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Zwischenzustände und Metamorphosen - Brennpunkt

Zwischenzustände und Metamorphosen - Brennpunkt

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ennpunkt<br />

1/2012 4,00 Euro 28. Jahrgang<br />

Magazin für Fotografie<br />

Januar bis März 2012<br />

Galerien • Buchbesprechungen • Fotoszene<br />

Portfolio Jeanno Gaussi • Steve Sabella


2 brennpunkt 1/2012<br />

FÜR ORIGINALE<br />

„Ich fotografiere für den Fine Art Druck. Erst die Kombination von hochwertigen traditionellen<br />

Büttenpapieren <strong>und</strong> modernster Drucktechnik bringt die sinnliche Qualität meiner Bilder optimal<br />

zur Geltung.“ Manfred Kriegelstein Die Digital FineArt Collection bietet exklusive Künstlerpapiere<br />

mit edler Haptik <strong>und</strong> bestechender Optik für den Inkjetdruck. Brillante Schwarz-Weiß-Aufnahmen<br />

oder subtile Farbfotografie werden dank unserer feinen Papiere der Individualität Ihrer Kunstwerke<br />

mehr als gerecht. Mehr Papierkunst unter www.hahnemuehle.de<br />

P A P I E R E M I T M U S E U M S Q U A L I T Ä T, A L T E R U N G S B E S T Ä N D I G U N D M E H R F A C H P R Ä M I E R T .


Impressum:<br />

brennpunkt<br />

Magazin für Fotografie<br />

Erscheint vierteljährlich,<br />

erhältlich in Fotogalerien,<br />

Geschäften, Buchhandlungen<br />

<strong>und</strong> über Abonnement.<br />

Jahresabo 13,50 Euro<br />

Einzelpreis 4,00 Euro<br />

Konten:<br />

Postbank Berlin<br />

Konto-Nr. 3751 06-104<br />

BLZ 100 100 10<br />

Redaktionsschluss:<br />

jeweils am 10. vor dem Erscheinungsmonat<br />

Herausgeber:<br />

edition buehrer<br />

c/o Dietmar Bührer<br />

Odenwaldstraße 26<br />

12161 Berlin<br />

Telefon u. Telefax: (0 30) 8 53 35 27<br />

e-Mail: buehrer-berlin@t-online.de<br />

Internet: www.edition-dibue.de<br />

Copyright bei Edition<br />

Druck:<br />

schöne drucksachen<br />

Bessemerstraße 76a, 12103 Berlin<br />

ISSN 0932-7231<br />

Redaktion:<br />

Dietmar Bührer V.i.S.d.P.<br />

Michael Gebur<br />

Klaus Rabien<br />

Manfred Kriegelstein<br />

Hinweis:<br />

Für unverlangt eingesandte<br />

Manuskripte <strong>und</strong> Fotografien<br />

wird keine Haftung übernommen.<br />

© Kurt Wyss, »Robert Doisneau«, 1976<br />

Galerien<br />

� Beta Siebel »Flüchtige Begegnung« ....................................................... 5<br />

� gute aussichten – junge deutsche fotografie 2011/2012 .......................... 6<br />

� 20 Years - Hengesbach Gallery ............................................................. 8<br />

� Ai Weiwei in New York - Fotografien 1983-1993 .................................. 10<br />

� Ungleich Nacht - Fotografien der Gruppe 97 ........................................ 12<br />

� Erika Babatz »Bodegones Berlineses« .................................................... 14<br />

� Jim Rakete »Der Stand der Dinge« ........................................................ 15<br />

� Cristina Piza »Der Rhythmus des Lebens« ............................................. 16<br />

� RUTGER TEN BROEKE »KörperLandschaften« ...................................... 17<br />

� Mythos .................................................................................................. 18<br />

� Hans Martin Sewcz »Berlin-Mitte« ........................................................ 19<br />

� Jörg Rubbert »Berliner Winternächte« ..................................................... 20<br />

� Julian Röder »In Gesellschaft des Marktes« ............................................. 21<br />

� <strong>Zwischenzustände</strong> <strong>und</strong> <strong>Metamorphosen</strong> ................................................ 22<br />

� facetten des seins ................................................................................... 24<br />

� Kurt Wyss »Begegnungen« .................................................................... 26<br />

� Hannes Kilian »Bei Nacht« .................................................................... 27<br />

� Emanuel Raab »Winterwald« ................................................................ 28<br />

� Dvorah Kern »Still« ............................................................................... 29<br />

� Köster, Wohlt, Tschirner, Jacob, Graichen, Seemann »Versunken« ........... 30<br />

� Claudius Schulze »Socotra-Eine Insel« .................................................... 32<br />

� Patova, Veledzimovich, Kazakhishvilli »Ex oriente lux« ........................... 33<br />

� Jean-Bapiste Huynh, Paolo Roversi ......................................................... 34<br />

� Mark Laita ............................................................................................. 35<br />

� exp12 »Vendredi Treize« ........................................................................ 36<br />

� Andreas Müller-Pohle »flow, flow« ......................................................... 38<br />

Galeriebesprechungen<br />

� Für immer jung. (Klaus Rabien) ............................................................. 40<br />

Ausstellungen in Berlin ............................................................................... 43<br />

Ausstellungen<br />

� Sarah Moon »à propos ...«« .................................................................... 44<br />

� Fotografenfamilie Zemann »Retrospektive« ............................................. 45<br />

Portfolio<br />

� Jeanno Gaussi ........................................................................................ 46<br />

� Steve Sabella .......................................................................................... 54<br />

Fotoszene<br />

� Bäume sterben aufrecht. (Klaus Rabien) ................................................. 39<br />

� 18. Fotoklub Forum Berlin 2012 ............................................................ 42<br />

� Konterrevolution? (Manfred Kriegelstein) ................................................ 60<br />

Buchbesprechungen<br />

� Aktfotografie. Die große Fotoschule ...................................................... 61<br />

� Digitale Pinsel in Photoshop .................................................................. 61<br />

� Die Tricks der Photoshop-Profis-Volume 2 ............................................. 61<br />

Vorschau 2-2012 ......................................................................................... 62<br />

Allen brennpunkt Lesern wünschen wir ein kreatives <strong>und</strong> erfolgreiches Jahr 2012<br />

Mit unserer kostenlose Anzeige auf der Rückseite unterstützen wir den »Weissen Ring«.<br />

brennpunkt 1/2012<br />

3


Beta Siebel<br />

»Flüchtige Begegnung«<br />

Schnelligkeit, Unruhe, Flüchtigkeit, Anonymität<br />

- können Gesichter das Spezifische<br />

einer Großstadt ausdrücken? Wie<br />

können Erinnerungsbilder als Foto realisiert<br />

werden? Fragen, denen Beta Siebel<br />

mit den Fotos der Ausstellung »Flüchtige<br />

Begegnung«, einer Serie von farbigen<br />

Digitalfotos nachgeht.<br />

Short Stories oder Zufallsbilder ist ein<br />

Spiel zwischen Realität <strong>und</strong> Trugbild.<br />

Die Fotos sind bei Fahrten in der Wannseebahn<br />

entstanden, Spiegelung, Verzerrung,<br />

Lichtreflexe, die Verkürzung<br />

der Linien durch zwei Wagen hindurch<br />

schaffen Beziehungen zwischen Menschen,<br />

die es so nicht gab, in einer traumartigen<br />

Atmosphäre.<br />

In den Serien »Irrgarten«, »Watching<br />

Fellow«, »Travellers« <strong>und</strong> »Muslima«<br />

(aufgenommen in der U-Bahn, z.T.<br />

ins gegenüberliegende Fenster hinein)<br />

ist durch Zeitverzögerung, wechselndes<br />

Umfeld, Geschwindigkeit im Aufnahmemoment<br />

der Einzelne im Mittelpunkt,<br />

als Individuum jedoch nur<br />

schwer erkennbar.<br />

In der bisher letzten Arbeit der Sequenz,<br />

»Flüchtige Begegnung« (Collage von<br />

15-20 Gesichtern) beschäftigt sich Beta<br />

Siebel mit der Frage: Wie bleibt bei einer<br />

flüchtigen Begegnung mein Gegenüber<br />

in meiner Erinnerung? In den verwischten<br />

Gesichtern, herausgelöst aus<br />

einer hastenden Menschenmenge, sind<br />

es die Unschärfe bei einigen typischen<br />

Merkmalen, die das Bild der Erinnerung<br />

schaffen, das wir alle kennen <strong>und</strong> das<br />

wir mit unseren Gefühlen vermischen.<br />

Beta Siebel<br />

geboren 1944, aufgewachsen in Duisburg,<br />

studierte nach Jahren der Berufstätigkeit<br />

ab 1972 Geschichte <strong>und</strong> arbeitete<br />

bis 1985 als Lehrerin an Sonderschulen.<br />

Nach einer Ausbildung in Fotografie lebt<br />

<strong>und</strong> arbeitet sie seit 1992 als freie Fotografin<br />

in Italien <strong>und</strong> Berlin. Sie ist Mitglied<br />

von Asart/ Artisti Scultori Associati<br />

Versilia <strong>und</strong> des BBK Hamburg.<br />

Neben zahlreichen Einzelausstellungen<br />

<strong>und</strong> Ausstellungsbeteiligungen in Italien<br />

<strong>und</strong> Deutschland präsentierte sie<br />

© Beta Siebel (Original in Farbe)<br />

© Beta Siebel (Original in Farbe)<br />

© Beta Siebel (Original in Farbe)<br />

zusammen mit Günther Heilfurth das<br />

Projekt über das menschliche Gesicht:<br />

»Nachricht von nebenan«, 2006 in Pietrasanta<br />

<strong>und</strong> 2007 in Pistoia (Italien).<br />

Kontakt: www.betasiebel.com<br />

<strong>und</strong>: www.messagefromnextdoor.com<br />

© Beta Siebel (Original in Farbe)<br />

Vernissage:<br />

19. Januar 2012, 19 Uhr<br />

19. Januar bis 3. Juni 2012<br />

Café Aroma Photogalerie<br />

Hochkirchstraße 8<br />

10829 Berlin-Schöneberg<br />

Mo – Fr 18 – 24 Uhr<br />

Sa + So 14 – 24 Uhr<br />

<strong>und</strong> nach Vereinbarung<br />

brennpunkt 1/2012<br />

Galerien<br />

5


Galerien<br />

gute aussichten –<br />

junge deutsche fotografie<br />

2011/2012<br />

Wer sich ein Bild davon machen will,<br />

was junge Fotografen in diesem Land<br />

so beschäftigt, was sie sehen <strong>und</strong> wie<br />

sie es sehen, der tut gut daran, die Ausstellung<br />

»gute aussichten – junge deutsche<br />

fotografie 2011/2012« zu besuchen.<br />

Zum achten Mal schon wurden<br />

Abschlussarbeiten aus deutschen Hochschulen,<br />

Akademien <strong>und</strong> Fachhochschulen<br />

von einer hochkarätig besetzten<br />

Jury gesichtet <strong>und</strong> herausragende<br />

Positionen gekürt – alles Werke also,<br />

die in den letzten zwölf Monaten entstanden<br />

sind. Nachdem die »guten aussichten<br />

2005« schon einmal im Berliner<br />

Museum für Fotografie präsentiert<br />

worden waren, damals im noch kriegszerstörten<br />

Kaisersaal, kehrt der Wettbewerb<br />

nun sechs Jahre später in den elegant<br />

sanierten Saal zurück. Die Gewinner<br />

erhalten die Möglichkeit, ihre Arbeiten<br />

hier erstmals einer breiten Öffentlichkeit<br />

zu präsentieren, bevor die Ausstellung<br />

auf Tournee durch Europa <strong>und</strong><br />

Amerika geht. 96 sind dieses Jahr eingereicht<br />

worden – so viele wie nie zuvor,<br />

wobei die Bandbreite wieder groß ist:<br />

Die Ansätze reichen von reportagehaften<br />

bis hin zu abstrahierenden Arbeiten;<br />

Bilder in allen Formaten <strong>und</strong> eine Projektion<br />

sind dabei.<br />

Sebastian Lang präsentiert eine Serie<br />

von recht ähnlich anmutenden, architektonisch<br />

eher faden Häusern aus dem<br />

pfälzischen Hassloch, dem laut Gesellschaft<br />

für Konsumforschung durchschnittlichsten<br />

Ort Deutschlands. Frontal<br />

von der Straße aufgenommen, mit<br />

Satteldach <strong>und</strong> unterschiedlich gesetzten<br />

Fenstern, ähnelt der unprätentiöse<br />

Bildaufbau jenen Kinderbildern vom<br />

Häuschen unter blauen Plüschwolken,<br />

wie wir sie alle kennen. Lang nimmt<br />

die Häuser aber in der Dämmerung<br />

oder nachts auf, wenn die Straßen menschenleer<br />

sind, der Himmel dunkel <strong>und</strong><br />

die Heime verschlossen. Der »durchschnittlichste<br />

Ort Deutschlands« wird<br />

so zur unheimlichen Kulisse, wo auch<br />

die Geranien vor den Fenstern nicht<br />

6 brennpunkt 1/2012<br />

Emil Nissen, »Schneewetter«, 1921 oder früher, © Staatliche Museen zu Berlin, Kunstbibliothek,<br />

Sammlung Fotografie<br />

zum Verweilen einladen. Nicht weniger<br />

düster erscheinen die Arbeiten von<br />

Franziska Zacharias, »le noir familier«,<br />

Fotos von kahlen, dunklen Gebäudeinneren,<br />

die nach selbst gebauten Modellen<br />

aufgenommen wurden <strong>und</strong> daher<br />

fast zur abstrakten, ornamentfreien Bildfläche<br />

neigen. Mit ihrer Arbeit Im Angesicht<br />

widmet sich Julia Unkel dagegen<br />

einem sehr diesseitigen Thema, nämlich<br />

der Fleischproduktion, <strong>und</strong> wirft einen<br />

Blick hinter die Kulissen einer Schlachterei.<br />

Die dokumentarisch, sachlich aufgenommenen<br />

Bilder der sterilen Räumlichkeiten,<br />

Objekte <strong>und</strong> Personen, aber<br />

auch das »Porträt« eines Rinderkopfes,<br />

lassen das Schlachten als cleanen,<br />

mechanischen Vorgang erscheinen.<br />

Und dieser befremdete oder befremdliche<br />

Blick in die Welt setzt sich auch<br />

in den Arbeiten der anderen Gewinner<br />

durch. Miriam Schwedt zeigt Landschaftsaufnahmen<br />

<strong>und</strong> Menschen in<br />

der Natur, schwarz-weiß, überbelich-<br />

Miriam Schwedt, »Ohne Titel«, 2011<br />

© Miriam Schwedt, www.guteaussichten.org<br />

tet, verschwommen <strong>und</strong> geradezu entrückt.<br />

Johannes Post bringt auf zwei<br />

Bildtafeln abstrakte Formen vor schwarzem<br />

Hintergr<strong>und</strong> an, die sich erst bei<br />

näherer Betrachtung als zerschnittene<br />

Kleidungsstücke erkennen lassen, die er<br />

gescannt hat, als habe er eine Tomografie<br />

der Kleidung vornehmen wollen. Und<br />

mit einem Stück deutscher Geschichte<br />

beschäftigt sich Luise Schröder in ihrer<br />

»Arbeit am Mythos«, die Bildbände über<br />

Dresden anzündet, löscht <strong>und</strong> in malt-


Sebastian Lang, Behaviour Scan, 2010<br />

© Sebastian Lang, www.guteaussichten.org<br />

rätierter Form sauber abfotografiert, was<br />

das Spiel zwischen Medium <strong>und</strong> Realität<br />

auf die Spitze treibt. Eine weitere<br />

konzeptuell angelegte Arbeit ist Sara-<br />

Lena Maierhofers »Dear Clark«, eine<br />

fotografische Studie über das Phänomen<br />

des Hochstaplers. Josefine Raab<br />

zu der diesjährigen Auswahl: »In der<br />

wie immer mit Spannung erwarteten<br />

Sitzung konnten wir beobachten, dass<br />

sich die bereits im letzten Jahr hervorgetretene<br />

Tendenz, das Medium Fotografie<br />

ebenso experimentell, wie spielerisch<br />

<strong>und</strong> ungezwungen einzusetzen,<br />

in diesem Jahr fortgesetzt hat. Das<br />

fotografische Erbe der Bild prägenden<br />

Schulen führt bei den Nachwuchsfotografen<br />

zu einer phantasievollen Erk<strong>und</strong>ung<br />

<strong>und</strong> Erweiterung ihres Instrumentariums.<br />

Die Konstruktion von Bildern<br />

bleibt nach wie vor ein großes Thema,<br />

wobei die totale Inszenierung von Bildwelten<br />

mit den unterschiedlichsten Mitteln<br />

in den Vordergr<strong>und</strong> gerückt ist. Weiterhin<br />

virulent ist die Auseinandersetzung<br />

mit politischen, gesellschaftlichen,<br />

sozialen <strong>und</strong> kulturellen Themen unserer<br />

Zeit <strong>und</strong> hat – zumindest vorläufig<br />

– die narrative Selbstbestimmungs- <strong>und</strong><br />

Selbstverortungsthematik in den Hintergr<strong>und</strong><br />

gedrängt«. So unterschiedlich die<br />

Positionen, so sehr lässt sich doch über<br />

den Blick auf Welt <strong>und</strong> unsere Zeit sinnieren,<br />

der gerade in der Fotografie eine<br />

unmittelbare bildliche Form findet.<br />

Luise Schröder, »Arbeit am Mythos«, 2011<br />

© Luise Schröder, www.guteaussichten.org<br />

Gleichzeitig zum R<strong>und</strong>umblick in die<br />

Jetztzeit, schaut das Museum für Fotografie<br />

zurück auf die Ausstellung »Berliner<br />

Photographie 1921«. Damals hatte<br />

sich die Bibliothek des Kunstgewerbe-<br />

Museums, heute Kunstbibliothek, mit<br />

dem Photographischen Verein zu Berlin<br />

<strong>und</strong> sechs weiteren Fotoverbänden<br />

zusammengetan <strong>und</strong> eine Ausschreibung<br />

lanciert, um den Stand des zeitgenössischen<br />

Fotoschaffens zu ermitteln.<br />

Amateure <strong>und</strong> Berufsfotografen<br />

wurden aufgerufen, ihre Arbeiten einer<br />

Auswahlkommission vorzulegen <strong>und</strong> an<br />

der Ausstellung im Lichthof des Kunstgewerbemuseums<br />

– heute Martin-Gropius-Bau<br />

– teilzunehmen. Über einh<strong>und</strong>ert<br />

Aussteller wurden schließlich ausgewählt.<br />

24 Bilder gelangten als Schenkung<br />

der Künstler anschließend in den<br />

Bestand der Bibliothek, sodass nun<br />

zum ersten Mal der Versuch unternommen<br />

wird, die Ausstellung zu rekonstruieren.<br />

1921 war sie ein wohl beworbenes<br />

Ereignis; es gab ein Rahmenprogramm<br />

mit Vorträgen <strong>und</strong> Führungen,<br />

die Presse berichtete, die Besucher<br />

kamen – am letzten Sonntag der<br />

Ausstellung über 1000. Zu sehen waren<br />

Bilder von bekannteren <strong>und</strong> unbekannteren<br />

Fotografen. Besonders gut vertreten<br />

waren Nicola Perscheid, der ein florierendes<br />

Atelier im Tiergarten betrieb,<br />

<strong>und</strong> Karl Schenker mit einem nicht<br />

minder erfolgreichen Studio am mon-<br />

bis 29. Januar 2012<br />

Museum für Fotografie<br />

Jebensstraße 2<br />

10623 Berlin-Charlottenburg<br />

Di – So 10 – 18 Uhr<br />

Do 10 – 22 Uhr<br />

Montag geschlossen<br />

brennpunkt 1/2012<br />

Galerien<br />

Erna Lendvai-Dircksen, »Weiblicher Akt«, 1921<br />

oder früher<br />

© Staatliche Museen zu Berlin, Kunstbibliothek<br />

dänen Kurfürstendamm. Beide zeigten<br />

Bildnisse der Berühmten <strong>und</strong> Schönen:<br />

Die Schauspielerin Fritzi Massary war<br />

so neben Otto Gebühr zu sehen, das<br />

Bildnis Max Liebermanns neben jenem<br />

von Max Klinger. Eine Fotografin, die<br />

hier zum ersten Mal ausstellte, war<br />

die bald schon gefeierte Frieda Riess.<br />

Und auch Erna Lendvai-Dircksen war<br />

Teil der »Berliner Photographie 1921«.<br />

Artur Ranft, der Ausstellungsleiter, hatte<br />

sich vorgenommen, qualitätvolle Aufnahmen<br />

auszuwählen <strong>und</strong> so anderen<br />

Fotografen Vorbilder zu schaffen <strong>und</strong><br />

für die Anerkennung der Fotografie als<br />

Kunst zu sorgen. Die heute noch vorhandenen<br />

Bilder der Ausstellung geben<br />

eine Vorstellung davon, was man 1921<br />

als beispielhaft empfand. In den traditionellen<br />

Gattungen Porträt, Landschaft,<br />

Stadtansicht, Akt verdichteten sich etliche<br />

Themen <strong>und</strong> Trends der Zeit <strong>und</strong><br />

lassen gerade im Rückblick erkennen,<br />

dass Wettbewerbe Gradmesser ihrer<br />

Zeit sind.<br />

7


Galerien<br />

»20 YEARS –<br />

HENGESBACH<br />

GALLERY«<br />

Die HENGESBACH GALLERY feiert ihr<br />

20jähriges Bestehen. Zu diesem Anlass<br />

freuen wir uns, Ihnen eine exemplarische<br />

Gesamtschau der vielfältigen Positionen<br />

der Galerie mit namhaften europäischen<br />

<strong>und</strong> amerikanischen Künstlern zu präsentieren.<br />

Neben Malerei <strong>und</strong> Skulptur<br />

hat die Galerie ihren Fokus auf Fotografie<br />

<strong>und</strong> Medienkunst <strong>und</strong> vertritt arrivierte<br />

Künstler wie William Eggleston, Dieter<br />

Kiessling, Christopher Muller <strong>und</strong> den<br />

Becher-Schüler Michael Reisch gemeinsam<br />

mit jungen Positionen wie Peter<br />

Bösenberg <strong>und</strong> Björn Siebert.<br />

Die Arbeiten William Egglestons spiegeln<br />

eine verlassene, degenerierte, sich<br />

selbst überlassene Welt wider: Dinge<br />

<strong>und</strong> Menschen erscheinen abgetrennt<br />

vom ihrem sozialen Zusammenhang,<br />

entb<strong>und</strong>en von ihren Funktionen im<br />

Alltag. Seine Bedeutung als Klassiker<br />

der Fotografie besteht in der besonderen<br />

Behandlung der Farbe als gestalterische<br />

Bedeutungsebene der Fotografie.<br />

Eggleston schuf eine Ästhetik der<br />

Fremdartigkeit, wobei der Farbe stets<br />

ein psychologisierendes Moment innewohnt,<br />

gewachsen aus dem Versuch,die<br />

Wahrnehmung zu sezieren: »Ich habe<br />

mich oft gefragt, was andere Lebewesen<br />

sehen – ob sie sehen wie wir. Ich habe<br />

versucht, eine Menge verschiedener<br />

Fotos zu machen, die aussehen, als<br />

ob sie nicht von Menschen gemacht<br />

wären«.<br />

Björn Siebert inszeniert Schnappschüsse,<br />

die er im World-Wide-Web findet. Ihn<br />

beschäftigen die Durchleuchtung der<br />

Strukturen bildlicher Kommunikation in<br />

unserer Kultur <strong>und</strong> das geheimnisvolle<br />

Potential, das unbeabsichtigt erzeugte<br />

Bilder in sich bergen können. Was bei<br />

dem vorgef<strong>und</strong>enen Bild ein zufälliges<br />

Zusammensein von Dinggegebenheiten<br />

war, wird von ihm in mühevoller<br />

Recherchearbeit detailgenau zusammengetragen.<br />

Der seltsam geglückte, bildliche<br />

Augenblick des Schnappschusses<br />

wird als sorgfältig arrangiertes Gefüge<br />

8 brennpunkt 1/2012<br />

William Eggleston, »Morals of Vision«, 1978, Dye-Transfer-Print, 48,5 x 61cm (O.i.F.)<br />

Peter Bösenberg, »ohne Titel«, 2011, C-Print, 46 x 37,5cm, (O.i.F.)<br />

nachgestellt <strong>und</strong> mit der Präzision eines<br />

detailscharfen Großbildes auf eine neue<br />

symbolische Ebene gehoben.<br />

Fotografie ist bei dem Medienkünstler<br />

Dieter Kiessling nur ein Aspekt seines<br />

Werkes. Er untersucht in seinen fotografischen<br />

Arbeiten die strukturellen<br />

Qualitäten des Mediums: Eine<br />

Fotokamera betrachtet sich im Spiegel.<br />

Ihr Objektiv wird zum Auge, welches<br />

sich <strong>und</strong> den Spiegel in einer perspektivischen<br />

Verzerrung so darstellt, als<br />

scheine der Spiegel aus dem Auge der<br />

Kamera hervorzugehen. Die Fotoarbeit<br />

»Apostel« (2003) zeigt die Büste einer<br />

Heiligenfigur, die zunächst aus sich<br />

überlagernden Perspektiven zu bestehen<br />

scheint. Dieser filmische Aspekt erhält<br />

eine andere Dimension, wenn man<br />

erfährt, dass Kiessling hierfür die acht<br />

Apostelfiguren an der Eingangsseite der<br />

Kathedrale von Rouen übereinandergelegte<br />

<strong>und</strong> sich trotz ihrer Verschiedenheit<br />

der stimmige Ausdruck einer in sich<br />

ruhenden, meditativen Versunkenheit<br />

ergibt.<br />

Christopher Muller, Professor für künstlerische<br />

Fotografie an der Folkwang<br />

Universität Essen, thematisiert in seinen<br />

Stillleben nicht nur das Verhältnis der<br />

Dinge zueinander, sondern zugleich<br />

unsere Sicht auf die Dinge. Seine Bilder


Björn Siebert, »Girl at a Party Pit #1« (Remake), 2010, C-Print, 140 x 169cm, (O.i.F.)<br />

