Zwischenzustände und Metamorphosen - Brennpunkt
Zwischenzustände und Metamorphosen - Brennpunkt
Zwischenzustände und Metamorphosen - Brennpunkt
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ennpunkt<br />
1/2012 4,00 Euro 28. Jahrgang<br />
Magazin für Fotografie<br />
Januar bis März 2012<br />
Galerien • Buchbesprechungen • Fotoszene<br />
Portfolio Jeanno Gaussi • Steve Sabella
2 brennpunkt 1/2012<br />
FÜR ORIGINALE<br />
„Ich fotografiere für den Fine Art Druck. Erst die Kombination von hochwertigen traditionellen<br />
Büttenpapieren <strong>und</strong> modernster Drucktechnik bringt die sinnliche Qualität meiner Bilder optimal<br />
zur Geltung.“ Manfred Kriegelstein Die Digital FineArt Collection bietet exklusive Künstlerpapiere<br />
mit edler Haptik <strong>und</strong> bestechender Optik für den Inkjetdruck. Brillante Schwarz-Weiß-Aufnahmen<br />
oder subtile Farbfotografie werden dank unserer feinen Papiere der Individualität Ihrer Kunstwerke<br />
mehr als gerecht. Mehr Papierkunst unter www.hahnemuehle.de<br />
P A P I E R E M I T M U S E U M S Q U A L I T Ä T, A L T E R U N G S B E S T Ä N D I G U N D M E H R F A C H P R Ä M I E R T .
Impressum:<br />
brennpunkt<br />
Magazin für Fotografie<br />
Erscheint vierteljährlich,<br />
erhältlich in Fotogalerien,<br />
Geschäften, Buchhandlungen<br />
<strong>und</strong> über Abonnement.<br />
Jahresabo 13,50 Euro<br />
Einzelpreis 4,00 Euro<br />
Konten:<br />
Postbank Berlin<br />
Konto-Nr. 3751 06-104<br />
BLZ 100 100 10<br />
Redaktionsschluss:<br />
jeweils am 10. vor dem Erscheinungsmonat<br />
Herausgeber:<br />
edition buehrer<br />
c/o Dietmar Bührer<br />
Odenwaldstraße 26<br />
12161 Berlin<br />
Telefon u. Telefax: (0 30) 8 53 35 27<br />
e-Mail: buehrer-berlin@t-online.de<br />
Internet: www.edition-dibue.de<br />
Copyright bei Edition<br />
Druck:<br />
schöne drucksachen<br />
Bessemerstraße 76a, 12103 Berlin<br />
ISSN 0932-7231<br />
Redaktion:<br />
Dietmar Bührer V.i.S.d.P.<br />
Michael Gebur<br />
Klaus Rabien<br />
Manfred Kriegelstein<br />
Hinweis:<br />
Für unverlangt eingesandte<br />
Manuskripte <strong>und</strong> Fotografien<br />
wird keine Haftung übernommen.<br />
© Kurt Wyss, »Robert Doisneau«, 1976<br />
Galerien<br />
� Beta Siebel »Flüchtige Begegnung« ....................................................... 5<br />
� gute aussichten – junge deutsche fotografie 2011/2012 .......................... 6<br />
� 20 Years - Hengesbach Gallery ............................................................. 8<br />
� Ai Weiwei in New York - Fotografien 1983-1993 .................................. 10<br />
� Ungleich Nacht - Fotografien der Gruppe 97 ........................................ 12<br />
� Erika Babatz »Bodegones Berlineses« .................................................... 14<br />
� Jim Rakete »Der Stand der Dinge« ........................................................ 15<br />
� Cristina Piza »Der Rhythmus des Lebens« ............................................. 16<br />
� RUTGER TEN BROEKE »KörperLandschaften« ...................................... 17<br />
� Mythos .................................................................................................. 18<br />
� Hans Martin Sewcz »Berlin-Mitte« ........................................................ 19<br />
� Jörg Rubbert »Berliner Winternächte« ..................................................... 20<br />
� Julian Röder »In Gesellschaft des Marktes« ............................................. 21<br />
� <strong>Zwischenzustände</strong> <strong>und</strong> <strong>Metamorphosen</strong> ................................................ 22<br />
� facetten des seins ................................................................................... 24<br />
� Kurt Wyss »Begegnungen« .................................................................... 26<br />
� Hannes Kilian »Bei Nacht« .................................................................... 27<br />
� Emanuel Raab »Winterwald« ................................................................ 28<br />
� Dvorah Kern »Still« ............................................................................... 29<br />
� Köster, Wohlt, Tschirner, Jacob, Graichen, Seemann »Versunken« ........... 30<br />
� Claudius Schulze »Socotra-Eine Insel« .................................................... 32<br />
� Patova, Veledzimovich, Kazakhishvilli »Ex oriente lux« ........................... 33<br />
� Jean-Bapiste Huynh, Paolo Roversi ......................................................... 34<br />
� Mark Laita ............................................................................................. 35<br />
� exp12 »Vendredi Treize« ........................................................................ 36<br />
� Andreas Müller-Pohle »flow, flow« ......................................................... 38<br />
Galeriebesprechungen<br />
� Für immer jung. (Klaus Rabien) ............................................................. 40<br />
Ausstellungen in Berlin ............................................................................... 43<br />
Ausstellungen<br />
� Sarah Moon »à propos ...«« .................................................................... 44<br />
� Fotografenfamilie Zemann »Retrospektive« ............................................. 45<br />
Portfolio<br />
� Jeanno Gaussi ........................................................................................ 46<br />
� Steve Sabella .......................................................................................... 54<br />
Fotoszene<br />
� Bäume sterben aufrecht. (Klaus Rabien) ................................................. 39<br />
� 18. Fotoklub Forum Berlin 2012 ............................................................ 42<br />
� Konterrevolution? (Manfred Kriegelstein) ................................................ 60<br />
Buchbesprechungen<br />
� Aktfotografie. Die große Fotoschule ...................................................... 61<br />
� Digitale Pinsel in Photoshop .................................................................. 61<br />
� Die Tricks der Photoshop-Profis-Volume 2 ............................................. 61<br />
Vorschau 2-2012 ......................................................................................... 62<br />
Allen brennpunkt Lesern wünschen wir ein kreatives <strong>und</strong> erfolgreiches Jahr 2012<br />
Mit unserer kostenlose Anzeige auf der Rückseite unterstützen wir den »Weissen Ring«.<br />
brennpunkt 1/2012<br />
3
Beta Siebel<br />
»Flüchtige Begegnung«<br />
Schnelligkeit, Unruhe, Flüchtigkeit, Anonymität<br />
- können Gesichter das Spezifische<br />
einer Großstadt ausdrücken? Wie<br />
können Erinnerungsbilder als Foto realisiert<br />
werden? Fragen, denen Beta Siebel<br />
mit den Fotos der Ausstellung »Flüchtige<br />
Begegnung«, einer Serie von farbigen<br />
Digitalfotos nachgeht.<br />
Short Stories oder Zufallsbilder ist ein<br />
Spiel zwischen Realität <strong>und</strong> Trugbild.<br />
Die Fotos sind bei Fahrten in der Wannseebahn<br />
entstanden, Spiegelung, Verzerrung,<br />
Lichtreflexe, die Verkürzung<br />
der Linien durch zwei Wagen hindurch<br />
schaffen Beziehungen zwischen Menschen,<br />
die es so nicht gab, in einer traumartigen<br />
Atmosphäre.<br />
In den Serien »Irrgarten«, »Watching<br />
Fellow«, »Travellers« <strong>und</strong> »Muslima«<br />
(aufgenommen in der U-Bahn, z.T.<br />
ins gegenüberliegende Fenster hinein)<br />
ist durch Zeitverzögerung, wechselndes<br />
Umfeld, Geschwindigkeit im Aufnahmemoment<br />
der Einzelne im Mittelpunkt,<br />
als Individuum jedoch nur<br />
schwer erkennbar.<br />
In der bisher letzten Arbeit der Sequenz,<br />
»Flüchtige Begegnung« (Collage von<br />
15-20 Gesichtern) beschäftigt sich Beta<br />
Siebel mit der Frage: Wie bleibt bei einer<br />
flüchtigen Begegnung mein Gegenüber<br />
in meiner Erinnerung? In den verwischten<br />
Gesichtern, herausgelöst aus<br />
einer hastenden Menschenmenge, sind<br />
es die Unschärfe bei einigen typischen<br />
Merkmalen, die das Bild der Erinnerung<br />
schaffen, das wir alle kennen <strong>und</strong> das<br />
wir mit unseren Gefühlen vermischen.<br />
Beta Siebel<br />
geboren 1944, aufgewachsen in Duisburg,<br />
studierte nach Jahren der Berufstätigkeit<br />
ab 1972 Geschichte <strong>und</strong> arbeitete<br />
bis 1985 als Lehrerin an Sonderschulen.<br />
Nach einer Ausbildung in Fotografie lebt<br />
<strong>und</strong> arbeitet sie seit 1992 als freie Fotografin<br />
in Italien <strong>und</strong> Berlin. Sie ist Mitglied<br />
von Asart/ Artisti Scultori Associati<br />
Versilia <strong>und</strong> des BBK Hamburg.<br />
Neben zahlreichen Einzelausstellungen<br />
<strong>und</strong> Ausstellungsbeteiligungen in Italien<br />
<strong>und</strong> Deutschland präsentierte sie<br />
© Beta Siebel (Original in Farbe)<br />
© Beta Siebel (Original in Farbe)<br />
© Beta Siebel (Original in Farbe)<br />
zusammen mit Günther Heilfurth das<br />
Projekt über das menschliche Gesicht:<br />
»Nachricht von nebenan«, 2006 in Pietrasanta<br />
<strong>und</strong> 2007 in Pistoia (Italien).<br />
Kontakt: www.betasiebel.com<br />
<strong>und</strong>: www.messagefromnextdoor.com<br />
© Beta Siebel (Original in Farbe)<br />
Vernissage:<br />
19. Januar 2012, 19 Uhr<br />
19. Januar bis 3. Juni 2012<br />
Café Aroma Photogalerie<br />
Hochkirchstraße 8<br />
10829 Berlin-Schöneberg<br />
Mo – Fr 18 – 24 Uhr<br />
Sa + So 14 – 24 Uhr<br />
<strong>und</strong> nach Vereinbarung<br />
brennpunkt 1/2012<br />
Galerien<br />
5
Galerien<br />
gute aussichten –<br />
junge deutsche fotografie<br />
2011/2012<br />
Wer sich ein Bild davon machen will,<br />
was junge Fotografen in diesem Land<br />
so beschäftigt, was sie sehen <strong>und</strong> wie<br />
sie es sehen, der tut gut daran, die Ausstellung<br />
»gute aussichten – junge deutsche<br />
fotografie 2011/2012« zu besuchen.<br />
Zum achten Mal schon wurden<br />
Abschlussarbeiten aus deutschen Hochschulen,<br />
Akademien <strong>und</strong> Fachhochschulen<br />
von einer hochkarätig besetzten<br />
Jury gesichtet <strong>und</strong> herausragende<br />
Positionen gekürt – alles Werke also,<br />
die in den letzten zwölf Monaten entstanden<br />
sind. Nachdem die »guten aussichten<br />
2005« schon einmal im Berliner<br />
Museum für Fotografie präsentiert<br />
worden waren, damals im noch kriegszerstörten<br />
Kaisersaal, kehrt der Wettbewerb<br />
nun sechs Jahre später in den elegant<br />
sanierten Saal zurück. Die Gewinner<br />
erhalten die Möglichkeit, ihre Arbeiten<br />
hier erstmals einer breiten Öffentlichkeit<br />
zu präsentieren, bevor die Ausstellung<br />
auf Tournee durch Europa <strong>und</strong><br />
Amerika geht. 96 sind dieses Jahr eingereicht<br />
worden – so viele wie nie zuvor,<br />
wobei die Bandbreite wieder groß ist:<br />
Die Ansätze reichen von reportagehaften<br />
bis hin zu abstrahierenden Arbeiten;<br />
Bilder in allen Formaten <strong>und</strong> eine Projektion<br />
sind dabei.<br />
Sebastian Lang präsentiert eine Serie<br />
von recht ähnlich anmutenden, architektonisch<br />
eher faden Häusern aus dem<br />
pfälzischen Hassloch, dem laut Gesellschaft<br />
für Konsumforschung durchschnittlichsten<br />
Ort Deutschlands. Frontal<br />
von der Straße aufgenommen, mit<br />
Satteldach <strong>und</strong> unterschiedlich gesetzten<br />
Fenstern, ähnelt der unprätentiöse<br />
Bildaufbau jenen Kinderbildern vom<br />
Häuschen unter blauen Plüschwolken,<br />
wie wir sie alle kennen. Lang nimmt<br />
die Häuser aber in der Dämmerung<br />
oder nachts auf, wenn die Straßen menschenleer<br />
sind, der Himmel dunkel <strong>und</strong><br />
die Heime verschlossen. Der »durchschnittlichste<br />
Ort Deutschlands« wird<br />
so zur unheimlichen Kulisse, wo auch<br />
die Geranien vor den Fenstern nicht<br />
6 brennpunkt 1/2012<br />
Emil Nissen, »Schneewetter«, 1921 oder früher, © Staatliche Museen zu Berlin, Kunstbibliothek,<br />
Sammlung Fotografie<br />
zum Verweilen einladen. Nicht weniger<br />
düster erscheinen die Arbeiten von<br />
Franziska Zacharias, »le noir familier«,<br />
Fotos von kahlen, dunklen Gebäudeinneren,<br />
die nach selbst gebauten Modellen<br />
aufgenommen wurden <strong>und</strong> daher<br />
fast zur abstrakten, ornamentfreien Bildfläche<br />
neigen. Mit ihrer Arbeit Im Angesicht<br />
widmet sich Julia Unkel dagegen<br />
einem sehr diesseitigen Thema, nämlich<br />
der Fleischproduktion, <strong>und</strong> wirft einen<br />
Blick hinter die Kulissen einer Schlachterei.<br />
Die dokumentarisch, sachlich aufgenommenen<br />
Bilder der sterilen Räumlichkeiten,<br />
Objekte <strong>und</strong> Personen, aber<br />
auch das »Porträt« eines Rinderkopfes,<br />
lassen das Schlachten als cleanen,<br />
mechanischen Vorgang erscheinen.<br />
Und dieser befremdete oder befremdliche<br />
Blick in die Welt setzt sich auch<br />
in den Arbeiten der anderen Gewinner<br />
durch. Miriam Schwedt zeigt Landschaftsaufnahmen<br />
<strong>und</strong> Menschen in<br />
der Natur, schwarz-weiß, überbelich-<br />
Miriam Schwedt, »Ohne Titel«, 2011<br />
© Miriam Schwedt, www.guteaussichten.org<br />
tet, verschwommen <strong>und</strong> geradezu entrückt.<br />
Johannes Post bringt auf zwei<br />
Bildtafeln abstrakte Formen vor schwarzem<br />
Hintergr<strong>und</strong> an, die sich erst bei<br />
näherer Betrachtung als zerschnittene<br />
Kleidungsstücke erkennen lassen, die er<br />
gescannt hat, als habe er eine Tomografie<br />
der Kleidung vornehmen wollen. Und<br />
mit einem Stück deutscher Geschichte<br />
beschäftigt sich Luise Schröder in ihrer<br />
»Arbeit am Mythos«, die Bildbände über<br />
Dresden anzündet, löscht <strong>und</strong> in malt-
Sebastian Lang, Behaviour Scan, 2010<br />
© Sebastian Lang, www.guteaussichten.org<br />
rätierter Form sauber abfotografiert, was<br />
das Spiel zwischen Medium <strong>und</strong> Realität<br />
auf die Spitze treibt. Eine weitere<br />
konzeptuell angelegte Arbeit ist Sara-<br />
Lena Maierhofers »Dear Clark«, eine<br />
fotografische Studie über das Phänomen<br />
des Hochstaplers. Josefine Raab<br />
zu der diesjährigen Auswahl: »In der<br />
wie immer mit Spannung erwarteten<br />
Sitzung konnten wir beobachten, dass<br />
sich die bereits im letzten Jahr hervorgetretene<br />
Tendenz, das Medium Fotografie<br />
ebenso experimentell, wie spielerisch<br />
<strong>und</strong> ungezwungen einzusetzen,<br />
in diesem Jahr fortgesetzt hat. Das<br />
fotografische Erbe der Bild prägenden<br />
Schulen führt bei den Nachwuchsfotografen<br />
zu einer phantasievollen Erk<strong>und</strong>ung<br />
<strong>und</strong> Erweiterung ihres Instrumentariums.<br />
Die Konstruktion von Bildern<br />
bleibt nach wie vor ein großes Thema,<br />
wobei die totale Inszenierung von Bildwelten<br />
mit den unterschiedlichsten Mitteln<br />
in den Vordergr<strong>und</strong> gerückt ist. Weiterhin<br />
virulent ist die Auseinandersetzung<br />
mit politischen, gesellschaftlichen,<br />
sozialen <strong>und</strong> kulturellen Themen unserer<br />
Zeit <strong>und</strong> hat – zumindest vorläufig<br />
– die narrative Selbstbestimmungs- <strong>und</strong><br />
Selbstverortungsthematik in den Hintergr<strong>und</strong><br />
gedrängt«. So unterschiedlich die<br />
Positionen, so sehr lässt sich doch über<br />
den Blick auf Welt <strong>und</strong> unsere Zeit sinnieren,<br />
der gerade in der Fotografie eine<br />
unmittelbare bildliche Form findet.<br />
Luise Schröder, »Arbeit am Mythos«, 2011<br />
© Luise Schröder, www.guteaussichten.org<br />
Gleichzeitig zum R<strong>und</strong>umblick in die<br />
Jetztzeit, schaut das Museum für Fotografie<br />
zurück auf die Ausstellung »Berliner<br />
Photographie 1921«. Damals hatte<br />
sich die Bibliothek des Kunstgewerbe-<br />
Museums, heute Kunstbibliothek, mit<br />
dem Photographischen Verein zu Berlin<br />
<strong>und</strong> sechs weiteren Fotoverbänden<br />
zusammengetan <strong>und</strong> eine Ausschreibung<br />
lanciert, um den Stand des zeitgenössischen<br />
Fotoschaffens zu ermitteln.<br />
Amateure <strong>und</strong> Berufsfotografen<br />
wurden aufgerufen, ihre Arbeiten einer<br />
Auswahlkommission vorzulegen <strong>und</strong> an<br />
der Ausstellung im Lichthof des Kunstgewerbemuseums<br />
– heute Martin-Gropius-Bau<br />
– teilzunehmen. Über einh<strong>und</strong>ert<br />
Aussteller wurden schließlich ausgewählt.<br />
24 Bilder gelangten als Schenkung<br />
der Künstler anschließend in den<br />
Bestand der Bibliothek, sodass nun<br />
zum ersten Mal der Versuch unternommen<br />
wird, die Ausstellung zu rekonstruieren.<br />
1921 war sie ein wohl beworbenes<br />
Ereignis; es gab ein Rahmenprogramm<br />
mit Vorträgen <strong>und</strong> Führungen,<br />
die Presse berichtete, die Besucher<br />
kamen – am letzten Sonntag der<br />
Ausstellung über 1000. Zu sehen waren<br />
Bilder von bekannteren <strong>und</strong> unbekannteren<br />
Fotografen. Besonders gut vertreten<br />
waren Nicola Perscheid, der ein florierendes<br />
Atelier im Tiergarten betrieb,<br />
<strong>und</strong> Karl Schenker mit einem nicht<br />
minder erfolgreichen Studio am mon-<br />
bis 29. Januar 2012<br />
Museum für Fotografie<br />
Jebensstraße 2<br />
10623 Berlin-Charlottenburg<br />
Di – So 10 – 18 Uhr<br />
Do 10 – 22 Uhr<br />
Montag geschlossen<br />
brennpunkt 1/2012<br />
Galerien<br />
Erna Lendvai-Dircksen, »Weiblicher Akt«, 1921<br />
oder früher<br />
© Staatliche Museen zu Berlin, Kunstbibliothek<br />
dänen Kurfürstendamm. Beide zeigten<br />
Bildnisse der Berühmten <strong>und</strong> Schönen:<br />
Die Schauspielerin Fritzi Massary war<br />
so neben Otto Gebühr zu sehen, das<br />
Bildnis Max Liebermanns neben jenem<br />
von Max Klinger. Eine Fotografin, die<br />
hier zum ersten Mal ausstellte, war<br />
die bald schon gefeierte Frieda Riess.<br />
Und auch Erna Lendvai-Dircksen war<br />
Teil der »Berliner Photographie 1921«.<br />
Artur Ranft, der Ausstellungsleiter, hatte<br />
sich vorgenommen, qualitätvolle Aufnahmen<br />
auszuwählen <strong>und</strong> so anderen<br />
Fotografen Vorbilder zu schaffen <strong>und</strong><br />
für die Anerkennung der Fotografie als<br />
Kunst zu sorgen. Die heute noch vorhandenen<br />
Bilder der Ausstellung geben<br />
eine Vorstellung davon, was man 1921<br />
als beispielhaft empfand. In den traditionellen<br />
Gattungen Porträt, Landschaft,<br />
Stadtansicht, Akt verdichteten sich etliche<br />
Themen <strong>und</strong> Trends der Zeit <strong>und</strong><br />
lassen gerade im Rückblick erkennen,<br />
dass Wettbewerbe Gradmesser ihrer<br />
Zeit sind.<br />
7
Galerien<br />
»20 YEARS –<br />
HENGESBACH<br />
GALLERY«<br />
Die HENGESBACH GALLERY feiert ihr<br />
20jähriges Bestehen. Zu diesem Anlass<br />
freuen wir uns, Ihnen eine exemplarische<br />
Gesamtschau der vielfältigen Positionen<br />
der Galerie mit namhaften europäischen<br />
<strong>und</strong> amerikanischen Künstlern zu präsentieren.<br />
Neben Malerei <strong>und</strong> Skulptur<br />
hat die Galerie ihren Fokus auf Fotografie<br />
<strong>und</strong> Medienkunst <strong>und</strong> vertritt arrivierte<br />
Künstler wie William Eggleston, Dieter<br />
Kiessling, Christopher Muller <strong>und</strong> den<br />
Becher-Schüler Michael Reisch gemeinsam<br />
mit jungen Positionen wie Peter<br />
Bösenberg <strong>und</strong> Björn Siebert.<br />
Die Arbeiten William Egglestons spiegeln<br />
eine verlassene, degenerierte, sich<br />
selbst überlassene Welt wider: Dinge<br />
<strong>und</strong> Menschen erscheinen abgetrennt<br />
vom ihrem sozialen Zusammenhang,<br />
entb<strong>und</strong>en von ihren Funktionen im<br />
Alltag. Seine Bedeutung als Klassiker<br />
der Fotografie besteht in der besonderen<br />
Behandlung der Farbe als gestalterische<br />
Bedeutungsebene der Fotografie.<br />
Eggleston schuf eine Ästhetik der<br />
Fremdartigkeit, wobei der Farbe stets<br />
ein psychologisierendes Moment innewohnt,<br />
gewachsen aus dem Versuch,die<br />
Wahrnehmung zu sezieren: »Ich habe<br />
mich oft gefragt, was andere Lebewesen<br />
sehen – ob sie sehen wie wir. Ich habe<br />
versucht, eine Menge verschiedener<br />
Fotos zu machen, die aussehen, als<br />
ob sie nicht von Menschen gemacht<br />
wären«.<br />
Björn Siebert inszeniert Schnappschüsse,<br />
die er im World-Wide-Web findet. Ihn<br />
beschäftigen die Durchleuchtung der<br />
Strukturen bildlicher Kommunikation in<br />
unserer Kultur <strong>und</strong> das geheimnisvolle<br />
Potential, das unbeabsichtigt erzeugte<br />
Bilder in sich bergen können. Was bei<br />
dem vorgef<strong>und</strong>enen Bild ein zufälliges<br />
Zusammensein von Dinggegebenheiten<br />
war, wird von ihm in mühevoller<br />
Recherchearbeit detailgenau zusammengetragen.<br />
Der seltsam geglückte, bildliche<br />
Augenblick des Schnappschusses<br />
wird als sorgfältig arrangiertes Gefüge<br />
8 brennpunkt 1/2012<br />
William Eggleston, »Morals of Vision«, 1978, Dye-Transfer-Print, 48,5 x 61cm (O.i.F.)<br />
Peter Bösenberg, »ohne Titel«, 2011, C-Print, 46 x 37,5cm, (O.i.F.)<br />
