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ennpunkt<br />

1/<strong>2013</strong> 4,00 Euro 29. Jahrgang<br />

Magazin für Fotografie<br />

Januar bis März <strong>2013</strong><br />

Galerien • Buchbesprechungen • Fotoszene<br />

Portfolio Jürgen Bürgin • Fabio Orsi


2 <strong>brennpunkt</strong> 1/<strong>2013</strong><br />

FÜR ORIGINALE<br />

„Ich fotografiere für den Fine Art Druck. Erst die Kombination von hochwertigen traditionellen<br />

Büttenpapieren und modernster Drucktechnik bringt die sinnliche Qualität meiner Bilder optimal<br />

zur Geltung.“ Manfred Kriegelstein Die Digital FineArt Collection bietet exklusive Künstlerpapiere<br />

mit edler Haptik und bestechender Optik für den Inkjetdruck. Brillante Schwarz-Weiß-Aufnahmen<br />

oder subtile Farbfotografie werden dank unserer feinen Papiere der Individualität Ihrer Kunstwerke<br />

mehr als gerecht. Mehr Papierkunst unter www.hahnemuehle.de<br />

P A P I E R E M I T M U S E U M S Q U A L I T Ä T, A L T E R U N G S B E S T Ä N D I G U N D M E H R F A C H P R Ä M I E R T .


Impressum:<br />

<strong>brennpunkt</strong><br />

Magazin für Fotografie<br />

Erscheint vierteljährlich,<br />

erhältlich in Fotogalerien,<br />

Geschäften, Buchhandlungen<br />

und über Abonnement.<br />

Jahresabo 13,50 Euro<br />

Einzelpreis 4,00 Euro<br />

Konten:<br />

Postbank Berlin<br />

Konto-Nr. 3751 06-104<br />

BLZ 100 100 10<br />

Redaktionsschluss:<br />

jeweils am 10. vor dem Erscheinungsmonat<br />

Herausgeber:<br />

edition buehrer<br />

c/o Dietmar Bührer<br />

Odenwaldstraße 26<br />

12161 Berlin<br />

Telefon u. Telefax: (0 30) 8 53 35 27<br />

e-Mail: buehrer-berlin@t-online.de<br />

Internet: www.edition-dibue.de<br />

Copyright bei Edition<br />

Druck:<br />

schöne drucksachen<br />

Bessemerstraße 76a, 12103 Berlin<br />

ISSN 0932-7231<br />

Redaktion:<br />

Dietmar Bührer V.i.S.d.P.<br />

Michael Gebur<br />

Klaus Rabien<br />

Manfred Kriegelstein<br />

Hinweis:<br />

Für unverlangt eingesandte<br />

Manuskripte und Fotografien<br />

wird keine Haftung übernommen.<br />

Helmut Newton<br />

British Vogue, London 1967<br />

© Helmut Newton Estate<br />

Galerien<br />

� Paul-Georg Herrmann »Rund um den Ku´damm 1968« ..................................... 5<br />

� Helmut Newton: World without Men, u.a. / François-Marie Banier: Porträts ..... 6<br />

� Pepper »Snapshot Beauties« .............................................................................. 8<br />

� ARVID GUTSCHOW und ALFRED EHRHARDT – Artverwandte ........................ 9<br />

� Michael Schmidt »Lebensmittel« ....................................................................... 10<br />

� Margaret Bourke-White »Fotografien« ............................................................... 11<br />

� Christer Strömholm Post Scriptum »Retrospektive« ............................................ 12<br />

� TONY VACCARO »Retrospektive - 70 Jahre Fotografie« .................................... 13<br />

� LOUIS STETTNER »The First Ninety Years« ........................................................ 14<br />

� Zeiten–Zeitorte–Zeitsichten / Abschlussklasse von Thomas Michalak .................. 16<br />

� GLAUBENSSACHE ............................................................................................. 17<br />

� Ellen von Unwerth »The Story of Olga« ............................................................... 18<br />

� Magali Koenig »TV« ............................................................................................ 19<br />

� Abschlußarbeiten Fotoklasse 30 .......................................................................... 20<br />

� Abschlußarbeiten Fotoklasse 31 .......................................................................... 21<br />

� STRASSE NACH DAMASKUS ............................................................................. 22<br />

� Michael Busse »Zu den Liebesinseln« ................................................................. 24<br />

� Dvorah Kern / Marit Beer »Portraits« .................................................................. 25<br />

� Andreas Fischer »Tante Hilde« ............................................................................ 26<br />

� André Baschlakow »Hinterlassenschaften« .......................................................... 27<br />

� Lorant Szathmary »Überall und nirgends« ........................................................... 28<br />

� Jürgen Schadeberg »The concerned Photographer« ............................................. 29<br />

� Shômei Tômatsu »Photograph 1951-2000« ......................................................... 30<br />

� Christian Patterson »Redheaded Peckerwood« .................................................... 31<br />

� Bogomir Ecker »Idylle + Desater« ........................................................................ 31<br />

� 15 Jahre CAMERA WORK ................................................................................... 32<br />

Galeriebesprechungen<br />

� Der Blick des Anderen. (Klaus Rabien) ............................................................... 36<br />

Ausstellungen in Berlin ............................................................................................ 43<br />

Portfolio<br />

� Jürgen Bürgin ...................................................................................................... 48<br />

� Fabio Orsi ........................................................................................................... 60<br />

Fotoszene<br />

� Holga, die wieder gefundene Kreativität (Jörg Stadler) ........................................ 40<br />

� FRÖAUF ............................................................................................................ 41<br />

� Ursula Kelm »Sofortbilder« .................................................................................. 42<br />

� Ursula Kelm »zum 70.« ....................................................................................... 44<br />

� Photokina 2012 (Manfred Kriegelstein) ................................................................ 64<br />

Buchbesprechungen<br />

� GEISTERSTADT Sperrzone Zossen/Wünsdorf (Sabine von Breunig) ................... 45<br />

� Bottrop-Ebel 76 (Michael Wolf) ......................................................................... 46<br />

� Rented Rooms (Torben Höke) ............................................................................ 47<br />

� Die Kunst der Fotografie ..................................................................................... 65<br />

� LUMIX G5 .......................................................................................................... 65<br />

� Photoshop CS6 für digitale Fotografie ................................................................. 65<br />

Vorschau 2-<strong>2013</strong> ...................................................................................................... 66<br />

<strong>brennpunkt</strong> 1/<strong>2013</strong><br />

3


Paul-Georg Herrmann<br />

»Rund um den<br />

Ku‘damm 1968«<br />

Ein Fotograf – ein Ort in Berlin! So<br />

lautet das Konzept des Berliner Salons<br />

für Fotokunst. Hier werden Arbeiten von<br />

Fotografen gezeigt, die weit über konventionelle<br />

Dokumentarfotografie hinausgehen,<br />

sondern den Betrachtern vielmehr<br />

subjektive Perspektiven aufzeigen<br />

und neue Blickwinkel eröffnen. Thema<br />

der aktuellen Ausstellung: Der Kurfürstendamm<br />

– vor 45 Jahren! Während<br />

der Studentenrevolte 1967/68 war der<br />

Fotograf Paul-Georg Herrmann hautnah<br />

dabei und hat die geschichtsträchtigen<br />

Ereignisse auf dem Westberliner Prachtboulevard<br />

und in der näheren Umgebung<br />

auf eindrucksvolle Weise mit der<br />

Kamera festgehalten. Um sein Architekturstudium<br />

zu finanzieren, arbeitete der<br />

geborene Kreuzberger Ende der 60er<br />

Jahre unter anderem für die amerikanische<br />

Presseagentur Associated Press.<br />

Presse- und Studentenausweis haben<br />

ihm damals viele Türen geöffnet, beispielsweise<br />

auch zu Festen im Schöneberger<br />

Rathaus bei Bürgermeister Neubauer.<br />

Eine Auswahl seiner bewegenden<br />

Schwarzweiß-Fotos einer unvergesslichen<br />

Epoche zeigt Herrmann jetzt<br />

erstmals in einer öffentlichen Ausstellung.<br />

Vernissage<br />

Freitag, den 8. Februar <strong>2013</strong>,<br />

ab 19 Uhr<br />

© Paul-Georg Herrmann<br />

© Paul-Georg Herrmann<br />

© Paul-Georg Herrmann<br />

© Paul-Georg Herrmann<br />

13. Februar bis 28. März <strong>2013</strong><br />

Berliner Salon für Fotokunst<br />

Kulturhaus Schöneberg<br />

Kyffhäuserstraße 23<br />

10781 Berlin-Schöneberg<br />

Mi 14 – 19 Uhr<br />

Do 12 – 17 Uhr<br />

und nach Vereinbarung<br />

salonfuerfotokunst.blogspot.com<br />

Telefon 0179 - 591 35 16<br />

<strong>brennpunkt</strong> 1/<strong>2013</strong><br />

Galerien<br />

5


Galerien<br />

Helmut Newton:<br />

World without Men /<br />

Archives de Nuit<br />

François-Marie Banier:<br />

Porträts<br />

Modephotographie war stets der wichtigste<br />

Aspekt im Werk Helmut Newtons.<br />

Lange bevor er seine ersten Publikationen<br />

in internationalen Verlagen auch<br />

mit Modebildern füllte, arbeitete er im<br />

Auftrag von renommierten Modemagazinen<br />

und Modehäusern. Einige dieser<br />

Photographien veröffentlichte er in seinem<br />

vierten Bildband – unter dem ironischen<br />

und zugleich programmatischen<br />

Titel »World without Men«. Die Publikation<br />

erschien 1984 zunächst in den USA<br />

und bereits im selben Jahr in Deutschland,<br />

nun wird sie anlässlich der Berliner<br />

Ausstellung neu aufgelegt. Darin<br />

finden sich pointierte Selbstäußerungen<br />

von Newton sowie zahlreiche Bildikonen,<br />

aufgenommen in Paris, Saint-<br />

Tropez, Los Angeles, Mailand, Berlin<br />

und London zwischen den 1960er und<br />

1980er-Jahren. Das legendäre Photobuch<br />

wird, vergleichbar der gerade zu<br />

Ende gegangenen Ausstellung zu Newtons<br />

ersten drei Bildbänden, nun erstmals<br />

in eine Ausstellung verwandelt und<br />

komplett präsentiert.<br />

Newtons Modephotographie zeichnete<br />

– jenseits der traditionellen Erzählweise<br />

– stets luxuriöse Eleganz und subtile<br />

Verführung, kulturhistorische Bildzitate<br />

und ein überraschender Bildwitz<br />

aus. Diesen unnachahmlichen Stil entwickelte<br />

der damals in Paris lebende<br />

Photograph, wie wir hier sehen, in den<br />

1970er und 1980er-Jahren, inklusive der<br />

Verschiebung oder gar Ignorierung mancher<br />

Tabus. Seitdem erst war die allgemeine<br />

Akzeptanz für Modeaufnahmen<br />

soweit gestiegen, dass Bildbände veröffentlicht<br />

und Ausstellungen zur Modephotographie<br />

organisiert wurden; das<br />

galt umso mehr, wenn etwa Richard<br />

Avedon, Irving Penn, William Klein oder<br />

Helmut Newton daran beteiligt waren<br />

und Neuinterpretationen lieferten.<br />

6 <strong>brennpunkt</strong> 1/<strong>2013</strong><br />

Helmut Newton, French Vogue, Monte Carlo 1980, © Helmut Newton Estate, (O.i.F.)<br />

Wir blicken hier auf die damals<br />

zeitgenössische Mode von Yves Saint<br />

Laurent und Mary Quant, Ungaro<br />

und Lagerfeld, die Newton so zeitlos<br />

inszenierte, respektive in die so<br />

unnahbar wirkenden Gesichter der<br />

Modelle, deren Blick in die Ferne oder<br />

nach innen gerichtet zu sein scheint.<br />

Selbstverständlich gibt es die für Newton<br />

so typische zwischengeschlechtliche<br />

Interaktion, wobei gelegentlich auch<br />

Frauen in männliche Rollen schlüpfen<br />

und dies noch auf den zweiten Blick<br />

sichtbar bleibt. Männer tauchen nur<br />

dann auf, wenn sie von Newton<br />

als Statisten für die Bewunderung<br />

weiblicher Schönheit und Macht<br />

inszeniert werden. Manchmal finden<br />

sich zwei Männer in Begleitung einer<br />

selbstbewusst wirkenden Frau, ähnlich<br />

Truffauts »Jules et Jim« von 1962. Ein<br />

noch eindeutigeres Filmzitat liefert<br />

eine Modestrecke für die britische<br />

Vogue, entstanden in London Mitte<br />

der 1960er-Jahre, als Helmut Newton<br />

eine Szene aus Hitchcocks »North by<br />

Northwest« (»Der unsichtbare Dritte«)<br />

von 1959 in eine Modephotographie<br />

übersetzte: eine Frau im Pelz (für<br />

den mit dieser Aufnahme geworben<br />

wird) geht vor einem herannahenden<br />

Flugzeug in Deckung. Mit einer anderen<br />

Modephotographie für die italienische<br />

Vogue aus der gleichen Zeit zitiert<br />

Newton den geschätzten Kollegen<br />

Martin Munkacsi, der drei Dekaden<br />

François-Marie Banier, David Lynch,<br />

Cannes 2001, © François-Marie Banier<br />

zuvor ebenfalls ein weibliches, schwarz<br />

gekleidetes Modell an einem Strand<br />

im Profil und in Bewegung durch<br />

sein Kamerablickfeld laufen ließ. Der<br />

entscheidende Unterschied liegt in der<br />

Mode, denn 1966 war der Rocksaum<br />

des Cocktailkleides bereits über<br />

die Höhe des Knies gerutscht – bei<br />

Munkacsi war dies undenkbar; er hatte<br />

damals lediglich Bademode am Strand<br />

photographiert.


