Magazin 01/2004 - Deutsche Bunsengesellschaft für Physikalische ...
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1/<strong>2004</strong><br />
BBPCAX 1<strong>01</strong> (8) 1083-1196 (1998)<br />
ISSN 1611 – 9479<br />
No. 1 – Januar <strong>2004</strong><br />
BUNSENMAGAZIN<br />
� Leitartikel<br />
Der GDCh-Präsident zum neuen Jahr<br />
S. 1<br />
� Aspekte<br />
Nobelpreis <strong>für</strong> Chemie 2003:<br />
Eine Auszeichnung <strong>für</strong> „Kanalarbeiter“<br />
S. 3<br />
<strong>Physikalische</strong> Chemie mit<br />
Synchrotronstrahlung S. 11
Henning Hopf<br />
Während ich diese Neujahrswünsche schreibe, geht das Jahr der<br />
Chemie in seine Abschlussphase, ein Jahr, in dem wir alle viel <strong>für</strong> das<br />
Ansehen und die Darstellung der Chemie in der Öffentlichkeit getan<br />
haben: unsere Mitglieder in Industrie und Hochschule genauso wie<br />
Jungchemiker und Studierende, wie die Mitarbeiter in der Geschäftsstelle<br />
und viele andere Helfer. Bei der Bunsen-Gesellschaft mit ihrer<br />
aktuellen Wochenschau – und auch bei unseren übrigen Partnern VCI,<br />
BAVC, IG BCE, VAA, Dechema, BG Chemie sowie dem BMBF und<br />
Wissenschaft im Dialog – bedanke ich mich ganz herzlich. Wohl selten<br />
haben wir so viele Menschen aller Alterstufen und jeglichen Bildungsstands<br />
erreicht, vom Kindergarten und der Grundschule bis zu<br />
dem sprichwörtlichen Menschen auf der Straße.<br />
Wenn wir es schaffen, nur einen Teil dieses neuen Interesses, das<br />
man auf vielen Veranstaltungen spüren konnte, ins nächste und die<br />
folgenden Jahre zu retten, ist viel <strong>für</strong> die Wertschätzung der Chemie<br />
und die Verbreitung naturwissenschaftlicher Erkenntnisse getan. Gerade<br />
dass es eine Gemeinschaftsleistung war, halte ich <strong>für</strong> wichtig –<br />
und ich hoffe, dass es nicht die letzte war.<br />
Von der Identifikation mit dem eigenen Beruf könnten nicht zuletzt<br />
auch wissenschaftliche Gesellschaften wie die Bunsen-Gesellschaft<br />
und die GDCh profitieren. Allerdings greift die Idee, dass man sich<br />
nach dem Vordiplom einer wissenschaftlichen Gesellschaft wie einer<br />
Zunft anschloss, offenbar nicht mehr so wie früher, und ältere Mitglieder<br />
verlassen uns, wenn sie aus dem Berufsleben ausscheiden.<br />
Beides ist schade, denn die Gesellschaften bieten mit ihren zahlreichen<br />
Fachgruppen, Tagungen, anderen Programmen und Publikationen<br />
wirklich sehr viel. Und seine Erfahrungen ganz ohne Gegenleistung<br />
einer wissenschaftlichen Gesellschaft zur Verfügung zu stellen,<br />
kann – da<strong>für</strong> hat gerade das Jahr der Chemie viele Beispiele geliefert<br />
– gleichfalls sehr befriedigend sein.<br />
Die intensive und fruchtbare Zusammenarbeit wissenschaftlicher<br />
Gesellschaften wie der Bunsen-Gesellschaft und der GDCh ist auch<br />
wichtig bei der Durchsetzung unserer bildungspolitischen Ziele. Wir<br />
müssen endlich in diesem Land von den Lippenbekenntnissen und<br />
Sonntagsreden weg („In einem ressourcenarmen Land sind unsere<br />
Köpfe unsere Zukunft“ – und das war es dann) und hin zu massiven<br />
Investitionen im Bildungsbereich: Wir brauchen bessere Schulen und<br />
neue Institute, denn die Investitionen der Gründungswelle vor 30 Jahren<br />
verblassen, neue Geräte, neues und mehr wissenschaftliches und<br />
technisches Personal. Eine Juniorprofessur wird in der Sackgasse enden,<br />
wenn sie nicht adäquat mit ausreichenden Mitteln und einer Berufsperspektive<br />
ausgestattet ist, die eine einigermaßen verlässliche<br />
Der GDCh-Präsident zum neuen Jahr<br />
Planung erlaubt. Dass die DFG Anträge als hervorragend einstuft, sie<br />
aber aus Geldmangel nicht fördern kann, ist ein Skandal, der mehr<br />
über den Wissenschaftsstandort Deutschland aussagt als viele Politikerreden.<br />
Kurz: Durch Herumschieben durchgesessener alter Möbel („kostenneutrale<br />
Finanzierung“) schafft man keine neue Einrichtung. Das<br />
derzeitige konzeptlose Sparen („Stellen, die frei sind, werden gestrichen“)<br />
zerstört unsere Grundlagen. Das Gleiche gilt <strong>für</strong> neue Studiengänge<br />
und die Bachelor- und Masterausbildung: Wir haben z.? B.<br />
bei der weltweit bekannten guten hiesigen Chemieausbildung eine<br />
Chance wie nie zuvor, talentierte ausländische Studenten zu gewinnen<br />
– die besten kommen aber nur, wenn es ein entsprechendes Stipendienprogramm<br />
gibt.<br />
Die GDCh als Organisation der Wissenschaft, deren Basis die Veränderung<br />
ist, hat sich immer bemüht, ein kompetenter und aufgeschlossener<br />
Gesprächspartner zu sein und wird das auch in Zukunft<br />
sein, gerade wenn es um Strukturverbesserungen in der Ausbildung<br />
und die Suche nach neuen Finanzierungsmodellen geht. Als starke<br />
Gemeinschaft engagierter Mitglieder erreichen und in enger Kooperation<br />
mit unserer Schwester Bunsen-Gesellschaft wir unsere Ziele am<br />
wirkungsvollsten.<br />
Ich wünsche den Mitgliedern der Bunsen-Gesellschaft ein gesundes<br />
und erfolgreiches neues Jahr!<br />
Professor Henning Hopf<br />
LEITARTIKEL<br />
Präsident der Gesellschaft <strong>Deutsche</strong>r Chemiker, Frankfurt<br />
1
INHALTSVERZEICHNIS<br />
LEITARTIKEL<br />
ASPEKTE<br />
TAGUNGEN<br />
LESERBRIEFE<br />
NACHRICHTEN<br />
ZEITSCHRIFT FÜR<br />
PHYSIKALISCHE CHEMIE<br />
PCCP<br />
Zum Titelbild:<br />
BUNSEN-MAGAZIN · 6. JAHRGANG · 1/<strong>2004</strong><br />
Henning Hopf<br />
Der GDCH-Präsident zum neuen Jahr 1<br />
Thomas Friedrich<br />
Nobelpreis <strong>für</strong> Chemie 2003 an Peter Agre und<br />
Roderick MacKinnon – eine Auszeichnung <strong>für</strong> „Kanalarbeiter“ 3<br />
Eckart Rühl und Helmut Bertagnolli<br />
<strong>Physikalische</strong> Chemie mit Synchrotronstrahlung 11<br />
Stefan Schmatz und Mirjana Mladenović<br />
39. Symposium <strong>für</strong> Theoretische Chemie 16<br />
Klaus Funke<br />
84th International Bunsen Discussion Meeting<br />
‘’Structure and Dynamics of Disordered Ionic Materials“ 18<br />
Bernhard Dick<br />
Sparprogramme:<br />
Sparen im staatlichen Zoo<br />
Zur Akzeptanz des Bachelors 19<br />
Personalia 20<br />
Veranstaltungen 21<br />
Verschiedenes 22<br />
Impressum 22<br />
FECS Presidents meet in Barcelona 23<br />
Inhalt Heft 11 + 12/2003 24<br />
Beiträge zum Hauptthema „Sensorik“ der Bunsentagung 2003<br />
in Heft 23/2003 24<br />
Das Titelbild zeigt schematisch die Struktur des Wassertransportproteins Aquaporin. Die „Oberfläche“ des Kanals, durch<br />
den das Wasser transportiert wird, ist mehrfarbig dargestellt. Die Farbkodierung entspricht dem elektrostatischen<br />
Potential. Der Kanal wird durch sieben Helices gebildet, die schematisch zylinderförmig dargestellt sind.<br />
Das Bild wurde mit dem Programmpaket MOLCAD auf der Basis von Strukturdaten der Brookhaven Protein Data Bank<br />
erzeugt. Autoren: Thorsten Borosch, Oliver Korb, Jens Gimmler und Jürgen Brickmann, <strong>Physikalische</strong> Chemie I,<br />
TU Darmstadt und Thomas Exner, FB Chemie, Universität Konstanz.<br />
Bitte beachten Sie den Fragebogen in der Heftmitte.<br />
Dem Heft liegt ein frankierter Rückumschlag bei.
DEUTSCHE BUNSEN-GESELLSCHAFT<br />
Thomas Friedrich<br />
Mit dem Nobelpreis <strong>für</strong> Chemie 2003 wurden zwei Persönlichkeiten<br />
ausgezeichnet, die sich in besonderem Maße um die molekularen<br />
Objekte verdient gemacht haben, die die selektive Permeabilität von<br />
Zellmembranen <strong>für</strong> Wasser und geladene Teilchen bedingen. Der<br />
Preis ging zu gleichen Teilen an Peter Agre (Johns Hopkins University<br />
of Medicine, Baltimore, USA) <strong>für</strong> die Entdeckung der Wasserkanäle<br />
(Aquaporine) und an Roderick MacKinnon (Rockefeller University,<br />
New York, USA) <strong>für</strong> seine herausragenden Arbeiten zur Aufklärung<br />
der Struktur und Funktion von Ionenkanälen. Den Beiträgen beider<br />
Forscher verdankt die Wissenschaft fundamentale Erkenntnisse über<br />
die Grundlagen einer Vielzahl zellulärer Funktionen – eine Geschichte<br />
über den Transport von Ionen und Wasser (Abb. 1).<br />
TEIL I: WASSERKANÄLE<br />
Jede Zelle ist von einer Membran umgeben, die das Zellinnere<br />
schützt, nach aussen abgrenzt und so die Integrität der Zelle sichert.<br />
Auch intrazelluläre Organellen, wie beispielsweise Zellkern, Mitochondrien<br />
oder das endoplasmatische Retikulum sind von Membranen<br />
umschlossen. Alle diese Membranen bestehen – wie bereits<br />
1925 von den Niederländern E. Gortel und F. Grendel erkannt – aus einer<br />
Doppelschicht von Lipidmolekülen, wobei sich die hydrophoben<br />
Seitenketten dem Inneren der Membran zuwenden, während die polaren<br />
Kopfgruppen zum wässrigen Medium hin orientiert werden (Gorter<br />
und Grendel, 1925). Mindestens ebenso wichtig wie die Abgren-<br />
ASPEKTE<br />
Nobelpreis <strong>für</strong> Chemie 2003 an Peter Agre und<br />
Roderick MacKinnon – eine Auszeichnung <strong>für</strong> „Kanalarbeiter“<br />
Abb. 1: Die Plasmamembran der Zelle ist durchsetzt von integralen<br />
Membranproteinen. In vielen Fällen handelt es sich dabei um kanalbildende<br />
Strukturen, die spezifisch und selektiv die Passage bestimmter<br />
Molekülklassen oder Ionensorten ermöglichen, wie z. B.<br />
Wasserkanäle (links) oder Kationenkanäle (rechts). Quelle:<br />
http://www.nobel.se/chemistry/laureates/2003/chempub1high.jpg<br />
Thomas Friedrich, PhD, Max-Planck-Institute of Biophysics,<br />
Dept. of Biophysical Chemistry, Marie-Curie-Str. 15,<br />
D-60439 Frankfurt am Main, Germany, Tel.: +49-69-6303-2008,<br />
Fax.: +49-69-6303-2002, E-Mail: Thomas.Friedrich@mpibp-frankfurt.mpg.de<br />
zung nach außen ist <strong>für</strong> die Zelle allerdings die Notwendigkeit zur<br />
Wechselwirkung mit ihrer Umgebung, die naturgemäß nur über die<br />
Membran erfolgen kann. Die Zelle tauscht aus osmotischen Gründen<br />
Wasser mit ihrer Umgebung aus, ebenso gelangen Nährstoffe und<br />
Stoffwechselprodukte über die Membran, und sogar Ionen müssen<br />
diese Barriere passieren können, sonst wären wichtige Transportprozesse<br />
in Epithelien oder die Erregungsfortleitung in Nerven unmöglich.<br />
Mechanische, thermische und chemische Reize müssen ins Zellinnere<br />
weitergeleitet werden, was die Grundlage <strong>für</strong> unsere<br />
Sinnesempfindungen bildet. Die Plasmamembran ist durchlässig <strong>für</strong><br />
lipophile Stoffe, Gase und kleinere polare Moleküle wie Harnstoff. Ionen<br />
können die Lipiddoppelschicht jedoch nicht ohne die Unterstützung<br />
spezieller integraler Membranproteine durchdringen. Viele zelluläre<br />
Funktionen beruhen allerdings auf der Möglichkeit zur schnellen<br />
und selektiven Steuerung der Membranpermeabilität <strong>für</strong> bestimmte<br />
Ionensorten, z. B. infolge einer Neurotransmitterfreisetzung an der<br />
postsynaptischen Membran oder beim Aktionspotential von Nervenund<br />
Muskelzellen. Passiver Ionentransport entlang herrschender Konzentrationsgefälle<br />
wird dabei durch Ionenkanäle vermittelt. Dieser<br />
Vorgang wird als „erleichterte Diffusion“ (facilitated diffusion) bezeichnet.<br />
Aufgrund der Erniedrigung der Energiebarriere <strong>für</strong> den Ionendurchtritt<br />
hat dieser Prozess durchaus katalytischen Charakter.<br />
Aktiver Transport gegen elektrochemische Gradienten wird durch Ionenpumpen<br />
bewirkt, zu denen beispielsweise die Na + /K + -ATPase<br />
gehört (entdeckt 1957 durch Jens Christian Skou, Nobelpreis <strong>für</strong> Chemie<br />
1997).<br />
Auch hinsichtlich des Wassers besitzt die Zellmembran eine gewisse<br />
Permeabilität. Schon Mitte/Ende des 19. Jahrhunderts wurde<br />
die Existenz von Kanälen postuliert, die den Fluss von Wasser oder<br />
kleiner gelöster Teilchen beispielsweise durch die Harnblasenwand<br />
ermöglichen (Brücke, 1843; Ostwald, 1890; Pfeffer, 1877). In den späten<br />
fünfziger Jahren des letzten Jahrhunderts wurde anhand roter<br />
Blutzellen erkannt, dass der Wassertransport durch die Membran<br />
hochselektiv und vor allem viel zu schnell abläuft, um nur auf Diffusion<br />
zu beruhen. Demnach enthielte die Erythrozytenmembran wasserselektive<br />
Kanäle, die jedoch die Passage von Ionen und anderen gelösten<br />
Stoffen ausschließen (Sidel und Solomon, 1957). Auch in der<br />
Niere kommt dem kanalvermittelten Wassertransport eine herausragende<br />
Rolle zu. Täglich werden in den Glomeruli der Nieren 150 bis<br />
200 Liter Ultrafiltrat, der sog. Primärharn, gebildet. Über 99 % dieser<br />
Flüssigkeitsmenge wird zusammen mit dem größten Teil der gelösten<br />
Stoffe im Verlauf der Nierentubuli, der Henleschen Schleife und dem<br />
Sammelrohr resorbiert, wobei durch sog. Schaltzellen in den betreffenden<br />
Nierensegmenten gleichzeitig Säureäquivalente sezerniert<br />
werden, um einer Azidose des Körpers entgegenzuwirken. Die Wasserkanäle<br />
müssen also extrem hohe Wasser-Permeationsraten aufweisen.<br />
Diese bewegen sich mit bis zu 10 9 Molekülen pro Sekunde<br />
nahe der Diffusionsgrenze, wo<strong>für</strong> auch die geringe Aktivierungsenergie<br />
von ~5 kcal/mol spricht. Zur gleichen Zeit muss aber insbesondere<br />
die Passage von Protonen oder sogar H3O + -(Hydronium)-Ionen ex-<br />
3
ASPEKTE<br />
trem sicher verhindert werden. Kanalvermittelter Wassertransport<br />
spielt auch in Pflanzenzellen eine lebenswichtige Rolle. In diesem Fall<br />
könnten geringfügige Protonenlecks schwerwiegende Konsequenzen<br />
haben, da Pflanzenzellmembranen durch Protonenpumpen energetisiert,<br />
d.h. mit einem H + -Gradienten elektrochemisch „aufgeladen“<br />
werden. Protonengradienten sind gemäß der 1961 formulierten chemiosmotischen<br />
Hypothese von Peter Mitchell (Nobelpreis <strong>für</strong> Chemie<br />
1978) <strong>für</strong> die Bioenergetik von herausragender Bedeutung. Trotz der<br />
genannten experimentellen Hinweise blieben Wasserkanäle bis in die<br />
späten 80er Jahre spekulativ und die Frage nach ihrer Existenz wurde<br />
lange Zeit kontrovers diskutiert.<br />
PETER AGRE – AQUAPORINE<br />
Durch Peter Agres Entdeckung der Wasserkanäle – von ihm selbst<br />
mehrfach als glücklicher Zufall bezeichnet – bekamen die Vorstellungen<br />
vom Wassertransport klare Konturen. Im Verlauf seiner Untersuchungen<br />
an der Johns Hopkins University School of Medicine in Baltimore<br />
beschäftigte er sich Mitte der achtziger Jahre mit<br />
Rh-Blutgruppen-Antigenen aus Erythrozytenmembranen. 1988 isolierte<br />
er aus roten Blutzellen und Nierentubuli ein die Blutgruppen-Antigenpräparationen<br />
