Deutlich wird in<br />

jedem Fall, dass der Film aufzeigt, wie gering der Unterschied zwischen einem Antikriegsfilm<br />

und Kriegsfilm sein kann und wie leicht auch Wahrnehmung des Gesehenen variieren<br />

können. Trotz der Muster, in denen <strong>Oliver</strong> <strong>Stone</strong> das Geschehen darstellt, ist durch seine<br />

persönliche Betroffenheit der Film im hohen Grad authentisch für das Geschehen selbst.<br />

Das Muster, das der Autor heranzieht und die Bewertung nicht gerade vereinfacht, ist der<br />

Gebrauch von christlichen Allegorien in <strong>Platoon</strong>. Sie finden sich im Film mehrfach.<br />

In dieser Hausarbeit sollen die erwähnten Aspekte des Films von Erfahrung und Deutung<br />

besprochen werde. Besonders die christlichen Assoziationen stehen im Vordergrund der<br />

Arbeit.<br />

1 Beaver, Frank. <strong>Oliver</strong> <strong>Stone</strong>. Wakeup Cinema. New York: Twayne, 1994. S. 83.<br />

2 Nicodemus, Katja. „Ich bin ein wandelnder Exzess. Interview mit <strong>Oliver</strong> <strong>Stone</strong>.“ Die Zeit. Feulliton.<br />

12.02.2004. Nr. 50. .<br />

2


2. Zusammenfassung des Inhalts von <strong>Platoon</strong> 3<br />

<strong>Platoon</strong> spielt 1967 in Vietnam an der kambodschanischen Grenze. Der aus der Mittelklasse<br />

stammende Soldat Chris Taylor (Charlie Sheen) kommt in Vietnam zusammen mit vielen<br />

anderen Neulingen an. Ihm ist die Situation in der militärischen Einheit (Engl: <strong>Platoon</strong>) sehr<br />

fremd. Die anderen Soldaten scheinen zum Großteil aus der schwarzen Unterschicht der USA<br />

zu stammen und sind erfahrener und routinierter im vietnamesischen Dschungel als der junge<br />

Taylor, der seine Sicht auf die Geschehnisse gewissermaßen zunächst als Außenstehender in<br />

der Form von Briefen an seine Großmutter weitergibt.<br />

Die Handlung spielt sich vor allem innerhalb der Einheit ab. Das äußere Bild ist bestimmt<br />

vom Grün des Dschungel. Es kommt im Laufe des Films zu diversen Kampfhandlungen, bei<br />

keiner wird der Feind deutlich sichtbar. Jede dieser Auseinandersetzungen hinterlässt innere<br />

Spuren bei den Soldaten der Einheit. Taylor und andere Soldaten entkommen dem tristen<br />

Soldatenleben während der Lageraufenthalte in „der Unterwelt,“ indem sie Drogen<br />

konsumieren und viel Musik hören.<br />

Innerhalb der Einheit kommt es zu Machtkämpfen zwischen Sg. Barnes (Tom Berenger) und<br />

Elias (William Dafoe). Nachdem die Einheit ein vietnamesisches Dorf überfallen und<br />

verwüstet hat, droht der Konflikt zu eskalieren. Die Einheit spaltet sich auf zwischen<br />

Unterstützern von Barnes, der mordete und die Verwüstung des Dorfes vorantrieb und von<br />

Elias, welcher droht, Sg. Barnes vor einem Kriegsgericht dafür zur Verantwortung ziehen zu<br />

wollen. Die Moral der Truppe sinkt. Taylor schreibt an seine Großmutter, es sei innerhalb<br />

Einheit Krieg ausgebrochen.<br />

Schließlich fällt Elias während eines Überfalls feindlicher Truppen zurück, Sg. Barnes gibt<br />

an, zurückzugehen, um nach dem verlorenen Kameraden zu suchen. Als er Elias tatsächlich<br />

findet, bringt er ihn jedoch nicht wie angegeben zurück, sondern er streckt ihn nieder. Chris<br />

stößt kurz darauf auf Barnes, der ihm versichert, Elias sei tot, es gäbe keine Möglichkeit der<br />

Rettung. Chris sieht seinem Vorgesetzten an, dass er die Unwahrheit gesagt hat und ist sich<br />

sicher, dass ein Mord stattgefunden hat. Er kann jedoch keine Beweise anführen und wagt es<br />

nicht, sich Barnes zu widersetzen. Als die Truppe mit einem Hubschrauber aus dem<br />

Dschungel zurück ins Lager geflogen wird, können die Soldaten plötzlich den verwundeten<br />

Elias aus der Luft beim Fliehen vor feindlichen Truppen beobachten. In einer der<br />

Kreuzigungsszene ähnelnden Pose stirbt Elias schließlich.<br />

3 <strong>Stone</strong>, <strong>Oliver</strong>. <strong>Platoon</strong>. MGM (Video and DVD). 2000.<br />

3


Nach einer letzten Kampfhandlung der Einheit liegt der Ort des Angriffs im Chaos. Es gibt<br />

kaum Überlebende. Chris gehört zu ihnen und findet den stark verwundeten Sg. Barnes am<br />

Boden liegen und erschießt ihn schließlich. Nach dem Kampf ist für Chris der Krieg beendet.<br />