Helmut Newton, French Vogue, Dakar 1971,<br />

© Helmut Newton Estate (Original in Farbe)<br />

Überraschend bleiben in Newtons<br />

Werk die Kontraste zwischen der<br />

bewussten Inszenierung seiner Aufnahmen<br />

und dem »normalen Leben« drumherum,<br />

etwa am Strand von St. Tropez.<br />

Hier stellte der Photograph 1978 im Auftrag<br />

des »Stern« ein Modell im eleganten,<br />

hochgeschlossenen Thierry Mugler-<br />

Abendkleid auf eine Bank, umgeben<br />

von halbnackten Menschen beim Sonnenbad.<br />

Damit bezog er Lokalkolorit<br />

inklusive einer natürlichen Nacktheit<br />

in seine Modephotographie mit<br />

ein – ein interessantes Wechselspiel für<br />

einen Photographen, der nackte Haut<br />

ansonsten auch genreübergreifend thematisierte.<br />

Die Idee des »Naked and<br />

Dressed«, die er nur kurze Zeit später<br />

in den berühmt gewordenen Diptychen<br />

seines »Big Nudes«-Projektes ausformulierte,<br />

taucht hier bereits im Ansatz auf.<br />

Ergänzt wird »World without Men«<br />

durch »Archives de Nuit«, ein Ausstellungsprojekt<br />

von Helmut Newton mit<br />

begleitender Publikation, das 1992 in<br />

Paris Premiere hatte und anschließend<br />

an mehreren Orten in Europa gezeigt<br />

wurde. Es vereint Schwarz-Weiß-Photographien<br />

unterschiedlicher Genres aus<br />

den späten 1980er- und frühen 1990er-<br />

Jahren: Porträt, Akt, Landschaft, Stillleben<br />

– Modeaufnahmen sind keine<br />

dabei. Newton interessierte sich, wie<br />

wir hier sehen, auch für andere Themen<br />

und Motive, etwa landende Wasserflugzeuge,<br />

beobachtet vom Balkon seiner<br />

Wohnung in Monte Carlo, für Schrottautos<br />

am Straßenrand in Berlin, für<br />

menschliche Missbildungen in der Vitrine<br />

eines naturhistorischen Museums<br />

in Wien oder das Innere der Kathedrale<br />

von Bologna. Es sind eher freie Projekte,<br />

und diese ungewöhnlichen Seitenblicke<br />

werden in der Publikation<br />

und in der aktuellen Berliner Ausstel-<br />

Helmut Newton, Panoramic Nude, Villa d´Este,<br />

Lake Como 1989, © Helmut Newton Estate<br />

lung mit Aktaufnahmen, die unter anderem<br />

im Auftrag des Playboy entstanden,<br />

kontrastiert. Das Konzept ähnelt seinem<br />

Magazin »Helmut Newton Illustrated«,<br />

das in vier Ausgaben in unregelmäßigen<br />

Abständen zwischen 1987 und<br />

1995 erschien und 2007 in Berlin ausgestellt<br />

war. Newtons Nacht-Bildarchiv<br />

vereint in der Tat viele düstere, rätselhafte,<br />

mitunter unheimliche Aufnahmen<br />

voller Vanitas-Motivik, die noch mehr<br />

an Detektiv - oder Kriminalgeschichten<br />

erinnern als sein sonstiges Werk.<br />

bis 19. Mai <strong>2013</strong><br />

Helmut Newton Stiftung<br />

Museum für Fotografie<br />

Jebensstraße 2<br />

10623 Berlin-Charlottenburg<br />

Di – So 10 – 18 Uhr<br />

Do 10 – 20 Uhr<br />

<strong>brennpunkt</strong> 1/<strong>2013</strong><br />

Galerien<br />

Einige Bilder der beiden Projekte werden<br />

in der Helmut Newton Stiftung erstmals<br />

präsentiert. In den Ausstellungsräumen<br />

der Stiftung wird, gemäß eines von<br />

Newton noch zu Lebzeiten formulierten<br />

Wunsches, gelegentlich auch anderen<br />

Photographen ein Forum gegeben;<br />

diesmal wurde der französische Künstler<br />

und Schriftsteller François-Marie Banier<br />

von June Newton eingeladen, über<br />

30 seiner photographischen Porträts<br />

in »June’s Room« zu zeigen. Wir<br />

begegnen hier einem Who’s who der<br />

internationalen Film-, Musik-, Literatur-<br />

und Kunstszene sowie einigen Politikern,<br />

darunter Johnny Depp, Woody Allen,<br />

Ray Charles, Samuel Beckett, Andy<br />

Warhol, Louise Bourgeois oder Caroline<br />

von Monaco. Banier ist sehr nah dran an<br />

den Prominenten, was nicht überrascht,<br />

gehört er inzwischen selbst doch auch<br />

zu ihnen. Es ist das Miteinander von<br />

Freunden, so scheint es, das sich hier<br />

als Bild manifestiert.<br />

François-Marie Banier hat in vielen<br />

Institutionen weltweit ausgestellt und<br />

zahlreiche Publikationen zu seinem<br />

vielfältigen, multimedialen Werk<br />

vorgelegt.<br />

Dr. Matthias Harder<br />

Im TASCHEN-Verlag erscheint im<br />

Januar <strong>2013</strong> Helmut Newton. World<br />

Without Men<br />

Hardcover, 24 x 32,5 cm, 188 Seiten,<br />

ISBN 978-3-8365-4512-9, 39,99 EUR<br />

7


Galerien<br />

Pepper<br />

»Snapshot Beauties«<br />

Bisher arbeitete der Berliner Fotograf<br />

vor allem als Autor und Kurator. Eine<br />

Kamera verwendete er nur gelegentlich,<br />

um Artikel zu illustrieren oder<br />

Dokumentationen von Ausstellungen<br />

anzufertigen. Seit zwei Jahren aber konzentriert<br />

er sich ganz auf die Fotografie,<br />

die ihm nicht zuletzt durch Begegnungen<br />

und Zusammenarbeit mit Fotokünstlern<br />

wie Gilbert & George, Pierre et Gilles,<br />

Arthur Tress oder Brigitte Maria Mayer<br />

nahe gebracht wurde.<br />

In der Galerie Carpentier sind nun erstmals<br />

Fotografien von Pepper, kleinformatige<br />

Akt- und Halbaktfotografien junger<br />

Frauen, in einer Einzelausstellung<br />

zu sehen. Für die Produktion dieser<br />

»Snapshot Beauties« genannten Serie hat<br />

Pepper ausschließlich Einwegkameras<br />

verwendet, eine der einfachsten<br />

Techniken am Fotomarkt. Die mit einem<br />

hochempfindlichen Kleinbildfilm versehenen<br />

Plastikteile mit eingebautem Blitz<br />

haben ihn gereizt der immer perfekter<br />

werdenden Hightech-Fotografie etwas<br />

entgegenzusetzen. Nicht aus Prinzip,<br />

aber aus einem gewissen Widerwillen<br />

der immer schneller aufeinander folgenden<br />

technischen Entwicklungen auf<br />

dem Fotomarkt gegenüber. Etwas möglichst<br />

Simples sollte Medium für die<br />

Erschaffung einer Serie von Akt- und<br />

Erotikfotografien sein, die sich selbst<br />

durch Einfachheit und Natürlichkeit auszeichnet.<br />

Für die »Snapshot Beauties« hat Pepper<br />

mit Laien und semiprofessionellen<br />

Modellen zusammengearbeitet, die er<br />

über Modell-Karteien im Internet und<br />

durch Zufall in Berlin kennengelernt<br />

hat. Fotografiert wurde ausschließlich<br />

an privaten Orten um eine persönliche<br />

und entspannte Atmosphäre zu<br />

gewährleisten. So sind Bilder entstanden,<br />

die oft einen spontanen Charakter<br />

haben und in denen die Leichtigkeit<br />

eines »Schnappschusses« mitschwingt.<br />

Selbst bei offensichtlich inszenierten<br />

Aufnahmen ist die natürliche Haltung<br />

der Modelle, die einfache Geste, wichtiger<br />

als übertriebenes Posieren.<br />

8 <strong>brennpunkt</strong> 1/<strong>2013</strong><br />

© Pepper, »Yvi«<br />

Zu der Privatheit der Bilder und dem verhältnismäßig<br />

groben Filmmaterial passtauch<br />

die Größe der Prints, die in etwa<br />

dem Din-A-4-Format entspricht.<br />

Parallel zur Ausstellung erscheint ein 80seitiges<br />

Buch in französisch Broschur mit<br />

39 ganzseitigen Abbildungen und einem<br />

Gespräch zwischen dem Fotografen Jan<br />

Sobottka und Pepper.<br />

Oliver S. Scholten<br />

Vernissage: 22. März <strong>2013</strong>, 19 Uhr<br />

23. März bis 21. April <strong>2013</strong><br />

carpentier galerie<br />

Meinekestraße 13<br />

10719 Berlin-Charlottenburg<br />

Mi – Fr 14 – 18 Uhr<br />

und Öffnungszeiten nach Vereinbarung


ARVID GUTSCHOW<br />

und<br />

ALFRED EHRHARDT<br />

– Artverwandte<br />

Am 11. Januar <strong>2013</strong> eröffnet die Alfred<br />

Ehrhardt Stiftung die Ausstellung<br />

Arvid Gutschow und Alfred Ehrhardt<br />

– Artverwandte.<br />

Anlass für diese fotografische<br />

Gegenüberstellung ist eine umfassende<br />

Schenkung von Aufnahmen Gutschows,<br />

diesem bedeutenden Vorreiter der<br />

Neuen Fotografie, dessen Blick<br />

und Bildthematik denen von Alfred<br />

Ehrhardt nahe stehen und vergleichbar<br />

sind. Ein Teil der Ausstellung zeigt die<br />

Landschaftsaufnahmen der beiden<br />

Fotografie-Autodidakten Gutschow<br />

und Ehrhardt Seite an Seite, um zu<br />

veranschaulichen, dass beide an<br />

der Entstehung und Auflösung von<br />

Strukturen und Mustern interessiert<br />

waren. Zudem wird auch deutlich,<br />

wie Ehrhardt Gutschows strukturelle<br />

Sichtweise und Tendenzen der Neuen<br />

Fotografie aufnahm und verfeinerte. In<br />

der Ausstellung werden 60 Fotografien<br />

von Arvid Gutschow und 10 Fotografien<br />

von Alfred Ehrhardt gezeigt.<br />

Die Fotografien von Arvid Gutschow<br />

(2.10.1900, Hamburg – 14.5.1984,<br />

Seebergen bei Bremen) sind bisher<br />

nur einem Kreis von Kennern bekannt.<br />

Ursprünglich war der promovierte Jurist<br />

als höherer Verwaltungsbeamter im<br />

Staatsdienst der Stadt Hamburg tätig.<br />

Sein Vater, ein passionierter Hobbyfotograf,<br />

brachte ihm die Fotografie nahe<br />

und so begann Gutschow früh, Landschaften<br />

im Hamburger Umland zu<br />

fotografieren.<br />

Sein besonderes Interesse galt den<br />

Strukturen und Formationen der Natur<br />

wie Lichtreflexionen auf Wasseroberflächen<br />

oder Windverwehungen an Stränden<br />

und Dünen. Darüber hinaus interessierte<br />

sich Gutschow für Fabrikanlagen<br />

und Industriebauten als neues fotografisches<br />

Sujet.<br />

Schon 1929 gehörte Arvid Gutschow<br />

zu den Protagonisten der wegweisen-<br />

Sand und Sonne, Sylt 1928, Print 1989/90<br />

Silbergelatine, Alfred Ehrhardt Siftung,<br />

© Arvid Gutschow<br />

den Internationalen Wanderausstellung<br />

des Deutschen Werkbundes FILM UND<br />

FOTO in Stuttgart. Schnell hielten seine<br />

Aufnahmen Einzug in verschiedene<br />

Zeitschriften und Magazine der 1920er-<br />

und 1930er- Jahre, so unter anderem in<br />

Der Querschnitt, Atlantis, Koralle, Das<br />

Deutsche Lichtbild und PHOTOGRA-<br />

PHIE Arts et Métiers Graphiques. Es ist<br />

beachtenswert, dass er eine solch rege<br />

Publizistik und hochkarätige fotografische<br />

Qualität nebenberuflich umsetzen<br />

konnte.<br />

Bekannt wurde Arvid Gutschow mit<br />

seinem Fotobuch See Sand Sonne, das<br />

1930 im Hamburger Gebrüder Enoch<br />

Verlag erschien. Diese frühe Publikation<br />

mit 75 Aufnahmen von Meer, Watt,<br />

Strand, Dünen und Küstenpflanzen<br />

gehört zu den stilbildenden Fotobüchern<br />

abstrahierender Landschaftsfotografie;<br />

wegen seines Layouts galt es seinerzeit<br />

als besonders progressiv. Der Bildband<br />

war Inspirationsquelle für weitere<br />

Bücher über Meeres-, See- und<br />

Dünenlandschaften in den 1930er-<br />

Jahren. Die vorwiegend abstrakt<br />

gehaltenen Aufnahmen von Sand-<br />

und Wasserformationen Gutschows<br />

zeigen seinen klar gliedernden und<br />

strukturellen Blick, der auch in den<br />

Sandstrukturaufnahmen, die Ehrhardt<br />

zwischen 1933 und 1936 im Watt<br />

bei Cuxhaven und an der Kurischen<br />

Nehrung fotografierte, charakteristisch<br />

ist. Zudem wohnt ihnen ebenso wie<br />

seinen späteren Landschafts- und<br />

Technikfotografien eine gestalterische<br />

und formale Strenge inne, die der<br />

renommierte Hamburger Fotohistoriker<br />

Fritz Kempe 1956 wie folgt beschrieb:<br />

»Gutschow (…) kultiviert: die Kunst<br />

des Einengens, Abstrahierens und<br />

12. Januar bis 17. März <strong>2013</strong><br />

Alfred Ehrhardt Stiftung<br />

Auguststraße 75<br />

10117 Berlin-Mitte<br />

Di – So 11 – 18 Uhr<br />

Do 11 – 21 Uhr<br />

www.alfred-ehrhardt-stiftung.de<br />

<strong>brennpunkt</strong> 1/<strong>2013</strong><br />

Galerien<br />

Komprimierens. Dazugewonnen hat er<br />

eine glänzende Technik. (...) Aus dem<br />

ständigen Leben in der Natur wächst<br />

ihm Kraft für die geistige Strenge seiner<br />

Fotografie«.<br />

Arvid Gutschow (1900-1984) wuchs<br />

in Hamburg-Blankenese auf. Sein Vater<br />

vermittelte ihm bereits früh das Medium<br />

Fotografie. Nach dem Abitur nahm Gutschow<br />

ein Jurastudium auf. Im Anschluss<br />

an sein Studium mit abgeschlossener<br />

Promotion trat Gutschow 1926<br />

bei der Landherrenschaft Hamburg in<br />

den Staatsdienst ein, aus dem er Mitte<br />

1948 auf eigenen Wunsch ausschied.<br />

Nebenher fotografierte er auf höchstem<br />

Niveau. Bis Mitte der 1950er-Jahre<br />

entstand sein fotografisches Œuvre. Im<br />

Anschluss an seine frühzeitige Pensionierung<br />

beschäftigte er sich intensiv mit<br />

Landwirtschaft, Fragen der Umweltzerstörung,<br />

Problemen der Entwicklungsländer.<br />

Alfred Ehrhardt (1901-1984) war Organist,<br />

Chorleiter, Komponist, Maler und<br />

Kunstpädagoge, bevor er Fotograf und<br />

Kulturfilmer wurde. Nach einem Aufenthalt<br />

am Dessauer Bauhaus 1928/29<br />

leitete er an der Landeskunstschule<br />

Hamburg den ersten Vorkurs für Materialkunde<br />

außerhalb des Bauhauses. Erst<br />

nachdem er aufgrund seiner modernistischen<br />

Kunstauffassung durch die Nationalsozialisten<br />

1933 vom Hochschuldienst<br />

entlassen wurde, wandte er sich<br />

der Fotografie und dem Film zu. Er interessierte<br />

sich für die Bodenformationen<br />

im Watt, bereiste Island, fotografierte<br />

Kristalle, Muscheln und Korallen und<br />

beschäftigte sich mit Mikrofotografie.<br />

Weitere Schwerpunkte bilden die Architektur-<br />

und Skulpturenfotografie.<br />

Eröffnung: 11. Januar <strong>2013</strong>, 19 Uhr<br />

9


Galerien<br />

Michael Schmidt<br />

»Lebensmittel«<br />

Die Fähigkeit von Michael Schmidt,<br />

scheinbar widersprüchliche Elemente<br />

in seiner Fotografie in eine gültige Form<br />

zu übersetzen, weist ihm eine herausragende<br />

Position in der aktuellen Fotografie<br />

zu. Während er mit seiner immer<br />

neuen Herangehensweise an fotografische<br />

und gesellschaftliche Fragestellungen<br />

eine singuläre Stellung einnimmt,<br />

gelten sein innovatives projekthaftes<br />

Arbeiten und sein extremes Engagement<br />

als Vorbild für eine Generation<br />

jüngerer Fotografen.<br />

Mit der Serie »Lebensmittel« schließt<br />

der 1945 in Berlin geborene Michael<br />

Schmidt die Reihe seiner großen Projekte<br />

ab. Im Frühjahr 2012 wird nach<br />

fünf Jahren der Planung und Realisierung<br />

das fotografische Essay zur Verarbeitung<br />

von Lebensmitteln in Europa<br />

erstmals veröffentlicht.<br />

Schmidt fotografiert seit 2006 in den<br />

Fischfarmen Norwegens, in Großbäckereien<br />

in Deutschland oder der apfelverarbeitenden<br />

Industrie in Italien. Ähnlich<br />

wie in der Serie »Irgendwo«, für<br />

die Schmidt die süddeutsche Provinz<br />

bereiste und den »Verlust von Zuhause<br />

als Ort von Identität« (Schmidt) thematisierte,<br />

kommt es dabei auch in den<br />

Bildern des Projektes »Lebensmittel«<br />

nicht auf den konkreten Ort der Aufnahme<br />

an: Der weitgehende Verlust des<br />

lokalen Bezuges der Produktion, Weiterverarbeitung<br />

und Konfektionierung<br />

von Lebensmitteln macht es für den<br />

Betrachter unmöglich zu entscheiden,<br />

ob sich zum Beispiel ein Schlachtbetrieb<br />

in Spanien, Frankreich oder England<br />

befindet.<br />

Die Fotografien belegen im Gegensatz<br />

zu manchen älteren Serien des<br />

Künstlers keine Haltung von Wut oder<br />

Anklage. Vielmehr ist die Sichtweise<br />

Schmidts von äußerster Klarheit und<br />

Härte gekennzeichnet. Der Blick in<br />

die Brotkörbe, in die Käfige der Fischfarmen<br />

oder Apfelwaschanlagen erinnert<br />

in seiner seriellen Analytik bis-<br />

10 <strong>brennpunkt</strong> 1/<strong>2013</strong><br />

Michael Schmidt, Ohne Titel, # 17.169, aus: LEBENSMITTEL 2006-2010,<br />

Bromsilbergelatine Print, 54,1 x 81,6 cm, © Michael Schmidt<br />

weilen an die sachliche Fotografie der<br />

1920er Jahre. Doch gerade der Widerspruch<br />

zwischen der latent optimistischen<br />

Haltung der klassischen Fotografen,<br />

die ihre Motive aus der industriellen<br />

Produktion in einer perfekten Ästhetik<br />

in Szene setzten, und der realistischen<br />

Sichtweise Schmidts hinterlässt bei der<br />

Gesamtschau auf das Projekt einen verstörenden<br />

Eindruck: Das Einzelbild fordert<br />

die sachliche Betrachtung, während<br />

die Serie durch ihre Komposition<br />

von Wiederholungen, Akzentuierungen<br />

und Taktungen sowie den vielfältigen<br />

Bezügen zwischen den Fotografien<br />

der scheinbar dominanten Sachlichkeit<br />

nachhaltig den Boden entzieht.<br />

Michael Schmidt, Ohne Titel, # 17.154,<br />

aus: LEBENSMITTEL 2006-2010,<br />

Bromsilbergelatine Print, 54,1 x 81,6 cm,<br />

© Michael Schmidt<br />

Michael Schmidt, Ohne Titel, # 17.097,<br />

aus: LEBENSMITTEL 2006-2010,<br />

Bromsilbergelatine Print, 54,1 x 81,6 cm,<br />

© Michael Schmidt<br />

Katalog:<br />

Zur Ausstellung erscheint ein Katalog<br />

im Snoeck Verlag<br />

264 Seiten, Format 32 x 30 cm, 174<br />

Abb. in Duoton und Farbe<br />

59 Euro an der Museumskasse, im<br />

Buchhandel mit Schmuckschuber:<br />

128 Euro.<br />

ISBN 978-3-940953-93-3<br />

12. Januar bis 1. April <strong>2013</strong><br />

Martin-Gropius-Bau<br />

Niederkirchnerstraße 7<br />

10963 Berlin-Kreuzberg<br />

Mi – Mo 10 – 19 Uhr<br />

Dienstags geschlossen


Margaret Bourke-<br />

White<br />

»Fotografien«<br />

Margaret Bourke-White (1904-1971)<br />

war in der männlich dominierten Welt<br />

der Fotografen Amerikas ein Medienstar.<br />

Ihr Portrait in Fliegermontur während<br />

eines Bombereinsatzes, die Kamera<br />

lächelnd in der linken Hand, war ein<br />

beliebtes Motiv bei den Soldaten. Margaret<br />

Bourke-White musste für ihre Karriere<br />

stets kämpfen. Von verschlossenen<br />

Türen ließ sie sich nicht beeindrucken.<br />

Das Titelfoto der allerersten Life-Ausgabe<br />

vom November 1936 stammte<br />

von ihr, und der Einfachheit halber hatte<br />

sie auch gleich die Geschichte dazu<br />

geschrieben.<br />

Die Ausstellung präsentiert das Werk<br />

der Fotografin mit 155 Aufnahmen,<br />

Briefen und Zeitschriften. Den Schwerpunkt<br />

bilden ihre Arbeiten, die in den<br />

1930er und 40er-Jahren in der ehemaligen<br />

Sowjetunion, der ehemaligenTschechoslowakei,<br />

Deutschland, England<br />

und Italien entstanden sind. Zudem<br />

werden die für Bourke-White charakteristischen<br />

Fotografien gezeigt, wie jene,<br />

die sie im Auftrag von Eastern Airlines<br />

und der Chrysler Corporation aufnahm.<br />

Im Dokumentationsteil werden einige<br />

ihrer Wort-Bild-Strecken der Fotomagazine<br />

Fortune und Life zu sehen sein<br />

sowie Auszüge ihrer Briefwechsel mit<br />

Persönlichkeiten aus Politik und Kultur,<br />

wie Winston Churchill und Georgia<br />

O’Keeffe.<br />

Ihre Bilder zeugen von ihrem »unstillbaren<br />

Wunsch dabei zu sein, wenn<br />

Geschichte geschrieben wird«, wie<br />

sie es selbst formulierte. Bourke-White<br />

wollte das »Auge der Zeit« sein. Für das<br />

Life-Magazin, damals eines der bekanntesten<br />

und ambitioniertesten Magazine<br />

für Fotojournalismus, bereiste sie die<br />

ganze Welt.<br />

Ihre Karriere begann 1927 in Cleveland.<br />

Dort fotografierte sie die Stahlgießereien<br />

der Stadt. Sie reiste nach Russland<br />

als der erste Fünfjahresplan umgesetzt<br />

wurde, sie dokumentierte die Dürreka-<br />

Margaret Bourke-White, Couple pulling a handcart with children, Germany, 1945<br />

Vintage gelatin silver print. Syracuse University Library Collection, New York.<br />

