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brennpunkt 1/2013

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Galerien<br />

Christer Strömholm<br />

Post Scriptum<br />

»Retrospektive«<br />

»Mit dem fotografischen Bild zu arbeiten,<br />

ist meine Art zu leben. Wenn ich<br />

nachdenke und meine Bilder genau<br />

betrachte, so sind sie alle – und jedes<br />

für sich – nichts anderes als Selbstporträts,<br />

ein Teil meines Lebens«.<br />

Christer Strömholm<br />

Spielende Kinder, innige Liebespaare,<br />

prominente Künstler, stolze Transsexuelle,<br />

entstellte Kriegsopfer – im Porträt<br />

des Anderen sieht man immer sich selbst.<br />

Seine eigene Schwäche, Fragilität und<br />

Verwundbarkeit. Das Unvertraute irritiert<br />

und zieht gleichzeitig unaussprechlich<br />

an. Christer Strömholm wendet sich<br />

in seinem vielfältigen Œuvre radikal der<br />

Welt zu und konfrontiert sich mit dieser<br />

oft rauen Realität tagtäglich. Stets geduldig<br />

und präzise beobachtend. Er belauert<br />

seine Mitmenschen nicht heimlichvoyeuristisch,<br />

sondern gibt sich seinem<br />

Gegenüber klar zu erkennen. Die<br />

unmittelbare Nähe zum Porträtierten ist<br />

Grundprinzip seiner Fotografie. So geht<br />

es ihm nicht um den entscheidenden<br />

Augenblick, sondern eine offene Haltung<br />

seinen fotografischen Objekten<br />

gegenüber. Seine subjektive Fotografie<br />

ist geprägt von großem Respekt, Nähe<br />

und gewachsener Vertrautheit.<br />

Die Schwarz-Weiß-Bilder von Christer<br />

Strömholm sind in ihrem Stil nicht eindeutig<br />

zuzuordnen – oft grobkörnig, rau<br />

und dunkel. Sein Werk ist Existenzialismus<br />

mit fotografischen Mitteln: analytisch<br />

und melancholisch und dabei<br />

aber immer einfühlsam und stets empathisch.<br />

Als erklärter Vertreter des »available<br />

light« arbeitete er ausschließlich<br />

mit vorhandenem Licht, Die Umgebung<br />

ist zwar wichtiger Bestandteil<br />

seiner Bilder ist, Details verschwinden<br />

jedoch zumeist im Dunkel. Ein Stil, der<br />

im Fremden das Eigene suchte.<br />

Für Christer Strömholm beinhaltet der<br />

Akt des Fotografierens drei Kriterien. Erstens<br />

die Verantwortung des Fotografens<br />

für den Wahrheitsgehalt seines Bildes.<br />

12 <strong>brennpunkt</strong> 1/<strong>2013</strong><br />

© Christer Strömholm<br />

Zweitens ein Prozess der Erkenntnis, der<br />

sich aus verschiedenen Erfahrungen zu<br />

neuen Schlussfolgerungen zusammenzufügt.<br />

Und drittens die ausdrückliche<br />

Präsenz von den Gefühlen, Erfahrungen<br />

und Vorstellungen des Fotografen. Mit<br />

dieser Haltung wurde er zum Altmeister<br />

und zur herausragenden Persönlichkeit<br />

der modernen schwedischen Fotografie.<br />

Seinem Werk und seine Methode hat<br />

Generationen von Künstlern beeinflusst<br />

– unter anderem Anders Petersen, Dawid,<br />

Christer Landegren und den dänischen<br />

Regisseur Bille August. Auch International<br />

nimmt Christer Strömholm eine zentrale<br />

Position in der Fotogeschichte ein,<br />

denn seine Bilder haben immens dazu<br />

beigetragen, die Fotografie als eigenständige<br />

Kunstform zu etablieren.<br />

C/O Berlin präsentiert erstmals eine<br />

Retrospektive von Christer Strömholm<br />

in Deutschland, die ca. 150 Fotografien,<br />

Kontaktbögen, Arbeitsmaterialien und<br />

Schriftstücke umfasst, worin alle wichtigen<br />

Serien enthalten sind. Die Ausstellung<br />

wurde vom Fotografiska/ Stockholm<br />

in Zusammenarbeit mit Joakim<br />

und Jakob Strömholm zusammengestellt.<br />

Zur Ausstellung ist das Buch »Post<br />

Sciptum« bei Max Ström erschienen.<br />

Christer Strömholm, 1918 in Stockholm<br />

geboren, beginnt 1937 an der Dresdner<br />

Akademie ein Malereistudium. 1938<br />

verlässt er Deutschland, übernimmt<br />

Kurierdienste für die Republikaner in<br />

Spanien und sympathisiert mit den<br />

Anarchisten. 1939 bis 1940 nimmt er am<br />

finnisch-sowjetischen Winterkrieg teil,<br />

bis 1945 ist er Widerstandskämpfer gegen<br />

die deutschen Truppen in Norwegen.<br />

1946 geht Christer Strömholm an die<br />

Académie des Beaux Arts in Paris –<br />

Fotografie wird sein Medium. Seine<br />

ersten Bilder aus den Nachkriegsjahren<br />

zeigen typische Szenen aus der Bohème<br />

wie Künstlerateliers oder Cafés, wenig<br />

später entstehen Studien von Strukturen<br />

wie Mauernflächen, Graffiti, von<br />

abstrakten Formen in der Landschaft<br />

oder Schatteneffekten. Diese Arbeiten<br />

erklären sein zeitweiliges Engagement<br />

für Positionen der Gruppe »fotoform«,<br />

die von Otto Steinert geleitet wurde.<br />

1957 übernimmt er einen Abendkurs<br />

für Gestaltung an der Kursverksamheten<br />

an der Stockholmer Universität. Daraus<br />

entwickelt er zusammen mit seinem<br />

Freund Tor-Ivan Odulf eine Schule für<br />

Fotografie – die legendäre Fotoskolan,<br />

dessen Leiter er von 1962 bis 1972<br />

ist. In dieser Zeit werden hier mehr<br />

als 1.200 Studenten. 1981 erhilet er<br />

die goldene Medaille vom Rencontres<br />

Internationales de la Photographie in<br />

Arles. 1993 wird er zum Professor durch<br />

die schwedische Regierung ernannt und<br />

erhält 1997 den Hasselblad Award – den<br />

»Nobelpreis« für Fotografie. 2002 stirbt<br />

Christer Strömholm in Stockholm.<br />

Eröffnung 18. Januar <strong>2013</strong>, 19 Uhr<br />

19. Januar bis 18. März <strong>2013</strong><br />

C/O Berlin<br />

International Forum For Visual<br />

Dialogues<br />

Oranienburger Straße 35/36<br />

10117 Berlin-Mitte<br />

täglich 11 – 20 Uhr

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