Er fliegt in einem Hubschrauber aus dem Dschungel in die Heimat. Er resümiert<br />

währenddessen:<br />

“I think now, looking back, we did not fight the enemy, we<br />

fought ourselves and the enemy was in us. The war is over for me now,<br />

but it will always be there the rest of my days, as I am sure Elias will be<br />

fighting Barnes for what Rah called possession of my soul. There are<br />

times since I have felt like a child being born of these two fathers. Be<br />

that as it may. Those of us who did make it have an obligation to build<br />

again- to teach to others what we know. And to try with what’s left of<br />

our lives to find a goodness and a meaning to this life.” 4<br />

4 <strong>Stone</strong>. Ü. d. A.: „Ich denke jetzt, wenn ich zurückblicke, dass wir nicht den Feind, sondern uns selbst bekämpft<br />

haben. Der Feind war in uns. Für mich ist jetzt der Krieg zu Ende, aber er wird immer in mir bleiben, für den Rest<br />

meines Lebens, wie auch Barnes und Elias immer um das kämpfen werden, was Rah den Besitz meiner Seele<br />

nannte. Es gibt Zeiten, in denen ich mich als Kind dieser beiden Väter fühle. Wie dem auch sei. Diejenigen von<br />

uns, die es geschafft haben, haben die Pflicht, Neues zu schaffen, anderen das beizubringen, was wir wissen. Mit<br />

dem, was von unseren Leben übrig geblieben ist, müssen wir versuchen, etwas Gutes und Bedeutung zu finden.“<br />

4


3. Christliche Assoziationen in <strong>Platoon</strong><br />

Es gibt viele Filme mit einer “dualen Natur” 5 . Neben dem offensichtlichen Handlungsverlauf<br />

gibt es eine zweite Ebene, auf der Filme spielen können, ähnlich wie Handlungen in Büchern.<br />

Durch Symbole, Metaphern und Allegorien kann dem Zuschauer, so er diese entschlüsseln<br />

kann, eine derartige zweite Ebene eröffnet werden. Aus medienpädagogischer Sicht ist die<br />

Analyse dieser zweiten Ebene wichtig. Erst der Zugang zur Metaphorik erlaubt ein wirkliches<br />

Verständnis der Films. Der Einsatz von christlichen Elementen in Filmen kann auch für<br />

religionspädagogische Zwecke genutzt werden. 6<br />

Bei <strong>Platoon</strong> fällt der vermehrte Einsatz von christlicher Symbolik und von christlichen<br />

Allegorien auf. Beck hält das für keinen Zufall und verweist darauf, dass der Krieg für <strong>Stone</strong><br />

selbst eine religiöse Erfahrung gewesen sei. 7 Im folgenden erfolgt eine Analyse der<br />

eingesetzten metaphorischen Mittel. Im Vordergrund steht zum einen das Aufdecken der<br />

versteckten religiösen Elemente und zum anderen die Suche nach den Ursachen und den<br />

Wirkungen dieser. Wie Martin und Ostwalt Jr. im Vorwort ihres Buches Screening the<br />

Sacred. Religion, Myth, and Ideology in Popular American Film schreiben, bieten Filme<br />

heute eine Plattform für die religiöse Auseinandersetzung. Gerade deshalb, weil Filme als<br />

‘nur unterhaltend’ angesehen werden, stellen sie oft in Wirklichkeit einen wichtigen Schlüssel<br />

dar für gesellschaftliche Auseinandersetzung mit religiösen, mystischen und ideologischen<br />

Anliegen. “By looking critically at films, we can learn a good deal about religion in the<br />

United States.” 8 In der Einleitung des Buches schreibt Martin, Interpretationen von<br />

zeitgenössischen Filmen wie <strong>Platoon</strong> hälfen dabei, zu erkennen wie die Populärkultur, obwohl<br />

sie säkular wirke, sich doch weiterhin mit christlichen Ansprüchen, Symbolen und<br />

Erwartungen auseinander setze. 9<br />

Im Folgenden soll aufgedeckt werden, in welchem Ausmaß <strong>Platoon</strong> tatsächlich Beispiel für<br />

diesen anhaltenden Diskurs ist. Dass der Film offensichtlich Gebrauch von christlichen<br />

Assoziationen macht, wird schnell offensichtlich. Interessanter wird die Analyse bei der<br />

5 Kozlovic, Karl A. “Sacred Subtexts and Popular Film: A Brief Survey of Four Categories of Hidden Religious<br />

Figurations.” Journal of Contemporary Religion. 18.3. (2003) S. 317.<br />

6 Kozlovic. S. 318.<br />

7 Beck, Avent: “The Christian Allegorical Structure of <strong>Platoon</strong>.” Literature Film Quarterly 20.3. (1999) S. 213.<br />

8 Ostwalt, Conrad E. Jr. und Joel W. Martin (Hrsg). Screening the Sacred. Religion, Myth, and Ideology in<br />

Popular American Film. Boulder, San Francisco und Oxford: Westview Press, 1995. S. vii-viii. Ü.d.A.“ „Durch<br />

ein kritisches Betrachten von Filmen können wir eine Menge über Religion in den Vereinigten Staaten lernen.“<br />

9 Martin, Joel W: S. 8-9.<br />

5


Fragestellung, wie stark die Rolle der christlichen Assoziationen einzuschätzen sind und aus<br />

welchem Grund sie eingesetzt werden.<br />

3.1 An den Anfang gestelltes Bibelzitat in <strong>Platoon</strong><br />

Die Bedeutung der Bibel als metaphorischer Bestandteil in <strong>Platoon</strong> zeigt sich unter anderem<br />

darin, dass der Film mit einem Bibelzitat beginnt. Eine derart exponierte Stellung eines<br />