Christopher Muller, »Studio«, 2011, C-Print, 69 x 95cm, (O.i.F.)<br />

verdeutlichen, dass der Betrachter in<br />

ein komplexes Gewebe von Gefühlen<br />

wie Vorliebe <strong>und</strong> Abneigung verwickelt<br />

ist, die Erwartungen <strong>und</strong> Handlungen<br />

im Alltag bestimmen. Für diese<br />

Mechanismen der Determiniertheit des<br />

Menschen sensibilisieren seine Arbeiten<br />

den Betrachter.<br />

Die Landschaften von Michael Reisch<br />

zeigen eine Natur, die sich abschirmt<br />

vom Betrachter <strong>und</strong> ihm keinen<br />

Zugang gewährt. Die Wirklichkeit<br />

scheint eingefroren <strong>und</strong> generiert eine<br />

Überzeitlichkeit, die in ihrer Starrheit<br />

bedrohlich wirkt. Landschaft wird<br />

zu einer sich selbst modellierenden<br />

Gestalt, zu einem Wesen, das autark<br />

besteht <strong>und</strong> unserem Zugriff entzogen<br />

Michael Reisch, »Landschaft«, 9-002,<br />

C-Print, 210 x 138cm, (O.i.F.)<br />

13. Januar bis 3. März 2012<br />

HENGESBACH GALLERY<br />

Charlottenstrasse 1,<br />

10969 Berlin-Kreuzberg<br />

Di – Sa 11 – 18 Uhr<br />

Fon + 49 (030) 20913797<br />

info@hengesbach-gallery.de<br />

www.hengesbach-gallery.de<br />

brennpunkt 1/2012<br />

Galerien<br />

ist. Die Narration ist in seinen Arbeiten<br />

unterb<strong>und</strong>en, kulturelle Referenzen<br />

bleiben ausgespart.<br />

Die Arbeiten von Peter Bösenberg verdichten<br />

widersprüchliche Situationen<br />

in unserem städtischen Umfeld – das<br />

Suggestive <strong>und</strong> unterschwellig Evokative<br />

leitet seinen Blick. Der Künstler geht<br />

nicht allein auf offensichtliche Ereignisse<br />

an der Oberfläche ein, sondern ist daran<br />

interessiert, was sich bei genauerer<br />

Beobachtung aus dem Verborgenen heraus<br />

entwickeln kann. Peter Bösenberg,<br />

der Film an der Hochschule für Medien<br />

in Köln studierte, Filme inszeniert <strong>und</strong><br />

Drehbücher schreibt, überführt somit<br />

das narrative Prinzip der filmischen<br />

Sukzession in die Fotografie.<br />

Führung mit Rolf Hengesbach:<br />

Samstag, 28. Januar 2012, 16 Uhr<br />

9


Galerien<br />

Ai Weiwei<br />

in New York<br />

Fotografien 1983-1993<br />

Der Martin-Gropius-Bau zeigt erstmals<br />

in Deutschland über 220 Fotografien<br />

ausjener Zeit, die der chinesische<br />

Künstler Ai Weiwei von 1983 bis 1993<br />

in New York verbrachte. Der Künstler<br />

hat die Ausstellung selbst kuratiert. Über<br />

10.000 Aufnahmen machte Ai während<br />

seiner New Yorker Zeit. Für den jungen<br />

Ai, geboren 1957, war der lange<br />

Aufenthalt in den USA stilprägend für<br />

seine gesamte künstlerische Laufbahn.<br />

Nach China kehrte Ai erst wieder zurück<br />

als sein Vater, der in China hochberühmte<br />

Schriftsteller Ai Qing – jedes<br />

Schulkind lernt seine Gedichte auswendig<br />

- im Sterben lag.<br />

Heute ist Ai Weiwei der bekannteste<br />

chinesische Künstler der Gegenwart. In<br />

New York war er befre<strong>und</strong>et mit Allen<br />

Ginsberg. Viele der heute in China<br />

berühmten Künstler besuchten ihn<br />

damals in New York. Ai fotografierte sie.<br />

Er lernte die Arbeiten von Joseph Beuys<br />

kennen, dessen Idee der Sozialen Plastik<br />

im heutigen Werk von Ai erkennbar ist.<br />

Die Aufnahmen Ai Weiweis dokumentieren<br />

auch die Geschichte <strong>und</strong> die<br />

besondere <strong>und</strong> liberale Atmosphäre im<br />

New York der 1980er Jahre aus seiner<br />

Perspektive.<br />

In New York, Ai war damals noch nicht<br />

berühmt, lebte er in einer winzigen<br />

Wohnung im Stadtteil East Village. Er<br />

war aktives Mitglied der chinesischen<br />

Künstler-<strong>und</strong> Intellektuellengemeinde<br />

in der wachsenden Avantgarde-Szene<br />

des Viertels. Mit seiner Kamera dokumentierte<br />

er sein Leben, sein künstlerisches<br />

Schaffen, seine Umgebung<br />

sowie die Atmosphäre <strong>und</strong> Ereignisse<br />

jener Epoche. Einzigartige Fotografien<br />

sind so entstanden – Dokumente einer<br />

künstlerisch <strong>und</strong> politisch aufregenden<br />

Zeit, wahrgenommen durch die Augen<br />

eines Künstlers aus China. Die Anfänge<br />

der Konzeptkunst Ai Weiweis sind in den<br />

Aufnahmen deutlich erkennbar.<br />

Die Sujets der Aufnahmen sind vielfältig<br />

wie das Leben in New York: Bilder<br />

10 brennpunkt 1/2012<br />

Ai Dan and Ai Weiwei. 1987, 8x10 cm, Inkjet on Fantac Innova Ultra Smooth Gloss<br />

© Ai Weiwei; Courtesy of Three Shadows Photography Art Center<br />

von Straßenschlachten im Tompkins-<br />

Square Park, Transvestiten beim<br />

Wigstock-Festival, Porträts von chinesischen<br />

<strong>und</strong> amerikanischen Künstlern,<br />

Intellektuellen <strong>und</strong> Fre<strong>und</strong>en. Die New<br />

Yorker Kunstszene der 1980er Jahre<br />

war vielfältig, spannend, <strong>und</strong> inspirierend<br />

zugleich. Auch das spiegelt die<br />

Ausstellung wider.<br />

Die Auswahl der Fotografien wurde von<br />

Ai Weiwei selbst vorgenommen. Sie<br />

fügen sich zu einer eigenen Installation<br />

zusammen, die auch die persönlichen<br />

Erfahrungen, Gedanken <strong>und</strong> Eindrücke<br />

des Künstlers Ai Weiwei nachzeichnet.<br />

Über Ai Weiwei Ai Weiwei wird 1957<br />

als Sohn des Schriftstellers Ai Qing geboren.<br />

Als dieser 1958 bei der kommunistischen<br />

Regierung in Ungnade fällt, wird<br />

er nach Xinjiang in die Verbannung<br />

geschickt. Ai erlebt die Demütigung<br />

des Vaters in dieser von Peking 3.000<br />

Kilometer entfernten Provinz. Erst 1978<br />

wird Vater <strong>und</strong> Sohn erlaubt, nach<br />

Beijing zurückzukehren. Ai schreibt sich<br />

im gleichen Jahr an der Filmakademie in


Lower East Side Restaurant. 1988, 8x10 cm, Inkjet on Fantac Innova Ultra Smooth Gloss<br />