nachgestellt <strong>und</strong> mit der Präzision eines<br />
detailscharfen Großbildes auf eine neue<br />
symbolische Ebene gehoben.<br />
Fotografie ist bei dem Medienkünstler<br />
Dieter Kiessling nur ein Aspekt seines<br />
Werkes. Er untersucht in seinen fotografischen<br />
Arbeiten die strukturellen<br />
Qualitäten des Mediums: Eine<br />
Fotokamera betrachtet sich im Spiegel.<br />
Ihr Objektiv wird zum Auge, welches<br />
sich <strong>und</strong> den Spiegel in einer perspektivischen<br />
Verzerrung so darstellt, als<br />
scheine der Spiegel aus dem Auge der<br />
Kamera hervorzugehen. Die Fotoarbeit<br />
»Apostel« (2003) zeigt die Büste einer<br />
Heiligenfigur, die zunächst aus sich<br />
überlagernden Perspektiven zu bestehen<br />
scheint. Dieser filmische Aspekt erhält<br />
eine andere Dimension, wenn man<br />
erfährt, dass Kiessling hierfür die acht<br />
Apostelfiguren an der Eingangsseite der<br />
Kathedrale von Rouen übereinandergelegte<br />
<strong>und</strong> sich trotz ihrer Verschiedenheit<br />
der stimmige Ausdruck einer in sich<br />
ruhenden, meditativen Versunkenheit<br />
ergibt.<br />
Christopher Muller, Professor für künstlerische<br />
Fotografie an der Folkwang<br />
Universität Essen, thematisiert in seinen<br />
Stillleben nicht nur das Verhältnis der<br />
Dinge zueinander, sondern zugleich<br />
unsere Sicht auf die Dinge. Seine Bilder
Björn Siebert, »Girl at a Party Pit #1« (Remake), 2010, C-Print, 140 x 169cm, (O.i.F.)<br />
Christopher Muller, »Studio«, 2011, C-Print, 69 x 95cm, (O.i.F.)<br />
verdeutlichen, dass der Betrachter in<br />
ein komplexes Gewebe von Gefühlen<br />
wie Vorliebe <strong>und</strong> Abneigung verwickelt<br />
ist, die Erwartungen <strong>und</strong> Handlungen<br />
im Alltag bestimmen. Für diese<br />
Mechanismen der Determiniertheit des<br />
Menschen sensibilisieren seine Arbeiten<br />
den Betrachter.<br />
Die Landschaften von Michael Reisch<br />
zeigen eine Natur, die sich abschirmt<br />
vom Betrachter <strong>und</strong> ihm keinen<br />
Zugang gewährt. Die Wirklichkeit<br />
scheint eingefroren <strong>und</strong> generiert eine<br />
Überzeitlichkeit, die in ihrer Starrheit<br />
bedrohlich wirkt. Landschaft wird<br />
zu einer sich selbst modellierenden<br />
Gestalt, zu einem Wesen, das autark<br />
besteht <strong>und</strong> unserem Zugriff entzogen<br />
Michael Reisch, »Landschaft«, 9-002,<br />
C-Print, 210 x 138cm, (O.i.F.)<br />
13. Januar bis 3. März 2012<br />
HENGESBACH GALLERY<br />
Charlottenstrasse 1,<br />
10969 Berlin-Kreuzberg<br />
Di – Sa 11 – 18 Uhr<br />
Fon + 49 (030) 20913797<br />
info@hengesbach-gallery.de<br />
www.hengesbach-gallery.de<br />
brennpunkt 1/2012<br />
Galerien<br />
ist. Die Narration ist in seinen Arbeiten<br />
unterb<strong>und</strong>en, kulturelle Referenzen<br />
bleiben ausgespart.<br />
Die Arbeiten von Peter Bösenberg verdichten<br />
widersprüchliche Situationen<br />
in unserem städtischen Umfeld – das<br />
Suggestive <strong>und</strong> unterschwellig Evokative<br />
leitet seinen Blick. Der Künstler geht<br />
nicht allein auf offensichtliche Ereignisse<br />
an der Oberfläche ein, sondern ist daran<br />
interessiert, was sich bei genauerer<br />
Beobachtung aus dem Verborgenen heraus<br />
entwickeln kann. Peter Bösenberg,<br />
der Film an der Hochschule für Medien<br />
in Köln studierte, Filme inszeniert <strong>und</strong><br />
Drehbücher schreibt, überführt somit<br />
das narrative Prinzip der filmischen<br />
Sukzession in die Fotografie.<br />
Führung mit Rolf Hengesbach:<br />
Samstag, 28. Januar 2012, 16 Uhr<br />
9
Galerien<br />
Ai Weiwei<br />
in New York<br />
Fotografien 1983-1993<br />
Der Martin-Gropius-Bau zeigt erstmals<br />
in Deutschland über 220 Fotografien<br />
ausjener Zeit, die der chinesische<br />
Künstler Ai Weiwei von 1983 bis 1993<br />
in New York verbrachte. Der Künstler<br />
hat die Ausstellung selbst kuratiert. Über<br />
10.000 Aufnahmen machte Ai während<br />
seiner New Yorker Zeit. Für den jungen<br />
Ai, geboren 1957, war der lange<br />
Aufenthalt in den USA stilprägend für<br />
seine gesamte künstlerische Laufbahn.<br />
Nach China kehrte Ai erst wieder zurück<br />
als sein Vater, der in China hochberühmte<br />
Schriftsteller Ai Qing – jedes<br />
Schulkind lernt seine Gedichte auswendig<br />
- im Sterben lag.<br />
Heute ist Ai Weiwei der bekannteste<br />
chinesische Künstler der Gegenwart. In<br />
New York war er befre<strong>und</strong>et mit Allen<br />
Ginsberg. Viele der heute in China<br />
berühmten Künstler besuchten ihn<br />
damals in New York. Ai fotografierte sie.<br />
Er lernte die Arbeiten von Joseph Beuys<br />
kennen, dessen Idee der Sozialen Plastik<br />
im heutigen Werk von Ai erkennbar ist.<br />
Die Aufnahmen Ai Weiweis dokumentieren<br />
auch die Geschichte <strong>und</strong> die<br />
besondere <strong>und</strong> liberale Atmosphäre im<br />
New York der 1980er Jahre aus seiner<br />
Perspektive.<br />
In New York, Ai war damals noch nicht<br />
berühmt, lebte er in einer winzigen<br />
Wohnung im Stadtteil East Village. Er<br />
war aktives Mitglied der chinesischen<br />
Künstler-<strong>und</strong> Intellektuellengemeinde<br />
in der wachsenden Avantgarde-Szene<br />
des Viertels. Mit seiner Kamera dokumentierte<br />
er sein Leben, sein künstlerisches<br />
Schaffen, seine Umgebung<br />
sowie die Atmosphäre <strong>und</strong> Ereignisse<br />
jener Epoche. Einzigartige Fotografien<br />
sind so entstanden – Dokumente einer<br />
künstlerisch <strong>und</strong> politisch aufregenden<br />
Zeit, wahrgenommen durch die Augen<br />
eines Künstlers aus China. Die Anfänge<br />
der Konzeptkunst Ai Weiweis sind in den<br />
Aufnahmen deutlich erkennbar.<br />
Die Sujets der Aufnahmen sind vielfältig<br />
wie das Leben in New York: Bilder<br />
10 brennpunkt 1/2012<br />
Ai Dan and Ai Weiwei. 1987, 8x10 cm, Inkjet on Fantac Innova Ultra Smooth Gloss<br />
© Ai Weiwei; Courtesy of Three Shadows Photography Art Center<br />
von Straßenschlachten im Tompkins-<br />
Square Park, Transvestiten beim<br />
Wigstock-Festival, Porträts von chinesischen<br />
<strong>und</strong> amerikanischen Künstlern,<br />
Intellektuellen <strong>und</strong> Fre<strong>und</strong>en. Die New<br />
Yorker Kunstszene der 1980er Jahre<br />
war vielfältig, spannend, <strong>und</strong> inspirierend<br />
zugleich. Auch das spiegelt die<br />
Ausstellung wider.<br />
Die Auswahl der Fotografien wurde von<br />
Ai Weiwei selbst vorgenommen. Sie<br />
fügen sich zu einer eigenen Installation<br />
zusammen, die auch die persönlichen<br />
Erfahrungen, Gedanken <strong>und</strong> Eindrücke<br />
des Künstlers Ai Weiwei nachzeichnet.<br />
Über Ai Weiwei Ai Weiwei wird 1957<br />
als Sohn des Schriftstellers Ai Qing geboren.<br />
Als dieser 1958 bei der kommunistischen<br />
Regierung in Ungnade fällt, wird<br />
er nach Xinjiang in die Verbannung<br />
geschickt. Ai erlebt die Demütigung<br />
des Vaters in dieser von Peking 3.000<br />
Kilometer entfernten Provinz. Erst 1978<br />
wird Vater <strong>und</strong> Sohn erlaubt, nach<br />
Beijing zurückzukehren. Ai schreibt sich<br />
im gleichen Jahr an der Filmakademie in
Lower East Side Restaurant. 1988, 8x10 cm, Inkjet on Fantac Innova Ultra Smooth Gloss<br />
© Ai Weiwei; Courtesy of Three Shadows Photography Art Center<br />
Beijing ein, wo er gemeinsam mit den<br />
heute vielbeachteten Filmregisseuren<br />
wie Chen Kaige <strong>und</strong> Zhang Yimou studiert.<br />
Er gründet 1979 mit anderen die<br />
avantgardistischeKünstlergruppe »Stars<br />
Group«, die von offizieller Staatskunst<br />
in jener Zeit der Reformen nichts wissen<br />
will. Ai beteiligt sich auch an jener<br />
berühmten »Mauer der Demokratie«,<br />
die 1978 mitten in Beijing entsteht.<br />
Der damals 28jährige Wei Jingsheng,<br />
der heute im Exil in den USA lebt, forderte<br />
in Wandzeitungen eine »fünfte<br />
Modernisierung« – mehr Demokratie<br />
<strong>und</strong> mehr individuelle Freiheiten. Die<br />
»Mauer« wurde jedoch schon Ende<br />
1979 verboten, weil die kommunistische<br />
Partei um ihr Machtmonopol fürchtet.<br />
Wei wurde zu 15 Jahre Gefängnis verurteilt.<br />
Erst auf Druck der USA erlaubte<br />
man ihm 1997 die Ausreise ins Exil. Ai<br />
lebt zwischen 1981 <strong>und</strong> 1993 in den USA<br />
<strong>und</strong> studiert in New York an der Parsons<br />
School of Design. 1993 kehrt Ai nach<br />
Peking zurück, wo er seitdem lebt. Die<br />
kritische Haltung seiner frühen Jahre hat<br />
Ai nie aufgegeben. Als Liu Xiaobo, der<br />
2009 zu elf Jahren Haft verurteilt worden<br />
war, weil er in der Charta 08 ebenfalls<br />
mehr Demokratie <strong>und</strong> mehr individuelle<br />
Freiheiten forderte, 2010 den<br />
Friedensnobelpreis erhielt, lobte Ai, der<br />
mit Liu gut bekannt ist, die Entscheidung<br />
als Ermutigung für alle in China, die sich<br />
für die elementaren Menschenrechte<br />
einsetzen.<br />
Seine Kunst hat Ai immer als politisch<br />
verstanden: Konzeptkunst, Performance,<br />
Fotografie – die Breite seiner künstlerischen<br />
Ausdrucksformen halfen, ihn<br />
zum wichtigsten Künstler Chinas zu<br />
machen. Duchamp, Dadaismus, Soziale<br />
Plastik <strong>und</strong> Andy Warhol beeinflussten<br />
ihn. Sein Blog ist als erfolgreiches Buch<br />
auf dem Markt in Europa <strong>und</strong> Amerika.<br />
Seine Ausstellungen in USA, Europa <strong>und</strong><br />
Asien sind legendär.<br />
Seine Beteiligung an der documenta 12<br />
im Jahr 2007 machte ihn in Deutschland<br />
populär. Sein Werk ist in vielen wichtigen<br />
Museen der Welt vertreten: in der<br />
Tate Modern in London, im Museum of<br />
Modern Art New York, in den Staatlichen<br />
Museen zu Berlin, in San Francisco <strong>und</strong><br />
Los Angeles.<br />
Als Ai Weiwei im April am Flughafen<br />
Beijing wegen seiner künstlerisch-subversiven<br />
Aktivitäten verhaftet <strong>und</strong><br />
für über 80 Tage in einem geheimen<br />
Gefängnis festgehalten wurde, ging ein<br />
Aufschrei durch die Kunstwelt. Eine vom<br />
Guggenheim Museum New York inszenierte<br />
Unterschriftenliste wurde von über<br />
140.000 Personen gezeichnet. Der von<br />
Alexander Ochs <strong>und</strong> Fre<strong>und</strong>en initiierte<br />
Berliner Appell „Freiheit für Ai Weiwei“<br />
wurde in Deutschland von über 4000<br />
Personen, darunter Günter Grass, Durs<br />
Outside Tompkins Square Park. 1986<br />
bis 18. März 2012<br />
Martin-Gropius-Bau<br />
Niederkirchnerstraße 7<br />
10963 Berlin-Kreuzberg<br />
Mi – Mo 10 – 20 Uhr<br />
Dienstags geschlossen<br />
brennpunkt 1/2012<br />
Galerien<br />
8x10 cm, Inkjet on Fantac Innova Ultra Smooth<br />
Gloss © Ai Weiwei; Courtesy of Three Shadows<br />
Photography Art Center<br />
Grünbein, Rosemarie Trockel, Norbert<br />
Bisky, Tobias Rehberger sowie vielen<br />
anderen Schriftstellern, Künstlern <strong>und</strong><br />
Museumsleuten unterschrieben. Die<br />
Akademie der Künste in Berlin wählte<br />
Ai zum Mitglied. Prominente Künstler<br />
wie Daniel Buren, Olafur Eliasson, Luc<br />
Tuymans <strong>und</strong> Anish Kapoor setzten sich<br />
für seine Freilassung ein. Mittlerweile hat<br />
man Ai Weiwei erlaubt, in seinem Studio<br />
in Beijing zu leben, aber er darf weder<br />
mit der Presse reden noch die Stadt verlassen.<br />
Frei ist Ai Weiwei noch immer<br />
nicht. Wei Jingsheng kommentierte die<br />
Situation auch der Künstler in China<br />
kürzlich in der New York Times: noch<br />
immer regiere in China nicht das Gesetz<br />
sondern die Willkür der Staatsmacht.<br />
Katalog:<br />
Die Ausstellung mit Ai’s Fotografien aus<br />
seiner New Yorker Zeit zeigt den Beginn<br />
einer großen künstlerischen Karriere.<br />
Der Katalog erscheint im Distanz Verlag<br />
als Softcover mit Leinenbezug, 28 x 28<br />
cm, Deutsch/Englisch/Chinesisch <strong>und</strong><br />
umfasst 336 Seiten mit Bildtafeln aller<br />
ausgestellten Fotografien, Essays <strong>und</strong><br />
Interviews. Der Katalog kostet in der<br />
Ausstellung 28 Euro, im Buchhandel<br />
39,95 Euro.<br />
11
Galerien<br />
Ungleich Nacht<br />
Fotografien der Gruppe 97<br />
Frank-Rüdiger Berger<br />
Susanne Czichowski<br />
Sylvia Forsten<br />
Ursula Kelm<br />
Angela Kröll<br />
Barbara Oehler<br />
»Bei Nacht sind alle...« - Bilder anders.<br />
Die Nacht zeigt nicht nur die andere<br />
Seite von Menschen, Landschaften <strong>und</strong><br />
Gegenständen, sondern verstärkt sie -<br />
wo Licht ins Dunkel fällt - auch in ihrer<br />
Besonderheit.<br />
Dieser Nachtseite sind die sechs Berliner<br />
Fotografinnen <strong>und</strong> Fotografen der<br />
Gruppe 97 in ganz unterschiedlicher<br />
Weise <strong>und</strong> mit verschiedenen fotografischen<br />
Techniken auf die Spur gegangen.<br />
Präsentiert werden die Arbeiten<br />
»Milonga veneziana« von Frank-Rüdiger<br />
Berger, »Was ist, wenn ich‘s nicht<br />
sehe?« von Susanne Czichowski, »Neonzone«<br />
von Sylvia Forsten, »Nachtleben«<br />
von Ursula Kelm, »Eintrittskarten in die<br />
Nacht« von Angela Kröll <strong>und</strong> »Zweierlei«<br />
von Barbara Oehler.<br />
© Angela Kröll<br />
12 brennpunkt 1/2012<br />
© Ursula Kelm<br />
© Ursula Kelm
© Susanne Czichowski<br />
© Sylvia Forsten<br />
© Barbara Oehler<br />
© Frank-Rüdiger Berger<br />
© Susanne Czichowski<br />
Vernissage: 6. Januar 2012<br />
um 19 Uhr<br />
7. Januar bis 12. Februar 2012<br />
Galerie im Saalbau<br />
Karl-Marx-Straße 141<br />
12043 Berlin-Neukölln<br />
Di–So 10 – 20 Uhr<br />
brennpunkt 1/2012<br />
Galerien<br />
13
Galerien<br />
Erika Babatz<br />
»Bodegones<br />
Berlineses«<br />
Ein Leben nach irgendeinem Tod<br />
Ich stamme aus dem Barock <strong>und</strong> bildete<br />
mich im Studium der Malerei aus<br />
dieser Zeit. Die Stillleben <strong>und</strong> Vanitas<br />
interessierten mich. Ihr lebendiges<br />
Wesen, obwohl sie leblos oder unbeweglich<br />
scheinen, machte mich neugierig.<br />
Immer erinnere ich mich bew<strong>und</strong>ernd<br />
an ihre Dunkelheit, zeitweilige Finsterniss<br />
<strong>und</strong> ihr Licht, das den Gegenständen<br />
die Hoffnung auf ein neues Lebens<br />
mitzuteilen schien.<br />
Aus der gegenwärtigen Welt ziehen<br />
mich die Abfälle, die wir erzeugen an,<br />
überwältigend, trotz der Verachtung,<br />
die wir ihnen entgegen bringen. Sie<br />
wurden von Ihre Nützlichkeit freigesprochen,<br />
<strong>und</strong> sie efreuen sich daran, in<br />
Vergessenheit geraten zu sein. Mit ihrem<br />
Blick geben sie uns den Sarkasmus, ihre<br />
Besitzer <strong>und</strong> zukünftigen Begleiter zu<br />
sein, zurück.<br />
Ich weiß, daß wir mit ihnen verwesen<br />
<strong>und</strong> wie auch sie anderes Leben sein<br />
werden, die aus unserer toten Materie<br />
entstehen. Mein Wunsch besteht darin,<br />
mit ihnen an die Größe der barocken<br />
Stillleben zu erinnern, indem ich neue<br />
Gegenstände erschaffe <strong>und</strong> erlaube,<br />
daß sich das Organische wieder aus<br />
dem Innern des Vergessenen entfaltet.<br />
Leben nach einem Tod, der in diesem<br />
Zyklus nie ein solcher ist, möchte ich<br />
mit meiner Fotografie ausdrücken; wissend,<br />
daß mein Auge eines Tages Teil<br />
des Prozesses sein wird.<br />
Erika Babatz<br />
14 brennpunkt 1/2012<br />
© Erika Babatz<br />
© Erika Babatz<br />
Vernissage:<br />
6. Januar 2012, 19 Uhr<br />
© Erika Babatz<br />
7. Januar bis 17. Februar 2012<br />
imago fotokunst<br />
Linienstraße 145<br />
10115 Berlin-Mitte<br />
Di – Fr 12 – 19 Uhr<br />
Sa 14 – 18 Uhr
Jim Rakete<br />
»Stand der Dinge«<br />
In den Jahren 2009 bis 2011 hat Jim<br />
Rakete exklusiv für das Deutsche Filmmuseum<br />
Legenden, Macher <strong>und</strong> Talente<br />
des deutschsprachigen Kinos fotografiert.<br />
Entstanden ist die Porträtreihe<br />
»Stand der Dinge«, die ursprünglich als<br />
überschaubare Hall of Fame geplant<br />
war, sich dann aber zu einer umfangreichen<br />
Schau für die neuen Ausstellungsräume<br />
des Filmmuseums entwickelte.<br />
Alle Porträtierten haben sich mit einem<br />
Requisit oder für sie bedeutenden<br />
Gegenstand ablichten lassen, mit dem<br />
sie eine persönliche Erinnerung ihrer filmischen<br />
Laufbahn verbindet. Auch veranschaulicht<br />
der Bilderreigen eindrucksvoll<br />
die eigentliche Besonderheit von<br />
Jim Rakete, nämlich das gleichberechtigte<br />
Dreiecksverhältnis Fotograf – Fotografierter<br />
– Betrachter: Man muss nicht<br />
zu den Prominenten aufschauen, hier<br />
begegnet man ihnen auf Augenhöhe.<br />
Entgegen seiner Gewohnheiten hat Jim<br />
Rakete den »Stand der Dinge« in Farbe<br />
fotografiert, was der zentralen Rolle<br />
der Objekte geschuldet ist, die als Teil<br />
einer filmischen Welt gewollt auf eine<br />
andere Ebene verweisen. Im Gegensatz<br />
zu seiner vorhergehenden großen<br />
Porträtreihe »1/8 sec.«, ist der »Stand<br />
der Dinge« digital fotografiert. Statt nur<br />
weniger Plattenaufnahmen, machte<br />
der Fotograf diesmal eine Vielzahl von<br />
Aufnahmen pro Shooting. Eine völlig<br />
andere Herangehensweise, doch ist im<br />
Ergebnis auch diesmal Raketes sanfter,<br />
klarer Stil deutlich erkennbar.<br />
»Stand der Dinge« – den Titel hat sich<br />
Jim Rakete von Wim Wenders geborgt.<br />
1982 hatte dieser einen fast gleichnamigen<br />
Film über einen Autorenfilmer<br />
gedreht, der mit einem Projekt an seine<br />
Grenzen gelangt. Mit seinem Reigen hat<br />
Rakete den Titel neu gedeutet, da die<br />
Vielzahl von deutschsprachigen Talenten<br />
<strong>und</strong> Persönlichkeiten die Filmlandschaft<br />
scheinbar grenzenlos erscheinen<br />
lässt. Die Panoramahängung in der Ausstellung<br />
soll entsprechend darauf hinweisen,<br />
wie groß der Kreis der Kreativen<br />
deutschen Filmschaffens ist, der sich tat-<br />
© Jim Rakete, »Martina Gedeck«<br />
sächlich weit über die Anzahl der hier<br />
Gezeigten hinaus erstreckt.<br />
Ergänzend zeigt die Schau eine Auswahl<br />
dreidimensionaler Objekte: Requisiten,<br />
Kostüme, Drehbücher, Geräte. Gemeinsam<br />
erzählen Fotografien <strong>und</strong> Objekte<br />
Filmgeschichte – <strong>und</strong> ganz persönliche<br />
Geschichten.<br />
Jim Rakete<br />
Sein fotografisches Interesse gilt den<br />
Menschen. Schlicht <strong>und</strong> einfach sollen<br />
seine Bilder sein, möglichst wenig<br />
inszeniert. Filmstar oder Obdachloser,<br />
soziale Unterschiede machen vor<br />
seiner Kamera keinen Unterschied. In<br />
Jim Raketes Fotografien ist stets sein<br />
Respekt für sein jeweiliges Gegenüber<br />
sichtbar, <strong>und</strong> es ist das Bestreben nach<br />
dem Authentischen, das die Bilder so<br />
einzigartig macht.<br />
1951 in Berlin geboren, fotografierte<br />
Jim Rakete bereits während der Schulzeit<br />
für Tageszeitungen, Magazine <strong>und</strong><br />
Agenturen. Seinen Schwerpunkt hatte er<br />
zunächst in der Musikszene – Stars wie<br />
Jimi Hendrix, Mick Jagger <strong>und</strong> David<br />
Bowie ließen sich von ihm porträtieren.<br />
Von 1977 bis 1986 leitete er in Berlin-<br />
Kreuzberg das Kreativlabor »Fabrik«.<br />
Dort entstanden Plattencover für viele<br />
Bands der Neuen Deutschen Welle. Parallel<br />
übernahm Jim Rakete das Management<br />
von Musikern wie der Nina Hagen<br />
Band, Spliff, Nena, Die Ärzte <strong>und</strong> Interzone.<br />
brennpunkt 1/2012<br />
Galerien<br />
Die Liebe zur Fotografie bestimmte ab<br />
1986 wieder sein künstlerisches Schaffen.<br />
Seither hat er mit zahlreichen<br />
Größen der deutschen <strong>und</strong> internationalen<br />
Musik- <strong>und</strong> Filmbranche gearbeitet.<br />
In den neunziger Jahren pendelte<br />
er zwischen Hamburg <strong>und</strong> Los Angeles,<br />
drehte als Director of Photography<br />
Musikvideos <strong>und</strong> Werbespots, um 2001<br />
nach Berlin zurückzukehren. In den<br />
letzten Jahren fotografierte Jim Rakete<br />
auch zunehmend Politiker. Bereits<br />
2008/2009 arbeitete er mit dem Deutschen<br />
Filmmuseum zusammen. Seinerzeit<br />
zeigte er die Ausstellung »1/8 sec.<br />
– Vertraute Fremde«, eine Hommage<br />
an die klassische analoge Porträtfotografie.<br />
Jim Rakete holte damals Prominente<br />
vor eine alte Plattenkamera, die<br />
den Porträtierten aufgr<strong>und</strong> dieser über<br />
100 Jahre alten Technik ein zwölf Sek<strong>und</strong>en<br />
langes Stillstehen abverlangte. Und<br />
dadurch den ganz besonderen Moment<br />
einer intensiven Begegnung festhielt.<br />
Eine Ausstellung in Zusammenarbeit mit<br />
dem Deutschen Filmmuseum, Frankfurt<br />
am Main.<br />
14. Februar bis 11. März 2012<br />
Willy-Brandt-Haus<br />
Stresemannstraße 28<br />
10963 Berlin-Kreuzberg<br />
Di – So 12 – 18 Uhr<br />
Eintritt frei, Ausweis erforderlich<br />
15
Galerien<br />
CRISTINA PIZA<br />
»Der Rhythmus des<br />
Lebens«<br />
In Havanna begegnen wir den Musikern<br />
vom »Buena Vista Social Club«, stolze<br />
Ladenbesitzer in Neapel machen auf<br />
lokale Spezialitäten neugierig, auf dem<br />
Ozeanriesen „»Queen Elisabeth« bitten<br />
Gentlemen zum Tanz.<br />
Im Berliner Tiergarten genießen »Boys<br />
