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Zwischenzustände und Metamorphosen - Brennpunkt

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Die Arbeiten von Michael Ackerman<br />

<strong>und</strong> Jerry Berndt sind flüchtiger, weniger<br />

komponiert, ihr Thema ist eher die<br />

Einsamkeit <strong>und</strong> die Sinnlichkeit nächtlicher<br />

St<strong>und</strong>en, während Adam Cohen in<br />

dezenten Farben dem künstlichen Licht<br />

in der Stadt nachgeht. Im »Kabinett« des<br />

Hotels versucht eine Gruppe der Neuen<br />

Schule für Fotografie unter Leitung von<br />

Arja Hyytiainen den Geheimnissen der<br />

Dunkelheit durch Unschärfe beizukommen.<br />

Das ist immer eine Gratwanderung,<br />

gern praktiziert in der künstlerischen<br />

Fotografie, selten überzeugend.<br />

Ein Händchen dafür hat die Berliner<br />

Fotografin <strong>und</strong> Dozentin Ursula Kelm,<br />

gesehen im Oktober bei »imago«. Ihre<br />

Bildkompositionen sind sehr privat, sehr<br />

intim, sie vermittelt Gefühle, die man<br />

sonst eher literarisch ausdrücken kann.<br />

Es sind innere Bilder. Wir haben im letzten<br />

brennpunkt etliche davon abgedruckt,<br />

auch von den Abschlussarbeiten<br />

ihrer Klasse aus der imago-Fotoschule,<br />

die bis Weihnachten dort zu<br />

sehen waren.<br />

Bei Tina Bara ging es schon immer<br />

etwas spektakulärer zu. Sie hat es inzwischen<br />

zur Professorin an der HGB Leipzig<br />

gebracht. Ihre harten schwarzweißen<br />

Akte <strong>und</strong> Porträts aus der DDR der<br />

achtziger Jahre erregten auch im Westen<br />

Aufsehen. Sie erschienen noch vor der<br />

Wende auch in der Anthologie »DDR<br />

Frauen fotografieren« aus dem ex pose<br />

verlag von Hansgert Lambers. Jetzt steht<br />

man im Haus am Kleistpark vor einer<br />

Reihe von 10 lebensgroßen Frauen im<br />

roten Trikot, jede auf einem Sockel,<br />

Titel »Siegerehrung« (2003). Es sind die<br />

inzwischen in die Jahre gekommenen<br />

Schwimmmeisterinnen aus frühen DDR-<br />

Zeiten, mit dem kryptischen Text: »In der<br />

Siegerpose transformieren sie die Vergangenheit<br />

in den Moment der Gegenwart<br />

des fotografischen Augenblicks«.<br />

Der weibliche Körper <strong>und</strong> seine Vermarktung<br />

ist Tina Baras großes Thema,<br />

hier auch zusammen mit Alba d’Urbano<br />

realisiert unter dem Titel »Bellissima«.<br />

Noch konsequenter ist G<strong>und</strong>ula Schulze<br />

Eldowy den Weg von der schwarzweißen<br />

Reportage zur farbigen Kunstfotografie<br />

gegangen. Geboren 1954 in<br />

Erfurt, hat sie noch 1986-88 in volkseigenen<br />

Betrieben ziemlich brutale<br />

»Arbeitsporträts« aufgenommen, die in<br />

dem eben erwähnten Buch zu finden<br />

© Stefanie Ketzscher, »Doris Ziegler«, 1980<br />

sind. Nun hängt sie groß <strong>und</strong> bunt im<br />

Kunst-Raum des Deutschen B<strong>und</strong>estages<br />

an der Spree, mit 11 riesigen 23 ¾<br />

Karat vergoldeten Repros von Ikonengemälden<br />

aus Byzanz. An ihre schwarzweiße<br />

Vergangenheit erinnert im anderen<br />

Raum eine überraschend poetische<br />

Serie zarter Winterlandschaften. Und<br />

auf einem Monitor läuft pure Sozialfotografie,<br />

mit der sie sich in der DDR<br />

Ärger eingehandelt hat: »Berlin in einer<br />