© Time & Life / Getty Images<br />

tastrophen 1934 in den USA, die deutsche<br />

Invasion in Russland im Jahr 1941<br />

und das Bombardement der Alliierten<br />

auf Deutschland. Als Auftragsarbeit für<br />

die Zeitschrift Life hielt sie im Sommer<br />

1945 die zerstörten deutschen Städte<br />

fest. Bourke-White war bei der Befreiung<br />

des Konzentrationslagers Buchenwald<br />

und des Zwangsarbeitslagers Leipzig-Thekla<br />

vor Ort. Ihr Foto »Die lebenden<br />

Toten von Buchenwald« ging um<br />

die ganze Welt.<br />

Ihre Bilder zierten oft die Titelseiten der<br />

Magazine Fortune und Life, für die sie<br />

jahrelang arbeitete. Manchmal stand<br />

sie selbst in den Schlagzeilen, als etwa<br />

das Magazin Life am 22. Januar 1943<br />

ihren Bericht über den Luftangriff auf<br />

den Flugplatz El Aouina in Tunis – den<br />

wichtigsten Luftwaffenstützpunkt der<br />

Deutschen für den Nachschub von<br />

Truppen aus Sizilien – unter dem Titel<br />

»Life‘s Bourke-White goes Bombing«<br />

veröffentlichte. Ihre Bilder stehen für<br />

eine Epoche.<br />

18. Januar bis 14. April <strong>2013</strong><br />

Martin-Gropius-Bau<br />

Niederkirchnerstraße 7<br />

10963 Berlin-Kreuzberg<br />

Mi – Mo 10 – 19 Uhr<br />

Dienstags geschlossen<br />

<strong>brennpunkt</strong> 1/<strong>2013</strong><br />

Galerien<br />

Katalog:<br />

Zur Ausstellung erscheint ein Katalog<br />

im Verlag La Fabrica, Madird<br />

192 Seiten, Format 22 x 26 cm,<br />

150 Abb., Sprache: Englisch<br />

ISBN 978-8-4153-0396-1<br />

11


Galerien<br />

Christer Strömholm<br />

Post Scriptum<br />

»Retrospektive«<br />

»Mit dem fotografischen Bild zu arbeiten,<br />

ist meine Art zu leben. Wenn ich<br />

nachdenke und meine Bilder genau<br />

betrachte, so sind sie alle – und jedes<br />

für sich – nichts anderes als Selbstporträts,<br />

ein Teil meines Lebens«.<br />

Christer Strömholm<br />

Spielende Kinder, innige Liebespaare,<br />

prominente Künstler, stolze Transsexuelle,<br />

entstellte Kriegsopfer – im Porträt<br />

des Anderen sieht man immer sich selbst.<br />

Seine eigene Schwäche, Fragilität und<br />

Verwundbarkeit. Das Unvertraute irritiert<br />

und zieht gleichzeitig unaussprechlich<br />

an. Christer Strömholm wendet sich<br />

in seinem vielfältigen Œuvre radikal der<br />

Welt zu und konfrontiert sich mit dieser<br />

oft rauen Realität tagtäglich. Stets geduldig<br />

und präzise beobachtend. Er belauert<br />

seine Mitmenschen nicht heimlichvoyeuristisch,<br />

sondern gibt sich seinem<br />

Gegenüber klar zu erkennen. Die<br />

unmittelbare Nähe zum Porträtierten ist<br />

Grundprinzip seiner Fotografie. So geht<br />

es ihm nicht um den entscheidenden<br />

Augenblick, sondern eine offene Haltung<br />

seinen fotografischen Objekten<br />

gegenüber. Seine subjektive Fotografie<br />

ist geprägt von großem Respekt, Nähe<br />

und gewachsener Vertrautheit.<br />

Die Schwarz-Weiß-Bilder von Christer<br />

Strömholm sind in ihrem Stil nicht eindeutig<br />

zuzuordnen – oft grobkörnig, rau<br />

und dunkel. Sein Werk ist Existenzialismus<br />

mit fotografischen Mitteln: analytisch<br />

und melancholisch und dabei<br />

aber immer einfühlsam und stets empathisch.<br />

Als erklärter Vertreter des »available<br />

light« arbeitete er ausschließlich<br />

mit vorhandenem Licht, Die Umgebung<br />

ist zwar wichtiger Bestandteil<br />

seiner Bilder ist, Details verschwinden<br />

jedoch zumeist im Dunkel. Ein Stil, der<br />

im Fremden das Eigene suchte.<br />

Für Christer Strömholm beinhaltet der<br />

Akt des Fotografierens drei Kriterien. Erstens<br />

die Verantwortung des Fotografens<br />

für den Wahrheitsgehalt seines Bildes.<br />

12 <strong>brennpunkt</strong> 1/<strong>2013</strong><br />

© Christer Strömholm<br />

Zweitens ein Prozess der Erkenntnis, der<br />

sich aus verschiedenen Erfahrungen zu<br />

neuen Schlussfolgerungen zusammenzufügt.<br />

Und drittens die ausdrückliche<br />

Präsenz von den Gefühlen, Erfahrungen<br />

und Vorstellungen des Fotografen. Mit<br />

dieser Haltung wurde er zum Altmeister<br />

und zur herausragenden Persönlichkeit<br />

der modernen schwedischen Fotografie.<br />

Seinem Werk und seine Methode hat<br />

Generationen von Künstlern beeinflusst<br />

– unter anderem Anders Petersen, Dawid,<br />

Christer Landegren und den dänischen<br />

Regisseur Bille August. Auch International<br />

nimmt Christer Strömholm eine zentrale<br />

Position in der Fotogeschichte ein,<br />

denn seine Bilder haben immens dazu<br />

beigetragen, die Fotografie als eigenständige<br />

Kunstform zu etablieren.<br />

C/O Berlin präsentiert erstmals eine<br />

Retrospektive von Christer Strömholm<br />

in Deutschland, die ca. 150 Fotografien,<br />

Kontaktbögen, Arbeitsmaterialien und<br />

Schriftstücke umfasst, worin alle wichtigen<br />

Serien enthalten sind. Die Ausstellung<br />

wurde vom Fotografiska/ Stockholm<br />

in Zusammenarbeit mit Joakim<br />

und Jakob Strömholm zusammengestellt.<br />

Zur Ausstellung ist das Buch »Post<br />

Sciptum« bei Max Ström erschienen.<br />

Christer Strömholm, 1918 in Stockholm<br />

geboren, beginnt 1937 an der Dresdner<br />

Akademie ein Malereistudium. 1938<br />

verlässt er Deutschland, übernimmt<br />

Kurierdienste für die Republikaner in<br />

Spanien und sympathisiert mit den<br />

Anarchisten. 1939 bis 1940 nimmt er am<br />

finnisch-sowjetischen Winterkrieg teil,<br />

bis 1945 ist er Widerstandskämpfer gegen<br />

die deutschen Truppen in Norwegen.<br />

1946 geht Christer Strömholm an die<br />

Académie des Beaux Arts in Paris –<br />

Fotografie wird sein Medium. Seine<br />

ersten Bilder aus den Nachkriegsjahren<br />

zeigen typische Szenen aus der Bohème<br />

wie Künstlerateliers oder Cafés, wenig<br />

später entstehen Studien von Strukturen<br />

wie Mauernflächen, Graffiti, von<br />

abstrakten Formen in der Landschaft<br />

oder Schatteneffekten. Diese Arbeiten<br />

erklären sein zeitweiliges Engagement<br />

für Positionen der Gruppe »fotoform«,<br />

die von Otto Steinert geleitet wurde.<br />

1957 übernimmt er einen Abendkurs<br />

für Gestaltung an der Kursverksamheten<br />

an der Stockholmer Universität. Daraus<br />

entwickelt er zusammen mit seinem<br />

Freund Tor-Ivan Odulf eine Schule für<br />

Fotografie – die legendäre Fotoskolan,<br />

dessen Leiter er von 1962 bis 1972<br />

ist. In dieser Zeit werden hier mehr<br />

als 1.200 Studenten. 1981 erhilet er<br />

die goldene Medaille vom Rencontres<br />

Internationales de la Photographie in<br />

Arles. 1993 wird er zum Professor durch<br />

die schwedische Regierung ernannt und<br />

erhält 1997 den Hasselblad Award – den<br />

»Nobelpreis« für Fotografie. 2002 stirbt<br />

Christer Strömholm in Stockholm.<br />

Eröffnung 18. Januar <strong>2013</strong>, 19 Uhr<br />

19. Januar bis 18. März <strong>2013</strong><br />

C/O Berlin<br />

International Forum For Visual<br />

Dialogues<br />

Oranienburger Straße 35/36<br />

10117 Berlin-Mitte<br />

täglich 11 – 20 Uhr


TONY VACCARO<br />

»Retrospektive –<br />

70 Jahre Fotografie«.<br />

Der Freundeskreis Willy-Brandt-Haus<br />

zeigt anlässlich des 90. Geburtstages<br />

des amerikanischen Fotografen TONY<br />

VACCARO eine Retrospektive mit 100<br />

Fotografien aus sieben Jahrzehnten.<br />

Tony Vaccaro gilt als einer der großen<br />

Fotojournalisten des 20. Jahrhunderts.<br />

In Deutschland ist er vor allem wegen<br />

seiner Bilder aus dem II. Weltkrieg und<br />

aus der Nachkriegszeit bekannt.<br />

Tony Vaccaro wurde am 20. Dezember<br />

1922 in Greensburg in den USA geboren<br />

und wuchs später im Heimatort<br />

seiner Eltern, Bonefro in Italien, auf.<br />

1942 kaufte er in Amerika seine erste<br />

Kamera, eine Argus C-3, mit der er im<br />

Juni 1944 als GI der 83. Infanteriedivision<br />

in der Normandie landete. Er fotografierte<br />

den Krieg bis zur Elbe und<br />

blieb als Fotograf für die US Army Zeitschrift<br />

The Stars and Stripes bis 1949<br />

in Deutschland. Während dieser Zeit<br />

dokumentierte Vaccaro auch die Berliner<br />

Luftbrücke.<br />

Nach seiner Rückkehr in die USA arbeitete<br />

er u.a. für die Zeitschriften Flair, Look,<br />

Time, Life und Venture. Berühmt wurde<br />

er auch durch seine Porträts von Marlon<br />

Brando, Charles Chaplin, Maria Callas,<br />

Marlene Dietrich, Marcel Duchamp,<br />

Federico Fellini, Sophia Loren u.v.a.<br />

1963 erhielt Vaccaro seine 1. Goldmedaille<br />

für das beste Modefoto vom<br />

renommierten Art Directors’Club in<br />

New York. 1969 eine weitere für das<br />

beste Farbfoto von der World Press<br />

Association in Den Haag. Wegen seiner<br />

Fotografien von der Befreiung Frankreichs<br />

wurde er 1994 durch Francois<br />

Mitterand zum Ritter der Ehrenlegion<br />

ernannt. 2004 erhielt er das Bundesverdienstkreuz<br />

Erster Klasse. The Gen Tony<br />

Vaccaro lebt und arbeitet in Long Island<br />

City, New York.<br />

© Tony Vaccaro, Kuss der Befreiung. Sergeant<br />

Gene Costanzo aus Pittsburgh und Noelle.<br />

St. Briac-sur-Mer, Frankreich, 15. August 1944<br />

Foto: Anthony Montana, Tony Vaccaro<br />

mit beschlagnahmten Kameras auf einer<br />

abgestürzten B -17, Mondorf-les-Bains,<br />

Luxembourg, September 1944<br />

bis 27. Januar <strong>2013</strong><br />

Freundeskreis Willy-Brandt-Haus<br />

Willy-Brandt-Haus<br />

Stresemannstraße 28<br />

10963 Berlin-Kreuzberg<br />

Di – So 12 – 18 Uhr<br />

<strong>brennpunkt</strong> 1/<strong>2013</strong><br />

Galerien<br />

© Tony Vaccaro, Camilla-Mayer-Truppe beim<br />

»Todeslauf«, Frankfurt/M., März 1948<br />

© Tony Vaccaro, Ivy Nicholson.<br />

Das amerikanische Modell.<br />

Via Appia, Rom 1955<br />

13


Galerien<br />

LOUIS STETTNER<br />

»The First Ninety<br />

Years«<br />

Mit dem Ausruf »There is the sun!« entdeckte<br />

das Kind Louis Stettner, dramatisch<br />

in Richtung Himmel gestikulierend,<br />

die ursprünglichste aller Lichtquellen.<br />

Es waren wie er selbst berichtet<br />

seine ersten Worte. Die jugendliche Leidenschaft,<br />

die nie versiegende Lust am<br />

Erlebnis des Sehens hat sich der 90jährige<br />

Photograph bis heute bewahrt. Die<br />

Momente, die er aus dem Fluss der Zeit<br />

herauslöst, faszinieren durch Witz und<br />

Doppelbödigkeit, Intuition und Einfühlungsvermögen<br />

wie in dem Bild des alten<br />

»Parade Musician«, der sich nach einer<br />

Ansichtskarte bückt: ein kurzer Augenblick,<br />

der ein ganzes Leben enthält.<br />

© Frank Wegner, »Louis Stettner«<br />

Im Alter von 12 Jahren streifte Louis<br />

Stettner bereits photographierend durch<br />

die Straßen und erkannte früh, dass die<br />

Kamera nicht nur Verlängerung seiner<br />

Augen, sondern auch Ausdrucksmittel<br />

seiner Empfindungen sein konnte.<br />

In Brooklyn geboren und aufgewachsen,<br />

zog das quirlige und lebenssprühende<br />

Manhattan den jungen Mann in<br />

seinen Bann. Es war jedoch das Paris<br />

der Nachkriegsjahre 1946-1951, in<br />

dem Louis Stettner endgültig zum Photographen<br />

wurde. Er verliebte sich in<br />

die noch von den Entbehrungen des<br />

Krieges und der deutschen Besatzung<br />

gezeichnete Stadt und ihre Bewohner.<br />

Die Gerüche der Quartiers, die stillen<br />

Winkel am Seineufer, die überall gegenwärtige<br />

Vergangenheit, inspirierten ihn<br />

14 <strong>brennpunkt</strong> 1/<strong>2013</strong><br />

© Louis Stettner, »Twin Towers«, Lower Manhattan, 1979<br />

ebenso wie die Pariser selbst, die in den<br />

Cafés zusammenkamen, über Kunst<br />

debattierten und ihn selbstverständlich<br />

in ihre Gemeinschaft aufnahmen.<br />

Stettner lernte Brassaï, Édouard Boubat,<br />

Willy Ronis, Izis, Robert Doisneau und<br />

andere Photographen kennen, studierte<br />

Film an der Pariser Universität und stellte<br />

1949 erstmals seine Arbeiten im »Salon<br />

des Indépendants« in der Bibliothèque<br />

Nationale aus.<br />

1951 kehrte Stettner nach New York<br />

zurück und mischte sich unter die Menschen,<br />

photographierte die spielenden<br />

Kinder, die coolen Jungs, den eilenden<br />

Schritt durch Dampfwolken, das Verweilen<br />

im Regen, das Warten an der Straßenecke.<br />

Es ist ein Sehen, das Gewicht<br />

hat, in dem Verstand und Sinnlichkeit<br />

zusammenkommen. Die größte Schönheit<br />

liegt oftmals in den stillen Momenten,<br />

in einem Gesicht, einer Komposition,<br />

einem lebendigen Detail. In der


© Louis Stettner, »Parade Musican«, Saratoga Springs, New York 1953,<br />

Courtesy Johanna Breede PHOTOKUNST<br />

alten New Yorker »Penn Station« ist<br />

ein kleines Mädchen ganz in sein Spiel<br />

mit den auf den Boden fallenden Lichtern<br />

versunken. Im Central Park sitzt ein<br />

junges Paar auf einer steinernen Bank,<br />

Stettner photographiert nur den Flirt<br />

ihrer Arme und Beine. Beim Blick auf<br />

die »Twin Towers« vermeinen wir den<br />

Schrei der Möwe zu hören und die salzige<br />

Meerluft zu riechen. Auf einem<br />

Geländer im Battery Park sitzt einsam<br />

ein schwarzer Junge, in seinem Rücken<br />

schemenhaft die Freiheitsstatue, eine<br />

Ansicht von New York zwischen Realität<br />

und Mythos.<br />

In all diesen Bildern gelingt es Louis<br />

Stettner, die Zeit still stehen zu lassen<br />

und dem Augenblick Bedeutung zu verleihen.<br />

In all diesen Bildern bleibt aber<br />

auch etwas Ungesagtes, und gerade<br />

darin liegt ein großer Teil ihrer Kraft und<br />

© Louis Stettner, »The Big Clock«,<br />

Penn Station, 1958<br />

<strong>brennpunkt</strong> 1/<strong>2013</strong><br />

Galerien<br />

Gültigkeit, denn sie können von jedem<br />

Betrachter neu gesehen werden. Stettner<br />

wertet nicht, er ist Zeitzeuge und<br />

nimmt die Welt dennoch ganz persönlich.<br />

Das können auch wir, wenn wir<br />

mit ihm auf Streifzug durch die Jahrzehnte<br />

gehen und die Freude des Photographen<br />

am Festhalten des Unwiederbringlichen<br />

teilen.<br />

Susanne Schmid<br />

Zeitgleich zeigt die »Bibliothèque Nationale<br />

de France« in Paris bis zum 27.<br />

Januar <strong>2013</strong> eine Retrospektive von<br />

Louis Stettners Werk.<br />

bis 23. Februar <strong>2013</strong><br />

Johanna Breede<br />

PHOTOKUNST<br />

Fasanenstraße 69<br />

10719 Berlin-Charlottenburg<br />

Di – Fr 11 – 18 Uhr<br />

Sa 11 – 16 Uhr<br />

15


Galerien<br />

Zeiten – Zeitorte –<br />

Zeitsichten<br />

Die Abschlussklasse<br />

von Thomas Michalak<br />

am Fachbereich<br />

Fotografie der VHS<br />

Friedrichshain-<br />

Kreuzberg<br />

Was ist Zeit? Wie objektiv ist Zeit? Wie<br />

stark sind wir ihr unterworfen? Wie<br />

unterscheidet sich unser subjektives<br />

Zeitempfinden von dem durch Uhrzeit<br />

und Kalender gemessenen - und wie<br />

relativ ist auch dieses letztlich?<br />

12 Fotografinnen und Fotografen haben<br />

unter der Leitung von Thomas Michalak<br />

das Thema »Zeit...« künstlerisch<br />

umgesetzt. Sie verstehen Zeit als<br />

lebendige Bewegung und Entwicklung,<br />

aber auch als Vergänglichkeit alles Seins,<br />

als Verfall, dessen äußerste Grenze Tod,<br />

Stillstand, Zeitlosigkeit sind. Zeit als stetig<br />

fließenden, schillernden Erinnerungs-<br />

und Gedankenstrom. Zeit aber auch als<br />

einen besonderen Augenblick, der durch<br />

eine einmalige, rasch vorüberziehende<br />

Konstellation hervorgerufen wird und<br />

zum plötzlichen Innehalten führt, zu<br />

einem vorübergehenden Heraustreten<br />

aus dem gleichgültigen Verrinnen der<br />

Sekunden. Und nicht zuletzt Zeit als<br />

historische Zeit, als Zeitgebundenheit.<br />

Fotografien von Andrea Brehme, Jan<br />

Großer, Anna Homburg, Rainer Menke,<br />

Johannes Meyer, Werner Meyer zu<br />

Ermgassen, Patricia Milch, Erika Mor,<br />

Konstanze Müller-Kitti, Loredana<br />

Mondora, Barbara Töpper-Fennel,<br />

Susanne Wolkenhauer.<br />

16 <strong>brennpunkt</strong> 1/<strong>2013</strong><br />

© Loredana Mondora<br />

© Susanne Wolkenhauer<br />

© Barbara Töpper-Fennel<br />

Vernissage:<br />

Freitag, 15. Februar um 19 Uhr<br />

Finissage:<br />

mit Werkstattgespräch:<br />

Samstag, 23. Februar um 18 Uhr<br />

15. Februar bis 23. Februar <strong>2013</strong><br />

Studio 1 des Bethanien<br />

Mariannenplatz 2<br />

10997 Berlin-Kreuzberg<br />

Sa + So 14 – 20 Uhr<br />

Mo, Di, Mi, Fr 16 – 20 Uhr<br />

Do 16 – 22 Uhr


GLAUBENSSACHE<br />

HANS-JÖRG ALEFF • CARLES<br />

GONZÁLEZ • ANNE HINGST •<br />

DIANA PACELLI • CARLOTTA<br />

SCHNELLER • FRANK SEEGER •<br />

GIANLUCA SIVERO • CHRISTOS<br />

STEFANOU • BENJAMIN TALSIK<br />

• ANNE TOBABEN • NICOLE<br />

WALTER<br />

Glaube - Hoffnung und Halt oder ein<br />

Auslaufmodell? Womit geben Menschen<br />

heute Ihrem Leben Sinn und Erfüllung?<br />

Elf internationale, in Berlin lebende<br />

Fotografen gehen diesen Fragen in ihren<br />

Reportagen nach und begleiteten Menschen<br />

vielfältiger Glaubenskulturen.<br />

Die täglichen Gebete gen Mekka, Ramadan,<br />

die Rufe des Muezzin - diese islamischen<br />

Rituale und Feiertage sind<br />

bekannt. Carlotta Schneller begleitet<br />

einen muslimischen Bestatter und<br />

zeigt in ihrer einfühlsamen Reportage<br />

einen Aspekt der Glaubenskultur des<br />

Islams, der hierzulande oft im Verborgenen<br />

stattfindet.<br />

Athen ist für Hunderttausende Migranten<br />

ein Zufluchtsort - trotz der wirtschaftliche<br />

Misere. Die religiösen Gemeinden<br />

von Muslimen, Sikhs und Katholiken<br />

werden zur seelischen Heimat. Sie<br />

geben Hoffnung für die Zukunft, Unterstützung<br />

im Alltag und die Möglichkeit,<br />

sich mit. Leuten aus dem eigenen Land<br />

auszutauschen. Christos Stefanou zeigt<br />

sie in seiner Reportage.<br />

Die Jesus Freaks finden sich regelmäßig<br />

im Keller einer ehemaligen Brauerei in<br />

Berlin-Neukölln ein. Sie sitzen auf alten<br />

Sofas oder lehnen an der selbstgemauerten<br />

Bar. Der Gottesdienst beginnt mit<br />

Musik. Kinder rennen durch den Raum.<br />

Auch bei der anschließenden Predigt<br />

geht es locker zu. Hier darf man sein,<br />

wie man will. Es geht vor allen Dingen<br />

© Christos Stefanou, »Zuflucht Religion«<br />

© Carlotta Schneller, »Vorbereitung für ein<br />

muslimisches Begräbnis«, (O.i.F.)<br />

um Jesus. Hans-Jörg Aleff porträtiert die<br />

Jesus Freaks in seiner Reportage.<br />

In den 80er Jahren war Michael Marek<br />

Mitglied einer Kreuzberger Rockergang.<br />

Gewalt und Drogenexzesse haben ihn<br />

an den Abgrund geführt. Seine Hinwendung<br />

zu Gott und die Faszination für das<br />

Rittertum waren seine Rettung. Frank<br />

Seeger zeigt sein zweites Leben - das<br />

Portrait eines Menschen, der auf skurrile<br />

Weise seinen christlichen Glauben<br />

praktiziert.<br />

Berlin, die Haupstadt des Techno, hat<br />

sich für eine internationale Szene in ein<br />

Pilgerziel verwandelt. Tag und Nacht<br />

elektronische Musik für alle. Carles<br />

Gonzaléz zeigt die Trance und Ekstase,<br />

die Liturgie und die Rituale in den Clubs<br />

von Berlin.<br />

Unter Leitung der Fotojournalistin Ann-<br />

Christine Jansson werden die Ausstel-<br />

12. Januar bis 15. Februar <strong>2013</strong><br />

Alte Feuerwache<br />

Projektraum<br />

Marchlewskistraße 6<br />

10243 Berlin-Friedrichshain<br />

<strong>brennpunkt</strong> 1/<strong>2013</strong><br />

Galerien<br />

© Frank Seeger, »Vom Rocker zum Ritter -<br />

Ritter Michael«, (O.i.F.)<br />

lung und der ca. 100-seitige Katalog<br />

als Abschlussarbeit ihrer Fotoreportageklasse<br />

am Photocentrum am Wassertor<br />

an der vhs Friedrichshain-Kreuzberg<br />

realisiert.<br />

RAHMENPROGRAMM<br />

Donnerstag 24. Januar <strong>2013</strong>, 19. Uhr<br />

»UM GOTTES WILLEN – IST DER<br />

GLAUBE EIN MODELL VON GES-<br />

TERN«?<br />

Podiumsdiskussion mit Prof. Dr. Michael<br />

Bongardt, Institut für Vergleichende<br />

Ethik, Freie Universität Berlin,<br />

Pinar Çetin, Türkisch Islamische Union,<br />

Fabio Reinhard, Piratenfraktion im<br />

Abgeordnetenhaus und Pfarrer Heiko<br />

Schulz, Ev. Jesus-Christus-Kirchengemeinde<br />

in Kreuzberg<br />

KAI LÖFFELBEIN, Vortrag und Gespräch<br />

mit dem Fotografen und Träger des<br />

Henri-Nannen-Preises Beste Reportagefotografie<br />

2012 und UNICEF-Foto des<br />

Jahres 2011 (1. Preis).<br />

Termin: 31. Januar <strong>2013</strong>, um 19 Uhr<br />

Vernissage<br />

11. Januar <strong>2013</strong>, 19 Uhr<br />

Di – Do 14 – 19 Uhr<br />

Fr + Sa 14 – 20 Uhr<br />

www.glaubenssache-ausstellung.de<br />

17


Galerien<br />

Ellen von Unwerth<br />

»The Story of Olga«<br />

Die Ausstellung zeigt mit über 30 Arbeiten<br />

eine exklusive Auswahl aus der 2011<br />

entstandenen Serie um das Topmodel<br />

Olga, die in der photographischen<br />

Erzählung von Ellen von Unwerth die<br />

Welt der Erotik neu kennenlernt und<br />

erlebt.<br />

Märchenhaft wirkende Szenerien mit<br />

pittoresken Sujets, einem prunkvollen<br />

Chateau oder rustikalen Stallungen und<br />

die laszive Erotik von Olga entführen<br />

den Betrachter in »The Story of Olga«<br />

in eine berauschende Welt aus leidenschaftlicher<br />

Lust und Begierde. Fantastische<br />

Atmosphären und einzigartige<br />

Orte bilden den visuellen Raum,<br />

in dem die Protagonistin Olga unverhofft<br />

einen erotischen Traum durchlebt.<br />

Sich einsam und alleine als Witwe wiederfindend,<br />

nimmt das sexuelle Verlangen<br />

Olga kurze Zeit nach dem Tod ihres<br />

Mannes ein. Auf dem Weg zur bedingungslosen<br />

Befriedigung lebt Olga ihre<br />

Fantasien in ungeahnter Intensität aus<br />

und findet schließlich die sehnsüchtige<br />

Erfüllung jenseits ihrer gewohnten Welt<br />

aus Glamour und Luxus.<br />

Das Märchen verliert seine Unschuld<br />

durch die wilden, illustren Exzesse, die<br />

Olga mit ihrem Gefolge inmitten des<br />

opulenten Interieurs feiert. Der Betrachter,<br />

dessen Blick durch die aufwendig<br />

gestalteten und detailreichen Bildräume<br />

gleitet, wird durch diese offensichtliche<br />

Ambivalenz, die direkte Bildsprache<br />

und die große Anziehungskraft ergriffen.<br />

Ellen von Unwerth gelingt es, dem<br />

Betrachter das Gefühl der Lust auf offensive<br />

und zugleich spielerische Weise zu<br />

vermitteln und die Sinnlichkeit der narrativen<br />

Szenen nicht nur spürbar werden<br />

zu lassen, sondern auch eine Spannung<br />

zu erzeugen, der sich der Rezipient nur<br />

schwer entziehen kann. Sexuelle Spiele<br />

zwischen Olga und ihren Freundinnen<br />

in bunten, pompösen Räumlichkeiten,<br />

stimmungsvolle Ganzkörperporträts<br />

oder lüsterne Szenen mit Olga inmitten<br />

ihrer berauschenden Gefolgschaft<br />

erzeugen mit der unverwechselbaren<br />

Bildsprache von Ellen von Unwerth eine<br />

18 <strong>brennpunkt</strong> 1/<strong>2013</strong><br />

© ELLEN VON UNWERTH, OLGA, 2011 © ELLEN VON UNWERTH, OLGA, 2011<br />

photographische Narration, in der die<br />

Künstlerin und Olga – sowie die kühle<br />

Verführerin in ihr – die Ästhetik der<br />

Erotik mit dem anregenden Spiel von<br />

Devotion und Dominanz verbinden.<br />

Über Ellen von Unwerth Die Photographin<br />

Ellen von Unwerth wurde 1954 in<br />