in the Park« den Sommer <strong>und</strong> in der<br />
»Casa Verdi« in Mailand verbringen<br />
Künstler ihren Lebensabend im gepflegten<br />
Ambiente.<br />
All diese w<strong>und</strong>erbaren Momente hat<br />
Cristina Piza mit ihrer Kamera einfühlsam<br />
eingefangen <strong>und</strong> zu eindringlichen<br />
Bildern komponiert.<br />
© CRISTINA PIZA, »Queen«<br />
Maria CRISTINA PIZA Lopez<br />
1963 in Costa Rica geboren<br />
1980 - 86 Studium an der Universidad<br />
National de Costa Rica<br />
1990-1991 Fotografie Diplom am Instituto<br />
Superiore di Fotografia, Rom<br />
1991 BA, Universidad National<br />
Autónoma di Mexico<br />
2003-2006 San Francisco Art Institute,<br />
Master of Fine Art<br />
1992 -2002 Foto-Veröffentlichungen<br />
für Magazine <strong>und</strong> Zeitungen:<br />
Lettre International, taz, Neue Züricher<br />
Zeitung, El Pais, New York Book<br />
Review, Mare u.a.m.<br />
Zahlreiche nationale <strong>und</strong> internationale<br />
Ausstellungen<br />
16 brennpunkt 1/2012<br />
© CRISTINA PIZA, »Cuba«<br />
Vernissage mit Cristina Piza<br />
13. Januar 2012, ab 19 Uhr<br />
© CRISTINA PIZA, »Cuba«<br />
© CRISTINA PIZA, »boys« © CRISTINA PIZA, »boys«<br />
© CRISTINA PIZA, »Casa Verdi« © CRISTINA PIZA, »Casa Verdi«<br />
14. Januar bis 25. Februar 2012<br />
Galerie argus fotokunst<br />
Marienstraße 26<br />
10117 Berlin-Mitte<br />
Do – Sa 14 – 18 Uhr
RUTGER TEN BROEKE<br />
»KörperLandschaften«<br />
Rutger Ten Broeke (*1944 in Arnhem) ist<br />
ein wichtiger Wegbereiter der Fotografie<br />
in den Niederlanden. 1984 organisierte<br />
er die erste Foto Biennale in Enschede.<br />
Er lehrt Fotografie an der Academie for<br />
Art and Industry in Enschede.<br />
Ten Broeke ist international bekannt<br />
für seine sensiblen Aktfotografien in<br />
schwarz-weiß. Im Fokus seiner Arbeit<br />
steht seine Faszination für den weiblichen<br />
Körper in Verbindung mit der<br />
Natur.<br />
Seine Arbeiten wurden vielfach ausgezeichnet<br />
<strong>und</strong> in über h<strong>und</strong>ert Ausstellungen<br />
weltweit präsentiert.<br />
Erstmals werden die Fotografien des niederländischen<br />
Fotografen Rutger Ten<br />
Broeke in Berlin in einer »One Man<br />
Show« gezeigt.<br />
© RUTGER TEN BROEKE<br />
© RUTGER TEN BROEKE © RUTGER TEN BROEKE<br />
3. März bis 28. April 2012<br />
Galerie argus fotokunst<br />
Marienstraße 26<br />
10117 Berlin-Mitte<br />
Do – Sa 14 – 18 Uhr<br />
brennpunkt 1/2012<br />
Galerien<br />
Vernissage mit dem Künstler<br />
Freitag, 2. März 2012, ab 19 Uhr<br />
17
Galerien<br />
Mythos<br />
Die Abschlussklasse von Sibylle Hoffmann<br />
<strong>und</strong> Susan Paufler am Fachbereich<br />
Fotografie der VHS Friedrichshain-<br />
Kreuzberg.<br />
Mythen sind Erzählungen, in denen es<br />
um die großen Ängste <strong>und</strong> Nöte, aber<br />
auch Triumphe der Menschheit geht.<br />
Mythen wollen nicht erklären, sondern<br />
Sinn stiften. Ihre Präsenz in unserem<br />
kollektiven Gedächtnis macht sie<br />
gleichzeitig archaisch <strong>und</strong> aktuell. Das<br />
macht aber auch die Gefahr aus, der sie<br />
unterliegen, denn Mythen bewegen sich<br />
nicht in einem herrschaftsfreien Raum,<br />
sondern sind jeweils eingebettet in konkrete<br />
Machtverhältnisse, die ihren Missbrauch<br />
ermöglichen.<br />
16 Fotografinnen <strong>und</strong> Fotografen haben<br />
unter der Leitung von Sibylle Hoffmann<br />
<strong>und</strong> Susan Paufler das Thema »Mythos«<br />
künstlerisch bearbeitet. Herausgekommen<br />
sind sehr unterschiedliche Positionen,<br />
die sich zwischen den Extremen<br />
der Gestaltung einer oder mehrerer konkreter,<br />
teils altbekannter, teils moderner<br />
oder biografisch begründeter Geschichten<br />
einerseits <strong>und</strong> einer eher ideologiekritischen<br />
Auseinandersetzung andererseits<br />
bewegen.<br />
© Patricia Milch<br />
10. Februar bis 19. Februar 2012<br />
Bethanien<br />
Mariannenplatz 2<br />
10997 Berlin-Kreuzberg<br />
Mo – Fr 17 – 20 Uhr<br />
Sa + So 11 – 19 Uhr<br />
18 brennpunkt 1/2012<br />
© Anna Homburg<br />
© Barbara Töpper-Fennel © Katja Hammerle<br />
Vernissage:<br />
Freitag, 10. Februar 2012, um 19 Uhr<br />
Werkstattgespräch:<br />
Dienstag, 14. Februar 2012, um 19 Uhr
Hans Martin Sewcz<br />
»Berlin-Mitte<br />
Mai 1979«<br />
Frühe Fotografien<br />
Nach »Hommage à Berlin«, der vielseits<br />
besprochenen Erstausstellung<br />
mit Aufnahmen der kriegszerstörten<br />
Hauptstadt, präsentiert die Collection<br />
Regard frühe Fotografien von Hans<br />
Martin Sewcz aus den Jahren 1973 -<br />
1981. Mit dieser fotografischen Position<br />
zeigt der Sammler Marc Barbey erneut<br />
einen Fotografen, den es wieder zu entdecken<br />
<strong>und</strong> neu zu bewerten gilt. Ein<br />
wichtiger Teil der präsentierten Arbeiten<br />
wurde im Mai 1979 in der Spandauer<br />
Vorstadt mit einer russischen Horizont-<br />
Kamera aufgenommen. Die entstandenen<br />
Panoramaaufnahmen umfassen<br />
einen Winkel von 120° <strong>und</strong> erlauben<br />
damit einen Blick in eine längst vergangene<br />
Welt.<br />
Kuratiert wird die Ausstellung von<br />
Antonio Panetta, dem künstlerischen<br />
Leiter der Collection Regard.<br />
Die Horizonte des Hans Martin Sewcz:<br />
1975 bezog der damals 20jährige ein<br />
Zimmer in der Tucholskystraße, das er<br />
auch während seines Studiums an der<br />
Leipziger Hochschule für Grafik <strong>und</strong><br />
Buchkunst behielt. Was ihn an der<br />
Spandauer Vorstadt so faszinierte, war<br />
die »nicht erwünschte Authentizität«:<br />
heruntergekommene Vorkriegshäuser,<br />
große Brachen, gewaltige Brandmauern<br />
<strong>und</strong> dunkle Backsteinwände. Denn hier<br />
gab es keine Repräsentationsbauten<br />
wie in der Karl-Marx-Allee oder am<br />
Alexanderplatz. Zwar war angedacht,<br />
die alte Bausubstanz irgendwann<br />
durch Plattenbauten zu ersetzen - doch<br />
eine Renovierung fand erst nach dem<br />
Mauerfall statt. Und völlig anders, als<br />
man zu DDR-Zeiten dachte.<br />
Aus diesem Gr<strong>und</strong> wirken Sewcz’ frühe<br />
Bilder heute wie Bruch- <strong>und</strong> F<strong>und</strong>stücke.<br />
Er selbst sagt, seine damaligen Arbeiten<br />
schwankten »zwischen den Polen<br />
von Abneigung <strong>und</strong> Identifikation«.<br />
Darüber hinaus sei er von dem damaligen<br />
Zustand begeistert gewesen,<br />
»der Motive mystisch bis abstrakter<br />
Hans Martin Sewcz (*1955),<br />
Oranienburgerstraße, Berlin 1979,<br />
Gelatin silver print, printed 1979<br />
12,7 x 29,4 (23,4 x 30,5) cm, Copyright<br />
Hans Martin Sewcz<br />
Bildfindungen zuließ«. Das Œuvre von<br />
Hans Martin Sewcz umfasst neben den<br />
beeindruckenden Panoramaaufnahmen<br />
auch Porträts (etwa von Ulrich Mühe),<br />
eine frühe »Street Photography«<br />
sowie seine »Architektur-Porträts« der<br />
Spandauer Vorstadt mit dem ehemaligen<br />
Scheunenviertel. In der Ausstellung<br />
»Berlin-Mitte Mai 1979« werden Hans<br />
Martin Sewcz´s Aufnahmen von frühen<br />
Berlin-Bildern des Fotografen Will<br />
McBride <strong>und</strong> durch Auszüge des DEFA-<br />
Films »Berlin Auguststraße« (1979) des<br />
Regisseurs <strong>und</strong> Filmwissenschaftlers<br />
Günther Jordan flankiert.<br />
Hans Martin Sewcz wurde 1955 in Halle<br />
an der Saale geboren. Er beginnt mit 18,<br />
die Fotografie gezielt als Ausdrucksmittel<br />
einzusetzen <strong>und</strong> wird 1975-81 in<br />
Leipzig zum Diplom-Fotografiker ausgebildet,<br />
auch wenn sein eigentlicher<br />
Lebensmittelpunkt die Mitte Berlins<br />
bleibt. 1988, wenig mehr als ein Jahr<br />
vor dem Mauerfall, wird nach vier langen<br />
Jahren sein Ausreiseantrag endlich<br />
bewilligt. Sewcz geht nach West-Berlin.<br />
Er wendet sich auch der Konzeptkunst<br />
zu, produziert Installationen <strong>und</strong> Filme.<br />
Heute befinden sich seine Werke unter<br />
anderem im Deutschen Historischen<br />
Museum, im Deutschen B<strong>und</strong>estag,<br />
im Neuen Berliner Kunstverein <strong>und</strong><br />
in der fotografischen Sammlung der<br />
Berlinischen Galerie.<br />
Schon zu DDR-Zeiten ist sein großes<br />
Thema die Alltagskultur. Sein frühes<br />
Œuvre umfasst Porträts, Straßenfotografie<br />
<strong>und</strong> Detailaufnahmen von steinigen<br />
Oberflächen. Seine Bilder sind mitteilsam,<br />
wenig aufdringlich <strong>und</strong> lassen<br />
die Poesie des Zufalls anklingen.<br />
Während der 80er Jahre wird Sewcz<br />
den Bildausschnitt enger <strong>und</strong> die Blicke<br />
direkter erfassen. Ähnlich wie Henri<br />
Cartier-Bresson, Helen Levitt, Helga<br />
Paris, Gabriele <strong>und</strong> Helmut Nothhelfer.<br />
bis 2. März 2012<br />
Collection Regard<br />
Marc Barbey<br />
Steinstraße 12<br />
10119 Berlin-Mitte<br />
brennpunkt 1/2012<br />
Galerien<br />
Hans Martin Sewcz (*1955), Hackescher<br />
Markt, Berlin 1979, Gelatin silver print,<br />
printed 1979<br />
10,2 x 24,5 (11,0 x 25,2) cm, Copyright<br />
Hans Martin Sewcz<br />
Hans Martin Sewcz (*1955), Ecke<br />
Auguststraße - Große Hamburger, Berlin<br />
1979, Gelatin silver print, printed 1979<br />
12,7 x 29,4 (23,5 x 30,5) cm, Copyright<br />
Hans Martin Sewcz<br />
Sein »Selbstporträt mit Agnes B. vor<br />
Gorbatschow-Limousinen« ist Teil einer<br />
Serie, die anlässlich des Besuchs des jungen<br />
sowjetischen KPdSU-Chefs 1987 in<br />
Ost-Berlin entsteht. Sewcz vergrößert<br />
Teile des Kontaktstreifens, dass selbst<br />
die Perforation sichtbar bleibt. In dieser<br />
sequenziellen Form entsteht ein beinahe<br />
kinematografischer Effekt, der wiederum<br />
durch die Fragmentierung gebrochen<br />
wird.<br />
Die Auseinandersetzung mit dem<br />
Berliner Stadtraum, sowohl im Stillstand,<br />
als auch in den rasanten Veränderungen,<br />
zieht sich durch sein gesamtes fotografisches<br />
Werk, <strong>und</strong> so gewinnen auch seine<br />
frühen Aufnahmen wieder erheblich an<br />
Bedeutung.<br />
.<br />
immer freitags 14 – 18 Uhr<br />
<strong>und</strong> nach telefonischer Vereinbarung<br />
Telefon: 030 / 847 11 947<br />
<strong>und</strong> www.collectionregard.com<br />
19
Galerien<br />
Jörg Rubbert<br />
»Berliner<br />
Winternächte«<br />
Wenn es draußen besonders kalt ist <strong>und</strong><br />
die Nächte am längsten sind, geht für<br />
Jörg Rubbert die Saison los: Er fotografiert<br />
seit einiger Zeit die »Berliner Winternächte«.<br />
Berlin bei Gefrierschranktemperaturen<br />
<strong>und</strong> dazu noch bei Dunkelheit –<br />
das sind die Zutaten zu dieser speziellen<br />
Bildserie. Angefangen hatte dies<br />
zum Jahreswechsel 2006/2007, als er –<br />
der langen Winterabende überdrüssig –<br />
hinauszog, um zu erk<strong>und</strong>en, wie die<br />
Stadt bei diesen Witterungsverhältnissen<br />
»funktionierte«. Er wollte den von<br />
extremer Kälte beeinträchtigten Großstadtrhythmus<br />
erfassen <strong>und</strong> sehen, ob<br />
sich die Großstädter davon »aus der<br />
Spur« bringen lassen.<br />
© Jörg Rubbert, »Winterliche Stimmung an der<br />
Moltkebrücke«, Berlin-Mitte 2010<br />
Dem Winter muss man sich stellen, ob<br />
man will oder nicht. Er bedeutet Herausforderung:<br />
Die gewohnte Umwelt<br />
erscheint als gewandeltes, ungewohntes<br />
Terrain, fest im Griff des winterlichen<br />
Wetters. Zu später St<strong>und</strong>e <strong>und</strong> bei<br />
Eiseskälte trifft man nur noch wenige<br />
20 brennpunkt 1/2012<br />
© Jörg Rubbert, »Kurz nach MitternachtG, Szene am Bahnhof Berlin-Lichtenberg, Winter 2010<br />
© Jörg Rubbert, »Berlin steht für Energie«,<br />
Werbeplakat an der Kurfürstenstr. / Ecke<br />
Schillstraße, Winter 2009<br />
Passanten. Das Leben in der Großstadt<br />
geht zwar auch zu später St<strong>und</strong>e weiter,<br />
aber langsamer, quasi entschleunigt.<br />
Schnee <strong>und</strong> Eis tun das ihre. Der Verkehr<br />
schleppt sich dahin, kommt fast<br />
zum Erliegen, Fahrpläne geraten durcheinander.<br />
Man strebt nach Drinnen, ins<br />
Warme, entflieht dem Matsch <strong>und</strong> der<br />
Glätte.<br />
Die Leute rücken aber auch näher zusammen<br />
– das Wetter hat etwas Verbindendes,<br />
was man unter normalen Wetterbedingungen<br />
so nicht feststellen kann.<br />
Man teilt gewissermaßen das Schicksal,<br />
dass man noch spät unterwegs ist. Der<br />
Berliner, soviel wird schnell klar, lässt<br />
sich ungern vom Wetter seinen Tagesablauf<br />
diktieren …<br />
Die Schwarzweiß-Bilder wurden allesamt<br />
mit externem Belichtungsmesser<br />
auf einer Kleinbild-Kamera aufgenommen,<br />
die wegen des Schneefalls <strong>und</strong> der<br />
Kälte unter dem Wintermantel getragen<br />
werden musste. Sie wurden ohne Blitz<br />
mit hochlichtstarken Objektiven <strong>und</strong><br />
Filmen fotografiert. Die Aufnahmen<br />
sind zwischen 22:00 Uhr abends <strong>und</strong><br />
02:00 nachts entstanden.<br />
Vernissage:<br />
14. Januar 2012, ab 20 Uhr<br />
15. Januar bis 10. März 2012<br />
Cafe-Galerie Village Voice<br />
Ackerstraße 1 A<br />
10115 Berlin-Mitte<br />
Täglich ab 12 Uhr
Julian Röder<br />
»In Gesellschaft des<br />
Marktes«<br />
Julian Röder, geb. 1981 in Erfurt <strong>und</strong><br />
Mitglied der Agentur Ostkreuz zeigt in<br />
der Guardini Galerie Arbeiten aus drei<br />
Werkgruppen: The Summits, World of<br />
Warfare <strong>und</strong> Human Resources.<br />
Während Röder in den Bildern zu The<br />
Summits die Aktionen der Protestbewegung<br />
gegen die menschenfeindlichen<br />
Folgen der Globalisierung an den<br />
Orten der G8- <strong>und</strong> EU-Gipfel fotografierte,<br />
befasst sich World of Warfare mit<br />
einer Waffenmesse in Abu Dhabi, auf<br />
der Kriegsgerät feilgeboten wurde, just<br />
als die Befreiungsbewegungen der arabischen<br />
Länder aktiv geworden waren.<br />
Die militärischen Ausrüstungen, das<br />
wird deutlich, sind auch bestens für<br />
Bürgerkriege geeignet. Human Resources<br />
ist eine Serie von Bildern, die Julian<br />
Röder auf Handelsmessen aufgenommen<br />
hat <strong>und</strong> in denen er untersucht,<br />
wie der Mensch als Individuum in vollkommen<br />
kommerzialisierten gesellschaftlichen<br />
Systemen selbst zur austauschbaren<br />
<strong>und</strong> mit einem Verfallsdatum<br />
bezeichneten Ware wird.<br />
Was Röder zeigt, ist nicht die Verdichtung<br />
eines vergangenen Geschehens, es<br />
ist die unmittelbare Gegenwart. Und<br />
weil er sich auf subtile Weise oftmals<br />
kunst- oder allgemein bildgeschichtlicher<br />
Topoi bedient, haben diese Fotografien<br />
bei allem Wirklichkeitsbezug<br />
eine tiefere Intensität <strong>und</strong> Dauerhaftigkeit<br />
als der Fünfzehn-Sek<strong>und</strong>en-Take<br />
aus der Tagesschau.<br />
Julian Röder weiß: Bilder sind immer<br />
auch Bilder über Bilder, die der Betrachter<br />
im Kopf hat <strong>und</strong> mit dem Gesehenen<br />
abgleicht. Das Faszinosum ist jedoch<br />
nicht eine mögliche Übereinstimmung,<br />
sondern das Hinzugekommene. Auch<br />
wenn das vollkommen authentische<br />
Bild für immer eine Fiktion bleibt, gibt<br />
es unterschiedliche Strategien der Annäherung.<br />
Die von Julian Röder besteht<br />
vor allem in der unmittelbaren Anteilnahme<br />
<strong>und</strong> in der Aufmerksamkeit für<br />
Details, die manchmal auch anrührend<br />
© Julian Röder, »Protests against G8 summit in Gleneagles«, 2005<br />
(aus der Serie: THE SUMMITS, C-Print 90x130cm, (Original in Farbe)<br />
© Julian Röder, »o.T.«, 2009<br />
(aus der Serie: HUMAN RESOURCES), O.i.F.<br />
<strong>und</strong> komisch sind. Wie der Vermummte,<br />
der in Genua ratlos den Stadtplan studiert,<br />
oder das Bild von dem Pärchen,<br />
das sich in Heiligendamm in eine Plastikplane<br />
zum schlafen auf eine Wiese<br />
gelegt <strong>und</strong> die feuchten Socken sinnigerweise<br />
auf einen Stapel Europaletten<br />
zum Trocknen ausgebreitet hat. Drama<br />
<strong>und</strong> Satyrspiel, Röder gibt beides, wie<br />
in der antiken Tragödie.<br />
© Julian Röder, »o.T.«, 2009<br />
bis 3. Februar 2012<br />
Guardini Galerie<br />
Askanischer Platz 4<br />
10963 Berlin-Kreuzberg<br />
Di – Fr 14 – 18.30 Uhr<br />
brennpunkt 1/2012<br />
Galerien<br />
(aus der Serie: HUMAN RESOURCES), O.i.F.<br />
Finissage:<br />
Donnerstag 2. Februar 2012, 19 Uhr<br />
mit Künstlergespräch<br />
21
Galerien<br />
<strong>Zwischenzustände</strong><br />
<strong>und</strong> <strong>Metamorphosen</strong><br />
Helena Petersen, Meisterschülerin in<br />
der Klasse von Leiko Ikemura an der<br />
UdK Berlin, erhält den »IBB-Preis für<br />
Fotografie 2011«. Alle drei völlig unterschiedlichen<br />
Bildserien ihrer Bewerbung<br />
zeugen von einer außergewöhnlich<br />
hohen Qualität. Es offenbaren sich<br />
darin ein sensibler Umgang mit gesellschaftsrelevanten<br />
Themen sowie eine<br />
souveräne Beherrschung des Mediums<br />
<strong>und</strong> seiner Anwendungsmöglichkeiten.<br />
Mit »Free Fighters« nahm Helena Petersen<br />
einen Grenzbereich zwischenmenschlicher<br />
Beziehungen in den<br />
Fokus: Sie photographierte 2009 in<br />
der ostdeutschen Provinz muskulöse<br />
Männer im Brustporträt, <strong>und</strong> zwar<br />
mit nackten, häufig tätowierten Oberkörpern<br />
vor <strong>und</strong> nach einem archaisch<br />
anmutenden Kampf, der in einem<br />
Käfig stattfindet <strong>und</strong> bei dem es kaum<br />
einschränkende Regeln wie etwa beim<br />
Boxen gibt. Wir sehen nicht den Kampf<br />
selbst, sondern dessen Folgen im Physiognomischen.<br />
Manche dieser »harten<br />
Jungs« sehen hinterher ganz schön mitgenommen<br />
aus, andere scheinen die<br />
Schläge <strong>und</strong> Hiebe besser wegzustecken.<br />
Die Schläge mit der bloßen Faust<br />
auf die Körper des Anderen werden von<br />
einem furchtbaren Geräusch begleitet,<br />
erinnert sich die Photographin. Die<br />
Unterlegenen ließen sich nicht gern<br />
nach dem Kampf photographieren, in<br />
einem Fall verzichtete Petersen freiwillig<br />
darauf, den Verlierer auf das zweite<br />
Porträt anzusprechen; deshalb existiert<br />
von ihm, abweichend von der ansonsten<br />
strengen Serialität der Diptychen,<br />
nur ein Einzelbildnis. Interessant bleibt,<br />
dass die Photographin es im Bild offenlässt,<br />
wer Gewinner <strong>und</strong> wer Verlierer<br />
war – dies entscheidet der Betrachter<br />
gewissermaßen imaginativ selbst. Innerhalb<br />
der Serie lassen sich die Männer<br />
<strong>und</strong> ihr Gesichtsausdruck, der etwa zwischen<br />
testosterongesteuerter Aggressivität<br />
<strong>und</strong> totaler Erschöpfung oder zwischen<br />
Vorfreude <strong>und</strong> Triumph hin <strong>und</strong><br />
her schwankt, auch untereinander vergleichen.<br />
Vorher/Nachher-Situationen<br />
kennen wir aus der Kosmetikindustrie,<br />
22 brennpunkt 1/2012<br />
© Helena Petersen, »Pyrographie« 2011<br />
aus der Werbung für Schönheitsoperationen<br />
oder von Andy Warhols Adaptionen<br />
solcher Visualisierungen. Im Kontext<br />
der »Free Fighter«-Szene wirken<br />
sie etwas befremdlich, doch diese Verschiebung<br />
macht die Porträt-Diptychen<br />
so interessant. In einem improvisierten<br />
Photostudio, quasi innerhalb des Kampfgeschehens<br />
<strong>und</strong> vor neutral-weißem<br />
Hintergr<strong>und</strong>, werden die Protagonisten<br />
entkontextualisiert, ähnlich wie Stefan<br />
Moses es schon mit seinen Serienporträts<br />
deutscher Berufsgruppen in den<br />
1960er Jahren realisiert hatte. Petersens<br />
Bildserie jenes urmännlichen, geradezu<br />
primitiven Rituals überrascht durch ihre<br />
Unmittelbarkeit <strong>und</strong> Schlichtheit.<br />
Mit ihrer im selben Jahr entstandenen<br />
Serie »Ghosttown« lenkt sie unseren<br />
Blick ebenfalls en passant auf das Prinzip<br />
der Veränderung, das sich hier jedoch<br />
nicht auf die Physiognomie des Menschen<br />
bezieht, sondern auf eine kleine<br />
Stadt respektive eine ländliche Region.<br />
Alle Häuser scheinen verlassen, worauf<br />
auch der englische Titel verweist; doch<br />
die Photographin hält hier keine Filmkulisse<br />
fest oder die Folgen einer atomaren<br />
Verseuchung, sondern einen Ort nach<br />
der Zwangsumsiedlung seiner früheren<br />
Bewohner, um in dem Gebiet Braunkohleabbau<br />
zu ermöglichen. Petersen<br />
formuliert einen Zwischenzustand<br />
<strong>und</strong> einen Abschied, was das Zwielicht<br />
der Abendst<strong>und</strong>en atmosphärisch <strong>und</strong><br />
symbolisch unterstützt. Die Metamorphose<br />
der kleinen Stadt in eine gigantische<br />
Braunkohlehalde wird zwar nicht<br />
unmittelbar visualisiert, aber mit dem<br />
Wissen um die (fehlende) Zukunft des<br />
Ortes wird diese zumindest vor unserem<br />
inneren Auge ausformuliert. Ein<br />
kleiner Ort am Niederrhein, der inzwischen<br />
selbst bei Google Earth gelöscht<br />
ist, wird von ihr im letzten Moment<br />
seiner Existenz dokumentiert. Davor<br />
waren es andere Dörfer <strong>und</strong> Orte, später<br />
werden es wiederum andere sein, die<br />
spurlos verschwinden. Warum Türen<br />
<strong>und</strong> Fenster vernagelt <strong>und</strong> zugemauert<br />
