brennpunkt 1/2013
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brennpunkt 1/2013
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ennpunkt<br />
1/<strong>2013</strong> 4,00 Euro 29. Jahrgang<br />
Magazin für Fotografie<br />
Januar bis März <strong>2013</strong><br />
Galerien • Buchbesprechungen • Fotoszene<br />
Portfolio Jürgen Bürgin • Fabio Orsi
2 <strong>brennpunkt</strong> 1/<strong>2013</strong><br />
FÜR ORIGINALE<br />
„Ich fotografiere für den Fine Art Druck. Erst die Kombination von hochwertigen traditionellen<br />
Büttenpapieren und modernster Drucktechnik bringt die sinnliche Qualität meiner Bilder optimal<br />
zur Geltung.“ Manfred Kriegelstein Die Digital FineArt Collection bietet exklusive Künstlerpapiere<br />
mit edler Haptik und bestechender Optik für den Inkjetdruck. Brillante Schwarz-Weiß-Aufnahmen<br />
oder subtile Farbfotografie werden dank unserer feinen Papiere der Individualität Ihrer Kunstwerke<br />
mehr als gerecht. Mehr Papierkunst unter www.hahnemuehle.de<br />
P A P I E R E M I T M U S E U M S Q U A L I T Ä T, A L T E R U N G S B E S T Ä N D I G U N D M E H R F A C H P R Ä M I E R T .
Impressum:<br />
<strong>brennpunkt</strong><br />
Magazin für Fotografie<br />
Erscheint vierteljährlich,<br />
erhältlich in Fotogalerien,<br />
Geschäften, Buchhandlungen<br />
und über Abonnement.<br />
Jahresabo 13,50 Euro<br />
Einzelpreis 4,00 Euro<br />
Konten:<br />
Postbank Berlin<br />
Konto-Nr. 3751 06-104<br />
BLZ 100 100 10<br />
Redaktionsschluss:<br />
jeweils am 10. vor dem Erscheinungsmonat<br />
Herausgeber:<br />
edition buehrer<br />
c/o Dietmar Bührer<br />
Odenwaldstraße 26<br />
12161 Berlin<br />
Telefon u. Telefax: (0 30) 8 53 35 27<br />
e-Mail: buehrer-berlin@t-online.de<br />
Internet: www.edition-dibue.de<br />
Copyright bei Edition<br />
Druck:<br />
schöne drucksachen<br />
Bessemerstraße 76a, 12103 Berlin<br />
ISSN 0932-7231<br />
Redaktion:<br />
Dietmar Bührer V.i.S.d.P.<br />
Michael Gebur<br />
Klaus Rabien<br />
Manfred Kriegelstein<br />
Hinweis:<br />
Für unverlangt eingesandte<br />
Manuskripte und Fotografien<br />
wird keine Haftung übernommen.<br />
Helmut Newton<br />
British Vogue, London 1967<br />
© Helmut Newton Estate<br />
Galerien<br />
� Paul-Georg Herrmann »Rund um den Ku´damm 1968« ..................................... 5<br />
� Helmut Newton: World without Men, u.a. / François-Marie Banier: Porträts ..... 6<br />
� Pepper »Snapshot Beauties« .............................................................................. 8<br />
� ARVID GUTSCHOW und ALFRED EHRHARDT – Artverwandte ........................ 9<br />
� Michael Schmidt »Lebensmittel« ....................................................................... 10<br />
� Margaret Bourke-White »Fotografien« ............................................................... 11<br />
� Christer Strömholm Post Scriptum »Retrospektive« ............................................ 12<br />
� TONY VACCARO »Retrospektive - 70 Jahre Fotografie« .................................... 13<br />
� LOUIS STETTNER »The First Ninety Years« ........................................................ 14<br />
� Zeiten–Zeitorte–Zeitsichten / Abschlussklasse von Thomas Michalak .................. 16<br />
� GLAUBENSSACHE ............................................................................................. 17<br />
� Ellen von Unwerth »The Story of Olga« ............................................................... 18<br />
� Magali Koenig »TV« ............................................................................................ 19<br />
� Abschlußarbeiten Fotoklasse 30 .......................................................................... 20<br />
� Abschlußarbeiten Fotoklasse 31 .......................................................................... 21<br />
� STRASSE NACH DAMASKUS ............................................................................. 22<br />
� Michael Busse »Zu den Liebesinseln« ................................................................. 24<br />
� Dvorah Kern / Marit Beer »Portraits« .................................................................. 25<br />
� Andreas Fischer »Tante Hilde« ............................................................................ 26<br />
� André Baschlakow »Hinterlassenschaften« .......................................................... 27<br />
� Lorant Szathmary »Überall und nirgends« ........................................................... 28<br />
� Jürgen Schadeberg »The concerned Photographer« ............................................. 29<br />
� Shômei Tômatsu »Photograph 1951-2000« ......................................................... 30<br />
� Christian Patterson »Redheaded Peckerwood« .................................................... 31<br />
� Bogomir Ecker »Idylle + Desater« ........................................................................ 31<br />
� 15 Jahre CAMERA WORK ................................................................................... 32<br />
Galeriebesprechungen<br />
� Der Blick des Anderen. (Klaus Rabien) ............................................................... 36<br />
Ausstellungen in Berlin ............................................................................................ 43<br />
Portfolio<br />
� Jürgen Bürgin ...................................................................................................... 48<br />
� Fabio Orsi ........................................................................................................... 60<br />
Fotoszene<br />
� Holga, die wieder gefundene Kreativität (Jörg Stadler) ........................................ 40<br />
� FRÖAUF ............................................................................................................ 41<br />
� Ursula Kelm »Sofortbilder« .................................................................................. 42<br />
� Ursula Kelm »zum 70.« ....................................................................................... 44<br />
� Photokina 2012 (Manfred Kriegelstein) ................................................................ 64<br />
Buchbesprechungen<br />
� GEISTERSTADT Sperrzone Zossen/Wünsdorf (Sabine von Breunig) ................... 45<br />
� Bottrop-Ebel 76 (Michael Wolf) ......................................................................... 46<br />
� Rented Rooms (Torben Höke) ............................................................................ 47<br />
� Die Kunst der Fotografie ..................................................................................... 65<br />
� LUMIX G5 .......................................................................................................... 65<br />
� Photoshop CS6 für digitale Fotografie ................................................................. 65<br />
Vorschau 2-<strong>2013</strong> ...................................................................................................... 66<br />
<strong>brennpunkt</strong> 1/<strong>2013</strong><br />
3
Paul-Georg Herrmann<br />
»Rund um den<br />
Ku‘damm 1968«<br />
Ein Fotograf – ein Ort in Berlin! So<br />
lautet das Konzept des Berliner Salons<br />
für Fotokunst. Hier werden Arbeiten von<br />
Fotografen gezeigt, die weit über konventionelle<br />
Dokumentarfotografie hinausgehen,<br />
sondern den Betrachtern vielmehr<br />
subjektive Perspektiven aufzeigen<br />
und neue Blickwinkel eröffnen. Thema<br />
der aktuellen Ausstellung: Der Kurfürstendamm<br />
– vor 45 Jahren! Während<br />
der Studentenrevolte 1967/68 war der<br />
Fotograf Paul-Georg Herrmann hautnah<br />
dabei und hat die geschichtsträchtigen<br />
Ereignisse auf dem Westberliner Prachtboulevard<br />
und in der näheren Umgebung<br />
auf eindrucksvolle Weise mit der<br />
Kamera festgehalten. Um sein Architekturstudium<br />
zu finanzieren, arbeitete der<br />
geborene Kreuzberger Ende der 60er<br />
Jahre unter anderem für die amerikanische<br />
Presseagentur Associated Press.<br />
Presse- und Studentenausweis haben<br />
ihm damals viele Türen geöffnet, beispielsweise<br />
auch zu Festen im Schöneberger<br />
Rathaus bei Bürgermeister Neubauer.<br />
Eine Auswahl seiner bewegenden<br />
Schwarzweiß-Fotos einer unvergesslichen<br />
Epoche zeigt Herrmann jetzt<br />
erstmals in einer öffentlichen Ausstellung.<br />
Vernissage<br />
Freitag, den 8. Februar <strong>2013</strong>,<br />
ab 19 Uhr<br />
© Paul-Georg Herrmann<br />
© Paul-Georg Herrmann<br />
© Paul-Georg Herrmann<br />
© Paul-Georg Herrmann<br />
13. Februar bis 28. März <strong>2013</strong><br />
Berliner Salon für Fotokunst<br />
Kulturhaus Schöneberg<br />
Kyffhäuserstraße 23<br />
10781 Berlin-Schöneberg<br />
Mi 14 – 19 Uhr<br />
Do 12 – 17 Uhr<br />
und nach Vereinbarung<br />
salonfuerfotokunst.blogspot.com<br />
Telefon 0179 - 591 35 16<br />
<strong>brennpunkt</strong> 1/<strong>2013</strong><br />
Galerien<br />
5
Galerien<br />
Helmut Newton:<br />
World without Men /<br />
Archives de Nuit<br />
François-Marie Banier:<br />
Porträts<br />
Modephotographie war stets der wichtigste<br />
Aspekt im Werk Helmut Newtons.<br />
Lange bevor er seine ersten Publikationen<br />
in internationalen Verlagen auch<br />
mit Modebildern füllte, arbeitete er im<br />
Auftrag von renommierten Modemagazinen<br />
und Modehäusern. Einige dieser<br />
Photographien veröffentlichte er in seinem<br />
vierten Bildband – unter dem ironischen<br />
und zugleich programmatischen<br />
Titel »World without Men«. Die Publikation<br />
erschien 1984 zunächst in den USA<br />
und bereits im selben Jahr in Deutschland,<br />
nun wird sie anlässlich der Berliner<br />
Ausstellung neu aufgelegt. Darin<br />
finden sich pointierte Selbstäußerungen<br />
von Newton sowie zahlreiche Bildikonen,<br />
aufgenommen in Paris, Saint-<br />
Tropez, Los Angeles, Mailand, Berlin<br />
und London zwischen den 1960er und<br />
1980er-Jahren. Das legendäre Photobuch<br />
wird, vergleichbar der gerade zu<br />
Ende gegangenen Ausstellung zu Newtons<br />
ersten drei Bildbänden, nun erstmals<br />
in eine Ausstellung verwandelt und<br />
komplett präsentiert.<br />
Newtons Modephotographie zeichnete<br />
– jenseits der traditionellen Erzählweise<br />
– stets luxuriöse Eleganz und subtile<br />
Verführung, kulturhistorische Bildzitate<br />
und ein überraschender Bildwitz<br />
aus. Diesen unnachahmlichen Stil entwickelte<br />
der damals in Paris lebende<br />
Photograph, wie wir hier sehen, in den<br />
1970er und 1980er-Jahren, inklusive der<br />
Verschiebung oder gar Ignorierung mancher<br />
Tabus. Seitdem erst war die allgemeine<br />
Akzeptanz für Modeaufnahmen<br />
soweit gestiegen, dass Bildbände veröffentlicht<br />
und Ausstellungen zur Modephotographie<br />
organisiert wurden; das<br />
galt umso mehr, wenn etwa Richard<br />
Avedon, Irving Penn, William Klein oder<br />
Helmut Newton daran beteiligt waren<br />
und Neuinterpretationen lieferten.<br />
6 <strong>brennpunkt</strong> 1/<strong>2013</strong><br />
Helmut Newton, French Vogue, Monte Carlo 1980, © Helmut Newton Estate, (O.i.F.)<br />
Wir blicken hier auf die damals<br />
zeitgenössische Mode von Yves Saint<br />
Laurent und Mary Quant, Ungaro<br />
und Lagerfeld, die Newton so zeitlos<br />
inszenierte, respektive in die so<br />
unnahbar wirkenden Gesichter der<br />
Modelle, deren Blick in die Ferne oder<br />
nach innen gerichtet zu sein scheint.<br />
Selbstverständlich gibt es die für Newton<br />
so typische zwischengeschlechtliche<br />
Interaktion, wobei gelegentlich auch<br />
Frauen in männliche Rollen schlüpfen<br />
und dies noch auf den zweiten Blick<br />
sichtbar bleibt. Männer tauchen nur<br />
dann auf, wenn sie von Newton<br />
als Statisten für die Bewunderung<br />
weiblicher Schönheit und Macht<br />
inszeniert werden. Manchmal finden<br />
sich zwei Männer in Begleitung einer<br />
selbstbewusst wirkenden Frau, ähnlich<br />
Truffauts »Jules et Jim« von 1962. Ein<br />
noch eindeutigeres Filmzitat liefert<br />
eine Modestrecke für die britische<br />
Vogue, entstanden in London Mitte<br />
der 1960er-Jahre, als Helmut Newton<br />
eine Szene aus Hitchcocks »North by<br />
Northwest« (»Der unsichtbare Dritte«)<br />
von 1959 in eine Modephotographie<br />
übersetzte: eine Frau im Pelz (für<br />
den mit dieser Aufnahme geworben<br />
wird) geht vor einem herannahenden<br />
Flugzeug in Deckung. Mit einer anderen<br />
Modephotographie für die italienische<br />
Vogue aus der gleichen Zeit zitiert<br />
Newton den geschätzten Kollegen<br />
Martin Munkacsi, der drei Dekaden<br />
François-Marie Banier, David Lynch,<br />
Cannes 2001, © François-Marie Banier<br />
zuvor ebenfalls ein weibliches, schwarz<br />
gekleidetes Modell an einem Strand<br />
im Profil und in Bewegung durch<br />
sein Kamerablickfeld laufen ließ. Der<br />
entscheidende Unterschied liegt in der<br />
Mode, denn 1966 war der Rocksaum<br />
des Cocktailkleides bereits über<br />
die Höhe des Knies gerutscht – bei<br />
Munkacsi war dies undenkbar; er hatte<br />
damals lediglich Bademode am Strand<br />
photographiert.