Zitates deutet notwendigerweise auf eine gewisse Wichtigkeit. Es wird der Beginn des Verses<br />

11:9 aus dem Buch Kohelet eingeblendet und vorgelesen: „Freu dich, junger Mann, in deiner<br />

Jugend“ 10 . Das Zitat wird an der Stelle beendet. Weiter würde es lauten:<br />

„sei heiteren Herzens in deinen frühen Jahren! Geh auf den Wegen, die<br />

dein Herz dir sagt, zu dem was deine Augen vor sich sehen. [Aber sei<br />

dir bewusst, dass Gott dich für all das vor Gericht ziehen wird.]“ 11<br />

Avent Beck sieht gerade hier „die Tiefe seiner [<strong>Stone</strong>s] ironischen Regie.“ 12 Er argumentiert,<br />

<strong>Stone</strong> hätte gerade die Stelle des Kohelet gewählt, in der zum ersten Mal vom Gericht<br />

gesprochen wird. Beck sieht darin einen Hinweis auf das moralisch Absolute, auf die<br />

Unterteilung in Gut und Böse. 13 Diese Interpretation des filmischen Mittels liegt daher nahe,<br />

weil die an den Anfang gesetzte Position des Zitats auf eine für den Film richtungsweisende<br />

Bedeutung schließen lässt. Das Zitieren des Anfangs eines Bibelzitates wird von <strong>Stone</strong><br />

sicherlich nicht zufällig gewählt worden sein. Auch ist es nicht anzunehmen, dass mit dem<br />

bloßen Anfang des Zitats die eigentliche Bedeutung erschöpft ist. Daher scheint die<br />

Interpretation berechtigt zu sein, dass es um das nicht gesagte, aber dennoch dazugehörende<br />

Aufmerksammachen auf ein vor Gott zu rechtfertigendes Gut und Böse geht. In dem Sinn ist<br />

das Zitat durchaus richtungsweisend für den gesamten Film.<br />

Interessant ist auch die Fortführung im Buch Kohelet “Halte deinen Sinn von Ärger frei, und<br />

schütz deinen Leib vor Krankheit; denn die Jugend und das dunkle Haar sind Windhauch.“ 14<br />

Auch in dem letzten Vers des Buches Kohelet wird wieder auf den eben zitierten Windhauch<br />

und die Vergänglichkeit hingewiesen, auf die Vergänglichkeit, die letztendlich zu dem<br />

Gericht Gottes führt. Durch die Betrachtung der sich dem zitierten Vers anschließenden<br />

Zeilen gewinnt das Zitat an vollkommen neuer Bedeutung. Das Genießen der Jugend wird in<br />

10<br />

Kohelet 11:9.<br />

11<br />

Kohelet 11:9.<br />

12<br />

Beck. 214: Ü.d.A. „the depths of his ironic direction.“<br />

13<br />

Beck. s. 214.<br />

14<br />

Kohelet 11:10.<br />

6


Bezug zu Alter und Vergänglichkeit gesetzt. Es wird betont, dass Jugend ebenso vergänglich<br />

ist wie ein Windhauch und dass der Weg nach dem Leben unmittelbar zu einem richtenden<br />

Gott führt. Durch das Gericht wird indirekt der Begriff der Verantwortung miteingeführt.<br />

So gewinnt das Zitat im Zusammenhang mit dem Film <strong>Platoon</strong> eine neue<br />

Bedeutungsdimension. Chris ist in seiner Jugend, kommt unschuldig und etwas naiv nach<br />

Vietnam. Das Zitat wirkt, als wäre es direkt an Chris gerichtet als Aufforderung, sich der<br />

eigenen Jugend zu freuen. Es schwingt jedoch auch mit, dass eben diese Jugend leicht wie ein<br />

Windhauch vergehen kann und dass es im Anschluss ein Gericht vor Gott gibt, vor dem die<br />

Handlungen der Jugend gerechtfertigt werden müssen. Vielleicht ist das Zitat gar ein direkter<br />

Appell an Chris, dessen Jugend bald vorbei sein wird und der so handeln soll, dass die<br />

Handlungen vor dem Gericht Gottes gerechtfertigt werden können.<br />

Zu bemerken sein an dieser Stelle, dass bibelkundige Zuschauer sich der Fortsetzung von<br />

Kohelet 11:9 durchaus bewusst geworden sein sollten. Gerade in den USA besteht ein sehr<br />

starkes Religionsbewusstsein. So ist es möglich, dass das mitschwingende Ende des Zitats<br />

von relativ vielen Zuschauern verstanden wurde. Selbst wenn das nicht der Fall ist, appelliert<br />

doch der ganze Film an das moralische Urteil des Zuschauers und entspricht damit in<br />

gewisser Weise dem vollständigen Bibelzitat.<br />

7


3.2 Der Kampf zwischen Gut und Böse in <strong>Platoon</strong><br />

Wie im vorherigen Kapitel angedeutet, spielt der Kampf zwischen Gut und Böse eine zentrale<br />

Rolle in dem Film <strong>Platoon</strong>. Dieser Kampf ist sowohl in Literatur als auch im Film keine<br />

Neuheit und geradezu ein Kennzeichen des Abenteuers. Die Geschichte braucht ein außer ihr<br />

selbst liegendes Deutungsmuster. Der Kampf durchzieht sowohl Werke Shakespeares als auch<br />

Star Wars, Lord of the Ring oder Harry Potter. So schreibt Donald Whaley in <strong>Oliver</strong> <strong>Stone</strong>’s<br />