wurden, erschließt sich dem Betrachter<br />
nicht. Die spätere Zerstörung ist durch<br />
diese Zustandsschilderung ausgeblendet,<br />
ebenso der schmerzhafte Abschied<br />
der Menschen von ihren selbstgebauten<br />
Häusern, vom eigenen Hof, der möglicherweise<br />
bereits seit Generationen<br />
innerhalb der Familie bewirtschaftet<br />
wurde, oder von der Kirche, auf deren<br />
Entweihung <strong>und</strong> späteren Abriss selbst<br />
Nichtgläubige mit Unbehagen reagie-
© Helena Petersen, aus »Ghosttown«, 2009, (Original in Farbe)<br />
ren werden. Auch wenn Helena Petersen<br />
all das nicht zeigt, weckt sie mit<br />
ihren subtilen Bildern Assoziationen<br />
oder Emotionen in uns.<br />
Mit »Pyrographie«, der dritten 2011<br />
begonnenen Sequenz, ist sie einem physikalisch-optischen<br />
Phänomen auf der<br />
Spur. Die Bildidee basiert technisch auf<br />
einer Art Photogramm, also einer Photographie<br />
ohne Kamera: Das lichtempfindliche<br />
Papier wird in einem abgedunkelten<br />
Schießstand zunächst direkt parallel<br />
neben die Mündung einer Pistole gehalten<br />
<strong>und</strong> dann durch die Stichflamme des<br />
Mündungsfeuers belichtet. Nicht jede<br />
Aufnahme, nicht jedes Belichtungsexperiment<br />
gelingt. Bei der Belichtung entstehen<br />
abstrakt-amorphe, meist langgezogene<br />
Formen, <strong>und</strong> durch das Fehlen<br />
jeglicher Abbildungskonventionen wird<br />
die Bildauswahl zu einem zweiten, dem<br />
Werkprozess gleichberechtigten künstlerischen<br />
Akt. Alle Bilder sind aufgr<strong>und</strong><br />
der gewählten Produktionsweise Unikate;<br />
zudem erzeugt jeder Schuss, selbst<br />
mit gleicher Waffe <strong>und</strong> Munition, unter-<br />
schiedliche, mal kompakte, mal filigrane<br />
Außenformen – <strong>und</strong> hinterlässt haptisch<br />
erfahrbare Abris- <strong>und</strong> Schmauchspuren.<br />
Das faszinierende Projekt ist noch nicht<br />
abgeschlossen, momentan entwickelt<br />
sie es mit Farbphotopapier weiter.<br />
Helena Petersen wird, wie wir hier sehen<br />
<strong>und</strong> wie sie selbst sagt, angezogen von<br />
Grenzbereichen des Mediums Photographie<br />
<strong>und</strong> Phänomenen, die sonst<br />
unbeachtet bleiben. Dabei entscheidet<br />
sie sich für das Prinzip der Serie, um<br />
zu fokussieren <strong>und</strong> aufzudecken. Sie<br />
erzählt – stets ohne Auftrag, vielmehr<br />
aus freiem Antrieb – Geschichten in Bildern.<br />
Und diese Narration ist sehr eigenständig;<br />
so liegt zwischen den beiden<br />
Porträts der Kämpfer das eigentliche<br />
Geschehen, ebenso jenseits ihrer atmosphärischen<br />
Dokumentation des der<br />
Zerstörung geweihten Dorfes. Formal<br />
<strong>und</strong> phototechnisch außergewöhnlich,<br />
beschreitet sie auch inhaltlich einen<br />
individuellen Weg: Das Dokumentarische,<br />
bis in die zeitgenössische Photographie<br />
eine wichtige Kategorie, wird<br />
bis 20. Januar 2012<br />
Investionsbank Berlin<br />
Atrium<br />
B<strong>und</strong>esalle 210<br />
10719 Berlin-Wilmersdorf<br />
Mo – Fr 9 – 18 Uhr<br />
brennpunkt 1/2012<br />
Galerien<br />
© Helena Petersen, aus »Free Fighters«, 2009<br />
(Original in Farbe)<br />
von ihr subjektiv umgewertet.<br />
Matthias Harder<br />
Zur Ausstellung erscheint ein Katalog.<br />
Ebenfalls ausgestellt wird Clara Bahlsen,<br />
die den Anerkennungspreis von der Jury<br />
erhielt.<br />
23
Galerien<br />
facetten des seins<br />
Wer sind wir? Leidenschaftlicher Künstler?<br />
Ehemaliger DDR-Bürger mit einer<br />
Sympathie für Punk? Sind wir hier richtig?<br />
Der neue Nachbar? Wahrscheinlich<br />
sind wir heute dies <strong>und</strong> morgen<br />
das. Mal ist eine Facette wichtiger, mal<br />
eine andere.<br />
Die Absolventen des Reportagelehrgangs<br />
2010-2011 des Photocentrums<br />
am Wassertor der VHS Friedrichhain-<br />
Kreuzberg erk<strong>und</strong>en die Lebenswirklichkeit<br />
mit ihrer Vielzahl an Geschichten,<br />
Biographien <strong>und</strong> Lebensentwürfen.<br />
So vielfältig wie die verschiedenen<br />
»facetten des seins« sind auch die einzelnen<br />
Themen: von der Beschäftigung mit<br />
der eigenen Geschichte <strong>und</strong> der eigenen<br />
Herkunft, über die Beziehung von Menschen<br />
zu ihren Lebensräumen, bis zur<br />
Auseinandersetzung mit Krankheit <strong>und</strong><br />
Tod, die wir gerne aus unserem alltäglichen<br />
Leben ausklammern.<br />
© Dennis Schrader, »Zeitzeugen«<br />
Die Reportagen bieten Einblicke in nahe<br />
<strong>und</strong> ferne, in bekannte <strong>und</strong> unbekannte<br />
Welten. Sie zeigen Menschen, die<br />
sich mal auf der Gewinnerseite, mal<br />
alt, mal krank, mal hin- <strong>und</strong> hergerissen<br />
zwischen dem Hier <strong>und</strong> Dort, dem<br />
Gestern <strong>und</strong> Heute fühlen.<br />
24 brennpunkt 1/2012<br />
© My-Linh Kunst, »Waiting«<br />
© Sarah Marsh, »Reflections«<br />
My-Linh Kunst porträtiert den fünfjährigen<br />
Alon, der im Deutschen Herzzentrum<br />
Berlin auf eine Herztransplantation<br />
wartet.<br />
Sarah Marsh begleitet einen New Yorker<br />
Musiker <strong>und</strong> Darsteller, der die Offenheit<br />
der Berliner Kreativszene genießt.<br />
Das Leben, ein Spiel? Sylvana Kretschmar<br />
zeigt den Entstehungsprozess von<br />
Identitäten: Sie beobachtet den Stabpuppenbauer<br />
Georg Jensich dabei, aus<br />
einfachsten Materialien etwas absolut<br />
Lebendiges zu erschaffen.<br />
Dieter Titz porträtiert den ghanaischen<br />
Maler Dennis Doe Tamakloe, der in<br />
seiner Arbeit Berliner Graffiti-F<strong>und</strong>stücke<br />
mit traditioneller afrikanischer<br />
Kunst verbindet.<br />
Agata Szymanska-Medina porträtiert<br />
einen palästinensischen Austauschstudenten<br />
auf seinen Wegen durch Berlin.<br />
Sigrid Oberer wirft einen kritischen<br />
Blick auf die deutsche Integrationspolitik.<br />
Kleine Interviews <strong>und</strong> Fotos geben einen<br />
Einblick in unterschiedliche Analysen<br />
von sogenannten »Deutschen« <strong>und</strong><br />
»Nicht-Deutschen«.
© Agata Szymanska-Medina, »Auf der Suche«<br />
© Sylvana Kretschmar, »Das Leben, ein Spiel?«<br />
Dennis Schrader begleitet Zeitzeugen<br />
der Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen.<br />
Die ehemaligen Häftlinge der<br />
Untersuchungshaftanstalt der Staatssicherheit<br />
halten mit Hilfe von Besucherführungen<br />
die Erinnerung an das Unrechtsregime<br />
der DDR wach <strong>und</strong> wirken<br />
einer Verklärung der DDR-Zeit entgegen.<br />
Florian Boillot beobachtete die<br />
rechtspopulistische Bürgerbewegung<br />
»Pro Deutschland« sowohl bei ihren<br />
öffentlichen Auftritten als auch in ihrer<br />
Parteizentrale in Marzahn-Hellersdorf.<br />
Leben in der Britzer Hufeisensiedlung.<br />
Katja Münz betrachtet die Beziehung<br />
von Menschen zu ihrer Umgebung. Wie<br />
spiegelt sich unsere Identität in den<br />
materiellen Dingen, mit denen wir uns<br />
umgeben? Was macht die Orte aus, an<br />
denen wir unser Leben einrichten <strong>und</strong><br />
darauf zurückblicken?<br />
Anja Kehmeier porträtiert Ursula Ziebarth,<br />
Schriftstellerin <strong>und</strong> Sammlerin,<br />
die statt Geschirr Volkskunst in ihren<br />
Küchenschränken lagert. Liebevoll aus<br />
allen Ländern der Welt gesammelt <strong>und</strong><br />
akribisch katalogisiert, stapeln sich<br />
Schätze <strong>und</strong> Kuriositäten in ihrer Wohnung<br />
<strong>und</strong> acht Kellern.<br />
7. Januar bis 10. Februar 2012<br />
alte feuerwache / projektraum<br />
Marchlewskistraße 6<br />
10243 Berlin-Friedrichshain<br />
Di – Do 14 – 19 Uhr<br />
Fr – Sa 14 – 20 Uhr<br />
brennpunkt 1/2012<br />
Galerien<br />
© Sigrid Oberer, »Integration? Nein, Danke!«<br />
Ausstellung <strong>und</strong> der Katalog stellen die<br />
Abschlussarbeit des Lehrgangs Reportagefotografie<br />
dar. Die Arbeiten entstanden<br />
unter der Leitung der Bildjournalistin<br />
<strong>und</strong> Bildredakteurin Ann-Christine<br />
Jansson.<br />
Rahmenprogramm:<br />
Donnerstag, 12. Januar 2012, 19 Uhr<br />
»Fotografie Gestern <strong>und</strong> Heute«<br />
»Radfahrer« Dokumentarfilm über den<br />
preisgekrönten Ostkreuz-Fotografen<br />
Harald Hauswald.<br />
Im Anschluss Gespräch mit Harald<br />
Hauswald <strong>und</strong> der schwedischen<br />
Fotojournalistin Ann-Christine Jansson.<br />
Eintritt frei.<br />
Donnerstag, 26. Januar 2012, 19 Uhr<br />
»Fotografischer Alltag in<br />
Konfliktgebieten«.<br />
Gespräch mit dem dpa-Fotojournalisten<br />
Maurizio Gambarini.<br />
Eintritt frei.<br />
Vernissage:<br />
Freitag, 6. Januar 2012, um 19 Uhr<br />
mit Musik von Roland Satterwhite<br />
25
Galerien<br />
Kurt Wyss<br />
»Begegnungen«<br />
Kurt Wyss, ein w<strong>und</strong>erbarer Fotograf<br />
Von den Einwohnern der Stadt Basel<br />
habe ich eine ganz bestimmte Meinung:<br />
nämlich dass sie ganz erstaunliche<br />
Menschen sind. Zwar soll man sich<br />
vor zu schnellen Verallgemeinerungen<br />
hüten, aber trotzdem muss ich sagen,<br />
dass alle Basler, die ich gekannt habe<br />
(<strong>und</strong> das waren nicht wenige), erstaunliche<br />
Menschen waren – <strong>und</strong> Kurt Wyss<br />
gehört auch dazu.<br />
Was seine physische Erscheinung<br />
angeht, so würde ich ihn als schlank<br />
bezeichnen, als einen Menschen mit<br />
raschen Bewegungen <strong>und</strong> einem in<br />
hohem Maße Ehrlichkeit ausstrahlenden<br />
Gesichtsausdruck. Was diese Ausstrahlung<br />
angeht, so würde ich sagen,<br />
dass man sie – zumindest außerhalb<br />
Basels – doch recht selten antrifft, <strong>und</strong><br />
was die Ehrlichkeit <strong>und</strong> die Suche nach<br />
Wahrheit als Charaktereigenschaften<br />
bei Künstlern angeht, so würde ich im<br />
Gegensatz zu dem, was man hin <strong>und</strong><br />
wieder hört, sagen, dass diese Eigenschaften<br />
absolut kennzeichnend für<br />
die gesamte Persönlichkeit sind. Wirkliche<br />
Kunstwerke können nur dort entstehen,<br />
wo das künstlerische Schaffen<br />
von Wahrheit durchdrungen ist. Und<br />
alle, die nicht von vornherein davon<br />
überzeugt sind, haben von wirklichem<br />
künstlerischem Schaffen nur eine<br />
geringe, <strong>und</strong> klar herausgesagt, falsche<br />
Vorstellung.<br />
Was man an Kurt Wyss zuerst wahrnimmt,<br />
ist sein schlanker Körper, dessen<br />
Glieder sich raumumfassend zu verlängern<br />
<strong>und</strong> wie mit Suchern ausgerüstet<br />
scheinen, die er mit den Händen formt<br />
<strong>und</strong> knetet <strong>und</strong> dann ganz unvermittelt<br />
zum Auge führt. Bei anderen Fotografen<br />
beobachtet man bestimmte Handgriffe,<br />
die in einer bestimmten Reihenfolge<br />
ablaufen, Berechnung der Entfernung,<br />
Einschätzung der Lichtverhältnisse <strong>und</strong><br />
Objektiveinstellung – nichts von alledem<br />
sieht man jedoch bei ihm.<br />
Die Kamera <strong>und</strong> sein Auge verschmelzen<br />
zu einem Ganzen, zu einer einzi-<br />
26 brennpunkt 1/2012<br />
© Kurt Wyss, »Jean Dubuffet«, 1974<br />
© Kurt Wyss, »Andy Warhol«, Zürich 1978<br />
gen Handlung, die sich nicht in einzelne<br />
Vorgänge gliedert. Ganz plötzlich klettert<br />
er auf einen gerade verfügbaren<br />
Gegenstand, stellt einen Tisch auf eine<br />
Kiste, einen Stuhl auf den Tisch, stützt<br />
sich mit dem Fuß am Fenster ab, <strong>und</strong><br />
schon steht er da, den Hals nach vorn<br />
gestreckt, den Kopf nach unten gebeugt,<br />
das Auge am Sucher <strong>und</strong> drückt fünf,<br />
zehn, nein zwanzig Mal hintereinander<br />
auf den Auslöser, greift geschickt nach<br />
einer anderen Kamera, dreht sich wie<br />
ein Kreisel um die eigene Achse <strong>und</strong><br />
hat schon wieder zwanzig Mal ausgelöst.<br />
Er springt auf die andere Seite <strong>und</strong><br />
beginnt von Neuem.<br />
Der Beobachter kann nicht umhin,<br />
an die Kosten für das Filmmaterial zu<br />
denken, aber darüber macht sich Kurt<br />
Wyss scheinbar gar keine Sorgen. Er ist<br />
völlig in Trance, ist nicht mehr Fotograf,<br />
sondern ganz Bild, losgelöst von allen<br />
Ketten, auf der Jagd in freier Wildbahn.<br />
Und was geschieht dann? Ganze Nächte,<br />
stelle ich mir vor, verbringt er mit dem<br />
Entwickeln der Filme, der Prüfung der<br />
Negative, der Herstellung verschiedenster<br />
Abzüge – ein Spiel mit Kontrasten<br />
– auf unterschiedlichem Papier.<br />
Eine gewaltige Arbeit, stelle ich mir vor,<br />
deren Ergebnis sich in einer ungeahnten<br />
Vielfalt verblüffender, bew<strong>und</strong>ernswert<br />
genialer, aus unerwartetem Blickwinkel<br />
aufgenommener Fotos von erstaunlicher<br />
technischer Perfektion widerspiegelt,<br />
die er in Alben zusammenfasst. In<br />
diesen Alben verschmelzen einige flüchtige<br />
Augenblicke, denen niemand außer<br />
ihm Beachtung geschenkt hätte, die er<br />
jedoch mit überraschender Schnelligkeit<br />
wahrzunehmen <strong>und</strong> einzufangen<br />
wusste, zu einem eindrucksvollen dramatisch<br />
wirklichkeitsnahen Gesamtbild.<br />
Jean Dubuffet<br />
bis 14. Januar 2012<br />
Johanna Breede<br />
PHOTOKUNST<br />
Fasanenstraße 69<br />
10719 Berlin-Charlottenburg<br />
Di – Fr 11 – 18 Uhr<br />
Sa 11 – 16 Uhr
Hannes Kilian<br />
»Bei Nacht«<br />
In seiner Arbeit als Photojournalist,<br />
Reise- <strong>und</strong> Portraitphotograph sowie<br />
Photograph des legendären Stuttgarter<br />
Balletts hat Hannes Kilian auf unverwechselbare<br />
Weise Dokumentarisches,<br />
menschlich Berührendes <strong>und</strong> künstlerisch<br />
Gültiges vereint. Mit Gespür <strong>und</strong><br />
Präzision, die technischen <strong>und</strong> ästhetischen<br />
Möglichkeiten des Mediums Photographie<br />
voll ausschöpfend, erkannte<br />
er das ausdrucksvolle Motiv im Alltäglichen<br />
<strong>und</strong> scheinbar Zufälligen. Dabei<br />
ist Kilians Sicht durchaus subjektiv.<br />
Beleuchtung, Blickwinkel <strong>und</strong> Bildausschnitt<br />
spiegeln seine ganz persönliche<br />
Wahrnehmung <strong>und</strong> Empfindung,<br />
enthalten mitunter eine Wendung ins<br />
Unwirkliche wie etwa in »Fresswelle«<br />
(1956) das Panorama des üppig beladenen<br />
Buffets. Über mehrere Jahrzehnte<br />
erzählen seine Bilder von deutscher<br />
Geschichte, vom Leben in Kriegstrümmern,<br />
von Neuanfang <strong>und</strong> Wirtschaftsw<strong>und</strong>er,<br />
von großen Gesellschaften <strong>und</strong><br />
kleinen Leuten.<br />
In der Wartehalle eines Bahnhofes:<br />
Unter einer geheimnisvoll schimmernden<br />
Uhr sitzt eine Gruppe von Wartenden<br />
im diffusen Halbdunkel, der Blick<br />
wird zunächst von der aufgeschlagenen<br />
Zeitung im Vordergr<strong>und</strong> eingefangen.<br />
Doch der eigentliche Fokus des Photographen<br />
liegt auf dem dahinter sitzenden<br />
Mann, seinen gefalteten Händen<br />
<strong>und</strong> dem ernst in die Ferne schauenden<br />
Gesicht. Am linken Bildrand erscheint<br />
silhouettenhaft eine schwarze Gestalt<br />
vor einer Lichttafel. Hannes Kilian<br />
liebte die Magie der Nacht, die die<br />
Menschen verändert <strong>und</strong> auf besondere<br />
Weise mit ihrer Umgebung verschmelzen<br />
läßt. Seine auf Spannungen<br />
<strong>und</strong> Kontrasten aufbauende, oft<br />
hintergründige Bildsprache fand in der<br />
Nachtaufnahme ihre wohl charakteristischste<br />
Ausprägung. Hell <strong>und</strong> Dunkel<br />
treffen unvermittelt aufeinander, rhythmische<br />
oder lineare Spuren aus Licht<br />
schaffen Bewegung <strong>und</strong> Raumtiefe,<br />
während Schwarz als Kompositionselement<br />
eigenständige Ausdruckskraft<br />
entfaltet. In der Nacht kehrt sich die<br />
21. Januar bis 24. März 2012<br />
Johanna Breede<br />
PHOTOKUNST<br />
Fasanenstraße 69<br />
10719 Berlin-Charlottenburg<br />
Di – Fr 11 – 18 Uhr<br />
Sa 11 – 16 Uhr<br />
brennpunkt 1/2012<br />
Galerien<br />
© Hannes Kilian, »Lichtturm des Pavillon de la Marine Marchande«, Weltausstellung, Paris 1937<br />
Tageswirklichkeit um, Kilian entdeckt<br />
die Elemente des Phantastischen, spitzt<br />
sie bildnerisch zu, ohne pittoresk zu<br />
werden, etwa in der futuristisch anmutenden<br />
Lichterscheinung des »Pavillon<br />
de la Marine Marchande« auf der Pariser<br />
Weltausstellung 1937 oder in den<br />
geisterhaften Passanten vor der Kulisse<br />
leuchtender Reklameschriften in »München«<br />
(1964). Überhaupt spielt Schrift<br />
in den Bildern von Hannes Kilian eine<br />
bezeichnende Rolle, sei es im intimen<br />
Blick auf den nächtlichen Zeitungsleser,<br />
sei es als prägendes Element im urbanen<br />
Straßenbild, sei es als irritierendes, eine<br />
Fülle von Assoziationen weckendes<br />
Moment, das erst im Augenblick künstlerischer<br />
Brechung durch die Kamera<br />
wahrgenommen wird. Insbesondere in<br />
den Nachtaufnahmen zeigt sich, dass<br />
Hannes Kilian mehr war als ein Chonist.<br />
Er sah die großen Zusammenhänge,<br />
das Lebensgefühl seiner Zeit ebenso wie<br />
die leisen Irritationen <strong>und</strong> Widersprüchlichkeiten,<br />
Augenblicke, die andere verpassten.<br />
(Susanne Schmid)<br />
27
Galerien<br />
Emanuel Raab<br />
»Winterwald«<br />
Die stillen, fast monochromen Fotoarbeiten<br />
der neuen Serie Winterwald von<br />
Emanuel Raab zeigen den Formenreichtum<br />
eines Naturraumes, der sich erst im<br />
winterlichen Erscheinungsbild offenbart.<br />
Die Reduktion der Darstellung verstärkt<br />
die Konzentration auf die ästhetische<br />
Konstruktion der Bildelemente, die bis<br />
zur Abstraktion geraten. Ein Gewirr aus<br />
wild wuchernden Ästen <strong>und</strong> Zweigen<br />
fügt sich zu einem Muster, das sich wie<br />
Haargeflecht oder Spinnweben über<br />
die dahinter liegende Waldlandschaft<br />
spannt. Die feingliedrigen Linien verbinden<br />
sich wie eine filigrane Zeichnung<br />
zur detailreichen Oberflächenstruktur,<br />
das Chaos fügt sich nach längerem<br />
Hinschauen zur Ordnung. Bei aller<br />
Sachlichkeit dringt in den subtil komponierten<br />
Waldbildern eine romantisch<br />
geprägte Auffassung von Natur durch.<br />
Indem die fotografische Gestaltung<br />
malerischen Prämissen folgt, wird die<br />
Natur als geheimnisreicher Ort beschrieben<br />
<strong>und</strong> der Wald zur beseelten Landschaft<br />
transformiert. Wald ist in Deutschland<br />
nicht einfach ein Naturraum sich<br />
wandelnder gesellschaftlicher <strong>und</strong> ökonomischer<br />
Nutzungen <strong>und</strong> Interessen,<br />
sondern ein Identitätssymbol schlechthin.<br />
Kaum ein deutsches Märchen, eine<br />
Volkserzählung oder eine deutsche<br />
Sage ohne Wald. Vor allem die Maler<br />
<strong>und</strong> Dichter der Romantik erhoben den<br />
deutschen Wald zur Seelenlandschaft<br />
<strong>und</strong> beschworen das Bild unberührter,<br />
geheimnisreicher Natur. Der Wald<br />
wurde zum Ort, in dem sich die Natursehnsucht<br />
der Städter vermischte mit<br />
dem Ursprungsmythos von <strong>und</strong>urchdringlichen<br />
Urwäldern. Trotz der realen<br />
Bedrohung der Wälder durch Waldsterben<br />
<strong>und</strong> wachsende kommerzielle Interessen<br />
hält sich die Vorstellung vom Wald<br />
als heilige Stätte <strong>und</strong> als Zufluchtsort für<br />
Einsamkeit <strong>und</strong> Selbstfindung.<br />
Emanuel Raabs Serie Winterwald knüpft<br />
an diese ambivalenten Naturvorstellungen<br />
an. Seine Bilder einer scheinbar<br />
<strong>und</strong>urchdringlichen Natur wirken wie<br />
der Realität gänzlich entrückt <strong>und</strong> voller<br />
Geheimnis. Eine melancholische Poesie<br />
überzieht die winterlichen Ansichten, in<br />
28 brennpunkt 1/2012<br />
Emanuel Raab, Winterwald #22, 2009, Fine Art Pigment Print, 45 x 60 cm © the artist<br />
welchen der Keim des nächsten Erwachens<br />
nahezu unbemerkt unter der<br />
Oberfläche schlummert. Gleichzeitig<br />
scheint im Dickicht der Natur eine<br />
latente Bedrohung herauf, die nicht mit<br />
Bestimmtheit zu verorten ist. Hier kann<br />
man sich verirren, manchmal auch verloren<br />
gehen. Nichts ist nach menschlichen<br />
Bedürfnissen geordnet, nichts<br />
weist einen Weg. Das Ursprüngliche<br />
ist in seiner archaischen Präsenz immer<br />
auch mächtig <strong>und</strong> der menschlichen<br />
Dimension entwachsen. In der Tiefe<br />
des Waldes angekommen, werden die<br />
kollektiven Bilder seiner mythischen<br />
Geschichte unwillkürlich lebendig.<br />
Ausgehend von seinem fotografischen<br />
Entwurf stimmungsvoller Landschaftsbilder<br />
entwirft er eine Art Typologie des<br />
Naturhaften. In der Betrachtung der winterlichen<br />
Landschaft offenbart sich ein<br />
überraschend detailreiches Formen- <strong>und</strong><br />
Strukturgefüge, welches das Wesenhafte<br />
des Waldes offenbart. Hinter der scheinbaren<br />
Monotonie von unbelaubtem Astwerk,<br />
Unterholz <strong>und</strong> Gestrüpp entfaltet<br />
sich der überwältigende Formenreichtum<br />
der Natur, die ihrer eigenen Logik<br />
<strong>und</strong> Gesetzmäßigkeit folgt. Der populären<br />
Auffassung von ‚toter Natur’ stellt<br />
der Künstler die nahezu unerschöpfliche<br />
Vielfalt organischer Erscheinungsformen<br />