Helmut Newton, French Vogue, Dakar 1971,<br />
© Helmut Newton Estate (Original in Farbe)<br />
Überraschend bleiben in Newtons<br />
Werk die Kontraste zwischen der<br />
bewussten Inszenierung seiner Aufnahmen<br />
und dem »normalen Leben« drumherum,<br />
etwa am Strand von St. Tropez.<br />
Hier stellte der Photograph 1978 im Auftrag<br />
des »Stern« ein Modell im eleganten,<br />
hochgeschlossenen Thierry Mugler-<br />
Abendkleid auf eine Bank, umgeben<br />
von halbnackten Menschen beim Sonnenbad.<br />
Damit bezog er Lokalkolorit<br />
inklusive einer natürlichen Nacktheit<br />
in seine Modephotographie mit<br />
ein – ein interessantes Wechselspiel für<br />
einen Photographen, der nackte Haut<br />
ansonsten auch genreübergreifend thematisierte.<br />
Die Idee des »Naked and<br />
Dressed«, die er nur kurze Zeit später<br />
in den berühmt gewordenen Diptychen<br />
seines »Big Nudes«-Projektes ausformulierte,<br />
taucht hier bereits im Ansatz auf.<br />
Ergänzt wird »World without Men«<br />
durch »Archives de Nuit«, ein Ausstellungsprojekt<br />
von Helmut Newton mit<br />
begleitender Publikation, das 1992 in<br />
Paris Premiere hatte und anschließend<br />
an mehreren Orten in Europa gezeigt<br />
wurde. Es vereint Schwarz-Weiß-Photographien<br />
unterschiedlicher Genres aus<br />
den späten 1980er- und frühen 1990er-<br />
Jahren: Porträt, Akt, Landschaft, Stillleben<br />
– Modeaufnahmen sind keine<br />
dabei. Newton interessierte sich, wie<br />
wir hier sehen, auch für andere Themen<br />
und Motive, etwa landende Wasserflugzeuge,<br />
beobachtet vom Balkon seiner<br />
Wohnung in Monte Carlo, für Schrottautos<br />
am Straßenrand in Berlin, für<br />
menschliche Missbildungen in der Vitrine<br />
eines naturhistorischen Museums<br />
in Wien oder das Innere der Kathedrale<br />
von Bologna. Es sind eher freie Projekte,<br />
und diese ungewöhnlichen Seitenblicke<br />
werden in der Publikation<br />
und in der aktuellen Berliner Ausstel-<br />
Helmut Newton, Panoramic Nude, Villa d´Este,<br />
Lake Como 1989, © Helmut Newton Estate<br />
lung mit Aktaufnahmen, die unter anderem<br />
im Auftrag des Playboy entstanden,<br />
kontrastiert. Das Konzept ähnelt seinem<br />
Magazin »Helmut Newton Illustrated«,<br />
das in vier Ausgaben in unregelmäßigen<br />
Abständen zwischen 1987 und<br />
1995 erschien und 2007 in Berlin ausgestellt<br />
war. Newtons Nacht-Bildarchiv<br />
vereint in der Tat viele düstere, rätselhafte,<br />
mitunter unheimliche Aufnahmen<br />
voller Vanitas-Motivik, die noch mehr<br />
an Detektiv - oder Kriminalgeschichten<br />
erinnern als sein sonstiges Werk.<br />
bis 19. Mai <strong>2013</strong><br />
Helmut Newton Stiftung<br />
Museum für Fotografie<br />
Jebensstraße 2<br />
10623 Berlin-Charlottenburg<br />
Di – So 10 – 18 Uhr<br />
Do 10 – 20 Uhr<br />
<strong>brennpunkt</strong> 1/<strong>2013</strong><br />
Galerien<br />
Einige Bilder der beiden Projekte werden<br />
in der Helmut Newton Stiftung erstmals<br />
präsentiert. In den Ausstellungsräumen<br />
der Stiftung wird, gemäß eines von<br />
Newton noch zu Lebzeiten formulierten<br />
Wunsches, gelegentlich auch anderen<br />
Photographen ein Forum gegeben;<br />
diesmal wurde der französische Künstler<br />
und Schriftsteller François-Marie Banier<br />
von June Newton eingeladen, über<br />
30 seiner photographischen Porträts<br />
in »June’s Room« zu zeigen. Wir<br />
begegnen hier einem Who’s who der<br />
internationalen Film-, Musik-, Literatur-<br />
und Kunstszene sowie einigen Politikern,<br />
darunter Johnny Depp, Woody Allen,<br />
Ray Charles, Samuel Beckett, Andy<br />
Warhol, Louise Bourgeois oder Caroline<br />
von Monaco. Banier ist sehr nah dran an<br />
den Prominenten, was nicht überrascht,<br />
gehört er inzwischen selbst doch auch<br />
zu ihnen. Es ist das Miteinander von<br />
Freunden, so scheint es, das sich hier<br />
als Bild manifestiert.<br />
François-Marie Banier hat in vielen<br />
Institutionen weltweit ausgestellt und<br />
zahlreiche Publikationen zu seinem<br />
vielfältigen, multimedialen Werk<br />
vorgelegt.<br />
Dr. Matthias Harder<br />
Im TASCHEN-Verlag erscheint im<br />
Januar <strong>2013</strong> Helmut Newton. World<br />
Without Men<br />
Hardcover, 24 x 32,5 cm, 188 Seiten,<br />
ISBN 978-3-8365-4512-9, 39,99 EUR<br />
7
Galerien<br />
Pepper<br />
»Snapshot Beauties«<br />
Bisher arbeitete der Berliner Fotograf<br />
vor allem als Autor und Kurator. Eine<br />
Kamera verwendete er nur gelegentlich,<br />
um Artikel zu illustrieren oder<br />
Dokumentationen von Ausstellungen<br />
anzufertigen. Seit zwei Jahren aber konzentriert<br />
er sich ganz auf die Fotografie,<br />
die ihm nicht zuletzt durch Begegnungen<br />
und Zusammenarbeit mit Fotokünstlern<br />
wie Gilbert & George, Pierre et Gilles,<br />
Arthur Tress oder Brigitte Maria Mayer<br />
nahe gebracht wurde.<br />
In der Galerie Carpentier sind nun erstmals<br />
Fotografien von Pepper, kleinformatige<br />
Akt- und Halbaktfotografien junger<br />
Frauen, in einer Einzelausstellung<br />
zu sehen. Für die Produktion dieser<br />
»Snapshot Beauties« genannten Serie hat<br />
Pepper ausschließlich Einwegkameras<br />
verwendet, eine der einfachsten<br />
Techniken am Fotomarkt. Die mit einem<br />
hochempfindlichen Kleinbildfilm versehenen<br />
Plastikteile mit eingebautem Blitz<br />
haben ihn gereizt der immer perfekter<br />
werdenden Hightech-Fotografie etwas<br />
entgegenzusetzen. Nicht aus Prinzip,<br />
aber aus einem gewissen Widerwillen<br />
der immer schneller aufeinander folgenden<br />
technischen Entwicklungen auf<br />
dem Fotomarkt gegenüber. Etwas möglichst<br />
Simples sollte Medium für die<br />
Erschaffung einer Serie von Akt- und<br />
Erotikfotografien sein, die sich selbst<br />
durch Einfachheit und Natürlichkeit auszeichnet.<br />
Für die »Snapshot Beauties« hat Pepper<br />
mit Laien und semiprofessionellen<br />
Modellen zusammengearbeitet, die er<br />
über Modell-Karteien im Internet und<br />
durch Zufall in Berlin kennengelernt<br />
hat. Fotografiert wurde ausschließlich<br />
an privaten Orten um eine persönliche<br />
und entspannte Atmosphäre zu<br />
gewährleisten. So sind Bilder entstanden,<br />
die oft einen spontanen Charakter<br />
haben und in denen die Leichtigkeit<br />
eines »Schnappschusses« mitschwingt.<br />
Selbst bei offensichtlich inszenierten<br />
Aufnahmen ist die natürliche Haltung<br />
der Modelle, die einfache Geste, wichtiger<br />
als übertriebenes Posieren.<br />
8 <strong>brennpunkt</strong> 1/<strong>2013</strong><br />
© Pepper, »Yvi«<br />
Zu der Privatheit der Bilder und dem verhältnismäßig<br />
groben Filmmaterial passtauch<br />
die Größe der Prints, die in etwa<br />
dem Din-A-4-Format entspricht.<br />
Parallel zur Ausstellung erscheint ein 80seitiges<br />
Buch in französisch Broschur mit<br />
39 ganzseitigen Abbildungen und einem<br />
Gespräch zwischen dem Fotografen Jan<br />
Sobottka und Pepper.<br />
Oliver S. Scholten<br />
Vernissage: 22. März <strong>2013</strong>, 19 Uhr<br />
23. März bis 21. April <strong>2013</strong><br />
carpentier galerie<br />
Meinekestraße 13<br />
10719 Berlin-Charlottenburg<br />
Mi – Fr 14 – 18 Uhr<br />
und Öffnungszeiten nach Vereinbarung
ARVID GUTSCHOW<br />
und<br />
ALFRED EHRHARDT<br />
– Artverwandte<br />
Am 11. Januar <strong>2013</strong> eröffnet die Alfred<br />
Ehrhardt Stiftung die Ausstellung<br />
Arvid Gutschow und Alfred Ehrhardt<br />
– Artverwandte.<br />
Anlass für diese fotografische<br />
Gegenüberstellung ist eine umfassende<br />
Schenkung von Aufnahmen Gutschows,<br />
diesem bedeutenden Vorreiter der<br />
Neuen Fotografie, dessen Blick<br />
und Bildthematik denen von Alfred<br />
Ehrhardt nahe stehen und vergleichbar<br />
sind. Ein Teil der Ausstellung zeigt die<br />
Landschaftsaufnahmen der beiden<br />
Fotografie-Autodidakten Gutschow<br />
und Ehrhardt Seite an Seite, um zu<br />
veranschaulichen, dass beide an<br />
der Entstehung und Auflösung von<br />
Strukturen und Mustern interessiert<br />
waren. Zudem wird auch deutlich,<br />
wie Ehrhardt Gutschows strukturelle<br />
Sichtweise und Tendenzen der Neuen<br />
Fotografie aufnahm und verfeinerte. In<br />
der Ausstellung werden 60 Fotografien<br />
von Arvid Gutschow und 10 Fotografien<br />
von Alfred Ehrhardt gezeigt.<br />
Die Fotografien von Arvid Gutschow<br />
(2.10.1900, Hamburg – 14.5.1984,<br />
Seebergen bei Bremen) sind bisher<br />
nur einem Kreis von Kennern bekannt.<br />
Ursprünglich war der promovierte Jurist<br />
als höherer Verwaltungsbeamter im<br />
Staatsdienst der Stadt Hamburg tätig.<br />
Sein Vater, ein passionierter Hobbyfotograf,<br />
brachte ihm die Fotografie nahe<br />
und so begann Gutschow früh, Landschaften<br />
im Hamburger Umland zu<br />
fotografieren.<br />
Sein besonderes Interesse galt den<br />
Strukturen und Formationen der Natur<br />
wie Lichtreflexionen auf Wasseroberflächen<br />
oder Windverwehungen an Stränden<br />
und Dünen. Darüber hinaus interessierte<br />
sich Gutschow für Fabrikanlagen<br />
und Industriebauten als neues fotografisches<br />
Sujet.<br />
Schon 1929 gehörte Arvid Gutschow<br />
zu den Protagonisten der wegweisen-<br />
Sand und Sonne, Sylt 1928, Print 1989/90<br />
Silbergelatine, Alfred Ehrhardt Siftung,<br />
© Arvid Gutschow<br />
den Internationalen Wanderausstellung<br />