Frankfurt am Main geboren. Bis 1986<br />

war Ellen von Unwerth sehr erfolgreich<br />

als Model tätig, bevor sie bei einer Modeproduktion<br />

in Kenia selber die Kamera<br />

zur Hand nahm und eindrucksvolle Porträts<br />

einheimischer Kinder machte.<br />

Nach der Veröffentlichung der Photos in<br />

der französischen Modezeitschrift »Jill«<br />

wechselte Ellen von Unwerth gänzlich<br />

zur Photographie. Sie entdeckte<br />

die damals 17-jährige Claudia Schiffer<br />

und feierte als Autodidaktin erste Erfolge<br />

durch Auftragsarbeiten für die französische<br />

»Elle«.<br />

Ellen von Unwerths Photographien<br />

zeichnen sich durch eine kühle Erotik<br />

aus, wobei sie in ihren ausdrucksstarken<br />

Bildergeschichten Frauen bewusst spielerisch<br />

inszeniert und mittels Elementen<br />

wie Fantasie, Humor oder Ironie ihre<br />

Schönheit hervorhebt.<br />

Die Photographien von Ellen von<br />

Unwerth werden u.a. in Zeitschriften<br />

wie »Glamour«, »GQ«, »i-D Magazine«,<br />

»Interview Magazine«, »Numero«,<br />

»Vanity Fair« oder »Vogue« veröffentlicht.<br />

Zu ihren bekanntesten Bildbänden<br />

zählen unter anderem »Snaps« (1994),<br />

© ELLEN VON UNWERTH, OLGA, 2011 (O.i.F.)<br />

»Couples« (1998), »Revenge« (2003)<br />

und »Fräulein« (2009). Im Dezember<br />

2012 erscheint ihr neuer Bildband »The<br />

Story of Olga« (Taschen). Die Künstlerin<br />

lebt und arbeitet in Paris.<br />

bis 16. Februar <strong>2013</strong><br />

CWC GALLERY<br />

Auguststraße 11-13<br />

10117 Berlin-Mitte<br />

Di – Sa 11 – 19 Uhr


Magali Koenig<br />

»TV«<br />

Beim flüchtigen Betrachten der Ausstellung<br />

»TV« könnte man meinen, dass<br />

sich die Fotografin Magali Koenig hauptsächlich<br />

mit Porträtfotografie auseinandersetzt.<br />

Schauspieler sind zumeist in<br />

Nahaufnahme auf den Bildschirmen<br />

der Fernsehapparate zu sehen, die in<br />

Interieurs unterschiedlicher Kulturen<br />

stehen, die wenig mit den gezeigten<br />

Filmen gemein haben. Seit mehr als 30<br />

Jahren sammelt die Schweizer Fotografin<br />

auf ihren Reisen Bilder vom Alltag.<br />

Manchmal sind es poetische Aufnahmen<br />

in Hotelzimmern, wo im Hintergrund<br />

etwa ein ungemachtes Bett zu<br />

entdecken ist. Vielfach sind es banale<br />

Momente, denen sie mit ihrer Darstellung<br />

einen eigenen Zauber verleiht. In<br />

der Galerie exp12/exposure twelve sind<br />

Aufnahmen sowohl in Schwarzweiß als<br />

auch in Farbe zu sehen.<br />

Nicolas Couchepin schreibt über ihre<br />

Arbeit: »Magali Koenigs Fotografien stellen<br />

selten Menschen dar. Obwohl man<br />

fast behaupten könnte, dass es sich um<br />

Porträts handelt. Denn kurz vor dem<br />

Betätigen des Auslösers muss gerade<br />

jemand da gewesen sein. Es sind Orte,<br />

die vermutlich eben verlassen wurden.<br />

Es sind Räume, in denen sich Ernüchterung<br />

breitmacht, es sind weite Landschaften<br />

voller Geheimnisse, die all die<br />

Emotionen nur erahnen lassen, die kurz<br />

davor, oder gerade außerhalb des Blickfelds,<br />

im Spiel sind oder gleich danach<br />

sein werden. Man spürt das Leben mit<br />

all seinen großen Hoffnungen und kleinen<br />

Sorgen und weiß, dass man hinter<br />

dem Fotoprint gleich jemanden kennenlernen<br />

wird. Vielleicht die Fotografin,<br />

vielleicht… sich selbst? Auf Magali<br />

Koenigs Fotografien mögen zwar nur<br />

selten Menschen vorkommen, dennoch<br />

lässt sie uns in ihrer Bescheidenheit die<br />

ganze Menschheit wahrnehmen, die<br />

sich im Auge der Fotografin zu widerspiegeln<br />

scheint«.<br />

Magali Koenig (*1952, Lausanne)<br />

schloss 1974 ihr Fotografiestudium in<br />

Vevey ab. Seit Anfang der 80er Jahre<br />

werden ihre Bilder regelmäßig gezeigt,<br />

© Magali Koenig<br />

© Magali Koenig, (Original in Farbe)<br />

zuletzt in der Ausstellung (bis zum 20.<br />

Januar <strong>2013</strong>) im Museum für Fotografie<br />

in Charleroi, Belgien. Ihre Werke sind<br />

in vielen Sammlungen vertreten. Ihre<br />

Zusammenarbeit mit den Stiftungen<br />

Theodora und Helvetas und die Unterstützung<br />

durch Pro Helvetia ermöglichten<br />

ihre zahlreiche Reisen in Entwicklungsländer<br />

und bescherten ihr wertvolle<br />

Begegnungen.<br />

www.mat-ou-brillant.ch<br />

Eröffnung:<br />

19. Januar <strong>2013</strong>, 19 Uhr<br />

20. Januar bis 3. März <strong>2013</strong><br />

exp12 / exposure twelve<br />

Greifswalder Straße 217<br />

10405 Berlin-Prenzlauer Berg<br />

Sa – So 14 – 20 Uhr<br />

www.exp12.com<br />

<strong>brennpunkt</strong> 1/<strong>2013</strong><br />

Galerien<br />

19


Galerien<br />

Abschlußarbeiten<br />

Fotoklasse 30,<br />

Künstlerische Leitung:<br />

Ursula Kelm<br />

... Une belle aventure qui m’a permis<br />

de découvrir d’autres visions, d’autres<br />

imaginaires et de redécouvrir un monde<br />

prétendument connu. Un voyage qui<br />

commence … Je suis curieuse de savoir<br />

où il nous mènera ...<br />

... Ich lernte Orte kennen, an denen ich<br />

sonst nie gewesen wäre. Besonders von<br />

den anderen habe ich viel gelernt und<br />

viele Anregungen bekommen. Auch<br />

finde ich es toll, daß wir mit Ulla so<br />

einen besonderen Menschen als Lehrerin<br />

hatten.<br />

... Im Nachhinein habe ich das Gefühl<br />

als Blinder den Kurs angefangen zu<br />

haben ...<br />

... um richtig zu sehen, werden noch<br />

viele Jahre vergehen ...<br />

... Für mich ist die Photographie wie ein<br />

Instrument zu lernen ...<br />

... Ein Jahr für viel Neues, aber auch<br />

viel Bekanntes ...Neue Menschen, alte<br />

Bekannte, Tod und Geburt, sei es für´s<br />

/ vom Leben<br />

... Freu mich auf alle weiteren Bilder<br />

...Was mach ich nach der Klasse?<br />

Fotografieren ist Kunst und Spiel ....<br />

Nochmal ganz anders hinsehen ...<br />

... Fantastische Bilderwelt, fantastische<br />

Menschenwelt ... wie überraschend<br />

Fotografie sein kann ...<br />

... Trusting your intuition and not just<br />

doing things like you think they should<br />

be done, seeing the beauty in a blured<br />

photo and letting your mind wander ...<br />

www.Klasse30.de<br />

Vernissage 1. Februar <strong>2013</strong>, ab 19 Uhr<br />

1. Februar bis 2. März <strong>2013</strong><br />

imago fotokunst<br />

Linienstraße 145<br />

10115 Berlin-Mitte<br />

Di – Fr 12 – 19 Uhr<br />

Sa 14 – 18 Uhr<br />

20 <strong>brennpunkt</strong> 1/<strong>2013</strong><br />

© Hanni Winkler<br />

© Sandra Ratkowic<br />

© André Fischer © Christine Hohmann-Lopez<br />

© Holger Knote<br />

© Matthew Ling © Sibylle Fratzke<br />

© Jens-Uwe Grau


Abschlußarbeiten<br />

Fotoklasse 31,<br />

Künstlerische Leitung:<br />

Andreas Rost<br />

»I am a camera with its shutter open,<br />

quite passive, recording, not thinking.<br />

Recording the man shaving at the<br />

window opposite and the woman in the<br />

kimono washing her hair. Some day, all<br />

this will have to be developed, carefully<br />

printed, fixed«.<br />

Christopher Isherwood<br />

Neun Menschen, neun Blicke. Neun<br />

Mal die Neugier, die Welt durch ein<br />

Objektiv zu betrachten und die Lust,<br />

sich mit dem eigenen alltäglichen oder<br />

besonderen Umfeld auseinander zu<br />

setzen. Von der ersten Themenfindung<br />

bis zum entwickelten Bild haben sich<br />

neun Menschen in diesem Prozess<br />

begleitet und unterstützt.<br />

© Katja Münz<br />

© Uli Schaub, (O.i.F.)<br />

© Constantin Köster<br />

© Kristina Frick<br />

© Juliane Fritze<br />

© Yvonne Balke<br />

© Arne Zwirner<br />

© Philip Scholz<br />

© Barbara Marie Seimetz<br />

8. März bis 6. April <strong>2013</strong><br />

imago fotokunst<br />

Linienstraße 145<br />

10115 Berlin-Mitte<br />

Di – Fr 12 – 19 Uhr<br />

Sa 14 – 18 Uhr<br />

<strong>brennpunkt</strong> 1/<strong>2013</strong><br />

Galerien<br />

21


Galerien<br />

STRASSE NACH<br />

DAMASKUS<br />

Drei fotografische Essays der Fotografen<br />

Wenke Seemann, Angie Dehio und<br />

Andreas Rost zu dem Projekt »Neuer<br />

Weg« der Berliner Stadtmission.<br />

In dem fotografischen Projekt »Strasse<br />

nach Damaskus« versuchen die drei<br />

Autoren sich vorurteilsfrei dem Thema<br />

der Resozialisierung ehemaliger Straffälliger<br />

zu nähern. Ziel ist es, Bilder<br />

zu schaffen, die die Welt der Bewohner<br />

in ihrer Widersprüchlichkeit erfassen,<br />

die nichts beschönigen, die aber<br />

trotzdem von der Würde des Menschen<br />

künden, selbst wenn er sich in schwierigen<br />

Lebenssituationen befindet. Solche<br />

Bilder können zum Einem das Selbstbewusstsein<br />

der Porträtierten stärken,<br />

weil sie zur Auseinandersetzung mit<br />

sich selbst einladen und zum Anderen<br />

den Betrachter anregen über schwierige<br />

Themen, wie die Straffälligenhilfe, nachzudenken.<br />

Gerade weil diese Bilder<br />

keine bequemen Klischees bedienen,<br />

sondern widersprüchlich sind und vielleicht<br />

auch provozieren. Diesem Projekt<br />

liegt ein künstlerischer, kein journalistischer<br />

Ansatz und Anspruch zugrunde.<br />

Alle Arbeiten sind im Laufe eines Jahres<br />

(2011/12) entstanden, einem Zeitraum<br />

also, in dem Vertrauen wachsen kann<br />

und tiefere Einsichten über das Leben<br />

der Bewohner möglich sind. Auf diese<br />

Weise können die Menschen und die<br />

Geschichten hinter dem vordergründigen<br />

Fakt der Straffälligkeit entdeckt<br />

werden. Die metaphorische und künstlerische<br />

Dimension der Essays möchten<br />

den Blick auf die Bewohner öffnen, deren<br />

Lebensgeschichte mit Be- und Verurteilung<br />

natürlich noch nicht abgeschlossen<br />

ist. Der Titel »Strasse nach Damaskus«<br />

steht symbolisch für die Möglich<br />

der Wandlung und der Umkehr.<br />

Die Arbeit von Wenke Seemann ist eine<br />

Bild-Text-Kombination, die Außen- und<br />

Innensichten auf die »Bewohner« und<br />

Mitarbeiter der Stadtmission ermöglicht.<br />

Die Arbeit stellt eine große Nähe<br />

zu den Porträtierten her, gibt aber nie<br />

22 <strong>brennpunkt</strong> 1/<strong>2013</strong><br />

© Andreas Rost © Andreas Rost<br />

© Andreas Rost<br />

eine gewisse Distanz auf, die für einen<br />

vorurteilsfreien Blick notwendig ist. Die<br />

Bilder sind Porträts, die aus einer sehr<br />

großen Nähe aufgenommen worden<br />

sind (das Gesicht füllt zumeist, das<br />

gesamte quadratische Format aus) und<br />

die in ihrer ruhigen, sachlichen schwarz/<br />

weiß Ästhetik zu einer psychologischen<br />

Betrachtung der dargestellten Personen<br />

auffordern. Die Texte sind aus Interviews<br />

entstanden, bei denen die Befragten<br />

ihre Assoziationen zu bestimmten<br />

Begriffen mitteilten, die aus den Römerbriefen<br />

des Apostel Paulus stammen.<br />

Zwar werden in den Texten keine Straftaten<br />

geschildert, doch in der Auseinandersetzung<br />

mit Wörtern wie »Blöße«,<br />

»Gehorsam«, »Hader« oder »Obrigkeit«<br />

zeigen die Interviewten sehr deutlich<br />

und in unerwarteten sprachlichen Bildern,<br />

wie sie sich mit ihrer Vergangenheit<br />

beschäftigen. Die Formulierungen<br />

sind teilweise so eindringlich, dass sie<br />

durchaus als ein modernes Gegenstück<br />

zur Lutherübersetzung der Römerbriefe<br />

gedeutet werden können. So wie in<br />

Angie Dehios Arbeit werden auch in der<br />

Arbeit von Wenke Seemann allgemein<br />

menschliche Probleme mittels individueller<br />

Schicksale dargestellt. Zugleich<br />

zeigt die Arbeit aber auch, dass die Therapieangebote<br />

der Stadtmission zumindest<br />

bei den interviewten »Bewohnern«<br />

erfolgreich waren, da sie bereit waren,<br />

sehr tiefgründige Aussagen zu machen,<br />

die sich alle auf ihre konkrete Lebenslage<br />

beziehen.<br />

Die Porträts von Angie Dehio holen<br />

bildlich wie symbolisch die Bewohner<br />

aus einer Dunkelheit hervor und stellen<br />

sie in das warme Licht eines geöffneten<br />

Fensters nach draußen, was wiederum<br />

symbolisch gelesen werden<br />

kann. Entscheidend an diesen Bildern<br />

ist, dass man den Porträtierten zwar<br />

ansieht, dass sie schwere Lebensentscheidungen<br />

hinter sich gebracht haben,<br />

die Zukunft aber offen ist. Angie Dehio<br />

hat ein Renaissancelicht gefunden, um<br />

die Bewohner in einem neuem Licht<br />

erscheinen zu lassen. Vor allem betonen<br />

diese Bilder die Würde des Menschen,<br />

ohne dabei auf billige Mitleidseffekte<br />

zu setzen oder skandalträchtige<br />

Abgründigkeiten in die Öffentlichkeit<br />

zu zerren. So gesehen sind diese Bilder


© Angie Dehio © Angie Dehio © Angie Dehio<br />

Gleichnisse zu allgemeinen Fragen des<br />

menschlichen Daseins, aber sie künden<br />

auch von einem geglückten Engagement<br />

der Mitarbeiter der Stadtmission.<br />

Die Arbeit von Andreas Rost besteht<br />

aus ganz nahen Porträts der Bewohner.<br />

Sie werden mit einer 8x10 inch<br />

Großformatkamera fotografiert, wie<br />

sie seit der Erfindung der Fotografie bis<br />

heute nahezu unverändert von Fotografen<br />

benutzt wird, um das soziale<br />

Leben der Gesellschaft zu beschreiben.<br />

Unter den Kameras, die einem Fotografen<br />

heute zur Verfügung stehen, ist die<br />

Großformatkamera vielleicht so etwas<br />

wie das Klavier für Musiker. Ihr Klangvolumen<br />

erlaubt große dynamische Differenzierungen<br />

und Kontraste, Strukturen<br />

werden sinnlich begreifbar, sie<br />

ist Grundlage allen Fotografieren und<br />

Komponierens und dabei immer wieder<br />

überraschend neu im Klang. Das Fotografieren<br />

mit einer solchen Kamera fordert<br />

Zeit und Geduld. Die zu fotografierenden<br />

Personen hatten während der<br />

Porträtsitzung genügend Zeit, in sich<br />

selbst hinein zu hören, zu träumen oder<br />

nachzudenken, bevor das Bild gemacht<br />

wurde. So entstanden Fotografien, die<br />

während des Wartens auf die Aufnahme<br />

die Innerlichkeit der Porträtierten reflektieren<br />

und zugleich das »Warten«, was<br />

ja mutmaßlich ein Lebensthema vieler<br />

»Bewohner« ist, darstellen.<br />

© Wenke Seemann © Wenke Seemann<br />

Aus diesen drei künstlerischen Positionen<br />

ergeben sich drei sehr verschiedene<br />

Sichten auf ein und dieselbe Person, so<br />

dass das Gesamtprojekt an sich schon<br />

ein Sinnbild dafür ist, wie wenig die<br />

üblichen Vorurteile zu Straffälligen mit<br />

deren Lebenswirklichkeit zu tun haben<br />

und wie wichtig und erfolgreich eine<br />

sinnvolle Hilfe für sie sein kann.<br />

Vernissage:<br />

14. Februar <strong>2013</strong>, 19 Uhr<br />

15. Februar bis 22. März <strong>2013</strong><br />

Fotogalerie Friedrichshain<br />

Helsingforser Platz 1<br />

10243 Berlin-Friedrichshain<br />

Di, Mi, Fr, Sa 13 – 18 Uhr<br />

Do 10 – 18 Uhr<br />

<strong>brennpunkt</strong> 1/<strong>2013</strong><br />

Galerien<br />

23


Galerien<br />

Michael Busse<br />

»Zu den Liebesinseln«<br />

Auf den Spuren von<br />

Theodor Fontanes Roman<br />

»Der Stechlin«<br />

Eine Flussfahrt zu sagenumwobenen<br />

Inseln. Die Kamera sucht die Landschaften,<br />

die Atmosphäre und das Licht von<br />

Theodor Fontanes Roman »Der Stechlin«.<br />

Bilder zwischen Fotografie, Malerei<br />

und Kino sind so entstanden, alle mit<br />

langen Belichtungszeiten vom fahrenden<br />

Schiff aufgenommen. Keine Landschaftsfotografie<br />

im klassischen Sinne,<br />

sondern Suche nach Stimmungen<br />

Brandenburger und Berliner Fluss- und<br />

Seenlandschaften, die Theodor Fontanes<br />

letzter Roman portraitiert. Alles<br />

ist in Bewegung wie auch die Gesellschaft<br />

am Ende des 19. Jahrhunderts<br />

als die Modernität in die Melancholie<br />

des ruhigen Lebens des brandenburgischen<br />

Landadels einbrach und die Bourgeoisie<br />

zwischen demokratischen Forderungen<br />

und ihrer Treue zur preußischen<br />

Tradition hin- und herschwankte.<br />

Die Strommasten und Fabrikschornsteine<br />

kündeten grundsätzliche Veränderungen<br />

in der Gesellschaft und im<br />

Leben der Leute an. Industrialisierung,<br />

Militarisierung und den ersten Weltkrieg<br />

am Horizont. Vielleicht waren die Liebesinseln,<br />

auf der sich junge Liebende<br />

das Leben nahmen, also etwas mehr als<br />

nur ein Gerücht oder ein ironisches Pfeifen<br />

im Walde von Menschen, die Angst<br />

hatten.<br />

»Der Dampfer, gleich nachdem er die<br />

Brücke hinter Treptow passiert hatte,<br />

setzte sich in ein rascheres Tempo.<br />

Unsere Reisenden sprachen wenig, weil<br />

unter dem raschen Wechsel der Bilder<br />

eine Frage die andere zurückdrängte.<br />

Nur als der Dampfer zwischen den kleinen<br />

Inseln hinfuhr, wandte sich Melusine<br />

an Woldemar und sagte: Lizzi hat<br />

mir erzählt, hier zwischen Treptow und<br />

Stralau sei auch die Liebesinsel. Da stürben<br />

immer die Liebespaare, meist mit<br />

24 <strong>brennpunkt</strong> 1/<strong>2013</strong><br />

© Michael Busse<br />

einem Zettel in der Hand, auf dem alles<br />

stünde. Trifft das zu?«<br />

»Soviel ich weiß, trifft es zu. Solche Liebesinseln<br />

gibt es übrigens vielfach in<br />

unserer Gegend und kann als Beweis<br />

gelten, wie weitverbreitet der Zustand<br />

ist, dem abgeholfen werden soll, und<br />

wenn’s auch nur durch Sterben wäre«.<br />

Theodor Fontane in »Der Stechlin«,<br />

1898<br />

Die Serie »Zu den Liebesinseln« wurde<br />

im Juli 2012 im Rahmen des jungen und<br />

innovativen Festivals »Les nuits photographiques<br />

de Pierrevert« in Süd-Frankreich<br />

gezeigt und wird im Januar/Februar<br />

<strong>2013</strong> in der aff Galerie in Berlin<br />

und danach im Goethe-Institut in Rabat<br />

(Marokko) zu sehen sein.<br />

Michael Busse, Fotograf, Kameramann<br />

und Journalist, lebt und arbeitet in Berlin<br />

und Aix en Provence. Er ist Autor von<br />

rund achtzig Dokumentarfilmen für<br />

das deutsche, französische und spanische<br />

Fernsehen und ARTE. Er ist mit<br />

zahlreichen nationalen und internationalen<br />

Preisen, darunter Grimme- und<br />

Deutscher Fernsehpreis, ausgezeichnet<br />

worden.<br />

Seine Fotografien wurden ausgestellt in<br />

New York, Berlin und Frankreich.<br />

© Michael Busse<br />

© Michael Busse<br />

Vernissage: 25. Januar <strong>2013</strong>, 19 Uhr<br />

26. Januar bis 17. Februar <strong>2013</strong><br />

aff Galerie<br />

Kochhannstraße 14<br />

10249 Berlin-Friedrichshain<br />

Sa + So 14 – 17 Uhr<br />

www.aff-galerie.de


Dvorah Kern<br />

Marit Beer<br />

»Portraits«<br />

Unter dem Oberbegriff Portraits stellen<br />

Dvorah Kern und Marit Beer ihre Serien<br />

vor, in der Menschen die Hauptakteure<br />

sind.<br />

In der Serie »One Child« fotografierte<br />

Dvorah Kern Ihre Schwester im Alter<br />

von 7 bis 14 Jahren. In dieser Zeit konnte<br />

sie die Entwicklung von einem Kind<br />

zu einem jungen Mädchen mitverfolgen.<br />

Durch die geschwisterlilche Nähe<br />

zeigen die Fotos nicht nur das Abbild<br />

eines Mädchens, sondern der Betrachter<br />

findet auch die Gefühlswelt Dvorahs<br />

darin wieder. Die Bilder sind in der<br />

Regel spontan nach Beobachtungen<br />

entstanden und nicht gestellt. So war es<br />

der Fotografin möglich, das innere Verhältnis<br />

beider auszuloten und sichtbar<br />

zu machen. Die meisten Fotos sind mit<br />

einer analogen Kleinbildkamera bzw.<br />

mit einer Mittelformatkamera entstanden.<br />

Marit Beer stellt zum ersten Mal ihre<br />

Serie »Ghost« einem größerem Publikum<br />

vor. Sie selbst sagt dazu:<br />

»Sie verbergen sich auf Nebelfeldern im<br />

Morgengrauen oder des Nachts in unseren<br />

Zimmern außerhalb des Lichtscheins<br />

der Leselampe, wenn wir die Seiten<br />

des Buches weiterblättern. Manchmal<br />

erzählen wir Ihre schönen, manchmal<br />

auch traurigen oder sogar grausamen<br />

Geschichten weiter. Und manchmal versuchen<br />

wir sie festzuhalten«.<br />

In ihrer Serie hat die Berliner Fotografin<br />

nach Menschen gesucht, die eben<br />

jene Geschichten in ihren Gesichtern<br />

tragen. Entstanden sind dabei Bilder in<br />

denen Ort und Raum bedeutungslos<br />

werden und selbst der Fokus der Kamera<br />

unschlüssig darüber ist, was genau sich<br />

aus dem Nichts herausschält um aufgezeichnet<br />

zu werden. Es obliegt ganz<br />

allein dem Betrachter, die Geschichte<br />

der Geister weiterzuerzählen. Sämtliche<br />

Fotos sind mit einer Kleinbildkamera<br />

entstanden.<br />

© Marit Beer © Marit Beer<br />

© Dvorah Kern © Dvorah Kern, (Original in Farbe)<br />

© Dvorah Kern<br />

<strong>brennpunkt</strong> 1/<strong>2013</strong><br />

Galerien<br />

Vernissage: 1. März <strong>2013</strong>, 19 Uhr<br />

2. März bis 24. März <strong>2013</strong><br />

aff Galerie<br />

Kochhannstraße 14<br />

10249 Berlin-Friedrichshain<br />

Sa + So 14 – 17 Uhr<br />

www.aff-galerie.de<br />

25


Galerien<br />

Andreas Fischer<br />

»Tante Hilde«<br />

Zu Beginn des Jahres startet der<br />

Kunstraum FRÖAUF mit der Ausstellung<br />

»Tante Hilde«. Gezeigt werden<br />

sehr persönliche Fotografien des<br />

Filmemachers und Fotografen Andreas<br />

Fischer. Bekannt wurde er durch<br />

zahlreiche Dokumentarfilme wie der<br />

»Hamburger Feuersturm 1943«, »Die<br />

Les Humphries Singers – Aufstieg und<br />

Fall einer Poplegende« und »Contergan:<br />

Die Eltern«.<br />

Andreas Fischer wird 1961 im Rheinland<br />

als Sohn eines Fotografenehepaares<br />

geboren. Da die Eltern mit der Führung<br />

eines Fotoateliers beschäftigt sind,<br />

übernimmt seine Tante Hilde die<br />

Betreuung des Kindes. Andreas nennt<br />

sie liebevoll »Herzlieb«, die beiden<br />

sind in tiefer Zuneigung verbunden. Im<br />

Juni 2010 stirbt Tante Hilde im Alter<br />

von 90 Jahren. Bis zuletzt lebte sie in<br />

ihrem Reihenhäuschen, welches sie mit<br />

ihrem inzwischen verstorbenen Mann<br />

1964 bezogen hatte.<br />

Da die Tante selbst kinderlos blieb,<br />

fällt dem Neffen die Aufgabe zu, ihren<br />

Nachlass zu ordnen, den Haushalt<br />

aufzulösen, das Haus leer zu räumen.<br />

Andreas Fischer fotografiert vor<br />

der Auflösung des Haushaltes den<br />

Lebensraum seiner Tante Hilde im Detail.<br />

Entstanden ist eine berührende Fotoserie,<br />

die vom Leben, vom Abschied und<br />

von überdauernder Zuneigung erzählt.<br />

Und wenn Andreas Fischer einen alten<br />

Küchenstuhl fotografiert, dessen brüchig<br />

gewordener Kunststoffsitzbezug mit<br />

einem Pflaster geflickt wurde, erzählt<br />

dies auch von der Mentalität einer<br />

ganzen Generation, die einen Weltkrieg,<br />

Not und Hunger erleben musste.<br />

Zur Zeit arbeitet Andreas Fischer an<br />

einem Dokumentarfilm mit dem<br />

Titel »HERZLIEB IST GEGANGEN«.<br />

In diesem Film thematisiert er die<br />

Haushaltsauflösung, die gleichzeitig<br />

mit der Fußballweltmeisterschaft 2010<br />

stattfand. Tagsüber entsorgt Fischer<br />

50 von der Tante im Keller gelagerte,<br />

sorgsam ausgespülte und gestapelte<br />

Pflaumenmusbecher, am Abend filmt er<br />

den Jubel der Zuschauer beim Public<br />

26 <strong>brennpunkt</strong> 1/<strong>2013</strong><br />

© Andreas Fischer, (Original in Farbe)<br />

© Andreas Fischer, (Original in Farbe) © Andreas Fischer, (Original in Farbe)<br />