kontaminierendes Protein (Agre et al., 1987) unbekannter<br />
Funktion mit 28 kDa Molekulargewicht. Dieses wurde als<br />
CHIP28 bezeichnet (Denker et al., 1988), als Abkürzung <strong>für</strong> „Channellike<br />
Integral membrane Protein of 28 kDa“. Nachdem die Peptidsequenzierung<br />
des Amino-Terminus gelungen war (Smith und Agre,<br />
1991), und so die cDNA-Sequenz kloniert werden konnte (Preston und<br />
Agre, 1991), erhärtete sich der Verdacht, es könne sich dabei um den<br />
langgesuchten Wasserkanal handeln. Diese Hypothese konnte Agre<br />
kurze Zeit später mittels eines ebenso genialen wie einfachen Experiments<br />
verifizieren (Abb. 2): Oozyten des Krallenfroschs Xenopus laevis,<br />
die man mittels cRNA-Mikroinjektion dazu gebracht hatte, CHIP28<br />
4<br />
Abb. 2: Peter Agres Experiment zur Schwellung Aquaporin-exprimierender<br />
Oozyten des Krallenfroschs Xenopus laevis bei Inkubation<br />
in hypoosmolarem Medium (obere Zeile). Nicht-exprimierende<br />
Kontrolloozyten halten dem osmotischen Stress über lange Zeit<br />
Stand (untere Reihe). Quelle: http://www.nobel.se/chemistry/<br />
laureates/2003/chempub2high.jpg<br />
zu exprimieren, schwollen rasch bis zum Platzen an, wenn sie einem<br />
hypoosmolaren Medium ausgesetzt wurden, während Kontrollzellen<br />
diesem osmotischen Stress wesentlich länger standhielten (Preston<br />
et al., 1992).<br />
In der Folge konnten Agre und Mitarbeiter vergleichbare osmotische<br />
Effekte an Liposomen zeigen, in denen aufgereinigtes CHIP28-<br />
BUNSEN-MAGAZIN · 6. JAHRGANG · 1/<strong>2004</strong><br />
Protein rekonstituiert worden war (Zeidel et al., 1992). Die charakteristischen<br />
osmotischen Effekte wurden durch Hg 2+ -Ionen verhindert,<br />
von denen man wusste, dass sie Wassertransport über Erythrozytenmembranen<br />
blockieren. Seitdem trug das CHIP28-Protein den Namen<br />
„Aquaporin-1“, kurz AQP1. In der Folgezeit führte die Gruppe um Peter<br />
Agre eine intensive funktionelle Analyse der Aquaporine durch.<br />
Dies schloss die Bestimmung der Permeationsrate, der Selektivität<br />
(Zeidel et al., 1992; Zeidel et al., 1994), sowie ein auf Mutagenesestudien<br />
beruhendes Topologiemodell ein. Durch diese Resultate wurde<br />
die in späteren Kristallisationsstudien bestimmte „Sanduhr-Struktur“<br />
der Pore bereits vorweggenommen (Jung et al., 1994).<br />
Zwischenzeitlich wurde von einer Reihe anderer Gruppen gezeigt,<br />
dass Aquaporine über die gesamte belebte Welt verbreitet sind. Man<br />
findet sie in Archeen, Bakterien, Pilzen, in allen tierischen Lebensformen<br />
und Pflanzen. Allein die unscheinbare Ackerschmalwand (Arabidopsis<br />
thaliana), ein pflanzlicher Modellorganismus, weist in ihrem<br />
Genom 35 verschiedene Aquaporin-Sequenzen auf. Einige Vertreter<br />
der Aquaporin-Proteinfamilie sind außer <strong>für</strong> Wasser auch noch <strong>für</strong> kleinere<br />
neutrale lösliche Stoffe wie Glycerol oder Harnstoff permeabel,<br />
weshalb sie mit dem verallgemeinernden Begriff „Aquaglyceroporine“<br />
bezeichnet werden. Der Mensch verfügt über 11 aquaporinartige<br />
Proteine, von denen einige mit einer Reihe von Erkrankungen in Verbindung<br />
gebracht werden. Sie unterscheiden sich in ihrem gewebsspezifischen<br />
Verbreitungsmuster, Wasser/Glycerol-Selektivität sowie<br />
in ihren Permeationsraten. AQP0 zum Beispiel ist das häufigste intrinsische<br />
Protein (MIP – major intrinsic protein) in den Faserzellen der<br />
Augenlinse. Seine Wasserpermeationsrate ist relativ niedrig und erhöht<br />
die Wasserpermeabilität der Membran lediglich um das vier- bis<br />
fünffache gegenüber der intrinsischen Permeabilität der Lipiddoppelschicht.<br />
Möglicherweise beruht hierbei die physiologische Funktion<br />
nicht primär auf dem Wassertransport, sondern überraschenderweise<br />
in der Vermittlung enger Zell-Zell-Kontakte über AQP0-Wechselwirkungen<br />
zwischen benachbarten Zellen (wo<strong>für</strong> ursprünglich Proteine<br />
der Connexin-Familie als wahrscheinlichere Kandidaten angesehen<br />
worden waren). Durch Mutationen hervorgerufene Störungen der<br />
Proteinstruktur beeinträchtigen diese Kontakte und damit die Isotropie<br />
und Transparenz der Linse – Linsentrübungen (Karatakte) mit autosomal<br />
dominantem Erbgang sind die Folge. Von AQP0 kennt man<br />
auch die interessante Eigenschaft, dass das Schaltverhalten („gating“)<br />
durch Protonen (aktivierend) und Ca 2+ -Ionen (inaktivierend) moduliert<br />
wird.<br />
AQP1 kommt in Erythrozyten, proximalen Nierentubuli und u. a. im<br />
Endothel von Blutkapillaren vor. AQP1-Mutationen sind aus Individuen<br />
bekannt, die kein Co-Blutgruppen-Antigen aufweisen. Außer jedoch<br />
den spezifischen Anforderungen bei Bluttransfusionen ist das<br />
Leben der Betroffenen nicht beeinträchtigt, Bedingungen extremer<br />
Flüssigkeitsaufnahme oder Flüssigkeitsmangel können jedoch lebensbedrohlich<br />
sein. AQP2 wird hauptsächlich in Prinzipalzellen der<br />
Sammelrohrsegmente der Niere exprimiert. Das Hormon Vasopressin<br />
steuert dabei den Einbau von AQP2 in die apikale Membran unter Bedingungen,<br />
bei denen Flüssigkeit aus dem Harn effizient zurückgewonnen<br />
werden muss (antidiuretischer Zustand). Daher kennt man rezessiv<br />
vererbliche Formen nephrogener Diabetes insipidus<br />
(Ausscheidung von 12–15 Litern Flüssigkeit am Tag gegenüber ca. 1<br />
Liter bei Gesunden!), die auf AQP2 Mutationen zurückgeführt werden<br />
können. AQP2 Überexpression findet man während der Schwanger-
DEUTSCHE BUNSEN-GESELLSCHAFT<br />
schaft, persistierend erhöhte AQP2-Werte stören die Wasserausscheidung<br />
des Körpers und führen zu Bluthochdruck und Herzversagen.<br />
Nicht einmal zehn Jahre nach der Klonierung des AQP1-Gens wurden<br />
die ersten hochaufgelösten dreidimensionalen Strukturen von<br />
AQP-1 (Murata et al., 2000; Ren et al., 20<strong>01</strong>; Sui et al., 20<strong>01</strong>) und dem<br />
Aquaglyceroporin GlpF aus Escherichia coli (Fu et al., 2000) publiziert.<br />
Die Strukturen von „Wasser“- und „Glycerol“-Kanälen sind einander<br />
so ähnlich, dass man in der Literatur von „Zwillingsbrüdern“ spricht.<br />
Demnach sind Aquaporine Tetramere aus vier identischen Untereinheiten<br />
(Abb. 3a), von denen jede eine sanduhrförmige Pore (das sog.<br />
„hourglass“-Modell wurde bereits 1994 von Agre postuliert, (Jung et<br />
al., 1994)) mit einem Selektivitätsfilter im Bereich des Zentrums der<br />
Membran bildet.<br />
Abb. 3a: Aufsicht senkrecht zur<br />
Membran auf ein Aquaporin-Tetramer.<br />
Quelle: (Zhu et al., 20<strong>01</strong>).<br />
Abb. 3b: Leitungs- und Selektivitätsmechanismus in einem Aquaporin-Monomer.<br />
Positiv geladene Aminosäurereste in der Umgebung<br />
des zentralen Selektivitätsfilters stoßen positiv geladene Ionen<br />
(H3O + ) ab und verhindern somit Protonenlecks. Durch<br />
Wechselwirkung mit den Helixdipolen der Hemiporensegmente<br />
ändert sich die orientierung der Wasserdipole bei Passage des Selektivitätsfilters.<br />
Quelle: The Nobel Prize Internet Archive.<br />
http://www.nobel.se/chemistry/laureates/2003/chempub3high.jpg<br />
Jede Aquaporin-Untereinheit besteht aus einer Folge zweier strukturell<br />
homologer Domänen, die jeweils aus drei Transmembran-α-<br />
Helices und einer die zweite und dritte Helix verbindenden Schleife<br />
(Hemipore) bestehen. Die beiden Domänen sind in einem 180°-Win-<br />
kel zueinander orientiert, die beiden Hemiporensegmente weisen aus<br />
entgegengesetzten Richtungen auf das Selektivitätsfilter im Zentrum<br />
des Proteins und sind von den sechs Transmembranhelices umgeben.<br />
Auf der Grundlage dieser Strukturen konnten detaillierte Vorstellungen<br />
zur Erklärung der hohen Permeationsrate, der Selektivität und<br />
die strukturellen und mechanistischen Ursachen <strong>für</strong> die Verhinderung<br />
eines „Protonenlecks“ erarbeitet werden, was insbesondere auf molekulardynamischen<br />
Simulationsrechnungen beruhte (de Groot und<br />
Grubmüller, 20<strong>01</strong>; Tajkhorshid et al., 2002), von denen die auf der<br />
Internetseite (http://www.nobel.se/chemistry/laureates/2003/animations.html)<br />
einsehbaren Animationen Zeugnis geben. Wassermoleküle<br />
können die Pore nur der Reihe nach („single file“) passieren, wobei ihre<br />
elektrischen Dipolmomente geordnet werden. Eine positiv geladene<br />
Aminosäure (Arginin) am Selektivitätsfilter verhindert die Passage<br />
von Protonen oder H3O + -Ionen (Abb. 3b). Außerdem ändert sich<br />
die Ausrichtung der Wasserdipole am Selektivitätsfilter durch Wechselwirkung<br />
mit Dipolmomenten der α-helicalen Hemiporensegmente,<br />
die von zwei Seiten auf das Selektivitätsfilter ausgerichtet sind (Abb.<br />
3b und Abb. 9). Dieser Wechsel in der Orientierung der Wasserdipole<br />
führt zu einer Unterbrechung des Wasserstoffbrückennetzwerks, der<br />
„Eimerkette“ <strong>für</strong> Protonentransport im Sinne eines Grotthuss-Mechanismus<br />
(Grotthuss, 1805).<br />
Peter Agres unerwartete Entdeckung hat somit innerhalb eines<br />
Jahrzehnts zu einem nahezu komplett molekularen Verständnis des<br />
Wassertransports durch die hochspezialisierten Aquaporin-Wasserkanäle<br />
geführt. Sie bildete die Basis <strong>für</strong> die Aufklärung ihrer physiologischen<br />
Funktion bei Pro- und Eukaryonten, sowie ihrer Rolle bei<br />
menschlichen Erkrankungen. Hierdurch konnten unschätzbare medizinische<br />
Fortschritte erzielt werden, wobei die pharmakologisch relevanten<br />
Früchte wahrscheinlich erst in Zukunft noch zu ernten sein<br />
werden.<br />
TEIL II: IONENKANÄLE<br />
ASPEKTE<br />
Bereits im Jahre 1890 schlug der berühmte Physikochemiker Wilhelm<br />
Ostwald (Nobelpreis <strong>für</strong> Chemie 1909) auf der Grundlage seiner<br />
Experimente mit künstlichen kolloidalen Membranen vor, dass elektrische<br />
Ströme in lebendem Gewebe durch Ionenflüsse über die Zellmembranen<br />
verursacht werden könnten (Ostwald, 1890). In den folgenden<br />
Jahrzehnten konnte die elektrochemische Natur von<br />
Membranpotentialen gezeigt werden (Bernstein, 1902; Loeb und<br />
Beutner, 1912), und von Leonor Michaelis stammt das Konzept „enger“<br />
Ionenkanäle (Michaelis, 1925). Das biophysikalische Konzept von<br />
Ionen-„Kanälen“, deren Aktivierungsverhalten in charakteristischer<br />
Weise von der Membranspannung abhängt, wurde als Destillat jahrelanger<br />
experimenteller und theoretischer Arbeit im Jahre 1952 von<br />
Alan Lloyd Hodgkin und Andrew Fielding Huxley entwickelt (Hodgkin<br />
und Huxley, 1952), wo<strong>für</strong> beide (zusammen mit Sir John Carew<br />
Eccles) mit dem Nobelpreis <strong>für</strong> Physiologie oder Medizin 1963 ausgezeichnet<br />
wurden. In einer Zeit, in der über die aktiven und passiven<br />
Transportvorgänge in der Plasmamembran immer noch herzlich wenig<br />
bekannt war, präsentierten diese beiden Forscher eine weit in die<br />
Zukunft reichende, fast prophetisch zu nennende Theorie, die das moderne<br />
Verständnis von Ionenkanälen praktisch vorwegnahm. Die Arbeiten<br />
von Hodgkin und Huxley begründeten die moderne Neurophysiologie<br />
und lieferten eine Erklärung <strong>für</strong> die elektrischen Vorgänge<br />
5
ASPEKTE<br />
während des Aktionspotentials an Nervenzellen. Ihr Modell beruhte<br />
auf der Idee, dass spezielle, nur <strong>für</strong> bestimmte Ionensorten wie K +<br />
oder Na + (oder auch Ca 2+ ) permeable Ionenkanäle in zeitlich exakt aufeinander<br />
abgestimmter Weise aktiviert werden. Wenig später zeigten<br />
Hodgkin und Keynes, dass K + -Ionen die Membran nur der Reihe nach<br />
(„single file“) passieren können (Hodgkin und Keynes, 1955), wodurch<br />
das Ionenkanal-Konzept weiter untermauert wurde.<br />
Von herausragender Bedeutung <strong>für</strong> die Funktion eines Ionenkanals<br />
ist die Selektivität, d.h. die Fähigkeit, zwischen verschiedenen Ionensorten<br />
trotz ähnlicher chemischer oder physikalischer Eigenschaften<br />
exakt unterscheiden zu können. Dies soll am Beispiel der Alkalimetallionen<br />
Na + und K + erläutert werden: Skelettmuskelzellen in Säurgern<br />
sind intrazellulär reich an K + (155 mM) und arm an Na + (12 mM),<br />
während extrazellulär eine hohe Na + -Konzentration (145 mM) und<br />
eine niedrige K + -Konzentration (4 mM) vorliegt. Das Ruhemembranpotential<br />
der Muskelzelle wird von K + -selektiven Kanälen stabilisiert.<br />
Es liegt bei ca. –90 mV und entspricht daher in etwa dem elektrochemischen<br />
Gleichgewichtspotential <strong>für</strong> K + unter diesen Bedingungen<br />
(–98 mV). Ließen diese K + -Kanäle auch Na + -Ionen passieren, würden<br />
diese entlang ihres elektrochemischen Gradienten ins Zytoplasma<br />
strömen und die Zelle permanent depolarisieren (Gleichgewichtspotential<br />
<strong>für</strong> Na + : +67 mV), wodurch die Grundlage <strong>für</strong> die Erregbarkeit<br />
der Zelle verloren ginge. Gleichartige Überlegungen gelten während<br />
der elektrischen Vorgänge beim Aktionspotential. Die vorübergehende<br />
„Umladung“ der Zellmembran, die der Kontraktion unmittelbar vorausgeht,<br />
wird durch die Öffnung Na + -selektiver Kanäle bewirkt, wenn<br />
diese auch K + -Ionen passieren ließen, wäre eine Depolarisation der<br />
Membran unmöglich.<br />
Obwohl die generellen Vorstellungen von den Eigenschaften kanalartiger<br />
Objekte in der Zellmembran somit bereits schon vor 50 Jahren<br />
etabliert waren, standen über mehrere Jahrzehnte die experimentellen<br />
Techniken zur Überprüfung der Ionenkanalhypothese nicht zur<br />
Verfügung. Erst ein Vierteljahrhundert später konnte sie direkt durch<br />
die Entwicklung der die Elektrophysiologie revolutionierenden Patch-<br />
Clamp-Technik (Hamill et al., 1981) bewiesen werden (Erwin Neher<br />
und Bert Sakmann, Nobelpreis <strong>für</strong> Medizin 1991), da man mit ihrer Hilfe<br />
die elektrische Aktivität einzelner Ionenkanalmoleküle unmittelbar<br />
als singuläre Stromsignale nachweisen konnte. Wenig später wurden<br />
erstmals die cDNA-Sequenzen spannungsgesteuerter Na + -Kanäle<br />
(Noda et al., 1984) und K + -Kanäle (Papazian et al., 1987; Stühmer et al.,<br />
1989) publiziert, wodurch die molekularbiologischen Grundlagen geschaffen<br />
wurden, funktionell wichtige Aminosäuren(abschnitte) durch<br />
ortsspezifische Mutagenesetechniken zu identifizieren.<br />
6<br />
Abb. 4: Transmembrantopologie spannungsgesteuerter Na + - (links) und K + -Kanäle (rechts).<br />
BUNSEN-MAGAZIN · 6. JAHRGANG · 1/<strong>2004</strong><br />