des Deutschen Werkbundes FILM UND<br />
FOTO in Stuttgart. Schnell hielten seine<br />
Aufnahmen Einzug in verschiedene<br />
Zeitschriften und Magazine der 1920er-<br />
und 1930er- Jahre, so unter anderem in<br />
Der Querschnitt, Atlantis, Koralle, Das<br />
Deutsche Lichtbild und PHOTOGRA-<br />
PHIE Arts et Métiers Graphiques. Es ist<br />
beachtenswert, dass er eine solch rege<br />
Publizistik und hochkarätige fotografische<br />
Qualität nebenberuflich umsetzen<br />
konnte.<br />
Bekannt wurde Arvid Gutschow mit<br />
seinem Fotobuch See Sand Sonne, das<br />
1930 im Hamburger Gebrüder Enoch<br />
Verlag erschien. Diese frühe Publikation<br />
mit 75 Aufnahmen von Meer, Watt,<br />
Strand, Dünen und Küstenpflanzen<br />
gehört zu den stilbildenden Fotobüchern<br />
abstrahierender Landschaftsfotografie;<br />
wegen seines Layouts galt es seinerzeit<br />
als besonders progressiv. Der Bildband<br />
war Inspirationsquelle für weitere<br />
Bücher über Meeres-, See- und<br />
Dünenlandschaften in den 1930er-<br />
Jahren. Die vorwiegend abstrakt<br />
gehaltenen Aufnahmen von Sand-<br />
und Wasserformationen Gutschows<br />
zeigen seinen klar gliedernden und<br />
strukturellen Blick, der auch in den<br />
Sandstrukturaufnahmen, die Ehrhardt<br />
zwischen 1933 und 1936 im Watt<br />
bei Cuxhaven und an der Kurischen<br />
Nehrung fotografierte, charakteristisch<br />
ist. Zudem wohnt ihnen ebenso wie<br />
seinen späteren Landschafts- und<br />
Technikfotografien eine gestalterische<br />
und formale Strenge inne, die der<br />
renommierte Hamburger Fotohistoriker<br />
Fritz Kempe 1956 wie folgt beschrieb:<br />
»Gutschow (…) kultiviert: die Kunst<br />
des Einengens, Abstrahierens und<br />
12. Januar bis 17. März <strong>2013</strong><br />
Alfred Ehrhardt Stiftung<br />
Auguststraße 75<br />
10117 Berlin-Mitte<br />
Di – So 11 – 18 Uhr<br />
Do 11 – 21 Uhr<br />
www.alfred-ehrhardt-stiftung.de<br />
<strong>brennpunkt</strong> 1/<strong>2013</strong><br />
Galerien<br />
Komprimierens. Dazugewonnen hat er<br />
eine glänzende Technik. (...) Aus dem<br />
ständigen Leben in der Natur wächst<br />
ihm Kraft für die geistige Strenge seiner<br />
Fotografie«.<br />
Arvid Gutschow (1900-1984) wuchs<br />
in Hamburg-Blankenese auf. Sein Vater<br />
vermittelte ihm bereits früh das Medium<br />
Fotografie. Nach dem Abitur nahm Gutschow<br />
ein Jurastudium auf. Im Anschluss<br />
an sein Studium mit abgeschlossener<br />
Promotion trat Gutschow 1926<br />
bei der Landherrenschaft Hamburg in<br />
den Staatsdienst ein, aus dem er Mitte<br />
1948 auf eigenen Wunsch ausschied.<br />
Nebenher fotografierte er auf höchstem<br />
Niveau. Bis Mitte der 1950er-Jahre<br />
entstand sein fotografisches Œuvre. Im<br />
Anschluss an seine frühzeitige Pensionierung<br />
beschäftigte er sich intensiv mit<br />
Landwirtschaft, Fragen der Umweltzerstörung,<br />
Problemen der Entwicklungsländer.<br />
Alfred Ehrhardt (1901-1984) war Organist,<br />
Chorleiter, Komponist, Maler und<br />
Kunstpädagoge, bevor er Fotograf und<br />
Kulturfilmer wurde. Nach einem Aufenthalt<br />
am Dessauer Bauhaus 1928/29<br />
leitete er an der Landeskunstschule<br />
Hamburg den ersten Vorkurs für Materialkunde<br />
außerhalb des Bauhauses. Erst<br />
nachdem er aufgrund seiner modernistischen<br />
Kunstauffassung durch die Nationalsozialisten<br />
1933 vom Hochschuldienst<br />
entlassen wurde, wandte er sich<br />
der Fotografie und dem Film zu. Er interessierte<br />
sich für die Bodenformationen<br />
im Watt, bereiste Island, fotografierte<br />
Kristalle, Muscheln und Korallen und<br />
beschäftigte sich mit Mikrofotografie.<br />
Weitere Schwerpunkte bilden die Architektur-<br />
und Skulpturenfotografie.<br />
Eröffnung: 11. Januar <strong>2013</strong>, 19 Uhr<br />
9
Galerien<br />
Michael Schmidt<br />
»Lebensmittel«<br />
Die Fähigkeit von Michael Schmidt,<br />
scheinbar widersprüchliche Elemente<br />
in seiner Fotografie in eine gültige Form<br />
zu übersetzen, weist ihm eine herausragende<br />
Position in der aktuellen Fotografie<br />
zu. Während er mit seiner immer<br />
neuen Herangehensweise an fotografische<br />
und gesellschaftliche Fragestellungen<br />
eine singuläre Stellung einnimmt,<br />
gelten sein innovatives projekthaftes<br />
Arbeiten und sein extremes Engagement<br />
als Vorbild für eine Generation<br />
jüngerer Fotografen.<br />
Mit der Serie »Lebensmittel« schließt<br />
der 1945 in Berlin geborene Michael<br />
Schmidt die Reihe seiner großen Projekte<br />
ab. Im Frühjahr 2012 wird nach<br />
fünf Jahren der Planung und Realisierung<br />
das fotografische Essay zur Verarbeitung<br />
von Lebensmitteln in Europa<br />
erstmals veröffentlicht.<br />
Schmidt fotografiert seit 2006 in den<br />
Fischfarmen Norwegens, in Großbäckereien<br />
in Deutschland oder der apfelverarbeitenden<br />
Industrie in Italien. Ähnlich<br />
wie in der Serie »Irgendwo«, für<br />
die Schmidt die süddeutsche Provinz<br />
bereiste und den »Verlust von Zuhause<br />
als Ort von Identität« (Schmidt) thematisierte,<br />
kommt es dabei auch in den<br />
Bildern des Projektes »Lebensmittel«<br />
nicht auf den konkreten Ort der Aufnahme<br />
an: Der weitgehende Verlust des<br />
lokalen Bezuges der Produktion, Weiterverarbeitung<br />
und Konfektionierung<br />
von Lebensmitteln macht es für den<br />
Betrachter unmöglich zu entscheiden,<br />
ob sich zum Beispiel ein Schlachtbetrieb<br />
in Spanien, Frankreich oder England<br />
befindet.<br />
Die Fotografien belegen im Gegensatz<br />
zu manchen älteren Serien des<br />
Künstlers keine Haltung von Wut oder<br />
Anklage. Vielmehr ist die Sichtweise<br />
Schmidts von äußerster Klarheit und<br />
Härte gekennzeichnet. Der Blick in<br />
die Brotkörbe, in die Käfige der Fischfarmen<br />
oder Apfelwaschanlagen erinnert<br />
in seiner seriellen Analytik bis-<br />
10 <strong>brennpunkt</strong> 1/<strong>2013</strong><br />
Michael Schmidt, Ohne Titel, # 17.169, aus: LEBENSMITTEL 2006-2010,<br />
Bromsilbergelatine Print, 54,1 x 81,6 cm, © Michael Schmidt<br />
weilen an die sachliche Fotografie der<br />
1920er Jahre. Doch gerade der Widerspruch<br />
zwischen der latent optimistischen<br />
Haltung der klassischen Fotografen,<br />
die ihre Motive aus der industriellen<br />
Produktion in einer perfekten Ästhetik<br />
in Szene setzten, und der realistischen<br />
Sichtweise Schmidts hinterlässt bei der<br />
Gesamtschau auf das Projekt einen verstörenden<br />
Eindruck: Das Einzelbild fordert<br />
die sachliche Betrachtung, während<br />
die Serie durch ihre Komposition<br />
von Wiederholungen, Akzentuierungen<br />
und Taktungen sowie den vielfältigen<br />
Bezügen zwischen den Fotografien<br />
der scheinbar dominanten Sachlichkeit<br />
nachhaltig den Boden entzieht.<br />
Michael Schmidt, Ohne Titel, # 17.154,<br />
aus: LEBENSMITTEL 2006-2010,<br />
Bromsilbergelatine Print, 54,1 x 81,6 cm,<br />
© Michael Schmidt<br />
Michael Schmidt, Ohne Titel, # 17.097,<br />
aus: LEBENSMITTEL 2006-2010,<br />
Bromsilbergelatine Print, 54,1 x 81,6 cm,<br />
© Michael Schmidt<br />
Katalog:<br />
Zur Ausstellung erscheint ein Katalog<br />
im Snoeck Verlag<br />
264 Seiten, Format 32 x 30 cm, 174<br />
Abb. in Duoton und Farbe<br />
59 Euro an der Museumskasse, im<br />
Buchhandel mit Schmuckschuber:<br />
128 Euro.<br />
ISBN 978-3-940953-93-3<br />
12. Januar bis 1. April <strong>2013</strong><br />
Martin-Gropius-Bau<br />
Niederkirchnerstraße 7<br />
10963 Berlin-Kreuzberg<br />
Mi – Mo 10 – 19 Uhr<br />
Dienstags geschlossen
Margaret Bourke-<br />
White<br />
»Fotografien«<br />
Margaret Bourke-White (1904-1971)<br />
war in der männlich dominierten Welt<br />
der Fotografen Amerikas ein Medienstar.<br />
Ihr Portrait in Fliegermontur während<br />
eines Bombereinsatzes, die Kamera<br />
lächelnd in der linken Hand, war ein<br />
beliebtes Motiv bei den Soldaten. Margaret<br />
Bourke-White musste für ihre Karriere<br />
stets kämpfen. Von verschlossenen<br />
Türen ließ sie sich nicht beeindrucken.<br />
Das Titelfoto der allerersten Life-Ausgabe<br />
vom November 1936 stammte<br />
von ihr, und der Einfachheit halber hatte<br />
sie auch gleich die Geschichte dazu<br />
geschrieben.<br />
Die Ausstellung präsentiert das Werk<br />
der Fotografin mit 155 Aufnahmen,<br />
Briefen und Zeitschriften. Den Schwerpunkt<br />
bilden ihre Arbeiten, die in den<br />
1930er und 40er-Jahren in der ehemaligen<br />
Sowjetunion, der ehemaligenTschechoslowakei,<br />
Deutschland, England<br />
und Italien entstanden sind. Zudem<br />
werden die für Bourke-White charakteristischen<br />
Fotografien gezeigt, wie jene,<br />
die sie im Auftrag von Eastern Airlines<br />
und der Chrysler Corporation aufnahm.<br />
Im Dokumentationsteil werden einige<br />
ihrer Wort-Bild-Strecken der Fotomagazine<br />
Fortune und Life zu sehen sein<br />
sowie Auszüge ihrer Briefwechsel mit<br />
Persönlichkeiten aus Politik und Kultur,<br />
wie Winston Churchill und Georgia<br />
O’Keeffe.<br />
Ihre Bilder zeugen von ihrem »unstillbaren<br />
Wunsch dabei zu sein, wenn<br />
Geschichte geschrieben wird«, wie<br />
sie es selbst formulierte. Bourke-White<br />
wollte das »Auge der Zeit« sein. Für das<br />
Life-Magazin, damals eines der bekanntesten<br />
und ambitioniertesten Magazine<br />
für Fotojournalismus, bereiste sie die<br />
ganze Welt.<br />
Ihre Karriere begann 1927 in Cleveland.<br />