Viewing nach einem Tor der deutschen<br />

Mannschaft.<br />

Eine Rohfassung des Films ist in<br />

Anwesenheit des Regisseurs am 26.<br />

Januar um 20 Uhr im kunstraum<br />

FRÖAUF zu sehen. Im Anschluss an<br />

die Vorführung gibt es die Gelegenheit<br />

zu einem Werkstattgespräch.<br />

Weitere Informationen zu Andreas<br />

Fischer auf der Website<br />

www.moraki.de<br />

Vernissage am Samstag 19. Januar <strong>2013</strong><br />

von 19 Uhr bis 23 Uhr<br />

Finissage am Samstag 23. Februar <strong>2013</strong><br />

von 19 bis 22 Uhr<br />

© Andreas Fischer, (Original in Farbe)<br />

20. Januar bis 23. Februar <strong>2013</strong><br />

kunstraum FRÖAUF<br />

Fröaufstraße 7<br />

12161 Berlin-Friedenau<br />

Do – Sa 16 – 19 Uhr<br />

und nach Vereinbarung<br />

www.fröauf.de


André Baschlakow<br />

»Hinterlassenschaften«<br />

André Baschlakow, geboren 1964 in<br />

Hannover, kam während seines Studiums<br />

des Industriedesigns an der HDK<br />

Berlin mit der Fotografie in Berührung.<br />

Zu seinen bekanntesten Arbeiten gehören<br />

die Tagebau Landschaften der Niederlausitz,<br />

die ihn ab 1994 so faszinierten,<br />

dass er eine spezielle Kamera<br />

im Ultragroßbild-Format von der Firma<br />

Lotus in Österreich anfertigen ließ, um<br />

die einzigartige Intensität dieser Landschaft<br />

festzuhalten. Diese Kamera<br />

erzeugt Negative im Format 30 cm x<br />

40 cm. Später kam eine weitere Kamera<br />

für das Format 20 cm x 25 cm hinzu.<br />

Beide Formate bilden die Ausgangsbasis<br />

für direkte Hand-Kontakt-Prints<br />

ohne Vergrößerung im Maßstab 1:1.<br />

Das direkte Kontakt-Print-Verfahren<br />

ist das älteste Print-Verfahren in der<br />

Geschichte der Fotografie. Fotografen-Pioniere<br />

des amerikanischen Westens,<br />

wie beispielsweise Timothy H.<br />

O´Sullivan oder William Henry Jackson,<br />

haben mit ihren Großbildkameras<br />

wunderbare Landschaftsaufnahmen in<br />

die Städte gebracht.<br />

2010 hat André Baschlakow das analoge<br />

Thema der Tagebaulandschaften abgeschlossen<br />

- die Beschaffung mit hochwertigen<br />

Planfilmen in diesem Format<br />

wurde zunehmend schwieriger.<br />

In seinen neuen digitalen Arbeiten<br />

mit dem Titel »Hinterlassenschaften«<br />

knüpft Baschlakow an seinen hohen<br />

technischen Anspruch, der Fotografien<br />

der Tagebau Landschaften an.<br />

Wie auch in dieser Fotoserie, ist es ihm<br />

in seinen neuen Arbeiten von zentraler<br />

Bedeutung, den fotografischen Prozess<br />

vollständig zu steuern und zu gestalten.<br />

Das Sujet der Landschaftsfotografie welches<br />

in den Tagebau Arbeiten im Vordergrund<br />

stand, hat sich jedoch zu imposanter<br />

Architekturfotografie gewandelt.<br />

Zentrale Themen der neuen Arbeiten<br />

von Baschlakow sind architektonische<br />

Formen, die brach liegen, ihrer Funktion<br />

entledigt und in Vergessenheit geraten<br />

sind.<br />

© André Baschlakow, (Original in Farbe)<br />

© André Baschlakow, (Original in Farbe)<br />

© André Baschlakow, (Original in Farbe)<br />

Die Fotografien zeigen eine verlassene,<br />

apokalyptische Welt, in der die Natur<br />

die Gebäude durchdringt, aushöhlt,<br />

überwuchert und die glatten präzisen<br />

Flächen zu brechen droht. Baschlakow<br />

abstrahiert die Architektur auf reine<br />

Form, zeigt sie im Dialog mit der Natur,<br />

die, wie es in den Bildern scheint, sich<br />

unaufhaltsam nähert.<br />

Die sorgsam fotografierten Bilder, hochaufgelöst,<br />

mit eindringlicher Schärfe, die<br />

Farbe bis auf einen kaum wahrnehmbaren<br />

Grad reduziert, deuten auf die Fragilität<br />

unserer Existenz.<br />

Ein Künstlergespräch ist vorgesehen,<br />

der Termin stand bei Drucklegung noch<br />

nicht fest.<br />

Bitte informieren sie sich hierüber auf<br />

der Website www.fröauf.de<br />

© André Baschlakow, (Original in Farbe)<br />

© André Baschlakow, (Original in Farbe)<br />

3. März bis 13. April <strong>2013</strong><br />

kunstraum FRÖAUF<br />

Fröaufstraße 7<br />

12161 Berlin-Friedenau<br />

Do – Sa 16 – 19 Uhr<br />

und nach Vereinbarung<br />

www.fröauf.de<br />

<strong>brennpunkt</strong> 1/<strong>2013</strong><br />

Galerien<br />

Vernissage am Samstag, 2. März <strong>2013</strong><br />

von 19 Uhr bis 23 Uhr<br />

Finissage am Samstag, 13. April <strong>2013</strong><br />

von19 Uhr bis 22 Uhr<br />

27


Galerien<br />

Lorant Szathmary<br />

Ȇberall und<br />

nirgends«<br />

Die Präsentation von Lorant Szathmary<br />

mit dem Titel »Überall und nirgends«<br />

ist eine Stellungnahme zu seinen Arbeiten.<br />

Aus seiner Sicht sind das Objekt, der<br />

Ort und der Zeitpunkt der Aufnahme<br />

Vorgänge, der einer Präzisierung nicht<br />

bedürfen. Das Abgebildete kann überall<br />

und zu jeder Zeit sein.<br />

»Stille Mobilität« ist der Titel einer<br />

Serie, die Nachtaufnahmen von Tankstellen<br />

und stillgelegten Fahrzeugen im<br />

übertragenen Sinne ironisch reflektiert.<br />

Objekte, die wir als Inbegriff von Mobilität<br />

verstehen sind unbeweglich, ihrer<br />

eigentlichen Bestimmung beraubt. Sie<br />

stehen da wie Stillleben, ausschließlich,<br />

um bewundert zu werden.<br />

Eine weitere Serie zeigt Situationen möglicher<br />

Landschaften, wie sie überall vorhanden<br />

sein könnten. Es ist eine spärlich<br />

beleuchtete reale Welt, die Szathmary<br />

als Zitat versteht, bezogen auf eine Welt<br />

die ihm aus Osteuropa sehr vertraut ist.<br />

Der Titel der Serie „Goldenes Zeitalter“<br />

weist ironisch auf ein minimales Maß<br />

an »Muss« hin, das sich in der allein<br />

stehenden und gut beleuchteten Baustellentoilette<br />

manifestiert.<br />

In der Serie »Weihnachtsbilder« wird<br />

in einer minimalistischen Bildersprache<br />

der feierliche Ort zum Gemeinplatz, die<br />

Beleuchtung der Fenster zu einem banalen<br />

Gegenstand. Die nach außen getragenen<br />

Empfindungen sind leere Zitate<br />

einer Welt, die sich dem Konsum verschrieben<br />

hat. Wir werden zu Voyeuren<br />

einer nicht existierenden Innerlichkeit.<br />

Das wahre Empfinden bleibt uns verborgen.<br />

Der Zutritt zum Fest der Freude<br />

wird uns verwehrt.<br />

Drei Farbbilder sind die Ausnahme in<br />

der Ausstellung. Die Bilder spiegeln<br />

Leere, Angst, Zweifel und vielleicht<br />

Verzweiflung. Es sind Aufnahmen die<br />

durch Streifzüge in verlassene Häusern<br />

und Industriebrachen entstanden sind.<br />

28 <strong>brennpunkt</strong> 1/<strong>2013</strong><br />

© Lorant Szathmary<br />

Der konstruktiv abstrakte Bildaufbau,<br />

die reduzierte Farbigkeit, die vorgefundene<br />

Lichtsituation unterstreichen die<br />

Ästhetik der Abwesenheit.<br />

Bestandteil der Präsentation ist auch<br />

eine Serie von Aufnahmen, die Szathmary<br />

noch in seiner alten Heimat<br />

auf dem Dachboden seiner Großmutter<br />

machte. Durch Zufall entdeckte er<br />

die Negative im Sommer 2011. Es sind<br />

Langzeitaufnahmen mit einer geliehenen<br />

6x6 Kamera sowjetischer Bauart.<br />

Nicht nur die abgebildeten Gegenstände<br />

erscheinen ihm aus der zeitlichen<br />

Perspektive wesentlich, sondern<br />

die übermittelte Stimmung von Intimität<br />

und Stille.<br />

Szathmary arbeitet in Serien, analog, mit<br />

einer Großformatkamera, hauptsächlich<br />

in Schwarz/Weiß. Sein Anspruch<br />

auf höchste technische Qualität und<br />

Perfektion ist zugleich sein Programm,<br />

dass er konsequent verfolgt.<br />

© Lorant Szathmary<br />

Vernissage<br />

28. März <strong>2013</strong>, ab 19 Uhr<br />

29. März bis 10. Mai <strong>2013</strong><br />

Fotogalerie Friedrichshain<br />

Helsingforser Platz 1<br />

10243 Berlin-Friedrichshain<br />

Di, Mi, Fr, Sa 13 – 18 Uhr<br />

Do 10 – 18 Uhr


Jürgen Schadeberg<br />

»The concerned<br />

Photographer«<br />

Jürgen Schadeberg wurde 1931 in<br />

Berlin geboren.<br />

Ab 1946 Besuch der Schule für Optik<br />

und Phototechnik in Berlin, anschließend<br />

Praktikum bei der Deutschen<br />

Presse Agentur in Hamburg.<br />

1950 zog er nach Johannesburg, Südafrika<br />

und arbeitete dort als Fotograf und<br />

Fotoredakteur bis 1959 bei dem Magazin<br />

drum, das sich hauptsächlich an<br />

die schwarze Bevölkerung wendete. Er<br />

war Mentor und Förderer zahlreicher<br />

schwarzer einheimischer Fotografen.<br />

Schadebergs Haltung stand im Gegensatz<br />

zur herrschenden Apartheid Politik<br />

in Südafrika, zwangsläufig kam es<br />

zu Konflikten mit den Behörden und zu<br />

Behinderungen seiner journalistischen<br />

Arbeit.<br />

1964 verließ Jürgen Schadeberg Südafrika<br />

und arbeitete als freier Fotograf für<br />

internationale Magazine. Bis 1968 war<br />

er Redakteur von Creative Camera in<br />

London.<br />

1969-72 studierte er Malerei in Spanien<br />

und lehrte an mehreren Kunsthochschulen,<br />

bevor er 1985 nach Südafrika<br />

zurückkehrte.<br />

Es entstanden Fotobücher und Dokumentarfilme,<br />

die sich mit dem alltäglichen<br />

Leben der schwarzen Bevölkerung<br />

befassten - in der Zeit des Übergangs bis<br />

zum Ende der Apartheid.<br />

Heute lebt Jürgen Schadeberg mit seiner<br />

Frau und Arbeitspartnerin Claudia<br />

wieder in Berlin, seiner Geburtsstadt.<br />

Jürgen Schadebergs Fotografien sind<br />

weltweit in vielen Sammlungen vertreten,<br />

seine Bilder wurden seit 1962 in<br />

unzähligen Gruppen- und Einzelausstellungen<br />

in Afrika, in den USA und in<br />

Europa gezeigt, wie zuletzt in der Ausstellung<br />

»Rise and fall of Apartheid« in<br />

New York im International Center of<br />

Photography.<br />

© Jürgen Schadeberg, »Nelson Mandela«, 1952<br />

Vernissage<br />

11. Januar <strong>2013</strong>, 19 – 21 Uhr<br />

12. Januar bis 16. März <strong>2013</strong><br />

Galerie argus fotokunst<br />

Marienstraße 26<br />

10117 Berlin-Mitte<br />

Mi – Sa 14 – 18 Uhr<br />

<strong>brennpunkt</strong> 1/<strong>2013</strong><br />

Galerien<br />

© Jürgen Schadeberg, »drumcover«, 1955 © Jürgen Schadeberg, »Gay Graeties«, 1952<br />