gegenüber <strong>und</strong> entführt den Betrachter<br />
auf diese Weise im doppelten Sinne in<br />
eine verborgene Sphäre einer ihm vermeintlich<br />
bekannten Welt.<br />
Emanuel Raab studierte Fotografie <strong>und</strong><br />
Film an der Hochschule für Gestaltung<br />
in Darmstadt. Seit 1994 beteiligte er<br />
sich an zahlreichen Einzelausstellungen<br />
im In- <strong>und</strong> Ausland (u.a. 2011, MenschenBild,<br />
Museum Wiesbaden; 2007,<br />
heimat.de, Goethe-Institute London<br />
<strong>und</strong> Neapel; 2004, Nachtland, Kunsthalle<br />
Bielefeld; 2002, heimat.de, Landesmuseum<br />
Oldenburg, Kunstverein<br />
Ulm; 1999, Blick-Wechsel, Frankfurter<br />
Kunstverein; 1996, Wegen Umbauten<br />
geschlossen, Schirn Kunsthalle) sowie<br />
an verschiedenen Gruppenausstellungen<br />
(u.a. 2008, Vertrautes Terrain, ZKM<br />
Zentrum für Kunst <strong>und</strong> Medientechnologie<br />
Karlsruhe; 2007, OWL1, MARTa<br />
Museum, Herford; 2005, Landschaft<br />
als Metapher, Ursula Blickle Stiftung;<br />
2002, Heimat, Kunsthaus Dresden;<br />
1996, Deutschland erotisch, Museum<br />
für Kunst <strong>und</strong> Gewerbe, Hamburg).<br />
Seit 2001 lehrt er als Professor an der<br />
Fachhochschule Bielefeld Fotografie<br />
<strong>und</strong> Bildmedien.<br />
21. Januar bis 29. April 2012<br />
Alfred Ehrhardt Stiftung<br />
Auguststraße 75<br />
10117 Berlin-Mitte<br />
Di – So 11 – 18 Uhr<br />
Do 11 – 21 Uhr
Dvorah Kern<br />
»Still«<br />
Die Fotografin Dvorah Kern spiegelt<br />
sich in ihren Bildern, sie verarbeitet<br />
mit ihrer Hilfe Gefühle <strong>und</strong> Gedanken.<br />
Beim Fotografieren kommt sie zur Ruhe.<br />
Die Umwelt mit ihren Informationen<br />
<strong>und</strong> Reizen ist für Kern oft nur schwer<br />
zu ertragen - gerade in einer Stadt wie<br />
Berlin. Eine Möglichkeit des Ausgleichs<br />
ergibt sich für sie bei ihren Reisen aufs<br />
Land, nach Thüringen, Sachsen, auch<br />
mal nach Island. Dort, wo »eigentlich<br />
nichts ist«, findet Dvorah Kern nicht nur<br />
Ruhe, sondern entdeckt auch Feinheiten<br />
in den Strukturen, in denen sich Natur »zu<br />
erkennen gibt«. Ein weiterer, vielleicht<br />
auch der wichtigere Teil ihrer aktuellen<br />
Arbeit sind Portraits ihrer Schwester,<br />
die die Entwicklung eines Kindes zum<br />
jungen Mädchen dokumentieren. Die<br />
Bilder sprechen von hoher Reife der<br />
Darstellung - sensibel <strong>und</strong> mit enormer<br />
Ausdruckskraft.<br />
© Dvorah Kern<br />
© Dvorah Kern<br />
© Dvorah Kern<br />
© Dvorah Kern<br />
Vernissage:<br />
12. Januar 2012, 19 Uhr<br />
13. Januar bis 17. Februar 2012<br />
Fotogalerie Friedrichshain<br />
Helsingforser Platz 1<br />
10243 Berlin-Friedrichshain<br />
Di, Mi, Fr, Sa 13 – 18 Uhr<br />
Do 10 – 18 Uhr<br />
brennpunkt 1/2012<br />
Galerien<br />
29
Galerien<br />
Constantin Köster<br />
Franca Wohlt<br />
Kathrin Tschirner<br />
Oliver Jacob<br />
Thomas Graichen<br />
Wenke Seemann<br />
»Versunken«<br />
Die aff Galerie präsentiert eine Gruppenausstellung<br />
zum Thema »Versunken«,<br />
in der sich sechs Mitglieder des<br />
atelier freier fotografen der Thematik<br />
mit ganz unterschiedlichen Ideen <strong>und</strong><br />
Blickwinkeln widmen.<br />
Mit der Serie »Einkehr« hat der Berliner<br />
Fotograf Constantin Köster einen<br />
kurzen zeitlichen Ausschnitt aus einer<br />
Situation in einem Museum eingefangen.<br />
Eine Besucherin sitzt versunken am<br />
Rand der r<strong>und</strong>en Eingangshalle <strong>und</strong> um<br />
sie herum entfaltet sich das Geschehen<br />
der anderen Museumsbesucher. Die Sitzende<br />
wirkt einsam <strong>und</strong> entrückt, ist aber<br />
doch Teil des Ganzen. Die Empfindungen<br />
in der Kunst scheinen in ihr zusammenzufließen.<br />
Die anderen Museumsbesucher<br />
machen sich dagegen auf den<br />
Weg, die Kunstwerke erst noch zu erfahren.<br />
Dadurch kann die Serie auch als<br />
Metapher für die Spannung zwischen<br />
Versenkung <strong>und</strong> Aufbruch in der Kunst<br />
betrachtet werden.<br />
Franca Wohlts Polaroids entstanden in<br />
der Wohnung eines demenzkranken<br />
Familienmitgliedes. Sie konzentrierte<br />
sich dort auf einzelne Details, die Spuren<br />
des Vergessens <strong>und</strong> der Gleichgültigkeit<br />
tragen. Die entstandenen Momentaufnahmen<br />
spiegeln Einsamkeit <strong>und</strong> Orientierungslosigkeit<br />
wider, welche für die<br />
Künstlerin beim Betrachten der Wohnräume<br />
spürbar wurde.<br />
Kathrin Tschirner hat in ihrer Arbeit<br />
»Сън« (Schlaf) ein verlassenes Dorf in<br />
Bulgarien aufgespürt, das nur schwer<br />
zugänglich ist <strong>und</strong> den Anschein<br />
30 brennpunkt 1/2012<br />
© Wenke Seemann<br />
© Thomas Graichen<br />
© Oliver Jacob<br />
erweckt, schon seit Jahrzehnten versunken<br />
in der Zeit zu existieren. Auch<br />
wenn die Todesanzeigen an den Türen<br />
Aufschluss über das Ableben der letzten<br />
Besitzer geben, hat man das Gefühl, in<br />
einen privaten Raum einzudringen. Die<br />
Häuser <strong>und</strong> die Einrichtung umgibt die<br />
Aura des Schlafes, so als ob der Raum<br />
nur auf die Rückkehr seiner Bewohner<br />
wartet. Jedoch die Natur hat sich die<br />
Räume wieder einverleibt <strong>und</strong> verbindet<br />
sich nach <strong>und</strong> nach mit den Alltagsgegenständen.<br />
Oliver Jacob nähert sich dem Thema<br />
»Versunken« im weitesten Sinne. Menschen,<br />
Kulturen oder Dinge versinken<br />
in Gedanken, in Vergessenheit oder im<br />
Sand auf dem Gr<strong>und</strong> des Meeres. Versinken<br />
bedeutet somit auch einen Übergang<br />
von einem in einen anderen, meist<br />
entgegengesetzten Zustand. Die kleine<br />
Serie von Jacob zeigt drei Bilder: ein<br />
Bett, kurz vor der nächtlichen Ruhe, ein<br />
Tunnel, der uns vom Tageslicht in die<br />
Dunkelheit führt <strong>und</strong> eine nächtliche<br />
Szene einer tagsüber belebten Marktstraße.<br />
Ein grüner Farbton, entstan-
© Kathrin Tschirner<br />
den durch künstliches Licht, bildet den<br />
äußeren Rahmen der Serie.<br />
Der Berliner Fotograf Thomas Graichen<br />
zeigt eine Vorschau seines Projektes<br />
»Die stille Stadt«, das in naher<br />
Zukunft zusammen mit Kurzgeschichten<br />
von Ann-Christin Kumm in Buchform<br />
erscheinen wird. Dabei bilden die<br />
Fotografien einer im Schnee versunkenen<br />
Stadt die Kulisse, in der die Erzählungen<br />
handeln. Die schwarzweißen<br />
Bilder sind bestimmt von Weite, Leere<br />
<strong>und</strong> der Kälte des Berliner Winters,<br />
betören aber gleichzeitig auch mit der<br />
Schönheit <strong>und</strong> Ruhe des alles überdeckenden<br />
Schnees.<br />
Die Fotografin Wenke Seemann zeigt<br />
mit ihrer Arbeit »Loseblattsammlung«<br />
den Versuch Wegmarken zu finden.<br />
Tagebuchblätter. Manches war wichtig<br />
an diesen Tagen, manches schön, manches<br />
quälend. Wiederbetrachtet sind die<br />
© Constantin Köster<br />
© Franca Wohlt<br />
brennpunkt 1/2012<br />
Galerien<br />
flüchtigen Bruchstücke zu Erinnerungen<br />
geworden. Zu Gedanken, die nun seltsam<br />
peinlich erscheinen. Zu Schmerzen,<br />
die sich neuerdings ertragen lassen.<br />
Die Blume, die ihre Schönheit unterwegs<br />
nicht eingebüßt hat. Einige Blätter<br />
wollen überschrieben werden, andere<br />
sind klüger als ihr Autor.<br />
bis 15. Januar 2012<br />
aff Galerie<br />
Kochhannstraße 14<br />
10249 Berlin-Friedrichshain<br />
Sa + So 14 – 17 Uhr<br />
www.aff-berlin.com<br />
31
Galerien<br />
Claudius Schulze<br />
»Socotra – Eine Insel«<br />
Mit seiner Arbeit »Socotra« nimmt Claudius<br />
Schulze den Betrachter mit auf eine<br />
visuelle Reise zu einer Insel im Indischen<br />
Ozean, die unter zahllosen Sternen<br />
des Tropenhimmels <strong>und</strong> abgeschieden<br />
in gefährlichen Gewässern liegt.<br />
Die Fotografien lassen die Entbehrungen<br />
<strong>und</strong> Bedrohungen auf einem Eiland<br />
erahnen, das von Seeräubern auf der<br />
Suche nach Beuteschiffen heimgesucht<br />
wird. Die Bilder erk<strong>und</strong>en einen fantastischen<br />
aber auch mörderischen Ort,<br />
überwuchert mit w<strong>und</strong>erlichen Pflanzen,<br />
bewohnt von Einheimischen <strong>und</strong><br />
von Scheichs regiert.<br />
Inseln waren nie nur ein »ringsum von<br />
Wasser (…) umgebenes Stück Land«<br />
(Der Duden) – vielmehr ist der Begriff mit<br />
Vorstellungen, Gefühlen <strong>und</strong> Mythen<br />
geladen. Wir sehen Eilande durch das<br />
Prisma der Erzählungen – fiktiv oder<br />
sachlich – jener Abenteurer <strong>und</strong> Seefahrer,<br />
die aufbrachen nach ihnen zu<br />
suchen, sie zu erobern <strong>und</strong> zu besiedeln.<br />
Socotra stellt Fragen über die<br />
Geschichte von Abenteuer <strong>und</strong> Erk<strong>und</strong>ung.<br />
Die Bilder von Claudius Schulze<br />
handeln nicht nur von der jemenitischen<br />
Insel Socotra – sondern auch<br />
von der Kulturtradition, von Mythen<br />
<strong>und</strong> Klischees die in unseren Köpfen<br />
mit der Idee Insel verb<strong>und</strong>en sind.<br />
Claudius Schulze zeigt die Bilder von<br />
der Insel Socotra erstmalig in Ausstellungsform<br />
in Deutschland. Die Arbeit<br />
ist auch als Fotobuch mit zahlreichen<br />
Texten erschienen. Das Buch ist in der<br />
Galerie erhältlich oder kann über das<br />
Internet (www.lonely-island.com) bezogen<br />
werden.<br />
Claudius Schulze kam nach dem Studium<br />
der Politik- <strong>und</strong> Islamwissenschaften<br />
in Hamburg <strong>und</strong> Istanbul zur Fotografie.<br />
Nach einem Master in Dokumentarfotografie<br />
<strong>und</strong> Fotojournalismus lebt<br />
er nun als freier Fotograf in Brüssel <strong>und</strong><br />
Istanbul.<br />
32 brennpunkt 1/2012<br />
© Claudius Schulze<br />
© Claudius Schulze<br />
© Claudius Schulze<br />
Vernissage:<br />
27. Januar 2012, 19 Uhr<br />
28. Januar bis 19. Februar 2012<br />
aff Galerie<br />
Kochhannstraße 14<br />
10249 Berlin-Friedrichshain<br />
Sa + So 14 – 17 Uhr<br />
www.aff-berlin.com
Aleksandra Patova<br />
Alex Veledzimovich<br />
Tina Kazakhishvili<br />
»Ex oriente lux«<br />
Im März 2012 beginnt die aff Galerie<br />
eine neue Ausstellungsreihe unter dem<br />
Namen »Ex oriente lux«. Mit diesen<br />
im Jahresrhythmus geplanten Ausstellungen<br />
blicken wir nach Osteuropa<br />
<strong>und</strong> werden Arbeiten von interessanten<br />
<strong>und</strong> vielversprechenden Fotografen<br />
dieser Region vorstellen. Den Anfang<br />
machen drei Fotografen: Aleksandra<br />
Patova aus Bulgarien, Alex Veledzimovich<br />
aus Weißrussland <strong>und</strong> Tina Kazakhishvili<br />
aus Georgien. Alle drei vereint<br />
eine sehr persönliche <strong>und</strong> einfühlsame<br />
Art Menschen aus ihrem Umfeld zu portraitieren.<br />
Aleksandra Patova präsentiert ihre Serie<br />
»Silence«. Über diese <strong>und</strong> ihre Art zu<br />
arbeiten sagt sie: »In meinem Leben passiert<br />
Fotografie einfach, sie entsteht in<br />
einem Moment, ohne daß ich dabei viel<br />
darüber nachdenke. Wenn ich in der<br />
richtigen Stimmung zum fotografieren<br />
bin, fühle ich mich offen <strong>und</strong> sensibel,<br />
so daß die Bilder intuitiv entstehen. Ich<br />
folge nicht der Vernunft, wenn ich die<br />
Kamera in die Hand nehme, Logik bleibt<br />
gewöhnlich außen vor. Deshalb spreche<br />
ich auch nicht so gern über meine<br />
Bilder - das Konzept meiner Fotografien<br />
liegt nicht in meinen Worten, sondern<br />
in den Augen der Menschen, die<br />
sie betrachten. Wenn ein Bild jemanden<br />
anspricht oder berührt, dann möchte ich<br />
keine Grenzen durch meine Ideen vorgeben.<br />
Ich ziehe es vor zu schweigen«.<br />
Alex Veledzimovich ist ein junger Fotograf<br />
aus der kleinen Stadt Vitebsk in<br />
Weißrussland. Er machte seine ersten<br />
Erfahrungen mit der Kamera im Jahr<br />
2004. Seitdem hat er sich die Fotografie<br />
zum großen Teil selbst <strong>und</strong> durch den<br />
Besuch von Workshops anderer Fotografen<br />
beigebracht. Inzwischen arbeitet<br />
er an der Minsk School of Photography<br />
<strong>und</strong> die Fotografie nimmt einen<br />
großen Teil seines Lebens ein. Sie ist<br />
für ihn eine visuelle Sprache <strong>und</strong> ein<br />
© Alex Veledzimovich<br />
© Tina Kazakhisvili<br />
Medium, das ihn auf eine andere mentale<br />
Ebene mitnimmt: »Man macht nicht<br />
nur Fotos, weil man etwas abbilden<br />
möchte. Ich will immer etwas persönliches<br />
in den Menschen entdecken, die<br />
vor meiner Kamera stehen. Ich versuche<br />
einen Moment der Stille zu finden,<br />
in dem ich unsichtbar werde <strong>und</strong> die<br />
portraitierte Person allein bleibt mit der<br />
Kamera <strong>und</strong> mit jemandem, der ihr aus<br />
der Dunkelheit hinter dem Objektiv in<br />
die Augen schaut«. Über seine in der<br />
Ausstellung gezeigte Serie »Neverland«<br />
sagt er: »Wenn wir ein Foto machen,<br />
insbesondere bei Portraits, fangen wir<br />
einen Augenblick ein, der niemals ohne<br />
Kamera stattgef<strong>und</strong>en hätte. In meinen<br />
Portraits geht es zwar um die Menschen,<br />
aber es geht in ihnen auch um einen Ort<br />
<strong>und</strong> eine Welt, die zu keiner Zeit real<br />
existiert. Dennoch sind die Fotografien<br />
vorhanden <strong>und</strong> sie sind der Beweis, daß<br />
Neverland existiert. Vor einem Jahr hatte<br />
ich einmal versucht dokumentarisch zu<br />
fotografieren, aber es war unmöglich -<br />
ich habe immer <strong>und</strong> immer wieder<br />
meine eigene Welt erschaffen«.<br />
Tina Kazakhisvili aus Georgien arbeitet<br />
als freiberufliche Fotografin <strong>und</strong> als<br />
Architektin im georgischen Nationalmuseum.<br />
Außerdem ist sie Fotografin des<br />
© Aleksandra Patova<br />
© Tina Kazakhisvili<br />
Vernissage:<br />
3. März 2012, 19 Uhr<br />
4. März bis 25. März 2012<br />
aff Galerie<br />
Kochhannstraße 14<br />
10249 Berlin-Friedrichshain<br />
Sa + So 14 – 17 Uhr<br />
www.aff-berlin.com<br />
brennpunkt 1/2012<br />
Galerien<br />
Rustaweli Theaters in Tbilisi. In ihren<br />
Arbeiten verfolgt sie sowohl Ansätze der<br />
dokumentarischen als auch der künstlerischen<br />
Fotografie. In der Ausstellung<br />
ist sie mit ihrer Serie »Duality« vertreten.<br />
Über ihrer Art zu fotografieren sagt<br />
sie: »Die gemeinsame Basis aller meiner<br />
Bilder sind Menschen, in ihrer Schönheit,<br />
mit allen ihnen mit auf den Weg<br />
gegebenen Vorzügen <strong>und</strong> Nachteilen,<br />
mit all ihren positiven <strong>und</strong> negativen<br />
Charakterzügen. Mehrfachbelichtungen<br />
sind für mich ein Versuch mich der<br />
Darstellung der menschlichen Welt in<br />
ihrem vollen Umfang anzunähern, die<br />
individuellen emotionalen <strong>und</strong> physischen<br />
Gegebenheiten besser auszudrücken«.<br />
33
Galerien<br />
Jean-Baptiste Huynh<br />
»Monochrome«<br />
Paolo Roversi<br />
»Nudi«<br />
Die hochgelobte Doppelausstellung mit<br />
Photographien von Paolo Roversi <strong>und</strong><br />
Jean-Baptiste Huynh ist noch bis zum<br />
28. Januar 2012 in der Galerie CAMERA<br />
WORK zu sehen. Die Ausstellung zeigt<br />
erstmals neue Aktphotographien aus der<br />
Serie »Nudi« von Paolo Roversi sowie<br />
die noch nie zuvor ausgestellte Photoserie<br />
»Monochrome« von Jean-Baptiste<br />
Huynh. So sehr sich beide Serien<br />
in ihren Motiven unterscheiden, so sehr<br />
verbindet sie das für beide Künstler charakteristische<br />
Stilmittel des subtilen Einsatzes<br />
wirkungsvoller Illuminationen.<br />
© JEAN-BAPTISTE HUYNH,<br />
MONOCHROME - MASQUE, 2011<br />
»Monochrome« von Jean-Baptiste<br />
Huynh Die Photographien der 2010/11<br />
entstandenen Serie »Monochrome« von<br />
Jean-Baptiste Huynh zeichnen sich<br />
durch ihre strenge <strong>und</strong> kompromisslose<br />
Reduzierung auf die Farbe Schwarz<br />
aus. Eine sparsame aber aufwendige<br />
Beleuchtung unterstützt dieses Charakteristikum,<br />
wodurch die schwarzen<br />
Objekte <strong>und</strong> Porträts in ihren tiefsten<br />
Nuancen erscheinen. Die von Schwarz<br />
umfassende Farbsymbolik der sublimen<br />
Eleganz <strong>und</strong> Rätselhaftigkeit sowie klagenden<br />
Subtilität <strong>und</strong> Undefinierbarkeit<br />
entfaltet sich eindrucksvoll in den Photographien<br />
– ein reizvolles Zusammen-<br />
34 brennpunkt 1/2012<br />
© PAOLO ROVERSI, KATE, PARIS, 1992<br />
spiel, das durch die kompositorische<br />
Klarheit unterstützt wird <strong>und</strong> so dem<br />
Rezipienten das Werk <strong>und</strong> die Besonderheit<br />
der Farbe Schwarz erfahrbar<br />
werden lässt.<br />
Jean-Baptiste Huynh wurde als Sohn<br />
einer Französin <strong>und</strong> eines Vietnamesen<br />
1966 in Frankreich geboren. Sein<br />
umfangreiches photographisches Werk<br />
mit Landschaften <strong>und</strong> Porträts sowie<br />
Akten <strong>und</strong> Stillleben erschien bis dato<br />
in neun aufwendig <strong>und</strong> hochwertig<br />
gestalteten Publikationen <strong>und</strong> wurde in<br />
zahlreichen Ausstellungen präsentiert,<br />
u.a. im Moscow House of Photography<br />
(Moskau) <strong>und</strong> im European House<br />
of Photography (Paris). Der Louvre in<br />
Paris wird Jean-Baptiste Huynh 2012<br />
eine Ausstellung widmen.<br />
»Nudi« von Paolo Roversi<br />
Seit über 25 Jahren zählt die Aktserie<br />
von Paolo Roversi mit dem Titel »Nudi«<br />
zu den inspirativsten <strong>und</strong> ästhetisch<br />
reizvollsten Aktserien in der zeitgenössischen<br />
Photographie. Dank einer<br />
klaren Komposition <strong>und</strong> eines zarten<br />
Einsatzes von Licht erscheinen die dargestellten<br />
Frauen wie grazil gezeichnete<br />
Körperstudien, die das Bewusstsein<br />
des Betrachters auf die Form, Silhouette<br />
<strong>und</strong> Zierlichkeit des weiblichen Körpers<br />
lenken. Die Ausstellung zeigt neben<br />
Photographien von Kate Moss, Tatjana<br />
Patitz <strong>und</strong> Guinevere van Seenus auch<br />
erstmals Akte von Models wie Laetitia<br />
© JEAN-BAPTISTE HUYNH, CYCLAMÈNES,<br />
FRANCE, 1999<br />
Casta sowie jüngst entstandene »Nudi«-<br />
Photographien männlicher Akte.<br />
Geboren 1947 in Italien, lebt <strong>und</strong> arbeitet<br />
Paolo Roversi seit über 37 Jahren in<br />
Paris. Seine Photographien sind sowohl<br />
in diversen Monographien als auch in<br />
zahlreichen Magazinen wie Harper’s<br />
Bazaar, Interview, Marie Claire sowie in<br />
der Vogue <strong>und</strong> im New York Times Magazine<br />
veröffentlicht worden. Das photographische<br />
OEvre von Paolo Roversi<br />
wird vom wiederkehrenden Stilmerkmal<br />
einer Aura des Grazilen, Fragilen,<br />
aber auch Mysteriösen <strong>und</strong> Unnahbaren<br />
durchzogen, die auch dank des virtuosen<br />
Umgangs mit der dem Medium<br />
wortwörtlich zugeschriebenen Technik<br />
des »Zeichnens durch Licht« erzeugt<br />
wird.<br />
Internet:<br />
www.camerawork.de<br />
Facebook:<br />
www.facebook.com/cameraworkberlin<br />
bis 28. Januar 2012<br />
Galerie Camera Work<br />
Kantstraße 149<br />
10623 Berlin-Charlottenburg<br />
Di – Sa 11 – 18 Uhr
Mark Laita<br />
Nach Huynh <strong>und</strong> Roversi präsentiert<br />
CAMERA WORK mit Photographien<br />
von Mark Laita ein erstes Highlight im<br />
Ausstellungsjahr 2012.<br />
Die Ausstellung beginnt am 4. Februar<br />
2012 <strong>und</strong> zeigt erstmals in Europa die<br />
drei neuen Serien »Sea«, »Serpentine«<br />
<strong>und</strong> »Amaranthine« mit einzigartigen<br />
Photographien von den faszinierendsten<br />
Lebewesen des Meeres, den eindrucksvollsten<br />
Schlangen sowie den farbenfrohesten<br />
<strong>und</strong> anmutigsten Vögeln der Welt.<br />
Alle drei Serien verbindet die besondere<br />
Darstellungsweise der Tiere als Stillleben<br />
sowie die wiederkehrende Formsprache,<br />
wodurch die Photographien zu einem<br />
bedeutenden Bestandteil der zeitgenössischen,<br />
künstlerischen Tierphotographie<br />
avancieren.<br />
»Sea«<br />
Die 2010 nach über zehn Jahren vollendete<br />
Serie »Sea« zählt schon heute<br />
zu einer der gefragtesten Photoserien<br />
im Genre der Naturphotographie. Seien<br />
es das vertraute Beisammensein eines<br />
Seepferdchens mit seinem Jungen, der<br />
intime Moment zweier Fahnenbarsche<br />
oder die anmutige Imposanz einer pazifischen<br />
Riesenkrake: Mark Laita gelingt<br />
es in seinen Photographien, die exotischen<br />
Lebewesen der Weltmeere als<br />
künstlerisch-ästhetische Stillleben darzustellen,<br />
wodurch sich ein reizvolles<br />
Wechselspiel zwischen Abbild <strong>und</strong><br />
Ästhetik ergibt. Haben bis dato zahlreiche<br />
Photographen den überwältigenden<br />
Artenreichtum der Unterwasserwelt als<br />
Motiv für ihre Photographien entdeckt,<br />
so bedient sich Mark Laita einer aufwendigen<br />
Aufnahmeinstallation, um die<br />
Tiere von ihrem natürlichen Lebensraum<br />
abzukoppeln <strong>und</strong> sie so in ihrer besonderen<br />
Gestalt, Farbenpracht <strong>und</strong> mit<br />
ihren charakterlichen Besonderheiten<br />
abzubilden.<br />
»Serpentine«<br />