Dort fotografierte sie die Stahlgießereien<br />
der Stadt. Sie reiste nach Russland<br />
als der erste Fünfjahresplan umgesetzt<br />
wurde, sie dokumentierte die Dürreka-<br />
Margaret Bourke-White, Couple pulling a handcart with children, Germany, 1945<br />
Vintage gelatin silver print. Syracuse University Library Collection, New York.<br />
© Time & Life / Getty Images<br />
tastrophen 1934 in den USA, die deutsche<br />
Invasion in Russland im Jahr 1941<br />
und das Bombardement der Alliierten<br />
auf Deutschland. Als Auftragsarbeit für<br />
die Zeitschrift Life hielt sie im Sommer<br />
1945 die zerstörten deutschen Städte<br />
fest. Bourke-White war bei der Befreiung<br />
des Konzentrationslagers Buchenwald<br />
und des Zwangsarbeitslagers Leipzig-Thekla<br />
vor Ort. Ihr Foto »Die lebenden<br />
Toten von Buchenwald« ging um<br />
die ganze Welt.<br />
Ihre Bilder zierten oft die Titelseiten der<br />
Magazine Fortune und Life, für die sie<br />
jahrelang arbeitete. Manchmal stand<br />
sie selbst in den Schlagzeilen, als etwa<br />
das Magazin Life am 22. Januar 1943<br />
ihren Bericht über den Luftangriff auf<br />
den Flugplatz El Aouina in Tunis – den<br />
wichtigsten Luftwaffenstützpunkt der<br />
Deutschen für den Nachschub von<br />
Truppen aus Sizilien – unter dem Titel<br />
»Life‘s Bourke-White goes Bombing«<br />
veröffentlichte. Ihre Bilder stehen für<br />
eine Epoche.<br />
18. Januar bis 14. April <strong>2013</strong><br />
Martin-Gropius-Bau<br />
Niederkirchnerstraße 7<br />
10963 Berlin-Kreuzberg<br />
Mi – Mo 10 – 19 Uhr<br />
Dienstags geschlossen<br />
<strong>brennpunkt</strong> 1/<strong>2013</strong><br />
Galerien<br />
Katalog:<br />
Zur Ausstellung erscheint ein Katalog<br />
im Verlag La Fabrica, Madird<br />
192 Seiten, Format 22 x 26 cm,<br />
150 Abb., Sprache: Englisch<br />
ISBN 978-8-4153-0396-1<br />
11
Galerien<br />
Christer Strömholm<br />
Post Scriptum<br />
»Retrospektive«<br />
»Mit dem fotografischen Bild zu arbeiten,<br />
ist meine Art zu leben. Wenn ich<br />
nachdenke und meine Bilder genau<br />
betrachte, so sind sie alle – und jedes<br />
für sich – nichts anderes als Selbstporträts,<br />
ein Teil meines Lebens«.<br />
Christer Strömholm<br />
Spielende Kinder, innige Liebespaare,<br />
prominente Künstler, stolze Transsexuelle,<br />
entstellte Kriegsopfer – im Porträt<br />
des Anderen sieht man immer sich selbst.<br />
Seine eigene Schwäche, Fragilität und<br />
Verwundbarkeit. Das Unvertraute irritiert<br />
und zieht gleichzeitig unaussprechlich<br />
an. Christer Strömholm wendet sich<br />
in seinem vielfältigen Œuvre radikal der<br />
Welt zu und konfrontiert sich mit dieser<br />
oft rauen Realität tagtäglich. Stets geduldig<br />
und präzise beobachtend. Er belauert<br />
seine Mitmenschen nicht heimlichvoyeuristisch,<br />
sondern gibt sich seinem<br />
Gegenüber klar zu erkennen. Die<br />
unmittelbare Nähe zum Porträtierten ist<br />
Grundprinzip seiner Fotografie. So geht<br />
es ihm nicht um den entscheidenden<br />
Augenblick, sondern eine offene Haltung<br />
seinen fotografischen Objekten<br />
gegenüber. Seine subjektive Fotografie<br />
ist geprägt von großem Respekt, Nähe<br />
und gewachsener Vertrautheit.<br />
Die Schwarz-Weiß-Bilder von Christer<br />
Strömholm sind in ihrem Stil nicht eindeutig<br />
zuzuordnen – oft grobkörnig, rau<br />
und dunkel. Sein Werk ist Existenzialismus<br />
mit fotografischen Mitteln: analytisch<br />
und melancholisch und dabei<br />
aber immer einfühlsam und stets empathisch.<br />
Als erklärter Vertreter des »available<br />
light« arbeitete er ausschließlich<br />
mit vorhandenem Licht, Die Umgebung<br />
ist zwar wichtiger Bestandteil<br />
seiner Bilder ist, Details verschwinden<br />
jedoch zumeist im Dunkel. Ein Stil, der<br />
im Fremden das Eigene suchte.<br />
Für Christer Strömholm beinhaltet der<br />
Akt des Fotografierens drei Kriterien. Erstens<br />
die Verantwortung des Fotografens<br />
für den Wahrheitsgehalt seines Bildes.<br />
12 <strong>brennpunkt</strong> 1/<strong>2013</strong><br />
© Christer Strömholm<br />
Zweitens ein Prozess der Erkenntnis, der<br />
sich aus verschiedenen Erfahrungen zu<br />
neuen Schlussfolgerungen zusammenzufügt.<br />
Und drittens die ausdrückliche<br />
Präsenz von den Gefühlen, Erfahrungen<br />
und Vorstellungen des Fotografen. Mit<br />
dieser Haltung wurde er zum Altmeister<br />
und zur herausragenden Persönlichkeit<br />
der modernen schwedischen Fotografie.<br />
Seinem Werk und seine Methode hat<br />
Generationen von Künstlern beeinflusst<br />
– unter anderem Anders Petersen, Dawid,<br />
Christer Landegren und den dänischen<br />
Regisseur Bille August. Auch International<br />
nimmt Christer Strömholm eine zentrale<br />
Position in der Fotogeschichte ein,<br />
denn seine Bilder haben immens dazu<br />
beigetragen, die Fotografie als eigenständige<br />
Kunstform zu etablieren.<br />
C/O Berlin präsentiert erstmals eine<br />
Retrospektive von Christer Strömholm<br />
in Deutschland, die ca. 150 Fotografien,<br />
Kontaktbögen, Arbeitsmaterialien und<br />
Schriftstücke umfasst, worin alle wichtigen<br />
Serien enthalten sind. Die Ausstellung<br />
wurde vom Fotografiska/ Stockholm<br />
in Zusammenarbeit mit Joakim<br />
und Jakob Strömholm zusammengestellt.<br />
Zur Ausstellung ist das Buch »Post<br />
Sciptum« bei Max Ström erschienen.<br />
Christer Strömholm, 1918 in Stockholm<br />
geboren, beginnt 1937 an der Dresdner<br />
Akademie ein Malereistudium. 1938<br />
verlässt er Deutschland, übernimmt<br />
Kurierdienste für die Republikaner in<br />
Spanien und sympathisiert mit den<br />
Anarchisten. 1939 bis 1940 nimmt er am<br />
finnisch-sowjetischen Winterkrieg teil,<br />
bis 1945 ist er Widerstandskämpfer gegen<br />
die deutschen Truppen in Norwegen.<br />
1946 geht Christer Strömholm an die<br />
Académie des Beaux Arts in Paris –<br />
Fotografie wird sein Medium. Seine<br />
ersten Bilder aus den Nachkriegsjahren<br />
zeigen typische Szenen aus der Bohème<br />
wie Künstlerateliers oder Cafés, wenig<br />
später entstehen Studien von Strukturen<br />
wie Mauernflächen, Graffiti, von<br />
abstrakten Formen in der Landschaft<br />
oder Schatteneffekten. Diese Arbeiten<br />
erklären sein zeitweiliges Engagement<br />
für Positionen der Gruppe »fotoform«,<br />
die von Otto Steinert geleitet wurde.<br />
1957 übernimmt er einen Abendkurs<br />
für Gestaltung an der Kursverksamheten<br />
an der Stockholmer Universität. Daraus<br />
entwickelt er zusammen mit seinem<br />
Freund Tor-Ivan Odulf eine Schule für<br />
Fotografie – die legendäre Fotoskolan,<br />
dessen Leiter er von 1962 bis 1972<br />
ist. In dieser Zeit werden hier mehr<br />
als 1.200 Studenten. 1981 erhilet er<br />
die goldene Medaille vom Rencontres<br />
Internationales de la Photographie in<br />
Arles. 1993 wird er zum Professor durch<br />
die schwedische Regierung ernannt und<br />
erhält 1997 den Hasselblad Award – den<br />
»Nobelpreis« für Fotografie. 2002 stirbt<br />
Christer Strömholm in Stockholm.<br />
Eröffnung 18. Januar <strong>2013</strong>, 19 Uhr<br />
19. Januar bis 18. März <strong>2013</strong><br />
C/O Berlin<br />
International Forum For Visual<br />
Dialogues<br />
Oranienburger Straße 35/36<br />
10117 Berlin-Mitte<br />
täglich 11 – 20 Uhr
TONY VACCARO<br />
»Retrospektive –<br />
70 Jahre Fotografie«.<br />
Der Freundeskreis Willy-Brandt-Haus<br />
zeigt anlässlich des 90. Geburtstages<br />
des amerikanischen Fotografen TONY<br />
VACCARO eine Retrospektive mit 100<br />
Fotografien aus sieben Jahrzehnten.<br />
Tony Vaccaro gilt als einer der großen<br />
Fotojournalisten des 20. Jahrhunderts.<br />
In Deutschland ist er vor allem wegen<br />
seiner Bilder aus dem II. Weltkrieg und<br />
aus der Nachkriegszeit bekannt.<br />
Tony Vaccaro wurde am 20. Dezember<br />
1922 in Greensburg in den USA geboren<br />
und wuchs später im Heimatort<br />
seiner Eltern, Bonefro in Italien, auf.<br />
1942 kaufte er in Amerika seine erste<br />
Kamera, eine Argus C-3, mit der er im<br />
Juni 1944 als GI der 83. Infanteriedivision<br />
in der Normandie landete. Er fotografierte<br />
den Krieg bis zur Elbe und<br />
blieb als Fotograf für die US Army Zeitschrift<br />
The Stars and Stripes bis 1949<br />
in Deutschland. Während dieser Zeit<br />
dokumentierte Vaccaro auch die Berliner<br />
Luftbrücke.<br />
Nach seiner Rückkehr in die USA arbeitete<br />
er u.a. für die Zeitschriften Flair, Look,<br />
Time, Life und Venture. Berühmt wurde<br />
er auch durch seine Porträts von Marlon<br />
Brando, Charles Chaplin, Maria Callas,<br />
Marlene Dietrich, Marcel Duchamp,<br />
Federico Fellini, Sophia Loren u.v.a.<br />
1963 erhielt Vaccaro seine 1. Goldmedaille<br />
für das beste Modefoto vom<br />
renommierten Art Directors’Club in<br />
New York. 1969 eine weitere für das<br />
beste Farbfoto von der World Press<br />
Association in Den Haag. Wegen seiner<br />
Fotografien von der Befreiung Frankreichs<br />
wurde er 1994 durch Francois<br />
Mitterand zum Ritter der Ehrenlegion<br />
ernannt. 2004 erhielt er das Bundesverdienstkreuz<br />
Erster Klasse. The Gen Tony<br />
Vaccaro lebt und arbeitet in Long Island<br />
City, New York.<br />
© Tony Vaccaro, Kuss der Befreiung. Sergeant<br />
Gene Costanzo aus Pittsburgh und Noelle.<br />
St. Briac-sur-Mer, Frankreich, 15. August 1944<br />