© Ai Weiwei; Courtesy of Three Shadows Photography Art Center<br />

Beijing ein, wo er gemeinsam mit den<br />

heute vielbeachteten Filmregisseuren<br />

wie Chen Kaige <strong>und</strong> Zhang Yimou studiert.<br />

Er gründet 1979 mit anderen die<br />

avantgardistischeKünstlergruppe »Stars<br />

Group«, die von offizieller Staatskunst<br />

in jener Zeit der Reformen nichts wissen<br />

will. Ai beteiligt sich auch an jener<br />

berühmten »Mauer der Demokratie«,<br />

die 1978 mitten in Beijing entsteht.<br />

Der damals 28jährige Wei Jingsheng,<br />

der heute im Exil in den USA lebt, forderte<br />

in Wandzeitungen eine »fünfte<br />

Modernisierung« – mehr Demokratie<br />

<strong>und</strong> mehr individuelle Freiheiten. Die<br />

»Mauer« wurde jedoch schon Ende<br />

1979 verboten, weil die kommunistische<br />

Partei um ihr Machtmonopol fürchtet.<br />

Wei wurde zu 15 Jahre Gefängnis verurteilt.<br />

Erst auf Druck der USA erlaubte<br />

man ihm 1997 die Ausreise ins Exil. Ai<br />

lebt zwischen 1981 <strong>und</strong> 1993 in den USA<br />

<strong>und</strong> studiert in New York an der Parsons<br />

School of Design. 1993 kehrt Ai nach<br />

Peking zurück, wo er seitdem lebt. Die<br />

kritische Haltung seiner frühen Jahre hat<br />

Ai nie aufgegeben. Als Liu Xiaobo, der<br />

2009 zu elf Jahren Haft verurteilt worden<br />

war, weil er in der Charta 08 ebenfalls<br />

mehr Demokratie <strong>und</strong> mehr individuelle<br />

Freiheiten forderte, 2010 den<br />

Friedensnobelpreis erhielt, lobte Ai, der<br />

mit Liu gut bekannt ist, die Entscheidung<br />

als Ermutigung für alle in China, die sich<br />

für die elementaren Menschenrechte<br />

einsetzen.<br />

Seine Kunst hat Ai immer als politisch<br />

verstanden: Konzeptkunst, Performance,<br />

Fotografie – die Breite seiner künstlerischen<br />

Ausdrucksformen halfen, ihn<br />

zum wichtigsten Künstler Chinas zu<br />

machen. Duchamp, Dadaismus, Soziale<br />

Plastik <strong>und</strong> Andy Warhol beeinflussten<br />

ihn. Sein Blog ist als erfolgreiches Buch<br />

auf dem Markt in Europa <strong>und</strong> Amerika.<br />

Seine Ausstellungen in USA, Europa <strong>und</strong><br />

Asien sind legendär.<br />

Seine Beteiligung an der documenta 12<br />

im Jahr 2007 machte ihn in Deutschland<br />

populär. Sein Werk ist in vielen wichtigen<br />

Museen der Welt vertreten: in der<br />

Tate Modern in London, im Museum of<br />

Modern Art New York, in den Staatlichen<br />

Museen zu Berlin, in San Francisco <strong>und</strong><br />

Los Angeles.<br />

Als Ai Weiwei im April am Flughafen<br />

Beijing wegen seiner künstlerisch-subversiven<br />

Aktivitäten verhaftet <strong>und</strong><br />

für über 80 Tage in einem geheimen<br />

Gefängnis festgehalten wurde, ging ein<br />

Aufschrei durch die Kunstwelt. Eine vom<br />

Guggenheim Museum New York inszenierte<br />

Unterschriftenliste wurde von über<br />

140.000 Personen gezeichnet. Der von<br />

Alexander Ochs <strong>und</strong> Fre<strong>und</strong>en initiierte<br />

Berliner Appell „Freiheit für Ai Weiwei“<br />

wurde in Deutschland von über 4000<br />

Personen, darunter Günter Grass, Durs<br />

Outside Tompkins Square Park. 1986<br />

bis 18. März 2012<br />

Martin-Gropius-Bau<br />

Niederkirchnerstraße 7<br />

10963 Berlin-Kreuzberg<br />

Mi – Mo 10 – 20 Uhr<br />

Dienstags geschlossen<br />

brennpunkt 1/2012<br />

Galerien<br />

8x10 cm, Inkjet on Fantac Innova Ultra Smooth<br />

Gloss © Ai Weiwei; Courtesy of Three Shadows<br />

Photography Art Center<br />

Grünbein, Rosemarie Trockel, Norbert<br />

Bisky, Tobias Rehberger sowie vielen<br />

anderen Schriftstellern, Künstlern <strong>und</strong><br />

Museumsleuten unterschrieben. Die<br />

Akademie der Künste in Berlin wählte<br />

Ai zum Mitglied. Prominente Künstler<br />

wie Daniel Buren, Olafur Eliasson, Luc<br />

Tuymans <strong>und</strong> Anish Kapoor setzten sich<br />

für seine Freilassung ein. Mittlerweile hat<br />

man Ai Weiwei erlaubt, in seinem Studio<br />

in Beijing zu leben, aber er darf weder<br />

mit der Presse reden noch die Stadt verlassen.<br />

Frei ist Ai Weiwei noch immer<br />

nicht. Wei Jingsheng kommentierte die<br />

Situation auch der Künstler in China<br />

kürzlich in der New York Times: noch<br />

immer regiere in China nicht das Gesetz<br />

sondern die Willkür der Staatsmacht.<br />

Katalog:<br />

Die Ausstellung mit Ai’s Fotografien aus<br />

seiner New Yorker Zeit zeigt den Beginn<br />

einer großen künstlerischen Karriere.<br />

Der Katalog erscheint im Distanz Verlag<br />

als Softcover mit Leinenbezug, 28 x 28<br />

cm, Deutsch/Englisch/Chinesisch <strong>und</strong><br />

umfasst 336 Seiten mit Bildtafeln aller<br />

ausgestellten Fotografien, Essays <strong>und</strong><br />

Interviews. Der Katalog kostet in der<br />

Ausstellung 28 Euro, im Buchhandel<br />

39,95 Euro.<br />

11


Galerien<br />

Ungleich Nacht<br />

Fotografien der Gruppe 97<br />

Frank-Rüdiger Berger<br />

Susanne Czichowski<br />

Sylvia Forsten<br />

Ursula Kelm<br />

Angela Kröll<br />

Barbara Oehler<br />

»Bei Nacht sind alle...« - Bilder anders.<br />

Die Nacht zeigt nicht nur die andere<br />

Seite von Menschen, Landschaften <strong>und</strong><br />

Gegenständen, sondern verstärkt sie -<br />

wo Licht ins Dunkel fällt - auch in ihrer<br />

Besonderheit.<br />

Dieser Nachtseite sind die sechs Berliner<br />

Fotografinnen <strong>und</strong> Fotografen der<br />

Gruppe 97 in ganz unterschiedlicher<br />

Weise <strong>und</strong> mit verschiedenen fotografischen<br />

Techniken auf die Spur gegangen.<br />

Präsentiert werden die Arbeiten<br />

»Milonga veneziana« von Frank-Rüdiger<br />

Berger, »Was ist, wenn ich‘s nicht<br />

sehe?« von Susanne Czichowski, »Neonzone«<br />

von Sylvia Forsten, »Nachtleben«<br />

von Ursula Kelm, »Eintrittskarten in die<br />

Nacht« von Angela Kröll <strong>und</strong> »Zweierlei«<br />

von Barbara Oehler.<br />

© Angela Kröll<br />

12 brennpunkt 1/2012<br />

© Ursula Kelm<br />

© Ursula Kelm


© Susanne Czichowski<br />

© Sylvia Forsten<br />

© Barbara Oehler<br />

© Frank-Rüdiger Berger<br />

© Susanne Czichowski<br />

Vernissage: 6. Januar 2012<br />

um 19 Uhr<br />

7. Januar bis 12. Februar 2012<br />

Galerie im Saalbau<br />

Karl-Marx-Straße 141<br />

12043 Berlin-Neukölln<br />

Di–So 10 – 20 Uhr<br />

brennpunkt 1/2012<br />

Galerien<br />

13


Galerien<br />

Erika Babatz<br />

»Bodegones<br />

Berlineses«<br />

Ein Leben nach irgendeinem Tod<br />

Ich stamme aus dem Barock <strong>und</strong> bildete<br />

mich im Studium der Malerei aus<br />

dieser Zeit. Die Stillleben <strong>und</strong> Vanitas<br />

interessierten mich. Ihr lebendiges<br />

Wesen, obwohl sie leblos oder unbeweglich<br />

scheinen, machte mich neugierig.<br />

Immer erinnere ich mich bew<strong>und</strong>ernd<br />

an ihre Dunkelheit, zeitweilige Finsterniss<br />

<strong>und</strong> ihr Licht, das den Gegenständen<br />

die Hoffnung auf ein neues Lebens<br />

mitzuteilen schien.<br />

Aus der gegenwärtigen Welt ziehen<br />

mich die Abfälle, die wir erzeugen an,<br />

überwältigend, trotz der Verachtung,<br />

die wir ihnen entgegen bringen. Sie<br />

wurden von Ihre Nützlichkeit freigesprochen,<br />

<strong>und</strong> sie efreuen sich daran, in<br />

Vergessenheit geraten zu sein. Mit ihrem<br />

Blick geben sie uns den Sarkasmus, ihre<br />

Besitzer <strong>und</strong> zukünftigen Begleiter zu<br />

sein, zurück.<br />

Ich weiß, daß wir mit ihnen verwesen<br />

<strong>und</strong> wie auch sie anderes Leben sein<br />

werden, die aus unserer toten Materie<br />

entstehen. Mein Wunsch besteht darin,<br />

mit ihnen an die Größe der barocken<br />

Stillleben zu erinnern, indem ich neue<br />

Gegenstände erschaffe <strong>und</strong> erlaube,<br />

daß sich das Organische wieder aus<br />

dem Innern des Vergessenen entfaltet.<br />

Leben nach einem Tod, der in diesem<br />

Zyklus nie ein solcher ist, möchte ich<br />

mit meiner Fotografie ausdrücken; wissend,<br />

daß mein Auge eines Tages Teil<br />

des Prozesses sein wird.<br />

Erika Babatz<br />

14 brennpunkt 1/2012<br />

© Erika Babatz<br />

© Erika Babatz<br />

Vernissage:<br />

6. Januar 2012, 19 Uhr<br />

© Erika Babatz<br />

7. Januar bis 17. Februar 2012<br />

imago fotokunst<br />

Linienstraße 145<br />

10115 Berlin-Mitte<br />

Di – Fr 12 – 19 Uhr<br />

Sa 14 – 18 Uhr


Jim Rakete<br />

»Stand der Dinge«<br />

In den Jahren 2009 bis 2011 hat Jim<br />

Rakete exklusiv für das Deutsche Filmmuseum<br />

Legenden, Macher <strong>und</strong> Talente<br />

des deutschsprachigen Kinos fotografiert.<br />

Entstanden ist die Porträtreihe<br />

»Stand der Dinge«, die ursprünglich als<br />

überschaubare Hall of Fame geplant<br />

war, sich dann aber zu einer umfangreichen<br />

Schau für die neuen Ausstellungsräume<br />

des Filmmuseums entwickelte.<br />

Alle Porträtierten haben sich mit einem<br />

Requisit oder für sie bedeutenden<br />

Gegenstand ablichten lassen, mit dem<br />

sie eine persönliche Erinnerung ihrer filmischen<br />

Laufbahn verbindet. Auch veranschaulicht<br />

der Bilderreigen eindrucksvoll<br />

die eigentliche Besonderheit von<br />

Jim Rakete, nämlich das gleichberechtigte<br />

Dreiecksverhältnis Fotograf – Fotografierter<br />

– Betrachter: Man muss nicht<br />

zu den Prominenten aufschauen, hier<br />

begegnet man ihnen auf Augenhöhe.<br />

Entgegen seiner Gewohnheiten hat Jim<br />

Rakete den »Stand der Dinge« in Farbe<br />

fotografiert, was der zentralen Rolle<br />

der Objekte geschuldet ist, die als Teil<br />

einer filmischen Welt gewollt auf eine<br />

andere Ebene verweisen. Im Gegensatz<br />

zu seiner vorhergehenden großen<br />

Porträtreihe »1/8 sec.«, ist der »Stand<br />

der Dinge« digital fotografiert. Statt nur<br />

weniger Plattenaufnahmen, machte<br />

der Fotograf diesmal eine Vielzahl von<br />

Aufnahmen pro Shooting. Eine völlig<br />

andere Herangehensweise, doch ist im<br />

Ergebnis auch diesmal Raketes sanfter,<br />

klarer Stil deutlich erkennbar.<br />

»Stand der Dinge« – den Titel hat sich<br />

Jim Rakete von Wim Wenders geborgt.<br />

1982 hatte dieser einen fast gleichnamigen<br />

Film über einen Autorenfilmer<br />

gedreht, der mit einem Projekt an seine<br />

Grenzen gelangt. Mit seinem Reigen hat<br />

Rakete den Titel neu gedeutet, da die<br />

Vielzahl von deutschsprachigen Talenten<br />

<strong>und</strong> Persönlichkeiten die Filmlandschaft<br />

scheinbar grenzenlos erscheinen<br />

lässt. Die Panoramahängung in der Ausstellung<br />

soll entsprechend darauf hinweisen,<br />

wie groß der Kreis der Kreativen<br />

deutschen Filmschaffens ist, der sich tat-<br />

© Jim Rakete, »Martina Gedeck«<br />

sächlich weit über die Anzahl der hier<br />

Gezeigten hinaus erstreckt.<br />

Ergänzend zeigt die Schau eine Auswahl<br />

dreidimensionaler Objekte: Requisiten,<br />

Kostüme, Drehbücher, Geräte. Gemeinsam<br />

erzählen Fotografien <strong>und</strong> Objekte<br />

Filmgeschichte – <strong>und</strong> ganz persönliche<br />

Geschichten.<br />

Jim Rakete<br />

Sein fotografisches Interesse gilt den<br />

Menschen. Schlicht <strong>und</strong> einfach sollen<br />

seine Bilder sein, möglichst wenig<br />

inszeniert. Filmstar oder Obdachloser,<br />

soziale Unterschiede machen vor<br />

seiner Kamera keinen Unterschied. In<br />

Jim Raketes Fotografien ist stets sein<br />

Respekt für sein jeweiliges Gegenüber<br />

sichtbar, <strong>und</strong> es ist das Bestreben nach<br />

dem Authentischen, das die Bilder so<br />

einzigartig macht.<br />

1951 in Berlin geboren, fotografierte<br />

Jim Rakete bereits während der Schulzeit<br />

für Tageszeitungen, Magazine <strong>und</strong><br />

Agenturen. Seinen Schwerpunkt hatte er<br />

zunächst in der Musikszene – Stars wie<br />

Jimi Hendrix, Mick Jagger <strong>und</strong> David<br />

Bowie ließen sich von ihm porträtieren.<br />

Von 1977 bis 1986 leitete er in Berlin-<br />

Kreuzberg das Kreativlabor »Fabrik«.<br />

Dort entstanden Plattencover für viele<br />

Bands der Neuen Deutschen Welle. Parallel<br />

übernahm Jim Rakete das Management<br />

von Musikern wie der Nina Hagen<br />

Band, Spliff, Nena, Die Ärzte <strong>und</strong> Interzone.<br />

brennpunkt 1/2012<br />

Galerien<br />

Die Liebe zur Fotografie bestimmte ab<br />

1986 wieder sein künstlerisches Schaffen.<br />

Seither hat er mit zahlreichen<br />

Größen der deutschen <strong>und</strong> internationalen<br />

Musik- <strong>und</strong> Filmbranche gearbeitet.<br />

In den neunziger Jahren pendelte<br />

er zwischen Hamburg <strong>und</strong> Los Angeles,<br />

drehte als Director of Photography<br />

Musikvideos <strong>und</strong> Werbespots, um 2001<br />

nach Berlin zurückzukehren. In den<br />

letzten Jahren fotografierte Jim Rakete<br />

auch zunehmend Politiker. Bereits<br />

2008/2009 arbeitete er mit dem Deutschen<br />

Filmmuseum zusammen. Seinerzeit<br />

zeigte er die Ausstellung »1/8 sec.<br />

– Vertraute Fremde«, eine Hommage<br />

an die klassische analoge Porträtfotografie.<br />

Jim Rakete holte damals Prominente<br />

vor eine alte Plattenkamera, die<br />

den Porträtierten aufgr<strong>und</strong> dieser über<br />

100 Jahre alten Technik ein zwölf Sek<strong>und</strong>en<br />

langes Stillstehen abverlangte. Und<br />

dadurch den ganz besonderen Moment<br />

einer intensiven Begegnung festhielt.<br />

Eine Ausstellung in Zusammenarbeit mit<br />

dem Deutschen Filmmuseum, Frankfurt<br />

am Main.<br />

14. Februar bis 11. März 2012<br />

Willy-Brandt-Haus<br />

Stresemannstraße 28<br />

10963 Berlin-Kreuzberg<br />

Di – So 12 – 18 Uhr<br />

Eintritt frei, Ausweis erforderlich<br />

15


Galerien<br />

CRISTINA PIZA<br />

»Der Rhythmus des<br />

Lebens«<br />

In Havanna begegnen wir den Musikern<br />

vom »Buena Vista Social Club«, stolze<br />

Ladenbesitzer in Neapel machen auf<br />

lokale Spezialitäten neugierig, auf dem<br />

Ozeanriesen „»Queen Elisabeth« bitten<br />

Gentlemen zum Tanz.<br />

Im Berliner Tiergarten genießen »Boys<br />

in the Park« den Sommer <strong>und</strong> in der<br />

»Casa Verdi« in Mailand verbringen<br />

Künstler ihren Lebensabend im gepflegten<br />

Ambiente.<br />

All diese w<strong>und</strong>erbaren Momente hat<br />

Cristina Piza mit ihrer Kamera einfühlsam<br />

eingefangen <strong>und</strong> zu eindringlichen<br />

Bildern komponiert.<br />

© CRISTINA PIZA, »Queen«<br />

Maria CRISTINA PIZA Lopez<br />

1963 in Costa Rica geboren<br />

1980 - 86 Studium an der Universidad<br />

National de Costa Rica<br />

1990-1991 Fotografie Diplom am Instituto<br />

Superiore di Fotografia, Rom<br />

1991 BA, Universidad National<br />

Autónoma di Mexico<br />

2003-2006 San Francisco Art Institute,<br />

Master of Fine Art<br />

1992 -2002 Foto-Veröffentlichungen<br />

für Magazine <strong>und</strong> Zeitungen:<br />

Lettre International, taz, Neue Züricher<br />

Zeitung, El Pais, New York Book<br />

Review, Mare u.a.m.<br />

Zahlreiche nationale <strong>und</strong> internationale<br />

Ausstellungen<br />

16 brennpunkt 1/2012<br />

© CRISTINA PIZA, »Cuba«<br />

Vernissage mit Cristina Piza<br />

13. Januar 2012, ab 19 Uhr<br />

© CRISTINA PIZA, »Cuba«<br />

© CRISTINA PIZA, »boys« © CRISTINA PIZA, »boys«<br />

© CRISTINA PIZA, »Casa Verdi« © CRISTINA PIZA, »Casa Verdi«<br />

14. Januar bis 25. Februar 2012<br />

Galerie argus fotokunst<br />

Marienstraße 26<br />

10117 Berlin-Mitte<br />

Do – Sa 14 – 18 Uhr


RUTGER TEN BROEKE<br />

»KörperLandschaften«<br />

Rutger Ten Broeke (*1944 in Arnhem) ist<br />

ein wichtiger Wegbereiter der Fotografie<br />

in den Niederlanden. 1984 organisierte<br />

er die erste Foto Biennale in Enschede.<br />

Er lehrt Fotografie an der Academie for<br />

Art and Industry in Enschede.<br />

Ten Broeke ist international bekannt<br />

für seine sensiblen Aktfotografien in<br />

schwarz-weiß. Im Fokus seiner Arbeit<br />

steht seine Faszination für den weiblichen<br />

Körper in Verbindung mit der<br />

Natur.<br />

Seine Arbeiten wurden vielfach ausgezeichnet<br />

<strong>und</strong> in über h<strong>und</strong>ert Ausstellungen<br />

weltweit präsentiert.<br />

Erstmals werden die Fotografien des niederländischen<br />

Fotografen Rutger Ten<br />

Broeke in Berlin in einer »One Man<br />

Show« gezeigt.<br />

© RUTGER TEN BROEKE<br />

© RUTGER TEN BROEKE © RUTGER TEN BROEKE<br />

3. März bis 28. April 2012<br />

Galerie argus fotokunst<br />

Marienstraße 26<br />

10117 Berlin-Mitte<br />

Do – Sa 14 – 18 Uhr<br />

brennpunkt 1/2012<br />

Galerien<br />

Vernissage mit dem Künstler<br />

Freitag, 2. März 2012, ab 19 Uhr<br />

17


Galerien<br />

Mythos<br />

Die Abschlussklasse von Sibylle Hoffmann<br />

<strong>und</strong> Susan Paufler am Fachbereich<br />

Fotografie der VHS Friedrichshain-<br />

Kreuzberg.<br />

Mythen sind Erzählungen, in denen es<br />

um die großen Ängste <strong>und</strong> Nöte, aber<br />

auch Triumphe der Menschheit geht.<br />

Mythen wollen nicht erklären, sondern<br />

Sinn stiften. Ihre Präsenz in unserem<br />

kollektiven Gedächtnis macht sie<br />

gleichzeitig archaisch <strong>und</strong> aktuell. Das<br />

macht aber auch die Gefahr aus, der sie<br />

unterliegen, denn Mythen bewegen sich<br />

nicht in einem herrschaftsfreien Raum,<br />

sondern sind jeweils eingebettet in konkrete<br />

Machtverhältnisse, die ihren Missbrauch<br />

ermöglichen.<br />

16 Fotografinnen <strong>und</strong> Fotografen haben<br />

unter der Leitung von Sibylle Hoffmann<br />

<strong>und</strong> Susan Paufler das Thema »Mythos«<br />

künstlerisch bearbeitet. Herausgekommen<br />

sind sehr unterschiedliche Positionen,<br />

die sich zwischen den Extremen<br />

der Gestaltung einer oder mehrerer konkreter,<br />

teils altbekannter, teils moderner<br />

oder biografisch begründeter Geschichten<br />

einerseits <strong>und</strong> einer eher ideologiekritischen<br />

Auseinandersetzung andererseits<br />

bewegen.<br />

© Patricia Milch<br />

10. Februar bis 19. Februar 2012<br />

Bethanien<br />

Mariannenplatz 2<br />

10997 Berlin-Kreuzberg<br />

Mo – Fr 17 – 20 Uhr<br />

Sa + So 11 – 19 Uhr<br />

18 brennpunkt 1/2012<br />

© Anna Homburg<br />

© Barbara Töpper-Fennel © Katja Hammerle<br />

Vernissage:<br />

Freitag, 10. Februar 2012, um 19 Uhr<br />

Werkstattgespräch:<br />

Dienstag, 14. Februar 2012, um 19 Uhr


Hans Martin Sewcz<br />

»Berlin-Mitte<br />

Mai 1979«<br />

Frühe Fotografien<br />

Nach »Hommage à Berlin«, der vielseits<br />

besprochenen Erstausstellung<br />

mit Aufnahmen der kriegszerstörten<br />

Hauptstadt, präsentiert die Collection<br />

Regard frühe Fotografien von Hans<br />

Martin Sewcz aus den Jahren 1973 -<br />

1981. Mit dieser fotografischen Position<br />

zeigt der Sammler Marc Barbey erneut<br />

einen Fotografen, den es wieder zu entdecken<br />

<strong>und</strong> neu zu bewerten gilt. Ein<br />

wichtiger Teil der präsentierten Arbeiten<br />

wurde im Mai 1979 in der Spandauer<br />

Vorstadt mit einer russischen Horizont-<br />

Kamera aufgenommen. Die entstandenen<br />

Panoramaaufnahmen umfassen<br />

einen Winkel von 120° <strong>und</strong> erlauben<br />

damit einen Blick in eine längst vergangene<br />

Welt.<br />

Kuratiert wird die Ausstellung von<br />

Antonio Panetta, dem künstlerischen<br />

Leiter der Collection Regard.<br />

Die Horizonte des Hans Martin Sewcz:<br />

1975 bezog der damals 20jährige ein<br />

Zimmer in der Tucholskystraße, das er<br />

auch während seines Studiums an der<br />

Leipziger Hochschule für Grafik <strong>und</strong><br />

Buchkunst behielt. Was ihn an der<br />

Spandauer Vorstadt so faszinierte, war<br />

die »nicht erwünschte Authentizität«:<br />

heruntergekommene Vorkriegshäuser,<br />

große Brachen, gewaltige Brandmauern<br />

<strong>und</strong> dunkle Backsteinwände. Denn hier<br />

gab es keine Repräsentationsbauten<br />

wie in der Karl-Marx-Allee oder am<br />

Alexanderplatz. Zwar war angedacht,<br />

die alte Bausubstanz irgendwann<br />

durch Plattenbauten zu ersetzen - doch<br />

eine Renovierung fand erst nach dem<br />

Mauerfall statt. Und völlig anders, als<br />

man zu DDR-Zeiten dachte.<br />

Aus diesem Gr<strong>und</strong> wirken Sewcz’ frühe<br />

Bilder heute wie Bruch- <strong>und</strong> F<strong>und</strong>stücke.<br />

Er selbst sagt, seine damaligen Arbeiten<br />

schwankten »zwischen den Polen<br />

von Abneigung <strong>und</strong> Identifikation«.<br />

Darüber hinaus sei er von dem damaligen<br />

Zustand begeistert gewesen,<br />

»der Motive mystisch bis abstrakter<br />

Hans Martin Sewcz (*1955),<br />

Oranienburgerstraße, Berlin 1979,<br />

Gelatin silver print, printed 1979<br />

12,7 x 29,4 (23,4 x 30,5) cm, Copyright<br />

Hans Martin Sewcz<br />

Bildfindungen zuließ«. Das Œuvre von<br />

Hans Martin Sewcz umfasst neben den<br />

beeindruckenden Panoramaaufnahmen<br />

auch Porträts (etwa von Ulrich Mühe),<br />

eine frühe »Street Photography«<br />

sowie seine »Architektur-Porträts« der<br />

Spandauer Vorstadt mit dem ehemaligen<br />

Scheunenviertel. In der Ausstellung<br />

»Berlin-Mitte Mai 1979« werden Hans<br />

Martin Sewcz´s Aufnahmen von frühen<br />

Berlin-Bildern des Fotografen Will<br />

McBride <strong>und</strong> durch Auszüge des DEFA-<br />

Films »Berlin Auguststraße« (1979) des<br />

Regisseurs <strong>und</strong> Filmwissenschaftlers<br />

Günther Jordan flankiert.<br />

Hans Martin Sewcz wurde 1955 in Halle<br />

an der Saale geboren. Er beginnt mit 18,<br />

die Fotografie gezielt als Ausdrucksmittel<br />

einzusetzen <strong>und</strong> wird 1975-81 in<br />

Leipzig zum Diplom-Fotografiker ausgebildet,<br />

auch wenn sein eigentlicher<br />

Lebensmittelpunkt die Mitte Berlins<br />

bleibt. 1988, wenig mehr als ein Jahr<br />

vor dem Mauerfall, wird nach vier langen<br />

Jahren sein Ausreiseantrag endlich<br />

bewilligt. Sewcz geht nach West-Berlin.<br />

Er wendet sich auch der Konzeptkunst<br />

zu, produziert Installationen <strong>und</strong> Filme.<br />

Heute befinden sich seine Werke unter<br />

anderem im Deutschen Historischen<br />

Museum, im Deutschen B<strong>und</strong>estag,<br />

im Neuen Berliner Kunstverein <strong>und</strong><br />

in der fotografischen Sammlung der<br />

Berlinischen Galerie.<br />

Schon zu DDR-Zeiten ist sein großes<br />

Thema die Alltagskultur. Sein frühes<br />

Œuvre umfasst Porträts, Straßenfotografie<br />

<strong>und</strong> Detailaufnahmen von steinigen<br />

Oberflächen. Seine Bilder sind mitteilsam,<br />

wenig aufdringlich <strong>und</strong> lassen<br />

die Poesie des Zufalls anklingen.<br />

Während der 80er Jahre wird Sewcz<br />

den Bildausschnitt enger <strong>und</strong> die Blicke<br />

direkter erfassen. Ähnlich wie Henri<br />

Cartier-Bresson, Helen Levitt, Helga<br />

Paris, Gabriele <strong>und</strong> Helmut Nothhelfer.<br />

bis 2. März 2012<br />

Collection Regard<br />

Marc Barbey<br />

Steinstraße 12<br />

10119 Berlin-Mitte<br />

brennpunkt 1/2012<br />

Galerien<br />

Hans Martin Sewcz (*1955), Hackescher<br />

Markt, Berlin 1979, Gelatin silver print,<br />

printed 1979<br />

10,2 x 24,5 (11,0 x 25,2) cm, Copyright<br />

Hans Martin Sewcz<br />

Hans Martin Sewcz (*1955), Ecke<br />

Auguststraße - Große Hamburger, Berlin<br />

1979, Gelatin silver print, printed 1979<br />

12,7 x 29,4 (23,5 x 30,5) cm, Copyright<br />

Hans Martin Sewcz<br />

Sein »Selbstporträt mit Agnes B. vor<br />

Gorbatschow-Limousinen« ist Teil einer<br />

Serie, die anlässlich des Besuchs des jungen<br />

sowjetischen KPdSU-Chefs 1987 in<br />

Ost-Berlin entsteht. Sewcz vergrößert<br />

Teile des Kontaktstreifens, dass selbst<br />

die Perforation sichtbar bleibt. In dieser<br />

sequenziellen Form entsteht ein beinahe<br />

kinematografischer Effekt, der wiederum<br />

durch die Fragmentierung gebrochen<br />

wird.<br />

Die Auseinandersetzung mit dem<br />

Berliner Stadtraum, sowohl im Stillstand,<br />

als auch in den rasanten Veränderungen,<br />

zieht sich durch sein gesamtes fotografisches<br />

Werk, <strong>und</strong> so gewinnen auch seine<br />

frühen Aufnahmen wieder erheblich an<br />

Bedeutung.<br />

.<br />

immer freitags 14 – 18 Uhr<br />

<strong>und</strong> nach telefonischer Vereinbarung<br />

Telefon: 030 / 847 11 947<br />

<strong>und</strong> www.collectionregard.com<br />

19


Galerien<br />

Jörg Rubbert<br />

»Berliner<br />

Winternächte«<br />

Wenn es draußen besonders kalt ist <strong>und</strong><br />

die Nächte am längsten sind, geht für<br />

Jörg Rubbert die Saison los: Er fotografiert<br />

seit einiger Zeit die »Berliner Winternächte«.<br />

Berlin bei Gefrierschranktemperaturen<br />

<strong>und</strong> dazu noch bei Dunkelheit –<br />

das sind die Zutaten zu dieser speziellen<br />

Bildserie. Angefangen hatte dies<br />

zum Jahreswechsel 2006/2007, als er –<br />

der langen Winterabende überdrüssig –<br />

hinauszog, um zu erk<strong>und</strong>en, wie die<br />

Stadt bei diesen Witterungsverhältnissen<br />

»funktionierte«. Er wollte den von<br />

extremer Kälte beeinträchtigten Großstadtrhythmus<br />

erfassen <strong>und</strong> sehen, ob<br />

sich die Großstädter davon »aus der<br />

Spur« bringen lassen.<br />

© Jörg Rubbert, »Winterliche Stimmung an der<br />

Moltkebrücke«, Berlin-Mitte 2010<br />

Dem Winter muss man sich stellen, ob<br />

man will oder nicht. Er bedeutet Herausforderung:<br />

Die gewohnte Umwelt<br />

erscheint als gewandeltes, ungewohntes<br />

Terrain, fest im Griff des winterlichen<br />

Wetters. Zu später St<strong>und</strong>e <strong>und</strong> bei<br />

Eiseskälte trifft man nur noch wenige<br />

20 brennpunkt 1/2012<br />

© Jörg Rubbert, »Kurz nach MitternachtG, Szene am Bahnhof Berlin-Lichtenberg, Winter 2010<br />