Journey to Myth-Country: <strong>Platoon</strong> and the Cultural History of Adventure, <strong>Oliver</strong> <strong>Stone</strong>’s<br />

Film müsse in Beziehung mit der kulturellen Geschichte des Abenteuers gesetzt werden. 15 Er<br />

zitiert Paul Zweig, der sagt, der Ausgangsstoff von den Mythologien der Welt scheine zum<br />

Großteil aus gefahrvollen Reisen, Begegnungen mit nicht-menschlichen Monstern,<br />

Leidenswegen der Einsamkeit und des Hungerns und Fahrten in die Unterwelt<br />

zusammengesetzt zu sein. 16 In dem Zusammenhang wird unter anderem auch auf die<br />

christliche Geschichte hingewiesen, welche, genau wie auch andere Weltreligionen, in diesem<br />

Sinn selbst als eine Variante dieser klassischen Abenteurergeschichte gesehen werden kann.<br />

Whaley behauptet, dass <strong>Platoon</strong> ein filmisches Beispiel für die klassische<br />

Abenteurergeschichte ist, die stets eine Vielzahl an Referenzen zu anderen Texten bietet.<br />

Allen Geschichten ist dabei gemein, dass sich der Abenteurer im Kampf zwischen Gut und<br />

Böse befindet. Das christliche Bedeutungsmuster ist dabei nur eine, wenn auch gleich eine<br />

sehr offensichtliche, Referenz. Außerdem gibt es den Hinweis auf die Unterwelt. Whaley<br />

sieht sogar eine Parallele zwischen den Filmcharakter Elias und Hector der griechischen<br />

Mythologie. Auch Parallelen zu Moby Dick werden auf Grund des Vergleichs von Barnes<br />

und Kapitän Ahab in mehreren Quellen gezogen. Wie dem auch sei, in <strong>Platoon</strong> kann ganz klar<br />

der klassische Kampf zwischen Gut und Böse aufgezeigt werden, er ist das zentrale Element<br />

in der Geschichte.<br />

Entgegen den eventuellen Erwartungen aber findet dieser Kampf in dem Kriegsfilm <strong>Platoon</strong><br />

nicht zwischen den unterschiedlichen Kriegsparteien statt, sondern innerhalb der portraitierten<br />

Einheit. Die Hauptcharaktere des Films, welche alle in der selben Einheit kämpfen, nehmen<br />

ihre Rollen in diesem Kampf ein.<br />

15 Whaley, Donald: „<strong>Oliver</strong> <strong>Stone</strong>’s Journey to Myth-Country: <strong>Platoon</strong> and the Cultural History of Adventure.”<br />

In: Kunz, Don (Hrsg.): The Films of <strong>Oliver</strong> <strong>Stone</strong>. Filmmakers, No. 55. Lanham, Md, and London: The<br />

Scarecrow Press, 1997. S. 113.<br />

16 Ebenda.<br />

8


In dem bereits zitierten Schlussmonolog 17 spricht der Hauptcharakter Taylor von einem<br />

Kampf, den Barnes und Elias um den Besitz seiner Seele ausgetragen hätten. Zuvor hatte<br />

Chris bereits festgestellt, es sei ein Bürgerkrieg in der Einheit ausgebrochen, die Hälfte der<br />

Männer seien auf der Seite von Elias, die anderen auf der Seite von Barnes. 18<br />

Im folgenden soll anhand einer Analyse der drei Hauptcharaktere unter dem besonderen<br />

Gesichtspunkt christlicher Assoziationen gezeigt werden, dass sich hinter eben diesem Kampf<br />

zwischen Barnes und Elias der klassische, durch das Anfangszitat angedeutete Kampf<br />

zwischen Gut und Böse verbirgt. Chris nimmt dabei eine Art Zwischenrolle ein, spielt die<br />

Rolle des zwischen Gut und Böse hin und her Gerissenen. Christliche Allegorien spielen<br />

dabei eine zentrale Rolle, auch wenn sie nicht überstrapaziert werden sollten.<br />

17 Vgl: Kapitel 2.<br />

18 <strong>Stone</strong>.<br />

9


3.2.1 Elias<br />

Bei der Figur des Elias lässt die Namenswahl auf Bibelparallelen schließen. Beck<br />

argumentiert, <strong>Stone</strong> bediene sich voll dieser Entsprechung. 19 Elia symbolisiert das Gesetz<br />

(Tora) und die Propheten. 20 Elia gilt in der jüdischen Tradition als Vorläufer des Messias 21<br />

und in der jüdischen Folklore als Gottesgesandter auf Erden 22 , indem er als unerkannter<br />

Himmelsbote agiert. Außerdem ist bei den Filmzitaten auch die Eliasgeschichte selbst zu<br />

bedenken, 23 in der er dem gewalttätigen und ungerechten König Ahab gegenüber steht. 24 Im<br />

Konflikt zwischen Elias und Ahab geht es um die Frage nach der wahren und guten Gottheit.<br />

Mit anderen Worten, sie kämpfen darum, was gut und was böse ist. In <strong>Platoon</strong> nimmt Elias<br />

klar die Rolle des Guten ein, der gegen Barnes, den brutalen Kapitän Ahab des Films steht.<br />

Die Figur des Elias in <strong>Platoon</strong> lässt jedoch auch auf eine weitere Bibelparallele schließen.<br />