H<strong>und</strong>enacht«. Das war 2005 bei argus<br />

fotokunst zu sehen.<br />

Neben diesen »Events« gibt es die stillen,<br />

eigentlichen »Sensationen«. Das<br />

Wort bedeutet ja ursprünglich Sinneswahrnehmung,<br />

Empfindung, <strong>und</strong> taugt<br />

eigentlich nicht für Schlagzeilen. Die<br />

Kommunale Galerie Wilmersdorf würdigte<br />

– nach der carpentier galerie in der<br />

Meinekestraße – einen der beharrlichsten<br />

Fotokünstler, den Bildpoeten Efraim<br />

Habermann. Auf den ersten Blick wirken<br />

seine »Berliner Stillleben« in feinen<br />

Grautönen sehr formal, aber er ist ein<br />

Meister der Komposition <strong>und</strong> der Lichtstimmung.<br />

Seit 1968 wandert er mit der<br />

Leica durch die Stadt. Im Museum interessiert<br />

ihn der Dialog zwischen Kunstwerk<br />

<strong>und</strong> Besucherin. Ja, es sind immer<br />

Frauen, die er beobachtet. Am schönsten<br />

eine Szene aus der Alten Nationalgalerie,<br />

vor Adolph Menzels »Flötenkonzert<br />

in Sanssouci« von 1852.<br />

Galeriebericht<br />

Es ist eine Art, Menschen mit Zuwendung<br />

<strong>und</strong> Zurückhaltung zu sehen, die<br />

uns auch Norbert Bunge immer wieder<br />

präsentiert. Diesmal mit der ersten Einzelausstellung<br />

von Stefanie Ketzscher,<br />

geboren 1951 in Leipzig <strong>und</strong> – natürlich<br />

– dort an der HGB ausgebildet. Neben<br />

sehr tristen Straßenszenen aus dem Leipzig<br />

der 70er Jahre hat sie schöne Akte<br />

<strong>und</strong> sensible Porträts gemacht, auch mal<br />

mit einer Prise Humor. Den Maler Hans-<br />

Hendrik Grimmling hat sie 1984 beim<br />

Frühstück in der Badewanne überrascht<br />

<strong>und</strong> spielt mit dem Bildtitel auf das Reiseverbot<br />

der DDR an: »Grimmling, sich<br />

den Ozean denkend«.<br />

Und, werter Leser, was erwartet uns<br />

2012?<br />

Im November ein neuer »Monat der<br />

Fotografie«. Aber noch ist das Jahr jung<br />

<strong>und</strong> wir können das Gefühl, »für immer<br />

jung« zu sein, genießen beim Rückblick<br />

auf »50 Jahre Deutscher Jugend-Fotopreis«,<br />

bis 5. Februar im Deutschen Historischen<br />

Museum hinter dem Zeughaus.<br />

Das ist spannend! Da entdeckt man nämlich<br />

die Jugendsünden einiger gestandener<br />

Fotografen <strong>und</strong> stellt fest, dass sie gar<br />

nicht gesündigt haben, sondern schon<br />

mit 18 so konsequent <strong>und</strong> konzeptionell<br />

gearbeitet haben wie heute. Auch ihre<br />

Themenwahl stand meist schon fest. Als<br />

da sind: Wolfgang Volz, Uwe Ommer,<br />

Frieder Blickle, Rudi Meisel, Mike Wolff<br />

<strong>und</strong> viele andere. Norbert Bunge hat mit<br />

23, im Jahr 1964, spielende Kinder am<br />

Stacheldraht der Mauer beobachtet.<br />

Es fällt auf, dass die jungen Leute seit<br />

1961 immer frecher, kritischer, selbstbewusster<br />

werden, auch in der Wahl<br />

der technischen Mittel, <strong>und</strong> dass immer<br />

mehr Frauen unter den Preisträgern sind,<br />

gerade jetzt im digitalen Zeitalter.<br />

Vielleicht gibt es also gar nichts zu<br />

bedauern an der enormen Verbreitung<br />

des Mediums.<br />

Klaus Rabien<br />

brennpunkt 1/2012<br />

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