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brennpunkt 1/2013

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Galerien<br />

STRASSE NACH<br />

DAMASKUS<br />

Drei fotografische Essays der Fotografen<br />

Wenke Seemann, Angie Dehio und<br />

Andreas Rost zu dem Projekt »Neuer<br />

Weg« der Berliner Stadtmission.<br />

In dem fotografischen Projekt »Strasse<br />

nach Damaskus« versuchen die drei<br />

Autoren sich vorurteilsfrei dem Thema<br />

der Resozialisierung ehemaliger Straffälliger<br />

zu nähern. Ziel ist es, Bilder<br />

zu schaffen, die die Welt der Bewohner<br />

in ihrer Widersprüchlichkeit erfassen,<br />

die nichts beschönigen, die aber<br />

trotzdem von der Würde des Menschen<br />

künden, selbst wenn er sich in schwierigen<br />

Lebenssituationen befindet. Solche<br />

Bilder können zum Einem das Selbstbewusstsein<br />

der Porträtierten stärken,<br />

weil sie zur Auseinandersetzung mit<br />

sich selbst einladen und zum Anderen<br />

den Betrachter anregen über schwierige<br />

Themen, wie die Straffälligenhilfe, nachzudenken.<br />

Gerade weil diese Bilder<br />

keine bequemen Klischees bedienen,<br />

sondern widersprüchlich sind und vielleicht<br />

auch provozieren. Diesem Projekt<br />

liegt ein künstlerischer, kein journalistischer<br />

Ansatz und Anspruch zugrunde.<br />

Alle Arbeiten sind im Laufe eines Jahres<br />

(2011/12) entstanden, einem Zeitraum<br />

also, in dem Vertrauen wachsen kann<br />

und tiefere Einsichten über das Leben<br />

der Bewohner möglich sind. Auf diese<br />

Weise können die Menschen und die<br />

Geschichten hinter dem vordergründigen<br />

Fakt der Straffälligkeit entdeckt<br />

werden. Die metaphorische und künstlerische<br />

Dimension der Essays möchten<br />

den Blick auf die Bewohner öffnen, deren<br />

Lebensgeschichte mit Be- und Verurteilung<br />

natürlich noch nicht abgeschlossen<br />

ist. Der Titel »Strasse nach Damaskus«<br />

steht symbolisch für die Möglich<br />

der Wandlung und der Umkehr.<br />

Die Arbeit von Wenke Seemann ist eine<br />

Bild-Text-Kombination, die Außen- und<br />

Innensichten auf die »Bewohner« und<br />

Mitarbeiter der Stadtmission ermöglicht.<br />

Die Arbeit stellt eine große Nähe<br />

zu den Porträtierten her, gibt aber nie<br />

22 <strong>brennpunkt</strong> 1/<strong>2013</strong><br />

© Andreas Rost © Andreas Rost<br />

© Andreas Rost<br />

eine gewisse Distanz auf, die für einen<br />

vorurteilsfreien Blick notwendig ist. Die<br />

Bilder sind Porträts, die aus einer sehr<br />

großen Nähe aufgenommen worden<br />

sind (das Gesicht füllt zumeist, das<br />

gesamte quadratische Format aus) und<br />

die in ihrer ruhigen, sachlichen schwarz/<br />

weiß Ästhetik zu einer psychologischen<br />

Betrachtung der dargestellten Personen<br />

auffordern. Die Texte sind aus Interviews<br />

entstanden, bei denen die Befragten<br />

ihre Assoziationen zu bestimmten<br />

Begriffen mitteilten, die aus den Römerbriefen<br />

des Apostel Paulus stammen.<br />

Zwar werden in den Texten keine Straftaten<br />

geschildert, doch in der Auseinandersetzung<br />

mit Wörtern wie »Blöße«,<br />

»Gehorsam«, »Hader« oder »Obrigkeit«<br />

zeigen die Interviewten sehr deutlich<br />

und in unerwarteten sprachlichen Bildern,<br />

wie sie sich mit ihrer Vergangenheit<br />

beschäftigen. Die Formulierungen<br />

sind teilweise so eindringlich, dass sie<br />

durchaus als ein modernes Gegenstück<br />

zur Lutherübersetzung der Römerbriefe<br />

gedeutet werden können. So wie in<br />

Angie Dehios Arbeit werden auch in der<br />

Arbeit von Wenke Seemann allgemein<br />

menschliche Probleme mittels individueller<br />

Schicksale dargestellt. Zugleich<br />

zeigt die Arbeit aber auch, dass die Therapieangebote<br />

der Stadtmission zumindest<br />

bei den interviewten »Bewohnern«<br />

erfolgreich waren, da sie bereit waren,<br />

sehr tiefgründige Aussagen zu machen,<br />

die sich alle auf ihre konkrete Lebenslage<br />

beziehen.<br />

Die Porträts von Angie Dehio holen<br />

bildlich wie symbolisch die Bewohner<br />

aus einer Dunkelheit hervor und stellen<br />

sie in das warme Licht eines geöffneten<br />

Fensters nach draußen, was wiederum<br />

symbolisch gelesen werden<br />

kann. Entscheidend an diesen Bildern<br />

ist, dass man den Porträtierten zwar<br />

ansieht, dass sie schwere Lebensentscheidungen<br />

hinter sich gebracht haben,<br />

die Zukunft aber offen ist. Angie Dehio<br />

hat ein Renaissancelicht gefunden, um<br />

die Bewohner in einem neuem Licht<br />

erscheinen zu lassen. Vor allem betonen<br />

diese Bilder die Würde des Menschen,<br />

ohne dabei auf billige Mitleidseffekte<br />

zu setzen oder skandalträchtige<br />

Abgründigkeiten in die Öffentlichkeit<br />

zu zerren. So gesehen sind diese Bilder

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