Foto: Anthony Montana, Tony Vaccaro<br />
mit beschlagnahmten Kameras auf einer<br />
abgestürzten B -17, Mondorf-les-Bains,<br />
Luxembourg, September 1944<br />
bis 27. Januar <strong>2013</strong><br />
Freundeskreis Willy-Brandt-Haus<br />
Willy-Brandt-Haus<br />
Stresemannstraße 28<br />
10963 Berlin-Kreuzberg<br />
Di – So 12 – 18 Uhr<br />
<strong>brennpunkt</strong> 1/<strong>2013</strong><br />
Galerien<br />
© Tony Vaccaro, Camilla-Mayer-Truppe beim<br />
»Todeslauf«, Frankfurt/M., März 1948<br />
© Tony Vaccaro, Ivy Nicholson.<br />
Das amerikanische Modell.<br />
Via Appia, Rom 1955<br />
13
Galerien<br />
LOUIS STETTNER<br />
»The First Ninety<br />
Years«<br />
Mit dem Ausruf »There is the sun!« entdeckte<br />
das Kind Louis Stettner, dramatisch<br />
in Richtung Himmel gestikulierend,<br />
die ursprünglichste aller Lichtquellen.<br />
Es waren wie er selbst berichtet<br />
seine ersten Worte. Die jugendliche Leidenschaft,<br />
die nie versiegende Lust am<br />
Erlebnis des Sehens hat sich der 90jährige<br />
Photograph bis heute bewahrt. Die<br />
Momente, die er aus dem Fluss der Zeit<br />
herauslöst, faszinieren durch Witz und<br />
Doppelbödigkeit, Intuition und Einfühlungsvermögen<br />
wie in dem Bild des alten<br />
»Parade Musician«, der sich nach einer<br />
Ansichtskarte bückt: ein kurzer Augenblick,<br />
der ein ganzes Leben enthält.<br />
© Frank Wegner, »Louis Stettner«<br />
Im Alter von 12 Jahren streifte Louis<br />
Stettner bereits photographierend durch<br />
die Straßen und erkannte früh, dass die<br />
Kamera nicht nur Verlängerung seiner<br />
Augen, sondern auch Ausdrucksmittel<br />
seiner Empfindungen sein konnte.<br />
In Brooklyn geboren und aufgewachsen,<br />
zog das quirlige und lebenssprühende<br />
Manhattan den jungen Mann in<br />
seinen Bann. Es war jedoch das Paris<br />
der Nachkriegsjahre 1946-1951, in<br />
dem Louis Stettner endgültig zum Photographen<br />
wurde. Er verliebte sich in<br />
die noch von den Entbehrungen des<br />
Krieges und der deutschen Besatzung<br />
gezeichnete Stadt und ihre Bewohner.<br />
Die Gerüche der Quartiers, die stillen<br />
Winkel am Seineufer, die überall gegenwärtige<br />
Vergangenheit, inspirierten ihn<br />
14 <strong>brennpunkt</strong> 1/<strong>2013</strong><br />
© Louis Stettner, »Twin Towers«, Lower Manhattan, 1979<br />
ebenso wie die Pariser selbst, die in den<br />
Cafés zusammenkamen, über Kunst<br />
debattierten und ihn selbstverständlich<br />
in ihre Gemeinschaft aufnahmen.<br />
Stettner lernte Brassaï, Édouard Boubat,<br />
Willy Ronis, Izis, Robert Doisneau und<br />
andere Photographen kennen, studierte<br />
Film an der Pariser Universität und stellte<br />
1949 erstmals seine Arbeiten im »Salon<br />
des Indépendants« in der Bibliothèque<br />
Nationale aus.<br />
1951 kehrte Stettner nach New York<br />
zurück und mischte sich unter die Menschen,<br />
photographierte die spielenden<br />
Kinder, die coolen Jungs, den eilenden<br />
Schritt durch Dampfwolken, das Verweilen<br />
im Regen, das Warten an der Straßenecke.<br />
Es ist ein Sehen, das Gewicht<br />
hat, in dem Verstand und Sinnlichkeit<br />
zusammenkommen. Die größte Schönheit<br />
liegt oftmals in den stillen Momenten,<br />
in einem Gesicht, einer Komposition,<br />
einem lebendigen Detail. In der
© Louis Stettner, »Parade Musican«, Saratoga Springs, New York 1953,<br />
Courtesy Johanna Breede PHOTOKUNST<br />
alten New Yorker »Penn Station« ist<br />
ein kleines Mädchen ganz in sein Spiel<br />
mit den auf den Boden fallenden Lichtern<br />
versunken. Im Central Park sitzt ein<br />
junges Paar auf einer steinernen Bank,<br />
Stettner photographiert nur den Flirt<br />
ihrer Arme und Beine. Beim Blick auf<br />
die »Twin Towers« vermeinen wir den<br />
Schrei der Möwe zu hören und die salzige<br />
Meerluft zu riechen. Auf einem<br />
Geländer im Battery Park sitzt einsam<br />
ein schwarzer Junge, in seinem Rücken<br />
schemenhaft die Freiheitsstatue, eine<br />
Ansicht von New York zwischen Realität<br />
und Mythos.<br />
In all diesen Bildern gelingt es Louis<br />
Stettner, die Zeit still stehen zu lassen<br />
und dem Augenblick Bedeutung zu verleihen.<br />
In all diesen Bildern bleibt aber<br />
auch etwas Ungesagtes, und gerade<br />
darin liegt ein großer Teil ihrer Kraft und<br />
© Louis Stettner, »The Big Clock«,<br />
Penn Station, 1958<br />
<strong>brennpunkt</strong> 1/<strong>2013</strong><br />
Galerien<br />
Gültigkeit, denn sie können von jedem<br />
Betrachter neu gesehen werden. Stettner<br />
wertet nicht, er ist Zeitzeuge und<br />
nimmt die Welt dennoch ganz persönlich.<br />
Das können auch wir, wenn wir<br />
mit ihm auf Streifzug durch die Jahrzehnte<br />
gehen und die Freude des Photographen<br />
am Festhalten des Unwiederbringlichen<br />
teilen.<br />
Susanne Schmid<br />
Zeitgleich zeigt die »Bibliothèque Nationale<br />
de France« in Paris bis zum 27.<br />
Januar <strong>2013</strong> eine Retrospektive von<br />
Louis Stettners Werk.<br />
bis 23. Februar <strong>2013</strong><br />
Johanna Breede<br />
PHOTOKUNST<br />
Fasanenstraße 69<br />
10719 Berlin-Charlottenburg<br />
Di – Fr 11 – 18 Uhr<br />
Sa 11 – 16 Uhr<br />
15
Galerien<br />
Zeiten – Zeitorte –<br />
Zeitsichten<br />
Die Abschlussklasse<br />
von Thomas Michalak<br />
am Fachbereich<br />
Fotografie der VHS<br />
Friedrichshain-<br />
Kreuzberg<br />
Was ist Zeit? Wie objektiv ist Zeit? Wie<br />
stark sind wir ihr unterworfen? Wie<br />
unterscheidet sich unser subjektives<br />
Zeitempfinden von dem durch Uhrzeit<br />
und Kalender gemessenen - und wie<br />
relativ ist auch dieses letztlich?<br />
12 Fotografinnen und Fotografen haben<br />
unter der Leitung von Thomas Michalak<br />
das Thema »Zeit...« künstlerisch<br />
umgesetzt. Sie verstehen Zeit als<br />
lebendige Bewegung und Entwicklung,<br />
aber auch als Vergänglichkeit alles Seins,<br />
als Verfall, dessen äußerste Grenze Tod,<br />
Stillstand, Zeitlosigkeit sind. Zeit als stetig<br />
fließenden, schillernden Erinnerungs-<br />
und Gedankenstrom. Zeit aber auch als<br />
einen besonderen Augenblick, der durch<br />
eine einmalige, rasch vorüberziehende<br />
Konstellation hervorgerufen wird und<br />
zum plötzlichen Innehalten führt, zu<br />
einem vorübergehenden Heraustreten<br />
aus dem gleichgültigen Verrinnen der<br />
Sekunden. Und nicht zuletzt Zeit als<br />
historische Zeit, als Zeitgebundenheit.<br />
Fotografien von Andrea Brehme, Jan<br />
Großer, Anna Homburg, Rainer Menke,<br />
Johannes Meyer, Werner Meyer zu<br />
Ermgassen, Patricia Milch, Erika Mor,<br />
Konstanze Müller-Kitti, Loredana<br />
Mondora, Barbara Töpper-Fennel,<br />
Susanne Wolkenhauer.<br />
16 <strong>brennpunkt</strong> 1/<strong>2013</strong><br />
© Loredana Mondora<br />
© Susanne Wolkenhauer<br />
© Barbara Töpper-Fennel<br />
Vernissage:<br />
Freitag, 15. Februar um 19 Uhr<br />
Finissage:<br />
mit Werkstattgespräch:<br />
Samstag, 23. Februar um 18 Uhr<br />
15. Februar bis 23. Februar <strong>2013</strong><br />
Studio 1 des Bethanien<br />
Mariannenplatz 2<br />
10997 Berlin-Kreuzberg<br />
Sa + So 14 – 20 Uhr<br />
Mo, Di, Mi, Fr 16 – 20 Uhr<br />
Do 16 – 22 Uhr
GLAUBENSSACHE<br />
HANS-JÖRG ALEFF • CARLES<br />
GONZÁLEZ • ANNE HINGST •<br />
DIANA PACELLI • CARLOTTA<br />
SCHNELLER • FRANK SEEGER •<br />
GIANLUCA SIVERO • CHRISTOS<br />
STEFANOU • BENJAMIN TALSIK<br />
• ANNE TOBABEN • NICOLE<br />
WALTER<br />
Glaube - Hoffnung und Halt oder ein<br />
Auslaufmodell? Womit geben Menschen<br />
heute Ihrem Leben Sinn und Erfüllung?<br />
Elf internationale, in Berlin lebende<br />
Fotografen gehen diesen Fragen in ihren<br />
Reportagen nach und begleiteten Menschen<br />
vielfältiger Glaubenskulturen.<br />
Die täglichen Gebete gen Mekka, Ramadan,<br />
die Rufe des Muezzin - diese islamischen<br />
Rituale und Feiertage sind<br />
bekannt. Carlotta Schneller begleitet<br />
einen muslimischen Bestatter und<br />
zeigt in ihrer einfühlsamen Reportage<br />
einen Aspekt der Glaubenskultur des<br />
Islams, der hierzulande oft im Verborgenen<br />
stattfindet.<br />
Athen ist für Hunderttausende Migranten<br />
ein Zufluchtsort - trotz der wirtschaftliche<br />
Misere. Die religiösen Gemeinden<br />
von Muslimen, Sikhs und Katholiken<br />
werden zur seelischen Heimat. Sie<br />
geben Hoffnung für die Zukunft, Unterstützung<br />
im Alltag und die Möglichkeit,<br />
sich mit. Leuten aus dem eigenen Land<br />
auszutauschen. Christos Stefanou zeigt<br />
sie in seiner Reportage.<br />
Die Jesus Freaks finden sich regelmäßig<br />
im Keller einer ehemaligen Brauerei in<br />
Berlin-Neukölln ein. Sie sitzen auf alten<br />
Sofas oder lehnen an der selbstgemauerten<br />
Bar. Der Gottesdienst beginnt mit<br />
Musik. Kinder rennen durch den Raum.<br />
Auch bei der anschließenden Predigt<br />
geht es locker zu. Hier darf man sein,<br />
wie man will. Es geht vor allen Dingen<br />
© Christos Stefanou, »Zuflucht Religion«<br />
© Carlotta Schneller, »Vorbereitung für ein<br />
muslimisches Begräbnis«, (O.i.F.)<br />
um Jesus. Hans-Jörg Aleff porträtiert die<br />
Jesus Freaks in seiner Reportage.<br />
In den 80er Jahren war Michael Marek<br />
Mitglied einer Kreuzberger Rockergang.<br />
Gewalt und Drogenexzesse haben ihn<br />
an den Abgrund geführt. Seine Hinwendung<br />
zu Gott und die Faszination für das<br />
