brennpunkt 1/2013
brennpunkt 1/2013
brennpunkt 1/2013
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Galeriebericht<br />
Der Blick des Anderen.<br />
Das war er, der November, der 5. Europäische<br />
Monat der Fotografie Berlin.<br />
Im Netz noch bescheiden unter mdfberlin.de<br />
zu finden, gibt er sich inzwischen<br />
weltläufiger: EMOP = European<br />
Month of Photography. Die Idee für den<br />
Monat kam ursprünglich aus Paris, von<br />
der Maison Européenne de la Photographie.<br />
So ein Haus haben wir nicht. Aber<br />
wir haben diese Biennale, zeitgleich<br />
mit nunmehr Paris, Wien, Luxemburg,<br />
Ljubljana, Budapest und Bratislava.<br />
Wien meldet 220 Ausstellungen, doppelt<br />
so viele wie in Berlin. Außer Paris<br />
– mit Thibault Brunet – tritt im offiziellen<br />
Programm bei uns keine der Partnerstädte<br />
in Erscheinung. Das war in<br />
früheren Jahren anders, mit Gästen aus<br />
allen beteiligten Metropolen. Und hätte<br />
gut zum Motto »Der Blick des Anderen«<br />
gepasst. Im Festzentrum am Pariser Platz<br />
Kaya Behkalam mit Bildern aus Kairo.<br />
Alle anderen Ausstellungen sind den<br />
Kuratoren aus der reichen Berliner Kulturlandschaft<br />
zugeflogen wie die Motten<br />
zum Licht. Über 100 hat die Jury ins Programm<br />
und den schönen Katalog aufgenommen.<br />
Schön ist er. Praktisch ist<br />
er nicht. Man ist ständig am Blättern<br />
in den 256 Seiten, weil Bild- und Textteil<br />
getrennt sind. Die Ausstellungsorte<br />
sind schon irgendwie alphabetisch sortiert.<br />
Alle Künstler sind am Ende von A –<br />
Z aufgelistet, auch im handlichen Merkheft,<br />
aber ohne eine einzige Seitenzahl!<br />
Das ist schon fast kriminell. Dennoch:<br />
Es gab viel Spannendes zu sehen, gibt<br />
es noch, denn etliche Events laufen bis<br />
ins Neue Jahr. Und weil so viele davon<br />
Berlin zum Thema hatten, habe ich es<br />
auch zu meinem gemacht. Ich musste<br />
mich beschränken. Da kamen mir »12<br />
Antworten auf Berlin« gerade recht, hier<br />
wirklich gegeben mit dem geforderten<br />
Blick des Anderen, denn keine/r dieser<br />
12 Sehenden stammt aus Deutschland.<br />
Hansgert Lambers und Axel Sommer<br />
haben sie in der Kommunalen Galerie<br />
Berlin klug zusammengeführt. Was<br />
das Dutzend eint ist die konzeptionelle<br />
Arbeitsweise und die Neugier auf eine<br />
Stadt, in der die Wunden der Geschichte<br />
allenthalben sichtbar sind. Am eindring-<br />
36 <strong>brennpunkt</strong> 1/<strong>2013</strong><br />
© Abby Storey, (O.i.F.)<br />
© Andy Rumball, (O.i.F.)<br />
lichsten kommt das rüber beim tunesischen<br />
Franzosen Stéphane Duroy, der<br />
Tradition und Abbruch geschickt in<br />
Bezug setzt, während der Franco-Kanadier<br />
Serge Clément in verschlüsselten<br />
SW-Motiven den Geheimnissen Berlins<br />
auf der Spur ist. Abby Storey aus Neuseeland<br />
hält Passanten wie in einem<br />
Film-Still für den Augenblick fest im<br />
Getriebe des Alltags, und nur der Brite<br />
Andy Rumball zielt direkt auf Promiporträts,<br />
vergattert sie aber wenig glücklich<br />
durchgehend mit einem verkreuzten<br />
Fadenmuster. Das treibt er auch mit<br />
dem Konterfei der greisen Erika Rabau,<br />
durch viele Jahre offizielle Fotografin<br />
der Berliner Filmfestspiele und Star bei<br />
Lothar Lambers. Man ist verstimmt, weil<br />
sich der Fotograf durch diese befremdliche<br />
Verfremdung in den Vordergrund<br />
rückt.<br />
Gino Puddu, geboren in Sardinien, antwortet<br />
auf seine Wahlheimat Berlin auf<br />
© Kerstin Parlow<br />
zurückhaltende, sehr poetische Weise.<br />
Sein Motiv sind die Rutschbahnen auf<br />
kinderlosen Spielplätzen, in feinem,<br />
grazilem Schwarzweiß, die der Fantasie<br />
bei besinnlicher Betrachtung Nahrung<br />
geben. Parallel in der Buchhandlung<br />
und Galerie »unterwegs« in der<br />
Torstraße sein anderer Blick auf allbekannte<br />
Berliner Orte, aber auch auf den<br />
Schöneberger Kiez, in dem sein Café<br />
Aroma liegt. Hier ist er Hausherr und<br />
Kurator und zeigt bis 24. Februar Fotos<br />
von Kerstin Parlow mit dem Titel »Um<br />
mich herum«. Sie ist auch Schriftstellerin<br />
und definiert den Blick des Anderen<br />
eher über den eigenen Abstand<br />
von ihrem Umfeld. Das klingt egozentrisch<br />
und ein wenig nach Selbsttherapie.<br />
Wenn man aber in der lebendigen<br />
Atmosphäre des italienischen Restaurants<br />
vor den Bildern steht, erschließt<br />
sich eher der emotionale Gehalt, der<br />
über das Private hinausgeht.<br />
Eine gewisse Seelenverwandtschaft entdecke<br />
ich bei der Amerikanerin Kathleen<br />
Michael, die für ihre poetischen<br />
Selbsterkundungen ohne den Umweg<br />
über ihr Umfeld auskommt. Wir haben<br />
ihre kleine, sehr intime Ausstellung<br />
»Madame Negligé« im letzten Heft vorgestellt.<br />
Es ist schon was dran am »weiblichen<br />
Blick«, diese höhere Empfindsamkeit für<br />
die eigenen Emotionen, und eine oft leidenschaftliche<br />
Empathie für das Gegenüber.<br />
Bei Aenne Burghardt verbindet