© Jörg Rubbert, »Berlin steht für Energie«,<br />

Werbeplakat an der Kurfürstenstr. / Ecke<br />

Schillstraße, Winter 2009<br />

Passanten. Das Leben in der Großstadt<br />

geht zwar auch zu später St<strong>und</strong>e weiter,<br />

aber langsamer, quasi entschleunigt.<br />

Schnee <strong>und</strong> Eis tun das ihre. Der Verkehr<br />

schleppt sich dahin, kommt fast<br />

zum Erliegen, Fahrpläne geraten durcheinander.<br />

Man strebt nach Drinnen, ins<br />

Warme, entflieht dem Matsch <strong>und</strong> der<br />

Glätte.<br />

Die Leute rücken aber auch näher zusammen<br />

– das Wetter hat etwas Verbindendes,<br />

was man unter normalen Wetterbedingungen<br />

so nicht feststellen kann.<br />

Man teilt gewissermaßen das Schicksal,<br />

dass man noch spät unterwegs ist. Der<br />

Berliner, soviel wird schnell klar, lässt<br />

sich ungern vom Wetter seinen Tagesablauf<br />

diktieren …<br />

Die Schwarzweiß-Bilder wurden allesamt<br />

mit externem Belichtungsmesser<br />

auf einer Kleinbild-Kamera aufgenommen,<br />

die wegen des Schneefalls <strong>und</strong> der<br />

Kälte unter dem Wintermantel getragen<br />

werden musste. Sie wurden ohne Blitz<br />

mit hochlichtstarken Objektiven <strong>und</strong><br />

Filmen fotografiert. Die Aufnahmen<br />

sind zwischen 22:00 Uhr abends <strong>und</strong><br />

02:00 nachts entstanden.<br />

Vernissage:<br />

14. Januar 2012, ab 20 Uhr<br />

15. Januar bis 10. März 2012<br />

Cafe-Galerie Village Voice<br />

Ackerstraße 1 A<br />

10115 Berlin-Mitte<br />

Täglich ab 12 Uhr


Julian Röder<br />

»In Gesellschaft des<br />

Marktes«<br />

Julian Röder, geb. 1981 in Erfurt <strong>und</strong><br />

Mitglied der Agentur Ostkreuz zeigt in<br />

der Guardini Galerie Arbeiten aus drei<br />

Werkgruppen: The Summits, World of<br />

Warfare <strong>und</strong> Human Resources.<br />

Während Röder in den Bildern zu The<br />

Summits die Aktionen der Protestbewegung<br />

gegen die menschenfeindlichen<br />

Folgen der Globalisierung an den<br />

Orten der G8- <strong>und</strong> EU-Gipfel fotografierte,<br />

befasst sich World of Warfare mit<br />

einer Waffenmesse in Abu Dhabi, auf<br />

der Kriegsgerät feilgeboten wurde, just<br />

als die Befreiungsbewegungen der arabischen<br />

Länder aktiv geworden waren.<br />

Die militärischen Ausrüstungen, das<br />

wird deutlich, sind auch bestens für<br />

Bürgerkriege geeignet. Human Resources<br />

ist eine Serie von Bildern, die Julian<br />

Röder auf Handelsmessen aufgenommen<br />

hat <strong>und</strong> in denen er untersucht,<br />

wie der Mensch als Individuum in vollkommen<br />

kommerzialisierten gesellschaftlichen<br />

Systemen selbst zur austauschbaren<br />

<strong>und</strong> mit einem Verfallsdatum<br />

bezeichneten Ware wird.<br />

Was Röder zeigt, ist nicht die Verdichtung<br />

eines vergangenen Geschehens, es<br />

ist die unmittelbare Gegenwart. Und<br />

weil er sich auf subtile Weise oftmals<br />

kunst- oder allgemein bildgeschichtlicher<br />

Topoi bedient, haben diese Fotografien<br />

bei allem Wirklichkeitsbezug<br />

eine tiefere Intensität <strong>und</strong> Dauerhaftigkeit<br />

als der Fünfzehn-Sek<strong>und</strong>en-Take<br />

aus der Tagesschau.<br />

Julian Röder weiß: Bilder sind immer<br />

auch Bilder über Bilder, die der Betrachter<br />

im Kopf hat <strong>und</strong> mit dem Gesehenen<br />

abgleicht. Das Faszinosum ist jedoch<br />

nicht eine mögliche Übereinstimmung,<br />

sondern das Hinzugekommene. Auch<br />

wenn das vollkommen authentische<br />

Bild für immer eine Fiktion bleibt, gibt<br />

es unterschiedliche Strategien der Annäherung.<br />

Die von Julian Röder besteht<br />

vor allem in der unmittelbaren Anteilnahme<br />

<strong>und</strong> in der Aufmerksamkeit für<br />

Details, die manchmal auch anrührend<br />

© Julian Röder, »Protests against G8 summit in Gleneagles«, 2005<br />

(aus der Serie: THE SUMMITS, C-Print 90x130cm, (Original in Farbe)<br />

© Julian Röder, »o.T.«, 2009<br />

(aus der Serie: HUMAN RESOURCES), O.i.F.<br />

<strong>und</strong> komisch sind. Wie der Vermummte,<br />

der in Genua ratlos den Stadtplan studiert,<br />

oder das Bild von dem Pärchen,<br />

das sich in Heiligendamm in eine Plastikplane<br />

zum schlafen auf eine Wiese<br />

gelegt <strong>und</strong> die feuchten Socken sinnigerweise<br />

auf einen Stapel Europaletten<br />

zum Trocknen ausgebreitet hat. Drama<br />

<strong>und</strong> Satyrspiel, Röder gibt beides, wie<br />

in der antiken Tragödie.<br />

© Julian Röder, »o.T.«, 2009<br />

bis 3. Februar 2012<br />

Guardini Galerie<br />

Askanischer Platz 4<br />

10963 Berlin-Kreuzberg<br />

Di – Fr 14 – 18.30 Uhr<br />

brennpunkt 1/2012<br />

Galerien<br />

(aus der Serie: HUMAN RESOURCES), O.i.F.<br />

Finissage:<br />

Donnerstag 2. Februar 2012, 19 Uhr<br />

mit Künstlergespräch<br />

21


Galerien<br />

<strong>Zwischenzustände</strong><br />

<strong>und</strong> <strong>Metamorphosen</strong><br />

Helena Petersen, Meisterschülerin in<br />

der Klasse von Leiko Ikemura an der<br />

UdK Berlin, erhält den »IBB-Preis für<br />

Fotografie 2011«. Alle drei völlig unterschiedlichen<br />

Bildserien ihrer Bewerbung<br />

zeugen von einer außergewöhnlich<br />

hohen Qualität. Es offenbaren sich<br />

darin ein sensibler Umgang mit gesellschaftsrelevanten<br />

Themen sowie eine<br />

souveräne Beherrschung des Mediums<br />

<strong>und</strong> seiner Anwendungsmöglichkeiten.<br />

Mit »Free Fighters« nahm Helena Petersen<br />

einen Grenzbereich zwischenmenschlicher<br />

Beziehungen in den<br />

Fokus: Sie photographierte 2009 in<br />

der ostdeutschen Provinz muskulöse<br />

Männer im Brustporträt, <strong>und</strong> zwar<br />

mit nackten, häufig tätowierten Oberkörpern<br />

vor <strong>und</strong> nach einem archaisch<br />

anmutenden Kampf, der in einem<br />

Käfig stattfindet <strong>und</strong> bei dem es kaum<br />

einschränkende Regeln wie etwa beim<br />

Boxen gibt. Wir sehen nicht den Kampf<br />

selbst, sondern dessen Folgen im Physiognomischen.<br />

Manche dieser »harten<br />

Jungs« sehen hinterher ganz schön mitgenommen<br />

aus, andere scheinen die<br />

Schläge <strong>und</strong> Hiebe besser wegzustecken.<br />

Die Schläge mit der bloßen Faust<br />

auf die Körper des Anderen werden von<br />

einem furchtbaren Geräusch begleitet,<br />

erinnert sich die Photographin. Die<br />

Unterlegenen ließen sich nicht gern<br />

nach dem Kampf photographieren, in<br />

einem Fall verzichtete Petersen freiwillig<br />

darauf, den Verlierer auf das zweite<br />

Porträt anzusprechen; deshalb existiert<br />

von ihm, abweichend von der ansonsten<br />

strengen Serialität der Diptychen,<br />

nur ein Einzelbildnis. Interessant bleibt,<br />

dass die Photographin es im Bild offenlässt,<br />

wer Gewinner <strong>und</strong> wer Verlierer<br />

war – dies entscheidet der Betrachter<br />

gewissermaßen imaginativ selbst. Innerhalb<br />

der Serie lassen sich die Männer<br />

<strong>und</strong> ihr Gesichtsausdruck, der etwa zwischen<br />

testosterongesteuerter Aggressivität<br />

<strong>und</strong> totaler Erschöpfung oder zwischen<br />

Vorfreude <strong>und</strong> Triumph hin <strong>und</strong><br />

her schwankt, auch untereinander vergleichen.<br />

Vorher/Nachher-Situationen<br />

kennen wir aus der Kosmetikindustrie,<br />

22 brennpunkt 1/2012<br />

© Helena Petersen, »Pyrographie« 2011<br />

aus der Werbung für Schönheitsoperationen<br />

oder von Andy Warhols Adaptionen<br />

solcher Visualisierungen. Im Kontext<br />

der »Free Fighter«-Szene wirken<br />

sie etwas befremdlich, doch diese Verschiebung<br />

macht die Porträt-Diptychen<br />

so interessant. In einem improvisierten<br />

Photostudio, quasi innerhalb des Kampfgeschehens<br />

<strong>und</strong> vor neutral-weißem<br />

Hintergr<strong>und</strong>, werden die Protagonisten<br />

entkontextualisiert, ähnlich wie Stefan<br />

Moses es schon mit seinen Serienporträts<br />

deutscher Berufsgruppen in den<br />

1960er Jahren realisiert hatte. Petersens<br />

Bildserie jenes urmännlichen, geradezu<br />

primitiven Rituals überrascht durch ihre<br />

Unmittelbarkeit <strong>und</strong> Schlichtheit.<br />

Mit ihrer im selben Jahr entstandenen<br />

Serie »Ghosttown« lenkt sie unseren<br />

Blick ebenfalls en passant auf das Prinzip<br />

der Veränderung, das sich hier jedoch<br />

nicht auf die Physiognomie des Menschen<br />

bezieht, sondern auf eine kleine<br />

Stadt respektive eine ländliche Region.<br />

Alle Häuser scheinen verlassen, worauf<br />

auch der englische Titel verweist; doch<br />

die Photographin hält hier keine Filmkulisse<br />

fest oder die Folgen einer atomaren<br />

Verseuchung, sondern einen Ort nach<br />

der Zwangsumsiedlung seiner früheren<br />

Bewohner, um in dem Gebiet Braunkohleabbau<br />

zu ermöglichen. Petersen<br />

formuliert einen Zwischenzustand<br />

<strong>und</strong> einen Abschied, was das Zwielicht<br />

der Abendst<strong>und</strong>en atmosphärisch <strong>und</strong><br />

symbolisch unterstützt. Die Metamorphose<br />

der kleinen Stadt in eine gigantische<br />

Braunkohlehalde wird zwar nicht<br />

unmittelbar visualisiert, aber mit dem<br />

Wissen um die (fehlende) Zukunft des<br />

Ortes wird diese zumindest vor unserem<br />

inneren Auge ausformuliert. Ein<br />

kleiner Ort am Niederrhein, der inzwischen<br />

selbst bei Google Earth gelöscht<br />

ist, wird von ihr im letzten Moment<br />

seiner Existenz dokumentiert. Davor<br />

waren es andere Dörfer <strong>und</strong> Orte, später<br />

werden es wiederum andere sein, die<br />

spurlos verschwinden. Warum Türen<br />

<strong>und</strong> Fenster vernagelt <strong>und</strong> zugemauert<br />

wurden, erschließt sich dem Betrachter<br />

nicht. Die spätere Zerstörung ist durch<br />

diese Zustandsschilderung ausgeblendet,<br />

ebenso der schmerzhafte Abschied<br />

der Menschen von ihren selbstgebauten<br />

Häusern, vom eigenen Hof, der möglicherweise<br />

bereits seit Generationen<br />

innerhalb der Familie bewirtschaftet<br />

wurde, oder von der Kirche, auf deren<br />

Entweihung <strong>und</strong> späteren Abriss selbst<br />

Nichtgläubige mit Unbehagen reagie-


© Helena Petersen, aus »Ghosttown«, 2009, (Original in Farbe)<br />

ren werden. Auch wenn Helena Petersen<br />

all das nicht zeigt, weckt sie mit<br />

ihren subtilen Bildern Assoziationen<br />

oder Emotionen in uns.<br />

Mit »Pyrographie«, der dritten 2011<br />

begonnenen Sequenz, ist sie einem physikalisch-optischen<br />

Phänomen auf der<br />

Spur. Die Bildidee basiert technisch auf<br />

einer Art Photogramm, also einer Photographie<br />

ohne Kamera: Das lichtempfindliche<br />

Papier wird in einem abgedunkelten<br />

Schießstand zunächst direkt parallel<br />

neben die Mündung einer Pistole gehalten<br />

<strong>und</strong> dann durch die Stichflamme des<br />

Mündungsfeuers belichtet. Nicht jede<br />

Aufnahme, nicht jedes Belichtungsexperiment<br />

gelingt. Bei der Belichtung entstehen<br />

abstrakt-amorphe, meist langgezogene<br />

Formen, <strong>und</strong> durch das Fehlen<br />

jeglicher Abbildungskonventionen wird<br />

die Bildauswahl zu einem zweiten, dem<br />

Werkprozess gleichberechtigten künstlerischen<br />

Akt. Alle Bilder sind aufgr<strong>und</strong><br />

der gewählten Produktionsweise Unikate;<br />

zudem erzeugt jeder Schuss, selbst<br />

mit gleicher Waffe <strong>und</strong> Munition, unter-<br />

schiedliche, mal kompakte, mal filigrane<br />

Außenformen – <strong>und</strong> hinterlässt haptisch<br />

erfahrbare Abris- <strong>und</strong> Schmauchspuren.<br />

Das faszinierende Projekt ist noch nicht<br />

abgeschlossen, momentan entwickelt<br />

sie es mit Farbphotopapier weiter.<br />

Helena Petersen wird, wie wir hier sehen<br />

<strong>und</strong> wie sie selbst sagt, angezogen von<br />

Grenzbereichen des Mediums Photographie<br />

<strong>und</strong> Phänomenen, die sonst<br />

unbeachtet bleiben. Dabei entscheidet<br />

sie sich für das Prinzip der Serie, um<br />

zu fokussieren <strong>und</strong> aufzudecken. Sie<br />

erzählt – stets ohne Auftrag, vielmehr<br />

aus freiem Antrieb – Geschichten in Bildern.<br />

Und diese Narration ist sehr eigenständig;<br />

so liegt zwischen den beiden<br />

Porträts der Kämpfer das eigentliche<br />

Geschehen, ebenso jenseits ihrer atmosphärischen<br />

Dokumentation des der<br />

Zerstörung geweihten Dorfes. Formal<br />

<strong>und</strong> phototechnisch außergewöhnlich,<br />

beschreitet sie auch inhaltlich einen<br />

individuellen Weg: Das Dokumentarische,<br />

bis in die zeitgenössische Photographie<br />

eine wichtige Kategorie, wird<br />

bis 20. Januar 2012<br />

Investionsbank Berlin<br />

Atrium<br />

B<strong>und</strong>esalle 210<br />

10719 Berlin-Wilmersdorf<br />

Mo – Fr 9 – 18 Uhr<br />

brennpunkt 1/2012<br />

Galerien<br />

© Helena Petersen, aus »Free Fighters«, 2009<br />

(Original in Farbe)<br />

von ihr subjektiv umgewertet.<br />

Matthias Harder<br />

Zur Ausstellung erscheint ein Katalog.<br />

Ebenfalls ausgestellt wird Clara Bahlsen,<br />

die den Anerkennungspreis von der Jury<br />

erhielt.<br />

23


Galerien<br />

facetten des seins<br />

Wer sind wir? Leidenschaftlicher Künstler?<br />

Ehemaliger DDR-Bürger mit einer<br />

Sympathie für Punk? Sind wir hier richtig?<br />

Der neue Nachbar? Wahrscheinlich<br />

sind wir heute dies <strong>und</strong> morgen<br />

das. Mal ist eine Facette wichtiger, mal<br />

eine andere.<br />

Die Absolventen des Reportagelehrgangs<br />

2010-2011 des Photocentrums<br />

am Wassertor der VHS Friedrichhain-<br />

Kreuzberg erk<strong>und</strong>en die Lebenswirklichkeit<br />

mit ihrer Vielzahl an Geschichten,<br />

Biographien <strong>und</strong> Lebensentwürfen.<br />

So vielfältig wie die verschiedenen<br />

»facetten des seins« sind auch die einzelnen<br />

Themen: von der Beschäftigung mit<br />

der eigenen Geschichte <strong>und</strong> der eigenen<br />

Herkunft, über die Beziehung von Menschen<br />

zu ihren Lebensräumen, bis zur<br />

Auseinandersetzung mit Krankheit <strong>und</strong><br />

Tod, die wir gerne aus unserem alltäglichen<br />

Leben ausklammern.<br />

© Dennis Schrader, »Zeitzeugen«<br />

Die Reportagen bieten Einblicke in nahe<br />

<strong>und</strong> ferne, in bekannte <strong>und</strong> unbekannte<br />

Welten. Sie zeigen Menschen, die<br />

sich mal auf der Gewinnerseite, mal<br />

alt, mal krank, mal hin- <strong>und</strong> hergerissen<br />

zwischen dem Hier <strong>und</strong> Dort, dem<br />

Gestern <strong>und</strong> Heute fühlen.<br />

24 brennpunkt 1/2012<br />

© My-Linh Kunst, »Waiting«<br />

© Sarah Marsh, »Reflections«<br />

My-Linh Kunst porträtiert den fünfjährigen<br />

Alon, der im Deutschen Herzzentrum<br />

Berlin auf eine Herztransplantation<br />

wartet.<br />

Sarah Marsh begleitet einen New Yorker<br />

Musiker <strong>und</strong> Darsteller, der die Offenheit<br />

der Berliner Kreativszene genießt.<br />

Das Leben, ein Spiel? Sylvana Kretschmar<br />

zeigt den Entstehungsprozess von<br />

Identitäten: Sie beobachtet den Stabpuppenbauer<br />

Georg Jensich dabei, aus<br />

einfachsten Materialien etwas absolut<br />

Lebendiges zu erschaffen.<br />

Dieter Titz porträtiert den ghanaischen<br />

Maler Dennis Doe Tamakloe, der in<br />

seiner Arbeit Berliner Graffiti-F<strong>und</strong>stücke<br />

mit traditioneller afrikanischer<br />

Kunst verbindet.<br />

Agata Szymanska-Medina porträtiert<br />

einen palästinensischen Austauschstudenten<br />

auf seinen Wegen durch Berlin.<br />

Sigrid Oberer wirft einen kritischen<br />

Blick auf die deutsche Integrationspolitik.<br />

Kleine Interviews <strong>und</strong> Fotos geben einen<br />

Einblick in unterschiedliche Analysen<br />

von sogenannten »Deutschen« <strong>und</strong><br />

»Nicht-Deutschen«.


© Agata Szymanska-Medina, »Auf der Suche«<br />

© Sylvana Kretschmar, »Das Leben, ein Spiel?«<br />

Dennis Schrader begleitet Zeitzeugen<br />

der Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen.<br />

Die ehemaligen Häftlinge der<br />

Untersuchungshaftanstalt der Staatssicherheit<br />

halten mit Hilfe von Besucherführungen<br />

die Erinnerung an das Unrechtsregime<br />

der DDR wach <strong>und</strong> wirken<br />

einer Verklärung der DDR-Zeit entgegen.<br />

Florian Boillot beobachtete die<br />

rechtspopulistische Bürgerbewegung<br />

»Pro Deutschland« sowohl bei ihren<br />

öffentlichen Auftritten als auch in ihrer<br />

Parteizentrale in Marzahn-Hellersdorf.<br />

Leben in der Britzer Hufeisensiedlung.<br />

Katja Münz betrachtet die Beziehung<br />

von Menschen zu ihrer Umgebung. Wie<br />

spiegelt sich unsere Identität in den<br />

materiellen Dingen, mit denen wir uns<br />

umgeben? Was macht die Orte aus, an<br />

denen wir unser Leben einrichten <strong>und</strong><br />

darauf zurückblicken?<br />

Anja Kehmeier porträtiert Ursula Ziebarth,<br />

Schriftstellerin <strong>und</strong> Sammlerin,<br />

die statt Geschirr Volkskunst in ihren<br />

Küchenschränken lagert. Liebevoll aus<br />

allen Ländern der Welt gesammelt <strong>und</strong><br />

akribisch katalogisiert, stapeln sich<br />

Schätze <strong>und</strong> Kuriositäten in ihrer Wohnung<br />

<strong>und</strong> acht Kellern.<br />

7. Januar bis 10. Februar 2012<br />

alte feuerwache / projektraum<br />

Marchlewskistraße 6<br />

10243 Berlin-Friedrichshain<br />

Di – Do 14 – 19 Uhr<br />

Fr – Sa 14 – 20 Uhr<br />

brennpunkt 1/2012<br />

Galerien<br />

© Sigrid Oberer, »Integration? Nein, Danke!«<br />

Ausstellung <strong>und</strong> der Katalog stellen die<br />

Abschlussarbeit des Lehrgangs Reportagefotografie<br />

dar. Die Arbeiten entstanden<br />

unter der Leitung der Bildjournalistin<br />

<strong>und</strong> Bildredakteurin Ann-Christine<br />

Jansson.<br />

Rahmenprogramm:<br />

Donnerstag, 12. Januar 2012, 19 Uhr<br />

»Fotografie Gestern <strong>und</strong> Heute«<br />

»Radfahrer« Dokumentarfilm über den<br />

preisgekrönten Ostkreuz-Fotografen<br />

Harald Hauswald.<br />

Im Anschluss Gespräch mit Harald<br />

Hauswald <strong>und</strong> der schwedischen<br />

Fotojournalistin Ann-Christine Jansson.<br />

Eintritt frei.<br />

Donnerstag, 26. Januar 2012, 19 Uhr<br />

»Fotografischer Alltag in<br />

Konfliktgebieten«.<br />

Gespräch mit dem dpa-Fotojournalisten<br />

Maurizio Gambarini.<br />

Eintritt frei.<br />

Vernissage:<br />

Freitag, 6. Januar 2012, um 19 Uhr<br />

mit Musik von Roland Satterwhite<br />

25


Galerien<br />

Kurt Wyss<br />

»Begegnungen«<br />

Kurt Wyss, ein w<strong>und</strong>erbarer Fotograf<br />

Von den Einwohnern der Stadt Basel<br />

habe ich eine ganz bestimmte Meinung:<br />

nämlich dass sie ganz erstaunliche<br />

Menschen sind. Zwar soll man sich<br />

vor zu schnellen Verallgemeinerungen<br />

hüten, aber trotzdem muss ich sagen,<br />

dass alle Basler, die ich gekannt habe<br />

(<strong>und</strong> das waren nicht wenige), erstaunliche<br />

Menschen waren – <strong>und</strong> Kurt Wyss<br />

gehört auch dazu.<br />

Was seine physische Erscheinung<br />

angeht, so würde ich ihn als schlank<br />

bezeichnen, als einen Menschen mit<br />

raschen Bewegungen <strong>und</strong> einem in<br />

hohem Maße Ehrlichkeit ausstrahlenden<br />

Gesichtsausdruck. Was diese Ausstrahlung<br />

angeht, so würde ich sagen,<br />

dass man sie – zumindest außerhalb<br />

Basels – doch recht selten antrifft, <strong>und</strong><br />

was die Ehrlichkeit <strong>und</strong> die Suche nach<br />

Wahrheit als Charaktereigenschaften<br />

bei Künstlern angeht, so würde ich im<br />

Gegensatz zu dem, was man hin <strong>und</strong><br />

wieder hört, sagen, dass diese Eigenschaften<br />

absolut kennzeichnend für<br />

die gesamte Persönlichkeit sind. Wirkliche<br />

Kunstwerke können nur dort entstehen,<br />

wo das künstlerische Schaffen<br />

von Wahrheit durchdrungen ist. Und<br />

alle, die nicht von vornherein davon<br />

überzeugt sind, haben von wirklichem<br />

künstlerischem Schaffen nur eine<br />

geringe, <strong>und</strong> klar herausgesagt, falsche<br />

Vorstellung.<br />

Was man an Kurt Wyss zuerst wahrnimmt,<br />

ist sein schlanker Körper, dessen<br />

Glieder sich raumumfassend zu verlängern<br />

<strong>und</strong> wie mit Suchern ausgerüstet<br />

scheinen, die er mit den Händen formt<br />

<strong>und</strong> knetet <strong>und</strong> dann ganz unvermittelt<br />

zum Auge führt. Bei anderen Fotografen<br />

beobachtet man bestimmte Handgriffe,<br />

die in einer bestimmten Reihenfolge<br />

ablaufen, Berechnung der Entfernung,<br />

Einschätzung der Lichtverhältnisse <strong>und</strong><br />

Objektiveinstellung – nichts von alledem<br />

sieht man jedoch bei ihm.<br />

Die Kamera <strong>und</strong> sein Auge verschmelzen<br />

zu einem Ganzen, zu einer einzi-<br />

26 brennpunkt 1/2012<br />

© Kurt Wyss, »Jean Dubuffet«, 1974<br />

© Kurt Wyss, »Andy Warhol«, Zürich 1978<br />

gen Handlung, die sich nicht in einzelne<br />

Vorgänge gliedert. Ganz plötzlich klettert<br />

er auf einen gerade verfügbaren<br />

Gegenstand, stellt einen Tisch auf eine<br />

Kiste, einen Stuhl auf den Tisch, stützt<br />

sich mit dem Fuß am Fenster ab, <strong>und</strong><br />

schon steht er da, den Hals nach vorn<br />

gestreckt, den Kopf nach unten gebeugt,<br />

das Auge am Sucher <strong>und</strong> drückt fünf,<br />

zehn, nein zwanzig Mal hintereinander<br />

auf den Auslöser, greift geschickt nach<br />

einer anderen Kamera, dreht sich wie<br />

ein Kreisel um die eigene Achse <strong>und</strong><br />

hat schon wieder zwanzig Mal ausgelöst.<br />

Er springt auf die andere Seite <strong>und</strong><br />

beginnt von Neuem.<br />

Der Beobachter kann nicht umhin,<br />

an die Kosten für das Filmmaterial zu<br />

denken, aber darüber macht sich Kurt<br />

Wyss scheinbar gar keine Sorgen. Er ist<br />

völlig in Trance, ist nicht mehr Fotograf,<br />

sondern ganz Bild, losgelöst von allen<br />

Ketten, auf der Jagd in freier Wildbahn.<br />

Und was geschieht dann? Ganze Nächte,<br />

stelle ich mir vor, verbringt er mit dem<br />

Entwickeln der Filme, der Prüfung der<br />

Negative, der Herstellung verschiedenster<br />

Abzüge – ein Spiel mit Kontrasten<br />

– auf unterschiedlichem Papier.<br />

Eine gewaltige Arbeit, stelle ich mir vor,<br />

deren Ergebnis sich in einer ungeahnten<br />

Vielfalt verblüffender, bew<strong>und</strong>ernswert<br />

genialer, aus unerwartetem Blickwinkel<br />

aufgenommener Fotos von erstaunlicher<br />

technischer Perfektion widerspiegelt,<br />

die er in Alben zusammenfasst. In<br />

diesen Alben verschmelzen einige flüchtige<br />

Augenblicke, denen niemand außer<br />

ihm Beachtung geschenkt hätte, die er<br />

jedoch mit überraschender Schnelligkeit<br />

wahrzunehmen <strong>und</strong> einzufangen<br />

wusste, zu einem eindrucksvollen dramatisch<br />

wirklichkeitsnahen Gesamtbild.<br />

Jean Dubuffet<br />

bis 14. Januar 2012<br />

Johanna Breede<br />

PHOTOKUNST<br />

Fasanenstraße 69<br />

10719 Berlin-Charlottenburg<br />

Di – Fr 11 – 18 Uhr<br />

Sa 11 – 16 Uhr


Hannes Kilian<br />

»Bei Nacht«<br />

In seiner Arbeit als Photojournalist,<br />

Reise- <strong>und</strong> Portraitphotograph sowie<br />

Photograph des legendären Stuttgarter<br />

Balletts hat Hannes Kilian auf unverwechselbare<br />

Weise Dokumentarisches,<br />

menschlich Berührendes <strong>und</strong> künstlerisch<br />

Gültiges vereint. Mit Gespür <strong>und</strong><br />

Präzision, die technischen <strong>und</strong> ästhetischen<br />

Möglichkeiten des Mediums Photographie<br />

voll ausschöpfend, erkannte<br />

er das ausdrucksvolle Motiv im Alltäglichen<br />

<strong>und</strong> scheinbar Zufälligen. Dabei<br />

ist Kilians Sicht durchaus subjektiv.<br />

Beleuchtung, Blickwinkel <strong>und</strong> Bildausschnitt<br />

spiegeln seine ganz persönliche<br />

Wahrnehmung <strong>und</strong> Empfindung,<br />

enthalten mitunter eine Wendung ins<br />

Unwirkliche wie etwa in »Fresswelle«<br />

(1956) das Panorama des üppig beladenen<br />

Buffets. Über mehrere Jahrzehnte<br />

erzählen seine Bilder von deutscher<br />

Geschichte, vom Leben in Kriegstrümmern,<br />

von Neuanfang <strong>und</strong> Wirtschaftsw<strong>und</strong>er,<br />

von großen Gesellschaften <strong>und</strong><br />

kleinen Leuten.<br />

In der Wartehalle eines Bahnhofes:<br />

Unter einer geheimnisvoll schimmernden<br />

Uhr sitzt eine Gruppe von Wartenden<br />

im diffusen Halbdunkel, der Blick<br />

wird zunächst von der aufgeschlagenen<br />

Zeitung im Vordergr<strong>und</strong> eingefangen.<br />

Doch der eigentliche Fokus des Photographen<br />

liegt auf dem dahinter sitzenden<br />

Mann, seinen gefalteten Händen<br />

<strong>und</strong> dem ernst in die Ferne schauenden<br />

Gesicht. Am linken Bildrand erscheint<br />

silhouettenhaft eine schwarze Gestalt<br />

vor einer Lichttafel. Hannes Kilian<br />

liebte die Magie der Nacht, die die<br />

Menschen verändert <strong>und</strong> auf besondere<br />

Weise mit ihrer Umgebung verschmelzen<br />

läßt. Seine auf Spannungen<br />

<strong>und</strong> Kontrasten aufbauende, oft<br />

hintergründige Bildsprache fand in der<br />

Nachtaufnahme ihre wohl charakteristischste<br />

Ausprägung. Hell <strong>und</strong> Dunkel<br />

treffen unvermittelt aufeinander, rhythmische<br />

oder lineare Spuren aus Licht<br />

schaffen Bewegung <strong>und</strong> Raumtiefe,<br />

während Schwarz als Kompositionselement<br />

eigenständige Ausdruckskraft<br />

entfaltet. In der Nacht kehrt sich die<br />

21. Januar bis 24. März 2012<br />

Johanna Breede<br />

PHOTOKUNST<br />

Fasanenstraße 69<br />

10719 Berlin-Charlottenburg<br />

Di – Fr 11 – 18 Uhr<br />

Sa 11 – 16 Uhr<br />

brennpunkt 1/2012<br />

Galerien<br />

© Hannes Kilian, »Lichtturm des Pavillon de la Marine Marchande«, Weltausstellung, Paris 1937<br />

Tageswirklichkeit um, Kilian entdeckt<br />

die Elemente des Phantastischen, spitzt<br />

sie bildnerisch zu, ohne pittoresk zu<br />

werden, etwa in der futuristisch anmutenden<br />

Lichterscheinung des »Pavillon<br />

de la Marine Marchande« auf der Pariser<br />

Weltausstellung 1937 oder in den<br />

geisterhaften Passanten vor der Kulisse<br />

leuchtender Reklameschriften in »München«<br />

(1964). Überhaupt spielt Schrift<br />

in den Bildern von Hannes Kilian eine<br />

bezeichnende Rolle, sei es im intimen<br />

Blick auf den nächtlichen Zeitungsleser,<br />

sei es als prägendes Element im urbanen<br />

Straßenbild, sei es als irritierendes, eine<br />

Fülle von Assoziationen weckendes<br />

Moment, das erst im Augenblick künstlerischer<br />

Brechung durch die Kamera<br />

wahrgenommen wird. Insbesondere in<br />

den Nachtaufnahmen zeigt sich, dass<br />

Hannes Kilian mehr war als ein Chonist.<br />

Er sah die großen Zusammenhänge,<br />

das Lebensgefühl seiner Zeit ebenso wie<br />

die leisen Irritationen <strong>und</strong> Widersprüchlichkeiten,<br />

Augenblicke, die andere verpassten.<br />

(Susanne Schmid)<br />

27


Galerien<br />

Emanuel Raab<br />

»Winterwald«<br />

Die stillen, fast monochromen Fotoarbeiten<br />

der neuen Serie Winterwald von<br />

Emanuel Raab zeigen den Formenreichtum<br />

eines Naturraumes, der sich erst im<br />

winterlichen Erscheinungsbild offenbart.<br />

Die Reduktion der Darstellung verstärkt<br />

die Konzentration auf die ästhetische<br />

Konstruktion der Bildelemente, die bis<br />

zur Abstraktion geraten. Ein Gewirr aus<br />

wild wuchernden Ästen <strong>und</strong> Zweigen<br />

fügt sich zu einem Muster, das sich wie<br />

Haargeflecht oder Spinnweben über<br />

die dahinter liegende Waldlandschaft<br />

spannt. Die feingliedrigen Linien verbinden<br />

sich wie eine filigrane Zeichnung<br />

zur detailreichen Oberflächenstruktur,<br />

das Chaos fügt sich nach längerem<br />

Hinschauen zur Ordnung. Bei aller<br />

Sachlichkeit dringt in den subtil komponierten<br />

Waldbildern eine romantisch<br />

geprägte Auffassung von Natur durch.<br />

Indem die fotografische Gestaltung<br />

malerischen Prämissen folgt, wird die<br />

Natur als geheimnisreicher Ort beschrieben<br />

<strong>und</strong> der Wald zur beseelten Landschaft<br />

transformiert. Wald ist in Deutschland<br />

nicht einfach ein Naturraum sich<br />

wandelnder gesellschaftlicher <strong>und</strong> ökonomischer<br />

Nutzungen <strong>und</strong> Interessen,<br />

sondern ein Identitätssymbol schlechthin.<br />

Kaum ein deutsches Märchen, eine<br />

Volkserzählung oder eine deutsche<br />

Sage ohne Wald. Vor allem die Maler<br />

<strong>und</strong> Dichter der Romantik erhoben den<br />

deutschen Wald zur Seelenlandschaft<br />

<strong>und</strong> beschworen das Bild unberührter,<br />

geheimnisreicher Natur. Der Wald<br />

wurde zum Ort, in dem sich die Natursehnsucht<br />

der Städter vermischte mit<br />

dem Ursprungsmythos von <strong>und</strong>urchdringlichen<br />

Urwäldern. Trotz der realen<br />

Bedrohung der Wälder durch Waldsterben<br />

<strong>und</strong> wachsende kommerzielle Interessen<br />

hält sich die Vorstellung vom Wald<br />

als heilige Stätte <strong>und</strong> als Zufluchtsort für<br />

Einsamkeit <strong>und</strong> Selbstfindung.<br />

Emanuel Raabs Serie Winterwald knüpft<br />

an diese ambivalenten Naturvorstellungen<br />

an. Seine Bilder einer scheinbar<br />

<strong>und</strong>urchdringlichen Natur wirken wie<br />

der Realität gänzlich entrückt <strong>und</strong> voller<br />

Geheimnis. Eine melancholische Poesie<br />

überzieht die winterlichen Ansichten, in<br />

28 brennpunkt 1/2012<br />

Emanuel Raab, Winterwald #22, 2009, Fine Art Pigment Print, 45 x 60 cm © the artist<br />