Elias stirbt durch feindliches Feuer im vietnamesischen Dschungel, nachdem Barnes ihn<br />

bereits angeschossen hatte. Dabei nimmt Elias eine Pose ein, die mit weit dem Himmel<br />

ausgestreckten Armen an die Jesusfigur erinnern lässt. Dieses christusähnliche Bild des<br />

sterbenden Elias wurde von vielen Kritikern des Films als unnötig oder gar anstößig<br />

empfunden. 25 Es führt zu einer direkten Assoziation zwischen Elias und Christus. Eine<br />

Assoziation, die auch Verstimmungen auslöste. Wie Kozlovic feststellt, erfolgt in <strong>Platoon</strong><br />

auch ein namentlicher Bezug zwischen „Elias“ und Jesus. Zu Begin des Films sagt Sgt. O’<br />

Neill (John C. McGinley) über Elias: “Guy’s in here three years and he thinks he’s Jesus<br />

fucking Christ or something”. Außerdem sagt Barnes über Elias, er sei wie die Politiker in<br />

Washington, ein „Waterwalker“. Er kritisiert mangelnden Mut und zu starkes Bedürfnis nach<br />

Gerechtigkeit vonseiten Elias. 26 „Waterwalker“ ist die Anspielung auf die<br />

Wasserüberquerung von Jesus. In „Jesus Christ Superstar“ wird Jesus damit verspottet: „Geh<br />

doch übern Swimmingpool!“. Gemeint ist der Mensch, der sich zum Wundertäter und<br />

Gerechten aufspielt und doch nur ein Träumer ist. Beck argumentiert zudem, der<br />

Handlungsverlauf zeige Anspielungen der Christusgeschichte in chronologisch richtiger<br />

Reihenfolge. Diese seien jedoch zwischen den Figuren von Elias und Chris aufgeteilt. 27<br />

19<br />

Beck. S. 214.<br />

20<br />

Vgl. Matt 17:1ff.<br />

21<br />

Vgl. Matt. 17:9ff.<br />

22<br />

Ausubel, Nathan (Hrsg.). A Treasury of Jewish Folklore. Stories, traditions, legends, humor, wisdom and folk<br />

songs of the Jewish people. New York: Bantam Books, 1989. S. 193 u.ö.<br />

23<br />

Vgl. 1 Könige 17 ff.<br />

24<br />

Moby Dick nimmt ebenfalls Bezug auf diese Geschichte.<br />

25<br />

Beaver. S. 92.<br />

26<br />

<strong>Stone</strong>.<br />

27<br />

Beck. S. 214 ff.<br />

10


Während zunächst Elias die Rolle des Christus übernehme, so sei es die Aufgabe von Chris<br />

diese nach dem kreuzigungsähnlichen Ableben von Elias weiterzuführen, ähnlich der<br />

christlichen Nachfolge.<br />

Dadurch erfülle Elias gewisserweise zusätzlich auch die Rolle von Johannes dem Täufer. 28<br />

Johannes der Täufer als der Vorläufer Jesu, wurde im Neuen Testament auch mit Elia<br />

verglichen. Anzumerken ist, dass Beck den gesamten Inhalt des Films sehr an die<br />

Christusgeschichte anlehnt, vielleicht zu sehr.<br />

Offensichtlich ist in diesem Zusammenhang jedoch, dass Chris sich von dem zwischen Barnes<br />

und Elias hin - und her gerissenem etwas naiven jungen Mann am Anfang des Filmes zu<br />

einem Freund und Unterstützer von Elias entwickelt. Er bezieht klar Stellung, tötet am Ende<br />

gar Barnes. Er übernimmt tatsächlich den Teil des guten Soldaten in dem Film, den Teil, den<br />

Elias zuvor eingenommen hatte. Auf die Rolle von Chris soll im folgenden Kapitel<br />

ausführlicher eingegangen werden. An dieser Stelle sei angemerkt, dass sich mit dem Tod von<br />

Elias tatsächlich eine gewisse Rollenverschiebung ergibt.<br />

Ein weiterer Hinweis auf die Rollenübernahme oder zumindest Rollenähnlichkeit sowohl auf<br />

den Glauben von Elias findet sich in einem Dialog zwischen Chris und Elias. 29 Der jüngere<br />

Soldat fragt den älteren nach seinen Ansichten bezüglich Reincarnation und erhält folgende<br />

Antwort:<br />

“Sure, goes on all the time. Maybe a piece of me's in you now, who<br />

knows. But when you die - really die - that's a big return ticket I like to<br />

think I'm gonna come back as ... as wind or fire - or a deer... yeah, a<br />

deer ...”. 30<br />

Elias sagt nicht nur, dass vielleicht ein Teil von ihm in Chris ist, er bezeichnet außerdem den<br />

Tod als Fahrkarte nach Hause. Zudem will er wieder zurück auf die Erde kehren. Er gibt drei<br />

Erscheinungsformen, in denen er wiederkehren will an. Die ersten zwei, Wind und Feuer, sind<br />

Formen in denen sich Gott offenbart hat. Die dritte Form, für die er sich schließlich<br />

entscheidet ist die eines Hirsches. Ein Hirsch spielt in der buddhistischen Religion eine Rolle.<br />

An Bedeutung gewinnt diese Szene besonders dadurch, dass bald darauf und kurz vor dem<br />

28 Vgl. Beck und Kozlovic.<br />

29 Auf den Dialog bezieht sich Beck. In dem mir zur Verfügung stehenden Online Script<br />

(http://www.imsdb.com/scripts/<strong>Platoon</strong>.html) zu <strong>Platoon</strong> ist er ebenfalls enthalten. In der von mir gesehenen<br />

DVD Version des Films und in der Fernsehvariante des Films lässt sich dieser Dialog jedoch nicht wiederfinden.<br />