29


Galerien<br />

Shômei Tômatsu<br />

»Photographs 1951-<br />

2000«<br />

Anlass der Ausstellung ist die Präsentation<br />

unseres neuen Buches von Shômei<br />

Tômatsu, das eine Auswahl der hundert<br />

wichtigsten Bilder seines Schaffens<br />

umfasst.<br />

Only Photography freut sich, nach den<br />

Büchern von Yutaka Takanashi und Issei<br />

Suda die Reihe über die Meister der<br />

japanischen Nachkriegsfotografie mit<br />

dem Buch über Shômei Tômatsu fortsetzen<br />

zu können.<br />

»Obwohl mir eine Reihe seiner ikonischen<br />

Bilder seit Jahren vertraut sind,<br />

habe ich erst in der Vorbereitung dieses<br />

Buches das gesamte Spektrum seiner 60jährigen<br />

Arbeit zu erfassen gelernt. Aus<br />

ca. 15 seiner bisher erschienenen Publikationen<br />

– darunter der einzigen bedeutenden<br />

westlichen Veröffentlichung,<br />

dem Ausstellungskatalog des San Francisco<br />

Museum of Art aus dem Jahr 2006<br />

– habe ich eine Auswahl von zirka 110<br />

Bildern für mein Buch getroffen. Mit<br />

Kopien dieser Auswahl unter dem Arm<br />

besuchte ich Shomei Tomatsu und seine<br />

Frau im Sommer dieses Jahres in seinem<br />

Atelier in Okinawa, wo er sich vorwiegend<br />

aus gesundheitlichen Gründen<br />

seit einigen Jahren niedergelassen hat.<br />

Und war verblüfft, dass der große Meister,<br />

dem in Fachkreisen ein sehr strenger<br />

Ruf vorauseilt, meine Auswahl ohne<br />

Abstriche für gut befand. Außer einigen<br />

wenigen Bildern aus den ersten Jahren<br />

der amerikanischen Besetzung Okinawas<br />

– sie sollen einer geplanten Veröffentlichung<br />

eines amerikanischen Verlages<br />

zu diesem Thema vorbehalten bleiben<br />

– und drei Motiven, zu denen sich<br />

die Negative nicht mehr auffinden liessen,<br />

ist meine Auswahl zum Inhalt des<br />

vorliegenden Buches geworden. Mir<br />

war bewusst, dass meine Vorgabe von<br />

etwa 100 Abbildungen für dieses Buch<br />

bedeuten musste, dass das eine oder<br />

andere wichtige Motiv fehlen würde.<br />

Trotzdem bin ich davon überzeugt,<br />

dass die getroffene Auswahl nicht nur<br />

mir vermittelt, warum Shômei Tômatsu<br />

von nahezu allen lebenden japani-<br />

30 <strong>brennpunkt</strong> 1/<strong>2013</strong><br />

Chindonya 4, Tokyo 1961, © Shômei Tômatsu, courtesy only photography<br />

Young Power 1, Shinjuku, Tokyo 1969,<br />

© Shômei Tômatsu, courtesy only photography<br />

Blood and Roses, Tokyo 1963,<br />

© Shômei Tômatsu, courtesy only photography<br />

schen Fotografen – einschließlich der im<br />

Westen wesentlich präsenteren Stars der<br />

Szene wie Nobuyoshi Araki oder Daido<br />

Moriyama – als »godfather« der japanischen<br />

Fotografie angesehen wird, zu<br />

dem alle Kollegen seine Heimatlandes<br />

mit Hochachtung aufblicken. Und das<br />

Buch dazu verhelfen soll, seiner Arbeit<br />

und seinem Namen auch in der internationalen<br />

Fotoszene den angemessenen<br />

Platz zu verschaffen«.<br />

Roland Angst<br />

Evident absence, Michiko Takahashi, Tokyo<br />

1971, © Shômei Tômatsu, courtesy only<br />

photography.<br />

bis 31. Januar <strong>2013</strong><br />

ONLY PHOTOGRAPHY<br />

Roland Angst<br />

Niebuhrstraße 78<br />

10629 Berlin-Charlottenburg<br />

Mi – Fr 14 – 19 Uhr<br />

Sa 11 – 16 Uhr


Christian Patterson<br />

»REDHEADED<br />

PECKERWOOD«<br />

2011 veröffentlicht und von der internationalen<br />

Kritik euphorisch gefeiert,<br />

ist eine Serie von Objekten, Dokumenten<br />

und Fotografien, die auf einer tragischen,<br />

wahren Geschichte beruhen. Die<br />

Geschichte von zwei Teenagern, Charles<br />

Starkweather und Carol Ann Fugate,<br />

die nach dreitägiger Flucht insgesamt<br />

11 Menschen ermordet hatten und im<br />

November 1958 verhaftet wurden, hat<br />

sich tief in das kollektive Gedächtnis<br />

Amerikas eingegraben. Terrence<br />

Mallicks »Badlands« und Oliver Stones<br />

»Natural Born Killers« beruhen auf ihrer<br />

Geschichte. Christian Patterson ist die<br />

Route ihrer Flucht durch Wyoming nach<br />

Nebraska nachgefahren, er hat sich in<br />

Bogomir Ecker<br />

»Idylle + Desaster«<br />

Seit vielen Jahren sammelt der Künstler<br />

Bogomir Ecker mit unkonventionellem,<br />

eben künstlerischem Blick historische<br />

Fotografien: von Landschaftsaufnahmen<br />

des 19. Jahrhunderts aus aller Welt bis<br />

zur klassischen Presse- und Sensationsfotografie<br />

des 20. Jahrhunderts aus den<br />

USA. Die Bilder werden von ihm einerseits<br />

direkt für die künstlerische Arbeit<br />

etwa bei den »Hammerschlag-Übermalungen«<br />

verwendet, dienen aber auch<br />

als Inspirationsquelle für skulpturale<br />

Werke. Folglich steht im Kaisersaal des<br />

Museums für Fotografie eine monumentale<br />

Skulptur Eckers im Mittelpunkt, um<br />

die sich Fotografien aus den Themengruppen<br />

Idyllen und Desaster präsentieren.<br />

Die Ausstellung knüpft an die Installationen<br />

zeitgenössischer Künstler und Fotografen<br />

in der Kaisersaalruine von 2004<br />

bis 2008 an. Damit zeigt das Museum<br />

© Christian Patterson, »House at Night« aus<br />

der Serie »Redheaded Peckerwood«, (O.i.F.)<br />

Polizeiarchive vertieft, Tatorte fotografiert<br />

und Augenzeugen befragt und<br />

eine künstlerische Arbeit gefertigt, die<br />

sich aus Fotografien und Archivfunden,<br />

Zeichnungen, Objekten und Dokumenten<br />

zusammenfügt, »eine Akte, gefüllt<br />

mit Hinweisen und Stichworten – ein<br />

Rätsel, das es zu lösen gilt!«, so Christian<br />

Patterson.<br />

Photographer unknown: »Hamburg<br />

Thunderbolt raid on Feb. 1.43, a Lancaster<br />

against the 4’000 lbs bomb burst’s«, 1943<br />

© Bogomir Ecker<br />

für Fotografie sein fortwährendes Interesse<br />

an aktuellen Positionen der Kunst<br />

und Fotografie. Zeitgleich präsentiert<br />

das Museum für Photographie in Braunschweig<br />

von Bogomir Ecker überarbeitete<br />

Zeitungsseiten, auf denen einzelne<br />

Fotografien von ihm herauspräpariert<br />

werden.<br />

<strong>brennpunkt</strong> 1/<strong>2013</strong><br />

Galerien<br />

Das Buch zur Serie erschien 2011 bei<br />

Mack Books, London. Es wurde international<br />

mit hymnischen Kritiken gefeiert<br />

und vielfach unter die Top 10 der<br />

besten Fotobücher 2011 gewählt, unter<br />

anderem von den Redaktionen der New<br />

York Times, The Guardian, London und<br />

Le Monde, Paris. »Redheaded Peckerwood«<br />

wurde außerdem in diesem Jahr<br />

mit dem renommierten Book Author<br />

Award 2012 bei den Rencontres de la<br />

Photographie in Arles ausgezeichnet<br />

und war zuletzt im Museum of Contemporary<br />

Photography in Chicago zu<br />

sehen.<br />

bis 9. Februar <strong>2013</strong><br />

Robert Morat Galerie<br />

Kleine Hamburger Straße 2<br />

10115 Berlin-Mitte<br />

Sa 12 – 18 Uhr<br />

und nach Vereinbarung<br />

Photographer unknown: Alicia Gracia, 1947<br />

© Bogomir Ecker<br />

bis 17. März <strong>2013</strong><br />

Museum für Fotografie<br />

Jebensstraße 2<br />

10629 Berlin-Charlottenburg<br />

Di – So 10 – 18 Uhr<br />

Do 10 – 20 Uhr<br />

31


Galerien<br />

15 Jahre<br />

CAMERA WORK<br />

Anlässlich des 15. Geburtstages der<br />

Galerie werden über 100 Highlights von<br />

Photographen gezeigt, die seit Galeriegründung<br />

1997 von CAMERA WORK<br />

vertreten sowie in eindrucksvollen Ausstellungen<br />

präsentiert worden sind und<br />

zugleich Photographie als Kunstform<br />

geprägt haben.<br />

»15 Jahre CAMERA WORK« blickt<br />

zurück auf die vergangenen 15 Jahre<br />

und lädt nicht nur treue Freunde der<br />

Galerie ein, die spektakulärsten Ausstellungen<br />

neu aufleben zu lassen, sondern<br />

gibt auch Photokunstinteressierten<br />

die Möglichkeit, die Geschichte und das<br />

Portfolio von CAMERA WORK kennenzulernen.<br />

Aus 100 Ausstellungen mit<br />

weit über 100 namhaften Künstlerinnen<br />

und Künstlern und insgesamt über<br />

5.000 gezeigten Arbeiten bildet »15<br />

Jahre CAMERA WORK« eine beeindruckende<br />

Chronik in Form von künstlerischen<br />

Höhepunkten aus der Historie<br />

der Galerie.<br />

Anlehnend an die Philosophie von<br />

CAMERA WORK präsentiert die Ausstellung<br />

neben den Wegbereitern und<br />

Ikonen der künstlerischen Photographie<br />

des 20. Jahrhunderts wie Richard<br />

Avedon, Horst P. Horst, Helmut Newton,<br />

Irving Penn, Man Ray, Herb Ritts oder<br />

Jeanloup Sieff auch Arbeiten von<br />

renommierten zeitgenössischen Photographen,<br />

die von CAMERA WORK<br />

vertreten werden. Besonderen Fokus<br />

legt »15 Jahre CAMERA WORK« dabei<br />

auf jene Künstlerinnen und Künstler,<br />

die erstmals welt-oder europaweit bei<br />

CAMERA WORK ausgestellt wurden<br />

und anschließend bis heute nicht nur<br />

beeindruckende Karrieren im Bereich<br />

der Photokunst aufweisen und auf dem<br />

Photokunstmarkt bemerkenswerte<br />

Ergebnisse erzielen können, sondern<br />

zusammen mit CAMERA WORK auch<br />

maßgeblich am Erfolg der Photokunst<br />

auf dem Weg zum akzeptierten Teil der<br />

bildenden Kunst beigetragen haben.<br />

Darunter zählen neben exklusiv vertretenen<br />

Künstlern wie David Drebin, Jean-<br />

32 <strong>brennpunkt</strong> 1/<strong>2013</strong><br />

© ALBERT WATSON, ALFRED HITCHCOCK, LOS ANGELES, 1973<br />

© STEVE SCHAPIRO, THE WHISPER I<br />

MARLON BRANDO IN “THE GODFATHER”,<br />

NEW YORK, 1971, (O.i.F.)<br />

Baptiste Huynh, Russell James, Robert<br />

Polidori auch Martin Schoeller und Nick<br />

Brandt. Nachdem letzteren jeweils 2005<br />

bei CAMERA WORK ihre weltweit ersten<br />

Einzelausstellungen gewidmet wurden,<br />

erzielen deren Arbeiten seitdem auch<br />

© WILL MCBRIDE, KENNEDY, BRANDT<br />

UND ADENAUER VERLASSEN DAS<br />

BRANDENBURGER TOR, BERLIN, 26.06.1963<br />

auf Photokunstauktionen stetig höhere<br />

Ergebnisse. Als international tätiges<br />

Unternehmen ist CAMERA WORK seit<br />

seiner Gründung auch bedacht, deutsche<br />

Künstlerinnen und Künstler zu vertreten<br />

und zu fördern. So zeigt »15 Jahre


© TINA BERNING UND MICHELANGELO DI BATTISTA, CLAUDIA UNDERWATER, 2012<br />

(Original in Farbe)<br />

© DAVID DREBIN, DREAMS OF CENTRAL PARK, 2006, (Original in Farbe)<br />

© HERB RITTS, MADONNA I,<br />

SAN PEDRO, 1990<br />

© RUSSELL JAMES, HANG LOOSE,<br />

LOS ANGELES, 2006<br />

<strong>brennpunkt</strong> 1/<strong>2013</strong><br />

Galerien<br />

CAMERA WORK« u.a. auch Werke von<br />

Thomas Billhardt, Thomas Hoepker,<br />

Robert Lebeck, Ralph Mecke, Lukas<br />

Roth sowie Tina Berning, deren zeitgenössische<br />

Arbeiten in Zusammenarbeit<br />

mit Michelangelo Di Battista die<br />

Grenzen zwischen Modephotographie,<br />

Illustration und Malerei verschwimmen<br />

lassen und so der Photokunst einen einzigartigen<br />

Charakter verleihen.<br />

33


Galerien<br />

Über CAMERA WORK<br />

Die in Berlin ansässige Galerie CAMERA<br />

WORK wurde 1997 gegründet und<br />

hat sich seitdem zu einer der weltweit<br />

führenden Galerien für Photokunst<br />

entwickelt. Anlehnend an den historisch<br />

geprägten Galerienamen folgt das<br />

Unternehmen von Beginn an der<br />

Philosophie, neben den bekanntesten<br />

Künstlern der Photographiegeschichte<br />

wie Diane Arbus, Richard Avedon,<br />

Helmut Newton, Irving Penn oder Man<br />

Ray auch junge zeitgenössische Künstler<br />

zu vertreten und in Ausstellungen zu<br />

zeigen, um die Position der Photokunst<br />

als eigenständige Gattung innerhalb der<br />

bildenden Künste zu manifestieren und<br />

neuen Positionen Raum zu geben. Dabei<br />

vertritt CAMERA WORK zahlreiche<br />

renommierte zeitgenössische Künstler<br />

© HERB RITTS, CINDY CRAWFORD,<br />

HAWAII, 1988<br />

in Deutschland, Europa oder weltweit<br />

exklusiv, u.a. Nick Brandt, David<br />

Drebin, Jean-Baptiste Huynh, Robert<br />

Polidori oder Martin Schoeller. Um<br />

der zeitgenössischen (Photo-)Kunst<br />

einen noch größeren Stellenwert in der<br />

strukturellen Ausrichtung beizumessen,<br />

eröffnete CAMERA WORK zu Beginn<br />

des Jahres 2012 mit der CWC GALLERY<br />

eine Dependance in Berlin, die verstärkt<br />

moderne Positionen präsentiert.<br />

CAMERA WORK ist regelmäßig auf<br />

den international bedeutendsten<br />

Photokunstmessen vertreten, darunter<br />

Paris Photo und Tokyo Photo.<br />

34 <strong>brennpunkt</strong> 1/<strong>2013</strong><br />

© THOMAS HOEPKER, MUHAMMAD ALI, SHOWING OFF HIS RIGHT FIST, CHICAGO, 1966<br />

© JEAN-BAPTISTE HUYNH, MAINS I,<br />

ETHIOPIE, 2005<br />

Die 2001 gegründete CAMERA WORK<br />

AG besitzt eine der weltweit umfassendsten<br />

und qualitativ herausragendsten<br />

Photokunstsammlungen in Privatbesitz<br />

mit zahlreichen Vintage-Arbeiten<br />

der namhaftesten Photokünstler<br />

vom 19. Jahrhundert bis in die Gegenwart.<br />

Neben den Schwerpunkten der<br />

Mode-, Akt-und Porträtphotographie<br />

fokussiert sich CAMERA WORK auch<br />

auf die Genres Architektur und Stillleben.<br />

Dieses einzigartige Fundament, in<br />

Verbindung mit den beiden zum Unternehmen<br />

gehörenden Galerien CAMERA<br />

WORK und CWC GALLERY, ermöglicht<br />

es, in Zusammenarbeit mit Museen,


© MARTIN SCHOELLER, CHRISTOPH WALTZ, 2009, (Original in Farbe)<br />

© TINA BERNING UND MICHELANGELO DI<br />

BATTISTA, HANNA, (O.i.F.)<br />

© PAOLO ROVERSI, KATE, PARIS, 1992,<br />

(Original in Farbe)<br />

<strong>brennpunkt</strong> 1/<strong>2013</strong><br />

Galerien<br />

Galerien und anderen Kunstinstitutionen<br />

Ausstellungen weltweit zu präsentieren.<br />

Der umfassende Sammlungsbestandteil<br />

mit Photographien und Memorabilien<br />

zur Geschichte der Familie Kennedy<br />

bewegte das Unternehmen darüber<br />

hinaus dazu, im Jahr 2006 das Museum<br />

THE KENNEDYS in Berlin zu gründen –<br />

das zweitgrößte seiner Art weltweit.<br />

Künstlerinnen und Künstler in »15<br />

Jahre CAMERA WORK«<br />

Richard Avedon, Peter Beard, Tina<br />

Berning & Michelangelo Di Battista,<br />

Thomas Billhardt, Nick Brandt, Anton<br />

Corbijn, David Drebin, William<br />

Eggleston, Elliott Erwitt, Ralph Gibson,<br />

Thomas Hoepker, Horst P. Horst, Jean-<br />

Baptiste Huynh, Russell James, Nadav<br />

Kander, Benjamin Katz, Douglas<br />

Kirkland, Mark Laita, Robert Lebeck, Peter<br />

Lindbergh, Herbert List, Will McBride,<br />

Ralph Mecke, Helmut Newton, Irving<br />

Penn, Robert Polidori, Rankin, Man<br />

Ray, Leni Riefenstahl, Herb Ritts, Lukas<br />

Roth, Yoram Roth, Paolo Roversi, Steve<br />

Schapiro, Susanne Schapowalow, Roy<br />

Schatt, Martin Schoeller, JeanloupSieff,<br />

Karin Szekessy, Ellen von Unwerth,<br />

Albert Watson<br />

CAMERA WORK bei Facebook:<br />

www.facebook.de/cameraworkberlin<br />

bis 26. Januar <strong>2013</strong><br />

CAMERA WORK<br />

Kantstraße 149<br />

10623 Berlin-Charlottenburg<br />

Di – Sa 11 – 18 Uhr<br />

35


Galeriebericht<br />

Der Blick des Anderen.<br />

Das war er, der November, der 5. Europäische<br />

Monat der Fotografie Berlin.<br />

Im Netz noch bescheiden unter mdfberlin.de<br />

zu finden, gibt er sich inzwischen<br />

weltläufiger: EMOP = European<br />

Month of Photography. Die Idee für den<br />

Monat kam ursprünglich aus Paris, von<br />

der Maison Européenne de la Photographie.<br />

So ein Haus haben wir nicht. Aber<br />

wir haben diese Biennale, zeitgleich<br />

mit nunmehr Paris, Wien, Luxemburg,<br />

Ljubljana, Budapest und Bratislava.<br />

Wien meldet 220 Ausstellungen, doppelt<br />

so viele wie in Berlin. Außer Paris<br />

– mit Thibault Brunet – tritt im offiziellen<br />

Programm bei uns keine der Partnerstädte<br />

in Erscheinung. Das war in<br />

früheren Jahren anders, mit Gästen aus<br />

allen beteiligten Metropolen. Und hätte<br />

gut zum Motto »Der Blick des Anderen«<br />

gepasst. Im Festzentrum am Pariser Platz<br />

Kaya Behkalam mit Bildern aus Kairo.<br />

Alle anderen Ausstellungen sind den<br />

Kuratoren aus der reichen Berliner Kulturlandschaft<br />

zugeflogen wie die Motten<br />

zum Licht. Über 100 hat die Jury ins Programm<br />

und den schönen Katalog aufgenommen.<br />

Schön ist er. Praktisch ist<br />

er nicht. Man ist ständig am Blättern<br />

in den 256 Seiten, weil Bild- und Textteil<br />

getrennt sind. Die Ausstellungsorte<br />

sind schon irgendwie alphabetisch sortiert.<br />

Alle Künstler sind am Ende von A –<br />

Z aufgelistet, auch im handlichen Merkheft,<br />

aber ohne eine einzige Seitenzahl!<br />

Das ist schon fast kriminell. Dennoch:<br />

Es gab viel Spannendes zu sehen, gibt<br />

es noch, denn etliche Events laufen bis<br />

ins Neue Jahr. Und weil so viele davon<br />

Berlin zum Thema hatten, habe ich es<br />

auch zu meinem gemacht. Ich musste<br />

mich beschränken. Da kamen mir »12<br />

Antworten auf Berlin« gerade recht, hier<br />

wirklich gegeben mit dem geforderten<br />

Blick des Anderen, denn keine/r dieser<br />

12 Sehenden stammt aus Deutschland.<br />

Hansgert Lambers und Axel Sommer<br />

haben sie in der Kommunalen Galerie<br />

Berlin klug zusammengeführt. Was<br />

das Dutzend eint ist die konzeptionelle<br />

Arbeitsweise und die Neugier auf eine<br />

Stadt, in der die Wunden der Geschichte<br />

allenthalben sichtbar sind. Am eindring-<br />

36 <strong>brennpunkt</strong> 1/<strong>2013</strong><br />

© Abby Storey, (O.i.F.)<br />

© Andy Rumball, (O.i.F.)<br />

lichsten kommt das rüber beim tunesischen<br />

Franzosen Stéphane Duroy, der<br />

Tradition und Abbruch geschickt in<br />

Bezug setzt, während der Franco-Kanadier<br />

Serge Clément in verschlüsselten<br />

SW-Motiven den Geheimnissen Berlins<br />

auf der Spur ist. Abby Storey aus Neuseeland<br />

hält Passanten wie in einem<br />

Film-Still für den Augenblick fest im<br />

Getriebe des Alltags, und nur der Brite<br />

Andy Rumball zielt direkt auf Promiporträts,<br />

vergattert sie aber wenig glücklich<br />

durchgehend mit einem verkreuzten<br />

Fadenmuster. Das treibt er auch mit<br />

dem Konterfei der greisen Erika Rabau,<br />

durch viele Jahre offizielle Fotografin<br />

der Berliner Filmfestspiele und Star bei<br />

Lothar Lambers. Man ist verstimmt, weil<br />

sich der Fotograf durch diese befremdliche<br />

Verfremdung in den Vordergrund<br />

rückt.<br />

Gino Puddu, geboren in Sardinien, antwortet<br />

auf seine Wahlheimat Berlin auf<br />

© Kerstin Parlow<br />

zurückhaltende, sehr poetische Weise.<br />

Sein Motiv sind die Rutschbahnen auf<br />

kinderlosen Spielplätzen, in feinem,<br />

grazilem Schwarzweiß, die der Fantasie<br />

bei besinnlicher Betrachtung Nahrung<br />

geben. Parallel in der Buchhandlung<br />

und Galerie »unterwegs« in der<br />

Torstraße sein anderer Blick auf allbekannte<br />

Berliner Orte, aber auch auf den<br />

Schöneberger Kiez, in dem sein Café<br />

Aroma liegt. Hier ist er Hausherr und<br />

Kurator und zeigt bis 24. Februar Fotos<br />

von Kerstin Parlow mit dem Titel »Um<br />

mich herum«. Sie ist auch Schriftstellerin<br />

und definiert den Blick des Anderen<br />

eher über den eigenen Abstand<br />

von ihrem Umfeld. Das klingt egozentrisch<br />

und ein wenig nach Selbsttherapie.<br />

Wenn man aber in der lebendigen<br />

Atmosphäre des italienischen Restaurants<br />

vor den Bildern steht, erschließt<br />

sich eher der emotionale Gehalt, der<br />

über das Private hinausgeht.<br />

Eine gewisse Seelenverwandtschaft entdecke<br />

ich bei der Amerikanerin Kathleen<br />

Michael, die für ihre poetischen<br />

Selbsterkundungen ohne den Umweg<br />

über ihr Umfeld auskommt. Wir haben<br />

ihre kleine, sehr intime Ausstellung<br />

»Madame Negligé« im letzten Heft vorgestellt.<br />

Es ist schon was dran am »weiblichen<br />

Blick«, diese höhere Empfindsamkeit für<br />

die eigenen Emotionen, und eine oft leidenschaftliche<br />

Empathie für das Gegenüber.<br />

Bei Aenne Burghardt verbindet


© Aenne Burghardt<br />

sie sich in glücklicher Weise mit ihrem<br />

künstlerischen Anspruch, der zugleich<br />

für das bisschen Abstand sorgt, den auch<br />

der Betrachter braucht. Sie hat Betreuer<br />

und Betreute der Reha-Einrichtungen in<br />

Steglitz mit großer Achtsamkeit porträtiert<br />

und, wie Klaus Eschen in der Laudatio<br />

sagte, die sonst als behindert oft Ausgegrenzten<br />

als starke Persönlichkeiten<br />

dargestellt. Das macht die Menschen<br />

glücklich, wie man zur Vernissage in<br />

der alten Hauptpost beobachten konnte.<br />

Und den Betrachter auch.<br />

Wenn das Konzept überwiegt und sich<br />

die Porträtierten dem Formwillen der<br />

Fotografin unterordnen, muss ihnen das<br />

nicht ihre Würde nehmen. So hat Mirjana<br />

Vbraski für ihre »Verses of Emptiness«<br />

bei exp12 (siehe <strong>brennpunkt</strong> 3/12)<br />

Frauen aus ihrem sozialen Kontext herausgelöst<br />

und sie auf altmeisterliche<br />

Art wunderschön und zugleich scheinbar<br />

unnahbar dargestellt, wie Ikonen, in<br />

meditativer Entrückung. Sie strebt nach<br />

eigenen Worten eine Entindividualisierung<br />

an, eine Typisierung also. Aber der<br />

oft direkte Blick hat eine so hypnotische<br />

Wirkung, dass man verzweifelt versucht,<br />

das Rätsel zu lösen.<br />

Rätsel gibt uns auch Bettina Rheims auf<br />

mit ihren großformatigen »Gender Studies«<br />

bei Camera Work. Bei der Betrachtung<br />

dieser kaum bekleideten schönen<br />

Körper ist uns unsere Kultur und<br />

vor allem unsere Sprache im Wege, die<br />

uns ständig zur Einordnung zwingt: Frau<br />

oder Mann? Rheims mutet uns auch die<br />

Übergänge zu, die Verwandlung von<br />

einem Geschlecht ins andere.<br />

Ihre Menschen zeigen Mut, Beklommenheit,<br />

Angst. Aber sie schafft die<br />

nötige Distanz durch eine coole, fast kli-<br />

© Mirjana Vbraski<br />

nische Ästhetik. Die erreicht sie durch<br />

totale, schattenlose Ausleuchtung. Sie<br />

meint, dass sexuelle Flexibilität dem<br />

Individuum viel Freiheit bringt. Nur:<br />

Dafür braucht es ein tolerantes Umfeld.<br />

Das könnte in Berlin am ehesten zu<br />

finden sein, es ist ein Merkmal der Urbanität.<br />

Und die künstlerische Freiheit geht<br />

damit einher. In der Fotografie, die mit<br />

der Digitalisierung nun endgültig zum<br />

Massenmedium wurde, eindeutig auf<br />

Kosten der Qualität. Eine bewusste Bildgestaltung<br />

ist weitgehend verpönt. Das<br />

Banale, Beliebige wird gern mit dem<br />

Begriff »atmosphärisch« aufgewertet. In<br />

einer Zeit, in der von der Zukunft wenig<br />

Gutes zu erwarten ist, scheint das dem<br />

Lebensgefühl, vor allem dem der jungen<br />

Leute, angemessen zu sein. Trendbewusst<br />

beurteilen sie ein Foto eher nach<br />

dem Grad seiner »Erregungsintensität«<br />

als nach klassischen Regeln. Mögen uns<br />

die Galeristen erhalten bleiben, die uns<br />

Gelegenheit bieten zur unaufgeregten<br />

Betrachtung fotografischer Botschaften.<br />

Die können schon mal Sehgewohnheiten<br />

auf den Kopf stellen. Ein Hüter<br />

der traditionellen SW-Fotografie, Norbert<br />

Bunge (argus), hat es vorgemacht.<br />

Er hat den 1967 in Tel Aviv geborenen<br />

Michael Ackerman auf seine Galeriewände<br />

losgelassen und der hat seine<br />

impulsiven »Half Life«-Fotos drangeklebt,<br />

ohne Glas noch Rahmen, dass<br />

es eine Art hatte. Immerhin, die kleineren<br />

Formate waren argus-gemäß Barytabzüge.<br />

Bunge war bass erstaunt, dass<br />

© Michael Ackerman<br />

© Oscar Lebeck (O.i.F.)<br />

Galeriebericht<br />

er plötzlich bis zu 100 Besuchern am<br />

Tag hatte in seiner sonst eher verträumten<br />

Galerie. Ackerman ist ja kein junger<br />

Wilder mehr, aber er hat Fans, die seine<br />

frechen Gesellschaftssplitter lieben<br />

(siehe <strong>brennpunkt</strong> 4/12). Dazu kam der<br />

Sog dieses besonderen Monats.<br />

Ein echter junger Wilder ist Oscar<br />

Lebeck, geboren 1993, der für das Stadtmagazin<br />

»zitty« in Berlin unterwegs ist.<br />

Im Photoplatz des Hotel Bogotá hängen<br />

seine unbekümmerten bunten Schnappschüsse<br />

der frivolsten Art noch bis 29.<br />

Januar <strong>2013</strong>, unter dem Titel »The<br />

Future is unwritten«. Für Ästheten sind<br />

sie eine absolute Zumutung. Zum Ausgleich<br />

serviert uns Hotelier und Kurator<br />

Joachim Rissmann im »Kabinett« parallel<br />

den Franzosen Antoine d’Agata,<br />

dessen aufregenden und beklemmenden,<br />

fast gewalttätigen Körperbildern<br />

man in dem intimen Raum schutzlos<br />

ausgeliefert ist. Der Autor beruft sich<br />

<strong>brennpunkt</strong> 1/<strong>2013</strong><br />

37


Galeriebericht<br />

© Stéphane Couturier<br />

denn auch auf Pier Paolo Pasolini als<br />

Leit- und Leidbild seiner Lust-Schmerz-<br />

Obsessionen. Diese extremen Bilder<br />

gehören zum Stärksten, was uns dieser<br />

Monat der Fotografie beschert hat.<br />

D’Agata hat 1990 u.a. bei Larry Clark<br />

studiert, dem schonungslosen Chronisten<br />

des Drogenmilieus. Seitdem hat er<br />

12 Bücher und 3 Filme gemacht. Er hätte<br />

sicher einen größeren Rahmen für sein<br />

Werk verdient.<br />

Im Mainstream schwimmt er freilich<br />

nicht. Auch der Berliner Alexander<br />

Platz nicht. Dafür nehmen beide das<br />

Medium viel zu ernst. Im Café Berio<br />

spürt Platz bis 7. Januar <strong>2013</strong> »Berlins<br />

kreativen Gesichtern« nach, zu denen<br />

zweifellos auch das seine gehört. Auf<br />

hohem fotografischem Niveau, dem er<br />

sich verpflichtet fühlt, lichtet er seine<br />

Künstler ab, vorwiegend aus der Musikszene<br />

der Stadt, in intensivem Schwarzweiß.<br />

Natürlich haben seine »Motive«<br />

zur Vernissage temperamentvoll aufgespielt.<br />

Im Kiez an der »Nolle«, dem Nollendorfplatz,<br />

hat er bis 7. Januar ein tolerantes<br />

und neugieriges Publikum.<br />

Das Institut Francais am Ku-Damm trägt<br />

dem Blick des Anderen Rechnung mit<br />

dem Pariser Stéphane Couturier, der<br />

sich in seiner Heimatstadt und in Berlin<br />

der »Archéologie Urbaine« gewidmet<br />

hat. Er sieht die Stadt als lebenden<br />

Organismus, fern von Poetik und Nostalgie.<br />

Leider erliegt er der Faszination<br />

von Großbaustellen mit ihren geometrischen<br />

Strukturen und dem technischen<br />

Chaos so sehr, dass die Lebendigkeit zu<br />

kurz kommt.<br />

Sein Landsmann Georges Rousse bei<br />

Springer in der nahen Fasanenstraße<br />

Nr.13 geht einen verrückten Sonderweg.<br />

Statt seine großen Architekturtableaus<br />

am Computer zu bearbeiten, realisiert<br />

38 <strong>brennpunkt</strong> 1/<strong>2013</strong><br />

© Georges Rousse<br />

er seine Bildideen am Objekt, vor der<br />

Aufnahme, auf sehr hintergründige, aber<br />

im Grunde ehrliche Weise. Ihm gelingt<br />

eine irritierende Verschiebung der Perspektive,<br />

eine drastische Veränderung<br />

des Motivs, auf die man nicht gefasst<br />

ist. Da er das auch mit dem Galerieraum<br />

macht, in dem sich der Betrachter<br />

gerade befindet, ist die Wirkung frappant.<br />

Ich empfehle einen Selbstversuch.<br />

Der charmante Galerist Alessandro<br />

Rotondo wird Sie gestenreich in das<br />

Geheimnis einweihen. (Bis 12. Januar<br />

<strong>2013</strong>, Di-Fr 11-18, Sa 12-15 Uhr).<br />

Nach solcher Fantastik fallen die konventionellen<br />

Fotografen ein wenig ab,<br />

obwohl sie saubere Arbeit leisten. So<br />

Stephen Mooney in der aff-Galerie in<br />

Friedrichshain. Der Fotograf, Dichter<br />

und Filmemacher hat den »Jahrhundertwinter«<br />

2009/2010 in Berlin mit<br />

der 9x12-Kamera erwandert und schön<br />

frostig abgelichtet, im spärlichen Licht<br />

der Gaslaternen. Ganz hat er es nicht<br />

gepackt, sein Schnee ist selten weiß<br />

und die Gebäude stürzen etwas zu sehr.<br />