Demnach ist ein spannungsgesteuerter Na + -Kanal aus vier aufeinanderfolgenden,<br />
miteinander verbundenen Domänen aufgebaut (Abb.<br />
4A), von denen jede zu einer K + -Kanal-Untereinheit mit 6 Transmembrandomänen<br />
homolog ist. Funktionelle K + -Kanäle (Abb. 4B) bestehen<br />
dagegen aus einem Tetramer homologer, aber separater Untereinheiten<br />
(MacKinnon, 1991). Jede dieser K + -Kanal-Untereinheiten weist 6<br />
Transmembransegmente (S1 bis S6) auf, wobei Amino- und Carboxytermini<br />
intrazellulär lokalisiert sind. Zwischen den Segmenten S5<br />
und S6 befindet sich die sogenannte Porenschleife („pore loop“, „Ploop“),<br />
in der auch das Selektivitätsfilter (in Form des charakteristischen<br />
Aminosäuremotivs Glycin-Tyrosin-Glycin) lokalisiert ist.<br />
Während die porenbildenden Strukturen im wesentlichen aus S5, Ploop<br />
und S6 bestehen (was auf Proteinebene in Form der einfacher<br />
aufgebauten einwärts-gleichrichtenden K + -Kanäle realisiert ist), bilden<br />
die Segmente S1 bis S4 den sogenannten Spannungssensor, wozu<br />
das bis zu 8 positiv geladene Aminosäurereste aufweisende S4-Segment<br />
in besonderer Weise beiträgt. Spannungsgesteuerte K + -Kanäle<br />
treten in Geweben mit zeitlich veränderlichem Membranpotential auf<br />
und sind in Nerven- und Muskelgewebe maßgeblich während der Repolarisationsphase<br />
des Aktionspotentials aktiv. Durch die Kombination<br />
molekularbiologischer und elektrophysiologischer Techniken wurden<br />
bis Mitte der neunziger Jahre wesentliche Aspekte der<br />
Ionenkanalfunktion geklärt. Man wusste, dass das Selektivitätsfilter<br />
eine eher zur extrazellulären Seite hin orientierte, relativ enge Struktur<br />
sein muss, zu deren Passage Kationen ihre Hydrathülle abstreifen<br />
müssen, und Carbonyl-Sauerstoffatome in diesem Filter wichtig <strong>für</strong><br />
die Ionenkoordination sind. Das eigentliche „Tor“ („gate“) des Kanals<br />
ist eine separate Struktur am intrazellulären Ende der Kanalpore. Es<br />
war jedoch klar, dass weiterführende Erkenntnisse nur auf der Basis<br />
dreidimensionaler Strukturinformation möglich sein würden.<br />
RODERICK MACKINNON –<br />
STRUKTUR UND FUNKTION VON IONENKANÄLEN<br />
Der heute 47 Jahre alte Roderick MacKinnon beeindruckt durch ein<br />
herausragendes wissenschaftliches Werk. Nach seiner Ausbildung arbeitete<br />
er zunächst <strong>für</strong> 6 Jahre als Mediziner an der Harvard Medical<br />
School, bevor er sich der wissenschaftlichen Forschung verschrieb,<br />
weil er nach eigenem Bekunden „ein Problem zu lösen hatte“.<br />
Zunächst beschäftigte sich MacKinnon mit der Aufklärung der Funktion<br />
von Ionenkanälen, motiviert durch seine PostDoc-Zeit bei Christopher<br />
Miller (Brandeis University). So erforschte er die Wirkung bestimmter,<br />
die Leitfähigkeit von Kaliumkanälen blockierender Toxine<br />
(z. B. Charybdotoxin), was 1991 in einer bemerkenswerten Arbeit Aus-
DEUTSCHE BUNSEN-GESELLSCHAFT<br />
druck fand, in der er erstmals die tetramere Architektur spannungsgesteuerter<br />
Kaliumkanäle aufzeigte (MacKinnon, 1991). Zur Lösung<br />
„seines“ Problems musste MacKinnon erneut einen Wandel vollziehen,<br />
denn er erkannte, dass sich die Grundlagen <strong>für</strong> Selektivität und<br />
Permeabilität nur auf der Basis dreidimensionaler Strukturinformation<br />
verstehen lassen. Also setzte er sich kein geringeres Ziel als das der<br />
Kristallisation von Ionenkanälen. Er musste sich also mit den Methoden<br />
der Kristallisierung von Membranproteinen und der Röntgenstrukturanalyse<br />
vertraut machen. Dies wurde auch durch den Wechsel<br />
an die New Yorker Rockefeller University 1996 unterstützt, da<br />
diese neue Wirkungsstätte ihm die materiellen Voraussetzungen <strong>für</strong><br />
dieses überaus ehrgeizige Ziel bot. Nun ist die Kristallisation von<br />
Membranproteinen alles andere als eine Standardmethode. Auch<br />
heute noch stellt sie eine langwierige Aufgabe mit ungewissem Ausgang<br />
dar, und es darf immer noch zu einem gewissen Teil als Glücksfall<br />
angesehen werden, wenn die Kristallisation gelingt. Naturgemäß<br />
weisen Membranproteine große hydrophobe Kontaktflächen auf, die<br />
normalerweise der Lipidphase der Membran zugewandt sind, was die<br />
Kristallisation enorm erschwert. Vielfach erwies sich <strong>für</strong> MacKinnon<br />
die Methode der Kokristallisation mit Fv-Antikörperfragmenten als hilfreich,<br />
<strong>für</strong> deren Entwicklung und erfolgreiche Anwendung zur Strukturbestimmung<br />
des photosynthetischen Reaktionszentrums Johann<br />
Deisenhofer, Robert Huber und Hartmut Michel mit dem Nobelpreis<br />
<strong>für</strong> Chemie des Jahres 1988 ausgezeichnet worden waren. Auch<br />
machte sich MacKinnon die Erkenntnis zunutze, dass sich die bakteriellen<br />
bzw. archebakteriellen Homologe eukaryotischer Ionenkanäle<br />
vielfach besser zur Proteingewinnung zum Zwecke der Überexpression<br />
und Kristallisation eignen, und er bewies eine glückliche Hand bei<br />
der Auswahl der „richtigen“ Bakterienstämme. Bereits zwei Jahre<br />
nach dem Wechsel zur Rockefeller University überraschte MacKinnon<br />
die wissenschaftliche Welt mit der Kristallstruktur eines bakteriellen<br />
Kaliumkanals, KcsA aus Streptomyces lividans (Doyle et al., 1998),<br />
und in Kombination mit den nachfolgenden Verfeinerungen gelang es<br />
(Jiang et al., 2002b; Morais-Cabral et al., 20<strong>01</strong>; Zhou et al., 20<strong>01</strong>), das<br />
grundlegende Paradoxon der Ionenkanalforschung aufzulösen, nämlich<br />
wie es die Natur eingerichtet hat, höchstmögliche Ionenselektivität<br />
(der Kanal unterscheidet K + - von Na + -Ionen mit einer Genauigkeit<br />
von 10 000:1) bei größtmöglicher Durchsatzrate nahe der Diffussionsgrenze<br />
(bis zu 10 8 Ionen pro Sekunde) in Einklang zu bringen. Darüberhinaus<br />
gelang ihm die Strukturbestimmung eines Ca 2+ -gesteuerten<br />
Kaliumkanals in der offenen Konformation (Jiang et al., 2002b).<br />
Auf dieser Grundlage konnte ein Modell <strong>für</strong> den Öffnungsmechanismus<br />
vorschlagen werden (Jiang et al., 2002a).<br />
Aus der Struktur des KcsA-Kanals werden die Anordnung der<br />
Transmembranhelices, sowie der Aufbau der Kanalpore und des Selektivitätsfilters<br />
deutlich (Abb. 5, 6). Die Transmembranhelices des<br />
KcsA-Kanals sind gegenüber der Membrannormalen geneigt und bilden<br />
eine „invertierte Tipi-Struktur“ mit Helixbündelüberkreuzungen<br />
an der intrazellulären Seite, die in der Aufsicht erkennbar werden. Eine<br />
Helix ist jeweils der Pore (innere Helix), die andere der Lipidphase<br />
(äußere Helix) zugewandt. Die vier Untereinheiten umschließen eine<br />
zentrale Pore von 45 Å Länge, deren äußere bzw. innere Begrenzung<br />
– wie <strong>für</strong> Kationenkanäle zu erwarten – negative Überschussladungen<br />
tragen (Abb. 5, 3.v. links). Der relativ weite intrazelluläre Porenteil wird<br />
von unpolaren Aminosäuren ausgekleidet und öffnet sich in der Mitte<br />
der Membran zu einer zentralen Kavität von 10 Å Durchmesser, welche<br />
exakt zur strukturierten Aufnahme eines hydratisierten K + -Ions<br />
ASPEKTE<br />
geeignet ist. Durch die hydrophobe Auskleidung in Verbindung mit der<br />
exakten Geometrie der zentralen Kavität wird einerseits die effektive<br />
K + -Konzentration vor dem Selektivitätsfilter extrem angehoben<br />
(~2 M), während andererseits die Wechselwirkung mit dem Kanalprotein<br />
minimiert wird. Das K + -Ion wird somit exakt in der Mitte der<br />
Membran stabilisiert, wo es aufgrund elektrostatischer Rechnungen<br />
normalerweise ein Maximum der Energiebarriere vorfindet (Abb. 6,<br />
links). Im Bereich des extrazellulär orientierten Selektivitätsfilters, das<br />
ca. 12 Å lang ist und die K + -Kanal-Signatursequenz Glycin-Tyrosin-Glycin<br />
enthält, wird die Pore jedoch so eng, dass Ionen zur Passage ihre<br />
Hydrathülle abstreifen müssen. Um die Energiebarriere <strong>für</strong> die Dehydratisierung<br />
abzusenken, sind Sauerstoffatome des Proteinrückgrats<br />
im Selektivitätsfilter so angeordnet, dass vier Positionen gebildet<br />
Abb. 5: Struktur des K + -Kanals KcsA aus Streptomyces lividans.<br />
Oben links: Aufsicht auf das Tetramer von der extrazellulären Seite<br />
der Membran mit Umriss eines zentralen Kaliumions in der Pore.<br />
Oben rechts: Seitenansicht des Tetramers. Unten links: Oberflächenkontur<br />
und -ladungsverteilung (rot: positiv, blau: negativ,<br />
gelb: hydrophobe Aminosäuren). Aus: (Doyle et al., 1998).<br />
werden an denen ein K + -Ion die elektrostatische Umgebung wie in<br />
der inneren Hydrathülle vorfindet (Abb. 6). Auf diese Weise schließt<br />
der Kanal die kleineren Li + - und Na + -Ionen (0.65 Å bzw. 0.95 Å Durchmesser)<br />
von der Ionenpassage aus, während die vergleichbar großen<br />
K + - und Rb + -Ionen (1.35 Å bzw. 1.48 Å) annähernd gleich gut passieren<br />
können. Die Strukturen des Selektivitätsfilters und der zentralen<br />
Kavität ermöglichen somit hohe Spezifität bei gleichzeitig hoher<br />
Durchsatzrate.<br />
Zu Beginn dieses Jahres publizierte MacKinnon die langersehnte<br />
Kristallstruktur eines spannungsgesteuerten Kaliumkanals, KvAP aus<br />
dem Archebakterium Aeropyrum pernix (Jiang et al., 2003a; Jiang et<br />
al., 2003b), wobei das Augenmerk insbesondere in der Erklärung des<br />
Einflusses eines Transmembranpotentials auf Konformation und Lage<br />
des Spannungssensors relativ zur Membran ruhte. Im Vergleich zur<br />
7
ASPEKTE<br />
KcsA-Struktur offenbart die dreidimensionale Struktur des KvAP-Kanals<br />
(Abb. 7) bemerkenswerte Übereinstimmungen im Bereich der<br />
porenformenden Segmente, wobei das S5-Segment der äußeren und<br />
das S6-Segment der inneren Helix der KcsA-Struktur entspricht. Bemerkenswert<br />
ist die Struktur der Spannungssensor-Domäne, die aus<br />
den „traditionellen“ Segmenten S1–S4 besteht. Den Daten zufolge<br />
muss diese Nomenklatur modifiziert werden, denn das S3-Segment<br />
zerfällt in zwei stark gegeneinander verkippte Teile (S3a und S3b), die<br />
durch eine Schleife verbunden sind, wobei S3b und S4 in antiparalleler<br />
Anordnung eine eng gepackte Helix-Kurven-Helix-Anordnung<br />
(„helix-turn-helix“) bilden, die anschaulich als „Spannungssensor-Paddel“<br />
bezeichnet wird. Hier sind die meisten der positiven Schaltladungen<br />
lokalisiert.<br />
Der ursprünglichen Struktur zufolge (erhalten durch Kokristallisation<br />
von Fab-Antikörperfragmenten gegen die S3-S4-Schleife!) kommt<br />
das Sensor-Paddel parallel zur intrazellulären Seite der Membran zu<br />
liegen. Diese Anordnung widerspräche zahlreichen eindeutigen elektrophysiologischen<br />
Befunden z. B. hinsichtlich der Zugänglichkeit von<br />
S4-Aminosäuren <strong>für</strong> Cystein-modifizierende Reagenzien. Weiterführende<br />
Kristallisationsstudien z. B. des isolierten Spannungssensors<br />
jedoch zeigten, dass der Spannungssensor bezüglich der Porenregion<br />
eine hohe Flexibilität aufweist und die Helixanordnung vermutlich<br />
durch die Kristallisationsmethode beeinflusst ist. Hinsichtlich des Mechanismus<br />
der Spannungssensitivität wurde geschlossen, dass die<br />
flexiblen, positive Nettoladungen tragenden „Paddel“ ähnlich hydrophoben<br />
Kationen fungieren, die über flexible Scharniere an den eigentlichen<br />
Kanal gekoppelt sind (Abb. 7).<br />
Im Jahre 2002 publizierte Roderick MacKinnon völlig unerwartet<br />
die Strukturen gleich zweier spannungsgesteuerter Chloridkanäle der<br />
CLC-Kanalfamilie (Dutzler et al., 2002) und lieferte kurz darauf eine Erklärung<br />
<strong>für</strong> den Schaltmechanismus dieser physiologisch bedeutsamen<br />
Kanalklasse (Dutzler et al., 2003). Dies stellte einen spektakulären<br />
Fortschritt dar, da zu diesem Zeitpunkt in funktioneller und<br />
8<br />
BUNSEN-MAGAZIN · 6. JAHRGANG · 1/<strong>2004</strong><br />
Abb.6: (links) Strukturskizze des K + -Kanals KcsA aus Streptomyces lividans. Der Kanal läßt selektiv K + -Ionen passieren, während Na + -Ionen<br />
nicht durchgelassen werden. Außerhalb des Selektivitätsfilters liegen die Kationen hydratisiert vor, sind also von einer strukturierten Wasserschale<br />
umgeben. Die Carbonyl-Sauerstoffatome des Selektivitätsfilters stellen eine elektrostatische Umgebung zur Verfügung, die exakt<br />
den Verhältnissen <strong>für</strong> ein hydratisiertes Kaliumion entspricht. Für die etwas kleineren Na + -Ionen sind die Distanzen zu groß, wodurch das Abstreifen<br />
der Hydrathülle <strong>für</strong> Na + energetisch ungünstig ist (rechts). Quelle: The Nobel Prize Internet Archive.<br />
http://www.nobel.se/chemistry/laureates/2003/chempub4ahigh.jpg. http://www.nobel.se/chemistry/laureates/2003/chempub4bhigh.jpg<br />
struktureller Hinsicht festgefahrene Gegensätze die Diskussion beherrschten.<br />
Auf der Grundlage der in der Tat „komplizierten Struktur“<br />
(MacKinnon) des CLC-Kanals wurde mit einem Mal klar, warum alle<br />
bisherigen Ansätze zur Topologiebestimmung rasch an ihre Grenzen<br />
gestoßen waren.<br />
Ein CLC-Kanal besteht aus einem Dimer identischer Untereinheiten,<br />
die 18 z. T. stark gegenüber der Membrannormalen geneigte α-<br />
Helices enthalten (Abb. 8). Beide Monomere weisen jeweils eine Kanalpore<br />
auf und stehen über eine breite Interaktionsfläche<br />
miteinander in Verbindung. Dadurch wurde die fast 20 Jahre zuvor von<br />
Christopher Miller aufgestellte „double-barrel“-Hypothese bestätigt<br />
(Miller und White, 1984), derzufolge ein funktioneller CLC-Kanal zwei<br />
i.w. unabhängig voneinander schaltende Poren im Sinne einer „doppelläufigen<br />
Schrotflinte“ besitzt. Die Struktur offenbarte auch eine bis<br />
zu diesem Zeitpunkt völlig unbemerkt gebliebene innere Symmetrie<br />
des Proteins. Ein CLC-Kanal zerfällt demnach in zwei spiegelbildliche,<br />
in invertierter Richtung zueinander homologe Hälften. Im Gegensatz<br />
zu K + -Kanälen, bei denen eine Pore von den Porenschleifen der vier<br />
Untereinheiten im Tetramer ausgekleidet und auch das Selektivitätsfilter<br />
durch diese Strukturen gebildet wird (Doyle et al., 1998), wird<br />
Abb. 7: Struktur des spannungsgesteuerten K + -Kanals KvAP aus<br />
Aeropyrum pernix (Jiang et al., 2003a; Jiang et al., 2003b). Seitenansicht<br />
zweier Untereinheiten des Tetramers, die Helices sind mit<br />
S1–S6 numeriert, der S5-S6-Anteil ist der Struktur des KcsA-Kanals<br />
vergleichbar. Mutmaßliche Positionen des Spannungssensor-<br />
„Paddels“ im geschlossenen (links) und im offenen (rechts) Zustand<br />
des Kanals.