welchen der Keim des nächsten Erwachens<br />

nahezu unbemerkt unter der<br />

Oberfläche schlummert. Gleichzeitig<br />

scheint im Dickicht der Natur eine<br />

latente Bedrohung herauf, die nicht mit<br />

Bestimmtheit zu verorten ist. Hier kann<br />

man sich verirren, manchmal auch verloren<br />

gehen. Nichts ist nach menschlichen<br />

Bedürfnissen geordnet, nichts<br />

weist einen Weg. Das Ursprüngliche<br />

ist in seiner archaischen Präsenz immer<br />

auch mächtig <strong>und</strong> der menschlichen<br />

Dimension entwachsen. In der Tiefe<br />

des Waldes angekommen, werden die<br />

kollektiven Bilder seiner mythischen<br />

Geschichte unwillkürlich lebendig.<br />

Ausgehend von seinem fotografischen<br />

Entwurf stimmungsvoller Landschaftsbilder<br />

entwirft er eine Art Typologie des<br />

Naturhaften. In der Betrachtung der winterlichen<br />

Landschaft offenbart sich ein<br />

überraschend detailreiches Formen- <strong>und</strong><br />

Strukturgefüge, welches das Wesenhafte<br />

des Waldes offenbart. Hinter der scheinbaren<br />

Monotonie von unbelaubtem Astwerk,<br />

Unterholz <strong>und</strong> Gestrüpp entfaltet<br />

sich der überwältigende Formenreichtum<br />

der Natur, die ihrer eigenen Logik<br />

<strong>und</strong> Gesetzmäßigkeit folgt. Der populären<br />

Auffassung von ‚toter Natur’ stellt<br />

der Künstler die nahezu unerschöpfliche<br />

Vielfalt organischer Erscheinungsformen<br />

gegenüber <strong>und</strong> entführt den Betrachter<br />

auf diese Weise im doppelten Sinne in<br />

eine verborgene Sphäre einer ihm vermeintlich<br />

bekannten Welt.<br />

Emanuel Raab studierte Fotografie <strong>und</strong><br />

Film an der Hochschule für Gestaltung<br />

in Darmstadt. Seit 1994 beteiligte er<br />

sich an zahlreichen Einzelausstellungen<br />

im In- <strong>und</strong> Ausland (u.a. 2011, MenschenBild,<br />

Museum Wiesbaden; 2007,<br />

heimat.de, Goethe-Institute London<br />

<strong>und</strong> Neapel; 2004, Nachtland, Kunsthalle<br />

Bielefeld; 2002, heimat.de, Landesmuseum<br />

Oldenburg, Kunstverein<br />

Ulm; 1999, Blick-Wechsel, Frankfurter<br />

Kunstverein; 1996, Wegen Umbauten<br />

geschlossen, Schirn Kunsthalle) sowie<br />

an verschiedenen Gruppenausstellungen<br />

(u.a. 2008, Vertrautes Terrain, ZKM<br />

Zentrum für Kunst <strong>und</strong> Medientechnologie<br />

Karlsruhe; 2007, OWL1, MARTa<br />

Museum, Herford; 2005, Landschaft<br />

als Metapher, Ursula Blickle Stiftung;<br />

2002, Heimat, Kunsthaus Dresden;<br />

1996, Deutschland erotisch, Museum<br />

für Kunst <strong>und</strong> Gewerbe, Hamburg).<br />

Seit 2001 lehrt er als Professor an der<br />

Fachhochschule Bielefeld Fotografie<br />

<strong>und</strong> Bildmedien.<br />

21. Januar bis 29. April 2012<br />

Alfred Ehrhardt Stiftung<br />

Auguststraße 75<br />

10117 Berlin-Mitte<br />

Di – So 11 – 18 Uhr<br />

Do 11 – 21 Uhr


Dvorah Kern<br />

»Still«<br />

Die Fotografin Dvorah Kern spiegelt<br />

sich in ihren Bildern, sie verarbeitet<br />

mit ihrer Hilfe Gefühle <strong>und</strong> Gedanken.<br />

Beim Fotografieren kommt sie zur Ruhe.<br />

Die Umwelt mit ihren Informationen<br />

<strong>und</strong> Reizen ist für Kern oft nur schwer<br />

zu ertragen - gerade in einer Stadt wie<br />

Berlin. Eine Möglichkeit des Ausgleichs<br />

ergibt sich für sie bei ihren Reisen aufs<br />

Land, nach Thüringen, Sachsen, auch<br />

mal nach Island. Dort, wo »eigentlich<br />

nichts ist«, findet Dvorah Kern nicht nur<br />

Ruhe, sondern entdeckt auch Feinheiten<br />

in den Strukturen, in denen sich Natur »zu<br />

erkennen gibt«. Ein weiterer, vielleicht<br />

auch der wichtigere Teil ihrer aktuellen<br />

Arbeit sind Portraits ihrer Schwester,<br />

die die Entwicklung eines Kindes zum<br />

jungen Mädchen dokumentieren. Die<br />

Bilder sprechen von hoher Reife der<br />

Darstellung - sensibel <strong>und</strong> mit enormer<br />

Ausdruckskraft.<br />

© Dvorah Kern<br />

© Dvorah Kern<br />

© Dvorah Kern<br />

© Dvorah Kern<br />

Vernissage:<br />

12. Januar 2012, 19 Uhr<br />

13. Januar bis 17. Februar 2012<br />

Fotogalerie Friedrichshain<br />

Helsingforser Platz 1<br />

10243 Berlin-Friedrichshain<br />

Di, Mi, Fr, Sa 13 – 18 Uhr<br />

Do 10 – 18 Uhr<br />

brennpunkt 1/2012<br />

Galerien<br />

29


Galerien<br />

Constantin Köster<br />

Franca Wohlt<br />

Kathrin Tschirner<br />

Oliver Jacob<br />

Thomas Graichen<br />

Wenke Seemann<br />

»Versunken«<br />

Die aff Galerie präsentiert eine Gruppenausstellung<br />

zum Thema »Versunken«,<br />

in der sich sechs Mitglieder des<br />

atelier freier fotografen der Thematik<br />

mit ganz unterschiedlichen Ideen <strong>und</strong><br />

Blickwinkeln widmen.<br />

Mit der Serie »Einkehr« hat der Berliner<br />

Fotograf Constantin Köster einen<br />

kurzen zeitlichen Ausschnitt aus einer<br />

Situation in einem Museum eingefangen.<br />

Eine Besucherin sitzt versunken am<br />

Rand der r<strong>und</strong>en Eingangshalle <strong>und</strong> um<br />

sie herum entfaltet sich das Geschehen<br />

der anderen Museumsbesucher. Die Sitzende<br />

wirkt einsam <strong>und</strong> entrückt, ist aber<br />

doch Teil des Ganzen. Die Empfindungen<br />

in der Kunst scheinen in ihr zusammenzufließen.<br />

Die anderen Museumsbesucher<br />

machen sich dagegen auf den<br />

Weg, die Kunstwerke erst noch zu erfahren.<br />

Dadurch kann die Serie auch als<br />

Metapher für die Spannung zwischen<br />

Versenkung <strong>und</strong> Aufbruch in der Kunst<br />

betrachtet werden.<br />

Franca Wohlts Polaroids entstanden in<br />

der Wohnung eines demenzkranken<br />

Familienmitgliedes. Sie konzentrierte<br />

sich dort auf einzelne Details, die Spuren<br />

des Vergessens <strong>und</strong> der Gleichgültigkeit<br />

tragen. Die entstandenen Momentaufnahmen<br />

spiegeln Einsamkeit <strong>und</strong> Orientierungslosigkeit<br />

wider, welche für die<br />

Künstlerin beim Betrachten der Wohnräume<br />

spürbar wurde.<br />

Kathrin Tschirner hat in ihrer Arbeit<br />

»Сън« (Schlaf) ein verlassenes Dorf in<br />

Bulgarien aufgespürt, das nur schwer<br />

zugänglich ist <strong>und</strong> den Anschein<br />

30 brennpunkt 1/2012<br />

© Wenke Seemann<br />

© Thomas Graichen<br />

© Oliver Jacob<br />

erweckt, schon seit Jahrzehnten versunken<br />

in der Zeit zu existieren. Auch<br />

wenn die Todesanzeigen an den Türen<br />

Aufschluss über das Ableben der letzten<br />

Besitzer geben, hat man das Gefühl, in<br />

einen privaten Raum einzudringen. Die<br />

Häuser <strong>und</strong> die Einrichtung umgibt die<br />

Aura des Schlafes, so als ob der Raum<br />

nur auf die Rückkehr seiner Bewohner<br />

wartet. Jedoch die Natur hat sich die<br />

Räume wieder einverleibt <strong>und</strong> verbindet<br />

sich nach <strong>und</strong> nach mit den Alltagsgegenständen.<br />

Oliver Jacob nähert sich dem Thema<br />

»Versunken« im weitesten Sinne. Menschen,<br />

Kulturen oder Dinge versinken<br />

in Gedanken, in Vergessenheit oder im<br />

Sand auf dem Gr<strong>und</strong> des Meeres. Versinken<br />

bedeutet somit auch einen Übergang<br />

von einem in einen anderen, meist<br />

entgegengesetzten Zustand. Die kleine<br />

Serie von Jacob zeigt drei Bilder: ein<br />

Bett, kurz vor der nächtlichen Ruhe, ein<br />

Tunnel, der uns vom Tageslicht in die<br />

Dunkelheit führt <strong>und</strong> eine nächtliche<br />

Szene einer tagsüber belebten Marktstraße.<br />

Ein grüner Farbton, entstan-


© Kathrin Tschirner<br />

den durch künstliches Licht, bildet den<br />

äußeren Rahmen der Serie.<br />

Der Berliner Fotograf Thomas Graichen<br />

zeigt eine Vorschau seines Projektes<br />

»Die stille Stadt«, das in naher<br />

Zukunft zusammen mit Kurzgeschichten<br />

von Ann-Christin Kumm in Buchform<br />

erscheinen wird. Dabei bilden die<br />

Fotografien einer im Schnee versunkenen<br />

Stadt die Kulisse, in der die Erzählungen<br />

handeln. Die schwarzweißen<br />

Bilder sind bestimmt von Weite, Leere<br />

<strong>und</strong> der Kälte des Berliner Winters,<br />

betören aber gleichzeitig auch mit der<br />

Schönheit <strong>und</strong> Ruhe des alles überdeckenden<br />

Schnees.<br />

Die Fotografin Wenke Seemann zeigt<br />

mit ihrer Arbeit »Loseblattsammlung«<br />

den Versuch Wegmarken zu finden.<br />

Tagebuchblätter. Manches war wichtig<br />

an diesen Tagen, manches schön, manches<br />

quälend. Wiederbetrachtet sind die<br />

© Constantin Köster<br />

© Franca Wohlt<br />

brennpunkt 1/2012<br />

Galerien<br />

flüchtigen Bruchstücke zu Erinnerungen<br />

geworden. Zu Gedanken, die nun seltsam<br />

peinlich erscheinen. Zu Schmerzen,<br />

die sich neuerdings ertragen lassen.<br />

Die Blume, die ihre Schönheit unterwegs<br />

nicht eingebüßt hat. Einige Blätter<br />

wollen überschrieben werden, andere<br />

sind klüger als ihr Autor.<br />

bis 15. Januar 2012<br />

aff Galerie<br />

Kochhannstraße 14<br />

10249 Berlin-Friedrichshain<br />

Sa + So 14 – 17 Uhr<br />

www.aff-berlin.com<br />

31


Galerien<br />

Claudius Schulze<br />

»Socotra – Eine Insel«<br />

Mit seiner Arbeit »Socotra« nimmt Claudius<br />

Schulze den Betrachter mit auf eine<br />

visuelle Reise zu einer Insel im Indischen<br />

Ozean, die unter zahllosen Sternen<br />

des Tropenhimmels <strong>und</strong> abgeschieden<br />

in gefährlichen Gewässern liegt.<br />

Die Fotografien lassen die Entbehrungen<br />

<strong>und</strong> Bedrohungen auf einem Eiland<br />

erahnen, das von Seeräubern auf der<br />

Suche nach Beuteschiffen heimgesucht<br />

wird. Die Bilder erk<strong>und</strong>en einen fantastischen<br />

aber auch mörderischen Ort,<br />

überwuchert mit w<strong>und</strong>erlichen Pflanzen,<br />

bewohnt von Einheimischen <strong>und</strong><br />

von Scheichs regiert.<br />

Inseln waren nie nur ein »ringsum von<br />

Wasser (…) umgebenes Stück Land«<br />

(Der Duden) – vielmehr ist der Begriff mit<br />

Vorstellungen, Gefühlen <strong>und</strong> Mythen<br />

geladen. Wir sehen Eilande durch das<br />

Prisma der Erzählungen – fiktiv oder<br />

sachlich – jener Abenteurer <strong>und</strong> Seefahrer,<br />

die aufbrachen nach ihnen zu<br />

suchen, sie zu erobern <strong>und</strong> zu besiedeln.<br />

Socotra stellt Fragen über die<br />

Geschichte von Abenteuer <strong>und</strong> Erk<strong>und</strong>ung.<br />

Die Bilder von Claudius Schulze<br />

handeln nicht nur von der jemenitischen<br />

Insel Socotra – sondern auch<br />

von der Kulturtradition, von Mythen<br />

<strong>und</strong> Klischees die in unseren Köpfen<br />

mit der Idee Insel verb<strong>und</strong>en sind.<br />

Claudius Schulze zeigt die Bilder von<br />

der Insel Socotra erstmalig in Ausstellungsform<br />

in Deutschland. Die Arbeit<br />

ist auch als Fotobuch mit zahlreichen<br />

Texten erschienen. Das Buch ist in der<br />

Galerie erhältlich oder kann über das<br />

Internet (www.lonely-island.com) bezogen<br />

werden.<br />

Claudius Schulze kam nach dem Studium<br />

der Politik- <strong>und</strong> Islamwissenschaften<br />

in Hamburg <strong>und</strong> Istanbul zur Fotografie.<br />

Nach einem Master in Dokumentarfotografie<br />

<strong>und</strong> Fotojournalismus lebt<br />

er nun als freier Fotograf in Brüssel <strong>und</strong><br />

Istanbul.<br />

32 brennpunkt 1/2012<br />

© Claudius Schulze<br />

© Claudius Schulze<br />

© Claudius Schulze<br />

Vernissage:<br />

27. Januar 2012, 19 Uhr<br />

28. Januar bis 19. Februar 2012<br />

aff Galerie<br />

Kochhannstraße 14<br />

10249 Berlin-Friedrichshain<br />

Sa + So 14 – 17 Uhr<br />

www.aff-berlin.com


Aleksandra Patova<br />

Alex Veledzimovich<br />

Tina Kazakhishvili<br />

»Ex oriente lux«<br />

Im März 2012 beginnt die aff Galerie<br />

eine neue Ausstellungsreihe unter dem<br />

Namen »Ex oriente lux«. Mit diesen<br />

im Jahresrhythmus geplanten Ausstellungen<br />

blicken wir nach Osteuropa<br />

<strong>und</strong> werden Arbeiten von interessanten<br />

<strong>und</strong> vielversprechenden Fotografen<br />

dieser Region vorstellen. Den Anfang<br />

machen drei Fotografen: Aleksandra<br />

Patova aus Bulgarien, Alex Veledzimovich<br />

aus Weißrussland <strong>und</strong> Tina Kazakhishvili<br />

aus Georgien. Alle drei vereint<br />

eine sehr persönliche <strong>und</strong> einfühlsame<br />

Art Menschen aus ihrem Umfeld zu portraitieren.<br />

Aleksandra Patova präsentiert ihre Serie<br />

»Silence«. Über diese <strong>und</strong> ihre Art zu<br />

arbeiten sagt sie: »In meinem Leben passiert<br />

Fotografie einfach, sie entsteht in<br />

einem Moment, ohne daß ich dabei viel<br />

darüber nachdenke. Wenn ich in der<br />

richtigen Stimmung zum fotografieren<br />

bin, fühle ich mich offen <strong>und</strong> sensibel,<br />

so daß die Bilder intuitiv entstehen. Ich<br />

folge nicht der Vernunft, wenn ich die<br />

Kamera in die Hand nehme, Logik bleibt<br />

gewöhnlich außen vor. Deshalb spreche<br />

ich auch nicht so gern über meine<br />

Bilder - das Konzept meiner Fotografien<br />

liegt nicht in meinen Worten, sondern<br />

in den Augen der Menschen, die<br />

sie betrachten. Wenn ein Bild jemanden<br />

anspricht oder berührt, dann möchte ich<br />

keine Grenzen durch meine Ideen vorgeben.<br />

Ich ziehe es vor zu schweigen«.<br />

Alex Veledzimovich ist ein junger Fotograf<br />

aus der kleinen Stadt Vitebsk in<br />

Weißrussland. Er machte seine ersten<br />

Erfahrungen mit der Kamera im Jahr<br />

2004. Seitdem hat er sich die Fotografie<br />

zum großen Teil selbst <strong>und</strong> durch den<br />

Besuch von Workshops anderer Fotografen<br />

beigebracht. Inzwischen arbeitet<br />

er an der Minsk School of Photography<br />

<strong>und</strong> die Fotografie nimmt einen<br />

großen Teil seines Lebens ein. Sie ist<br />

für ihn eine visuelle Sprache <strong>und</strong> ein<br />

© Alex Veledzimovich<br />

© Tina Kazakhisvili<br />

Medium, das ihn auf eine andere mentale<br />

Ebene mitnimmt: »Man macht nicht<br />

nur Fotos, weil man etwas abbilden<br />

möchte. Ich will immer etwas persönliches<br />

in den Menschen entdecken, die<br />

vor meiner Kamera stehen. Ich versuche<br />

einen Moment der Stille zu finden,<br />

in dem ich unsichtbar werde <strong>und</strong> die<br />

portraitierte Person allein bleibt mit der<br />

Kamera <strong>und</strong> mit jemandem, der ihr aus<br />

der Dunkelheit hinter dem Objektiv in<br />

die Augen schaut«. Über seine in der<br />

Ausstellung gezeigte Serie »Neverland«<br />

sagt er: »Wenn wir ein Foto machen,<br />

insbesondere bei Portraits, fangen wir<br />

einen Augenblick ein, der niemals ohne<br />

Kamera stattgef<strong>und</strong>en hätte. In meinen<br />

Portraits geht es zwar um die Menschen,<br />

aber es geht in ihnen auch um einen Ort<br />

<strong>und</strong> eine Welt, die zu keiner Zeit real<br />

existiert. Dennoch sind die Fotografien<br />

vorhanden <strong>und</strong> sie sind der Beweis, daß<br />

Neverland existiert. Vor einem Jahr hatte<br />

ich einmal versucht dokumentarisch zu<br />

fotografieren, aber es war unmöglich -<br />

ich habe immer <strong>und</strong> immer wieder<br />

meine eigene Welt erschaffen«.<br />

Tina Kazakhisvili aus Georgien arbeitet<br />

als freiberufliche Fotografin <strong>und</strong> als<br />

Architektin im georgischen Nationalmuseum.<br />

Außerdem ist sie Fotografin des<br />

© Aleksandra Patova<br />

© Tina Kazakhisvili<br />

Vernissage:<br />

3. März 2012, 19 Uhr<br />

4. März bis 25. März 2012<br />

aff Galerie<br />

Kochhannstraße 14<br />

10249 Berlin-Friedrichshain<br />

Sa + So 14 – 17 Uhr<br />

www.aff-berlin.com<br />

brennpunkt 1/2012<br />

Galerien<br />

Rustaweli Theaters in Tbilisi. In ihren<br />

Arbeiten verfolgt sie sowohl Ansätze der<br />

dokumentarischen als auch der künstlerischen<br />

Fotografie. In der Ausstellung<br />

ist sie mit ihrer Serie »Duality« vertreten.<br />

Über ihrer Art zu fotografieren sagt<br />

sie: »Die gemeinsame Basis aller meiner<br />

Bilder sind Menschen, in ihrer Schönheit,<br />

mit allen ihnen mit auf den Weg<br />

gegebenen Vorzügen <strong>und</strong> Nachteilen,<br />

mit all ihren positiven <strong>und</strong> negativen<br />

Charakterzügen. Mehrfachbelichtungen<br />

sind für mich ein Versuch mich der<br />

Darstellung der menschlichen Welt in<br />

ihrem vollen Umfang anzunähern, die<br />

individuellen emotionalen <strong>und</strong> physischen<br />

Gegebenheiten besser auszudrücken«.<br />

33


Galerien<br />

Jean-Baptiste Huynh<br />

»Monochrome«<br />

Paolo Roversi<br />

»Nudi«<br />

Die hochgelobte Doppelausstellung mit<br />

Photographien von Paolo Roversi <strong>und</strong><br />

Jean-Baptiste Huynh ist noch bis zum<br />

28. Januar 2012 in der Galerie CAMERA<br />

WORK zu sehen. Die Ausstellung zeigt<br />

erstmals neue Aktphotographien aus der<br />

Serie »Nudi« von Paolo Roversi sowie<br />

die noch nie zuvor ausgestellte Photoserie<br />

»Monochrome« von Jean-Baptiste<br />

Huynh. So sehr sich beide Serien<br />

in ihren Motiven unterscheiden, so sehr<br />