Rittertum waren seine Rettung. Frank<br />
Seeger zeigt sein zweites Leben - das<br />
Portrait eines Menschen, der auf skurrile<br />
Weise seinen christlichen Glauben<br />
praktiziert.<br />
Berlin, die Haupstadt des Techno, hat<br />
sich für eine internationale Szene in ein<br />
Pilgerziel verwandelt. Tag und Nacht<br />
elektronische Musik für alle. Carles<br />
Gonzaléz zeigt die Trance und Ekstase,<br />
die Liturgie und die Rituale in den Clubs<br />
von Berlin.<br />
Unter Leitung der Fotojournalistin Ann-<br />
Christine Jansson werden die Ausstel-<br />
12. Januar bis 15. Februar <strong>2013</strong><br />
Alte Feuerwache<br />
Projektraum<br />
Marchlewskistraße 6<br />
10243 Berlin-Friedrichshain<br />
<strong>brennpunkt</strong> 1/<strong>2013</strong><br />
Galerien<br />
© Frank Seeger, »Vom Rocker zum Ritter -<br />
Ritter Michael«, (O.i.F.)<br />
lung und der ca. 100-seitige Katalog<br />
als Abschlussarbeit ihrer Fotoreportageklasse<br />
am Photocentrum am Wassertor<br />
an der vhs Friedrichshain-Kreuzberg<br />
realisiert.<br />
RAHMENPROGRAMM<br />
Donnerstag 24. Januar <strong>2013</strong>, 19. Uhr<br />
»UM GOTTES WILLEN – IST DER<br />
GLAUBE EIN MODELL VON GES-<br />
TERN«?<br />
Podiumsdiskussion mit Prof. Dr. Michael<br />
Bongardt, Institut für Vergleichende<br />
Ethik, Freie Universität Berlin,<br />
Pinar Çetin, Türkisch Islamische Union,<br />
Fabio Reinhard, Piratenfraktion im<br />
Abgeordnetenhaus und Pfarrer Heiko<br />
Schulz, Ev. Jesus-Christus-Kirchengemeinde<br />
in Kreuzberg<br />
KAI LÖFFELBEIN, Vortrag und Gespräch<br />
mit dem Fotografen und Träger des<br />
Henri-Nannen-Preises Beste Reportagefotografie<br />
2012 und UNICEF-Foto des<br />
Jahres 2011 (1. Preis).<br />
Termin: 31. Januar <strong>2013</strong>, um 19 Uhr<br />
Vernissage<br />
11. Januar <strong>2013</strong>, 19 Uhr<br />
Di – Do 14 – 19 Uhr<br />
Fr + Sa 14 – 20 Uhr<br />
www.glaubenssache-ausstellung.de<br />
17
Galerien<br />
Ellen von Unwerth<br />
»The Story of Olga«<br />
Die Ausstellung zeigt mit über 30 Arbeiten<br />
eine exklusive Auswahl aus der 2011<br />
entstandenen Serie um das Topmodel<br />
Olga, die in der photographischen<br />
Erzählung von Ellen von Unwerth die<br />
Welt der Erotik neu kennenlernt und<br />
erlebt.<br />
Märchenhaft wirkende Szenerien mit<br />
pittoresken Sujets, einem prunkvollen<br />
Chateau oder rustikalen Stallungen und<br />
die laszive Erotik von Olga entführen<br />
den Betrachter in »The Story of Olga«<br />
in eine berauschende Welt aus leidenschaftlicher<br />
Lust und Begierde. Fantastische<br />
Atmosphären und einzigartige<br />
Orte bilden den visuellen Raum,<br />
in dem die Protagonistin Olga unverhofft<br />
einen erotischen Traum durchlebt.<br />
Sich einsam und alleine als Witwe wiederfindend,<br />
nimmt das sexuelle Verlangen<br />
Olga kurze Zeit nach dem Tod ihres<br />
Mannes ein. Auf dem Weg zur bedingungslosen<br />
Befriedigung lebt Olga ihre<br />
Fantasien in ungeahnter Intensität aus<br />
und findet schließlich die sehnsüchtige<br />
Erfüllung jenseits ihrer gewohnten Welt<br />
aus Glamour und Luxus.<br />
Das Märchen verliert seine Unschuld<br />
durch die wilden, illustren Exzesse, die<br />
Olga mit ihrem Gefolge inmitten des<br />
opulenten Interieurs feiert. Der Betrachter,<br />
dessen Blick durch die aufwendig<br />
gestalteten und detailreichen Bildräume<br />
gleitet, wird durch diese offensichtliche<br />
Ambivalenz, die direkte Bildsprache<br />
und die große Anziehungskraft ergriffen.<br />
Ellen von Unwerth gelingt es, dem<br />
Betrachter das Gefühl der Lust auf offensive<br />
und zugleich spielerische Weise zu<br />
vermitteln und die Sinnlichkeit der narrativen<br />
Szenen nicht nur spürbar werden<br />
zu lassen, sondern auch eine Spannung<br />
zu erzeugen, der sich der Rezipient nur<br />
schwer entziehen kann. Sexuelle Spiele<br />
zwischen Olga und ihren Freundinnen<br />
in bunten, pompösen Räumlichkeiten,<br />
stimmungsvolle Ganzkörperporträts<br />
oder lüsterne Szenen mit Olga inmitten<br />
ihrer berauschenden Gefolgschaft<br />
erzeugen mit der unverwechselbaren<br />
Bildsprache von Ellen von Unwerth eine<br />
18 <strong>brennpunkt</strong> 1/<strong>2013</strong><br />
© ELLEN VON UNWERTH, OLGA, 2011 © ELLEN VON UNWERTH, OLGA, 2011<br />
photographische Narration, in der die<br />
Künstlerin und Olga – sowie die kühle<br />
Verführerin in ihr – die Ästhetik der<br />
Erotik mit dem anregenden Spiel von<br />
Devotion und Dominanz verbinden.<br />
Über Ellen von Unwerth Die Photographin<br />
Ellen von Unwerth wurde 1954 in<br />
Frankfurt am Main geboren. Bis 1986<br />
war Ellen von Unwerth sehr erfolgreich<br />
als Model tätig, bevor sie bei einer Modeproduktion<br />
in Kenia selber die Kamera<br />
zur Hand nahm und eindrucksvolle Porträts<br />
einheimischer Kinder machte.<br />
Nach der Veröffentlichung der Photos in<br />
der französischen Modezeitschrift »Jill«<br />
wechselte Ellen von Unwerth gänzlich<br />
zur Photographie. Sie entdeckte<br />
die damals 17-jährige Claudia Schiffer<br />
und feierte als Autodidaktin erste Erfolge<br />
durch Auftragsarbeiten für die französische<br />
»Elle«.<br />
Ellen von Unwerths Photographien<br />
zeichnen sich durch eine kühle Erotik<br />
aus, wobei sie in ihren ausdrucksstarken<br />
Bildergeschichten Frauen bewusst spielerisch<br />
inszeniert und mittels Elementen<br />
wie Fantasie, Humor oder Ironie ihre<br />
Schönheit hervorhebt.<br />
Die Photographien von Ellen von<br />
Unwerth werden u.a. in Zeitschriften<br />
wie »Glamour«, »GQ«, »i-D Magazine«,<br />
»Interview Magazine«, »Numero«,<br />
»Vanity Fair« oder »Vogue« veröffentlicht.<br />
Zu ihren bekanntesten Bildbänden<br />
zählen unter anderem »Snaps« (1994),<br />
© ELLEN VON UNWERTH, OLGA, 2011 (O.i.F.)<br />
»Couples« (1998), »Revenge« (2003)<br />
und »Fräulein« (2009). Im Dezember<br />
2012 erscheint ihr neuer Bildband »The<br />
Story of Olga« (Taschen). Die Künstlerin<br />
lebt und arbeitet in Paris.<br />
bis 16. Februar <strong>2013</strong><br />
CWC GALLERY<br />
Auguststraße 11-13<br />
10117 Berlin-Mitte<br />
Di – Sa 11 – 19 Uhr
Magali Koenig<br />
»TV«<br />
Beim flüchtigen Betrachten der Ausstellung<br />
»TV« könnte man meinen, dass<br />
sich die Fotografin Magali Koenig hauptsächlich<br />
mit Porträtfotografie auseinandersetzt.<br />
Schauspieler sind zumeist in<br />
Nahaufnahme auf den Bildschirmen<br />
der Fernsehapparate zu sehen, die in<br />
Interieurs unterschiedlicher Kulturen<br />
stehen, die wenig mit den gezeigten<br />
Filmen gemein haben. Seit mehr als 30<br />
Jahren sammelt die Schweizer Fotografin<br />
auf ihren Reisen Bilder vom Alltag.<br />
Manchmal sind es poetische Aufnahmen<br />
in Hotelzimmern, wo im Hintergrund<br />
etwa ein ungemachtes Bett zu<br />
entdecken ist. Vielfach sind es banale<br />
Momente, denen sie mit ihrer Darstellung<br />
einen eigenen Zauber verleiht. In<br />
der Galerie exp12/exposure twelve sind<br />
Aufnahmen sowohl in Schwarzweiß als<br />
auch in Farbe zu sehen.<br />
Nicolas Couchepin schreibt über ihre<br />
Arbeit: »Magali Koenigs Fotografien stellen<br />
selten Menschen dar. Obwohl man<br />
fast behaupten könnte, dass es sich um<br />
Porträts handelt. Denn kurz vor dem<br />
Betätigen des Auslösers muss gerade<br />
jemand da gewesen sein. Es sind Orte,<br />
die vermutlich eben verlassen wurden.<br />
Es sind Räume, in denen sich Ernüchterung<br />
breitmacht, es sind weite Landschaften<br />
voller Geheimnisse, die all die<br />
Emotionen nur erahnen lassen, die kurz<br />
davor, oder gerade außerhalb des Blickfelds,<br />
im Spiel sind oder gleich danach<br />
sein werden. Man spürt das Leben mit<br />
all seinen großen Hoffnungen und kleinen<br />
Sorgen und weiß, dass man hinter<br />
dem Fotoprint gleich jemanden kennenlernen<br />
wird. Vielleicht die Fotografin,<br />
vielleicht… sich selbst? Auf Magali<br />
Koenigs Fotografien mögen zwar nur<br />
selten Menschen vorkommen, dennoch<br />
lässt sie uns in ihrer Bescheidenheit die<br />
ganze Menschheit wahrnehmen, die<br />
sich im Auge der Fotografin zu widerspiegeln<br />
scheint«.<br />
Magali Koenig (*1952, Lausanne)<br />
schloss 1974 ihr Fotografiestudium in<br />
Vevey ab. Seit Anfang der 80er Jahre<br />
werden ihre Bilder regelmäßig gezeigt,<br />
© Magali Koenig<br />
© Magali Koenig, (Original in Farbe)<br />
zuletzt in der Ausstellung (bis zum 20.<br />
Januar <strong>2013</strong>) im Museum für Fotografie<br />
in Charleroi, Belgien. Ihre Werke sind<br />
in vielen Sammlungen vertreten. Ihre<br />
Zusammenarbeit mit den Stiftungen<br />
Theodora und Helvetas und die Unterstützung<br />
durch Pro Helvetia ermöglichten<br />
ihre zahlreiche Reisen in Entwicklungsländer<br />
und bescherten ihr wertvolle<br />
Begegnungen.<br />
www.mat-ou-brillant.ch<br />
Eröffnung:<br />
19. Januar <strong>2013</strong>, 19 Uhr<br />
20. Januar bis 3. März <strong>2013</strong><br />
exp12 / exposure twelve<br />
Greifswalder Straße 217<br />
10405 Berlin-Prenzlauer Berg<br />
Sa – So 14 – 20 Uhr<br />
www.exp12.com<br />
<strong>brennpunkt</strong> 1/<strong>2013</strong><br />
Galerien<br />
19
Galerien<br />
Abschlußarbeiten<br />
Fotoklasse 30,<br />
Künstlerische Leitung:<br />
Ursula Kelm<br />
... Une belle aventure qui m’a permis<br />
de découvrir d’autres visions, d’autres<br />
imaginaires et de redécouvrir un monde<br />