DEUTSCHE BUNSEN-GESELLSCHAFT<br />
Abb. 8: Dreidimensionale Struktur bakterieller CLC-Kanäle.<br />
Links: Aufsicht von der extrazellulären Seite der Membran. Mitte:<br />
Seitenansicht in der Membran. Die beiden identischen Monomere<br />
im Kanal-Dimer („double-barrel-Struktur“) sind unterschiedlich<br />
farbmarkiert, Chlorid-Ionen sind grün hervorgehoben.<br />
Rechts: Struktur des CLC-Selektivitätsfilters. Zylinderrepräsentation<br />
der Helixstruktur (Helix J in der Mitte transparent). Ionenkoordinierende<br />
Partialladungen an den Helixenden sind farblich markiert.<br />
Chloridion: rot. Quelle (Dutzler et al., 2002).<br />
das Cl – -Ion durch geladene Aminosäurereste bzw. Helixdipole von 4<br />
Helices einer Untereinheit etwa in der Mitte der Membran koordiniert<br />
(Abb. 8, rechts). Im geschlossenen Zustand wird die strategische Cl – -<br />
Bindungsstelle durch einen negativ geladenen Glutamatrest eingenommen,<br />
der bei Aktivierung des Kanals zur Seite schwingt und den<br />
Weg zur Ionenpassage freigibt. Der Ionenpermeationsweg weist im<br />
Gegensatz zu Kaliumkanälen keine wassergefüllte Kavität an einer<br />
Seite der Membran auf, sondern nimmt die Form einer Sanduhr an,<br />
die mit positiven Aminosäureresten ausgekleidet ist.<br />
Wie auch schon im Fall der Aquaporine bilden die nun verfügbaren<br />
strukturellen Informationen über eine ganze Reihe verschiedener Ionenkanalklassen<br />
eine feste Basis <strong>für</strong> das Verständnis der Funktion,<br />
der Ionenselektivität und der Aktivierungsmechanismen dieser molekularen<br />
Objekte. Sie werden die Grundlage <strong>für</strong> detaillierte biophysikalische<br />
und theoretische Studien mittels molekulardynamischer<br />
Abb. 9: Die koordinierende<br />
Rolle von Helixdipolen in<br />
K + -Kanälen (oben), CLC-Cl – -<br />
Kanälen (Mitte) und Aquaporinen<br />
(unten). Modifiziert<br />
nach: (Dutzler et al., 2002),<br />
Fig. 7.<br />
Methoden bilden. Als allgemeines strukturelles Konstruktionsprinzip<br />
scheint sich der koordinierende Einfluss von α-Helix-Dipolmomenten<br />
beim Transport polarer oder geladener Teilchen durch Membranproteine<br />
herauszukristallisieren (Abb. 9). Darüberhinaus erhofft man sich<br />
aus der Kenntnis des räumlichen Aufbaus von Membranproteinen einen<br />
unmittelbareren Zugang zum Auffinden sogenannter chemischer<br />
Leitstrukturen („lead structures“), wobei das sogenannte in-silico-<br />
Design von Wirksubstanzen in der pharmakologisch forschenden Industrie<br />
augenblicklich einen herausragenden Stellenwert hat.<br />
SCHLUSSBEMERKUNG<br />
In seiner Präsentationsrede zum diesjährigen Chemie-Nobelpreis<br />
hob das schwedische Akademiemitglied Gunnar van Heijne hervor,<br />
dass die Entdeckungen Peter Agres und Roderick MacKinnons nicht<br />
nur <strong>für</strong> entscheidende Beiträge zur Biochemie von Zellmembranen<br />
stehen, sondern dass sie eine „geradezu fühlbare ästhetische Komponente“<br />
besitzen. Die atomaren Strukturen von Membrankanälen<br />
enthüllten in ihrer klaren Einfachheit und Perfektion atemberaubend<br />
„ökonomische Konstruktionsprinzipien“ zur Lösung des Problems der<br />
Stabilisierung polarer oder geladener Teilchen in Zentrum der extrem<br />
hydrophoben Lipiddoppelschicht. Beim Anblick der Strukturen dränge<br />
sich der Eindruck auf: „Natürlich, so muss das aussehen, so muss das<br />
funktionieren“. Was mehr kann man von Wissenschaft erwarten?<br />
LITERATUR<br />
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DEUTSCHE BUNSEN-GESELLSCHAFT<br />
Eckart Rühl und Helmut Bertagnolli<br />
<strong>Physikalische</strong> Chemie mit Synchrotronstrahlung<br />
Arbeiten mit Synchrotronstrahlung bedeutet die Nutzung von<br />
hochintensiver Strahlung in einem extrem breiten Spektralbereich,<br />
der von langwelliger „Terahertz-Strahlung“ über den Vakuum-UV- und<br />
Röntgenbereich bis hin zur Gammastrahlung reicht. Ebenso breitbandig<br />
und brillant ist mittlerweile die Palette der wissenschaftlichen und<br />
industriellen Nutzung von Synchrotronstrahlung. Sie hat in den vergangenen<br />
Jahrzehnten einen enormen Aufschwung erfahren, der vor<br />
allem von der Physik und Chemie getragen wurde. Aber auch die Lebenswissenschaften,<br />
Geo- und Ingenieurswissenschaften haben hierzu<br />
massiv beigetragen. Die Nutzer von Synchrotronstrahlung kommen<br />
auch zu einem guten Anteil aus der <strong>Physikalische</strong>n Chemie und<br />
direkt angrenzenden Fachgebieten. Die fachlichen Grenzen sind in einer<br />
interdisziplinär ausgerichteten Forschungsumgebung, wie sie an<br />
Synchrotronstrahlungszentren herrscht, keinesfalls klar gezogen. Es<br />
sollen hier neue Entwicklungen auf dem Gebiet der Strahlungsquellen,<br />
wichtige Anwendungsbereiche von Synchrotronstrahlung mit Bezug<br />
zur <strong>Physikalische</strong>n Chemie, Möglichkeiten zur Nutzung der Strahlung<br />
und künftige Perspektiven neuer Quellen <strong>für</strong> kurzwellige<br />
Strahlung vorgestellt werden.<br />
QUELLEN FÜR SYNCHROTRONSTRAHLUNG<br />
Zurzeit stehen <strong>für</strong> die Nutzung von Synchrotronstrahlung in<br />
Deutschland die beiden nationalen Quellen DORIS III bei DESY in<br />
Hamburg und BESSY II in Berlin zur Verfügung (s. Abb. 1). Es handelt<br />
sich hierbei um moderne Speicherring-Anlagen, an denen gleichzeitig<br />
zahlreiche Nutzer in verschiedenen Spektralbereichen arbeiten können.<br />
Am Synchrotronstrahlungslabor bei DESY arbeiten ca. 2000 Wissenschaftler<br />
an insgesamt 76 Messplätzen, die zu 42 Strahlführungen<br />
gehören. Besonders interessant <strong>für</strong> die <strong>Physikalische</strong> Chemie ist die<br />
Nutzung der harten Röntgenstrahlung zur Strukturforschung des 4,5<br />
GeV-Speicherrings DORIS III. Dies eröffnet einzigartige Möglichkeiten,<br />
vor allem zur Untersuchung von Festkörpern, Grenzflächen, Flüssigkeiten<br />
und Phasenübergängen.<br />
Im Jahr 1999 ging der neue 1,7 GeV-Speicherring BESSY II als<br />
Hochbrillanzquelle <strong>für</strong> Synchrotronstrahlung in Betrieb. Zurzeit befinden<br />
sich 45 Strahlrohre im Betrieb bzw. Aufbau. Schwerpunkte <strong>für</strong><br />
experimentelle Arbeiten mit Bezug zur <strong>Physikalische</strong>n Chemie reichen<br />
von Studien an Molekülen, Clustern und Grenzflächen bis hin zu<br />
Festkörpern und den Lebenswissenschaften. Hier<strong>für</strong> lässt sich weiche<br />
und harte Röntgen-Strahlung, Vakuum-UV-Strahlung, Infrarot-<br />
Strahlung sowie neuerdings auch Terahertz-Strahlung einsetzen, die<br />
zwischen dem Infrarot- und dem Mikrowellen-Bereich liegt.<br />
Die europäische Quelle ESRF (European Synchrotron Radiation Facility)<br />
in Grenoble (Frankreich) ist weltweit eine der drei großen Röntgenquellen,<br />
die sich durch eine besonders hohe Brillanz der Strahlung<br />
auszeichnet. An ihr ist die Bundesrepublik Deutschland zu 25% beteiligt.<br />
Aus dem reichen Nutzungsprofil der ESRF sind besonders<br />
folgende Bereiche hervorzuheben: Die Aufklärung von Molekülstruk-<br />
ASPEKTE<br />
turen mit Beugungsmethoden, elementspezifische Strukturuntersuchungen<br />
und in situ Experimente zu katalytischen Prozessen.<br />
Vier regionale Quellen sind derzeit in Deutschland mit teils beschränktem<br />
Zugang im Betrieb: ANKA (Karlsruhe), DELTA (Dortmund),<br />
ELSA (Bonn) und ELBE (Rossendorf). Die Anlage ANKA wird<br />
seit dem Jahr 20<strong>01</strong> betrieben und befindet sich noch im Aufbau. Hier<br />
sollen vorwiegend Dienstleistungen <strong>für</strong> die Wirtschaft in den Bereichen<br />
Mikrofertigung und Analytik erbracht werden. Innovativ ist das<br />
Erweiterungsprojekt „Synchrotron-Umweltlabor“, das aus einem<br />
Röntgenstrahlrohr mit der Möglichkeit zur Kombination von Mikrofokusmessungen<br />
von Röntgenabsorption, -fluoreszenz und -diffraktion<br />
am selben Probenort sowie einem µ-FTIR-Messplatz besteht. DELTA<br />
und ELSA sind universitäre Einrichtungen, an denen vor allem lokale<br />
Nutzer aus den Naturwissenschaften arbeiten. Bei der Anlage in<br />
Rossendorf handelt es sich um einen Freie-Elektronen-Laser (FEL) <strong>für</strong><br />
Infrarot-Strahlung.<br />
Abb. 1: Blick in die Experimentierhalle der Speicherringanlage BES-<br />
SY II in Berlin-Adlershof. Zu erkennen sind die Strahlrohre, in denen<br />
die Synchrotronstrahlung zu den Experimenten gelangt sowie die<br />
Experimentierplätze am Ende der Strahlrohre (Quelle: BESSY).<br />
Neben den genannten Quellen drängen Naturwissenschaftler aus<br />
Deutschland auch an weitere internationale Synchrotronstrahlungszentren,<br />
die in Europa, aber auch in Nordamerika und in Japan zu finden<br />
sind. Neuere Hochbrillanz-Quellen <strong>für</strong> den weichen Röntgenbereich<br />
sind u. a. MAX-II in Lund (Schweden), ELETTRA, Triest (Italien),<br />
Prof. Dr. Eckart Rühl, Lehrstuhl <strong>für</strong> <strong>Physikalische</strong> Chemie I, Universität<br />
Würzburg, Am Hubland, 97074 Würzburg, Tel.: (0931) 888-6300,<br />
Fax: (0931) 888-6302, E-Mail: eruehl@phys-chemie.uni-wuerzburg.de<br />
Prof. Dr. Helmut Berntagnolli, Institut <strong>für</strong> <strong>Physikalische</strong> Chemie, Universität<br />
Stuttgart, Pfaffenwaldring 55, 70569 Stuttgart, Tel.: (0711) 685-4451,<br />
Fax: (0711) 685-4443, E-Mail: h.bertagnolli@ipc.uni-stuttgart.de<br />
11
ASPEKTE<br />
Swiss Light Source (SLS), Villingen (Schweiz), Advanced Light Source<br />
(ALS), Berkeley (U.S.A.) sowie künftig SOLEIL, Saclay (Frankreich).<br />
Für den harten Röntgenbereich stehen u. a. folgende neue Anlagen<br />
zur Verfügung: Advanced Photon Source (APS), Argonne (U.S.A.),<br />
SPring-8, Hyogo (Japan) und künftig DIAMOND, Chilton (England). Die<br />
Nutzer von Synchrotronstrahlung nehmen oftmals weite Wege in<br />
Kauf, um weltweit die besten Experimentiermöglichkeiten <strong>für</strong> ihre<br />
Forschung vorzufinden. Daher stehen auch die deutschen Synchrotronstrahlungsquellen<br />
im internationalen Wettbewerb, die besten<br />
Nutzergruppen anzuziehen.<br />
Die Nutzung von Synchrotronstrahlung ist in den meisten der genannten<br />
Anlagen auf verschiedene, wohl abgestimmte Weise möglich:<br />
Das Angebot reicht von Test- und Schnupper-Experimenten, über<br />
die Bereitstellung von funktionierenden Messapparaturen und fachkundiger<br />
Unterstützung, bis hin zu längerfristigen Forschungsperspektiven,<br />
in denen meist eigene Experimente und methodische Entwicklungen<br />
genutzt werden. Trotz der mittlerweile ansehnlichen<br />
Anzahl von vorhandenen Messplätzen findet regelmäßig ein Wettbewerb<br />
um die begrenzte Strahlzeit jeder Anlage statt. Daher ist es weltweit<br />
üblich, dass unabhängige Gutachtergremien die Experimentiervorschläge<br />
bewerten. Nur die besten Vorhaben können in den<br />
nachfolgenden Monaten realisiert werden. Dies ist <strong>für</strong> die meisten<br />
Nutzer von Synchrotronstrahlung ein akzeptables, praktisches und<br />
planbares Verfahren, das die hohe Qualität der Arbeiten sichert. Für<br />
den Bereich der Lebenswissenschaften wird zunehmend ein vereinfachter<br />
und schnellerer Zugang zur begehrten Strahlzeit eröffnet, damit<br />
empfindliche Proben schon bald nach ihrer Präparation untersucht<br />
werden können.<br />
WAS BIETET SYNCHROTRONSTRAHLUNG FÜR DIE<br />
PHYSIKALISCHE CHEMIE?<br />
Die hervorragenden Eigenschaften der Synchrotronstrahlung lassen<br />
sich im Hinblick auf ihre Nutzung folgendermaßen charakterisieren:<br />
• Extrem breiter Spektralbereich: Breitbandig durchstimmbare<br />
Strahlung erlaubt u. a. elementspezifische Strukturuntersuchungen<br />
z. B. auf Grund der Röntgenabsorption (EXAFS: Extended X-<br />
Ray Absorption Fine Structure). Diese Methode eignet sich besonders<br />
zur Untersuchung von amorphen Proben.<br />
• Definierte Zeitstruktur und hohe Zeitauflösung: Nicht nur Kurzpuls-<br />
Laser können Femtosekunden-Pulse liefern, sondern dies gelingt<br />
auch mit Hilfe der Time-Slicing-Technik, die an der Advanced Light<br />
Source entwickelt wurde. Es gelang bereits, 300 fs Pulse zu erzeugen.<br />
Dies ist deutlich kürzer als die sonst übliche Pulslänge der<br />
Synchrotronstrahlung, die 20-30 ps beträgt. Noch kürzere Strahlungspulse<br />
(t < 100 fs) werden von Freie-Elektronen-Lasern emittiert.<br />
Es lassen sich mit kurzen Pulsen kurzwelliger Strahlung in<br />
Verbindung mit zeitsynchronisierten Kurzpulslasern dynamische<br />
Prozesse mit hoher Selektivität in Echtzeit verfolgen.<br />
• Definierte Polarisation: Der definierte und auch veränderbare Polarisationsgrad<br />
der Strahlung, der von linearer Polarisation bis hin zur<br />
zirkularen wie elliptischen Polarisation reicht, ist <strong>für</strong> zahlreiche An-<br />
12<br />
wendungen, wie z. B. zur Untersuchung chiraler Verbindungen,<br />
nutzbar.<br />
• Hohe Brillanz: Verbesserungen der Strahlungsquellen liefern heutzutage<br />
eine deutlich verbesserte Brillanz der Strahlung im Vergleich<br />
zu früheren Quellen. Damit wird eine deutlich höhere Energieauflösung<br />
bei höherem Photonenfluss erreicht. Dies ist <strong>für</strong><br />
spektroskopische Experimente von besonderer Bedeutung.<br />
• Hohe Energieauflösung: Im Bereich der Vakuum-UV-Strahlung<br />
bzw. dem weichen Röntgenbereich kann eine sehr hohe Energieauflösung<br />
(E/∆E) der Synchrotronstrahlung erzielt werden, die bis<br />
in den Bereich von >10 5 reicht. Damit lassen sich z. B. kleinste<br />
Veränderungen der elektronischen Struktur nachweisen, die auf<br />
Grund von schwachen intermolekularen Wechselwirkungen und<br />
dynamischen Prozessen zustande kommen.<br />
• Hohe Ortsauflösung: Nanoskopische Strukturen lassen sich mit<br />
bildgebenden Verfahren, wie z. B. der Röntgen-Mikroskopie, bereits<br />
heute mit einer Auflösung bis zu ca. 20 nm studieren. Die hohe<br />
Ortsauflösung kann auch mit spektroskopischen Experimenten<br />
gekoppelt werden, so dass damit auch die elektronischen und<br />
chemischen Eigenschaften der zu untersuchenden Probe mit hoher<br />
Ortsauflösung charakterisiert werden können.<br />
• Räumliche Kohärenz: In flukturierenden Systemen wird mit<br />
kohärenter Röntgenstrahlung deren Dynamik auf atomarer und<br />
molekularer Skala zugänglich. Diese Eigenschaft der Strahlung<br />
wird besonders <strong>für</strong> die Nutzung der künftig verfügbaren Freie-Elektronen-Laser<br />
von Bedeutung sein und neue Einblicke in chemische<br />
Reaktionen erlauben.<br />