verbindet sie das für beide Künstler charakteristische<br />

Stilmittel des subtilen Einsatzes<br />

wirkungsvoller Illuminationen.<br />

© JEAN-BAPTISTE HUYNH,<br />

MONOCHROME - MASQUE, 2011<br />

»Monochrome« von Jean-Baptiste<br />

Huynh Die Photographien der 2010/11<br />

entstandenen Serie »Monochrome« von<br />

Jean-Baptiste Huynh zeichnen sich<br />

durch ihre strenge <strong>und</strong> kompromisslose<br />

Reduzierung auf die Farbe Schwarz<br />

aus. Eine sparsame aber aufwendige<br />

Beleuchtung unterstützt dieses Charakteristikum,<br />

wodurch die schwarzen<br />

Objekte <strong>und</strong> Porträts in ihren tiefsten<br />

Nuancen erscheinen. Die von Schwarz<br />

umfassende Farbsymbolik der sublimen<br />

Eleganz <strong>und</strong> Rätselhaftigkeit sowie klagenden<br />

Subtilität <strong>und</strong> Undefinierbarkeit<br />

entfaltet sich eindrucksvoll in den Photographien<br />

– ein reizvolles Zusammen-<br />

34 brennpunkt 1/2012<br />

© PAOLO ROVERSI, KATE, PARIS, 1992<br />

spiel, das durch die kompositorische<br />

Klarheit unterstützt wird <strong>und</strong> so dem<br />

Rezipienten das Werk <strong>und</strong> die Besonderheit<br />

der Farbe Schwarz erfahrbar<br />

werden lässt.<br />

Jean-Baptiste Huynh wurde als Sohn<br />

einer Französin <strong>und</strong> eines Vietnamesen<br />

1966 in Frankreich geboren. Sein<br />

umfangreiches photographisches Werk<br />

mit Landschaften <strong>und</strong> Porträts sowie<br />

Akten <strong>und</strong> Stillleben erschien bis dato<br />

in neun aufwendig <strong>und</strong> hochwertig<br />

gestalteten Publikationen <strong>und</strong> wurde in<br />

zahlreichen Ausstellungen präsentiert,<br />

u.a. im Moscow House of Photography<br />

(Moskau) <strong>und</strong> im European House<br />

of Photography (Paris). Der Louvre in<br />

Paris wird Jean-Baptiste Huynh 2012<br />

eine Ausstellung widmen.<br />

»Nudi« von Paolo Roversi<br />

Seit über 25 Jahren zählt die Aktserie<br />

von Paolo Roversi mit dem Titel »Nudi«<br />

zu den inspirativsten <strong>und</strong> ästhetisch<br />

reizvollsten Aktserien in der zeitgenössischen<br />

Photographie. Dank einer<br />

klaren Komposition <strong>und</strong> eines zarten<br />

Einsatzes von Licht erscheinen die dargestellten<br />

Frauen wie grazil gezeichnete<br />

Körperstudien, die das Bewusstsein<br />

des Betrachters auf die Form, Silhouette<br />

<strong>und</strong> Zierlichkeit des weiblichen Körpers<br />

lenken. Die Ausstellung zeigt neben<br />

Photographien von Kate Moss, Tatjana<br />

Patitz <strong>und</strong> Guinevere van Seenus auch<br />

erstmals Akte von Models wie Laetitia<br />

© JEAN-BAPTISTE HUYNH, CYCLAMÈNES,<br />

FRANCE, 1999<br />

Casta sowie jüngst entstandene »Nudi«-<br />

Photographien männlicher Akte.<br />

Geboren 1947 in Italien, lebt <strong>und</strong> arbeitet<br />

Paolo Roversi seit über 37 Jahren in<br />

Paris. Seine Photographien sind sowohl<br />

in diversen Monographien als auch in<br />

zahlreichen Magazinen wie Harper’s<br />

Bazaar, Interview, Marie Claire sowie in<br />

der Vogue <strong>und</strong> im New York Times Magazine<br />

veröffentlicht worden. Das photographische<br />

OEvre von Paolo Roversi<br />

wird vom wiederkehrenden Stilmerkmal<br />

einer Aura des Grazilen, Fragilen,<br />

aber auch Mysteriösen <strong>und</strong> Unnahbaren<br />

durchzogen, die auch dank des virtuosen<br />

Umgangs mit der dem Medium<br />

wortwörtlich zugeschriebenen Technik<br />

des »Zeichnens durch Licht« erzeugt<br />

wird.<br />

Internet:<br />

www.camerawork.de<br />

Facebook:<br />

www.facebook.com/cameraworkberlin<br />

bis 28. Januar 2012<br />

Galerie Camera Work<br />

Kantstraße 149<br />

10623 Berlin-Charlottenburg<br />

Di – Sa 11 – 18 Uhr


Mark Laita<br />

Nach Huynh <strong>und</strong> Roversi präsentiert<br />

CAMERA WORK mit Photographien<br />

von Mark Laita ein erstes Highlight im<br />

Ausstellungsjahr 2012.<br />

Die Ausstellung beginnt am 4. Februar<br />

2012 <strong>und</strong> zeigt erstmals in Europa die<br />

drei neuen Serien »Sea«, »Serpentine«<br />

<strong>und</strong> »Amaranthine« mit einzigartigen<br />

Photographien von den faszinierendsten<br />

Lebewesen des Meeres, den eindrucksvollsten<br />

Schlangen sowie den farbenfrohesten<br />

<strong>und</strong> anmutigsten Vögeln der Welt.<br />

Alle drei Serien verbindet die besondere<br />

Darstellungsweise der Tiere als Stillleben<br />

sowie die wiederkehrende Formsprache,<br />

wodurch die Photographien zu einem<br />

bedeutenden Bestandteil der zeitgenössischen,<br />

künstlerischen Tierphotographie<br />

avancieren.<br />

»Sea«<br />

Die 2010 nach über zehn Jahren vollendete<br />

Serie »Sea« zählt schon heute<br />

zu einer der gefragtesten Photoserien<br />

im Genre der Naturphotographie. Seien<br />

es das vertraute Beisammensein eines<br />

Seepferdchens mit seinem Jungen, der<br />

intime Moment zweier Fahnenbarsche<br />

oder die anmutige Imposanz einer pazifischen<br />

Riesenkrake: Mark Laita gelingt<br />

es in seinen Photographien, die exotischen<br />

Lebewesen der Weltmeere als<br />

künstlerisch-ästhetische Stillleben darzustellen,<br />

wodurch sich ein reizvolles<br />

Wechselspiel zwischen Abbild <strong>und</strong><br />

Ästhetik ergibt. Haben bis dato zahlreiche<br />

Photographen den überwältigenden<br />

Artenreichtum der Unterwasserwelt als<br />

Motiv für ihre Photographien entdeckt,<br />

so bedient sich Mark Laita einer aufwendigen<br />

Aufnahmeinstallation, um die<br />

Tiere von ihrem natürlichen Lebensraum<br />

abzukoppeln <strong>und</strong> sie so in ihrer besonderen<br />

Gestalt, Farbenpracht <strong>und</strong> mit<br />

ihren charakterlichen Besonderheiten<br />

abzubilden.<br />

»Serpentine«<br />

Mehr als 100 der gefährlichsten<br />

Schlangen der Welt – von der<br />

Korallenotter über die Milchschlange<br />

<strong>und</strong> Texas-Klapperschlange bis hin zur<br />

Schwarzen Kobra – hat Mark Laita für<br />

seine Serie »Serpentine« (lat. serpens:<br />

Schlange) photographiert. Seit jeher sind<br />

brennpunkt 1/2012<br />

Galerien<br />

© MARK LAITA, BEAUTIFUL PIT VIPER, 2010 © MARK LAITA, COLORED SONGBIRDS, 2005<br />

Menschen nicht nur von der Symbolik<br />

<strong>und</strong> Mythologie, sondern auch von<br />

der bedrohlichen Aura <strong>und</strong> eleganten<br />

Grazie von Schlangen fasziniert. Diese<br />

Dichotomie vereint Mark Laita eindrucksvoll<br />

in seinen Photographien, in denen<br />

sich imposant der Farbenreichtum, die<br />

besondere Oberflächenstruktur sowie<br />

die in der Natur einzigartige Erhabenheit<br />

der Schlangen widerspiegeln. CAMERA<br />

WORK zeigt in der Ausstellung eine<br />

Auswahl aus der Serie »Serpentine«, mit<br />

der Mark Laita »das Wesen der Tiere mit<br />

ihrer Schönheit, Unberechenbarkeit <strong>und</strong><br />

Bedrohlichkeit« zum Ausdruck bringt.<br />

»Amaranthine«<br />

Für die Serie »Amaranthine« (griech.<br />

Amarantos: nicht vergehend) hat Mark<br />

Laita über 100 der seltensten <strong>und</strong><br />

schönsten Vogelarten der Welt – wie<br />

die Motive in »Sea« <strong>und</strong> »Serpentine« –<br />

in einem puristischen Arrangement vor<br />

einem schwarzen Hintergr<strong>und</strong> porträtiert.<br />

Im Gegensatz zu den anderen beiden<br />

Serien jedoch sind die Vögel wie der<br />

majestätische Tiefland-Felsenhahn, die<br />

türkisen Zuckervögel oder feuerroten<br />

Kardinäle bei »Amaranthine« nicht mehr<br />

lebend, sondern wurden für die Ewigkeit<br />

konserviert in Naturk<strong>und</strong>emuseen <strong>und</strong><br />

Ornithologiearchiven ausgestellt. Diese<br />

Illusion wird dem Betrachter erst beim<br />

Anblick der Zeh-Schilder bewusst, welche<br />

die Tiere als Präparationen entlarven.<br />

Mit diesem Wissen wird für<br />

den Rezipienten das Bewusstsein der<br />

Ambivalenz zwischen Tod <strong>und</strong> unvergänglicher<br />

Schönheit erfahrbar. Bewusst<br />

mit dem Titel »Amaranthine« versehen,<br />

ist es die Intention des Photographen,<br />

diese fortwährende Schönheit <strong>und</strong><br />

Pracht der Vögel, die spektakuläre<br />

Farbigkeit des Federkleids sowie deren<br />

Anmut in einer bis dato unvergleichlichen<br />

Photoserie zu verewigen.<br />

Mark Laita<br />

Geboren 1960 in Detroit <strong>und</strong> aufgewachsen<br />

in Chicago, studierte Mark Laita u.a.<br />

an der University of Illinois Photographie.<br />

Nach Abschluss seines Studiums zog<br />

Mark Laita 1986 nach Los Angeles,<br />

um dort als Commercial Photographer<br />

für Unternehmen wie Mercedes-Benz,<br />

VISA <strong>und</strong> adidas Photokampagnen zu<br />

produzieren. Zudem war Mark Laita<br />

über zehn Jahre hinweg als Photograph<br />

für Werbeaufnahmen von Apple verantwortlich.<br />

Neben seiner hohen<br />

Reputation in der Werbephotographie<br />

genießt Mark Laita auch im Bereich<br />

der Kunstphotographie mit zahlreichen<br />

Ausstellungen in den USA <strong>und</strong> Europa<br />

hohes Ansehen. Seine hochgeachtete<br />

Serie »Created Equal« wurde 2007<br />

u.a. bei CAMERA WORK augestellt. Im<br />

Herbst vergangenen Jahres veröffentlichte<br />

Mark Laita einen Photoband zur<br />

Serie »Sea« unter dem gleichnamigen<br />

Titel, der in den USA zu den elf besten<br />

Photobänden des Jahres 2011 gekürt<br />

wurde. Voraussichtlich im zweiten<br />

Halbjahr 2012 wird das Photobuch zur<br />

Serie »Serpentine« erscheinen.<br />

4. Februar bis 17. März 2012<br />

Galerie Camera Work<br />

Kantstraße 149<br />

10623 Berlin-Charlottenburg<br />

Di – Sa 11 – 18 Uhr<br />

35


Galerien<br />

exp12<br />

»Vendredi Treize«<br />

Vor genau zwei Jahren öffnete die Produzentengalerie<br />

exp12 im Berliner Prenzlauer<br />

Berg ihre Tore. In den charmanten<br />

Räumen an der Senefelder Straße zeigten<br />

sowohl exp12-Fotografen als auch<br />

Gäste wie Marikel Lahana (Paris), Christopher<br />

Anhalt (Hamburg) oder die Fotokünstlerinnen<br />

von »La Magnolia« (Rom)<br />

ihre Werke <strong>und</strong> stießen auf reges Interesse.<br />

Ein besonderer Höhepunkt war die<br />

vielbeachtete Ausstellung »Polaroids«<br />

im Sommer 2011 mit dem unvergesslichen<br />

Arno Fischer <strong>und</strong> seinen Schülern<br />

Nicole Woischwill <strong>und</strong> Olle Fischer. Die<br />

Planung fürs dritte Jahr mit internationalen<br />

Gästen war bereits abgeschlossen,<br />

als völlig unerwartet die Kündigung des<br />

Untermietverhältnisses zum 31. Januar<br />

2012 ins Haus flatterte. Alsdann hieß<br />

es umdisponieren. Man wollte die verbleibenden<br />

Wochen am alten Ort mit<br />

einer exp12-Gemeinschaftsausstellung<br />

feiern.<br />

© Mark de Longueville<br />

An einen Ort von unfassbar großer<br />

Weite, auf das Flugfeld des alten Flughafens<br />

Tempelhof, holt uns Mark de<br />

Longueville. »Wir gehen dort hin, um<br />

mitten in der Stadt eben dieser zu entkommen,<br />

um die Gedanken dort frei<br />

fliegen zu lassen. Das Feld selbst, derzeit<br />

sich selbst überlassen, steht sinnbildlich<br />

für die unermesslichen Entwicklungspotentiale,<br />

die in uns stecken.<br />

Alles scheint dort möglich, selbst<br />

ein 1000 Meter hoher Berg, der Kreuz-<br />

36 brennpunkt 1/2012<br />

© Isabel Kiesewetter © Olle Fischer<br />

berg buchstäblich in den Schatten stellen<br />

würde, ist denkbar. Gerne erliegen<br />

wir dieser Magie«.<br />

An eine märchenhafte Location mit einer<br />

ebenso wechselvollen Geschichte führt<br />

uns die Hamburger Fotografin Isabel<br />

Kiesewetter, die seit dem Sommer 2011<br />

neu bei exp12 dabei ist. Ihr Bild aus<br />

der Serie konversion ist in den Beelitzer<br />

Heilstätten entstanden. Ähnlich verwunschen<br />

sieht der Spreepark Berlin bei<br />

Eva Brunner aus. Als beim einst perma-<br />

© Eva Brunner<br />

nenten Vergnügungspark der DDR allmählich<br />

die Besucher ausblieben, folgte<br />

die Schließung vor zehn Jahren. Seither<br />

erobert die Natur ihren Raum zurück<br />

<strong>und</strong> breitet uns mitten in der Stadt eine<br />

Märchenlandschaft aus, die von Zerfall<br />

<strong>und</strong> neuer Hoffnung erzählt. Ähnlich<br />

stoisch wie der Plastikelefant im Park<br />

liegen die Kühe bei Olle Fischer schlafend<br />

auf der Weide in den Pyrenäen. Sie<br />

ruhen in der zauberhaften Landschaft,<br />

als wäre die Zeit stehen geblieben.<br />

Geheimnisvoll sind auch Nadine Ethners<br />

»Etruscan Landscapes«. In ihrem<br />

tieffarbenen Triptychon aufgenommen<br />

in der Nähe von Tuscania scheinen die<br />

Mythen der Etrusker, deren Naturverb<strong>und</strong>enheit<br />

<strong>und</strong> Sinnlichkeit noch heute<br />

in der Landschaft nachzuschwingen.<br />

»Chimères« von Claire Laude bringt uns<br />

© Nadine Ethner<br />

© Claire Laude<br />

nach Island. Dokumentarisch, neutral<br />

<strong>und</strong> distanziert, doch mit einem kontemplativen<br />

Blick fotografiert umhüllt<br />

etwas Magisches die einfachen Hütten<br />

in der menschenleeren Landschaft, die<br />

dem Wanderer Unterschlupf gewähren.<br />

Seine letzten 12 Jahre in Island gelebt<br />

hat Daniel Claus Reuter, Mitglied bei<br />

exp12 ab Januar 2012. Im Frühling<br />

2010 reiste er in seine Heimat Luxemburg,<br />

um die Serie »Faserland« zu fotografieren,<br />

benannt nach dem Roman<br />

von Christian Kracht. Mit dieser Rückkehr<br />

ins Land der Vergangenheit begann<br />

ein Versuch, den Zusammenhang zwischen<br />

Erinnerung <strong>und</strong> Realität, Heimat<br />

<strong>und</strong> Familie fotografisch darzustellen.


© Daniel Claus Reuter<br />

Im besten Sinne auf der Suche nach ihrer<br />

»Familie« sind die Bilder aus der Reihe<br />

»Orphans« von Dorothee Deiss. Es sind<br />

Bilder, die man ungeplant findet, die<br />

sich in kein »Projekt« einpassen lassen.<br />

Sie können einen lange Zeit begleiten,<br />

ungewollt, immer auf der Suche nach<br />

© Dorothee Deiss<br />

einer geeigneten »Familie«, in der sie<br />

endlich einen Platz finden. Mit Familie,<br />

Fernweh <strong>und</strong> Sehnsucht setzt sich Anna<br />

Meschiari in ihren Wolkenbildern auseinander,<br />

die auf einer Reise mit ihrem<br />

Vater entstanden sind. Ähnlich sind die<br />

Themen bei Susanne Schneiders Fotografien.<br />

Um verblassende Erinnerungen,<br />

um Bilder, die der Intuition entspringen<br />

<strong>und</strong> einen bis in den Traum verfolgen<br />

© Nicole Woischwill<br />

© Oona Eberle<br />

könnten, geht es bei Birgit Krause. Ihr<br />

Porträt eines Greifvogels steht für Veränderung,<br />

Umschwung <strong>und</strong> Aberglaube.<br />

Den Blick nach innen richtet Oona<br />

Eberle in ihrer Serie »La Feuille Blanche«,<br />

gefangen von der Angst vor der<br />

Leere. Den Weg ins Innere geht auch<br />

Nicole Woischwill mit ihrer Serie »Jetztzeitmonologe«.<br />

Es sind Sofortbilderk<strong>und</strong>ungen<br />

(Polaroids) mit einer Camera<br />

Obscura, bei der jede Fotografie für sich<br />

eine kleine Erzählung ist.<br />

Im Hier <strong>und</strong> Jetzt angekommen mitten<br />

in der wechselvollen Geschichte Berlins<br />

lädt die Galerie exp12 zum letzten<br />

Mal in die vertrauten Räume ein. Die<br />

Suche nach neuen Räumlichkeiten ist<br />

in vollem Gange. exp12 ist bereit zum<br />

Aufbruch zu neuen Ufern in der sich<br />

stets verändernden Stadt.<br />

© Birgit Krause<br />

Vernissage:<br />

13. Januar 2012 ab 19 Uhr<br />

14. Januar bis 29. Januar 2012<br />

exp12 / exposure twelve<br />

Senefelder Straße 35<br />

10437 Berlin-Prenzlauer Berg<br />

Fr – So 14 – 20 Uhr<br />

www.exp12.com<br />

brennpunkt 1/2012<br />

Galerien<br />

37


Galerien<br />

Andreas Müller-Pohle<br />

»flow, flow«<br />

Fotografie – Video – So<strong>und</strong><br />

1994–2011<br />

In der Einzelausstellung »flow, flow«<br />

zeigt der Berliner Fotograf, Medienkünstler<br />

<strong>und</strong> Verleger Andreas Müller-<br />

Pohle Arbeiten aus unterschiedlichen<br />

Werkgruppen der Jahre 1994 bis 2011.<br />

Ihnen gemeinsam ist das Fließende, von<br />

den frühen Zyklogrammen über seine<br />

Code-Arbeiten bis hin zu aktuellen<br />

Wasserprojekten.<br />

Die Photo Edition Berlin freut sich, ein<br />

bisher unveröffentlichtes Video Müller-<br />

Pohles über den japanischen Fotografen<br />

Nobuyoshi Araki vorstellen <strong>und</strong> als<br />

Edition herausbringen zu können.<br />

Auflage von 99+IX, Einführungspreis<br />

99 Euro. (Spielzeit 23 Minuten).<br />

1996 mit einer kleinen Digitalkamera<br />

aufgenommen, zeigt es Araki bei einem<br />

Foto-Shooting in einem Love Hotel in<br />

Shibuya, Tokio. Einen Trailer zu dem<br />

23-Minuten-Video kann man auf der<br />

Webseite YouTube sehen.<br />

http://www.youtube.com/<br />

watch?v=GIsrL5H3NDA<br />

38 brennpunkt 1/2012<br />

© Andreas Müller-Pohle, »Atomic Laughter«, 2002. Sequenz aus 11 Inkjet-Prints<br />

President Harry S. Truman on 6 August, 1945, announcing the bombing of Hiroshima: »We have<br />

spent more than two billion dollars on the greatest scientific gamble in history and we have won«.<br />