prétendument connu. Un voyage qui<br />
commence … Je suis curieuse de savoir<br />
où il nous mènera ...<br />
... Ich lernte Orte kennen, an denen ich<br />
sonst nie gewesen wäre. Besonders von<br />
den anderen habe ich viel gelernt und<br />
viele Anregungen bekommen. Auch<br />
finde ich es toll, daß wir mit Ulla so<br />
einen besonderen Menschen als Lehrerin<br />
hatten.<br />
... Im Nachhinein habe ich das Gefühl<br />
als Blinder den Kurs angefangen zu<br />
haben ...<br />
... um richtig zu sehen, werden noch<br />
viele Jahre vergehen ...<br />
... Für mich ist die Photographie wie ein<br />
Instrument zu lernen ...<br />
... Ein Jahr für viel Neues, aber auch<br />
viel Bekanntes ...Neue Menschen, alte<br />
Bekannte, Tod und Geburt, sei es für´s<br />
/ vom Leben<br />
... Freu mich auf alle weiteren Bilder<br />
...Was mach ich nach der Klasse?<br />
Fotografieren ist Kunst und Spiel ....<br />
Nochmal ganz anders hinsehen ...<br />
... Fantastische Bilderwelt, fantastische<br />
Menschenwelt ... wie überraschend<br />
Fotografie sein kann ...<br />
... Trusting your intuition and not just<br />
doing things like you think they should<br />
be done, seeing the beauty in a blured<br />
photo and letting your mind wander ...<br />
www.Klasse30.de<br />
Vernissage 1. Februar <strong>2013</strong>, ab 19 Uhr<br />
1. Februar bis 2. März <strong>2013</strong><br />
imago fotokunst<br />
Linienstraße 145<br />
10115 Berlin-Mitte<br />
Di – Fr 12 – 19 Uhr<br />
Sa 14 – 18 Uhr<br />
20 <strong>brennpunkt</strong> 1/<strong>2013</strong><br />
© Hanni Winkler<br />
© Sandra Ratkowic<br />
© André Fischer © Christine Hohmann-Lopez<br />
© Holger Knote<br />
© Matthew Ling © Sibylle Fratzke<br />
© Jens-Uwe Grau
Abschlußarbeiten<br />
Fotoklasse 31,<br />
Künstlerische Leitung:<br />
Andreas Rost<br />
»I am a camera with its shutter open,<br />
quite passive, recording, not thinking.<br />
Recording the man shaving at the<br />
window opposite and the woman in the<br />
kimono washing her hair. Some day, all<br />
this will have to be developed, carefully<br />
printed, fixed«.<br />
Christopher Isherwood<br />
Neun Menschen, neun Blicke. Neun<br />
Mal die Neugier, die Welt durch ein<br />
Objektiv zu betrachten und die Lust,<br />
sich mit dem eigenen alltäglichen oder<br />
besonderen Umfeld auseinander zu<br />
setzen. Von der ersten Themenfindung<br />
bis zum entwickelten Bild haben sich<br />
neun Menschen in diesem Prozess<br />
begleitet und unterstützt.<br />
© Katja Münz<br />
© Uli Schaub, (O.i.F.)<br />
© Constantin Köster<br />
© Kristina Frick<br />
© Juliane Fritze<br />
© Yvonne Balke<br />
© Arne Zwirner<br />
© Philip Scholz<br />
© Barbara Marie Seimetz<br />
8. März bis 6. April <strong>2013</strong><br />
imago fotokunst<br />
Linienstraße 145<br />
10115 Berlin-Mitte<br />
Di – Fr 12 – 19 Uhr<br />
Sa 14 – 18 Uhr<br />
<strong>brennpunkt</strong> 1/<strong>2013</strong><br />
Galerien<br />
21
Galerien<br />
STRASSE NACH<br />
DAMASKUS<br />
Drei fotografische Essays der Fotografen<br />
Wenke Seemann, Angie Dehio und<br />
Andreas Rost zu dem Projekt »Neuer<br />
Weg« der Berliner Stadtmission.<br />
In dem fotografischen Projekt »Strasse<br />
nach Damaskus« versuchen die drei<br />
Autoren sich vorurteilsfrei dem Thema<br />
der Resozialisierung ehemaliger Straffälliger<br />
zu nähern. Ziel ist es, Bilder<br />
zu schaffen, die die Welt der Bewohner<br />
in ihrer Widersprüchlichkeit erfassen,<br />
die nichts beschönigen, die aber<br />
trotzdem von der Würde des Menschen<br />
künden, selbst wenn er sich in schwierigen<br />
Lebenssituationen befindet. Solche<br />
Bilder können zum Einem das Selbstbewusstsein<br />
der Porträtierten stärken,<br />
weil sie zur Auseinandersetzung mit<br />
sich selbst einladen und zum Anderen<br />
den Betrachter anregen über schwierige<br />
Themen, wie die Straffälligenhilfe, nachzudenken.<br />
Gerade weil diese Bilder<br />
keine bequemen Klischees bedienen,<br />
sondern widersprüchlich sind und vielleicht<br />
auch provozieren. Diesem Projekt<br />
liegt ein künstlerischer, kein journalistischer<br />
Ansatz und Anspruch zugrunde.<br />
Alle Arbeiten sind im Laufe eines Jahres<br />
(2011/12) entstanden, einem Zeitraum<br />
also, in dem Vertrauen wachsen kann<br />
und tiefere Einsichten über das Leben<br />
der Bewohner möglich sind. Auf diese<br />
Weise können die Menschen und die<br />
Geschichten hinter dem vordergründigen<br />
Fakt der Straffälligkeit entdeckt<br />
werden. Die metaphorische und künstlerische<br />
Dimension der Essays möchten<br />
den Blick auf die Bewohner öffnen, deren<br />
Lebensgeschichte mit Be- und Verurteilung<br />
natürlich noch nicht abgeschlossen<br />
ist. Der Titel »Strasse nach Damaskus«<br />
steht symbolisch für die Möglich<br />
der Wandlung und der Umkehr.<br />
Die Arbeit von Wenke Seemann ist eine<br />
Bild-Text-Kombination, die Außen- und<br />
Innensichten auf die »Bewohner« und<br />
Mitarbeiter der Stadtmission ermöglicht.<br />
Die Arbeit stellt eine große Nähe<br />
zu den Porträtierten her, gibt aber nie<br />
22 <strong>brennpunkt</strong> 1/<strong>2013</strong><br />
© Andreas Rost © Andreas Rost<br />
© Andreas Rost<br />
eine gewisse Distanz auf, die für einen<br />
vorurteilsfreien Blick notwendig ist. Die<br />
Bilder sind Porträts, die aus einer sehr<br />
großen Nähe aufgenommen worden<br />
sind (das Gesicht füllt zumeist, das<br />
gesamte quadratische Format aus) und<br />
die in ihrer ruhigen, sachlichen schwarz/<br />
weiß Ästhetik zu einer psychologischen<br />
Betrachtung der dargestellten Personen<br />
auffordern. Die Texte sind aus Interviews<br />
entstanden, bei denen die Befragten<br />
ihre Assoziationen zu bestimmten<br />
Begriffen mitteilten, die aus den Römerbriefen<br />
des Apostel Paulus stammen.<br />
Zwar werden in den Texten keine Straftaten<br />
geschildert, doch in der Auseinandersetzung<br />
mit Wörtern wie »Blöße«,<br />
»Gehorsam«, »Hader« oder »Obrigkeit«<br />
zeigen die Interviewten sehr deutlich<br />
und in unerwarteten sprachlichen Bildern,<br />
wie sie sich mit ihrer Vergangenheit<br />
beschäftigen. Die Formulierungen<br />
sind teilweise so eindringlich, dass sie<br />
durchaus als ein modernes Gegenstück<br />
zur Lutherübersetzung der Römerbriefe<br />
gedeutet werden können. So wie in<br />
Angie Dehios Arbeit werden auch in der<br />
Arbeit von Wenke Seemann allgemein<br />
menschliche Probleme mittels individueller<br />
Schicksale dargestellt. Zugleich<br />
zeigt die Arbeit aber auch, dass die Therapieangebote<br />
der Stadtmission zumindest<br />
bei den interviewten »Bewohnern«<br />
erfolgreich waren, da sie bereit waren,<br />
sehr tiefgründige Aussagen zu machen,<br />
die sich alle auf ihre konkrete Lebenslage<br />
beziehen.<br />
Die Porträts von Angie Dehio holen<br />
bildlich wie symbolisch die Bewohner<br />
aus einer Dunkelheit hervor und stellen<br />
sie in das warme Licht eines geöffneten<br />
Fensters nach draußen, was wiederum<br />
symbolisch gelesen werden<br />
kann. Entscheidend an diesen Bildern<br />
ist, dass man den Porträtierten zwar<br />
ansieht, dass sie schwere Lebensentscheidungen<br />
hinter sich gebracht haben,<br />
die Zukunft aber offen ist. Angie Dehio<br />
hat ein Renaissancelicht gefunden, um<br />
die Bewohner in einem neuem Licht<br />
erscheinen zu lassen. Vor allem betonen<br />
diese Bilder die Würde des Menschen,<br />
ohne dabei auf billige Mitleidseffekte<br />
zu setzen oder skandalträchtige<br />
Abgründigkeiten in die Öffentlichkeit<br />
zu zerren. So gesehen sind diese Bilder
© Angie Dehio © Angie Dehio © Angie Dehio<br />
Gleichnisse zu allgemeinen Fragen des<br />
menschlichen Daseins, aber sie künden<br />
auch von einem geglückten Engagement<br />
der Mitarbeiter der Stadtmission.<br />
Die Arbeit von Andreas Rost besteht<br />
aus ganz nahen Porträts der Bewohner.<br />
Sie werden mit einer 8x10 inch<br />
Großformatkamera fotografiert, wie<br />
sie seit der Erfindung der Fotografie bis<br />
heute nahezu unverändert von Fotografen<br />
benutzt wird, um das soziale<br />
Leben der Gesellschaft zu beschreiben.<br />
Unter den Kameras, die einem Fotografen<br />
heute zur Verfügung stehen, ist die<br />
Großformatkamera vielleicht so etwas<br />
wie das Klavier für Musiker. Ihr Klangvolumen<br />
erlaubt große dynamische Differenzierungen<br />
und Kontraste, Strukturen<br />
werden sinnlich begreifbar, sie<br />
ist Grundlage allen Fotografieren und<br />
Komponierens und dabei immer wieder<br />
überraschend neu im Klang. Das Fotografieren<br />
mit einer solchen Kamera fordert<br />
Zeit und Geduld. Die zu fotografierenden<br />
Personen hatten während der<br />
Porträtsitzung genügend Zeit, in sich<br />
selbst hinein zu hören, zu träumen oder<br />
nachzudenken, bevor das Bild gemacht<br />
wurde. So entstanden Fotografien, die<br />
während des Wartens auf die Aufnahme<br />
die Innerlichkeit der Porträtierten reflektieren<br />
und zugleich das »Warten«, was<br />
ja mutmaßlich ein Lebensthema vieler<br />
»Bewohner« ist, darstellen.<br />
© Wenke Seemann © Wenke Seemann<br />
Aus diesen drei künstlerischen Positionen<br />
ergeben sich drei sehr verschiedene<br />
Sichten auf ein und dieselbe Person, so<br />
dass das Gesamtprojekt an sich schon<br />
ein Sinnbild dafür ist, wie wenig die<br />
üblichen Vorurteile zu Straffälligen mit<br />