• Variable Probenumgebung: Die verschiedenen Experimente mit<br />
Synchrotronstrahlung erfordern eine angemessene und einstellbare<br />
Probenumgebung. Der Umgebungsdruck der Probe lässt sich z.<br />
B. vom Ultrahochvakuum über Atmosphärendruck bis hin zu extrem<br />
hohen Drücken im GPa-Bereich einstellen. Damit können geeignet<br />
Oberflächen- bzw. Grenzflächen, Moleküle und Cluster,<br />
Flüssigkeiten, elektrochemische Prozesse, aber auch chemische<br />
Reaktionen untersucht werden.<br />
NUTZUNG VON SYNCHROTRONSTRAHLUNG IN<br />
DER PHYSIKALISCHEN CHEMIE<br />
Die hervorragenden Eigenschaften der Synchrotronstrahlung lassen<br />
sich <strong>für</strong> die verschiedenen Bereiche der <strong>Physikalische</strong>n Chemie<br />
und angrenzende Fächer nutzen. An Stelle einer vollständigen Darstellung<br />
sollen hier stellvertretend nur einige ausgewählte Themenbereiche<br />
vorgestellt werden.<br />
A. Moleküle, Radikale und Cluster<br />
BUNSEN-MAGAZIN · 6. JAHRGANG · 1/<strong>2004</strong><br />
Die elektronischen und dynamischen Eigenschaften von Molekülen,<br />
Radikalen und freien Clustern variabler Größe lassen sich mit<br />
Synchrotronstrahlung sehr genau durch selektive, elementspezifische<br />
Anregung und charakteristische Relaxations- und Fragmentationsprozesse<br />
experimentell untersuchen. Damit wird eine enge Wechselwir-
DEUTSCHE BUNSEN-GESELLSCHAFT<br />
kung mit der Theoretischen Chemie möglich. Auf Grund der hohen<br />
Brillanz neuer Synchrotronstrahlungsquellen konnten zahlreiche,<br />
grundlegende Eigenschaften dieser Spezies in der Gasphase sowie in<br />
Matrices erarbeitet werden. Hierzu gehören u. a. Solvatationsverschiebungen<br />
in elementselektiv angeregten Clustern und Eigenschaften<br />
kurzlebiger Radikale, die <strong>für</strong> das Verständnis von Verbrennungsprozessen<br />
und photochemischen Reaktionen in der Umwelt von<br />
Bedeutung sind. Die Kombination von Laserquellen mit Synchrotronstrahlung<br />
erlaubt es zudem, die Dynamik photochemischer Reaktionen<br />
mit Synchrotronstrahlung zu untersuchen.<br />
B. Reaktionen an Oberflächen und heterogenene Katalyse<br />
Das Verständnis der heterogenen Katalyse basiert auf zahlreichen,<br />
grundlegenden Experimenten zur Adsorption von<br />
Gasen auf definierten Oberflächen. Für Studien an realistischen Oberflächen,<br />
auf denen heterogen katalysierte Reaktionen bei variablen<br />
Temperatur- und Druck-Bedingungen ablaufen, sind die klassischen<br />
Methoden der Oberflächenphysik meist nicht einsetzbar. Daher<br />
wurden in der jüngeren Vergangenheit verstärkt Anstrengungen<br />
unternommen, heterogen katalysierte Reaktionen unter realistischen<br />
Bedingungen zu untersuchen. Synchrotronstrahlung spielt hier eine<br />
zentrale Rolle, da sowohl die Röntgen-Photoelektronen-Spektroskopie<br />
als auch die Röntgen-Absorption hochselektive Detektionsmethoden<br />
darstellen, mit denen sich der Ort der Adsorption auf der<br />
Oberfläche nachweisen lässt. Es können mittlerweile auch in situ-Untersuchungen<br />
zur heterogenen Katalyse bei vergleichsweise hohen<br />
Drücken, die bis in den Hekto-Pascal-Bereich reichen, durchgeführt<br />
werden. Der Vorteil dieses Ansatzes liegt auf der Hand: Die<br />
empirische Optimierung von Katalysatoren weicht einem<br />
zielgerichteten, systematischen Vorgehen, in dem mit Hilfe der Röntgen-Absorption<br />
die Produktbildung bzw. reaktive Intermediate optimiert<br />
werden können. Dies gilt nicht nur <strong>für</strong> Modellsysteme, sondern<br />
auch <strong>für</strong> Realkatalysatoren. Ebenso lässt sich mit diesem neuen Ansatz<br />
zeigen, an welchem Ort die katalytische Reaktion auf einer Oberfläche<br />
abläuft und unter welchen Bedingungen es zur Vergiftung des<br />
Katalysators kommt. Des Weiteren führt die Ermittlung der Oxidationsstufen<br />
des katalytisch aktiven Zentrums zu einem besseren Verständnis<br />
bzw. unter Umständen zur Aufklärung der Reaktionsmechanismen.<br />
Eine sich anschließende gezielte Modifizierung der<br />
Katalysatoren kann zu erhöhten Produktausbeuten führen. Dieser<br />
Aspekt ist <strong>für</strong> industrielle Anwendungen von fundamentaler Bedeutung.<br />
C. Schichten organischer Moleküle<br />
Geordnete Schichten organischer Moleküle sind wegen der Vielfalt<br />
ihrer elektronischen und optischen Eigenschaften von Interesse <strong>für</strong><br />
mögliche Anwendungen im Bereich der Biosensorik und Molekularelektronik.<br />
Grundlegende Eigenschaften orientierter Moleküle auf<br />
Oberflächen lassen sich unter Nutzung der Polarisation von Synchrotronstrahlung<br />
untersuchen, die elektronische und vibronische<br />
Übergänge widerspiegeln und empfindlich von den intermolekularen<br />
Wechselwirkungen in der Molekülschicht abhängen. Von besonderem<br />
Interesse wird es künftig sein, in Prozessen des epitaktischen<br />
Wachstums organischer Schichtsysteme ortsaufgelöst die Adsorptions-,<br />
Diffusions- und Schichtbildungsprozesse verfolgen zu können.<br />
D. Struktur der kondensierten Materie<br />
Die Struktur kristalliner wie amorpher Festkörper und Flüssigkeiten,<br />
die organische oder anorganische Substanzen enthalten, einschließlich<br />
Schmelzen und Gläsern, lässt sich mit Röntgenstrahlung unter<br />
Nutzung von Beugungs- und Streu-Methoden studieren. Diese Möglichkeit<br />
bietet sich ebenso bei der Untersuchung von anorganisch-organischen<br />
Hybridmaterialien. Die Nah- und Fernordnung im Bereich<br />
eines elementselektiv angeregten Atoms sowie Aussagen zu Defekten<br />
werden u. a. aus Pulverdiffraktogrammen, der anomalen Röntgenbeugung<br />
bzw. winkeldispersiven Messungen gewonnen. Diese<br />
Selektivität erlaubt es auch, die im Inneren eines Festköpers liegenden<br />
Strukturen zu untersuchen, wie z. B. strukturierte Core-Shell Nanopartikel,<br />
die als Film auf einer Oberfläche deponiert werden können.<br />
Die Eigenschaften von freien Nanopartikeln, die berührungslos in einer<br />
Falle gespeichert sind, lassen sich neuerdings auch mit Synchrotronstrahlung<br />
studieren. Ebenso können freie Flüssigkeitsstrahlen<br />
im Hinblick auf die elektronische Struktur der gelösten Stoffe mit<br />
Synchrotronstrahlung im Vakuum-UV- und weichen Röntgenbereich<br />
charakterisiert werden.<br />
E. In situ-Elektrochemie<br />
Die in situ-Untersuchung elektrochemischer Prozesse ist mit harter<br />
Röntgenstrahlung möglich. Damit können in wässriger Lösung<br />
elektrochemische Reaktionen auf Elektrodenoberflächen studiert<br />
werden, wozu sowohl Absorptions- als auch Reflexionsmessungen,<br />
aber auch „stehende“ Röntgenwellen dienen. Mit diesen Methoden<br />
kann mit hoher Empfindlichkeit elementspezifisch auf atomarer Skala<br />
nachgewiesen werden, wo sich Metalle auf einer Elektrode abscheiden.<br />
Künftig stehen Strukturuntersuchungen zu dynamischen Prozessen<br />
an Elektroden im Fokus des Interesses, so dass die Kinetik des<br />
Übergangs des solvatisierten Ions in Lösung an die Elektrode verfolgt<br />
werden kann.<br />
F. Lebens- und Umweltwissenschaften<br />
Bildgebende Verfahren, wie die Röntgenmikroskopie und damit<br />
verbundene tomographische Verfahren, liefern dreidimensionale Nanostrukturen<br />
biologischer Materie in ihrer natürlichen, wässrigen Umgebung.<br />
Mit diesem Verfahren lassen sich auch Umweltproben, z. B.<br />
die Verteilung von Metallen in Bodenproben mit hoher Ortsauflösung,<br />
untersuchen. In vitro gelingen fundamentale Untersuchungen zu Prozessen<br />
der Membran-Biochemie, die in nahezu beliebiger Umgebung<br />
mit Hilfe grenzflächensensitiver Beugungsmethoden studiert werden<br />
können. Langwellige, durchstimmbare Strahlung im Infrarotbereich<br />
lässt sich hervorragend <strong>für</strong> zeitaufgelöste Experimente zu molekularen<br />
Reaktionsmechanismen von Proteinen nutzen.<br />
G. Materialwissenschaften und industrielle Anwendungen<br />
ASPEKTE<br />
Die Nutzung von Synchrotronstrahlung in den Materialwissenschaften<br />
und in der industriellen Forschung ist breit gefächert. Die<br />
zerstörungsfreie Charakterisierung von Materialien und Werkstoffen<br />
lässt sich mit der hohen Ortsauflösung in der Röntgenbeugungsmikroskopie<br />
sowie der Mikrotomographie verbinden. Neue und<br />
leistungsfähige Werkstoffe sowie Referenzmaterialien lassen sich<br />
somit charakterisieren. Katalysatoren zur Reinigung von Kraft-<br />
13
ASPEKTE<br />
fahrzeugabgasen werden mit der EXAFS-Spektroskopie charakterisiert<br />
und optimiert. Ebenso wird Synchrotronstrahlung in der Biotechnolgie<br />
und zum Drug Design eingesetzt. Die Mikrostrukturierung von<br />
Werkstoffen im Hinblick auf die Nutzung in der Mikromechanik, die<br />
Herstellung von Mikrokomponenten wie auch lithographische Verfahren<br />
erfordern den Einsatz von Synchrotronstrahlung. Die Verwendung<br />
der Röntgenfluoreszenzspektroskopie stellt auf Grund ihres hochempfindlichen,<br />
elementspezifischen Nachweises eine weitere, wichtige<br />
industrienahe Charakterisierungsmethode dar. Da mit Synchrotronstrahlung<br />
Analysen mit hoher Ortsauflösung möglich sind,<br />
eröffnet sich hier, selbst auf fachfremden Gebieten, ein weites<br />
Anwendungsfeld. Man denke dabei zum Beispiel an die Begutachtung<br />
wertvoller Kunstgegenstände, archäologischer Funde und Antiquitäten.<br />
Erwähnung sollte hier auch die Reinheitskontrolle bei der<br />
Chipherstellung mittels Röntgenfluoreszenz finden. Selbst in der<br />
Forensik stellt die Röntgenfluoreszenz mittlerweile eine etablierte<br />
Methode dar.<br />
H. Untersuchung magnetischer Strukturen<br />
Mit der Entwicklung der Synchrotronstrahlungsquellen hat sich<br />
den Forschern ein weiteres Arbeitsgebiet eröffnet, nämlich die Untersuchung<br />
magnetischer Strukturen. Die resonante magnetische Röntgenstreuung<br />
trägt zur Aufklärung komplexer magnetischer Strukturen<br />
im Mikromaßstab bei. Weit wichtiger ist mittlerweile jedoch die experimentelle<br />
Zugänglichkeit des zirkularen magnetischen Röntgendichroismus<br />
(XMCD). Die Absorption von linear polarisierter Röntgenstrahlung<br />
von magnetischen Materialien hängt vom Betrag der<br />
Magnetisierung und vom Winkel der Magnetisierungsrichtung zur<br />
Ausbreitungsrichtung der Strahlung ab. Über die Änderung der Röntgenabsorption<br />
kann das mittlere magnetische Moment der Probe bestimmt<br />
werden. Der Vorteil dieser Charakterisierungsmethode liegt in<br />
ihrer hohen Genauigkeit und der elementspezifischen Bestimmung<br />
der einzelnen Spin- und Bahnmomente von Mehrkomponentensystemen.<br />
Die Bestrebungen in der Forschung sind dahingehend, das magnetische<br />
Verhalten verschiedener Stoffe auf mikroskopischer Ebene<br />
aufzuklären. Das erzielte theoretische Verständnis kann anschließend<br />
in die Entwicklung neuer Werkstoffe einfließen. Diese Möglichkeit ist<br />
speziell im Hinblick auf die Entwicklung neuer Speichermedien von<br />
großer Bedeutung. Orts- und zeitaufgelöste Untersuchungen an magnetischen<br />
Werkstoffen stellen ein aktuelles Gebiet der Forschung<br />
dar.<br />
KÜNFTIGE ENTWICKLUNGEN VON<br />
STRAHLUNGSQUELLEN<br />
Die Anzahl der Synchrotronstrahlungsquellen hat in den vergangenen<br />
Jahrzehnten stark zugenommen, da das enorme Potential dieser<br />
Strahlungsquellen weltweit erkannt wurde. Damit konnte sich die<br />
Nutzung der Synchrotronstrahlung von einer Domäne der Physik zu<br />
einem breit einsetzbaren Instrument etablieren, das auch fest in der<br />
<strong>Physikalische</strong>n Chemie verankert ist. Auf Grund des hohen Bedarfs an<br />
Synchrotronstrahlung werden verbesserte Strahlungsquellen in den<br />
kommenden Jahren zum Einsatz kommen. Die Attraktivität der<br />
Nutzung dieser Quellen liegt nicht nur in der Grundlagenforschung,<br />
sondern auch in der angewandten Forschung bis hin zur industriellen<br />
Nutzung.<br />
14<br />
BUNSEN-MAGAZIN · 6. JAHRGANG · 1/<strong>2004</strong><br />
Neue Entwicklungen auf dem Gebiet der Maschinenphysik werden<br />
vor allem den Nutzern von Synchrotronstrahlung zugute kommen.<br />
Nach der Bereitstellung von weiteren Hochbrillanzquellen, wie z. B.<br />
der bald anstehende Umbau des Speicherrings PETRA zu einer modernen<br />
Quelle <strong>für</strong> harte Röntgenstrahlung am DESY, sind neue und<br />
sehr viel weiter gehende Entwicklungen bereits klar umrissen. Freie-<br />
Elektronen-Laser, die nach dem Self Amplification of Spontaneous<br />
Emission (SASE)-Prinzip arbeiten, konnten bereits erfolgreich an der<br />
TESLA-Test-Facility am DESY in Hamburg in Betrieb genommen werden.<br />
Sie sind ähnlich in ihrer Maximalleistung wie moderne Hochleistungslaser<br />
im Labor, die aber nur langwellige Strahlung im Infrarot<br />
bzw. sichtbaren und UV-Bereich emittieren (z. B. Terawatt- und Excimer-Laser;<br />
s. Abb. 2).<br />
Abb. 2: Vergleich der Maximalleistung existierender und projektierter<br />
Strahlungsquellen als Funktion der Photonenergie bzw. der<br />
Wellenlänge (Quelle: BESSY).<br />
SASE-FEL werden künftig im weichen und harten Röntgenbereich<br />
arbeiten. Die Spitzenstrahlstärke dieser Quellen wird um bis zu zehn<br />
Größenordnungen über der von gegenwärtigen Synchrotronstrahlungsquellen<br />
liegen, wobei die Erzeugung von Pulslängen im Bereich<br />
von 20 Femtosekunden möglich sind. Es gelang bereits, erste Resultate<br />
an der TESLA-Test Facility am DESY mit dieser neuen Methode<br />
zur Erzeugung kurzwelliger Strahlung zu erzielen. Ein Prototyp-Experiment<br />
bestand in der Fragmentation freier Cluster, wobei bisher unbekannte<br />
Fragmentationsprozesse beobachtet wurden. Die künftigen<br />
Anwendungen von FEL-Quellen sind <strong>für</strong> die <strong>Physikalische</strong> Chemie<br />
zwar bereits skizziert, aber keinesfalls bereits vollständig absehbar. Es<br />
bieten sich hervorragende Perspektiven <strong>für</strong> die Strukturforschung sowie<br />
<strong>für</strong> die Erforschung der dynamische Eigenschaften physikochemischer<br />
Systeme. Hier<strong>für</strong> wird der Röntgen-FEL (TESLA-FEL), der als<br />
internationales Gemeinschaftsprojekt am DESY in Hamburg realisiert<br />
werden soll, eine zentrale Rolle spielen (s. Abb. 2). Es ist aber auch zu<br />
hoffen, dass diese neue Quelle zur Erzeugung hochintensiver Röntgen-Strahlung<br />
den Bau komplementärer Anlagen im Vakuum-UV- und<br />
weichen Röntgen-Bereich ermöglichen wird. Ein Vorschlag zur Realisierung<br />
einer solchen Anlage wird zurzeit bei BESSY erarbeitet.