Mehr als 100 der gefährlichsten<br />
Schlangen der Welt – von der<br />
Korallenotter über die Milchschlange<br />
<strong>und</strong> Texas-Klapperschlange bis hin zur<br />
Schwarzen Kobra – hat Mark Laita für<br />
seine Serie »Serpentine« (lat. serpens:<br />
Schlange) photographiert. Seit jeher sind<br />
brennpunkt 1/2012<br />
Galerien<br />
© MARK LAITA, BEAUTIFUL PIT VIPER, 2010 © MARK LAITA, COLORED SONGBIRDS, 2005<br />
Menschen nicht nur von der Symbolik<br />
<strong>und</strong> Mythologie, sondern auch von<br />
der bedrohlichen Aura <strong>und</strong> eleganten<br />
Grazie von Schlangen fasziniert. Diese<br />
Dichotomie vereint Mark Laita eindrucksvoll<br />
in seinen Photographien, in denen<br />
sich imposant der Farbenreichtum, die<br />
besondere Oberflächenstruktur sowie<br />
die in der Natur einzigartige Erhabenheit<br />
der Schlangen widerspiegeln. CAMERA<br />
WORK zeigt in der Ausstellung eine<br />
Auswahl aus der Serie »Serpentine«, mit<br />
der Mark Laita »das Wesen der Tiere mit<br />
ihrer Schönheit, Unberechenbarkeit <strong>und</strong><br />
Bedrohlichkeit« zum Ausdruck bringt.<br />
»Amaranthine«<br />
Für die Serie »Amaranthine« (griech.<br />
Amarantos: nicht vergehend) hat Mark<br />
Laita über 100 der seltensten <strong>und</strong><br />
schönsten Vogelarten der Welt – wie<br />
die Motive in »Sea« <strong>und</strong> »Serpentine« –<br />
in einem puristischen Arrangement vor<br />
einem schwarzen Hintergr<strong>und</strong> porträtiert.<br />
Im Gegensatz zu den anderen beiden<br />
Serien jedoch sind die Vögel wie der<br />
majestätische Tiefland-Felsenhahn, die<br />
türkisen Zuckervögel oder feuerroten<br />
Kardinäle bei »Amaranthine« nicht mehr<br />
lebend, sondern wurden für die Ewigkeit<br />
konserviert in Naturk<strong>und</strong>emuseen <strong>und</strong><br />
Ornithologiearchiven ausgestellt. Diese<br />
Illusion wird dem Betrachter erst beim<br />
Anblick der Zeh-Schilder bewusst, welche<br />
die Tiere als Präparationen entlarven.<br />
Mit diesem Wissen wird für<br />
den Rezipienten das Bewusstsein der<br />
Ambivalenz zwischen Tod <strong>und</strong> unvergänglicher<br />
Schönheit erfahrbar. Bewusst<br />
mit dem Titel »Amaranthine« versehen,<br />
ist es die Intention des Photographen,<br />
diese fortwährende Schönheit <strong>und</strong><br />
Pracht der Vögel, die spektakuläre<br />
Farbigkeit des Federkleids sowie deren<br />
Anmut in einer bis dato unvergleichlichen<br />
Photoserie zu verewigen.<br />
Mark Laita<br />
Geboren 1960 in Detroit <strong>und</strong> aufgewachsen<br />
in Chicago, studierte Mark Laita u.a.<br />
an der University of Illinois Photographie.<br />
Nach Abschluss seines Studiums zog<br />
Mark Laita 1986 nach Los Angeles,<br />
um dort als Commercial Photographer<br />
für Unternehmen wie Mercedes-Benz,<br />
VISA <strong>und</strong> adidas Photokampagnen zu<br />
produzieren. Zudem war Mark Laita<br />
über zehn Jahre hinweg als Photograph<br />
für Werbeaufnahmen von Apple verantwortlich.<br />
Neben seiner hohen<br />
Reputation in der Werbephotographie<br />
genießt Mark Laita auch im Bereich<br />
der Kunstphotographie mit zahlreichen<br />
Ausstellungen in den USA <strong>und</strong> Europa<br />
hohes Ansehen. Seine hochgeachtete<br />
Serie »Created Equal« wurde 2007<br />
u.a. bei CAMERA WORK augestellt. Im<br />
Herbst vergangenen Jahres veröffentlichte<br />
Mark Laita einen Photoband zur<br />
Serie »Sea« unter dem gleichnamigen<br />
Titel, der in den USA zu den elf besten<br />
Photobänden des Jahres 2011 gekürt<br />
wurde. Voraussichtlich im zweiten<br />
Halbjahr 2012 wird das Photobuch zur<br />
Serie »Serpentine« erscheinen.<br />
4. Februar bis 17. März 2012<br />
Galerie Camera Work<br />
Kantstraße 149<br />
10623 Berlin-Charlottenburg<br />
Di – Sa 11 – 18 Uhr<br />
35
Galerien<br />
exp12<br />
»Vendredi Treize«<br />
Vor genau zwei Jahren öffnete die Produzentengalerie<br />
exp12 im Berliner Prenzlauer<br />
Berg ihre Tore. In den charmanten<br />
Räumen an der Senefelder Straße zeigten<br />
sowohl exp12-Fotografen als auch<br />
Gäste wie Marikel Lahana (Paris), Christopher<br />
Anhalt (Hamburg) oder die Fotokünstlerinnen<br />
von »La Magnolia« (Rom)<br />
ihre Werke <strong>und</strong> stießen auf reges Interesse.<br />
Ein besonderer Höhepunkt war die<br />
vielbeachtete Ausstellung »Polaroids«<br />
im Sommer 2011 mit dem unvergesslichen<br />
Arno Fischer <strong>und</strong> seinen Schülern<br />
Nicole Woischwill <strong>und</strong> Olle Fischer. Die<br />
Planung fürs dritte Jahr mit internationalen<br />
Gästen war bereits abgeschlossen,<br />
als völlig unerwartet die Kündigung des<br />
Untermietverhältnisses zum 31. Januar<br />
2012 ins Haus flatterte. Alsdann hieß<br />
es umdisponieren. Man wollte die verbleibenden<br />
Wochen am alten Ort mit<br />
einer exp12-Gemeinschaftsausstellung<br />
feiern.<br />
© Mark de Longueville<br />
An einen Ort von unfassbar großer<br />
Weite, auf das Flugfeld des alten Flughafens<br />
Tempelhof, holt uns Mark de<br />
Longueville. »Wir gehen dort hin, um<br />
mitten in der Stadt eben dieser zu entkommen,<br />
um die Gedanken dort frei<br />
fliegen zu lassen. Das Feld selbst, derzeit<br />
sich selbst überlassen, steht sinnbildlich<br />
für die unermesslichen Entwicklungspotentiale,<br />
die in uns stecken.<br />
Alles scheint dort möglich, selbst<br />
ein 1000 Meter hoher Berg, der Kreuz-<br />
36 brennpunkt 1/2012<br />
© Isabel Kiesewetter © Olle Fischer<br />
berg buchstäblich in den Schatten stellen<br />
würde, ist denkbar. Gerne erliegen<br />
wir dieser Magie«.<br />
An eine märchenhafte Location mit einer<br />
ebenso wechselvollen Geschichte führt<br />
uns die Hamburger Fotografin Isabel<br />
Kiesewetter, die seit dem Sommer 2011<br />
neu bei exp12 dabei ist. Ihr Bild aus<br />
der Serie konversion ist in den Beelitzer<br />
Heilstätten entstanden. Ähnlich verwunschen<br />
sieht der Spreepark Berlin bei<br />
Eva Brunner aus. Als beim einst perma-<br />
© Eva Brunner<br />
nenten Vergnügungspark der DDR allmählich<br />
die Besucher ausblieben, folgte<br />
die Schließung vor zehn Jahren. Seither<br />
erobert die Natur ihren Raum zurück<br />
<strong>und</strong> breitet uns mitten in der Stadt eine<br />
Märchenlandschaft aus, die von Zerfall<br />
<strong>und</strong> neuer Hoffnung erzählt. Ähnlich<br />
stoisch wie der Plastikelefant im Park<br />
liegen die Kühe bei Olle Fischer schlafend<br />
auf der Weide in den Pyrenäen. Sie<br />
ruhen in der zauberhaften Landschaft,<br />
als wäre die Zeit stehen geblieben.<br />
Geheimnisvoll sind auch Nadine Ethners<br />
»Etruscan Landscapes«. In ihrem<br />
tieffarbenen Triptychon aufgenommen<br />
in der Nähe von Tuscania scheinen die<br />
Mythen der Etrusker, deren Naturverb<strong>und</strong>enheit<br />
<strong>und</strong> Sinnlichkeit noch heute<br />
in der Landschaft nachzuschwingen.<br />
»Chimères« von Claire Laude bringt uns<br />
© Nadine Ethner<br />
© Claire Laude<br />
nach Island. Dokumentarisch, neutral<br />
<strong>und</strong> distanziert, doch mit einem kontemplativen<br />
Blick fotografiert umhüllt<br />
etwas Magisches die einfachen Hütten<br />
in der menschenleeren Landschaft, die<br />
dem Wanderer Unterschlupf gewähren.<br />
Seine letzten 12 Jahre in Island gelebt<br />
hat Daniel Claus Reuter, Mitglied bei<br />
exp12 ab Januar 2012. Im Frühling<br />
2010 reiste er in seine Heimat Luxemburg,<br />
um die Serie »Faserland« zu fotografieren,<br />
benannt nach dem Roman<br />
von Christian Kracht. Mit dieser Rückkehr<br />
ins Land der Vergangenheit begann<br />
ein Versuch, den Zusammenhang zwischen<br />
Erinnerung <strong>und</strong> Realität, Heimat<br />
<strong>und</strong> Familie fotografisch darzustellen.
© Daniel Claus Reuter<br />
Im besten Sinne auf der Suche nach ihrer<br />
»Familie« sind die Bilder aus der Reihe<br />
»Orphans« von Dorothee Deiss. Es sind<br />
Bilder, die man ungeplant findet, die<br />
sich in kein »Projekt« einpassen lassen.<br />
Sie können einen lange Zeit begleiten,<br />
ungewollt, immer auf der Suche nach<br />
© Dorothee Deiss<br />
einer geeigneten »Familie«, in der sie<br />
endlich einen Platz finden. Mit Familie,<br />
Fernweh <strong>und</strong> Sehnsucht setzt sich Anna<br />
Meschiari in ihren Wolkenbildern auseinander,<br />
die auf einer Reise mit ihrem<br />
Vater entstanden sind. Ähnlich sind die<br />
Themen bei Susanne Schneiders Fotografien.<br />
Um verblassende Erinnerungen,<br />
um Bilder, die der Intuition entspringen<br />
<strong>und</strong> einen bis in den Traum verfolgen<br />
© Nicole Woischwill<br />
© Oona Eberle<br />
könnten, geht es bei Birgit Krause. Ihr<br />
Porträt eines Greifvogels steht für Veränderung,<br />
Umschwung <strong>und</strong> Aberglaube.<br />
Den Blick nach innen richtet Oona<br />
Eberle in ihrer Serie »La Feuille Blanche«,<br />
gefangen von der Angst vor der<br />
Leere. Den Weg ins Innere geht auch<br />
Nicole Woischwill mit ihrer Serie »Jetztzeitmonologe«.<br />
Es sind Sofortbilderk<strong>und</strong>ungen<br />
(Polaroids) mit einer Camera<br />
Obscura, bei der jede Fotografie für sich<br />
eine kleine Erzählung ist.<br />
Im Hier <strong>und</strong> Jetzt angekommen mitten<br />
in der wechselvollen Geschichte Berlins<br />
lädt die Galerie exp12 zum letzten<br />
Mal in die vertrauten Räume ein. Die<br />
Suche nach neuen Räumlichkeiten ist<br />
in vollem Gange. exp12 ist bereit zum<br />
Aufbruch zu neuen Ufern in der sich<br />
stets verändernden Stadt.<br />
© Birgit Krause<br />
Vernissage:<br />
13. Januar 2012 ab 19 Uhr<br />
14. Januar bis 29. Januar 2012<br />
exp12 / exposure twelve<br />
Senefelder Straße 35<br />
10437 Berlin-Prenzlauer Berg<br />
Fr – So 14 – 20 Uhr<br />
www.exp12.com<br />
brennpunkt 1/2012<br />
Galerien<br />
37
Galerien<br />
Andreas Müller-Pohle<br />
»flow, flow«<br />
Fotografie – Video – So<strong>und</strong><br />
1994–2011<br />
In der Einzelausstellung »flow, flow«<br />
zeigt der Berliner Fotograf, Medienkünstler<br />
<strong>und</strong> Verleger Andreas Müller-<br />
Pohle Arbeiten aus unterschiedlichen<br />
Werkgruppen der Jahre 1994 bis 2011.<br />
Ihnen gemeinsam ist das Fließende, von<br />
den frühen Zyklogrammen über seine<br />
Code-Arbeiten bis hin zu aktuellen<br />
Wasserprojekten.<br />
Die Photo Edition Berlin freut sich, ein<br />
bisher unveröffentlichtes Video Müller-<br />
Pohles über den japanischen Fotografen<br />
Nobuyoshi Araki vorstellen <strong>und</strong> als<br />
Edition herausbringen zu können.<br />
Auflage von 99+IX, Einführungspreis<br />
99 Euro. (Spielzeit 23 Minuten).<br />
1996 mit einer kleinen Digitalkamera<br />
aufgenommen, zeigt es Araki bei einem<br />
Foto-Shooting in einem Love Hotel in<br />
Shibuya, Tokio. Einen Trailer zu dem<br />
23-Minuten-Video kann man auf der<br />
Webseite YouTube sehen.<br />
http://www.youtube.com/<br />
watch?v=GIsrL5H3NDA<br />
38 brennpunkt 1/2012<br />
© Andreas Müller-Pohle, »Atomic Laughter«, 2002. Sequenz aus 11 Inkjet-Prints<br />
President Harry S. Truman on 6 August, 1945, announcing the bombing of Hiroshima: »We have<br />
spent more than two billion dollars on the greatest scientific gamble in history and we have won«.<br />
© Andreas Müller-Pohle, »Zyklogramm 5«,<br />
1994, 80 x 60 cm, (Original in Farbe)<br />
Andreas Müller-Pohle<br />
www.muellerpohle.net<br />
www.riverproject.net<br />
© Andreas Müller-Pohle, Videostills aus »Araki at Work«, 1996/2011<br />
© Andreas Müller-Pohle, »Hong Kong Waters«.<br />
New Territories. Ma Wan, 2009.<br />
C-Print auf Dibond hinter Acryl. 90 x 130 cm,<br />
Edition 5+2 AP, (Original in Farbe)<br />
bis 12. Februar 2012<br />
PHOTO EDITION BERLIN<br />
Ystaderstraße 14a<br />
10437 Berlin-Prenzlauer Berg<br />
Mi 14 – 20 Uhr<br />
Sa 12 – 18 Uhr
Bäume sterben<br />
aufrecht.<br />
Am 5. Dezember 2011 wurde die Asche<br />
von Gerd Messerschmidt auf dem<br />
Stahnsdorfer Kirchhof begraben, unter<br />
einem jungen Ahorn. So kann das<br />
Gedenken an ihn noch wachsen, wie<br />
es angemessen ist, wenn ein Lebenswerk<br />
über die eigene Lebenszeit hinausweist.<br />
Gerd Messerschmidt<br />
Sein großes Thema war die Natur, aber<br />
er hat immer auch Musik gemacht, war<br />
in seiner Jugend ein erfolgreicher Virtuose<br />
auf dem Waschbrett, hat zur Gitarre<br />
Irish Folk gesungen <strong>und</strong> 1980 die heute<br />
noch aktive Band »Bluegrass Unlimited«<br />
mitgegründet.<br />
Sein starkes Gefühl für den Rhythmus<br />
spricht auch aus seinen Bildern, hier<br />
ist es der Rhythmus der Jahreszeiten.<br />
Immer wieder hat er »seine« Bäume<br />
besucht, in Franken, in der Uckermark,<br />
im keimenden Frühling, im strahlenden<br />
Sommer <strong>und</strong> im Farbenrausch des<br />
Herbstes. Auch bei Raureif <strong>und</strong> tiefem<br />
Schnee war er unterwegs. Und wenn<br />
man seine meisterhaften Bildkompositionen<br />
betrachtet, klingt sie auf, die<br />
Musik, wie die eines Vivaldi.<br />
Gerd Messerschmidt hat Kalender <strong>und</strong><br />
viele Postkarten gemacht, die man noch<br />
© Gerd Messerschmidt<br />
© Gerd Messerschmidt<br />
lange in den Drehständern der Museumsshops<br />
finden wird. Sie heben sich<br />
ab vom Üblichen.<br />
1972 stieß er zu den »Kreuzbergern«,<br />
mischte sie ordentlich auf <strong>und</strong> übernahm<br />
schon 1974 den Vorsitz. Etliche<br />
Fotografen, die heute einen Namen<br />
haben, sind bei ihm in die Schule gegangen.<br />
International war er jahrelang ein<br />
Star. Dann hat ihn die Wettbewerbsfotografie<br />
nicht mehr interessiert, wie er ja<br />
sowieso immer »seine« Bilder gemacht<br />
hat.<br />
Parallel entstand eine neue Linie bei den<br />
Kreuzbergern, die der radikalen sozialen<br />
Dokumentarfotografie ihres Mitglieds<br />
Fotoszene<br />
Michael Schmidt folgte. Daraus entstand<br />
die inzwischen legendäre »Werkstatt für<br />
Fotografie« der VHS Kreuzberg.<br />
Das war Gerd Messerschmidts Sache<br />
nicht. Doch er ist dem DVF <strong>und</strong> den<br />
Kreuzbergern treu geblieben, <strong>und</strong> die<br />
haben ihn im Jahr 2011 zu ihrem Ehrenmitglied<br />
gemacht. Er bleibt, unvergessen.<br />
Klaus Rabien<br />
brennpunkt 1/2012<br />
39
Galeriebericht<br />
Für immer jung.<br />
Jeder engagierte Fotograf, der sein<br />
Rüstzeug noch im vorigen Jahrh<strong>und</strong>ert<br />
erworben hat, mag es bedauern, dass<br />
sein Metier heute in alle Lebensbereiche<br />
vorgedrungen ist <strong>und</strong> uns begleitet<br />
wie die Armbanduhr <strong>und</strong> das Taschentuch,<br />
von der digitalen »Verwurstung«<br />
der Bilder gar nicht zu reden.<br />
Die gute Nachricht: Dem steht derzeit<br />
ein starkes Interesse an den Heroen<br />
des 20. Jahrh<strong>und</strong>erts gegenüber, die<br />
uns vor dem Siegeszug des Fernsehens<br />
<strong>und</strong> vor allem des Internets ihre Sicht<br />
auf das Leben <strong>und</strong> das Antlitz unseres<br />
Planeten nahe gebracht haben. Nach<br />
Thomas Hoepker, Robert Lebeck, Barbara<br />
Klemm, Max Scheler <strong>und</strong> anderen<br />
konnten wir nun im Gropiusbau die<br />
Life-Reportagen des Amerikaners W.<br />
Eugene Smith erleben, in dramatischem<br />
Schwarzweiß, vor allem sein »Spanisches<br />
Dorf« von 1950, Bilder wie aus<br />
biblischen Zeiten.<br />
Guardia Civil, Spanien, 1950<br />
(Silbergelatineabzug 25,1 x 32,1cm), Center für<br />
Creative Photography, University of Arizona:<br />
W. Eugene Smith Archive / Gift of the artist,<br />
© The Heirs of W. Eugene Smith, courtesy Black<br />
Star, Inc., New York<br />
Smith hat sich dabei immer sozial engagiert<br />
<strong>und</strong> versucht, den Menschen zu<br />
helfen. So auch mit seiner bewegenden<br />
Serie »Die Hebamme« von 1951.<br />
Gescheitert ist er dann an einer sehr<br />
emotionalen Arbeit über Pittsburgh, der<br />
er 4 Jahre geopfert hat, ohne sie je zu<br />
Ende zu bringen. Alkohol <strong>und</strong> Drogen<br />
taten ein übriges. Er starb 1978 mit 60<br />
Jahren.<br />
Auch Mario Giacomelli (1925 bis 2000)<br />
hat sich 1957–59 das Landleben vorge-<br />
40 brennpunkt 1/2012<br />
nommen, in ebenso strengem Schwarzweiß,<br />
im Dorf Scanno in den Abruzzen<br />
(Willy-Brandt-Haus bis 22. Januar). Es<br />
gelingen ihm bizarre grafische Bilder,<br />
die gleichwohl Emotionen freisetzen,<br />
auch fröhliche, wie in der Priesterserie<br />
von 1961-63, in der die schwarzberockten<br />
Mönchlein wie aufgescheuchte<br />
Krähen durch den Schnee tollen. Dem<br />
steht die erschütternde Reihe »Der Tod<br />
wird kommen« aus einem Hospiz in<br />
Senigallia gegenüber.<br />
Den größten Raum nehmen ganz ungewöhnliche<br />
Landschaftsstrukturen ein,<br />
knochenhart vergrößert, Ackerfurchen<br />
wie brutale Kratzspuren, tiefe W<strong>und</strong>en,<br />
die der Mensch der Erde zugefügt hat.<br />
Hier könnte Robert Häusser Pate gestanden<br />
haben. Das Italien unserer Träume<br />
sieht anders aus.<br />
Im selben Haus bis 15. Januar ein Meister<br />
aus Deutschland, der zu seinem 80.<br />
Geburtstag auch leibhaftig in seine Heimatstadt<br />
Berlin zurückgekehrt ist: Jürgen<br />
Schadeberg. Seine Bilder waren hier<br />
noch nie zu sehen. Sie sind in Berlin,<br />
London, Paris <strong>und</strong> vor allem in Südafrika<br />
entstanden, denn Schadeberg war in den<br />
fünfziger Jahren Cheffotograf des Magazins<br />
»Drum«, der ersten Illustrierten für<br />
Schwarze von Schwarzen, die 1964 verboten<br />
wurde. Mit der Leica dokumentierte<br />
er das Leben in den Townships<br />
<strong>und</strong> begleitete zudem kritisch die politische<br />
Entwicklung, den Kampf gegen die<br />
Apartheid. Über 50 Jahre hat er Nelson<br />
Mandela porträtiert, vom jungen Freiheitskämpfer<br />
bis zum ersten schwarzen<br />
Präsidenten Südafrikas. Seine allerersten<br />
Fotos hat er 1943 im Berliner Luftschutzkeller<br />
gemacht. Es gab einen fürs<br />
Vorderhaus, da bedrückte den 12-jährigen<br />
die Stille zu sehr. Er hielt sich lieber<br />
in dem für die Hinterhäusler auf, wo<br />
man die Angst vor Bombeneinschlägen<br />
mit Musik <strong>und</strong> Bier vertrieb. Parallel<br />
zeigt das Institut Francais bis 15.<br />
Januar seinen Bericht aus einem 600-<br />
Seelen-Dorf in der französischen Provinz.<br />
In Frankreich wollte das niemand<br />
ausstellen, in Berlin gibt es ein Publikum<br />
dafür, das hiermit die reizvolle<br />
Möglichkeit hat, Schadebergs französisches<br />
mit Smith’ spanischem <strong>und</strong> Giacomellis<br />
italienischem Dorf zu vergleichen.<br />
Wer dann noch Gerhard Weber<br />
oder Roger Melis im Bücherbord hat,<br />
kann das deutsche hinzufügen.<br />
Von der großen Fotoreportage ist es nur<br />
ein kleiner Schritt zur sympathischen<br />
Street-Fotografie, die immer schon<br />
ein humorvoller oder nachdenklicher<br />
Spiegel unseres Alltags war. Vor allem<br />
zu Zeiten, als das Recht am eigenen<br />
Bild noch nicht so überbetont wurde.<br />
Wie sonst hätten uns Friedrich Seidenstücker<br />
<strong>und</strong> Eva Besnyö so herrlich<br />
spontane Schnappschüsse überliefern<br />
können, wie sie die Berlinische<br />
Galerie noch bis Februar zeigt. Die 120<br />
Vintage- Prints von Eva Besnyö (1910 –<br />
2003) stammen aus der Sammlung des<br />
Verborgenen Museums in der Schlüterstraße.<br />
Sie floh mit zwanzig aus dem<br />
faschistischen Ungarn nach Berlin,<br />
kam hier vom Regen in die Traufe <strong>und</strong><br />
ging 1932 nach Amsterdam. Sie stand<br />
dem Bauhaus nahe <strong>und</strong> dem »Neuen<br />
Sehen«, beeinflusst von ihren Landsleuten<br />
Moholy-Nagy <strong>und</strong> Munkacsi. Wir<br />
müssen es den Kuratoren wohl nachsehen,<br />
wenn sie aus Stolz auf ihre originalen<br />
Schätze zuviel Material an die<br />
Wand bringen. Es sind nicht alles Perlen.<br />
Seidenstückers berühmter »Sprung über<br />
die Pfütze« ist in 7 Variationen zu sehen.<br />
Der Wert der Pfütze wird damit – pardon<br />
– etwas verwässert.<br />
Ein beliebtes Pflaster für die Street-Fotografen<br />
war stets New York. Im Photoplatz<br />
des Hotel Bogotá brachte Joachim<br />
Rissmann zwei Autoren zusammen.<br />
Einmal Ronnie Farley mit »Diary<br />
of a Pedestrian«, ihrem fotografischen<br />
Tagebuch aus den achtziger <strong>und</strong> neunziger<br />
Jahren. Inzwischen ist sie eine<br />
gestandene Fotografin, sieht aus wie ein<br />
Westernheld <strong>und</strong> engagiert sich unter<br />
anderem für die Indianerreservate in<br />
den USA. Ihre Bilder haben eine starke<br />
Ausstrahlung, der man sich kaum entziehen<br />
kann. Da hat es Bernd Obermann<br />
nicht leicht, sich neben ihr zu<br />
behaupten. Seine meist quadratischen<br />
SWs berichten aus Hell’s Kitchen, einem<br />
anrüchigen Quartier New Yorks, zu heutiger<br />
Zeit. Es kommt was rüber von der<br />
Szene, von sozialer Not <strong>und</strong> Kriminalität,<br />
aber auch von der Faszination für<br />
Künstler <strong>und</strong> Intellektuelle.<br />
Seit November beherrscht das Thema<br />
»Nacht« die Räume des Hotels, bis<br />
15. Januar. Besonders sehenswert sind<br />
Amélie Losiers »Berliner Nachtarbeiter«,<br />
edle SW-Prints, drei davon sehr<br />
wirksam im Leuchtkasten als Dia.
