Zwischenzustände und Metamorphosen - Brennpunkt
Zwischenzustände und Metamorphosen - Brennpunkt
Zwischenzustände und Metamorphosen - Brennpunkt
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
Galerien<br />
gute aussichten –<br />
junge deutsche fotografie<br />
2011/2012<br />
Wer sich ein Bild davon machen will,<br />
was junge Fotografen in diesem Land<br />
so beschäftigt, was sie sehen <strong>und</strong> wie<br />
sie es sehen, der tut gut daran, die Ausstellung<br />
»gute aussichten – junge deutsche<br />
fotografie 2011/2012« zu besuchen.<br />
Zum achten Mal schon wurden<br />
Abschlussarbeiten aus deutschen Hochschulen,<br />
Akademien <strong>und</strong> Fachhochschulen<br />
von einer hochkarätig besetzten<br />
Jury gesichtet <strong>und</strong> herausragende<br />
Positionen gekürt – alles Werke also,<br />
die in den letzten zwölf Monaten entstanden<br />
sind. Nachdem die »guten aussichten<br />
2005« schon einmal im Berliner<br />
Museum für Fotografie präsentiert<br />
worden waren, damals im noch kriegszerstörten<br />
Kaisersaal, kehrt der Wettbewerb<br />
nun sechs Jahre später in den elegant<br />
sanierten Saal zurück. Die Gewinner<br />
erhalten die Möglichkeit, ihre Arbeiten<br />
hier erstmals einer breiten Öffentlichkeit<br />
zu präsentieren, bevor die Ausstellung<br />
auf Tournee durch Europa <strong>und</strong><br />
Amerika geht. 96 sind dieses Jahr eingereicht<br />
worden – so viele wie nie zuvor,<br />
wobei die Bandbreite wieder groß ist:<br />
Die Ansätze reichen von reportagehaften<br />
bis hin zu abstrahierenden Arbeiten;<br />
Bilder in allen Formaten <strong>und</strong> eine Projektion<br />
sind dabei.<br />
Sebastian Lang präsentiert eine Serie<br />
von recht ähnlich anmutenden, architektonisch<br />
eher faden Häusern aus dem<br />
pfälzischen Hassloch, dem laut Gesellschaft<br />
für Konsumforschung durchschnittlichsten<br />
Ort Deutschlands. Frontal<br />
von der Straße aufgenommen, mit<br />
Satteldach <strong>und</strong> unterschiedlich gesetzten<br />
Fenstern, ähnelt der unprätentiöse<br />
Bildaufbau jenen Kinderbildern vom<br />
Häuschen unter blauen Plüschwolken,<br />
wie wir sie alle kennen. Lang nimmt<br />
die Häuser aber in der Dämmerung<br />
oder nachts auf, wenn die Straßen menschenleer<br />
sind, der Himmel dunkel <strong>und</strong><br />
die Heime verschlossen. Der »durchschnittlichste<br />
Ort Deutschlands« wird<br />
so zur unheimlichen Kulisse, wo auch<br />
die Geranien vor den Fenstern nicht<br />
6 brennpunkt 1/2012<br />
Emil Nissen, »Schneewetter«, 1921 oder früher, © Staatliche Museen zu Berlin, Kunstbibliothek,<br />
Sammlung Fotografie<br />
zum Verweilen einladen. Nicht weniger<br />
düster erscheinen die Arbeiten von<br />
Franziska Zacharias, »le noir familier«,<br />
Fotos von kahlen, dunklen Gebäudeinneren,<br />
die nach selbst gebauten Modellen<br />
aufgenommen wurden <strong>und</strong> daher<br />
fast zur abstrakten, ornamentfreien Bildfläche<br />
neigen. Mit ihrer Arbeit Im Angesicht<br />
widmet sich Julia Unkel dagegen<br />
einem sehr diesseitigen Thema, nämlich<br />
der Fleischproduktion, <strong>und</strong> wirft einen<br />
Blick hinter die Kulissen einer Schlachterei.<br />
Die dokumentarisch, sachlich aufgenommenen<br />
Bilder der sterilen Räumlichkeiten,<br />
Objekte <strong>und</strong> Personen, aber<br />
auch das »Porträt« eines Rinderkopfes,<br />
lassen das Schlachten als cleanen,<br />
mechanischen Vorgang erscheinen.<br />
Und dieser befremdete oder befremdliche<br />
Blick in die Welt setzt sich auch<br />
in den Arbeiten der anderen Gewinner<br />
durch. Miriam Schwedt zeigt Landschaftsaufnahmen<br />
<strong>und</strong> Menschen in<br />
der Natur, schwarz-weiß, überbelich-<br />
Miriam Schwedt, »Ohne Titel«, 2011<br />
© Miriam Schwedt, www.guteaussichten.org<br />
tet, verschwommen <strong>und</strong> geradezu entrückt.<br />
Johannes Post bringt auf zwei<br />
Bildtafeln abstrakte Formen vor schwarzem<br />
Hintergr<strong>und</strong> an, die sich erst bei<br />
näherer Betrachtung als zerschnittene<br />
Kleidungsstücke erkennen lassen, die er<br />
gescannt hat, als habe er eine Tomografie<br />
der Kleidung vornehmen wollen. Und<br />
mit einem Stück deutscher Geschichte<br />
beschäftigt sich Luise Schröder in ihrer<br />
»Arbeit am Mythos«, die Bildbände über<br />
Dresden anzündet, löscht <strong>und</strong> in malt-