DEUTSCHE BUNSEN-GESELLSCHAFT<br />
Es zeichnen sich bereits heute Weiterentwicklungen von Speicherringanlagen<br />
<strong>für</strong> Synchrotronstrahlung ab, die auf dem ERL-Prinzip<br />
(Energy Recovery Linear Accelerator) beruhen. Allerdings wird es<br />
nach dem „Proof of Principle“ in den U.S.A. noch einige Jahre dauern,<br />
bis diese Strahlungsquellen zur allgemeinen Nutzung einsatzbereit<br />
sind. Der Vorteil gegenüber einem Speicherring besteht darin, dass<br />
extrem kurze Elektronenpakete mit sehr kleiner Emittanz die Beschleuniger-Anlage<br />
nur ein einziges Mal durchlaufen. Damit werden<br />
„Verschmierungen“ der Elektronenpakete, die im Speicherring nach<br />
vielen Umläufen auftreten, wirkungsvoll vermieden. Das Resultat ist,<br />
dass die Brillanz der emittierten Strahlung um Größenordnungen über<br />
der von heute führenden Speicherringanlagen liegen wird.<br />
AUSBLICK<br />
ASPEKTE<br />
Synchrotronstrahlung hat seit ihrer Entdeckung vor mehr als 50<br />
Jahren, wo sie als „Abfallprodukt“ in Beschleunigeranlagen beobachtet<br />
wurde, eine rasante und einmalige Entwicklung durchlaufen. Mit<br />
der Weiterentwicklung von Quellen <strong>für</strong> kurzwellige und hochintensive<br />
Strahlung werden sich künftig auch die Perspektiven und Erwartungen<br />
<strong>für</strong> ihre Nutzung verschieben. Dies gilt sowohl <strong>für</strong> die Grundlagenforschung<br />
als auch <strong>für</strong> die angewandte und industrielle Forschung<br />
im Bereich der <strong>Physikalische</strong>n Chemie. Den Möglichkeiten zur Erforschung<br />
physikochemischer Fragestellungen, vor allem auf den Gebieten<br />
von Struktur und Dynamik der Materie, sind damit keine absehbaren<br />
Grenzen gesetzt.<br />
15
TAGUNGEN<br />
Stefan Schmatz und Mirjana Mladenović<br />
39. Symposium <strong>für</strong> Theoretische Chemie<br />
Organisiert wurde es von Hans-Peter Lüthi (ETH Zürich), Martin<br />
Quack (ETH Zürich) und Jürgen Stohner (ZHW Winterthur). Die Konferenzsprache<br />
war wie bereits auf den vergangenen Tagungen Englisch.<br />
In 28 fünfundvierzigminütigen Vorträgen wurde die Intention der<br />
Veranstalter umgesetzt, Theorie und Experiment zusammenzubringen<br />
und einen Überblick über den aktuellen Stand der Forschung zu bieten.<br />
Die insgesamt 127 Poster aus allen Bereichen der Theoretischen<br />
Chemie wurden in zwei Abendsitzungen von den etwa 160 Tagungsteilnehmern<br />
lebhaft diskutiert.<br />
Jürgen Troe (Göttingen) zeigte, dass das Model statistischer adiabatischer<br />
Reaktionskanäle (statistical adiabatic channel model, SACM)<br />
<strong>für</strong> Dissoziations- und Assoziationsreaktionen in Verbindung mit klassischen<br />
Trajektorien-Rechnungen mitunter bis hinab in den Mikro-Kelvin-Bereich<br />
aussagekräftige Ergebnisse liefern kann. Eindrucksvoll<br />
demonstrierte Wim Klopper (Karlsruhe), dass explizit korrelierte Methoden<br />
der Elekronenstrukturtheorie ausgezeichnete Ergebnisse <strong>für</strong><br />
BUNSEN-MAGAZIN · 6. JAHRGANG · 1/<strong>2004</strong><br />
Das 39. Symposium <strong>für</strong> Theoretische Chemie (STC 2003) fand unter dem Titel „Molecular Spectroscopy<br />
and Dynamics“ vom 28. 9. bis 2. 10. 2003 in Gwatt am Thuner See (Schweiz), einem landschaftlich äußerst<br />
attraktiven Tagungsort, statt.<br />
Das direkt am Thuner See gelegene Gwatt-Zentrum bot eine sehr<br />
angenehme Atmosphäre.<br />
Priv.-Doz. Dr. Stefan Schmatz, Priv.-Doz. Dr. Mirjana Mladenović,<br />
Institut <strong>für</strong> <strong>Physikalische</strong> Chemie,<br />
Georg-August-Universität Göttingen, Tammannstr. 6, 37077 Göttingen,<br />
E-Mail: sschmat@gwdg.de, mmladen@gwdg.de<br />
16<br />
sehr kleine Moleküle liefern können; <strong>für</strong> Anwendungen an Systemen<br />
mit 50 oder mehr Atomen sind jedoch vereinfachte explizit korrelierte<br />
Coupled-Cluster-Modelle, wie CC2-R12 oder CCSD(R12), erforderlich.<br />
Hans-Joachim Werner (Stuttgart) berichtete über bahnbrechende<br />
Fortschritte bei der Behandlung der lokalen Elektronenkorrelation<br />
(MP2 und Coupled Cluster-Methoden) mit linearer Skalierung. Die besonders<br />
kostenintensive Transformation von Zweielektronen-Integralen<br />
kann durch eine lokale Dichteanpassung (local density fitting) erheblich<br />
verbessert werden. In einem von der Zeitschrift Physical<br />
Chemistry Chemical Physics finanzierten<br />
Vortrag berichtete<br />
Kimihiko Hirao (Tokio) u.a.<br />
über Rechnungen zu spektroskopischen<br />
Konstanten und<br />
Strukturen kleiner Moleküle,<br />
elektronisch angeregte Zustände<br />
von Übergangsmetallkomplexen<br />
und Wasser-Cluster.<br />
Die sechsdimensionale intramolekulare<br />
Dynamik von Systemen<br />
vom Typ HONO, die eine<br />
cis-trans-Isomerisierung<br />
aufweisen, behandelte David<br />
Luckhaus (Göttingen). Adiabatische<br />
Kontraktionstechniken<br />
erlauben es, die Dynamik bei<br />
sehr hohen Energien (bis zum<br />
sechsten Oberton der OH-<br />
Streckschwingung) zu studieren.<br />
Marius Lewerenz (Paris)<br />
zeigte am Beispiel des Thiiran-HF-Dimeren, dass die Einbeziehung der<br />
Kopplung an niederfrequente Moden essentiell zur Behandlung der<br />
experimentell und theoretisch untersuchten Verschiebung der hochfrequenten<br />
HF-Mode ist. Walter Thiel (Mülheim) referierte über qualitativ<br />
hochwertige ab initio Potentialhyperflächen, die in störungstheoretischen<br />
und variationellen Verfahren zur Berechnung der<br />
Schwingungs-Rotations-Struktur verwendet wurden. Über Fortschritte<br />
in der Behandlung des intermolekularen Zerfalls und des ultraschnellen<br />
Energietransfers in Clustern und schwach gebundenen Systemen<br />
berichtete Lorenz Cederbaum (Heidelberg). Der Mechanismus<br />
des intermolekularen Coulomb-Zerfalls in molekularen Komplexen<br />
nach Innerschalen-Ionisierung wurde im Einzelnen begründet.<br />
Über theoretische Untersuchungen an katalytisch wirkenden Übergangsmetalloxiden<br />
sprach Joachim Sauer (Berlin). Für Vanadiumoxid,<br />
das bei der Oxidation von Methanol zu Formaldehyd verwendet wird,<br />
wurde mittels Dichtefunktional-Methoden der Einfluss der Teilchen-
DEUTSCHE BUNSEN-GESELLSCHAFT<br />
größe des Katalysators, von der idealen Kristalloberfläche bis hin zum<br />
Gasphasen-Cluster, studiert.<br />
Gernot Frenking (Marburg) beschäftigte sich mit der Interpretation<br />
der chemischen Bindung. Die Differenzierung in elektrostatische<br />
und kovalente Bindungsanteile anhand der Energie-Aufteilungs-Analyse<br />
wurde u.a. an Übergangsmetallkomplexen veranschaulicht.<br />
Von eindrucksvollen zustandsaufgelösten Experimenten an Molekül-Oberflächen-Reaktionen<br />
berichtete Rainer Beck (Lausanne). Die<br />
Chemisorption von Methan an einer Nickel-Oberfläche wurde <strong>für</strong> mehrere<br />
Schwingungsanregungen des Adsorbats untersucht, wobei deutlich<br />
verschiedene Reaktivitäten <strong>für</strong> unterschiedliche, aber nahezu<br />
isoenergetische Schwingungsniveaus gefunden wurden. John Maier<br />
(Basel) sprach über elektronische Spektren von Kohlenstoffketten sowie<br />
deren Kationen und Anionen, wobei er die Implikationen <strong>für</strong> die<br />
Astrophysik einerseits und die Nanotechnologie anderseits herausstellte.<br />
Samuel Leutwyler (Bern) präsentierte eine experimentelle<br />
Studie des komplizierten Protonentransfers entlang drahtförmiger,<br />
wasserstoffbrückengebundener Komplexe am Beispiel von 7-Hydroxychinolin-(NH3)3.<br />
Während des Symposiums wurde zum fünften Male der Hellmann-<br />
Preis verliehen. Diesjähriger Preisträger war Georg Kresse (Wien). Der<br />
Titel seines Vortrages lautete The importance of single electron orbitals<br />
for the description of CO adsorption<br />
on surfaces. Den Preis<br />
bekam Kresse <strong>für</strong> "die quantenmechanische<br />
Behandlung komplexer<br />
Systeme der kondensierten<br />
Materie". Mit der<br />
Weiterentwicklung von Dichtefunktionalmethoden<br />
<strong>für</strong> ebene<br />
Wellen und ihrer effizienten<br />
programmtechnischen Implementierung<br />
habe Kresse der<br />
first principles-Simulation von<br />
Festkörpern und Festkörper-<br />
Hellmann-Preisträger<br />
Georg Kresse<br />
TAGUNGEN<br />
oberflächen einen weiten Kreis<br />
neuer Anwendungen erschlossen.<br />
Das 40. Symposium <strong>für</strong> Theoretische Chemie wird von Gernot<br />
Frenking vom 19. 9. bis 23. 9. <strong>2004</strong> in Suhl (Thüringen) organisiert<br />
werden.<br />
17
TAGUNGEN<br />
Organisation: SFB 458 (Chair: Prof. Dr. K. Funke) and SPP 1136 (Chair: Prof. Dr. J. Janek)<br />
Ionic materials with disordered structures play a central role in the<br />
rapidly developing field of technological applications now known as<br />
SOLID STATE IONICS. These materials include crystals, glasses, and<br />
polymers. In crystals, the extent of disorder ranges from isolated point<br />
defects to completely disordered sublattices. Lattice periodicity is lost<br />
in the glassy state, and polymers even lack a rigid matrix. In ionic materials,<br />
disorder is both static and dynamic in character, ionic movements<br />
and ionic transport being highly correlated phenomena. This is<br />
a consequence of the combined effects of structure and interaction.<br />
The Discussion Meeting is devoted to fundamental aspects of ionic disorder,<br />
movement and transport as well as to future technological applications.<br />
Work being presented and discussed includes the synthesis<br />
and characterisation of new disordered ionic materials, the<br />
experimental study of ionic motion and mass transport by complementary<br />
techniques and the attempt to understand the complex ion<br />
dynamics by the help of numerical simulations and physical models.<br />
This comprehensive programme will provide a basis for designing materials<br />
with optimised ion-transport properties. In particular, there is<br />
now great interest in tailoring new ionic materials based on solid solutions<br />
containing a variety of different ions. Therefore, the meeting also<br />
includes contributions from exploratory work on new ionic materials<br />
in the field of solid state chemistry.<br />
THE MEETING CONCENTRATES ON THE<br />
FOLLOWING TOPICS:<br />
• New materials: synthesis and characterisation<br />
• Mobile ions: structural environments and elementary steps<br />
• Hopping dynamics: from elementary steps to macroscopic transport<br />
• Variation of composition: effects on structure and dynamics<br />
• Solid state ionics: future applications of ion conducting materials<br />
BUNSEN-MAGAZIN · 6. JAHRGANG · 1/<strong>2004</strong><br />
84th International Bunsen Discussion Meeting<br />
“Structure and Dynamics of Disordered Ionic Materials”<br />
Münster, October 6 – 8, <strong>2004</strong><br />
18<br />
A PRELIMINARY LIST OF SPEAKERS INCLUDES<br />
THE FOLLOWING COLLEAGUES:<br />
N. Allan (Bristol), C.A. Angell (Tempe), M. Armand (Montréal), A.N.<br />
Cormack (Alfred), R. Dieckmann (Cornell), J. Fleig (Stuttgart), M. Forsyth<br />
(Monash), C. Grey (Stony Brook), R. Grimes (Imperial), J. Horbach<br />
(Mainz), E. Kamitsos (Athens), T. Kawada (Tohuku), J. Kilner (London),<br />
D.R. MacFarlane (Monash), T. Norby (Oslo), J. Schoonman (Delft),<br />
W. Sitte (Leoben), J.-M. Tarascon (Amiens), C.G. Vayenas (Patras),<br />
and several colleagues from SFB 458 and SPP 1136<br />
The Sessions of the Discussion Meeting will be held in the Lecture<br />
Hall of <strong>Physikalische</strong>s Institut/Institut <strong>für</strong> Materialphysik, Wilhelm-<br />
Klemm-Strasse 10, D 48149 Münster, Germany. Münster is connected<br />
to all major German cities by both motorway (“Hansalinie”) and<br />
rail (“IC system” of <strong>Deutsche</strong> Bahn). The local airport FMO (Münster/<br />
Osnabrück) provides regular flight connections to and from Berlin,<br />
Frankfurt, London, München, Stuttgart, and Zürich. For accommodation,<br />
there is a reasonable choice of nearby hotels in Münster.<br />
Organising Committee: Klaus Funke (Münster), Jürgen Janek<br />
(Gießen), Helmut Mehrer (Münster), Michael Binnewies (Hannover)
DEUTSCHE BUNSEN-GESELLSCHAFT<br />
Bernhard Dick<br />
Sparprogramme<br />
SPAREN IM STAATLICHEN ZOO<br />
Das Zooministerium beschließt im Februar, dem staatlichen Zoo<br />
10 % des Futters wegzunehmen. Im Juni wird die Quote auf 15 % erhöht.<br />
Im November wird schließlich eine weitere Kürzung von 10 %<br />
aller Resourcen des Zoos verfügt, also nicht nur Futter, sondern auch<br />
Betriebskosten und Personal. Gleichzeitig ergeht an alle Tiere der<br />
dienstliche Befehl, kräftig und gesund zu sein!<br />
Auf den Protest der Zooleitung hin verkündet der Minister, dass es<br />
zu den Kürzungen keine Alternative gebe. Gleichzeitig gibt er die Verantwortung<br />
an die Zooleitung weiter und fordert sie auf, durch profilbildende<br />
Maßnahmen die Einsparungen in der geforderten Höhe beizubringen.<br />
In dieser Zwangslage sieht der Zoo keine andere Möglichkeit als<br />
25% der Tiere zu schlachten. Um die Attraktivität des Zoos nicht zu<br />
gefährden, werden Publikumslieblinge (Delphine, Streicheltiere etc.)<br />
von dieser Maßnahme ausgenommen. Es werden daher hauptsächlich<br />
solche Tiere geschlachtet, die eigentlich niemand braucht und die<br />
sowieso demnächst aussterben würden. Der Minister lobt den mutigen<br />
Schritt als Beweis da<strong>für</strong>, dass auch ein staatliche Zoo – mit Unterstützung<br />
durch ein wenig finanziellen Druck – in der Lage sei, seine<br />
vergangenheitsorientierte Haltung aufzugeben und sich<br />
entschlossen der Zukunft zuzuwenden.<br />
Einige Zoobesucher warfen der Zooleitung später übermäßige<br />
Grausamkeit vor mit der Behauptung, man habe das Fleisch der geschlachteten<br />
Tiere an die übrig gebliebenen Tiere verfüttert und sie so<br />
zum Kannibalismus gezwungen. Dem muss energisch widersprochen<br />
werden. Alles Fleisch wurde pflichtgemäß an die Küche des Zooministeriums<br />