Das Reh, auf welches angespielt wird ist jedoch in beiden Versionen vorhanden. Laut Kargan (Seite 90) wurden<br />

während des Schnittes ca. 15% des Materials gekürzt, vermutlich war auch diese Szene von den Kürzungen<br />

betroffen.<br />

30 <strong>Stone</strong>. Ü.d.A. „Klar. Das passiert ständig. Vielleicht ist ein Teil von mir jetzt in dir, wer weiß. Aber wenn du<br />

stirbst- wirklich stirbst- dass ist dann die große Rückfahrtkarte. Ich denke gerne, wenn ich mal zurückkomme,<br />

dann als ... Feuer oder Wind - oder ein Hirsch... ja, ein Hirsch...“<br />

11


Tod von Elias tatsächlich ein Hirsch gezeigt wird. Das Bild des Hirsches scheint fremdartig in<br />

dem Film und hat für die Erzählebene des Filmes keine weitere Bedeutung. Im<br />

Zusammenhang mit dem gegebenen Zitat kann der Hirsch jedoch als Vorzeichen für beides,<br />

den kommenden Tod von Elias aber auch die kommende Wiederauferstehung von Elias<br />

gewertet werden.<br />

12


3.2.2 Chris Taylor<br />

Der Name Chris lässt leicht Schlüsse auf den Charakter zu. Chris steht gewöhnlich für den<br />

Namen „Christopher“ oder für den Namen „Christian“. In beiden Fällen ist eine christliche<br />

Referenz gegeben.<br />

Wie bereits in Abschnitt 3.2.1 erläutert, übernimmt Chris eine sehr spezielle Rolle in dem<br />

Film ein. Während er zunächst zwischen Barnes und Elias steht, kristallisiert sich bald heraus,<br />

dass Chris sich auf die Seite von Elias schlägt. Es entwickelt sich eine Freundschaft zwischen<br />

den beiden, mit dem Ableben von Elias übernimmt Chris die Rolle des Guten für Elias. Wie<br />

bereits angedeutet, sieht Beck in dieser Rolle die Rolle Jesu. Auf der Ebene der<br />

Namensgebung würde diese Verbindung von „Chris-as-Christ“ 31 aufgehen.<br />

Es wird von Beck weiter argumentiert, Chris wüchse langsam in die Rolle des Jesu hinein,<br />

indem er verschiedene Stufen durchlaufe, angefangen mit der Stufe Adams. Das ist eine<br />

bestimmte Sicht der Entwicklung der Menschheit von Adam als „Bild Gottes“ in das<br />

„Ebenbild Gottes“ in Christus als Christ.<br />

Neben den bereits angegebenen Hinweisen auf ein Weiterwirken von Chris im Sinne des Elias<br />

sind auch andere Anspielungen darauf im Film zu finden. In der bereits zitierten Szene 32 , in<br />

der Chris und Elias über Wiedergeburt sprechen, kommt die Sprache auch darauf, ob Elias an<br />

den Krieg glaubt. Elias erzählt Chris dabei, er glaube nicht an den Krieg. Das einzig sinnvolle,<br />

was seiner Meinung nach aus dem Krieg entstehen könne, seien Männer wie Chris, die<br />

wissen, was Töten und der Krieg aus der Seele eines Menschen machen können. Er sagt, die<br />

Überlebenden würden das Töten ihr Leben lang bekämpfen, weil die Toten es sie nicht<br />

vergessen ließen. 33 In dem bereits zitierten Schlusszitat sagt Taylor, der Krieg würde für ihn<br />

immer existieren und dass er die Pflicht habe, Neues zu schaffen und anderen sein im Krieg<br />

erlangtes Wissen zu übermitteln. 34 Im Grunde übernimmt Chris so genau die Aufgabe, die<br />

Elias ihm aufträgt oder nahe legt.<br />

Ein Argument, was gegen die Gleichsetzung von Chris als Jesus oder Nachfolger Jesu spricht,<br />

ist das durch Chris verübte Töten von Barnes. Ein tötender Jesus erscheint zuhöchst<br />

blasphemisch, ein tötender Christ zumindest problematisch, wie das gerade angeführte Zitat<br />

zeigt. Hier wird die Argumentation von Beck schlüssig, wenn man die Rolle betrachtet, die<br />

31<br />

Beck. S. 214.<br />

32<br />

Siehe Fußnote 29, diese Szene wurde offensichtlich auch aus der Endfassung heraus genommen.<br />

33<br />

<strong>Stone</strong>.<br />

34<br />

Vgl. Kapitel 2.<br />

13


Barnes zugeschrieben wird. 35 In der Interpretation von Beck tötet Chris, der metaphorische<br />

Jesus, nicht nur den bösen Ahab, sondern den Teufel persönlich. Beck zitiert die Offenbarung<br />

19:20. Chris fungiert so als „Wort Gottes“ und besiegt das Böse. Diese Interpretation mag<br />

jedoch etwas überzogen sein. Klar ist jedoch, dass Chris als Guter über das Böse, in Form von<br />

Barnes siegt. Es ist auch offensichtlich, dass Chris dabei die Rolle von Elias übernimmt, er<br />

wird zum guten Soldaten, der gegen das Böse innerhalb der Einheit kämpft, eine der<br />

amerikanischen Diskussion von 1968 entsprechende und provozierende Aussage.<br />

Kagan stellt über die Rolle von Chris zum Ende des Films fest, dass Chris im Großen und<br />