Die Arbeiten von Michael Ackerman<br />
<strong>und</strong> Jerry Berndt sind flüchtiger, weniger<br />
komponiert, ihr Thema ist eher die<br />
Einsamkeit <strong>und</strong> die Sinnlichkeit nächtlicher<br />
St<strong>und</strong>en, während Adam Cohen in<br />
dezenten Farben dem künstlichen Licht<br />
in der Stadt nachgeht. Im »Kabinett« des<br />
Hotels versucht eine Gruppe der Neuen<br />
Schule für Fotografie unter Leitung von<br />
Arja Hyytiainen den Geheimnissen der<br />
Dunkelheit durch Unschärfe beizukommen.<br />
Das ist immer eine Gratwanderung,<br />
gern praktiziert in der künstlerischen<br />
Fotografie, selten überzeugend.<br />
Ein Händchen dafür hat die Berliner<br />
Fotografin <strong>und</strong> Dozentin Ursula Kelm,<br />
gesehen im Oktober bei »imago«. Ihre<br />
Bildkompositionen sind sehr privat, sehr<br />
intim, sie vermittelt Gefühle, die man<br />
sonst eher literarisch ausdrücken kann.<br />
Es sind innere Bilder. Wir haben im letzten<br />
brennpunkt etliche davon abgedruckt,<br />
auch von den Abschlussarbeiten<br />
ihrer Klasse aus der imago-Fotoschule,<br />
die bis Weihnachten dort zu<br />
sehen waren.<br />
Bei Tina Bara ging es schon immer<br />
etwas spektakulärer zu. Sie hat es inzwischen<br />
zur Professorin an der HGB Leipzig<br />
gebracht. Ihre harten schwarzweißen<br />
Akte <strong>und</strong> Porträts aus der DDR der<br />
achtziger Jahre erregten auch im Westen<br />
Aufsehen. Sie erschienen noch vor der<br />
Wende auch in der Anthologie »DDR<br />
Frauen fotografieren« aus dem ex pose<br />
verlag von Hansgert Lambers. Jetzt steht<br />
man im Haus am Kleistpark vor einer<br />
Reihe von 10 lebensgroßen Frauen im<br />
roten Trikot, jede auf einem Sockel,<br />
Titel »Siegerehrung« (2003). Es sind die<br />
inzwischen in die Jahre gekommenen<br />
Schwimmmeisterinnen aus frühen DDR-<br />
Zeiten, mit dem kryptischen Text: »In der<br />
Siegerpose transformieren sie die Vergangenheit<br />
in den Moment der Gegenwart<br />
des fotografischen Augenblicks«.<br />
Der weibliche Körper <strong>und</strong> seine Vermarktung<br />
ist Tina Baras großes Thema,<br />
hier auch zusammen mit Alba d’Urbano<br />
realisiert unter dem Titel »Bellissima«.<br />
Noch konsequenter ist G<strong>und</strong>ula Schulze<br />
Eldowy den Weg von der schwarzweißen<br />
Reportage zur farbigen Kunstfotografie<br />
gegangen. Geboren 1954 in<br />
Erfurt, hat sie noch 1986-88 in volkseigenen<br />
Betrieben ziemlich brutale<br />
»Arbeitsporträts« aufgenommen, die in<br />
dem eben erwähnten Buch zu finden<br />
© Stefanie Ketzscher, »Doris Ziegler«, 1980<br />
sind. Nun hängt sie groß <strong>und</strong> bunt im<br />
Kunst-Raum des Deutschen B<strong>und</strong>estages<br />
an der Spree, mit 11 riesigen 23 ¾<br />
Karat vergoldeten Repros von Ikonengemälden<br />
aus Byzanz. An ihre schwarzweiße<br />
Vergangenheit erinnert im anderen<br />
Raum eine überraschend poetische<br />
Serie zarter Winterlandschaften. Und<br />
auf einem Monitor läuft pure Sozialfotografie,<br />
mit der sie sich in der DDR<br />
Ärger eingehandelt hat: »Berlin in einer<br />
H<strong>und</strong>enacht«. Das war 2005 bei argus<br />
fotokunst zu sehen.<br />
Neben diesen »Events« gibt es die stillen,<br />
eigentlichen »Sensationen«. Das<br />
Wort bedeutet ja ursprünglich Sinneswahrnehmung,<br />
Empfindung, <strong>und</strong> taugt<br />
eigentlich nicht für Schlagzeilen. Die<br />
Kommunale Galerie Wilmersdorf würdigte<br />
– nach der carpentier galerie in der<br />
Meinekestraße – einen der beharrlichsten<br />
Fotokünstler, den Bildpoeten Efraim<br />
Habermann. Auf den ersten Blick wirken<br />
seine »Berliner Stillleben« in feinen<br />
Grautönen sehr formal, aber er ist ein<br />
Meister der Komposition <strong>und</strong> der Lichtstimmung.<br />
Seit 1968 wandert er mit der<br />
Leica durch die Stadt. Im Museum interessiert<br />
ihn der Dialog zwischen Kunstwerk<br />
<strong>und</strong> Besucherin. Ja, es sind immer<br />
Frauen, die er beobachtet. Am schönsten<br />
eine Szene aus der Alten Nationalgalerie,<br />
vor Adolph Menzels »Flötenkonzert<br />
in Sanssouci« von 1852.<br />
Galeriebericht<br />
Es ist eine Art, Menschen mit Zuwendung<br />
<strong>und</strong> Zurückhaltung zu sehen, die<br />
uns auch Norbert Bunge immer wieder<br />
präsentiert. Diesmal mit der ersten Einzelausstellung<br />
von Stefanie Ketzscher,<br />
geboren 1951 in Leipzig <strong>und</strong> – natürlich<br />
– dort an der HGB ausgebildet. Neben<br />
sehr tristen Straßenszenen aus dem Leipzig<br />
der 70er Jahre hat sie schöne Akte<br />
<strong>und</strong> sensible Porträts gemacht, auch mal<br />
mit einer Prise Humor. Den Maler Hans-<br />
Hendrik Grimmling hat sie 1984 beim<br />
Frühstück in der Badewanne überrascht<br />
<strong>und</strong> spielt mit dem Bildtitel auf das Reiseverbot<br />
der DDR an: »Grimmling, sich<br />
den Ozean denkend«.<br />
Und, werter Leser, was erwartet uns<br />
2012?<br />
Im November ein neuer »Monat der<br />
Fotografie«. Aber noch ist das Jahr jung<br />
<strong>und</strong> wir können das Gefühl, »für immer<br />
jung« zu sein, genießen beim Rückblick<br />
auf »50 Jahre Deutscher Jugend-Fotopreis«,<br />
bis 5. Februar im Deutschen Historischen<br />
Museum hinter dem Zeughaus.<br />
Das ist spannend! Da entdeckt man nämlich<br />
die Jugendsünden einiger gestandener<br />
Fotografen <strong>und</strong> stellt fest, dass sie gar<br />
nicht gesündigt haben, sondern schon<br />
mit 18 so konsequent <strong>und</strong> konzeptionell<br />
gearbeitet haben wie heute. Auch ihre<br />
Themenwahl stand meist schon fest. Als<br />
da sind: Wolfgang Volz, Uwe Ommer,<br />
Frieder Blickle, Rudi Meisel, Mike Wolff<br />
<strong>und</strong> viele andere. Norbert Bunge hat mit<br />
23, im Jahr 1964, spielende Kinder am<br />
Stacheldraht der Mauer beobachtet.<br />
Es fällt auf, dass die jungen Leute seit<br />
1961 immer frecher, kritischer, selbstbewusster<br />
werden, auch in der Wahl<br />
der technischen Mittel, <strong>und</strong> dass immer<br />
mehr Frauen unter den Preisträgern sind,<br />
gerade jetzt im digitalen Zeitalter.<br />
Vielleicht gibt es also gar nichts zu<br />
bedauern an der enormen Verbreitung<br />
des Mediums.<br />
Klaus Rabien<br />
brennpunkt 1/2012<br />
41
Fotoszene<br />
18. Fotoklub Forum<br />
Berlin 2012<br />
Am 7. März 2012 wird im Rathaus<br />
Köpenick das 18. Fotoklub Forum Berlin<br />
eröffnet. Bis zum 27. April 2012 präsentieren<br />
dann 19 Fotoklubs eine Auswahl<br />
aktueller Arbeiten.<br />
Das vom Landesverband Berlin der GfF<br />
in Zusammenarbeit mit dem Bezirksamt<br />
Treptow-Köpenick organisierte Forum<br />
ist offen für alle Fotogruppen aus Berlin<br />
<strong>und</strong> Brandenburg.<br />
Da jeder Fotoklub selbst seine Kollektion<br />
zusammenstellt, erhalten die Besucher<br />
einen abwechslungsreichen Einblick<br />
in das Schaffen der dort aktiven Fotofre<strong>und</strong>e,<br />
<strong>und</strong> können die unterschiedlichen<br />
Herangehensweisen, Themen <strong>und</strong><br />
Techniken vergleichen.<br />
Mehrere Klubs beteiligen sich seit<br />
vielen Jahren regelmäßig, zum Beispiel<br />
»Arbeitskreis Freie Lichtbildner<br />
Berlin«, »Colorclub Berlin-Treptow«,<br />
»Fotofre<strong>und</strong>e Zehlendorf«, »Fotoklub<br />
Eberswalde«, Fotoklub »Fischerinsel«,<br />
»Fotoclub Lichtenberg«, »Fotoclub<br />
1092 Berlin«, »fotografie.berlin«,<br />
»Fotogruppe 98«, Fotogruppe »Natur &<br />
Kultur (Labsaal)« <strong>und</strong> »Fotostudio Köpenick«.<br />
Andere stellen sich zum ersten<br />
Mal in Köpenick vor, diesmal der Klub<br />
»Lichtblick« aus Berlin-Lichtenberg <strong>und</strong><br />
die Gruppe »Ortoklick«. Weitere Aussteller<br />
sind »Fotoclub Potsdam«, »Fototreff<br />
Bernau«, »Sinnbildfotoclub Brandenburg«,<br />
»Fotoclub Strausberg« <strong>und</strong><br />
»MannSbilder – Schwuler Foto-Club<br />
e.V.«.<br />
Als Gastklub wird der seit 1953 aktive<br />
<strong>und</strong> erfolgreiche »Foto Amateur Club<br />
Mainleus/ Kulmbach« mit einem repräsentativen<br />
Beitrag vertreten sein. Die<br />
Kulmbacher errangen seit 1984 achtmal<br />
den Titel »Deutscher Fotoclubmeister«<br />
des DVF.<br />
Insgesamt werden voraussichtlich etwa<br />
300 Werke von mehr als 150 Fotografen<br />
vorgestellt.<br />
Besonders die Eröffnungsveranstaltung<br />
am 3. März (19 Uhr) sowie der Ausstellungsr<strong>und</strong>gang<br />
am 24. März (ab 10 Uhr)<br />
bieten dann Ausstellern <strong>und</strong> interessierten<br />
Besuchern beste Möglichkeiten zur<br />
Diskussion über die Fotos, zu Kontakt-<br />
42 brennpunkt 1/2012<br />
© Marina Schulze, »Autobahndreieck«,<br />
Fotogruppe ´98, zum Thema: »Brücken«, 2010<br />
© Angela Dreßler, »Strukturen 1«, Colorclub<br />
Berlin Treptow, zum Thema: »Strukturen«, 2010,<br />
(Original in Farbe)<br />
© Frank Schoepper, »Hinter Großvaters Haus«,<br />
Fotoclub Straußberg, 2010<br />
aufnahme <strong>und</strong> Erfahrungsaustausch<br />
mit den Bildautoren <strong>und</strong> anderen Fotofre<strong>und</strong>en.<br />
Dazu ermöglichen die besucherfre<strong>und</strong>lichen<br />
Öffnungszeiten sicher<br />
wieder zahlreichen Interessenten, sich<br />
an den Bildern zu erfreuen <strong>und</strong> von<br />
ihnen anregen zu lassen.<br />
Dr. Hans-Joachim Kühn<br />
© Alexander Platz, »Flasche«,<br />
Fotofre<strong>und</strong>e Zehlendorf,<br />
zum Thema: »Mineralwasserflaschen«, 2010<br />
© Eric Jenzcmionka, »Flasche«, (O.i.F.)<br />
Fotofre<strong>und</strong>e Zehlendorf,<br />
zum Thema: »Mineralwasserflaschen«, 2010<br />
7. März bis 27. April 2012<br />
Rathaus Köpenick<br />
Alt-Köpenick 21<br />
12555 Berlin-Köpenick<br />
Mo – Fr 9 – 18 Uhr<br />
Sa, So 10 – 16 Uhr
Berlinische Galerie<br />
bis 6. Februar 2012<br />
Friedrich Seidenstücker<br />
»Von Nilpferden <strong>und</strong> anderen<br />
Menschen«<br />
bis 27. Februar 2012<br />
Eva Besnyö<br />
»Fotografien«<br />
Alte Jakobstraße 124-128<br />
10969 Berlin-Kreuzberg<br />
M – Mo 10–18 Uhr<br />
Museum für Fotografie<br />
bis 29. Januar 2012<br />
Berliner Photographie 1921<br />
Jebensstraße 2<br />
10623 Berlin-Charlottenburg<br />
Di–So 10–18 Uhr<br />
Do 10–22 Uhr<br />
Willy-Brandt-Haus<br />
bis 15. Januar 2012<br />
Jürgen Schadeberg<br />
»Fotografien 1950-2000«<br />
bis 22. Januar 2012<br />
Mario Giacomelli<br />
»Orte, Landschaften, Seelenzustände«<br />
Stresemannstraße 28<br />
10963 Berlin-Kreuzberg<br />
Di–So 12–18 Uhr<br />
Caritas Galerie<br />
bis 20. Januar 2012<br />
Oliver Staak<br />
»Street of Berlin«<br />
Modefotograie<br />
Residenzstraße 90<br />
13409 Berlin-Reinickendorf<br />
Mo–Do 8–17 Uhr<br />
Fr 8–16 Uhr<br />
C/O Berlin<br />
bis 26. Februar 2012<br />
Ron Galella<br />
»Paparazzo Extraordinaire«<br />
bis 26. Februar 2012<br />
G<strong>und</strong>ula Schulze-Eldowy<br />
»Die frühen Jahre«<br />
Fotografien 1977-1990<br />
Oranienburger Straße 35/36<br />
10117 Berlin-Mitte<br />
täglich 11–20 Uhr<br />
Galerie en passant<br />
14. Januar bis 25. Februar 2012<br />
Matthias Hagemann<br />
Alexandra Schraepler<br />
»Berlin – Shanghai«<br />
Brunnenstraße 169<br />
10119 Berlin-Mitte<br />
Di–Fr 14–18 Uhr<br />
Sa 12–16 Uhr<br />
Deutsches<br />
Historisches Museum<br />
bis 5. Februar 2012<br />
50 Jahre Jugendfotopreis<br />
»Für immer jung»<br />
Julian Röder, Katharina Bosse, Horst A.<br />
Friedrichs, Friedrich G. Herrman, Dirk<br />
Reinartz<br />
Unter den Linden 2<br />
Hinter dem Zeughaus<br />
10117 Berlin-Mitte<br />
täglich 10–18 Uhr<br />
carpentier galerie<br />
4. Februar bis 31. März 2012<br />
David S. Allen<br />
Berlin-analog«<br />
Fotografien<br />
Meinekestraße 13<br />
10719 Berlin-Charlottenburg<br />
Öffnungszeiten nach Vereinbarung<br />
Helmut Newton<br />
Stiftung<br />
bis 20. Mai 2012<br />
Helmut Newton<br />
»Polaroids«<br />
Jebensstraße 2<br />
10623 Berlin-Charlottenburg<br />
Di–So 10–18 Uhr<br />
Do 10–22 Uhr<br />
Ausstellungen<br />
Ges<strong>und</strong>heitszentrum<br />
bis 20. Januar 2012<br />
Johannes Barthelmes<br />
»LA HABANA VIEJA«<br />
Eichhornstraße 2<br />
10785 Berlin-Schöneberg<br />
am Potsdamer Platz<br />
Mo–Do 9–19 Uhr<br />
Fr 9–14 Uhr<br />
Kommunale Galerie<br />
Berlin<br />
bis 29. Januar 2012<br />
Efraim Habermann<br />
»Berliner Stilleben«<br />
Hohenzollerndamm 176<br />
10713 Berlin-Wilmersdorf<br />
Di–Fr 10–17 Uhr<br />
Mi 10–19 Uhr<br />
So 11–17 Uhr<br />
imago fotokunst<br />
25. Februar bis 25. März 2012<br />
Abschlussarbeiten<br />
Fotoklasse 28<br />
Leitung: Oliver S. Scholten<br />
Linienstraße 145<br />
10115 Berlin-Mitte<br />
Di–Fr 12–19 Uhr<br />
Sa 14–18 Uhr<br />
Sa + So 11–18 Uhr<br />
brennpunkt 1/2012<br />
43
Ausstellungen<br />
SARAH MOON<br />
»à propos...«<br />
Seit den siebziger Jahren gehören die<br />
ebenso eleganten wie einprägsamen<br />
Fotografien der in Paris lebenden Künstlerin<br />
Sarah Moon (*1941, Frankreich)<br />
zum festen Bestandteil der internationalen<br />
Modewelt. Kaum jemand wird sich<br />
dem Zauber ihrer eigensinnigen Arbeiten<br />
etwa für Dior, Chanel oder Cacharel<br />
entziehen können. Die Ausstellung<br />
in der Galerie Persiehl & Heine zeigt,<br />
nach dreizehn Jahren erstmals wieder<br />
in Deutschland, einen hochkarätigen<br />
Querschnitt durch dieses einzigartige<br />
Oeuvre, dessen unverwechselbar<br />
intime Bildsprache eine grosse poetische<br />
Kraft zu entfalten vermag.<br />
Sarah Moon ist Autodidaktin: Ihr fotografisches<br />
Handwerk erwarb sie, als sie<br />
im Anschluss an ihr Kunststudium als<br />
Mannequin in der Haute Couture tätig<br />
war. 1968 schliesslich tauschte sie die<br />
Arbeit vor der Kamera endgültig mit<br />
jener dahinter <strong>und</strong> war mit dem unverwechselbaren<br />
Stil ihrer Fotografien auf<br />
Anhieb erfolgreich: Noch im selben<br />
Jahr nahm sie an einer Gruppenausstellung<br />
zu avantgardistischer Modefotografie<br />
in der Pariser Galerie Delpire<br />
teil. Dies sollte der Startschuss für eine<br />
einzigartige Karriere sein, in dessen Verlauf<br />
Moons Arbeiten in solch tonangebenden<br />
Modezeitschriften wie »Marie-<br />
Claire«, »Elle« <strong>und</strong> »Vogue« erschienen.<br />
Heute gehört Sarah Moon zu den<br />
bekanntesten Modefotografinnen der<br />
Welt; ihre poetische, oftmals traumartig<br />
anmutende Bildsprache überträgt<br />
sich ebenso auf Motive ausserhalb der<br />
Modewelt sowie, seit den Neunzigern,<br />
auf ihr filmisches Schaffen.<br />
Es gibt einen Grenzbereich zwischen<br />
Wahrheit <strong>und</strong> Fiktion, der sich in Sarah<br />
Moons Arbeiten immer wieder manifestiert.<br />
So poetisch ihre Werke auch anmuten,<br />
sind sie doch stets einer besonderen<br />
Realität auf der Spur: dem Augenblick<br />
in seiner Flüchtigkeit, der Grenzlinie<br />
zwischen Werden <strong>und</strong> Vergehen,<br />
dem Zauber einer einzelnen Sek<strong>und</strong>e.<br />
Denn, so Sarah Moon: »Die Fotografie<br />
ist die Seele aller Momente, die Seele<br />
des Moments, den man gerade eben zu<br />
44 brennpunkt 1/2012<br />
© Sarah Moon, »Sans titre«, 1989 © Sarah Moon, »Moon Eva«, 1997<br />
© Sarah Moon, »Kassia Pysiak«, 1998<br />
Ende gehen sah«. Und so lädt sie den<br />
Betrachter ihrer atmosphärischen Fotografien<br />
ein, der Magie dieser beseelten<br />
Momente nachzuspüren. Gleichzeitig<br />
befreit sie jedes Motiv aus seiner historischen<br />
Verankerung, löst es mithilfe<br />
der Kamera quasi von der Gegenwart<br />
ab. So wirken ihre Fotografen oft wie<br />
aus einer anderen Zeit, ja, wie visuelle<br />
Anachronismen, <strong>und</strong> sind dennoch von<br />
einer ungeheuren Intimität – ganz so,<br />
als liessen sie den Betrachter für einen<br />
kurzen Augenblick durch ein Schlüsselloch<br />
blicken.<br />
Das Faible der Künstlerin für Mystifizierung<br />
zeigt sich anhand der oftmals verschwommen<br />
Wiedergabe ihrer Motive,<br />
was ihnen eine entrückte, bisweilen beinahe<br />
geisterhafte Aura verleiht. Ähnli-<br />
ches ist in den Farbfotografien zu beobachten:<br />
Farbe, der Sarah Moon an<br />
sich skeptisch gegenübersteht, wird<br />
für sie erst als Mittel zur Verfremdung<br />
<strong>und</strong> Übersteigerung interessant. Wo die<br />
teilweise grelle Optik einer gedämpften,<br />
dunklen Farbigkeit weicht, nimmt die<br />
fantastische Stimmung einen melancholischen<br />
Unterton an. Auch die gelegentlich<br />
eingestreuten Flecken in den<br />
Schwarz-weiss-Bildern erwecken den<br />
Eindruck von nostalgischer Weltabgewandtheit.<br />
Nicht ohne Gr<strong>und</strong> werden<br />
Lewis Carrolls »Alice im W<strong>und</strong>erland«,<br />
Samuel Becket oder die grossen Märchenerzähler<br />
immer wieder als Sarah<br />
Moons Inspirationsquellen genannt.<br />
Paulina Szczesniak<br />
Zur Ausstellung erscheint das Buch<br />
12345 in einer neuen Auflage.<br />
bis 15. Februar 2012<br />
Persiehl & Heine<br />
Galerie für Fotografie<br />
Bergstraße 11<br />
20095 Hamburg<br />
Di – Fr 11 – 18 Uhr<br />
Sa 11 – 16 Uhr
Fotografenfamilie<br />
Zemann<br />
»Retrospektive«<br />
Die für das Frühjahr 2012 geplante Ausstellung<br />
in München widmet sich der<br />
Spurensuche im Nachlass der Fotografen-Familie<br />
Zemann.<br />
Lassen sich gemeinsame Bildelemente<br />
finden, eine Familienähnlichkeit zwischen<br />
Victor Zemann (1905-1992),<br />
seiner Frau Hilde (1922-2011) <strong>und</strong> ihrer<br />
gemeinsamen Tochter Marion Zemann<br />
(1944-1972) im Sinne einer gegenseitigen<br />
Inspiration? Jeder dieser begabten<br />
Fotokünstler folgt seinem individuellen<br />
Weg – Victor Zemann arbeitet vor dem<br />
Krieg <strong>und</strong> nach seiner Rückkehr aus<br />
russischer Kriegsgefangenschaft (1948)<br />
als Industrie- <strong>und</strong> Werbefotograf in Heidelberg<br />
im eigenen Foto-Atelier. Hilde<br />
Zemann wird als Portrait- <strong>und</strong> Theaterfotografin<br />