Die Stimmung der Winternächte aber<br />

kommt wunderbar rüber. Man denkt<br />

unwillkürlich an Andersens Mädchen<br />

mit den Schwefelhölzchen. Zuvor war<br />

Thomas Graichen hier vertreten, ebenso<br />

winterlich, viel weniger aufwendig in<br />

der Technik und gerade deshalb sehr<br />

sinnlich. Er hat seinem grauen Winter<br />

in »Die stille Stadt« Prosa von Ann-<br />

Christin Kumm zur Seite gestellt und in<br />

einem kleinen Heft vereinigt. Die aff =<br />

»Arbeitsgemeinschaft freier Fotografen«<br />

finanziert ihre Galerie über die Beiträge<br />

ihrer Mitglieder und sucht noch interessierte<br />

Kollegen, die sich beteiligen<br />

und hier ein Forum für ihre Bilder finden<br />

wollen (www.aff-berlin.com).<br />

Mehr Wärme bietet uns diesmal Potsdam<br />

mit der »Reise nach Jerusalem«<br />

von Frank Müller in der Galerie des<br />

Fotoclubs. Er hat mit seinen anrührenden<br />

Menschenbildern ein intensives<br />

Porträt dieses Schmelztiegels der Religionen<br />

geschaffen, voller Zuneigung<br />

und Humor. Jedes Bild erzählt uns eine<br />

Geschichte, auch von dem fundamentalistischen<br />

Hintergrund, der die Idylle<br />

bedroht. Müller weiß um die Wirkung<br />

eines perfekten Fotos und hilft mit behutsamer<br />

Regie oft ein wenig nach.<br />

Über fotografische Regeln braucht man<br />

sich mit Altmeister Walter Wawra nun<br />

wirklich nicht zu streiten. Er hat sie<br />

alle drauf als gestandener Fachmann<br />

und langjähriger Leiter des Fotoclubs<br />

Potsdam. Was es dann bringt, ist das<br />

gewisse bisschen drüber raus, der Pfiff.<br />

Als Glied der Photographen Lounge<br />

Potsdam beweist er das alljährlich. Zu<br />

seinem Siebzigsten zeigt er nun in der<br />

Kunstgalerie »Im güldenen Arm« seine<br />

sehr malerischen, herrlich ausgearbeiteten<br />

fotografischen Gedichte von<br />

der Schönheit im Verfall. Die Bildtitel<br />

helfen dem Betrachter bei der Interpretation.<br />

Sie könnten ihn auch blockieren.<br />

Man erkennt ein Kopftuch in<br />

der abgeblätterten Farbe. Titel: Anbetung.<br />

Ich sehe: Migration. Auch so ein<br />

anderer Blick. Das Motto des »Monats«<br />

bringt uns jedenfalls ständig zum Nachdenken.<br />

Hier weht uns auch ein Hauch<br />

von Europa an, selten in diesem europäischen<br />

Monat, denn die Fotos werden<br />

den Skulpturen der Bildhauerin Hisu<br />

Choi zur Seite gestellt, die in Potsdams<br />

Partnerstadt Perugia/Italien arbeitet.<br />

Daselbst hat auch Walter Wawra schon<br />

ausgestellt.<br />

Und wo bleiben die fleißigen Chronisten?<br />

Einer war bei Manfred Carpentier<br />

live zu erleben, 90 Jahre alt, mit seiner<br />

Frau Claudia: Jürgen Schadeberg.<br />

Nicht mit seinem Lebenswerk, das ist<br />

noch bis 16. März mit den »The concerned<br />

Photograph« bei argus in Zitaten<br />

zu bewundern und war zuvor<br />

Thema einer großen Retrospektive im<br />

Willy-Brandt-Haus, sondern mit »Zu<br />

Besuch in Deutschland 1942 bis 2012«,


© Jürgen Schadeberg<br />

gleichzeitig als Buch erschienen. Das<br />

ist auch eine kleine Liebeserklärung an<br />

seine Geburtsstadt Berlin, in die er nach<br />

langen Jahren in Südafrika nun zurückgekehrt<br />

ist. Aus den Bildern spricht seine<br />

alte Liebe, aber der zeitliche und geografische<br />

Abstand befördert einen kritischen,<br />

fast bissigen Blick, der sich durch<br />

die 70 Jahre durchaus wohltuend verstärkt<br />

und 2012 an der ungewohnten<br />

Farbe scheitert. Bei der Vernissage<br />

wollte Schadeberg von mir wissen, wie<br />

ich zur heutigen Fotografie stünde, zu<br />

dem, was »in« sei. Ich sagte es ihm. Er<br />

stimmte mir zu. Aber ganz wohl war uns<br />

beiden nicht. Ein Trend, akzeptiert oder<br />

nicht, ist immer ein Ausdruck der Zeit.<br />

Noch bis zum 27. Januar zeigt Carpentier<br />

»Tempelhof, Metamorphose I« von<br />

Anna Thiele. Die Meisterschülerin von<br />

Arno Fischer ist fasziniert von der Freifläche<br />

des ehemaligen Flugfelds und der<br />

»Eroberung« des entstandenen Vakuums<br />

durch die Berliner. Ihr viel beachtetes<br />

Debut hatte sie im Salon für Fotografie<br />

von Volker Wartmann mit ihrer Serie<br />

über das Regierungsviertel, die wir im<br />

letzen Heft als Portfolio ausführlich vorgestellt<br />

haben. Die Ausstellung in der<br />

Meinekestr. 13 ist jeden Sonnabend von<br />

14 – 16 Uhr und nach Vereinbarung zu<br />

besuchen (info@carpentier-galerie.de).<br />

Der engagierte Galerist ist berufstätig<br />

und steht nur abends und am Wochenende<br />

zur Verfügung.<br />

Einen schwarzweißen Bonbon hat uns<br />

zum Monat der Fotografie The Browse<br />

Gallery in der stilvollen Kreuzberger<br />

Marheineke-Markthalle beschert. Einen<br />

nostalgischen Rückblick in das Kreuzberg<br />

der siebziger und achtziger Jahre,<br />

© Anna Thiele 2012<br />

als das der »trendigste« Westberliner<br />

Bezirk und ein Magnet für junge Leute<br />

war, mit seinen alternativen Lebensweisen<br />

und wütenden Attacken auf konservative<br />

Werte. Der Berlinstory-Verlag hat<br />

ein schönes Buch dazu gemacht: »Stillstand<br />

und Bewegung – Menschen in<br />

Kreuzberg«.<br />

Siebrand Rehberg war in den Siebzigern<br />

vor allem in SO 36 unterwegs und<br />

hat den Kiez in bewegten Szenen eingefangen.<br />

Er kam 69 als Kunststudent,<br />

wurde inspiriert von Michael Schmidts<br />

»Werkstatt« und ausgebildet bei Lette.<br />

Er arbeitet bis heute in Berlin. Horst<br />

Luedeking, Absolvent der Folkwangschule<br />

Essen, hat seine »Bewohner der<br />

Sorauer Straße 13« von 1972 beigesteuert.<br />

Das sind anrührende Milieustudien<br />

aus einem zum Abriss freigegebenen<br />

Mietshaus, eine bunte Gemeinschaft<br />

von Rentnern, Hippies und Migranten.<br />

Bei Michael Schmidt hat auch Peter<br />

Gormanns studiert und er hat auch mal<br />

Hanna Schygulla und Fassbinder vor der<br />

Linse gehabt, am Leuschnerdamm. Ann-<br />

Christine Jansson war sehr nah dran bei<br />

den wüsten Demos der Autonomen am<br />

1. Mai 87, zum glorreichen Stadtjubiläum<br />

750 Jahre Berlin.<br />

Die gebürtige Schwedin ist heute eine<br />

geachtete Journalistin, Dozentin und<br />

Kuratorin in Berlin. Auch Toni Nemes<br />

dokumentierte die Krawalle 87, und<br />

zwei Jahre später das plötzliche Ende<br />

der Teilung Berlins.<br />

Michael Hughes verschlug es 1982 aus<br />

London in eine WG in der Oranienstraße.<br />

Er war sofort fasziniert von der<br />

Solidarität und Toleranz der Mitbewohner<br />

und fand fotografisch einen spontanen<br />

Zugang zur Szene.<br />

Wolfgang Krolow, geb. 1950 bei Kaiserslautern,<br />

ist so was wie der Star der<br />

sieben Fotografen. Seine »2 Mädchen in<br />

© Michael Hughes<br />

© Ann-Christine Jansson<br />

Galeriebericht<br />

Berlin 36« von 1980, ein türkisches und<br />

ein deutsches, die mitten auf der Straße<br />

versonnen miteinander tanzen, sind<br />

einfach zauberhaft. Weltklasse. Auch<br />

andere Kreuzbergikonen von Krolow<br />

sind um die Welt gegangen. Seine »Seiltänze«<br />

von 1982 haben einen Ehrenplatz<br />

in meinem Bücherbord.<br />

Der Blick des Anderen ist sicher nicht<br />

nur eine Frage der Herkunft. Aber auffallend<br />

ist es schon, dass keine/r dieser<br />

sieben »Kreuzberger« in Berlin geboren<br />

ist. Wie viel Abstand braucht der<br />

Mensch? Stimmt die These von der<br />

Betriebsblindheit aus der Wirtschaft<br />

auch in der Fotografie? Ist der Insider<br />

zwar authentisch, aber blind? Wir Berliner<br />

können das leicht nachprüfen:<br />

Wie viel wirklich relevante Berlinbilder<br />

haben wir in unserem Archiv?<br />

Vielleicht sollten wir lieber nicht nachgucken.<br />

Prost Neujahr!<br />

Klaus Rabien<br />

<strong>brennpunkt</strong> 1/<strong>2013</strong><br />

39


Fotoszene<br />

»Die Lust auf das Bild<br />

wird durch den Blick<br />

auf die Technik zerstört.«<br />

oder<br />

Holga, die wieder<br />

gefundene Kreativität.<br />

Jörg Stadler<br />

Die Holga Kamera wurde im Jahre 1982<br />

vom Ingenieur und Hersteller Lee Ting-<br />

Mo in Hong Kong erfunden.<br />

Da der Absatz seiner Holgon Blitzgeräte<br />

rückläufig war baute Lee diese in<br />

seine Kameras ein.<br />

Die Holgon bekam einen neuen Namen.<br />

Lee ersetzte ein »A« am Ende weil<br />

andere Kamerahersteller in dieser Zeit<br />

auch ein »A« im Kamerabezeichnung<br />

haben. So soll der Name Holga entstanden<br />

sein.<br />

Anfangs als Spielzeug gedacht fanden<br />

die Kameras viele Jahre keine Beachtung.<br />

Durch die Lomographischen Gesellschaft<br />

und u.a. deren zehn Regeln hat<br />

die hipster Generation inzwischen die<br />

Holga als Kultobjekt entdeckt und in der<br />

letzten Zeit für den steigenden Absatz<br />

von Filmen gesorgt.<br />

Darüber hinaus gibt es auch kommerzielle<br />

Holga Anwender wie Michelle<br />

Bates: Plastic Cameras, Toying with Creativity,<br />

im Focal Press Verlag, Michael<br />

Kenna oder US-Fotoreporter David Burnett,<br />

Max Raabe u.v.m..<br />

Als ich mir vor 3 Jahren eine Holga 120<br />

F Kamera besorgte, wusste ich nicht so<br />

recht was ich damit anfangen sollte.<br />

Der Magnum Fotograf David Hurn sagte<br />

einmal:<br />

»Das Wesen der Dinge erkennt man erst<br />

durch Erfahrung«.<br />

Ich besaß schon Kamerasysteme führender<br />

Kamerahersteller.<br />

Fehler zu lieben, den Fokus auf das<br />

wesentliche richten zu können gibt der<br />

Fotografie eine gewisse Leichtigkeit und<br />

Poesie zurück.<br />

40 <strong>brennpunkt</strong> 1/<strong>2013</strong><br />

© JoeStar © JoeStar<br />

© JoeStar<br />

Die Möglichkeiten und Prinzipien, die<br />

Materie zu verstehen, einfach zu Fotografieren<br />

und anders zu Kommunizieren.<br />

Die Betrachter von Diana / Holga<br />

Fotografien suchen nach Worten und<br />

Erklärungen.<br />

Ist man mit der Holga unterwegs wird<br />

man nicht wahrgenommen, das verschafft<br />

Freiraum.<br />

Leicht auf Reisen mit zu nehmen, ausgerüstet<br />

mit einem kleinen Stativ, Drahtauslöser,<br />

Graufilter und Belichtungsmesser.<br />

Die Wahrscheinlichkeit, dass<br />

sie geklaut wird ist dabei sehr gering.<br />

Das integrieren von lowtech mit hightech<br />

eröffnet großartige, experimentelle<br />

Möglichkeiten.<br />

Der gemeine digitale Fotograf würde<br />

jetzt die Holga Funktion seiner Kamera<br />

aufrufen wollen.<br />

In welchen Bedienungsmenü ist diese<br />

nur wieder zu finden ?<br />

Sehgewohnheiten haben sich im digitalen<br />

Vollrauschzeitalter inzwischen<br />

völlig verändert.<br />

© JoeStar<br />

© JoeStar<br />

Die im Standardlook, massenhaft produzierte,<br />

kontrastreich, schreienden auf<br />

Aludibond montierten Fotos verkommenden<br />

Bildästhetik lässt wieder Platz<br />

und Raum für die Abkehr der jetzigen<br />

Bildsprache.<br />

Holga art-photos und Informationen<br />

zum Diana / Holga Workshop von und<br />

mit Jörg Stadler/Berlin.<br />

www.JoeStar.de


FRÖAUF<br />

Der kunstraum FRÖAUF ist ein neuer<br />

Ausstellungsraum für Fotografie und<br />

Skulptur in Berlin Friedenau. Die ehemalige<br />

Fleischerei bietet einen kleineren,<br />

wohl proportionierten Ausstellungsraum<br />

mit Schaufenster und Nebenräumen.<br />

Im Laufe des kommenden Jahres<br />

werden Ausstellungen und Veranstaltungen<br />

hier realisiert. Die Künstlerin<br />

und Fotografin Susanne Wehr ist Initiatorin<br />

des Projektes.<br />

Die konzeptionelle Ausrichtung des<br />

Kunstraumes auf zeitgenössische Fotografie<br />

und Skulptur lässt auch künstlerische<br />

Positionen zu, die sich grenzüberschreitend<br />

zu anderen Medien, wie<br />

Film und Collage, mit fotografischen Bildern<br />

befassen. Ebenso sollen künstlerische<br />

Arbeiten, die Fotografie als in Inspiration<br />

und Vorlage nutzen, in das Programm<br />

einbezogen werden.<br />

Derzeit ist die Ausstellung »fuffzehn« im<br />

kunstraum FRÖAUF zu sehen. Präsentiert<br />

werden 15 Künstler aus den Bereichen,<br />

Fotografie, Skulptur, Collage und<br />

Malerei.<br />

Die Ausstellung endet mit einer Finissage<br />

am Samstag den 15. Januar <strong>2013</strong>.<br />

Auch am Sonntag, 16. Januar <strong>2013</strong> von<br />

16 bis 19 Uhr geöffnet.<br />

Informationen zu den Ausstellungen<br />

und Veranstaltungen auf der Website<br />

www.fröauf.de<br />

Ausstellungen<br />

siehe Seite 26 (Andreas Fischer)<br />

und Seite 27 (André Baschlakow)<br />

kunstraum FRÖAUF<br />

Fröaufstraße 7<br />

12161 Berlin-Friedenau<br />

Do – Sa 16 – 19 Uhr<br />

und nach Vereinbarung<br />

www.fröauf.de<br />

© Jörg Schmiedekind<br />

© Jörg Schmiedekind<br />

© epha © epha<br />

Fotoszene<br />

<strong>brennpunkt</strong> 1/<strong>2013</strong><br />

41


Fotoszene<br />

Ursula Kelm<br />

»Sofortbilder«<br />

Polaroids sind einzigartig, einmalig.<br />

Das Besondere an Polaroids ist, dass sie<br />

immer Unikate sind.<br />

Als Einzelbilder entstanden, existieren<br />

sie nebeneinander. Aneinandergereiht<br />

ergeben sich neue Abfolgen, die<br />

Raum schaffen für assoziativ aufgeladene,<br />

eigene Erinnerungen.<br />

Abhängig vom Material, das man für<br />

das Sofortbild wählt, verändert sich die<br />

malerische Anmutung des Bildes:<br />

Die spezielle Farbgebung, der weiße<br />

Bildrahmen der Integralfilme, Sofort-<br />

Diafilm s/w oder Farbe sowie die klassischen<br />

Trennbildfilme mit der Möglichkeit<br />

zu Emulsion Lift und Image Transfer<br />

erlauben den kreativen Einsatz der<br />

Materialien auf speziellen Papieren und<br />

Untergründen.<br />

Ursula Kelm, 1942 in Berlin geboren,<br />

Studium der Fotografie an der Werkstatt<br />

für Photographie in Berlin. Seit<br />

1985 Lehraufträge, Vorlesungen, Studienreisen,<br />

Workshops in Berlin und im<br />

internationalen Ausland. Ausstellungen<br />

europaweit einschließlich UdSSR sowie<br />

USA und Australien.<br />

Diverse Stipendien, u.a. Arbeitsstipendium<br />

der Stadt und des Landes Berlin,<br />

Senat für Kultur; drei Stipendien Progetto<br />

Civitella d‘Agliano/I; Kunstpreis<br />

des Bundesministers der Justiz; Auenthaltsstipendium<br />

der Akademie der<br />

Künste Berlin für Villa Serpentara, Olevano/I;<br />

Aufenthaltsstipendium Noosa<br />

Projekt, Noosa/Qld., Australien.<br />

© Ursula Kelm<br />

42 <strong>brennpunkt</strong> 1/<strong>2013</strong><br />

© Ursula Kelm © Ursula Kelm<br />

Vertreten in Öffentlichen Sammlungen,<br />

u.a. Berlinische Galerie; Deutsches Historisches<br />

Museum; Bibliotheque Nationale,<br />

Paris; Museum für Photographie,<br />

Braunschweig; Museum of Contemporary<br />

Art, Thessaloniki; Staatliche Moritzburg,<br />

Halle; AMO Associazione Amici<br />

Museo Olevano Romano.<br />

www.ursula-kelm.de<br />

Ursula Kelm<br />

Polaroid Photography<br />

Vernissage:<br />

March 26th, <strong>2013</strong> - 6.30 p.m.<br />

Ursula Kelm will be present.<br />

Exhibition:<br />

March 27th - April 25th, <strong>2013</strong><br />

A catalogue is available<br />

Deutsches Haus,<br />

42 Washington Mews, NY 1003<br />

© Ursula Kelm


Das VERBORGENE<br />

MUSEUM<br />

bis 27. Januar <strong>2013</strong><br />

Anita Neugebauer<br />

»Galeristin und Sammlerin«<br />

Schlüterstraße 70<br />

10625 Berlin-Charlottenburg<br />

Do + Fr 15 – 19 Uhr<br />

Sa + So 12 – 16 Uhr<br />

carpentier galerie<br />

bis 27. Januar <strong>2013</strong><br />

Anna Thiele<br />

»Tempelhof. Metamorphose I«<br />

Meinekestraße 13<br />

10719 Berlin-Wilmersdorf<br />

Sa 14 – 16 Uhr<br />

imago fotokunst<br />

bis 26. Januar <strong>2013</strong><br />

Louisa Marie Summer<br />

»Jenniver´s Family«<br />

Linienstraße 145<br />

10115 Berlin-Mitte<br />

Di – Fr 12 – 19 Uhr<br />

Sa 14 – 18 Uhr<br />

Photo Edition Berlin<br />

bis 24. Januar <strong>2013</strong><br />

Hans-Jürgen Raabe<br />

»990 faces«<br />

Ystaderstraße 14a<br />

10437 Berlin-Prenzlauer Berg<br />

Mi 14 – 18 Uhr<br />

Sa 12 – 16 Uhr<br />

photoplatz<br />

bis 29. Januar <strong>2013</strong><br />

Oscar Lebeck<br />

»The Future ist unwritten«<br />

Schlüterstraße 45<br />

10707 Berlin-Charlottenburg<br />

Café Aroma<br />

Photogalerie<br />

bis 24. Februar <strong>2013</strong><br />

Kerstin Parlow<br />

»Um mich herum«<br />

9. März bis 2. Juni <strong>2013</strong><br />

Franco Sortini<br />

»Berlino - Paesaggio Urbano«<br />

Hochkirchstraße 8<br />

10829 Berlin-Schöneberg<br />

Mo – Fr 18 – 24 Uhr<br />

Fotogalerie<br />

bis 1. Februar <strong>2013</strong><br />

»frei im AUFTRAG«<br />

Die DDR-Fotojournalisten Eberhard<br />

Klöppel und Peter Leske<br />

Helsingforser Platz 1<br />

10243 Berlin-Friedrichshain<br />

Di – Sa 13 – 18 Uhr<br />

Do 10 – 18 Uhr<br />

Stadtmuseum Berlin<br />

bis 17. Februar <strong>2013</strong><br />

Kalter Krieg und Wirtschaftswunder<br />

West-Berlin in Farbfotografien von<br />

Herbert Maschke<br />

Ephraim-Palais<br />

Poststraße 16<br />

10178 Berlin-Mitte<br />

Di, Do – So 10 – 18 Uhr<br />

Mi 12 – 20 Uhr<br />

Berlinische Galerie<br />

bis 28. Januar <strong>2013</strong><br />

Geschlossene Gesellschaft<br />

»Künstlerische Fotografie in der DDR<br />

1949-1989«<br />

Alte Jakobstraße 124-128<br />

10969 Berlin-Kreuzberg<br />

Mi – Mo 10 – 18 Uhr<br />

Ausstellungen<br />

Galerie Hunchentoot<br />

bis 19. Januar <strong>2013</strong><br />

Gregor Stephan<br />

»Columns, Cubes and Squares«<br />

Choriner Straße 8<br />

10119 Berlin-Mitte<br />

Mi – Fr 16 – 19 Uhr<br />

Sa 10 – 18 Uhr<br />

Treffpunkt Freizeit<br />

6. Januar bis 4. Februar <strong>2013</strong><br />

DVF Landesfotoschau 2012<br />

Berlin/Brandenburg/Mecklenburg-Vorpommern<br />

(Vernissage: 6. Januar <strong>2013</strong>, 15 Uhr)<br />

Am neuen Garten 64<br />

14469 Potsdam<br />

Mo – Fr 08 – 21.30 Uhr<br />

und nach Vereinbarung<br />

Galerie Deschler<br />

bis 26. Januar <strong>2013</strong><br />

Rainer Fetting<br />

Auguststraße 61<br />

10117 Berlin-Mitte<br />

Di – Sa 12 – 18 Uhr<br />

und nach Vereinbarung<br />

Deutsches<br />

Historisches Museum<br />

31. Januar bis 10. November <strong>2013</strong><br />

Zerstörte Vielfalt<br />

Berlin 1933-1938<br />

Unter den Linden 2<br />

Hinter dem Zeughaus<br />

10117 Berlin-Mitte<br />

Täglich 10 – 18 Uhr<br />

<strong>brennpunkt</strong> 1/<strong>2013</strong><br />

43


Fotoszene<br />

Ursula Kelm<br />

Im November 2012 feierte sie ihren<br />

70.Geburtstag.<br />

Ein Anlass, wenn auch etwas verspätet,<br />

Gesundheit, Glück, Lebensfreude und<br />

Zufriedenheit und eine nie endende<br />

Kreativität für die nächsten Jahrzehnte<br />

ihr zu wünschen.<br />

Und auch ein Anlass, einen Blick auf<br />

ihre bisherige photographische Lebensleistung<br />

zu werfen, denn da kommen<br />

in Zukunft sicher noch viele spannende<br />

und vor allem »gute« - nicht »schöne« -<br />

Bilder in die Welt.<br />

Bei Ulla, wie wir, die wir durch ihre<br />

künstlerischen Kurse gegangen sind, sie<br />

gerne nennen, steht sehr oft der Mensch<br />

im Mittelpunkt ihrer Arbeit.<br />

In ihren Porträts geht es nicht um die<br />

Hülle, die Funktion, den Rang. Das entscheidende<br />

Merkmal, das aus ihren Porträts<br />

herüber kommt, ist das hinter der<br />

Hülle verborgene und in langen photographischen<br />

Sitzungen endlich durchscheinende<br />

Ich, das dann gekonnt eingefangen<br />

und verewigt wurde. Menschliche<br />

Authentizität und photographische<br />

Meisterleistung.<br />

Aber auch bei anderen Themen geht es<br />

Ulla immer um Authentizität, nämlich<br />

die der abgebildeten Situation, wie beispielsweise<br />

die Handy-Aufnahmen der<br />

im Sonnenlicht leuchtenden Baracken<br />

in Ravensbrück, die erst durch die Nennung<br />

der Örtlichkeit ihren Charme verlieren<br />

und den Betrachter das Grauen<br />

lehren.<br />

Aber auch ein Mohnkolben, der wie<br />

eine kronetragende Marionette abgelichtet<br />

wurde oder der unterwürfige<br />

Blick eines Strassenhundes neben der<br />

festgehaltenen »Hoch-Ausstrahlung«<br />

eines gelangweilten Löwen vermitteln<br />

diese Authentizität, genau wie ihre photographischen<br />

Kompositionen um die<br />

Endlichkeit alles Materiellen.<br />

Ullas Bilder regen nicht nur zum Betrachten,<br />

sondern zum zweiten Schauen und<br />

dann auch fast immer zum Nachdenken<br />

und damit auch zum Verweilen an.<br />

44 <strong>brennpunkt</strong> 1/<strong>2013</strong><br />

© Ursula Kelm, »Selbstporträt«<br />

© Ursula Kelm, »Lotti Huber«<br />

© Ursula Kelm, »Jutta Lampe«<br />

Ich hoffe, noch sehr viele photographische<br />

Kunstwerke von Ursula Kelm<br />

genießen und aus jedem ein wenig<br />

lernen und in meine eigenen photographischen<br />

Arbeiten einfliessen lassen zu<br />

können.<br />

Justine Wodtke<br />

im November 2012<br />

© Ursula Kelm, »Buchprojekt«<br />

© Ursula Kelm, »Rosa von Praunheim«<br />

© Ursula Kelm, 1986<br />

www.ursula-kelm.de


GEISTERSTADT<br />

Sperrzone Zossen/<br />

Wünsdorf<br />

Sabine von Breunig<br />

Die Fenster zugenagelt, die Dächer notdürftig<br />

geflickt, ein Hauch von Fäulnis<br />

und Moder liegt in der Luft. Umgeben<br />

von Mauern und Stacheldraht verfallen<br />

wilhelminische Prachtbauten,<br />

nationalsozialistische Bunkeranlagen<br />

und Kasernen, russische Kantinen,<br />

Werkstätten und Wachposten – Insgesamt<br />

fast 1000 Gebäude, ein gigantisches<br />

Gelände von 980 Hektar. Ein<br />

Wachdienst fährt seine Runden um Vandalismus<br />

zu verhindern: In der ehemaligen<br />

Sperrzone Zossen/Wünsdorf geht<br />

ein Kapitel europäischer Militärgeschichte<br />

seinem Untergang entgegen.<br />

Hier setzte Wilhelm II. seine hochfliegenden<br />

militärischen Pläne in die Tat<br />

um. Hier fanden nach dem ersten Weltkrieg<br />

Kapp-Putschisten Unterschlupf.<br />

Hier wurden die SS Männer der späteren<br />

Leibstandarte Adolf Hitler gedrillt.<br />

Hier befand sich während der Naziherrschaft<br />

das Oberkommando des Heeres<br />

und der Wehrmacht gefolgt vom Oberkommando<br />

der Sowjetischen Streitkräfte<br />

in Deutschland. In der Sperrzone<br />

lebten seit Beginn der 1950er Jahre bis<br />

zu 60.000 sowjetische Männer, Frauen<br />

und Kinder. Seit dem Abzug der russischen<br />

Truppen 1994 verfallen viele<br />

Gebäude ungenutzt.<br />

Sabine v. Breunig hat die verlassenen<br />

Räume des Militärgeländes fotografiert.<br />

In ihrer Arbeit geht es, so Matthias<br />

Flügge in seinem Essay, um die<br />

Geschichte hinter den Bildern, um die<br />

Diskrepanzzwischen der morbiden<br />

Schönheit der Fotografien und der Realität<br />

des Ortes.<br />

Sabine v. Breunig ist seit 2001 als freie<br />

Fotografin mit Schwerpunkt Architekturfotografie<br />

tätig. Ihre Arbeiten wurden in<br />

Zeitschriften und Magazinen veröffentlicht.<br />

Seit 2006 arbeitet Sabine v. Breunig<br />

an freien künstlerischen Projekten.<br />

Von 2009 – 2011 war sie Meisterschülerin<br />

von Professor Arno Fischer.<br />

© Sabine von Breunig<br />

© Sabine von Breunig, (Original in Farbe)<br />

GEISTERSTADT<br />

Sperrzone Zossen/Wünsdorf<br />

300 Fotografien<br />

von Sabine von Breunig<br />

Mit einem Text von Matthias Flügge<br />

Hardcover, Format: 26,5 x 21,5 cm<br />

216 Seiten, 165 Farbfotografien<br />

Euro (D) 36,00 / Euro (A) 37,10 /<br />

CHF 47,90<br />

ISBN 978-3-86228-043-8<br />

Edition Braus, Berlin 2012<br />

Buchbesprechung<br />

© Sabine von Breunig, (Original in Farbe)<br />

© Sabine von Breunig, (Original in Farbe)<br />

© Sabine von Breunig, (Original in Farbe)<br />

© Sabine von Breunig, (Original in Farbe)<br />

<strong>brennpunkt</strong> 1/<strong>2013</strong><br />

45


Buchbesprechung<br />

Bottrop-Ebel 76<br />

von Michael Wolf<br />

Michael Wolf ist mit seinen Arbeiten<br />

über das »Leben in Megacities« weltweit<br />

bekannt geworden und einige der<br />

prägnantesten Serien sind bei »Peperoni<br />

Books« als Buch erschienen: »Tokyo<br />

Compression«, »Hong Kong Inside Outside«,<br />

»A Series of Unfortunate Events«,<br />

um nur einige zu nennen.<br />

Und jetzt »Bottrop-Ebel 76«, was eine<br />

ganz andere Geschichte ist. Als Student<br />

hat Michael Wolf die Serie 1976 in der<br />

kleinen Bergarbeitersiedlung im Ruhrgebiet<br />

fotografiert und zum Examen bei<br />

Otto Steinert an der Folkwangschule in<br />

Essen eingereicht, damals als klassische<br />

Sozialdokumentation streng sortiert<br />

nach Kategorien wie »Bausubstanz«,<br />

»Jugendliche«, »Arbeitende Bevölkerung«,<br />

oder »Feste und Vereine«. Mit<br />

dem Abstand von mehr als 35 Jahren<br />

wurde die Arbeit jetzt neu gesichtet und<br />

für das Buch viel freier zusammengestellt<br />

als die systematisch angelegte Examensarbeit.<br />

Michael Wolfs neugieriger, mitfühlender<br />

Blick zielt auf das Milieu und trifft mitten<br />

ins Herz. Wenn ein kleines Mädchen mit<br />

Schultüte vom Vater ausgeschimpft wird,<br />

weil es nicht wunschgemäß Aufstellung<br />

für den Fotografen nimmt, wenn Jugendliche<br />

mit ihren Mopeds an den Stadtrand<br />

fahren, um Bier zu trinken und die<br />

Annäherung an das andere Geschlecht<br />

auszuprobieren, wenn vor der Fahrt ins<br />

Blaue auf der Straße im Ausgehzwirn<br />

ein Schnaps gekippt wird oder ein altes<br />

Paar in Alltagskleidung und Pantoffeln<br />

im Vereinslokal einen melancholischen<br />

Walzer tanzt, stockt mir der Atem angesichts<br />

der körperlich spürbaren emotionalen<br />

Intensität.<br />

»Bottrop-Ebel 76« ist eine grandiose<br />

Studie über das Bergarbeitermilieu im<br />

Ruhrgebiet zu Zeiten des bereits einsetzenden<br />

Strukturwandels. Gleichzeitig<br />

und mehr noch ist es aber ein Epos<br />

über das Leben selbst, das beispielhaft<br />

nachfühlbar macht, was Menschen verschiedener<br />

Generationen alleine und in<br />

Gemeinschaft bewegt und umtreibt.<br />

46 <strong>brennpunkt</strong> 1/<strong>2013</strong><br />

© Michael Wolf<br />

© Michael Wolf<br />

Michael Wolf<br />

»Bottrop-Ebel 76«<br />

Mit einem Nachwort von<br />

Sigrid Schneider<br />

144 Seiten<br />

87 Tritone und<br />

15 farbige Abbildungen<br />

30 x 24 cm<br />

Hardcover / leinengebunden<br />

Deutsch, Englisch<br />

ISBN: 978-3-941825-40-6<br />

Euro 40<br />

© Michael Wolf<br />

© Michael Wolf<br />

© Michael Wolf


Rented Rooms<br />

von Torben Höke<br />

»Drei Monate lang reiste Torben Höke<br />

durch Indien. Er saß in Bussen und in<br />

Zügen, bis zu 35 Stunden am Stück. Von<br />

Kolkata über Varanasi und Bangelore im<br />

Süden und wieder zurück nach Kolkata.<br />

Er sah Armut und Reichtum, Rolls Royce<br />

und Rikschas, prachtvolle Tempel, die<br />

Hippies in Goa, die überfüllten Zugabteile<br />

auf dem Weg in die Millionenstadt<br />

Mumbai und die steinigen Pisten,<br />

auf denen die Busse durch das staubige<br />

Hinterland schaukeln. Kurz – er<br />

hat viel gesehen von der widersprüchlichen<br />

Schönheit und der wuchernden<br />

Größe Indiens, doch nichts davon findet<br />

sich in seinen Bildern.<br />

Die Aufnahmen für dieses Buch sind<br />

dort entstanden, wo Reisende ihren<br />

Weg unterbrechen und in einer seltsamen<br />

Zwischenwelt verschwinden.<br />

Torben Höke führt uns in Low Budget<br />

Unterkünfte, zeigt Räume, die überall<br />

und nirgends sein könnten, portraitiert<br />

Menschen, die auf schlichten Bänken<br />

und harten Pritschen ausruhen und<br />

sich für eine Weile ein improvisiertes<br />

Zuhause schaffen. Am Ende, so scheint<br />

es, sind alle Reisenden unterwegs zu<br />

sich selbst«.<br />

Hendrik Lakeberg<br />

© Torben Höke, (Originalbild in Farbe)<br />

© Torben Höke, (Originalbild in Farbe) © Torben Höke, (Originalbild in Farbe)<br />