© Andreas Müller-Pohle, »Zyklogramm 5«,<br />

1994, 80 x 60 cm, (Original in Farbe)<br />

Andreas Müller-Pohle<br />

www.muellerpohle.net<br />

www.riverproject.net<br />

© Andreas Müller-Pohle, Videostills aus »Araki at Work«, 1996/2011<br />

© Andreas Müller-Pohle, »Hong Kong Waters«.<br />

New Territories. Ma Wan, 2009.<br />

C-Print auf Dibond hinter Acryl. 90 x 130 cm,<br />

Edition 5+2 AP, (Original in Farbe)<br />

bis 12. Februar 2012<br />

PHOTO EDITION BERLIN<br />

Ystaderstraße 14a<br />

10437 Berlin-Prenzlauer Berg<br />

Mi 14 – 20 Uhr<br />

Sa 12 – 18 Uhr


Bäume sterben<br />

aufrecht.<br />

Am 5. Dezember 2011 wurde die Asche<br />

von Gerd Messerschmidt auf dem<br />

Stahnsdorfer Kirchhof begraben, unter<br />

einem jungen Ahorn. So kann das<br />

Gedenken an ihn noch wachsen, wie<br />

es angemessen ist, wenn ein Lebenswerk<br />

über die eigene Lebenszeit hinausweist.<br />

Gerd Messerschmidt<br />

Sein großes Thema war die Natur, aber<br />

er hat immer auch Musik gemacht, war<br />

in seiner Jugend ein erfolgreicher Virtuose<br />

auf dem Waschbrett, hat zur Gitarre<br />

Irish Folk gesungen <strong>und</strong> 1980 die heute<br />

noch aktive Band »Bluegrass Unlimited«<br />

mitgegründet.<br />

Sein starkes Gefühl für den Rhythmus<br />

spricht auch aus seinen Bildern, hier<br />

ist es der Rhythmus der Jahreszeiten.<br />

Immer wieder hat er »seine« Bäume<br />

besucht, in Franken, in der Uckermark,<br />

im keimenden Frühling, im strahlenden<br />

Sommer <strong>und</strong> im Farbenrausch des<br />

Herbstes. Auch bei Raureif <strong>und</strong> tiefem<br />

Schnee war er unterwegs. Und wenn<br />

man seine meisterhaften Bildkompositionen<br />

betrachtet, klingt sie auf, die<br />

Musik, wie die eines Vivaldi.<br />

Gerd Messerschmidt hat Kalender <strong>und</strong><br />

viele Postkarten gemacht, die man noch<br />

© Gerd Messerschmidt<br />

© Gerd Messerschmidt<br />

lange in den Drehständern der Museumsshops<br />

finden wird. Sie heben sich<br />

ab vom Üblichen.<br />

1972 stieß er zu den »Kreuzbergern«,<br />

mischte sie ordentlich auf <strong>und</strong> übernahm<br />

schon 1974 den Vorsitz. Etliche<br />

Fotografen, die heute einen Namen<br />

haben, sind bei ihm in die Schule gegangen.<br />

International war er jahrelang ein<br />

Star. Dann hat ihn die Wettbewerbsfotografie<br />

nicht mehr interessiert, wie er ja<br />

sowieso immer »seine« Bilder gemacht<br />

hat.<br />

Parallel entstand eine neue Linie bei den<br />

Kreuzbergern, die der radikalen sozialen<br />

Dokumentarfotografie ihres Mitglieds<br />

Fotoszene<br />

Michael Schmidt folgte. Daraus entstand<br />

die inzwischen legendäre »Werkstatt für<br />

Fotografie« der VHS Kreuzberg.<br />

Das war Gerd Messerschmidts Sache<br />

nicht. Doch er ist dem DVF <strong>und</strong> den<br />

Kreuzbergern treu geblieben, <strong>und</strong> die<br />

haben ihn im Jahr 2011 zu ihrem Ehrenmitglied<br />

gemacht. Er bleibt, unvergessen.<br />

Klaus Rabien<br />

brennpunkt 1/2012<br />

39


Galeriebericht<br />

Für immer jung.<br />

Jeder engagierte Fotograf, der sein<br />

Rüstzeug noch im vorigen Jahrh<strong>und</strong>ert<br />

erworben hat, mag es bedauern, dass<br />

sein Metier heute in alle Lebensbereiche<br />

vorgedrungen ist <strong>und</strong> uns begleitet<br />

wie die Armbanduhr <strong>und</strong> das Taschentuch,<br />

von der digitalen »Verwurstung«<br />

der Bilder gar nicht zu reden.<br />

Die gute Nachricht: Dem steht derzeit<br />

ein starkes Interesse an den Heroen<br />

des 20. Jahrh<strong>und</strong>erts gegenüber, die<br />

uns vor dem Siegeszug des Fernsehens<br />

<strong>und</strong> vor allem des Internets ihre Sicht<br />

auf das Leben <strong>und</strong> das Antlitz unseres<br />

Planeten nahe gebracht haben. Nach<br />

Thomas Hoepker, Robert Lebeck, Barbara<br />

Klemm, Max Scheler <strong>und</strong> anderen<br />

konnten wir nun im Gropiusbau die<br />

Life-Reportagen des Amerikaners W.<br />

Eugene Smith erleben, in dramatischem<br />

Schwarzweiß, vor allem sein »Spanisches<br />

Dorf« von 1950, Bilder wie aus<br />

biblischen Zeiten.<br />

Guardia Civil, Spanien, 1950<br />

(Silbergelatineabzug 25,1 x 32,1cm), Center für<br />

Creative Photography, University of Arizona:<br />

W. Eugene Smith Archive / Gift of the artist,<br />

© The Heirs of W. Eugene Smith, courtesy Black<br />

Star, Inc., New York<br />

Smith hat sich dabei immer sozial engagiert<br />

<strong>und</strong> versucht, den Menschen zu<br />

helfen. So auch mit seiner bewegenden<br />

Serie »Die Hebamme« von 1951.<br />

Gescheitert ist er dann an einer sehr<br />

emotionalen Arbeit über Pittsburgh, der<br />

er 4 Jahre geopfert hat, ohne sie je zu<br />

Ende zu bringen. Alkohol <strong>und</strong> Drogen<br />

taten ein übriges. Er starb 1978 mit 60<br />

Jahren.<br />

Auch Mario Giacomelli (1925 bis 2000)<br />

hat sich 1957–59 das Landleben vorge-<br />

40 brennpunkt 1/2012<br />

nommen, in ebenso strengem Schwarzweiß,<br />

im Dorf Scanno in den Abruzzen<br />

(Willy-Brandt-Haus bis 22. Januar). Es<br />

gelingen ihm bizarre grafische Bilder,<br />

die gleichwohl Emotionen freisetzen,<br />

auch fröhliche, wie in der Priesterserie<br />

von 1961-63, in der die schwarzberockten<br />

Mönchlein wie aufgescheuchte<br />

Krähen durch den Schnee tollen. Dem<br />

steht die erschütternde Reihe »Der Tod<br />

wird kommen« aus einem Hospiz in<br />

Senigallia gegenüber.<br />

Den größten Raum nehmen ganz ungewöhnliche<br />

Landschaftsstrukturen ein,<br />

knochenhart vergrößert, Ackerfurchen<br />

wie brutale Kratzspuren, tiefe W<strong>und</strong>en,<br />

die der Mensch der Erde zugefügt hat.<br />

Hier könnte Robert Häusser Pate gestanden<br />

haben. Das Italien unserer Träume<br />

sieht anders aus.<br />

Im selben Haus bis 15. Januar ein Meister<br />

aus Deutschland, der zu seinem 80.<br />

Geburtstag auch leibhaftig in seine Heimatstadt<br />

Berlin zurückgekehrt ist: Jürgen<br />

Schadeberg. Seine Bilder waren hier<br />

noch nie zu sehen. Sie sind in Berlin,<br />

London, Paris <strong>und</strong> vor allem in Südafrika<br />

entstanden, denn Schadeberg war in den<br />

fünfziger Jahren Cheffotograf des Magazins<br />

»Drum«, der ersten Illustrierten für<br />

Schwarze von Schwarzen, die 1964 verboten<br />

wurde. Mit der Leica dokumentierte<br />

er das Leben in den Townships<br />

<strong>und</strong> begleitete zudem kritisch die politische<br />

Entwicklung, den Kampf gegen die<br />

Apartheid. Über 50 Jahre hat er Nelson<br />

Mandela porträtiert, vom jungen Freiheitskämpfer<br />

bis zum ersten schwarzen<br />

Präsidenten Südafrikas. Seine allerersten<br />

Fotos hat er 1943 im Berliner Luftschutzkeller<br />

gemacht. Es gab einen fürs<br />

Vorderhaus, da bedrückte den 12-jährigen<br />

die Stille zu sehr. Er hielt sich lieber<br />

in dem für die Hinterhäusler auf, wo<br />

man die Angst vor Bombeneinschlägen<br />

mit Musik <strong>und</strong> Bier vertrieb. Parallel<br />

zeigt das Institut Francais bis 15.<br />

Januar seinen Bericht aus einem 600-<br />

Seelen-Dorf in der französischen Provinz.<br />

In Frankreich wollte das niemand<br />

ausstellen, in Berlin gibt es ein Publikum<br />

dafür, das hiermit die reizvolle<br />

Möglichkeit hat, Schadebergs französisches<br />

mit Smith’ spanischem <strong>und</strong> Giacomellis<br />

italienischem Dorf zu vergleichen.<br />

Wer dann noch Gerhard Weber<br />

oder Roger Melis im Bücherbord hat,<br />

kann das deutsche hinzufügen.<br />

Von der großen Fotoreportage ist es nur<br />

ein kleiner Schritt zur sympathischen<br />

Street-Fotografie, die immer schon<br />

ein humorvoller oder nachdenklicher<br />

Spiegel unseres Alltags war. Vor allem<br />

zu Zeiten, als das Recht am eigenen<br />

Bild noch nicht so überbetont wurde.<br />

Wie sonst hätten uns Friedrich Seidenstücker<br />

<strong>und</strong> Eva Besnyö so herrlich<br />

spontane Schnappschüsse überliefern<br />

können, wie sie die Berlinische<br />

Galerie noch bis Februar zeigt. Die 120<br />

Vintage- Prints von Eva Besnyö (1910 –<br />

2003) stammen aus der Sammlung des<br />

Verborgenen Museums in der Schlüterstraße.<br />

Sie floh mit zwanzig aus dem<br />

faschistischen Ungarn nach Berlin,<br />

kam hier vom Regen in die Traufe <strong>und</strong><br />

ging 1932 nach Amsterdam. Sie stand<br />

dem Bauhaus nahe <strong>und</strong> dem »Neuen<br />

Sehen«, beeinflusst von ihren Landsleuten<br />

Moholy-Nagy <strong>und</strong> Munkacsi. Wir<br />

müssen es den Kuratoren wohl nachsehen,<br />

wenn sie aus Stolz auf ihre originalen<br />

Schätze zuviel Material an die<br />

Wand bringen. Es sind nicht alles Perlen.<br />

Seidenstückers berühmter »Sprung über<br />

die Pfütze« ist in 7 Variationen zu sehen.<br />

Der Wert der Pfütze wird damit – pardon<br />

– etwas verwässert.<br />

Ein beliebtes Pflaster für die Street-Fotografen<br />

war stets New York. Im Photoplatz<br />

des Hotel Bogotá brachte Joachim<br />

Rissmann zwei Autoren zusammen.<br />

Einmal Ronnie Farley mit »Diary<br />

of a Pedestrian«, ihrem fotografischen<br />

Tagebuch aus den achtziger <strong>und</strong> neunziger<br />

Jahren. Inzwischen ist sie eine<br />

gestandene Fotografin, sieht aus wie ein<br />

Westernheld <strong>und</strong> engagiert sich unter<br />

anderem für die Indianerreservate in<br />

den USA. Ihre Bilder haben eine starke<br />

Ausstrahlung, der man sich kaum entziehen<br />

kann. Da hat es Bernd Obermann<br />

nicht leicht, sich neben ihr zu<br />

behaupten. Seine meist quadratischen<br />

SWs berichten aus Hell’s Kitchen, einem<br />

anrüchigen Quartier New Yorks, zu heutiger<br />

Zeit. Es kommt was rüber von der<br />

Szene, von sozialer Not <strong>und</strong> Kriminalität,<br />

aber auch von der Faszination für<br />

Künstler <strong>und</strong> Intellektuelle.<br />

Seit November beherrscht das Thema<br />

»Nacht« die Räume des Hotels, bis<br />

15. Januar. Besonders sehenswert sind<br />

Amélie Losiers »Berliner Nachtarbeiter«,<br />

edle SW-Prints, drei davon sehr<br />

wirksam im Leuchtkasten als Dia.


Die Arbeiten von Michael Ackerman<br />

<strong>und</strong> Jerry Berndt sind flüchtiger, weniger<br />

komponiert, ihr Thema ist eher die<br />

Einsamkeit <strong>und</strong> die Sinnlichkeit nächtlicher<br />

St<strong>und</strong>en, während Adam Cohen in<br />

dezenten Farben dem künstlichen Licht<br />

in der Stadt nachgeht. Im »Kabinett« des<br />

Hotels versucht eine Gruppe der Neuen<br />

Schule für Fotografie unter Leitung von<br />

Arja Hyytiainen den Geheimnissen der<br />

Dunkelheit durch Unschärfe beizukommen.<br />

Das ist immer eine Gratwanderung,<br />

gern praktiziert in der künstlerischen<br />

Fotografie, selten überzeugend.<br />

Ein Händchen dafür hat die Berliner<br />

Fotografin <strong>und</strong> Dozentin Ursula Kelm,<br />

gesehen im Oktober bei »imago«. Ihre<br />

Bildkompositionen sind sehr privat, sehr<br />

intim, sie vermittelt Gefühle, die man<br />

sonst eher literarisch ausdrücken kann.<br />

Es sind innere Bilder. Wir haben im letzten<br />

brennpunkt etliche davon abgedruckt,<br />

auch von den Abschlussarbeiten<br />

ihrer Klasse aus der imago-Fotoschule,<br />

die bis Weihnachten dort zu<br />

sehen waren.<br />

Bei Tina Bara ging es schon immer<br />

etwas spektakulärer zu. Sie hat es inzwischen<br />

zur Professorin an der HGB Leipzig<br />

gebracht. Ihre harten schwarzweißen<br />

Akte <strong>und</strong> Porträts aus der DDR der<br />

achtziger Jahre erregten auch im Westen<br />

Aufsehen. Sie erschienen noch vor der<br />

Wende auch in der Anthologie »DDR<br />

Frauen fotografieren« aus dem ex pose<br />

verlag von Hansgert Lambers. Jetzt steht<br />

man im Haus am Kleistpark vor einer<br />

Reihe von 10 lebensgroßen Frauen im<br />

roten Trikot, jede auf einem Sockel,<br />

Titel »Siegerehrung« (2003). Es sind die<br />

inzwischen in die Jahre gekommenen<br />

Schwimmmeisterinnen aus frühen DDR-<br />

Zeiten, mit dem kryptischen Text: »In der<br />

Siegerpose transformieren sie die Vergangenheit<br />

in den Moment der Gegenwart<br />

des fotografischen Augenblicks«.<br />

Der weibliche Körper <strong>und</strong> seine Vermarktung<br />

ist Tina Baras großes Thema,<br />

hier auch zusammen mit Alba d’Urbano<br />

realisiert unter dem Titel »Bellissima«.<br />

Noch konsequenter ist G<strong>und</strong>ula Schulze<br />

Eldowy den Weg von der schwarzweißen<br />

Reportage zur farbigen Kunstfotografie<br />

gegangen. Geboren 1954 in<br />

Erfurt, hat sie noch 1986-88 in volkseigenen<br />

Betrieben ziemlich brutale<br />

»Arbeitsporträts« aufgenommen, die in<br />

dem eben erwähnten Buch zu finden<br />

© Stefanie Ketzscher, »Doris Ziegler«, 1980<br />

sind. Nun hängt sie groß <strong>und</strong> bunt im<br />

Kunst-Raum des Deutschen B<strong>und</strong>estages<br />

an der Spree, mit 11 riesigen 23 ¾<br />

Karat vergoldeten Repros von Ikonengemälden<br />

aus Byzanz. An ihre schwarzweiße<br />

Vergangenheit erinnert im anderen<br />

Raum eine überraschend poetische<br />

Serie zarter Winterlandschaften. Und<br />

auf einem Monitor läuft pure Sozialfotografie,<br />

mit der sie sich in der DDR<br />

Ärger eingehandelt hat: »Berlin in einer<br />

H<strong>und</strong>enacht«. Das war 2005 bei argus<br />

fotokunst zu sehen.<br />

Neben diesen »Events« gibt es die stillen,<br />

eigentlichen »Sensationen«. Das<br />

Wort bedeutet ja ursprünglich Sinneswahrnehmung,<br />

Empfindung, <strong>und</strong> taugt<br />

eigentlich nicht für Schlagzeilen. Die<br />

Kommunale Galerie Wilmersdorf würdigte<br />

– nach der carpentier galerie in der<br />

Meinekestraße – einen der beharrlichsten<br />

Fotokünstler, den Bildpoeten Efraim<br />

Habermann. Auf den ersten Blick wirken<br />

seine »Berliner Stillleben« in feinen<br />

Grautönen sehr formal, aber er ist ein<br />

Meister der Komposition <strong>und</strong> der Lichtstimmung.<br />

Seit 1968 wandert er mit der<br />

Leica durch die Stadt. Im Museum interessiert<br />

ihn der Dialog zwischen Kunstwerk<br />

<strong>und</strong> Besucherin. Ja, es sind immer<br />

Frauen, die er beobachtet. Am schönsten<br />

eine Szene aus der Alten Nationalgalerie,<br />

vor Adolph Menzels »Flötenkonzert<br />

in Sanssouci« von 1852.<br />

Galeriebericht<br />

Es ist eine Art, Menschen mit Zuwendung<br />

<strong>und</strong> Zurückhaltung zu sehen, die<br />

uns auch Norbert Bunge immer wieder<br />

präsentiert. Diesmal mit der ersten Einzelausstellung<br />

von Stefanie Ketzscher,<br />

geboren 1951 in Leipzig <strong>und</strong> – natürlich<br />

– dort an der HGB ausgebildet. Neben<br />

sehr tristen Straßenszenen aus dem Leipzig<br />

der 70er Jahre hat sie schöne Akte<br />

<strong>und</strong> sensible Porträts gemacht, auch mal<br />

mit einer Prise Humor. Den Maler Hans-<br />

Hendrik Grimmling hat sie 1984 beim<br />

Frühstück in der Badewanne überrascht<br />

<strong>und</strong> spielt mit dem Bildtitel auf das Reiseverbot<br />

der DDR an: »Grimmling, sich<br />

den Ozean denkend«.<br />

Und, werter Leser, was erwartet uns<br />

2012?<br />

Im November ein neuer »Monat der<br />

Fotografie«. Aber noch ist das Jahr jung<br />

<strong>und</strong> wir können das Gefühl, »für immer<br />

jung« zu sein, genießen beim Rückblick<br />

auf »50 Jahre Deutscher Jugend-Fotopreis«,<br />

bis 5. Februar im Deutschen Historischen<br />

Museum hinter dem Zeughaus.<br />

Das ist spannend! Da entdeckt man nämlich<br />

die Jugendsünden einiger gestandener<br />

Fotografen <strong>und</strong> stellt fest, dass sie gar<br />

nicht gesündigt haben, sondern schon<br />

mit 18 so konsequent <strong>und</strong> konzeptionell<br />

gearbeitet haben wie heute. Auch ihre<br />

Themenwahl stand meist schon fest. Als<br />

da sind: Wolfgang Volz, Uwe Ommer,<br />

Frieder Blickle, Rudi Meisel, Mike Wolff<br />

<strong>und</strong> viele andere. Norbert Bunge hat mit<br />

23, im Jahr 1964, spielende Kinder am<br />

Stacheldraht der Mauer beobachtet.<br />

Es fällt auf, dass die jungen Leute seit<br />

1961 immer frecher, kritischer, selbstbewusster<br />

werden, auch in der Wahl<br />

der technischen Mittel, <strong>und</strong> dass immer<br />

mehr Frauen unter den Preisträgern sind,<br />

gerade jetzt im digitalen Zeitalter.<br />

Vielleicht gibt es also gar nichts zu<br />

bedauern an der enormen Verbreitung<br />

des Mediums.<br />

Klaus Rabien<br />

brennpunkt 1/2012<br />

41


Fotoszene<br />

18. Fotoklub Forum<br />

Berlin 2012<br />

Am 7. März 2012 wird im Rathaus<br />

Köpenick das 18. Fotoklub Forum Berlin<br />

eröffnet. Bis zum 27. April 2012 präsentieren<br />

dann 19 Fotoklubs eine Auswahl<br />

aktueller Arbeiten.<br />

Das vom Landesverband Berlin der GfF<br />

in Zusammenarbeit mit dem Bezirksamt<br />

Treptow-Köpenick organisierte Forum<br />

ist offen für alle Fotogruppen aus Berlin<br />

<strong>und</strong> Brandenburg.<br />

Da jeder Fotoklub selbst seine Kollektion<br />

zusammenstellt, erhalten die Besucher<br />

einen abwechslungsreichen Einblick<br />

in das Schaffen der dort aktiven Fotofre<strong>und</strong>e,<br />

<strong>und</strong> können die unterschiedlichen<br />

Herangehensweisen, Themen <strong>und</strong><br />

Techniken vergleichen.<br />

Mehrere Klubs beteiligen sich seit<br />

vielen Jahren regelmäßig, zum Beispiel<br />

»Arbeitskreis Freie Lichtbildner<br />

Berlin«, »Colorclub Berlin-Treptow«,<br />

»Fotofre<strong>und</strong>e Zehlendorf«, »Fotoklub<br />

Eberswalde«, Fotoklub »Fischerinsel«,<br />

»Fotoclub Lichtenberg«, »Fotoclub<br />

1092 Berlin«, »fotografie.berlin«,<br />

»Fotogruppe 98«, Fotogruppe »Natur &<br />

Kultur (Labsaal)« <strong>und</strong> »Fotostudio Köpenick«.<br />

Andere stellen sich zum ersten<br />

Mal in Köpenick vor, diesmal der Klub<br />

»Lichtblick« aus Berlin-Lichtenberg <strong>und</strong><br />

die Gruppe »Ortoklick«. Weitere Aussteller<br />

sind »Fotoclub Potsdam«, »Fototreff<br />

Bernau«, »Sinnbildfotoclub Brandenburg«,<br />

»Fotoclub Strausberg« <strong>und</strong><br />

»MannSbilder – Schwuler Foto-Club<br />

e.V.«.<br />

Als Gastklub wird der seit 1953 aktive<br />

<strong>und</strong> erfolgreiche »Foto Amateur Club<br />

Mainleus/ Kulmbach« mit einem repräsentativen<br />

Beitrag vertreten sein. Die<br />

Kulmbacher errangen seit 1984 achtmal<br />

den Titel »Deutscher Fotoclubmeister«<br />

des DVF.<br />

Insgesamt werden voraussichtlich etwa<br />

300 Werke von mehr als 150 Fotografen<br />

vorgestellt.<br />

Besonders die Eröffnungsveranstaltung<br />

am 3. März (19 Uhr) sowie der Ausstellungsr<strong>und</strong>gang<br />

am 24. März (ab 10 Uhr)<br />

bieten dann Ausstellern <strong>und</strong> interessierten<br />

Besuchern beste Möglichkeiten zur<br />

Diskussion über die Fotos, zu Kontakt-<br />

42 brennpunkt 1/2012<br />

© Marina Schulze, »Autobahndreieck«,<br />

Fotogruppe ´98, zum Thema: »Brücken«, 2010<br />

© Angela Dreßler, »Strukturen 1«, Colorclub<br />

Berlin Treptow, zum Thema: »Strukturen«, 2010,<br />

(Original in Farbe)<br />

© Frank Schoepper, »Hinter Großvaters Haus«,<br />

Fotoclub Straußberg, 2010<br />

aufnahme <strong>und</strong> Erfahrungsaustausch<br />

mit den Bildautoren <strong>und</strong> anderen Fotofre<strong>und</strong>en.<br />