in Heidelberg <strong>und</strong> München<br />
bekannt. Marion Zemann entscheidet<br />
sich, nach ihrem Abschluss an der<br />
Münchner Bayerischen Staatslehranstalt<br />
für Photographie, bei Alexander Kluge<br />
in der Filmabteilung der Ulmer Hochschule<br />
für Gestaltung weiter zu studieren<br />
<strong>und</strong> erhält 1972 den B<strong>und</strong>esfilmpreis<br />
für ihren Kurzfilm »Des Lebens<br />
W<strong>und</strong>erhorn«.<br />
© Victor Zemann<br />
Diese Entwicklung zum bewegten Bild<br />
differenziert das künstlerische Erbe der<br />
Eltern. Beide, Victor <strong>und</strong> Hilde Zemann<br />
benutzen die Dunkelkammer-Technik<br />
© Hilde Zemann<br />
© Marion Zemann<br />
zur Verfremdung oder Vertiefung ihrer<br />
Bildaussage. So experimentiert Victor<br />
mit unterschiedlichen Drucktechniken,<br />
Hilde mit Unschärfen oder Solarisation.<br />
Marion Zemann setzt diesen spielerischen<br />
Umgang mit der Übermalung<br />
von Negativen, mit Spiegelung, Doppelbelichtung<br />
oder Bewegung fort.<br />
Mai 2012<br />
Ausstellungen<br />
Fotogalerie Karin Schneider-Henn<br />
Ismaninger Straße 74<br />
81675 München<br />
www.fotogalerie-ksh.de<br />
e-mail: galerie@fotogalerie-ksh.de<br />
Telefon 0152 5649 3660<br />
brennpunkt 1/2012<br />
45
Portfolio Jeanno Gaussi<br />
Jeanno Gaussi<br />
Jeanno Gaussi begann ihre künstlerische<br />
Laufbahn im Bereich Film- <strong>und</strong> Videokunst.<br />
Ihre Kurzfilme wurden international<br />
aufgeführt <strong>und</strong> ausgezeichnet .<br />
Three Notes (2007) gewann auf dem<br />
54th International Short Film Festival in<br />
Oberhausen den ersten Preis im deutschen<br />
Wettbewerb. Die Arbeit wurde als<br />
eine von Best 100 German Short films<br />
gelistet <strong>und</strong> 2008 für den Preis Bester<br />
Deutscher Kurzfilm nominiert.<br />
Seit 2007 arbeitet Gaussi mit den<br />
Medien Fotografie <strong>und</strong> raumgreifenden<br />
Installationen. Viele ihrer Werke<br />
entstanden während Künstler-Residenzen<br />
<strong>und</strong> bei Stipendienaufenthalten in<br />
Pakistan, Jordanien, Afghanistan, Palästina<br />
<strong>und</strong> der USA.<br />
Gaussi hat vom Triangle Arts F<strong>und</strong>, dem<br />
Defa Film F<strong>und</strong> sowie vom Goethe-Institut<br />
Künstlerförderung erhalten.<br />
2010 nahm Jeanno Gaussi an der von<br />
Jack Persekian kuratierten Jerusalem<br />
Show IV teil. Im gleichen Jahr erhielt die<br />
Künstlerin von ArteEast die Einladung,<br />
ihre Arbeit auf dem Sharjah March Meeting<br />
in den Vereinigten Arabischen Emiraten<br />
vorzustellen. Gaussi ist seit jüngstem<br />
Mitglied der Afghan Contemporary<br />
Art Research Gruppe, die vom Van Abbe<br />
Museum in Eindhoven gegründet wurde.<br />
Die Aufgabe dieser Forschungsgruppe<br />
ist die Dokumentation der zeitgenössischen<br />
Kunst in Afghanistan.<br />
Geboren in Kabul, ist die Künstlerin seit<br />
ihrer Kindheit in Deutschland zu Hause.<br />
Gegenwärtig lebt <strong>und</strong> arbeitet Jeanno<br />
Gaussi in Berlin. In ihrer Arbeit beschäftigt<br />
sie sich mit Fragen der Selbst-Verortung<br />
<strong>und</strong> Identitäten, die sich über den<br />
Rahmen der nationalen Konnotation<br />
hinaus bewegen.<br />
Gruppenausstellungen (Auswahl)<br />
2011 »The Island«, The MENASA Studio<br />
Dispatches, Dubai<br />
2011 »Human Frames«, Substation<br />
contemporary arts centre, Singapore<br />
2010 »Time After Time: Actions and<br />
Interactions«, Southern Exposure, San<br />
Francisco, USA<br />
46 brennpunkt 1/2012<br />
© Jeanno Gaussi, »Kabul´s Nightingale«, Kabul 2008<br />
2010 »Exhaustion«, The Jerusalem<br />
Show IV, Jerusalem, Palestine<br />
2009 Shatana International Artist Show,<br />
Jordan<br />
2009 »Take me to the River«, Depo<br />
Anadolu Kultur Istanbul, Turkey<br />
2008 Diasporic, Indus Valley Gallery<br />
Karachi, Pakistan<br />
2007 »Moving People Migration<br />
Refugee/Exile/Diaspora«, World Social<br />
Forum Nairobi<br />
Residenzen<br />
2010 Al-Mamal Art Residency Jerusalem,<br />
Palestine<br />
2010 HCB Berlin Künstlerresidenz<br />
Deutschland<br />
2009 International Artist Workshop<br />
Shatana, Jordan<br />
2008 International Diasporic Artists<br />
Residency Karachi, Pakistan
© Jeanno Gaussi, »Fragment 1«, Kabul 2009<br />
© Jeanno Gaussi, »Fragment 2«, Kabul 2009<br />
Portfolio Jeanno Gaussi<br />
brennpunkt 1/2012<br />
47
Portfolio Jeanno Gaussi<br />
© Jeanno Gaussi, »Erased Memories 5«, Kabul 2008<br />
© Jeanno Gaussi, »Erased Memories 2«, Kabul 2008<br />
48 brennpunkt 1/2012
© Jeanno Gaussi, »Erased Memories 1«, Kabul 2008<br />
© Jeanno Gaussi, »Erased Memories 3«, Kabul 2008<br />
Portfolio Jeanno Gaussi<br />
brennpunkt 1/2012<br />
49
Portfolio Jeanno Gaussi<br />
© Jeanno Gaussi, »Moghul Dream«, Karachi 2008<br />
50 brennpunkt 1/2012
© Jeanno Gaussi, »Moghul Dream«, Karachi 2008<br />
Portfolio Jeanno Gaussi<br />
brennpunkt 1/2012<br />
51
Portfolio Jeanno Gaussi<br />
© Jeanno Gaussi, »Le Déjeuner Sur Le Tapis«, San Francisco, 2011<br />
© Jeanno Gaussi, »Le Déjeuner Sur Le Tapis«, San Francisco, 2011<br />
52 brennpunkt 1/2012
© Jeanno Gaussi, »Le Déjeuner Sur Le Tapis«, San Francisco, 2011<br />
© Jeanno Gaussi, »Le Déjeuner Sur Le Tapis«, San Francisco, 2011<br />
Portfolio Jeanno Gaussi<br />
brennpunkt 1/2012<br />
53
Portfolio Steve Sabella<br />
Steve Sabella<br />
Geboren 1975 in Jerusalem, studierte<br />
Steve Sabella von 1994 bis 1997 Fotografie<br />
an der Naggar School in Jerusalem.<br />
2007 erhielt er seinen Bachelor<br />
Degree in Visual Arts von der Universität<br />
New York. Seinen Master in Photographic<br />
Studies absolvierte Sabella an<br />
der Universität Westminster in London.<br />
Im Jahr darauf erhielt er seinen zweiten<br />
Master in Art Business vom Sothaby’s<br />
Insititut of Art in London. Sabella lebt<br />
zur Zeit in Berlin.<br />
Sabella ist für seine Arbeiten mehrfach<br />
ausgezeichnet worden – so unter<br />
anderem auch 2008 mit dem Ellen-<br />
Auerbach Stipendium der Akademie<br />
der Künste in Berlin.<br />
Seine Arbeiten sind international ausgestellt<br />
worden (siehe Auflistung).<br />
Zu seinen früheren Arbeiten sagt Steve<br />
Sabella:<br />
»Die Schlüsselwörter für das Verständnis<br />
meiner Kunst sind ‚Desorientierung’<br />
<strong>und</strong> ‚Dislozierung’ – Sammelbegriffe<br />
für Unordnung, Störung <strong>und</strong> Verwirrung.<br />
Ich lebe in einem Zustand des<br />
ständigen ‚mentalen Exils’, <strong>und</strong> mir wird<br />
immer klarer, dass der Zustand der Fragmentierung<br />
<strong>und</strong> Entfremdung, den ich<br />
durchlaufen habe, niemals zu einer<br />
Ganzheit oder zurück zu einem festen<br />
‚Ursprung’ führen kann.<br />
Infolgedessen zeigt das Werk<br />
‚Geistesverfassungen’. Ich baue mir<br />
meine eigenen Konstrukte zusammen –<br />
dadurch wird eine neue Struktur oder<br />
eine neue ‚unmögliche Realität’ alltäglicher<br />
Konturen <strong>und</strong> Formen geschaffen,<br />
die in meiner unmittelbaren, monotonen<br />
Umgebung vorhanden sind«.<br />
Zu Sabellas neueren Arbeiten sagt<br />
Kuratorin Charlotte Bank »Jetzt, nachdem<br />
die Erfahrungen mit dem physischen<br />
Exil zur früheren Empfingung<br />
eines mentalen Exils hinzugekommen<br />
ist <strong>und</strong> es der Künstler eigenen Aussagen<br />
zufolge geschafft hat, die Bestandteile<br />
seiner Selbst zusammenzukleben,<br />
erscheint Steve Sabella befreit, schwebend,<br />
den neuen Zustand seiner Euphorie<br />
genießend <strong>und</strong> zugleich geradezu<br />
verw<strong>und</strong>ert beobachtend«.<br />
54 brennpunkt 1/2012<br />
© Steve Sabella, »Exit«, 2007<br />
Ausstellungen<br />
2011 Soloausstellung, »Euphoria &<br />
Beyond«, Empty Quarter Gallery,<br />
Dubai.<br />
Eröffnungsausstellung des Arab<br />
Museum of Modern Art in Katar,<br />
2010 Steve Sabella »In Exile«,<br />
Retrospektive Ausstellung, Metroquadro<br />
Gallery, Rivoli,Turin<br />
»The Interrupted Image«, Nicholas<br />
Robinson Gallery, New York<br />
»This is Not a Love Song«, The Empty<br />
Quarter Gallery, Dubai<br />
Junge Akademie, Akademie der Künste,<br />
Berlin<br />
2009 »NOW - Contemporary Art of<br />
the 21st Century«, Phillips De Pury,<br />
»Deconstructing Myths & Realties«,<br />
Gallery Caprice Horn, Berlin<br />
2009 Palestine, La Création Dans Tous<br />
Ses Etats, Institut du Monde Arabe & the<br />
National Museum of Bahrain<br />
Terry O’Neil Contemporary Photography<br />
Award, Independent Photographers<br />
Gallery, London & East Suseex<br />
2008 »Gates of the Mediterranean«,<br />
Palazzo Piozzo, Rivoli, Turin<br />
»Mentalopia«, Collegium Artisticum City<br />
Gallery, Sarajevo als Teil der Istanbul<br />
Sammlung für das Ars Aevi Museum<br />
2007 »Neighbors in Dialogue«, Istanbul,<br />
Turkei<br />
2005 »At Home«, Abrons Arts Center,<br />
New York<br />
2002 »Eyes from Jerusalem«, Museum<br />
of Rome in Trastevere, Rome
© Steve Sabella, »in exile«, 2008<br />
Portfolio Steve Sabella<br />
brennpunkt 1/2012<br />
55
Portfolio Steve Sabella<br />
© Steve Sabella, »in exile«, 2008<br />
56 brennpunkt 1/2012
© Steve Sabella, »in exile«, 2008<br />
Portfolio Steve Sabella<br />
brennpunkt 1/2012<br />
57
Portfolio Steve Sabella<br />
© Steve Sabella, »Euphoria«, 2010<br />
58 brennpunkt 1/2012
© Steve Sabella, »Beyond Euphoria«, 2011<br />
© Steve Sabella, »Beyond Euphoria«, 2011<br />
Portfolio Steve Sabella<br />
brennpunkt 1/2012<br />
59
Fotoszene<br />
Konterrevolution?<br />
Manchmal hört man Sachen, die möchte<br />
man eigentlich nicht glauben. So soll<br />
zum Beispiel bei einer Festrede zur<br />
Eröffnung der Norddeutschen Fotomeisterschaft<br />
in Schleswig ein Redner gefordert<br />
haben, bei Fotowettbewerben digital<br />
bearbeitete Bilder separat zu kennzeichnen.<br />
Irgendwie erinnere ich mich,<br />
solchen Unsinn schon vor ca. 20 Jahren<br />
gehört zu haben. Ich habe damals schon<br />
dagegen argumentiert <strong>und</strong> seinerzeit<br />
den Satz geprägt, »wer jetzt nicht auf<br />
den digitalen Zug aufspringt, bleibt am<br />
Bahnhof stehen...«<br />
Na ja, viele der ewig Gestrigen haben<br />
sich ja dann doch noch schnell in<br />
den schon rollenden letzten Waggon<br />
gedrängt - dachte ich eigentlich.<br />
Nun, ich hätte normalerweise diesem<br />
Lapsus aus dem Norden unserer Republik<br />
- da oben Ticken die Uhren ja doch<br />
ein wenig anders - nicht so viel Bedeutung<br />
beigemessen. Zumal ich erfahren<br />
habe, dass der Redner ein Museumsbediensteter<br />
war. Da entschuldigt man<br />
schon mal museales Denken...<br />
Nun kommt aber der nächste<br />
Hammer!<br />
Bei dem diesjährigem Wettbewerb der<br />
Firmenfotogruppen in Berlin, soll den<br />
Teilnehmern gemäß den Wettbewerbsbedingungen<br />
digitale Montagen untersagt<br />
untersagt worden sein?!?<br />
In diesem Zusammenhang fällt mir eine<br />
Anekdote aus meiner eigenen Vergangenheit<br />
ein. Vor ca. zwei Jahren fragte<br />
mich bei einer meiner Ausstellungen<br />
eine Besucherin, ob die Bilder »bearbeitet«<br />
sind. Daraufhin antwortete ich<br />
ihr, »wissen Sie gnädige Frau, das wäre<br />
ungefähr so, als ob Sie mich vor zwanzig<br />
Jahren gefragt hätten, ob der Film<br />
entwickelt sei«.<br />
Es handelte sich um eine ältere, sehr<br />
nette Dame, die ein gutes Bildgefühl<br />
besaß aber natürlich kein technisches<br />
Fachwissen.<br />
Da kann man eine solche Frage schmunzelnd<br />
hinnehmen <strong>und</strong> sich freuen, wenn<br />
man einem interessierten Laien fachlich<br />
weiter helfen kann.<br />
60 brennpunkt 1/2012<br />
© Manfred Kriegelstein, »Magic Shower«<br />
Dieses Bild ist natürlich digital bearbeitet – wenn auch keine Montage<br />
Aber, dass Leute, die sich mit Fotografie<br />
beschäftigen oder auch ohne Beschäftigung<br />
dazu öffentlich äußern, einen<br />
solchen Quatsch vertreten, ist schon<br />
bemerkenswert!<br />
Es ist schon fast peinlich, dass ich nach<br />
zwanzig Jahren noch einmal die Argumente<br />
wiederholen muss, die analoges<br />
Denken in der digitalen Zeit unsinnig<br />
machen.<br />
1. Man kann nur etwas ausschließen<br />
<strong>und</strong> reglementieren, was man auch<br />
kontrollieren kann.<br />
2. Jede geöffnete RAW-Datei <strong>und</strong> jeder<br />
Druck mit Profileinbindung bedeutet<br />
schon eine digitale Einflussnahme.<br />
3. Eine gut gemachte Montage ist<br />
schlicht <strong>und</strong> einfach mit »Bordmitteln«<br />
nicht feststellbar. Wahrscheinlich<br />
würde man, wenn man so etwas<br />
ausschließen will, vielen Autoren<br />
Unrecht tun, die nicht montiert<br />
haben.<br />
In der Fotografie ist eben nicht »der Weg<br />
das Ziel« sondern tatsächlich »das Ziel<br />
das Ziel«, oder weniger philosophisch<br />
mit unserem Altb<strong>und</strong>eskanzler - »entscheidend<br />
ist, was hinten rauskommt«.<br />
Na okay, drucktechnisch gesehen - was<br />
vorne rauskommt...<br />
Also, es kommt eben nur auf das Bild<br />
an <strong>und</strong> auf nichts anderes!<br />
Dennoch denke ich, es wäre übertrieben<br />
von einem »Analog-Revanchismus« zu<br />
sprechen. Es sind wahrscheinlich noch<br />
einige wenige der ewig Gestrigen, die<br />
zu behindert waren um den »digitalen<br />
Zug zu besteigen« <strong>und</strong> die jetzt noch<br />
ziellos auf dem schon längst verwaisten<br />
»analogen Bahnhofsgelände« herumirren...<br />
Manfred Kriegelstein
Aktfotografie. Die große<br />
Fotoschule<br />
Martin Zurmühle<br />
Verlag: Galileo Design<br />
ISBN: 978-3-8362-1790-3<br />
379 Seiten, 2. aktualisierte Auflage<br />
2011, geb. komplett in Farbe<br />
39,90 Euro<br />
Aktfotografie gilt ja als einer der schwierigsten<br />
Bereiche der Fotografie - <strong>und</strong> ist<br />
gleichzeitig sehr weit verbreitet. Da<br />
könnte man unter Umständen zu dem<br />
Schluss kommen, dass in diesem Genre<br />
auch viel Unsinn produziert wird...<br />
Ich denke, dass ein solches Standwerk<br />
wie die neueste Auflage von Martin Zurmühle<br />
helfen kann, grobe Fehler zu vermeiden.<br />
Der Autor führt in seinem Werk durch<br />
den gesamten Workflow der Aktfotografie.<br />
Von der Modelauswahl, über<br />
die Vorbereitung der Aufnahmen, bis<br />
hin zur adäquaten Bildbearbeitung.<br />
Mir persönlich gefällt besonders das<br />
Kapitel in dem der Autor sechs - sowohl<br />
männliche, als auch weibliche - Aktfotografen<br />
vorstellt.<br />
Es wird wieder deutlich, dasss niemals<br />
das Motiv über das Bild bestimmt, sondern<br />
immer die Handschrift!<br />
Also, wer sich mit Aktfotografie beschäftigt,<br />
kommt an dem Werk nicht vorbei.<br />
Manfred Kriegelstein<br />
Digitale Pinsel in Photoshop<br />
Die Referenz: Über 4000 digitale Pinseleffekte<br />
Susannah Hall<br />
Verlag: ADDISON-WESLEY<br />
ISBN: 978-3-8273-3067-3<br />
416 Seiten, 4-farbig<br />
34,80 Euro<br />
Ich vermute mal, dass sich die wenigsten<br />
Leser dieses Magazins schon intensiv<br />
mit den Maleffekten von Photoshop<br />
befasst haben. Aber gerade seit CS5 verschenkt<br />
man ein unglaubliches Potential<br />
an Kreativität, wenn man sich nicht<br />
mit den Pinseleffekten beschäftigt. Nun<br />
wirken ja Maltechniken auf puristische<br />
Fotografen erst einmal abschreckend,<br />
aber Susannah Hall hat ein verständliches<br />
Einführungskapitel mit absolut<br />
beeindruckenden Bildbeispielen<br />
geschrieben, dass auch Anfänger motiviert<br />
sich an diese Technik heranwagen.<br />
Ansonsten ist es eher ein Nachschlagewerk<br />
als ein Lesebuch. Mit über 4000<br />
nachvollziehbaren Pinseleistellungen,<br />
die man direkt übernehmen kann, bleibt<br />
in dieser kein Wunsch offen.<br />
Für alle, die den Wunsch verspüren<br />
ihren Bildern mehr malerische Kreativität<br />
hinzuzufügen, ist dieses Buch eine<br />
unbedingte Empfehlung.<br />
Manfred Kriegelstein<br />
Buchbesprechung<br />
Die Tricks der Photoshop-<br />
Profis - Volume 2<br />
Neue Bilderwelten, neue Effekte, neue<br />
Techniken<br />
Matthias Schwaighofer, Frank Melech,<br />
Tom Krieger, Dr. Tilo Gockel, Peter<br />
Rudolph<br />
Verlag: Galileo Design<br />
ISBN: 978-3-8362-1823-8<br />
DVD - 13 St<strong>und</strong>en Gesamtspielzeit<br />
49,90 Euro<br />
Die treuen Leser dieses Magazins erinnern<br />
sich vielleicht, dass ich mich schon<br />
über die erste DVD dieser Reihe sehr<br />
positiv geäußert habe. (brennpunkt<br />
2/2011).<br />
Neue Leute, neue Sichten - was für die<br />
Vorgänger galt, kommt in dieser Folge-<br />
DVD noch mehr zum tragen. Tolle<br />
Effekte, super Ideen, beeindruckende<br />
Ästhetik.<br />
Wenn man der Verlockung widerstehen<br />
kann, diese Ideen nur einfach 1:1 zu<br />
kopieren, kann man seinen kreativen<br />
Horizont um einiges erweitern.<br />
Es macht einfach Spaß diesen Top-<br />
Leuten gewissermaßen bei der Arbeit<br />
zuzuschauen.<br />
Als Schmankerl oben drauf erhält man<br />
drei St<strong>und</strong>en mehr Spielzeit - <strong>und</strong> damit<br />
mehr Information - als bei der ersten<br />
DVD.<br />
Nicht unbedingt etwas für Anfänger,<br />
aber für Photoshop-Freaks eine super<br />
Empfehlung!<br />
Manfred Kriegelstein<br />
brennpunkt 1/2012<br />
61
Vorschau 2/2012<br />
brennpunkt 2-2012<br />
erscheint am<br />
4. April 2012<br />
Leserfotos<br />
© Wolfgang Meinecke, Salzgitter,<br />
»Mein liebster Platz«<br />
Portfolio<br />
Monika Minder<br />
Monika Minder,<br />
geboren 1961 in der Schweiz.<br />
Zur digitalen Fotografie 2008<br />
gef<strong>und</strong>en.<br />
Autodidaktin.<br />
Beruf:<br />
Seit 2004 selbständige Webdesignerin.<br />
Leidenschaften:<br />
Fotografieren <strong>und</strong> Schreiben<br />
(vor allem Gedichte).<br />
© Monika Minder<br />
62 brennpunkt 1/2012<br />
© Wolfgang Meinecke, Salzgitter, »Holstebro Museum«<br />
© Monika Minder<br />
© Monika Minder © Monika Minder
ennpunkt 1/2012<br />
63
Galerien<br />
64 brennpunkt 1/2012