Ganzen isoliert bleibt. In seinem Schlussmonolog spricht er nicht von seinen eigenen Taten,<br />

sondern nur von seinem Bewusstsein über das Gute und das Böse in sich. 36<br />

35<br />

Mehr zu der Deutung der Figur Barnes erfolgt im sich anschließenden Kapitel.<br />

36<br />

Kagan, Norman. The Cinema of <strong>Oliver</strong> <strong>Stone</strong>. New York: Continuum, 1995.<br />

S. 106.<br />

14


3.2.3 Sgt. Barnes<br />

Der Name von Sgt. Barnes lässt selbst nicht auf Parallelen in der Bibel schließen. Aber im<br />

Film wird Barnes an einer Stelle Kapitän Ahab genant. Die Namenszuschreibung geschieht<br />

durch Chris, der sich auf den Überfall auf das vietnamesische Dorf bezieht. Vor dem Überfall<br />

hat die Einheit einen durch die Feinde ermordeten Kameraden gefunden. Im Moment der<br />

ersten Rache schienen Barnes Vorgehensweise als angemessen. Kurz vor dem Überfall sagt<br />

Chris, dass die Einheit durch Barnes, ihren Kapitän Ahab, Rache finden konnte. Er sagt, an<br />

dem Tag liebte die Einheit Barnes. Aber die Rolle von Barnes als geliebten Rächer der<br />

Einheit hält nicht lange an. So wie Ahab als König von Israel zunächst durchaus eine positive<br />

Figur ist, dann aber seine Glaubwürdigkeit verliert.<br />

In vielen Interpretationen wurde die Parallele zu Kapitän Ahab aus Moby Dick in diesem<br />

Zusammenhang gezogen. 37 Dieses liegt alleine aus Gründen der Bezeichnung nahe, es ist<br />

schließlich explizit die Rede von Kapitän Ahab. Wie dem auch sei, Ahab ist auch ein<br />

biblischer Name. Beck argumentiert,<br />

„the reference to Melville’s nihilistic hero is misleading. Barnes<br />

allegorical pedigree is only somewhat similar to Ahab’s. Behind both<br />

characters lie aspects of Elijah’s Baal-supportive opponent, King<br />

Ahab, but Barnes’s more vivid ancestor, as we shall see, is the beast in<br />

Revelation 13. Barnes is revealed as evil-incarnate, the appropriate<br />

opponent for Christian savior-heroes, Elias and Chris.“ 38<br />

Die hier gezogene Parallele zwischen Barnes und dem Teufel selbst erscheint doch etwas<br />

überzogen. Die Verbindung zu König Ahab des Alten Testaments aber scheint durchaus<br />

sinnvoll, nicht zuletzt da Ahab und Elia sich in 1 Könige 18 direkt gegenüber stehen wie im<br />

Film und darum streiten, wer mit der göttlichen Macht in Verbindung steht, sofern man das<br />

göttliche als Chiffre für das Gute nimmt. Für den Ahab der Bibel ist es Baal; - nach der<br />

biblischen Wertung aber ist es nichts anderes als Götzendienst; - Baal steht für das Böse.<br />

37 Vgl. Keller, James R. “Discretion and Valor: Prince Hal’s <strong>Platoon</strong>.” Literature Film Quarterly. 33.2. 110-117.<br />

38 Beck. S. 214. Ü.d.A. „Der Verweis auf Melville’s nihilistischem Helden ist irreführend. Barnes’s<br />

allegorischer Typus hat nur etwas Ähnlichkeit mit Ahab. Beide Charaktere beinhalten Aspekte von Elias<br />

Gegenspieler, dem Baalverehrenden König Ahab. Aber Barnes deutlichstes Vorbild, wie wir sehen werden, ist<br />

das Ungetier aus Offenbarung 13. Barnes wird als teuflische Wiedergeburt der entsprechende Gegenspieler für<br />

die christlichen Erlösungshelden Elias und Chris.“ Das Monster in Offb 13 hat seine Macht vom Drachen (dem<br />

Bösen) bekommen. Der Ahab der Bibel aber dient dem „Baal“, dem Götzen. Mir ist darum nicht klar, was Beck<br />

meint. Vielleicht gibt folgendes Sinn: In Moby Dick kämpft Ahab gegen das Monster, weil es zu seinem Beruf<br />

gehört (in <strong>Platoon</strong> das Soldatsein). Das Monster der Gewalt schließlich bringt ihn selbst um. Die versteckte<br />

Botschaft des Filmes wäre dann die: Auf der Seite der „Guten“ (USA entsprechend Israel) kämpft jemand, der<br />

das Böse verkörpert.<br />

15


Fest steht, dass Barnes eine böse Figur im Film macht. Er ist bereits lange Soldat, hat ein sehr<br />

raues Aussehen, ein vernarbtes Gesicht und wurde siebenmal verwundet ohne zu sterben. Die<br />

Soldaten der Einheit kommen zu dem Schluss: “Barnes ain't meant to die. Only thing can get<br />

Barnes ... is Barnes!” Barnes sei nicht dazu bestimmt zu sterben. Abgesehen von Barnes<br />

selbst kann ihn nichts töten. Außerdem kehrte Barnes immer wieder zurück in den Krieg.<br />

Somit wird Barnes zum Unbesiegbaren und Bösen des Films. Es wird kein Grund dafür<br />

angegeben, warum Barnes seinen bösen Charakter hat. Barnes taucht auf und ist böse, es<br />

werden keine Abstufungen gemacht, es gibt keine Erklärungsmuster für das Verhalten und<br />

den Charakter von Barnes. Er ist schlichtweg im Film vorhanden und erfüllt ohne<br />