abgeliefert. Aus üblicherweise gut unterrichteter Quelle<br />
wurde bekannt, dass das Fleisch auf einem Bankett des Zooministers<br />
mit hochrangigen Vertretern der Tierverwertungsindustrie verzehrt<br />
wurde.<br />
Im Februar des folgenden Jahres gibt der Zoominister bekannt,<br />
dass angesichts der finanziellen Situation der öffentlichen Haushalte<br />
der Zoologische Garten nicht länger von den Sparmaßnahmen ausgenommen<br />
werden dürfe sondern nun endlich auch einen Beitrag zur<br />
Konsolidierung liefern müsse. Daher habe er mit sofortiger Wirkung<br />
eine Kürzung der Futtermittel von 10 % angeordnet….<br />
Epilog: Fünf Jahre später wird der Zoo vom Minister in „Besichtigungsanstalt<br />
<strong>für</strong> nützliche Tiere“ umbenannt. Ein weiteres Jahr später<br />
meldet der Zoo, dass zum Jahresende die letzten lebenden Tiere<br />
(eine Herde von Milchkühen) geschlachtet werden müssten. An ihrer<br />
Stelle sollen Plakatwände mit lebensgroßen Photographien aufgestellt<br />
werden.<br />
ZUR AKZEPTANZ DES BACHELORS<br />
LESERBRIEFE<br />
Das „Ministeriums <strong>für</strong> Berufsausbildung“ hat bekannt gegeben,<br />
dass es im Landtag ein Gesetz zur Steigerung der Akzeptanz des Bachelorabschlusses<br />
einbringen wird. Dieses Gesetz sieht vor, dass alle<br />
politischen Amtsträger sich nur noch von solchen Ärzten behandeln<br />
lassen dürfen, die ihr Studium in der 6-semestrigen Regelstudienzeit<br />
mit dem Bachelor abgeschlossen haben und dann in den Beruf gegangen<br />
sind. Ärzte, die nachweisen können, dass sie keine weiteren<br />
Qualifikationen besitzen, erhalten ein Zertifikat, das sie zur Durchführung<br />
dieser Behandlungen berechtigt. Das Zertifikat ist deutlich<br />
sichtbar im Wartezimmer anzubringen. Wie der Sprecher des Ministeriums<br />
auf der gestrigen Pressekonferenz mitteilte, wird dieses Gesetz<br />
das leider noch weit verbreitete Misstrauen gegen die angeblich<br />
mindere Qualität von Bachelorabschlüssen in kurzer Zeit abbauen.<br />
19
NACHRICHTEN<br />
EHRUNGEN<br />
Otto Dopfer, PD Dr., Universität Würzburg,<br />
Institut <strong>für</strong> <strong>Physikalische</strong> Chemie, Mitglied<br />
der Bunsen-Gesellschaft, erhielt von<br />
der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen<br />
den diesjährigen Akademiepreis <strong>für</strong> Chemie.<br />
Hartmut Fueß, Prof. Dr., an der Technischen<br />
Universität Darmstadt, Mitglied der<br />
Bunsen-Gesellschaft, erhielt <strong>für</strong> seine „herausragenden<br />
Beiträge zur Strukturforschung<br />
mit Neutronen und Synchrotronstrahlung“<br />
die Würde eines Doctor honoris causa der<br />
Technischen Universität Bratislava, Slowakei.<br />
Gregor Hoogers, Prof. Dr., Wasserstofftechnologie<br />
und Brennstoffzellen am Umwelt-Campus<br />
Birkenfeld der Fachhochschule<br />
Trier, Mitglied der Bunsen-Gesellschaft, erhielt<br />
<strong>für</strong> seine besonderen Leistungen in Lehre<br />
und Forschung den mit 25.000 € dotierten<br />
Preis der Akademie der Wissenschaften und<br />
Literatur, Rheinland-Pfalz.<br />
Walter Richtering, Prof. Dr., Lehrstuhl <strong>für</strong><br />
<strong>Physikalische</strong> Chemie II RWTH Aachen, Mitglied<br />
der Bunsen-Gesellschaft, erhielt den<br />
Raphael-Eduard-Liesegang-Preis der Kolloidgesellschaft.<br />
GEBURTSTAGE<br />
IM JANUAR <strong>2004</strong><br />
Klaus Luther, Prof. Dr., Göttingen, 60. Geburtstag<br />
am 1. Januar.<br />
Dieter Gold, Dr., Voreppe Cedex, 60. Geburtstag<br />
am 2. Januar.<br />
Horst Jahnke, Dr., Stuttgart, 70. Geburtstag<br />
am 17. Januar.<br />
Heinz Witschi, Dr., Bern, 70. Geburtstag<br />
am 19. Januar.<br />
Manfred Stockburger, Dr., Göttingen,<br />
75. Geburtstag am 4. Januar.<br />
Horst Gentsch, Prof. Dr., Hannover,<br />
80. Geburtstag am 14. Januar.<br />
20<br />
GEBURTSTAGE<br />
IM FEBRUAR <strong>2004</strong><br />
Claus D. Eisenbach, Prof. Dr., Stuttgart,<br />
60. Geburtstag am 14. Februar.<br />
Jürgen Garche, Prof. Dr., Ulm, 60. Geburtstag<br />
am 23. Februar.<br />
Hansjörg Paetow, Dr., Marsac, 60. Geburtstag<br />
am 20. Februar.<br />
Uwe Krüger, Dr., Konstanz, 65. Geburtstag<br />
am 5. Februar.<br />
Siegfried Ebel, Prof. Dr., Würzburg,<br />
70. Geburtstag am 3. Februar.<br />
Helmut Thomann, Prof. Dr., München,<br />
70. Geburtstag am 17. Februar.<br />
Karl-Heinz Drexhage, Prof. Dr., Siegen,<br />
70. Geburtstag am 25. Februar.<br />
Manfred Winnewisser, Prof. Dr., Worthington/Ohio,<br />
70. Geburtstag am 5. Februar.<br />
Hans-Jürgen Knopf, Dr., Frankenthal,<br />
75. Geburtstag am 1. Februar.<br />
Gerd Sandstede, Dr., Frankfurt/Main,<br />
75. Geburtstag am 5. Februar.<br />
Erhard W. Fischer, Prof. Dr., Mainz,<br />
75. Geburtstag am 16. Februar.<br />
Joao Simao, Prof. Dr. Dr., Aveiro, 75. Geburtstag<br />
am 28. Februar.<br />
VERSTORBEN<br />
Dr. Dieter Horn, Schröderstr. 69, 69120<br />
Heidelberg, verstorben am 20.10.2003<br />
Prof. Dr. Willi Lindemann, Pfisterstr. 3,<br />
96050 Bamberg, verstorben am 26.10.2003<br />
NEUANMELDUNGEN<br />
ZUR MITGLIEDSCHAFT<br />
Nr. 78476 Wilhelm-Ostwald-Gesellschaft zu<br />
Grossbothen e.V., Grimmaer<br />
Str. 25, 04668 Großbothen<br />
(durch K. Funke)<br />
BUNSEN-MAGAZIN · 6. JAHRGANG · 1/<strong>2004</strong><br />
Nr. 78477 Dr. Hans-Joachim Kohnke,<br />
Gaskatel GmbH, Holländische<br />
Str. 195, 34127 Kassel<br />
(durch H. Behret)<br />
Nr. 78478 Dr. Jacob Piehler, Johann-Wolfgang-Goethe<br />
Universität, Institut<br />
<strong>für</strong> Biochemie, Biozentrum N210,<br />
Marie-Curie-Str. 9, 60439 Frankfurt<br />
(durch H. Behret)<br />
Nr. 78479 Dr. Timo Fleig, Heinrich-Heine-<br />
Universität Düsseldorf, Institut<br />
<strong>für</strong> Theoretische Chemie, Universitätsstr.<br />
1, 40225 Düsseldorf<br />
(AGTC)<br />
Nr. 78480 Dr. Daniel Sebastiani, MPI Polymerforschung,<br />
Ackermannweg<br />
10, 55128 Mainz (AGTC)<br />
Nr. 78481 Dr. Erwin Marti, APCh Marti<br />
Consulting, Im langen Loh 181,<br />
CH-4054 Basel, Schweiz<br />
(durch H. Behret)<br />
Nr. 78482 Dominike Zielniok, M.Sc., Westfälische<br />
Wilhelms Universität<br />
Münster, Institut <strong>für</strong> <strong>Physikalische</strong><br />
Chemie, Correnstr. 30,<br />
48149 Münster (durch K. Funke)<br />
Nr. 78483 Prabhakar Singh, Westfälische<br />
Wilhelms Universität Münster,<br />
Institut <strong>für</strong> <strong>Physikalische</strong> Chemie,<br />
Correnstr. 30, 48149 Münster<br />
(durch K. Funke)<br />
Nr. 78484 Dr. Radha, Dilip Banhatti, Westfälische<br />
Wilhelms Universität<br />
Münster, Institut <strong>für</strong> <strong>Physikalische</strong><br />
Chemie, Correnstr. 30,<br />
48149 Münster (durch K. Funke)<br />
Nr. 78485 Dr. Sevi Murugavel, Westfälische<br />
Wilhelms Universität Münster,<br />
Institut <strong>für</strong> <strong>Physikalische</strong> Chemie,<br />
Correnstr. 36, 48149 Münster<br />
(durch K. Funke)<br />
Nr. 78486 Dr. Halgard Staesche, Westfälische<br />
Wilhelms Universität<br />
Münster, Institut <strong>für</strong> <strong>Physikalische</strong><br />
Chemie, Correnweg 30,<br />
48149 Münster (durch K. Funke)
DEUTSCHE BUNSEN-GESELLSCHAFT<br />
Nr. 78487 Dr. Yong Gao, Westfälische<br />
Wilhelms Universität Münster,<br />
Institut <strong>für</strong> <strong>Physikalische</strong> Chemie,<br />
Correnstr. 36, 48149 Münster<br />
(durch K. Funke)<br />
Nr. 78488 Dr. Christian Graf, Universität<br />
Würzburg, Institut <strong>für</strong> <strong>Physikalische</strong><br />
Chemie, Am Hubland,<br />
97074 Würzburg (durch E. Rühl)<br />
Nr. 78489 Dr. Roger de Souza, RWTH<br />
Aachen, Institut <strong>für</strong> <strong>Physikalische</strong><br />
Chemie, Templergraben 59,<br />
52056 Aachen (durch M. Martin)<br />
Nr. 78490 Dr. Richard Sauter, Hochackerstr.<br />
11, 74535 Mainhardt,<br />
(durch H. Behret)<br />
VERANSTALTUNGEN<br />
Tagungen der<br />
<strong>Deutsche</strong>n Bunsen-Gesellschaft<br />
Bunsentagung <strong>2004</strong><br />
Thema: „Biomolekulare Grenzflächen“<br />
20.–22. Mai, Dresden<br />
Wissenschaftliche Vorbereitung:<br />
A. Blume (Halle); R. Winter (Dortmund)<br />
Organisatorische Vorbereitung:<br />
Th. Wolff (Dresden)<br />
Vorbereitung des Industriesymposiums<br />
„Biologische Makromoleküle: zur Synthese,<br />
Analytik und Verarbeitung“ (Arbeitstitel): Dr.<br />
Schild (Leverkusen), Dr. Bender (Ingelheim)<br />
Bunsentagung 2005<br />
5.–7. Mai, Frankfurt<br />
Thema: „Detektion und Dynamik einzelner<br />
Moleküle“<br />
Wissenschaftliche Vorbereitung:<br />
Ch. Bräuchle (München), Th. Basché (Mainz)<br />
Organisatorische Vorbereitung:<br />
B. Brutschy (Frankfurt)<br />
Bunsentagung 2006<br />
25.–27. Mai<br />
Thema: „Heterogene Katalyse: Brücke<br />
zwischen Ideal- und Realsystemen“<br />
(Arbeitstitel)<br />
Wissenschaftliche Vorbereitung:<br />
R. Imbihl (Hannover)<br />
Organisatorische Vorbereitung:<br />
G. Grampp, Graz<br />
Informationen zu den Bunsentagungen:<br />
Geschäftsstelle der <strong>Deutsche</strong>n Bunsen-<br />
Gesellschaft<br />
Joint Meeting <strong>2004</strong><br />
<strong>Deutsche</strong> Bunsen-Gesellschaft<br />
<strong>für</strong> <strong>Physikalische</strong> Chemie<br />
Koninklijke Nederlandse<br />
Chemische Vereniging<br />
The Royal Society of Chemistry –<br />
Faraday Division<br />
Società Chimica Italiana –<br />
Divisione di Chimica Fisica<br />
Société Française de Chimie –<br />
Division de Chimie Physique –<br />
82 th International<br />
Bunsen Discussion Meeting<br />
„Raman and IR-Spectroscopy in Biology and<br />
Medicine“<br />
1.–2. März, Jena<br />
Scientific Organization:<br />
J. Popp (Jena), M. Manfait (Reims Cedex)<br />
83 rd International<br />
Bunsen Discussion Meeting<br />
„In situ Spectro-Electrochemistry“<br />
24.–27. Oktober <strong>2004</strong>, Dresden<br />
Scientific Organization: L. Dunsch (Dresden)<br />
Information:<br />
E-Mail: l.dunsch@ifw-dresden.de<br />
(Ankündigung in diesem Heft)<br />
84 th International<br />
Bunsen Discussion Meeting<br />
„Structure and Dynamics of Disordered<br />
Ionic Materials“<br />
4.–10. Oktober <strong>2004</strong>, Münster<br />
Scientific Organization: K. Funke (Münster),<br />
J. Janek (Gießen), M. Binnewies (Hannover)<br />
NACHRICHTEN<br />
85 th International<br />
Bunsen Discussion Meeting<br />
„Chemische Elementarprozesse von<br />
Molekül-Ionen“ (Arbeitstitel)<br />
15.–17. September <strong>2004</strong>, Marburg<br />
Scientific Organization:<br />
K.-M. Weitzel (Marburg)<br />
Information:<br />
weitzel@chemie.uni-marburg.de<br />
Internet:<br />
http://chemie.uni-marburg.de/~weitzel/ion<strong>2004</strong>/<br />
86 th International<br />
Bunsen Discussion Meeting<br />
„International Workshop on the Structure<br />
and Dynamics of free Clusters and Nanoparticles<br />
using short wavelength radiation“<br />
10.–12. September 2005,<br />
Physikzentrum, Bad Honnef<br />
Scientific Organization: E. Rühl, Würzburg<br />
87. Bunsen Kolloquium<br />
„Organische Festkörperelektrochemie:<br />
Grundlagen und Anwendungen<br />
31. März, <strong>2004</strong>, Golm/ Potsdam<br />
Organisation: Silvia Janietz, IAP Golm,<br />
Lothar Dunsch, IFW Dresden<br />
Information E-Mail: bunsen87@iap.fhg.de<br />
Internet:<br />
http://www.iap.fhg.de/german/veme/bunsen<br />
88. Bunsen-Kolloquium<br />
zum 60. Geburtstag von Prof. Garche, Ulm<br />
„Brennstoffzellen und Batterien:<br />
Wo liegen die Gemeinsamkeiten und die<br />
Unterschiede?“<br />
14./15. Juni <strong>2004</strong>,<br />
Tagungszentrum Kloster Roggenburg<br />
Organisation:<br />
Dr. K.A. Friedrich und Dr. L. Jörissen, Ulm<br />
BUNSENTAGUNG <strong>2004</strong> – DRESDEN<br />
FRISTEN UND TERMINE<br />
Bitte beachten Sie folgende Fristen und Termine. Das vollständige Programm wird im<br />
nächsten Heft abgedruckt.<br />
31. Januar <strong>2004</strong> Anmeldeschluss <strong>für</strong> die Beantragung von Stipendien<br />
<strong>für</strong> Studierende und Doktoranden<br />
31. Januar–22. April <strong>2004</strong> Achtung: in diesem Zeitraum liegen die Verfallstermine<br />
der Hotelkontingente<br />
10. April <strong>2004</strong> Anmeldeschluss <strong>für</strong> die Teilnahme an der Tagung<br />
21
NACHRICHTEN<br />
40 th Symposium on Theoretical Chemistry<br />
„Computational Chemistry“<br />
19.–23. September 2003, Suhl (Thueringen)<br />
Scientific Organization:<br />
G. Frenking (Marburg)<br />
WEITERE VERSAMMLUNGEN<br />
UND VERANSTALTUNGEN<br />
Faraday Discussion No: 127<br />
„Non-adiabatic effects in chemical dynamics“<br />
5–7 April <strong>2004</strong>, University of Oxford, UK<br />
<strong>Deutsche</strong> Glastechnische Gesellschaft<br />
Jahrestagung <strong>2004</strong><br />
7.–9. Juni <strong>2004</strong>, Nürnberg<br />
Informationen: www.hgv-dgg.de<br />
ISE <strong>2004</strong> Annual Meeting<br />
55 th Annual Meeting on the International<br />
Society of Electrochemistry<br />
19–24 September <strong>2004</strong> Thessaloniki, Greece<br />
Information: www.isechemistry.gr<br />
SPICA <strong>2004</strong><br />
International Symposium on Preparative<br />
and Industrial Chromatography and Allied<br />
Techniques<br />
17–20 October <strong>2004</strong>, Aachen<br />
Information: www.dechema.de/spica<br />
Weltingenieurkongress<br />
World Engineers’ Convention<br />
3–6 November <strong>2004</strong>, Shanghai<br />
Informationen:<br />
Internetseite www.wec<strong>2004</strong>.org<br />
22<br />
IMPRESSUM<br />
Bunsen-<strong>Magazin</strong> Heft 1, Jahrgang 6<br />
Herausgeber:<br />
Vorstand der <strong>Deutsche</strong>n<br />
Bunsen-Gesellschaft<br />
Klaus Funke<br />
Hans-Jürgen Leuchs<br />
Wolfgang Grünbein<br />
Kuratorium:<br />
Helmut Baumgärtel<br />
Dieter Distler<br />
Gerhard Ertl<br />
Friedrich Hensel<br />
Heinz-Georg Wagner<br />
VERSCHIEDENES<br />
Otto-Klung-Weberbank-Preis<br />
an der Freien Universität Berlin<br />
Seit 20<strong>01</strong> wird der Otto-Klung-Weberbank-<br />
Preis in Kooperation zwischen der Freien Universität<br />
Berlin und der Fördergesellschaft der<br />