Buchbesprechung<br />

© Torben Höke, (Originalbild in Farbe)<br />

© Torben Höke, (Originalbild in Farbe) © Torben Höke, (Originalbild in Farbe)<br />

Torben Höke<br />

Rented Rooms<br />

Mit Texten von Peter Bialobrzeski<br />

und Hendrik Lakeberg<br />

64 Seiten<br />

53 Farbabbildungen<br />

16,5 x 21 cm<br />

Flexcover<br />

Deutsch, Englisch<br />

ISBN: 978-3-941825-38-3<br />

Euro 36<br />

<strong>brennpunkt</strong> 1/<strong>2013</strong><br />

47


Portfolio Jürgen Bürgin<br />

Jürgen Bürgin<br />

Jürgen Bürgin (geb. 1971 in Lörrach)<br />

studierte deutsche Literatur, Sprachwissenschaft<br />

und Wirtschaft in Freiburg. Er<br />

arbeitet in Berlin als PR-Manager in der<br />

Filmbranche und als freier Fotograf. Er<br />

ist spezialisiert auf urbane Fotografie<br />

und auf Straßenfotografie. Seine Bilder<br />

zeigen die unerzählten Geschichten der<br />

Menschen in den Städten der Welt. Sie<br />

erzählen von Melancholie und Einsamkeit,<br />

bergen Geheimnisse, lassen Dinge<br />

im Dunkeln - und sie involvieren den<br />

Betrachter, der die Geschichten, die<br />

seine Bilder anstoßen, fortspinnt. Jürgen<br />

Bürgin fotografierte unter anderem in<br />

Berlin, Barcelona, Paris, London, San<br />

Francisco, Chicago, New York und<br />

Tokio. Im Jahr 2011 wurde er für den<br />

Sony World Photography Award nominiert.<br />

Seit 2011 unterstützt er die Pressearbeit<br />

des neu gegründeten Kölner<br />

Fotografie- und Kunstbuchverlags Ghost<br />

Press.<br />

© Jürgen Bürgin, »Tokyo Taxi«<br />

48 <strong>brennpunkt</strong> 1/<strong>2013</strong><br />

© Jürgen Bürgin, »Heavy Rain«<br />

Jürgen Bürgin wurde Preisträger beim<br />

<strong>brennpunkt</strong> AWARD 2012, anlässlich<br />

des Browse Festivals in Berlin<br />

http://www.juergenbuergin.com/


© Jürgen Bürgin, »City Lights«<br />

Portfolio Jürgen Bürgin<br />

<strong>brennpunkt</strong> 1/<strong>2013</strong><br />

49


Portfolio Jürgen Bürgin<br />

© Jürgen Bürgin, »Manhattan Lights«<br />

50 <strong>brennpunkt</strong> 1/<strong>2013</strong>


© Jürgen Bürgin, »Manhattan Darkness«<br />

Portfolio Jürgen Bürgin<br />

<strong>brennpunkt</strong> 1/<strong>2013</strong><br />

51


Portfolio Jürgen Bürgin<br />

© Jürgen Bürgin, »Tokyo Rain«<br />

52 <strong>brennpunkt</strong> 1/<strong>2013</strong>


© Jürgen Bürgin, »Tokyo Night«<br />

Portfolio Jürgen Bürgin<br />

<strong>brennpunkt</strong> 1/<strong>2013</strong><br />

53


Portfolio Jürgen Bürgin<br />

© Jürgen Bürgin, »Vertigo«<br />

54 <strong>brennpunkt</strong> 1/<strong>2013</strong>


© Jürgen Bürgin, »Umbrella«<br />

Portfolio Jürgen Bürgin<br />

<strong>brennpunkt</strong> 1/<strong>2013</strong><br />

55


Portfolio Fabio Orsi<br />

Fabio Orsi<br />

Fabio Orsi wurde 1979 in Neapel geboren.<br />

Nach Abschluss des Toningenieurwesens<br />

2001 lebt und arbeitet er als<br />

Musiker und Fotograf in Berlin. Seine<br />

Stärken und Erfahrungen liegen in der<br />

experimentellen Forschung, die sich<br />

besonders der Untersuchung des Tones<br />

und seiner Verbreitung in der Umwelt<br />

widmet. Seine Arbeit fokusiert sich auf<br />

die Technik der Außenaufnahme unter<br />

Zuhilfenahme von Digitalrekordern und<br />

Mikrofonen. Seine Studien der Klangumgebung<br />

sind eng mit der Welt der Fotografie<br />

verbunden. Fabio erfasst Töne als<br />

wären sie Fotos und Bilder als seien sie<br />

Erinnerungen. Die Symbiose von Bild<br />

und Ton ist für ihn eine faszinierende<br />

Herausforderung und eine untrennbare<br />

Verbindung für seine Arbeit zum Thema<br />

Erinnerung, welche evokative Erinnerung<br />

und subjektive Wahrnehmung auf<br />

verschiedenen Gebieten zu erkunden<br />

sucht. Verbunden mit der Idee einer<br />

Tonlandkarte (Soundmap) oder Tonpostkarte<br />

(Soundpostcard) arbeitet er diesbezüglich<br />

in nationalen und internationalen<br />

Projekten, in Form von Unterricht<br />

oder Workshops, in Bari, Mailand,<br />

Bochum, Luxemburg und Madrid. Als<br />

Musiker hingegen bündelt er seine<br />

eigene intime Vorstellung der Welt und<br />

transportiert sie in eine traumähnliche<br />

Dimension, erschaffen aus tiefen Tönen<br />

und sich wiederholenden Schleifen. Die<br />

hierbei verwendeten Außenaufnahmen<br />

und die mehrschichtigen Gitarren- und<br />

Keyboardmuster fangen den Zuhörer in<br />

einem Mikrokosmos akkustischer Erfahrungen.<br />

Fabio Orsi ist Musiker. Ohne<br />

die Fotografie jedoch, mit der er schon<br />

zu experimentieren anfing ohne selbst<br />

eine Kamera in der Hand gehalten zu<br />

haben, würde seine Musik nicht in<br />

dieser Form existieren. In der gleichen<br />

Art wie er Töne erfasst, sie katalogisiert,<br />

sie pflegt und befreit in gleicher Weise<br />

handhabt er auch die Fotografie. In<br />

seinen Bildern bildet Orsi einen Traum<br />

in einem Traum, einen Klang innerhalb<br />

eines anderen Klangs, eine Geschichte<br />

in einer Geschichte, mit einer unmittelbaren<br />

Wahrnehmung, weit entfernt von<br />

reiner Ästhetik.<br />

56 <strong>brennpunkt</strong> 1/<strong>2013</strong><br />

© Fabio Orsi<br />

© Fabio Orsi<br />

http://www.behance.net/orsifabio<br />

(Photography)<br />

http://fabioorsi.bandcamp.com<br />

(Musik)


© Fabio Orsi<br />

Portfolio Fabio Orsi<br />

<strong>brennpunkt</strong> 1/<strong>2013</strong><br />

57


Portfolio Fabio Orsi<br />

© Fabio Orsi<br />

58 <strong>brennpunkt</strong> 1/<strong>2013</strong>


© Fabio Orsi<br />

Portfolio Fabio Orsi<br />

<strong>brennpunkt</strong> 1/<strong>2013</strong><br />

59


Portfolio Fabio Orsi<br />

© Fabio Orsi<br />

60 <strong>brennpunkt</strong> 1/<strong>2013</strong>


© Fabio Orsi<br />

Portfolio Fabio Orsi<br />

<strong>brennpunkt</strong> 1/<strong>2013</strong><br />

61


Portfolio Fabio Orsi<br />

© Fabio Orsi<br />

62 <strong>brennpunkt</strong> 1/<strong>2013</strong>


© Fabio Orsi<br />

Portfolio Fabio Orsi<br />

<strong>brennpunkt</strong> 1/<strong>2013</strong><br />

63


Fotoszene<br />

Photokina 2012 - eine<br />

persönliche Nachlese.<br />

Im September hatte ich wieder einmal<br />

die Gelegenheit für die Firmen Rauch<br />

und Hahnemühle ein Wochenende auf<br />

der Photokina in Köln zu verbringen.<br />

Im Gegensatz - oder mindestens viel<br />

stärker als bei den vergangenen Messen<br />

- stand das gedruckte Bild im Vordergrund.<br />

Insbesondere die Halle 2.2 befand sich<br />

unter dem Motto »See me, feel me, print<br />

me«!<br />

Sämtliche großen Hersteller und Händler<br />

von Druckerpapieren demonstrierten<br />

mit großformatigen Bildern die Qualität<br />

ihrer Produkte.<br />

Der Standard der Papiere und der<br />

Beschichtungstechniken hat nach<br />

meinen Empfinden eine Stufe erreicht,<br />

die kaum noch zu übertreffen ist. Da<br />

wundert es nicht, dass die Firmen vermehrt<br />

an Präsentation und Erscheinungsformen<br />

arbeiten.<br />

Erwähnenswert in diesem Zusammenhang<br />

ist das Angebot der FineArt Papiere<br />

von Hahnemühle mit original gerissenem<br />

Büttenrand (»Sheets with Deckle<br />

Edges«), zu erhalten für die Papiere<br />

»William Turner«, »PhotoRag« und<br />

»Museum Etching«.<br />

Das macht schon etwas her, so ein edler<br />

Druck, handsigniert als Einzelstück auf<br />

»Museum Etching«!<br />

Überhaupt, beim Gang durch die Hallen<br />

und betrachten der Bilderausstellungen,<br />

kam mir die Diskussion »Beamer versus<br />

Print« absolut lächerlich vor. Beamer<br />

spielten allenfalls als technisches Gerät<br />

eine Rolle, nicht als Präsentationsform<br />

für Kunst!<br />

Die Königsklasse der Fotografie ist der<br />

FineArt-Print! (auweia, jetzt hagelt es<br />

wieder Leserbriefe...)<br />

Um das zu verdeutlichen zitiere ich hier<br />

einmal Hermann Will den Herausgeber<br />

des „»fine art printer«:<br />

»Unser Gehirn ist darauf trainiert, Bilder<br />

in Kombination mit einer Materialstruktur<br />

zu betrachten. Und deshalb lösen<br />

strukturreiche Medien beim Betrachter<br />

etwas anderes aus als das »reine«<br />

Bild, das uns am Display vermittelt wird.<br />

Naheliegend ist auch, dass die uns inne-<br />

64 <strong>brennpunkt</strong> 1/<strong>2013</strong><br />

wohnende Neugierde, nämlich die Tatsache,<br />

dass die Tatsache, dass wir etwas<br />

begreifen wollen, noch daher rührt, dass<br />

unsere Vorfahren Bilder in den Kathedralen<br />

und Kultstätten grundsätzlich mit<br />

den Händen angefasst haben um deren<br />

Inhalt zu »begreifen«.<br />

So weit Hermann Will - und ich denke<br />

dem ist nichts hinzuzufügen!<br />

Wenn die Qualität der FineArt Papiere<br />

schon ein sehr hohes Niveau erreicht<br />

hat, so gilt das für die Fotodrucker erst<br />

recht.<br />

Nach meinem persönlichen Eindruck ist<br />

der EPSON Stylus Pro 3880 nach wie<br />

vor »state of the art« für den gehobenen<br />

Heimanwender. Er ist immer noch unübertroffen<br />

in Handling und Druckqualität<br />

und liegt ebenfalls an der Spitze der<br />

Wirtschaftlichkeit bei den Tintenkosten.<br />

Interessant finde ich hingegen den Kamerasektor,<br />

insbesondere die Entwicklung<br />

im spiegellosen Systembereich. Schon<br />

alleine in Dimension und Aufmachung<br />

des Messeauftritts zeigt sich das neue<br />

Selbstbewusstsein von Panasonic mit<br />

seiner erfolgreichen »Lumix-Reihe«.<br />

Räumlich war deren Ausstellungsfläche<br />

zwar noch hinter Canon platziert, stand<br />

dieser in Aufwand und Renommé aber<br />

in nichts nach!<br />

Das Potential welches in spiegellosen<br />

Kameras, vorrangig dem Micro-<br />

FourThirds -System steckt, ist schon sehr<br />

beachtlich.<br />

Während die bisherigen digitalen Spiegelreflexkameras<br />

sich historisch eher als<br />

Evolution<br />

aus der technischen Historie begreifen<br />

lassen, sind die spiegellosen Systemkameras<br />

die wirkliche digitale Revolution,<br />

die keine Kompromisse an die analoge<br />

Vergangenheit machen musste!<br />

In dieser Einschätzung fühlte ich ich<br />

mich absolut bestätigt, als ich die neue<br />

Lumix GH3 in den Händen hielt. Kurz<br />

vor Redaktionschluss erreichte mich<br />

eines der ersten Kits mit dem 2,8 12-35<br />

mm Zoom.<br />

Mein erster Eindruck war durchweg<br />

positiv! Gehäuse und Objektiv machen<br />

einen sehr wertigen Eindruck. Das Zoom<br />

läuft butterweich und absolut gleichmä-<br />

ßig. Das neue staub- und spritzwassergeschützte<br />

Magnesiumgehäuse wirkt<br />

sehr professionell.<br />

Obwohl ich Sucher und Monitor schon<br />

bei dem Vorgängermodell GH2 als gut<br />

empfunden habe, hat Panasonic hier<br />

noch einmal nachgelegt. Das Sucherbild<br />

der Neuen ist absolut brilliant und<br />

steht einem SRL- Sucher in nichts mehr<br />

nach. Man sieht wirklich das Bild, welches<br />

man dann auch erhält, mit allen<br />

Farb-und Tonwerten!<br />

Bei einer Spiegelreflexkamera hatte das,<br />

was man im Sucher sah, ja häufig nicht<br />

viel mit dem fotografischen Ergebnis zu<br />

tun...<br />

Auch der Monitor überzeugte mich<br />

total!<br />

Wer wie ich, oft mit Stativ bei tiefen Aufnahmestandpunkten<br />

arbeitet, wird die<br />

hohe Brillianz des Bildschirms in Kombination<br />

mit der Klapp - und Schwenkfunktion<br />

als äußerst knie- und rückenschonend<br />

empfinden...<br />

Jedem, der schon mit MFT-System arbeitet,<br />

kann ich die GH3 absolut empfehlen<br />

- wer noch »spiegelt« fände hier<br />

sicherlich einen lockenden Anreiz zum<br />

Umstieg...<br />

Aber zurück zur Photokina!<br />

Meinem Eindruck nach wird sich die<br />

rasante technische Entwicklungsgeschwindigkeit<br />

in der Fotobranche<br />

abschwächen.<br />

Die Ergebnisse guter Fotodrucker auf<br />

FineArt Papier sind kaum noch zu übertreffen,<br />

und das spiegellose System wird<br />

in den Verkaufszahlen schon bald die<br />

Spiegelreflexkameras übertreffen.<br />

Jetzt bleibt zu hoffen, dass das gewachsene<br />

Selbstbewusstsein - und natürlich<br />

die wachsenden Umsätze - die Micro-<br />

FourThird Firmen dazu bewegen, nicht<br />

in jeder Modellreihe Fotografen und<br />

Videofreaks vereinen zu wollen!<br />

Ich denke, dass ich mich in der Fotoszene<br />

gut auskenne, und ich kenne praktische<br />

keine engagierten Fotografen, die<br />

mit ähnlicher Intensität Videos drehen<br />

wollen...<br />

Fest steht, man konnte für sein Geld<br />

noch nie so viel fotografische Qualität<br />

kaufen wie heute - und das ist gut so!<br />

Manfred Kriegelstein


Die Kunst der Fotografie<br />

Der Weg zum eigenen fotografischen<br />

Ausdruck<br />

Bruce Barnbaum<br />

Verlag: dpunkt.verlag<br />

ISBN: 978-3-89864-816-5<br />

400 Seiten, komplett in Farbe,<br />

Festeinband<br />

49,90 Euro�<br />

Diese Buch ist letztlich die deutsche<br />

Adaptation von »The Art of Photography«<br />

- dem meistverkauften Fotobuch<br />

in den USA im Jahre 2011.<br />

Als ich das Buch das erste Mal in die<br />

Hand nahm, kam es mir etwas altbacken<br />

vor und erinnerte mich in großen Teilen<br />

an die Haltung von Ansel Adams.<br />

Je mehr ich mich aber damit beschäftigte,<br />

desto faszinierender fand ich es.<br />

Im Gegensatz zu der oft oberflächlichen<br />

oft nur auf Effekt ausgerichteten Fotografie<br />

der digitalen Zeit, vermittelt Barnbaum<br />

einen tiefen gestalterischen und<br />

emotionalen Einblick in den Sinn der<br />

Fotografie.<br />

Einen Satz von ihm will ich hier zitieren<br />

- letztlich weil ich auch eine persönliche<br />

Wesensübereinstimmung sehe:<br />

»Meistens habe ich schon während der<br />

Aufnahme hinter der Kamera eine ziemlich<br />

genaue Vorstellung davon, welches<br />

Format das fertige Bild einmal haben soll.<br />

Die Größe des Abzugs beeinflußt dann<br />

auch seine emotionale Wirkung«.<br />

Dieser Satz mag für manche »jpg-Foren-<br />

Teilnehmer« fremd klingen - zeugt aber<br />

von hohem fotografischen Niveau mit<br />

tiefem Verständnis für Kunst!<br />

Ich fand das Buch sensationell!<br />

Manfred Kriegelstein<br />

LUMIX G5<br />

System Fotoschule<br />

Frank Späth<br />

Verlag: Point Of Sale Verlag<br />

ISBN: 978-3-941761-31-5<br />

28,00 Euro�<br />

Es gibt eben doch auch heilvolle Allianzen<br />

- so zum Beispiel zwischen Panasonic<br />

und Frank Späth. Die einen machen<br />

hervorragende Kameras - und der andere<br />

die entsprechenden verständlichen und<br />

ausführlichen Bedienungsanleitungen.<br />

Na OK, es ist vielleicht doch untertrieben<br />

das neue Werk von Frank Späth nur<br />

als Bedienungsanleitung zu sehen - es<br />

ist sicherlich sehr viel mehr.<br />

Bestimmte Kameraeinstellungen werden<br />

mit Bildbeispielen kritisch erläutert und<br />

die Vor - und Nachteile dargestellt.<br />

Weiterhin sehr interessant ist das Kapitel<br />

über passende Objektive - eben nicht<br />

nur von Panasonic, sondern auch die<br />

entsprechenden von Olympus, Sigma<br />

und Voigtländer.<br />

Und, da der Autor hier auch vereinzelt<br />

kritische Töne anschlägt, wirkt er umso<br />

glaubwürdiger in seiner Beurteilung der<br />

Fremdobjektive!<br />

Und last but not least findet sich auch für<br />

Anfänger ein informativer und gut bebildeter<br />

Fotoworkshop in Sachen Motivfindung<br />

und Bildgestaltung.<br />

Wer die G5 besitzt, für den ist das neue<br />

Werk von Frank Späth ein absolutes<br />

Muß! Manfred Kriegelstein<br />

Buchbesprechung<br />

Photoshop CS6 für digitale<br />

Fotografie<br />

Schritt für Schritt zum perfekten Foto<br />

Maike Jarsetz<br />

Verlag: Galileo Design<br />

ISBN: 978-3-8362-1896-2<br />

504 S. Komplett in farbe mit DVD<br />

39,90 Euro�<br />

Der aufmerksame Leser dieses hochgeschätzten<br />

Magazins wird den Namen<br />

Maike Jarsetz sicherlich in Erinnerung<br />

haben. Pünktlich zu neuen Versionen<br />

von Photoshop oder Lightroom gibt es<br />

ein neues Werk von ihr.<br />

Auch in Ihrem Buch über die aktuelle<br />

Version von Photoshop CS6 verrät sie<br />

dem Leser alle Tricks zur Bildbearbeitung.<br />

Hier zeigt sich wieder die doppelte<br />

Qualifikation der Autorin sowohl als<br />

Fotografin, als auch als »Adobe Certified<br />

Expert«.<br />

Wer ein Problem in Photoshop hat - hier<br />

wird er die Lösung finden!<br />

Sowohl für den, der Neuerungen in<br />

Photoshop finden will, als auch für den<br />

geübten Anwender der sein Wissen auffrischen<br />

will - das Buch ist wiederum<br />

eine Empfehlung!<br />

Manfred Kriegelstein<br />

<strong>brennpunkt</strong> 1/<strong>2013</strong><br />

65


Vorschau 2/<strong>2013</strong><br />

© Annabel Seifert, Olbernhau, »Papierfabrik«<br />

<strong>brennpunkt</strong> 2-<strong>2013</strong><br />

erscheint am<br />

4. April <strong>2013</strong><br />

Portfolio<br />

Jesus Pastor<br />

Ich habe immer von den Geschichten<br />

an der Grenze der scheinbaren täglichen<br />

Normalität fasziniert. Innerhalb<br />

des Friedhofs, wandert ein Mann unter<br />

Kreuze und Grabsteine , Reinigungsgoldenen<br />

Lettern und bunten flowers.I<br />

beobachte ihn, wie er das sonnige Land<br />

gräbt. Für eine Weile habe ich nur Statuen<br />

von Engeln, die die Gräber, rissige<br />

Christs, leeren Nischen, etc bewachen<br />

fotografiert ... Nach dem Gespräch mit<br />

ihm fast täglich, fühlte ich das Bedürfnis,<br />

seine Geschichte mit Bildern zu<br />

erzählen.<br />

Portfolio<br />

Ronny Behnert<br />

Geboren wurde Ronny Behnert in<br />

Luckenwalde, einer Kleinstadt, südlichvon<br />

Berlin. Schnell zog es ihn in<br />

die Hauptstadt Deutschlands, in der er,<br />

mit mit einigen Unterbrechungen, seit<br />

1989 lebt und arbeitet. Nach seiner Ausbildung<br />

verschlug es ihn beruflich für<br />

eine begrenzte Zeit nach Frankfurt am<br />

Main und auf die Insel Sylt im Norden<br />

Deutschlands.<br />

66 <strong>brennpunkt</strong> 1/<strong>2013</strong><br />

© Annabel Seifert, Olbernhau, »Papierfabrik« © Annabel Seifert, Olbernhau, »Papierfabrik«<br />

© Jesus Pastor<br />

Leserfotos<br />

© Ronny Behnert © Ronny Behnert


ennpunkt 1/<strong>2013</strong><br />

67


Galerien<br />

68 <strong>brennpunkt</strong> 1/<strong>2013</strong>

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