Dazu ermöglichen die besucherfre<strong>und</strong>lichen<br />

Öffnungszeiten sicher<br />

wieder zahlreichen Interessenten, sich<br />

an den Bildern zu erfreuen <strong>und</strong> von<br />

ihnen anregen zu lassen.<br />

Dr. Hans-Joachim Kühn<br />

© Alexander Platz, »Flasche«,<br />

Fotofre<strong>und</strong>e Zehlendorf,<br />

zum Thema: »Mineralwasserflaschen«, 2010<br />

© Eric Jenzcmionka, »Flasche«, (O.i.F.)<br />

Fotofre<strong>und</strong>e Zehlendorf,<br />

zum Thema: »Mineralwasserflaschen«, 2010<br />

7. März bis 27. April 2012<br />

Rathaus Köpenick<br />

Alt-Köpenick 21<br />

12555 Berlin-Köpenick<br />

Mo – Fr 9 – 18 Uhr<br />

Sa, So 10 – 16 Uhr


Berlinische Galerie<br />

bis 6. Februar 2012<br />

Friedrich Seidenstücker<br />

»Von Nilpferden <strong>und</strong> anderen<br />

Menschen«<br />

bis 27. Februar 2012<br />

Eva Besnyö<br />

»Fotografien«<br />

Alte Jakobstraße 124-128<br />

10969 Berlin-Kreuzberg<br />

M – Mo 10–18 Uhr<br />

Museum für Fotografie<br />

bis 29. Januar 2012<br />

Berliner Photographie 1921<br />

Jebensstraße 2<br />

10623 Berlin-Charlottenburg<br />

Di–So 10–18 Uhr<br />

Do 10–22 Uhr<br />

Willy-Brandt-Haus<br />

bis 15. Januar 2012<br />

Jürgen Schadeberg<br />

»Fotografien 1950-2000«<br />

bis 22. Januar 2012<br />

Mario Giacomelli<br />

»Orte, Landschaften, Seelenzustände«<br />

Stresemannstraße 28<br />

10963 Berlin-Kreuzberg<br />

Di–So 12–18 Uhr<br />

Caritas Galerie<br />

bis 20. Januar 2012<br />

Oliver Staak<br />

»Street of Berlin«<br />

Modefotograie<br />

Residenzstraße 90<br />

13409 Berlin-Reinickendorf<br />

Mo–Do 8–17 Uhr<br />

Fr 8–16 Uhr<br />

C/O Berlin<br />

bis 26. Februar 2012<br />

Ron Galella<br />

»Paparazzo Extraordinaire«<br />

bis 26. Februar 2012<br />

G<strong>und</strong>ula Schulze-Eldowy<br />

»Die frühen Jahre«<br />

Fotografien 1977-1990<br />

Oranienburger Straße 35/36<br />

10117 Berlin-Mitte<br />

täglich 11–20 Uhr<br />

Galerie en passant<br />

14. Januar bis 25. Februar 2012<br />

Matthias Hagemann<br />

Alexandra Schraepler<br />

»Berlin – Shanghai«<br />

Brunnenstraße 169<br />

10119 Berlin-Mitte<br />

Di–Fr 14–18 Uhr<br />

Sa 12–16 Uhr<br />

Deutsches<br />

Historisches Museum<br />

bis 5. Februar 2012<br />

50 Jahre Jugendfotopreis<br />

»Für immer jung»<br />

Julian Röder, Katharina Bosse, Horst A.<br />

Friedrichs, Friedrich G. Herrman, Dirk<br />

Reinartz<br />

Unter den Linden 2<br />

Hinter dem Zeughaus<br />

10117 Berlin-Mitte<br />

täglich 10–18 Uhr<br />

carpentier galerie<br />

4. Februar bis 31. März 2012<br />

David S. Allen<br />

Berlin-analog«<br />

Fotografien<br />

Meinekestraße 13<br />

10719 Berlin-Charlottenburg<br />

Öffnungszeiten nach Vereinbarung<br />

Helmut Newton<br />

Stiftung<br />

bis 20. Mai 2012<br />

Helmut Newton<br />

»Polaroids«<br />

Jebensstraße 2<br />

10623 Berlin-Charlottenburg<br />

Di–So 10–18 Uhr<br />

Do 10–22 Uhr<br />

Ausstellungen<br />

Ges<strong>und</strong>heitszentrum<br />

bis 20. Januar 2012<br />

Johannes Barthelmes<br />

»LA HABANA VIEJA«<br />

Eichhornstraße 2<br />

10785 Berlin-Schöneberg<br />

am Potsdamer Platz<br />

Mo–Do 9–19 Uhr<br />

Fr 9–14 Uhr<br />

Kommunale Galerie<br />

Berlin<br />

bis 29. Januar 2012<br />

Efraim Habermann<br />

»Berliner Stilleben«<br />

Hohenzollerndamm 176<br />

10713 Berlin-Wilmersdorf<br />

Di–Fr 10–17 Uhr<br />

Mi 10–19 Uhr<br />

So 11–17 Uhr<br />

imago fotokunst<br />

25. Februar bis 25. März 2012<br />

Abschlussarbeiten<br />

Fotoklasse 28<br />

Leitung: Oliver S. Scholten<br />

Linienstraße 145<br />

10115 Berlin-Mitte<br />

Di–Fr 12–19 Uhr<br />

Sa 14–18 Uhr<br />

Sa + So 11–18 Uhr<br />

brennpunkt 1/2012<br />

43


Ausstellungen<br />

SARAH MOON<br />

»à propos...«<br />

Seit den siebziger Jahren gehören die<br />

ebenso eleganten wie einprägsamen<br />

Fotografien der in Paris lebenden Künstlerin<br />

Sarah Moon (*1941, Frankreich)<br />

zum festen Bestandteil der internationalen<br />

Modewelt. Kaum jemand wird sich<br />

dem Zauber ihrer eigensinnigen Arbeiten<br />

etwa für Dior, Chanel oder Cacharel<br />

entziehen können. Die Ausstellung<br />

in der Galerie Persiehl & Heine zeigt,<br />

nach dreizehn Jahren erstmals wieder<br />

in Deutschland, einen hochkarätigen<br />

Querschnitt durch dieses einzigartige<br />

Oeuvre, dessen unverwechselbar<br />

intime Bildsprache eine grosse poetische<br />

Kraft zu entfalten vermag.<br />

Sarah Moon ist Autodidaktin: Ihr fotografisches<br />

Handwerk erwarb sie, als sie<br />

im Anschluss an ihr Kunststudium als<br />

Mannequin in der Haute Couture tätig<br />

war. 1968 schliesslich tauschte sie die<br />

Arbeit vor der Kamera endgültig mit<br />

jener dahinter <strong>und</strong> war mit dem unverwechselbaren<br />

Stil ihrer Fotografien auf<br />

Anhieb erfolgreich: Noch im selben<br />

Jahr nahm sie an einer Gruppenausstellung<br />

zu avantgardistischer Modefotografie<br />

in der Pariser Galerie Delpire<br />

teil. Dies sollte der Startschuss für eine<br />

einzigartige Karriere sein, in dessen Verlauf<br />

Moons Arbeiten in solch tonangebenden<br />

Modezeitschriften wie »Marie-<br />

Claire«, »Elle« <strong>und</strong> »Vogue« erschienen.<br />

Heute gehört Sarah Moon zu den<br />

bekanntesten Modefotografinnen der<br />

Welt; ihre poetische, oftmals traumartig<br />

anmutende Bildsprache überträgt<br />

sich ebenso auf Motive ausserhalb der<br />

Modewelt sowie, seit den Neunzigern,<br />

auf ihr filmisches Schaffen.<br />

Es gibt einen Grenzbereich zwischen<br />

Wahrheit <strong>und</strong> Fiktion, der sich in Sarah<br />

Moons Arbeiten immer wieder manifestiert.<br />

So poetisch ihre Werke auch anmuten,<br />

sind sie doch stets einer besonderen<br />

Realität auf der Spur: dem Augenblick<br />

in seiner Flüchtigkeit, der Grenzlinie<br />

zwischen Werden <strong>und</strong> Vergehen,<br />

dem Zauber einer einzelnen Sek<strong>und</strong>e.<br />

Denn, so Sarah Moon: »Die Fotografie<br />

ist die Seele aller Momente, die Seele<br />

des Moments, den man gerade eben zu<br />

44 brennpunkt 1/2012<br />

© Sarah Moon, »Sans titre«, 1989 © Sarah Moon, »Moon Eva«, 1997<br />

© Sarah Moon, »Kassia Pysiak«, 1998<br />

Ende gehen sah«. Und so lädt sie den<br />

Betrachter ihrer atmosphärischen Fotografien<br />

ein, der Magie dieser beseelten<br />

Momente nachzuspüren. Gleichzeitig<br />

befreit sie jedes Motiv aus seiner historischen<br />

Verankerung, löst es mithilfe<br />

der Kamera quasi von der Gegenwart<br />

ab. So wirken ihre Fotografen oft wie<br />

aus einer anderen Zeit, ja, wie visuelle<br />

Anachronismen, <strong>und</strong> sind dennoch von<br />

einer ungeheuren Intimität – ganz so,<br />

als liessen sie den Betrachter für einen<br />

kurzen Augenblick durch ein Schlüsselloch<br />

blicken.<br />

Das Faible der Künstlerin für Mystifizierung<br />

zeigt sich anhand der oftmals verschwommen<br />

Wiedergabe ihrer Motive,<br />

was ihnen eine entrückte, bisweilen beinahe<br />

geisterhafte Aura verleiht. Ähnli-<br />

ches ist in den Farbfotografien zu beobachten:<br />

Farbe, der Sarah Moon an<br />

sich skeptisch gegenübersteht, wird<br />

für sie erst als Mittel zur Verfremdung<br />

<strong>und</strong> Übersteigerung interessant. Wo die<br />

teilweise grelle Optik einer gedämpften,<br />

dunklen Farbigkeit weicht, nimmt die<br />

fantastische Stimmung einen melancholischen<br />

Unterton an. Auch die gelegentlich<br />

eingestreuten Flecken in den<br />

Schwarz-weiss-Bildern erwecken den<br />

Eindruck von nostalgischer Weltabgewandtheit.<br />

Nicht ohne Gr<strong>und</strong> werden<br />

Lewis Carrolls »Alice im W<strong>und</strong>erland«,<br />

Samuel Becket oder die grossen Märchenerzähler<br />

immer wieder als Sarah<br />

Moons Inspirationsquellen genannt.<br />

Paulina Szczesniak<br />

Zur Ausstellung erscheint das Buch<br />

12345 in einer neuen Auflage.<br />

bis 15. Februar 2012<br />

Persiehl & Heine<br />

Galerie für Fotografie<br />

Bergstraße 11<br />

20095 Hamburg<br />

Di – Fr 11 – 18 Uhr<br />

Sa 11 – 16 Uhr


Fotografenfamilie<br />

Zemann<br />

»Retrospektive«<br />

Die für das Frühjahr 2012 geplante Ausstellung<br />

in München widmet sich der<br />

Spurensuche im Nachlass der Fotografen-Familie<br />

Zemann.<br />

Lassen sich gemeinsame Bildelemente<br />

finden, eine Familienähnlichkeit zwischen<br />

Victor Zemann (1905-1992),<br />

seiner Frau Hilde (1922-2011) <strong>und</strong> ihrer<br />

gemeinsamen Tochter Marion Zemann<br />

(1944-1972) im Sinne einer gegenseitigen<br />

Inspiration? Jeder dieser begabten<br />

Fotokünstler folgt seinem individuellen<br />

Weg – Victor Zemann arbeitet vor dem<br />

Krieg <strong>und</strong> nach seiner Rückkehr aus<br />

russischer Kriegsgefangenschaft (1948)<br />

als Industrie- <strong>und</strong> Werbefotograf in Heidelberg<br />

im eigenen Foto-Atelier. Hilde<br />

Zemann wird als Portrait- <strong>und</strong> Theaterfotografin<br />

in Heidelberg <strong>und</strong> München<br />

bekannt. Marion Zemann entscheidet<br />

sich, nach ihrem Abschluss an der<br />

Münchner Bayerischen Staatslehranstalt<br />

für Photographie, bei Alexander Kluge<br />

in der Filmabteilung der Ulmer Hochschule<br />

für Gestaltung weiter zu studieren<br />

<strong>und</strong> erhält 1972 den B<strong>und</strong>esfilmpreis<br />

für ihren Kurzfilm »Des Lebens<br />

W<strong>und</strong>erhorn«.<br />

© Victor Zemann<br />

Diese Entwicklung zum bewegten Bild<br />

differenziert das künstlerische Erbe der<br />

Eltern. Beide, Victor <strong>und</strong> Hilde Zemann<br />

benutzen die Dunkelkammer-Technik<br />

© Hilde Zemann<br />

© Marion Zemann<br />

zur Verfremdung oder Vertiefung ihrer<br />

Bildaussage. So experimentiert Victor<br />

mit unterschiedlichen Drucktechniken,<br />

Hilde mit Unschärfen oder Solarisation.<br />

Marion Zemann setzt diesen spielerischen<br />

Umgang mit der Übermalung<br />

von Negativen, mit Spiegelung, Doppelbelichtung<br />

oder Bewegung fort.<br />

Mai 2012<br />

Ausstellungen<br />

Fotogalerie Karin Schneider-Henn<br />

Ismaninger Straße 74<br />

81675 München<br />

www.fotogalerie-ksh.de<br />

e-mail: galerie@fotogalerie-ksh.de<br />

Telefon 0152 5649 3660<br />

brennpunkt 1/2012<br />

45


Portfolio Jeanno Gaussi<br />

Jeanno Gaussi<br />

Jeanno Gaussi begann ihre künstlerische<br />

Laufbahn im Bereich Film- <strong>und</strong> Videokunst.<br />

Ihre Kurzfilme wurden international<br />

aufgeführt <strong>und</strong> ausgezeichnet .<br />

Three Notes (2007) gewann auf dem<br />

54th International Short Film Festival in<br />

Oberhausen den ersten Preis im deutschen<br />

Wettbewerb. Die Arbeit wurde als<br />

eine von Best 100 German Short films<br />

gelistet <strong>und</strong> 2008 für den Preis Bester<br />

Deutscher Kurzfilm nominiert.<br />

Seit 2007 arbeitet Gaussi mit den<br />

Medien Fotografie <strong>und</strong> raumgreifenden<br />

Installationen. Viele ihrer Werke<br />

entstanden während Künstler-Residenzen<br />

<strong>und</strong> bei Stipendienaufenthalten in<br />

Pakistan, Jordanien, Afghanistan, Palästina<br />

<strong>und</strong> der USA.<br />

Gaussi hat vom Triangle Arts F<strong>und</strong>, dem<br />

Defa Film F<strong>und</strong> sowie vom Goethe-Institut<br />

Künstlerförderung erhalten.<br />

2010 nahm Jeanno Gaussi an der von<br />

Jack Persekian kuratierten Jerusalem<br />

Show IV teil. Im gleichen Jahr erhielt die<br />

Künstlerin von ArteEast die Einladung,<br />

ihre Arbeit auf dem Sharjah March Meeting<br />

in den Vereinigten Arabischen Emiraten<br />

vorzustellen. Gaussi ist seit jüngstem<br />

Mitglied der Afghan Contemporary<br />

Art Research Gruppe, die vom Van Abbe<br />

Museum in Eindhoven gegründet wurde.<br />

Die Aufgabe dieser Forschungsgruppe<br />

ist die Dokumentation der zeitgenössischen<br />

Kunst in Afghanistan.<br />

Geboren in Kabul, ist die Künstlerin seit<br />

ihrer Kindheit in Deutschland zu Hause.<br />

Gegenwärtig lebt <strong>und</strong> arbeitet Jeanno<br />

Gaussi in Berlin. In ihrer Arbeit beschäftigt<br />

sie sich mit Fragen der Selbst-Verortung<br />

<strong>und</strong> Identitäten, die sich über den<br />

Rahmen der nationalen Konnotation<br />

hinaus bewegen.<br />

Gruppenausstellungen (Auswahl)<br />

2011 »The Island«, The MENASA Studio<br />

Dispatches, Dubai<br />

2011 »Human Frames«, Substation<br />

contemporary arts centre, Singapore<br />

2010 »Time After Time: Actions and<br />

Interactions«, Southern Exposure, San<br />

Francisco, USA<br />

46 brennpunkt 1/2012<br />

© Jeanno Gaussi, »Kabul´s Nightingale«, Kabul 2008<br />

2010 »Exhaustion«, The Jerusalem<br />

Show IV, Jerusalem, Palestine<br />

2009 Shatana International Artist Show,<br />

Jordan<br />

2009 »Take me to the River«, Depo<br />

Anadolu Kultur Istanbul, Turkey<br />

2008 Diasporic, Indus Valley Gallery<br />

Karachi, Pakistan<br />

2007 »Moving People Migration<br />

Refugee/Exile/Diaspora«, World Social<br />

Forum Nairobi<br />

Residenzen<br />

2010 Al-Mamal Art Residency Jerusalem,<br />

Palestine<br />

2010 HCB Berlin Künstlerresidenz<br />

Deutschland<br />

2009 International Artist Workshop<br />

Shatana, Jordan<br />

2008 International Diasporic Artists<br />

Residency Karachi, Pakistan


© Jeanno Gaussi, »Fragment 1«, Kabul 2009<br />

© Jeanno Gaussi, »Fragment 2«, Kabul 2009<br />

Portfolio Jeanno Gaussi<br />

brennpunkt 1/2012<br />

47


Portfolio Jeanno Gaussi<br />

© Jeanno Gaussi, »Erased Memories 5«, Kabul 2008<br />

© Jeanno Gaussi, »Erased Memories 2«, Kabul 2008<br />

48 brennpunkt 1/2012


© Jeanno Gaussi, »Erased Memories 1«, Kabul 2008<br />

© Jeanno Gaussi, »Erased Memories 3«, Kabul 2008<br />

Portfolio Jeanno Gaussi<br />

brennpunkt 1/2012<br />

49


Portfolio Jeanno Gaussi<br />

© Jeanno Gaussi, »Moghul Dream«, Karachi 2008<br />

50 brennpunkt 1/2012


© Jeanno Gaussi, »Moghul Dream«, Karachi 2008<br />

Portfolio Jeanno Gaussi<br />

brennpunkt 1/2012<br />

51


Portfolio Jeanno Gaussi<br />

© Jeanno Gaussi, »Le Déjeuner Sur Le Tapis«, San Francisco, 2011<br />

© Jeanno Gaussi, »Le Déjeuner Sur Le Tapis«, San Francisco, 2011<br />

52 brennpunkt 1/2012


© Jeanno Gaussi, »Le Déjeuner Sur Le Tapis«, San Francisco, 2011<br />

© Jeanno Gaussi, »Le Déjeuner Sur Le Tapis«, San Francisco, 2011<br />

Portfolio Jeanno Gaussi<br />

brennpunkt 1/2012<br />

53


Portfolio Steve Sabella<br />

Steve Sabella<br />

Geboren 1975 in Jerusalem, studierte<br />

Steve Sabella von 1994 bis 1997 Fotografie<br />

an der Naggar School in Jerusalem.<br />

2007 erhielt er seinen Bachelor<br />

Degree in Visual Arts von der Universität<br />

New York. Seinen Master in Photographic<br />

Studies absolvierte Sabella an<br />

der Universität Westminster in London.<br />

Im Jahr darauf erhielt er seinen zweiten<br />

Master in Art Business vom Sothaby’s<br />

Insititut of Art in London. Sabella lebt<br />

zur Zeit in Berlin.<br />

Sabella ist für seine Arbeiten mehrfach<br />

ausgezeichnet worden – so unter<br />

anderem auch 2008 mit dem Ellen-<br />

Auerbach Stipendium der Akademie<br />

der Künste in Berlin.<br />

Seine Arbeiten sind international ausgestellt<br />

worden (siehe Auflistung).<br />

Zu seinen früheren Arbeiten sagt Steve<br />

Sabella:<br />

»Die Schlüsselwörter für das Verständnis<br />

meiner Kunst sind ‚Desorientierung’<br />

<strong>und</strong> ‚Dislozierung’ – Sammelbegriffe<br />

für Unordnung, Störung <strong>und</strong> Verwirrung.<br />

Ich lebe in einem Zustand des<br />

ständigen ‚mentalen Exils’, <strong>und</strong> mir wird<br />

immer klarer, dass der Zustand der Fragmentierung<br />

<strong>und</strong> Entfremdung, den ich<br />

durchlaufen habe, niemals zu einer<br />

Ganzheit oder zurück zu einem festen<br />

‚Ursprung’ führen kann.<br />

Infolgedessen zeigt das Werk<br />

‚Geistesverfassungen’. Ich baue mir<br />

meine eigenen Konstrukte zusammen –<br />

dadurch wird eine neue Struktur oder<br />

eine neue ‚unmögliche Realität’ alltäglicher<br />

Konturen <strong>und</strong> Formen geschaffen,<br />

die in meiner unmittelbaren, monotonen<br />

Umgebung vorhanden sind«.<br />

Zu Sabellas neueren Arbeiten sagt<br />

Kuratorin Charlotte Bank »Jetzt, nachdem<br />

die Erfahrungen mit dem physischen<br />

Exil zur früheren Empfingung<br />

eines mentalen Exils hinzugekommen<br />

ist <strong>und</strong> es der Künstler eigenen Aussagen<br />

zufolge geschafft hat, die Bestandteile<br />

seiner Selbst zusammenzukleben,<br />

erscheint Steve Sabella befreit, schwebend,<br />

den neuen Zustand seiner Euphorie<br />

genießend <strong>und</strong> zugleich geradezu<br />

verw<strong>und</strong>ert beobachtend«.<br />

54 brennpunkt 1/2012<br />

© Steve Sabella, »Exit«, 2007<br />

Ausstellungen<br />

2011 Soloausstellung, »Euphoria &<br />

Beyond«, Empty Quarter Gallery,<br />

Dubai.<br />

Eröffnungsausstellung des Arab<br />

Museum of Modern Art in Katar,<br />

2010 Steve Sabella »In Exile«,<br />

Retrospektive Ausstellung, Metroquadro<br />

Gallery, Rivoli,Turin<br />

»The Interrupted Image«, Nicholas<br />

Robinson Gallery, New York<br />

»This is Not a Love Song«, The Empty<br />

Quarter Gallery, Dubai<br />

Junge Akademie, Akademie der Künste,<br />

Berlin<br />

2009 »NOW - Contemporary Art of<br />

the 21st Century«, Phillips De Pury,<br />

»Deconstructing Myths & Realties«,<br />

Gallery Caprice Horn, Berlin<br />

2009 Palestine, La Création Dans Tous<br />

Ses Etats, Institut du Monde Arabe & the<br />

National Museum of Bahrain<br />

Terry O’Neil Contemporary Photography<br />

Award, Independent Photographers<br />

Gallery, London & East Suseex<br />

2008 »Gates of the Mediterranean«,<br />

Palazzo Piozzo, Rivoli, Turin<br />

»Mentalopia«, Collegium Artisticum City<br />

Gallery, Sarajevo als Teil der Istanbul<br />

Sammlung für das Ars Aevi Museum<br />

2007 »Neighbors in Dialogue«, Istanbul,<br />

Turkei<br />

2005 »At Home«, Abrons Arts Center,<br />

New York<br />

2002 »Eyes from Jerusalem«, Museum<br />

of Rome in Trastevere, Rome


© Steve Sabella, »in exile«, 2008<br />

Portfolio Steve Sabella<br />

brennpunkt 1/2012<br />

55


Portfolio Steve Sabella<br />

© Steve Sabella, »in exile«, 2008<br />

56 brennpunkt 1/2012


© Steve Sabella, »in exile«, 2008<br />

Portfolio Steve Sabella<br />

brennpunkt 1/2012<br />

57


Portfolio Steve Sabella<br />

© Steve Sabella, »Euphoria«, 2010<br />

58 brennpunkt 1/2012


© Steve Sabella, »Beyond Euphoria«, 2011<br />

© Steve Sabella, »Beyond Euphoria«, 2011<br />

Portfolio Steve Sabella<br />

brennpunkt 1/2012<br />

59


Fotoszene<br />

Konterrevolution?<br />

Manchmal hört man Sachen, die möchte<br />

man eigentlich nicht glauben. So soll<br />

zum Beispiel bei einer Festrede zur<br />

Eröffnung der Norddeutschen Fotomeisterschaft<br />

in Schleswig ein Redner gefordert<br />

haben, bei Fotowettbewerben digital<br />

bearbeitete Bilder separat zu kennzeichnen.<br />

Irgendwie erinnere ich mich,<br />

solchen Unsinn schon vor ca. 20 Jahren<br />

gehört zu haben. Ich habe damals schon<br />

dagegen argumentiert <strong>und</strong> seinerzeit<br />

den Satz geprägt, »wer jetzt nicht auf<br />

den digitalen Zug aufspringt, bleibt am<br />

Bahnhof stehen...«<br />

Na ja, viele der ewig Gestrigen haben<br />

sich ja dann doch noch schnell in<br />

den schon rollenden letzten Waggon<br />

gedrängt - dachte ich eigentlich.<br />

Nun, ich hätte normalerweise diesem<br />

Lapsus aus dem Norden unserer Republik<br />

- da oben Ticken die Uhren ja doch<br />

ein wenig anders - nicht so viel Bedeutung<br />

beigemessen. Zumal ich erfahren<br />

habe, dass der Redner ein Museumsbediensteter<br />

war. Da entschuldigt man<br />

schon mal museales Denken...<br />

Nun kommt aber der nächste<br />

Hammer!<br />

Bei dem diesjährigem Wettbewerb der<br />

Firmenfotogruppen in Berlin, soll den<br />

Teilnehmern gemäß den Wettbewerbsbedingungen<br />

digitale Montagen untersagt<br />

untersagt worden sein?!?<br />

In diesem Zusammenhang fällt mir eine<br />

Anekdote aus meiner eigenen Vergangenheit<br />

ein. Vor ca. zwei Jahren fragte<br />

mich bei einer meiner Ausstellungen<br />

eine Besucherin, ob die Bilder »bearbeitet«<br />

sind. Daraufhin antwortete ich<br />

ihr, »wissen Sie gnädige Frau, das wäre<br />

ungefähr so, als ob Sie mich vor zwanzig<br />

Jahren gefragt hätten, ob der Film<br />

entwickelt sei«.<br />

Es handelte sich um eine ältere, sehr<br />

nette Dame, die ein gutes Bildgefühl<br />

besaß aber natürlich kein technisches<br />

Fachwissen.<br />

Da kann man eine solche Frage schmunzelnd<br />

hinnehmen <strong>und</strong> sich freuen, wenn<br />

man einem interessierten Laien fachlich<br />

weiter helfen kann.<br />

60 brennpunkt 1/2012<br />

© Manfred Kriegelstein, »Magic Shower«<br />

Dieses Bild ist natürlich digital bearbeitet – wenn auch keine Montage<br />

Aber, dass Leute, die sich mit Fotografie<br />

beschäftigen oder auch ohne Beschäftigung<br />

dazu öffentlich äußern, einen<br />

solchen Quatsch vertreten, ist schon<br />

bemerkenswert!<br />

Es ist schon fast peinlich, dass ich nach<br />

zwanzig Jahren noch einmal die Argumente<br />

wiederholen muss, die analoges<br />

Denken in der digitalen Zeit unsinnig<br />

machen.<br />

1. Man kann nur etwas ausschließen<br />

<strong>und</strong> reglementieren, was man auch<br />

kontrollieren kann.<br />

2. Jede geöffnete RAW-Datei <strong>und</strong> jeder<br />

Druck mit Profileinbindung bedeutet<br />

schon eine digitale Einflussnahme.<br />

3. Eine gut gemachte Montage ist<br />

schlicht <strong>und</strong> einfach mit »Bordmitteln«<br />

nicht feststellbar. Wahrscheinlich<br />

würde man, wenn man so etwas<br />

ausschließen will, vielen Autoren<br />

Unrecht tun, die nicht montiert<br />

haben.<br />

In der Fotografie ist eben nicht »der Weg<br />

das Ziel« sondern tatsächlich »das Ziel<br />

das Ziel«, oder weniger philosophisch<br />

mit unserem Altb<strong>und</strong>eskanzler - »entscheidend<br />

ist, was hinten rauskommt«.<br />

Na okay, drucktechnisch gesehen - was<br />

vorne rauskommt...<br />

Also, es kommt eben nur auf das Bild<br />

an <strong>und</strong> auf nichts anderes!<br />

Dennoch denke ich, es wäre übertrieben<br />

von einem »Analog-Revanchismus« zu<br />

sprechen. Es sind wahrscheinlich noch<br />

einige wenige der ewig Gestrigen, die<br />

zu behindert waren um den »digitalen<br />

Zug zu besteigen« <strong>und</strong> die jetzt noch<br />

ziellos auf dem schon längst verwaisten<br />

»analogen Bahnhofsgelände« herumirren...<br />

Manfred Kriegelstein


Aktfotografie. Die große<br />

Fotoschule<br />

Martin Zurmühle<br />

Verlag: Galileo Design<br />

ISBN: 978-3-8362-1790-3<br />

379 Seiten, 2. aktualisierte Auflage<br />

2011, geb. komplett in Farbe<br />

39,90 Euro<br />

Aktfotografie gilt ja als einer der schwierigsten<br />

Bereiche der Fotografie - <strong>und</strong> ist<br />

gleichzeitig sehr weit verbreitet. Da<br />

könnte man unter Umständen zu dem<br />

Schluss kommen, dass in diesem Genre<br />

auch viel Unsinn produziert wird...<br />

Ich denke, dass ein solches Standwerk<br />

wie die neueste Auflage von Martin Zurmühle<br />

helfen kann, grobe Fehler zu vermeiden.<br />

Der Autor führt in seinem Werk durch<br />

den gesamten Workflow der Aktfotografie.<br />

Von der Modelauswahl, über<br />

die Vorbereitung der Aufnahmen, bis<br />

hin zur adäquaten Bildbearbeitung.<br />

Mir persönlich gefällt besonders das<br />

Kapitel in dem der Autor sechs - sowohl<br />

männliche, als auch weibliche - Aktfotografen<br />

vorstellt.<br />

Es wird wieder deutlich, dasss niemals<br />

das Motiv über das Bild bestimmt, sondern<br />

immer die Handschrift!<br />

Also, wer sich mit Aktfotografie beschäftigt,<br />

kommt an dem Werk nicht vorbei.<br />

Manfred Kriegelstein<br />

Digitale Pinsel in Photoshop<br />

Die Referenz: Über 4000 digitale Pinseleffekte<br />

Susannah Hall<br />

Verlag: ADDISON-WESLEY<br />

ISBN: 978-3-8273-3067-3<br />

416 Seiten, 4-farbig<br />

34,80 Euro<br />

Ich vermute mal, dass sich die wenigsten<br />

Leser dieses Magazins schon intensiv<br />

mit den Maleffekten von Photoshop<br />

befasst haben. Aber gerade seit CS5 verschenkt<br />

man ein unglaubliches Potential<br />

an Kreativität, wenn man sich nicht<br />

mit den Pinseleffekten beschäftigt. Nun<br />

wirken ja Maltechniken auf puristische<br />

Fotografen erst einmal abschreckend,<br />

aber Susannah Hall hat ein verständliches<br />

Einführungskapitel mit absolut<br />

beeindruckenden Bildbeispielen<br />

geschrieben, dass auch Anfänger motiviert<br />

sich an diese Technik heranwagen.<br />

Ansonsten ist es eher ein Nachschlagewerk<br />

als ein Lesebuch. Mit über 4000<br />

nachvollziehbaren Pinseleistellungen,<br />

die man direkt übernehmen kann, bleibt<br />

in dieser kein Wunsch offen.<br />

Für alle, die den Wunsch verspüren<br />

ihren Bildern mehr malerische Kreativität<br />

hinzuzufügen, ist dieses Buch eine<br />

unbedingte Empfehlung.<br />

Manfred Kriegelstein<br />

Buchbesprechung<br />

Die Tricks der Photoshop-<br />

Profis - Volume 2<br />

Neue Bilderwelten, neue Effekte, neue<br />

Techniken<br />

Matthias Schwaighofer, Frank Melech,<br />

Tom Krieger, Dr. Tilo Gockel, Peter<br />

Rudolph<br />

Verlag: Galileo Design<br />

ISBN: 978-3-8362-1823-8<br />

DVD - 13 St<strong>und</strong>en Gesamtspielzeit<br />

49,90 Euro<br />

Die treuen Leser dieses Magazins erinnern<br />

sich vielleicht, dass ich mich schon<br />

über die erste DVD dieser Reihe sehr<br />

positiv geäußert habe. (brennpunkt<br />

2/2011).<br />

Neue Leute, neue Sichten - was für die<br />

Vorgänger galt, kommt in dieser Folge-<br />

DVD noch mehr zum tragen. Tolle<br />

Effekte, super Ideen, beeindruckende<br />

Ästhetik.<br />

Wenn man der Verlockung widerstehen<br />

kann, diese Ideen nur einfach 1:1 zu<br />

kopieren, kann man seinen kreativen<br />

Horizont um einiges erweitern.<br />

Es macht einfach Spaß diesen Top-<br />

Leuten gewissermaßen bei der Arbeit<br />

zuzuschauen.<br />

Als Schmankerl oben drauf erhält man<br />

drei St<strong>und</strong>en mehr Spielzeit - <strong>und</strong> damit<br />

mehr Information - als bei der ersten<br />

DVD.<br />

Nicht unbedingt etwas für Anfänger,<br />

aber für Photoshop-Freaks eine super<br />

Empfehlung!<br />

Manfred Kriegelstein<br />

brennpunkt 1/2012<br />

61


Vorschau 2/2012<br />

brennpunkt 2-2012<br />

erscheint am<br />

4. April 2012<br />

Leserfotos<br />

© Wolfgang Meinecke, Salzgitter,<br />

»Mein liebster Platz«<br />

Portfolio<br />

Monika Minder<br />

Monika Minder,<br />

geboren 1961 in der Schweiz.<br />

Zur digitalen Fotografie 2008<br />

gef<strong>und</strong>en.<br />

Autodidaktin.<br />

Beruf:<br />

Seit 2004 selbständige Webdesignerin.<br />

Leidenschaften:<br />

Fotografieren <strong>und</strong> Schreiben<br />

(vor allem Gedichte).<br />

© Monika Minder<br />

62 brennpunkt 1/2012<br />

© Wolfgang Meinecke, Salzgitter, »Holstebro Museum«<br />

© Monika Minder<br />

© Monika Minder © Monika Minder


ennpunkt 1/2012<br />

63


Galerien<br />

64 brennpunkt 1/2012

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