Weberbank, Berlin, vergeben. Gemeinsames<br />
Ziel der Stifter ist es, im jährlichen Wechsel<br />
zwischen Chemie und Physik jüngere<br />
deutsche Spitzenwissenschaftler/innen<br />
<strong>für</strong> herausragende Leistungen auszuzeichnen.<br />
Vier der bisherigen Preisträger wurden<br />
später mit dem Nobelpreis, andere mit bedeutenden<br />
nationalen und internationalen<br />
Auszeichnungen (u.a. acht Leibniz-Preisen)<br />
geehrt. Im Jahr 2002 erhielt Tom Tuschl (Göttingen,<br />
jetzt Rockefeller University, New<br />
York) den Chemiepreis <strong>für</strong> seine Arbeiten zu<br />
den Interference RNAs. J. Spatz (Heidelberg)<br />
wurde mit dem Physikpreis 2003 geehrt <strong>für</strong><br />
seine Studien zur Biomechanik geehrt.<br />
Mit einer Preissumme von nunmehr<br />
25.000 Euro handelt es sich um eine der<br />
höchstdotierten Auszeichnungen <strong>für</strong> jüngere<br />
Naturwissenschaftler in Deutschland. Für<br />
den Chemiepreis <strong>2004</strong> erbittet die Auswahlkommission<br />
bis 15. Februar <strong>2004</strong> Vorschläge<br />
(Selbstbewerbung ausgeschlossen). Der/die<br />
Preisträger/in sollte zum Zeitpunkt der Verleihung<br />
das vierzigste Lebensjahr noch nicht<br />
überschritten haben, deutscher Abstammung<br />
sein und durch besonders originelle<br />
und richtungweisende Beiträge in der Chemie<br />
ausgewiesen sein.<br />
Kontaktadresse <strong>für</strong> Informationen zum<br />
Preis sowie Vorschläge <strong>für</strong> Kandidaten/innen:<br />
Prof. Dr. H.-U. Reißig, Institut <strong>für</strong> Chemie,<br />
Freie Universität Berlin, Takustr. 3, 14195<br />
Berlin.<br />
Schriftleiter:<br />
Peter C. Schmidt<br />
Institut <strong>für</strong><br />
<strong>Physikalische</strong> Chemie<br />
Technische Universität<br />
Darmstadt<br />
Petersenstr. 20<br />
D-64287 Darmstadt<br />
Tel.: 0 61 51/16 27 07<br />
Fax: 0 61 51/16 60 15<br />
E-Mail: bunsen@pc.chemie.tudarmstadt.de<br />
Geschäftsführer<br />
der <strong>Deutsche</strong>n<br />
Bunsen-Gesellschaft:<br />
Dr. Heinz Behret<br />
Varrentrappstr. 40–42<br />
D-60486 Frankfurt<br />
Tel.: 0 69/7 91 72 <strong>01</strong><br />
Fax: 0 69/7 91 74 50<br />
E-Mail: h.behret@bunsen.de<br />
Internet:<br />
http://www.bunsen.de<br />
BUNSEN-MAGAZIN · 6. JAHRGANG · 1/<strong>2004</strong><br />
Neue Förderausschreibung im<br />
BioFuture-Wettbewerb<br />
<strong>für</strong> Nachwuchsforscher<br />
Das Bundesministerium <strong>für</strong> Bildung und Forschung<br />
(BMBF) hat im Oktober 2003 eine<br />
weitere Runde im international beachteten<br />
und hoch dotierten BioFuture-Wettbewerb<br />
gestartet Dazu können sich Interessenten<br />
bis 22. März <strong>2004</strong> mit einer Projektskizze bewerben.<br />
Gefördert werden Nachwuchsgruppen,<br />
die aus dem Wettbewerb hervorgehen. Die<br />
Förderung schließt die Stelle des Nachwuchsgruppen-/Projektleiters<br />
bzw. der -leiterin<br />
mit ein. Von den Arbeitsgruppen sollen<br />
Themen bearbeitet werden, die im Grenzbereich<br />
zwischen Biologie und ihren Nachbardisziplinen<br />
wie Chemie, Physik, Mathematik,<br />
Informatik, Ingenieurwissenschaften, Nanotechnologie<br />
usw. angesiedelt sind.<br />
Gefördert werden jüngere deutsche oder<br />
ausländische Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen,<br />
die promoviert oder habilitiert<br />
sind und bereits Erfahrung in der Leitung einer<br />
Arbeitsgruppe besitzen.<br />
Weitere Informationen unter:<br />
http://www.fz-juelich.de/ptj/index.php?index=474<br />
Analytische Chemie in der FECS<br />
Dr. Ernst-Heiner Korte, Sekretär der Federation<br />
of European Chemical Societies and Professional<br />
Institutions (FECS) und dort der Vertreter<br />
der <strong>Deutsche</strong>n Bunsen-Gesellschaft,<br />
hat einen neuen Informationsbrief über die<br />
Analytische Chemie in der FECS herausgegeben.<br />
Information: E-mail: korte@isas-berlin.de<br />
Technische Herstellung:<br />
Brönners Druckerei<br />
Breidenstein GmbH<br />
Brüningstraße 580<br />
D-65929 Frankfurt am Main<br />
Tel.: 0 69/26 00-1 00<br />
Fax: 0 69/26 00-1 96<br />
E-Mail:<br />
i.rausch@broenner.de
DEUTSCHE BUNSEN-GESELLSCHAFT<br />
FECS Presidents meet in Barcelona<br />
The Real Sociedad Española de Quimica hosted the largestever<br />
gathering of Presidents of chemical societies in Europe<br />
during the FECS meetings in Barcelona on 2–3 October.<br />
Participants included 48 Presidents or other representatives from<br />
35 chemical societies, including Prof. Funke, DBG, and professional<br />
institutions in 25 countries, together with representatives<br />
of other European and international organisations, meeting under<br />
the Chairmanship of the FECS President, Professor Gábor Náray-<br />
Szabó, Hungarian Chemical Society.<br />
Dr Reto Battaglia, Past President of FECS, launched the new<br />
FECS Database for Chemical Scientists, with a recommendation<br />
that member societies promote this initiative among their members,<br />
saying that it would<br />
• become a major source of expertise for chemical science<br />
across Europe<br />
• promote networking between chemists across national boundaries<br />
and specialist chemical areas<br />
• be a unique resource to identify experts in chemical science for<br />
comment and advice on policy issues from the EU<br />
European Chemistry Thematic Network, (http://www.cpe.fr/ectn/)<br />
deals with the latest proposal for a chemistry Eurobachelor which<br />
was endorsed by FECS, with a recommendation that member societies<br />
should give support in their respective countries to the<br />
emerging Eurobachelor qualification.<br />
On the recommendation of the Italian Chemical Society, FECS established<br />
a new working group on Chemistry in Life Sciences, to<br />
ensure that FECS can influence this area which has a key role in<br />
the post-genomic era and is attracting increasing numbers of<br />
young scientists.<br />
Professor Gábor Náray-Szabó reported preliminary arrangements<br />
for the 1st FECS European Chemistry Congress, 27–31 August<br />
2006, which included an impressive list of applications to mount<br />
‘hot-topic’ sessions, the final selection to be made by the Scientific<br />
Advisory Board under the chairmanship of Professor Jean-<br />
Marie Lehn.<br />
NACHRICHTEN<br />
A FECS Lectureship was awarded to Professor Andreas Manz,<br />
Imperial College, London and he will deliver his Lecture during Euroanalysis<br />
XIII which is being organised by the FECS Division of<br />
Analytical Chemistry in Salamanca, Spain, on 5–10 September<br />
<strong>2004</strong>.<br />
The FECS Award for Service was given to<br />
• Professor Leiv Sydnes, Norwegian Chemical Society, and President<br />
Elect of IUPAC, in recognition of his significant contribution<br />
to European cooperation in chemistry and public appreciation<br />
of chemistry<br />
• Professor Wilhelm Fresenius, German Chemical Society and<br />
member of DBG, in recognition of his significant contribution to<br />
European cooperation in analytical chemistry.<br />
A discussion group examined ways in which FECS societies could<br />
cooperate in promoting chemistry as a subject of choice at university<br />
and in improving the image of chemistry as a career among<br />
young people; while the numbers of young people studying chemistry<br />
at school are relatively stable in several countries, in many<br />
countries the numbers opting for chemistry at university countries<br />
are continuing to decline. A second discussion group explored issues<br />
affecting the movement of highly qualified young scientists<br />
from EU countries towards the US and from the candidate countries<br />
towards the west and towards the US. The creation of a legal<br />
entity for FECS to enable it to hold a centralised budget and<br />
support future FECS projects, including activities to influence EU<br />
decision makers, was discussed by a third group. Reports on all<br />
three discussion groups will be posted on the FECS web site<br />
Further information on FECS is available from Evelyn McEwan<br />
mcewane@rsc.org or on the web site www.fecs-chemistry.org –<br />
the AllChemE web site is www.allcheme.org<br />
Secretariat Ms Evelyn McEwan, Royal Society of Chemistry,<br />
Burlington House, Piccadilly, London W1J 0BA<br />
Tel:+44 20 7440 3303<br />
Fax:+44 20 7437 8883<br />
e-mail: mcewane@rsc.org<br />
23
ZEITSCHRIFT FÜR<br />
PHYSIKALISCHE CHEMIE PCCP<br />
HEFT 11 (2003)<br />
Ion-Solvent Interactions and Determination<br />
of Single-Ion Gibbs Energies of Transfer from<br />
the Studies of the Solubility and Dissociation<br />
Constants of Oxalic Acid in Aquo + Methanolic<br />
Mixtures<br />
S. K. Gumtya, S. C. Lahiri 1341<br />
Formation of Nanoparticles by Photolysis<br />
from Metal and Carbon Bearing Molecules<br />
A. Emelianov, A. Eremin, H. Jander, H. Gg.<br />
Wagner 1361<br />
Electrochemical Behavior and Enhanced Stability<br />
of a Thin Film of Prussian Blue Deposited<br />
under Magnetic Field<br />
A. Eftekhari 1369<br />
Influence of Iron Content on the Electrical<br />
and Dielectric Properties of<br />
La0.7Ba0.3Co1-yFeyO3<br />
M. Sh. Khalil 1387<br />
Establishment of Micellar Catalytic Field<br />
Using the p-Nitro-o-Carboxylbenzeneazo-8-<br />
Amino-quinoline – Cetyltrimethylammonium<br />
Bromide – Co(II) Ternary Complexation<br />
H.-W. Gao, J.-X. Yang, J.-F. Zhao 1399<br />
Heteroassociation of Selected Diols with<br />
some Tertiary Amines<br />
A. Kolbe, M. Plass 1411<br />
Bursting Oscillations in the Revised Mechanism<br />
of the Hemin – Hydrogen Peroxide –<br />
Sulfite Oscillator<br />
R. Straube, St. C. Müller, M. J. B. Hauser<br />
1427<br />
HEFT 12 (2003)<br />
Special Issue dedicated to Professor Hans-<br />
Heinrich Limbach on the occasion of his 60th<br />
birthday<br />
Hydrogen Bond Mediated Association of<br />
Dinucleotide Analogs<br />
E. M. Basílio Janke, K. Weisz 1463<br />
Revealing CSA Tensors and Hydrogen Bonding<br />
in Methoxycarbonyl Urea: A combined<br />
13 15 13 14 C, N and C N2 Dipolar Chemical Shift<br />
NMR and DFT Study<br />
S. Macholl, F. Börner, G. Buntkowsky 1473<br />
24<br />
The Intramolecular Hydrogen-Bond in Malonaldehyde<br />
as Seen by Infrared Spectroscopy.<br />
A Four-Dimensional Model Study<br />
N. Dosˇlić, O. Kühn 1507<br />
Proton Transfer to Organometallic Hydrides<br />
via Unconventional Hydrogen Bonding: Problems<br />
and Perspectives<br />
N. V. Belkova, E. I. Gutsul, E. S. Shubina, L.<br />
M. Epstein 1525<br />
Synthesis of Monodisperse Heptanol Stabilized<br />
Ruthenium Nanoparticles. Evidence for<br />
the Presence of Surface Hydrogens<br />
K. Pelzer, K. Philippot, B. Chaudret 1539<br />
Interpretation of Hydrogen/Deuterium Isotope<br />
Effects on NMR Chemical Shifts of [FHF] –<br />
Ion Based on Calculations of Nuclear Magnetic<br />
Shielding Tensor Surface<br />
N. S. Golubev, S. M. Melikova, D. N. Shchepkin,<br />
I. G. Shenderovich, P. M. Tolstoy, G. S.<br />
Denisov 1549<br />
Computed EOM-CCSD 19 F- 19 F Spin-Spin<br />
Coupling Constants in Small Organic Molecules<br />
J. E. Del Bene, I. Alkorta, J. Elguero 1565<br />
Quantum Simulations for Isotope Effects of<br />
IR + UV Laser Pulses on Symmetry and Selective<br />
Hydrogen Bond Breaking<br />
N. Elghobashi, L. González, J. Manz 1577<br />
The Freezing of n-Alkanes C15H32 and<br />
C17H36.<br />
An Unsual Mechanism of Homogeneous<br />
Nucleation<br />
I. M. Weidinger, J. Klein, P. Stöckel, E. Biller,<br />
H. Baumgärtel, Th. Leisner 1597<br />
Influence of Cation Exchange on the 27 Al-<br />
NMR Spectra of Zeolites<br />
W. Masierak, T. Emmler, G. Buntkowsky, a.<br />
Gutsze 1613<br />
Solid State NMR Connectivity Studies in Dipolarly<br />
Coupled Inorganic Networks: Site Assignments<br />
in the Solid Electrolyte Material<br />
(CuI)8P12<br />
G. Brunklaus, J. C. C. Chan, H. Eckert 1627<br />
2D NMR Nutation Analysis of Non-Thermal<br />
Polarization of Coupled Multi-Spin Systems<br />
K. L. Ivanov, K. Miesel, H.-M. Vieth, A. V. Yurkovskaya,<br />
R. Z. Sagdeev 1641<br />
Das Heft 23/2003 PCCP enthält Beiträge<br />
zum Hauptthema „Sensorik“ der Bunsentagung<br />
vom 29.-31. Mai 2003 in Kiel<br />
vii Editorial: Chemical sensors and<br />
sensor technology<br />
5155 Review: Organic semiconductors in<br />
molecular electronics<br />
Jiri Janata<br />
5159 Review: Sensors and analytical<br />
chemistry<br />
Sensitivity versus quality,<br />
Karl Cammann<br />
5169 Supramolecular functional interfacial<br />
architectures for biosensor applications,<br />
Wolfgang Knoll, Fang Yu,<br />
Thomas Neumann, Stefan Schiller,<br />
Renate Naumann<br />
5176 A directly linked pyrene–dimethylaniline<br />
derivative as a potential biochemical<br />
sensor for the microenvironmental<br />
dielectric properties of the<br />
active site of enzymes<br />
Angela S. F. Ramos, Simone Techert<br />
5182 Optical sensing with photon density<br />
waves: Investigation of model media<br />
Oliver Reich, Hans-Gerd Löhmannsröben,<br />
Frank Schael<br />
5188 Optical gas sensing by semiconductor<br />
nanoparticles or organic dye molecules<br />
hosted in the pores of mesoporous<br />
siliceous MCM-41<br />
Michael Wark, Yven Rohlfing,<br />
Yücel Altindag, Hartwig Wellmann<br />
5195 Development and working principle of<br />
an ammonia gas sensor based on a<br />
refined model for solvate supported<br />
proton transport in zeolites<br />
Marion E. Franke, Ulrich Simon,<br />
Ralf Moos, Aleksandar Knezevic,<br />
Ralf Müller, Carsten Plog<br />
5199 Amperometric measurements with a<br />
nitrosyl cation conducting ceramic<br />
membrane<br />
A. Huerland, C. Plog, R. Moos,<br />
U. Simon<br />
5203 Tin oxide sensor element for the detection<br />
of organic compounds with<br />
hydroxy groups<br />
Andreas Eberheim, Dieter Kohl,<br />
Peter Schieberle<br />
5207 High temperature bulk acoustic wave<br />
properties of langasite<br />
H. Fritze, O. Schneider, H. Seh, H.<br />
L. Tuller, G. Borchard