Einschränkung die Rolle des Bösen. Die Anspielung auf Kapitän Ahab verdeutlicht das, sei es<br />

nun durch Anspielung auf Moby Dick oder als Anspielung auf die Bibel. Beides lässt sich<br />

nicht miteinander harmonisieren, gibt aber dennoch Sinn, weil Anspielungen etwas anderes<br />

sind als direkte Identifikationen.<br />

16


4. Zusammenfassung - die Bedeutung Christlicher<br />

Assoziationen für den Film<br />

Nicht nur das Anfangszitat, sondern auch die Namensgebungen und gewisse Teile der<br />

Handlungen weisen auf einen bewussten Einsatz von biblischen Referenzen in <strong>Platoon</strong> hin.<br />

Diese sind auffällig genug, um einen Stellenwert einzunehmen, der in Interpretationen nicht<br />

ignoriert werden sollte.<br />

Bei alldem bleibt <strong>Platoon</strong> ein Film über den Vietnamkrieg. Der Fakt, dass die Teilnahme an<br />

dem Krieg für <strong>Stone</strong> persönlich eine erhebliche Rolle gespielt hat, darf nicht vergessen<br />

werden. Der Krieg war für ihn auch eine religiöse Erfahrung. Einen gewissen Grad an<br />

Religiosität bringt <strong>Stone</strong> auch in seinen Film ein.<br />

Zu bedenken ist auch, dass das Selbstverständnis der USA im Vietnamkrieg eng mit dem<br />

Muster „Gut – Böse“ verbunden ist, und zwar auf dem Hintergrund christlicher Werte. Die<br />

Ablehnung des Kommunismus und die Betonung der Freiheit mit ihrer moralischen<br />

Verpflichtung beruht auf sich als christlich verstehendem Wertverständnis. Diesem Anspruch<br />

und dieser Forderung musste sich der Vietnamsoldat stellen - und begann ihn auch zu<br />

bezweifeln und zu relativieren.<br />

Ich halte es für problematisch, die Interpretation von <strong>Platoon</strong> in dem Sinn zu eng an<br />

Christliche Metaphoriken und Symboliken anzuhängen, wie Beck, der in dem Film eine<br />

Umsetzung der biblischen Geschichte von Adam und dem Paradies bis zur Apokalypse sieht.<br />

Nichtsdestotrotz haben die christlichen Assoziationen unmittelbare Bedeutung für den Film.<br />

Sie helfen zum Beispiel die Linie zwischen Gut und Böse klar abzutrennen und noch<br />

absoluter zu machen. Und sie machen durch ihren Rückbezug auf die Begründung des<br />

Krieges und dessen ideologischen Hintergrund unmissverständlich deutlich: Die Grenze von<br />

Böse und Gut ist nicht identisch mit Frontlinie, vollkommen unabhängig davon, wie der im<br />

Film unsichtbare Gegner zu bewerten ist. Und so gesehen ist der Film sicher ein<br />

Antikriegsfilm.<br />

17


5. Quellenangabe<br />

Ausubel, Nathan (Hrsg.). A Treasury of Jewish Folklore. Stories, traditions, legends, humor,<br />

wisdom and folk songs of the Jewish people. New York: Bantam Books, 1989.<br />

Beaver, Frank. <strong>Oliver</strong> <strong>Stone</strong>. Wakeup Cinema. New York: Twayne, 1994.<br />

Beck, Avent: “The Christian Allegorical Structure of <strong>Platoon</strong>.” Literature Film Quarterly<br />

20.3. (1999) S. 214-222.<br />

Kagan, Norman. The Cinema of <strong>Oliver</strong> <strong>Stone</strong>. New York: Continuum, 1995.<br />

Keller, James R. “Discretion and Valor: Prince Hal’s <strong>Platoon</strong>.” Literature Film Quarterly.<br />

33.2. 110-117.<br />

Kozlovic, Karl A. “Sacred Subtexts and Popular Film: A Brief Survey of Four Categories of<br />

Hidden Religious Figurations.” Journal of Contemporary Religion. 18.3. (2003) S. 317-334.<br />

Laymon, Charles M. (Hrsg.). The Interpreter’s One-Volume Commentary on the Bible.<br />

Including the Apocrypha, with General Articles. Nashville: Abingdon Press, 1971.<br />

Nicodemus, Katja. „Ich bin ein wandelnder Exzess. Interview mit <strong>Oliver</strong> <strong>Stone</strong>.“ Die Zeit.<br />

Feulliton. 12.02.2004. Nr. 50. <br />

Ostwalt, Conrad E. Jr. und Joel W. Martin (Hrsg). Screening the Sacred. Religion, Myth, and<br />

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1995.<br />

Reicke Bo und Leonhard Rost (Hrsg.). Biblisch - historisches Handwörterbuch. Göttingen:<br />

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<strong>Stone</strong>, <strong>Oliver</strong>. <strong>Platoon</strong>. MGM (Video and DVD). 2000.<br />

Whaley, Donald: „<strong>Oliver</strong> <strong>Stone</strong>’s Journey to Myth-Country: <strong>Platoon</strong> and the Cultural History<br />

of Adventure.” In: Kunz, Don (Hrsg.): The Films of <strong>Oliver</strong> <strong>Stone</strong>. Filmmakers, No. 55.<br />

Lanham, Md, and London: The Scarecrow Press, 1997. S. 113-123.<br />

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