deren Lebenswirklichkeit zu tun haben<br />
und wie wichtig und erfolgreich eine<br />
sinnvolle Hilfe für sie sein kann.<br />
Vernissage:<br />
14. Februar <strong>2013</strong>, 19 Uhr<br />
15. Februar bis 22. März <strong>2013</strong><br />
Fotogalerie Friedrichshain<br />
Helsingforser Platz 1<br />
10243 Berlin-Friedrichshain<br />
Di, Mi, Fr, Sa 13 – 18 Uhr<br />
Do 10 – 18 Uhr<br />
<strong>brennpunkt</strong> 1/<strong>2013</strong><br />
Galerien<br />
23
Galerien<br />
Michael Busse<br />
»Zu den Liebesinseln«<br />
Auf den Spuren von<br />
Theodor Fontanes Roman<br />
»Der Stechlin«<br />
Eine Flussfahrt zu sagenumwobenen<br />
Inseln. Die Kamera sucht die Landschaften,<br />
die Atmosphäre und das Licht von<br />
Theodor Fontanes Roman »Der Stechlin«.<br />
Bilder zwischen Fotografie, Malerei<br />
und Kino sind so entstanden, alle mit<br />
langen Belichtungszeiten vom fahrenden<br />
Schiff aufgenommen. Keine Landschaftsfotografie<br />
im klassischen Sinne,<br />
sondern Suche nach Stimmungen<br />
Brandenburger und Berliner Fluss- und<br />
Seenlandschaften, die Theodor Fontanes<br />
letzter Roman portraitiert. Alles<br />
ist in Bewegung wie auch die Gesellschaft<br />
am Ende des 19. Jahrhunderts<br />
als die Modernität in die Melancholie<br />
des ruhigen Lebens des brandenburgischen<br />
Landadels einbrach und die Bourgeoisie<br />
zwischen demokratischen Forderungen<br />
und ihrer Treue zur preußischen<br />
Tradition hin- und herschwankte.<br />
Die Strommasten und Fabrikschornsteine<br />
kündeten grundsätzliche Veränderungen<br />
in der Gesellschaft und im<br />
Leben der Leute an. Industrialisierung,<br />
Militarisierung und den ersten Weltkrieg<br />
am Horizont. Vielleicht waren die Liebesinseln,<br />
auf der sich junge Liebende<br />
das Leben nahmen, also etwas mehr als<br />
nur ein Gerücht oder ein ironisches Pfeifen<br />
im Walde von Menschen, die Angst<br />
hatten.<br />
»Der Dampfer, gleich nachdem er die<br />
Brücke hinter Treptow passiert hatte,<br />
setzte sich in ein rascheres Tempo.<br />
Unsere Reisenden sprachen wenig, weil<br />
unter dem raschen Wechsel der Bilder<br />
eine Frage die andere zurückdrängte.<br />
Nur als der Dampfer zwischen den kleinen<br />
Inseln hinfuhr, wandte sich Melusine<br />
an Woldemar und sagte: Lizzi hat<br />
mir erzählt, hier zwischen Treptow und<br />
Stralau sei auch die Liebesinsel. Da stürben<br />
immer die Liebespaare, meist mit<br />
24 <strong>brennpunkt</strong> 1/<strong>2013</strong><br />
© Michael Busse<br />
einem Zettel in der Hand, auf dem alles<br />
stünde. Trifft das zu?«<br />
»Soviel ich weiß, trifft es zu. Solche Liebesinseln<br />
gibt es übrigens vielfach in<br />
unserer Gegend und kann als Beweis<br />
gelten, wie weitverbreitet der Zustand<br />
ist, dem abgeholfen werden soll, und<br />
wenn’s auch nur durch Sterben wäre«.<br />
Theodor Fontane in »Der Stechlin«,<br />
1898<br />
Die Serie »Zu den Liebesinseln« wurde<br />
im Juli 2012 im Rahmen des jungen und<br />
innovativen Festivals »Les nuits photographiques<br />
de Pierrevert« in Süd-Frankreich<br />
gezeigt und wird im Januar/Februar<br />
<strong>2013</strong> in der aff Galerie in Berlin<br />
und danach im Goethe-Institut in Rabat<br />
(Marokko) zu sehen sein.<br />
Michael Busse, Fotograf, Kameramann<br />
und Journalist, lebt und arbeitet in Berlin<br />
und Aix en Provence. Er ist Autor von<br />
rund achtzig Dokumentarfilmen für<br />
das deutsche, französische und spanische<br />
Fernsehen und ARTE. Er ist mit<br />
zahlreichen nationalen und internationalen<br />
Preisen, darunter Grimme- und<br />
Deutscher Fernsehpreis, ausgezeichnet<br />
worden.<br />
Seine Fotografien wurden ausgestellt in<br />
New York, Berlin und Frankreich.<br />
© Michael Busse<br />
© Michael Busse<br />
Vernissage: 25. Januar <strong>2013</strong>, 19 Uhr<br />
26. Januar bis 17. Februar <strong>2013</strong><br />
aff Galerie<br />
Kochhannstraße 14<br />
10249 Berlin-Friedrichshain<br />
Sa + So 14 – 17 Uhr<br />
www.aff-galerie.de
Dvorah Kern<br />
Marit Beer<br />
»Portraits«<br />
Unter dem Oberbegriff Portraits stellen<br />
Dvorah Kern und Marit Beer ihre Serien<br />
vor, in der Menschen die Hauptakteure<br />
sind.<br />
In der Serie »One Child« fotografierte<br />
Dvorah Kern Ihre Schwester im Alter<br />
von 7 bis 14 Jahren. In dieser Zeit konnte<br />
sie die Entwicklung von einem Kind<br />
zu einem jungen Mädchen mitverfolgen.<br />
Durch die geschwisterlilche Nähe<br />
zeigen die Fotos nicht nur das Abbild<br />
eines Mädchens, sondern der Betrachter<br />
findet auch die Gefühlswelt Dvorahs<br />
darin wieder. Die Bilder sind in der<br />
Regel spontan nach Beobachtungen<br />
entstanden und nicht gestellt. So war es<br />
der Fotografin möglich, das innere Verhältnis<br />
beider auszuloten und sichtbar<br />
zu machen. Die meisten Fotos sind mit<br />
einer analogen Kleinbildkamera bzw.<br />
mit einer Mittelformatkamera entstanden.<br />
Marit Beer stellt zum ersten Mal ihre<br />
Serie »Ghost« einem größerem Publikum<br />
vor. Sie selbst sagt dazu:<br />
»Sie verbergen sich auf Nebelfeldern im<br />
Morgengrauen oder des Nachts in unseren<br />
Zimmern außerhalb des Lichtscheins<br />
der Leselampe, wenn wir die Seiten<br />
des Buches weiterblättern. Manchmal<br />
erzählen wir Ihre schönen, manchmal<br />
auch traurigen oder sogar grausamen<br />
Geschichten weiter. Und manchmal versuchen<br />
wir sie festzuhalten«.<br />
In ihrer Serie hat die Berliner Fotografin<br />
nach Menschen gesucht, die eben<br />
jene Geschichten in ihren Gesichtern<br />
tragen. Entstanden sind dabei Bilder in<br />
denen Ort und Raum bedeutungslos<br />
werden und selbst der Fokus der Kamera<br />
unschlüssig darüber ist, was genau sich<br />
aus dem Nichts herausschält um aufgezeichnet<br />
zu werden. Es obliegt ganz<br />
allein dem Betrachter, die Geschichte<br />
der Geister weiterzuerzählen. Sämtliche<br />
Fotos sind mit einer Kleinbildkamera<br />
entstanden.<br />
© Marit Beer © Marit Beer<br />
© Dvorah Kern © Dvorah Kern, (Original in Farbe)<br />
© Dvorah Kern<br />
<strong>brennpunkt</strong> 1/<strong>2013</strong><br />
Galerien<br />
Vernissage: 1. März <strong>2013</strong>, 19 Uhr<br />
2. März bis 24. März <strong>2013</strong><br />
aff Galerie<br />
Kochhannstraße 14<br />
10249 Berlin-Friedrichshain<br />
Sa + So 14 – 17 Uhr<br />
www.aff-galerie.de<br />
25
Galerien<br />
Andreas Fischer<br />
»Tante Hilde«<br />
Zu Beginn des Jahres startet der<br />
Kunstraum FRÖAUF mit der Ausstellung<br />
»Tante Hilde«. Gezeigt werden<br />
sehr persönliche Fotografien des<br />
Filmemachers und Fotografen Andreas<br />
Fischer. Bekannt wurde er durch<br />
zahlreiche Dokumentarfilme wie der<br />
»Hamburger Feuersturm 1943«, »Die<br />
Les Humphries Singers – Aufstieg und<br />
Fall einer Poplegende« und »Contergan:<br />
Die Eltern«.<br />
Andreas Fischer wird 1961 im Rheinland<br />
als Sohn eines Fotografenehepaares<br />
geboren. Da die Eltern mit der Führung<br />
eines Fotoateliers beschäftigt sind,<br />
übernimmt seine Tante Hilde die<br />
Betreuung des Kindes. Andreas nennt<br />
sie liebevoll »Herzlieb«, die beiden<br />
sind in tiefer Zuneigung verbunden. Im<br />
Juni 2010 stirbt Tante Hilde im Alter<br />
von 90 Jahren. Bis zuletzt lebte sie in<br />
ihrem Reihenhäuschen, welches sie mit<br />
ihrem inzwischen verstorbenen Mann<br />
1964 bezogen hatte.<br />
Da die Tante selbst kinderlos blieb,<br />
fällt dem Neffen die Aufgabe zu, ihren<br />
Nachlass zu ordnen, den Haushalt<br />
aufzulösen, das Haus leer zu räumen.<br />
Andreas Fischer fotografiert vor<br />
der Auflösung des Haushaltes den<br />
Lebensraum seiner Tante Hilde im Detail.<br />
Entstanden ist eine berührende Fotoserie,<br />
die vom Leben, vom Abschied und<br />
von überdauernder Zuneigung erzählt.<br />
Und wenn Andreas Fischer einen alten<br />
Küchenstuhl fotografiert, dessen brüchig<br />
gewordener Kunststoffsitzbezug mit<br />
einem Pflaster geflickt wurde, erzählt<br />
dies auch von der Mentalität einer<br />
ganzen Generation, die einen Weltkrieg,<br />
Not und Hunger erleben musste.<br />
Zur Zeit arbeitet Andreas Fischer an<br />
einem Dokumentarfilm mit dem<br />
Titel »HERZLIEB IST GEGANGEN«.<br />
In diesem Film thematisiert er die<br />
Haushaltsauflösung, die gleichzeitig<br />
mit der Fußballweltmeisterschaft 2010<br />
stattfand. Tagsüber entsorgt Fischer<br />
50 von der Tante im Keller gelagerte,<br />
sorgsam ausgespülte und gestapelte<br />
Pflaumenmusbecher, am Abend filmt er<br />
den Jubel der Zuschauer beim Public<br />
26 <strong>brennpunkt</strong> 1/<strong>2013</strong><br />
© Andreas Fischer, (Original in Farbe)<br />
© Andreas Fischer, (Original in Farbe) © Andreas Fischer, (Original in Farbe)<br />
Viewing nach einem Tor der deutschen<br />
Mannschaft.<br />
Eine Rohfassung des Films ist in<br />
Anwesenheit des Regisseurs am 26.<br />
Januar um 20 Uhr im kunstraum<br />
FRÖAUF zu sehen. Im Anschluss an<br />
die Vorführung gibt es die Gelegenheit<br />
zu einem Werkstattgespräch.<br />
Weitere Informationen zu Andreas<br />
Fischer auf der Website<br />
www.moraki.de<br />
Vernissage am Samstag 19. Januar <strong>2013</strong><br />
von 19 Uhr bis 23 Uhr<br />
Finissage am Samstag 23. Februar <strong>2013</strong><br />
von 19 bis 22 Uhr<br />
© Andreas Fischer, (Original in Farbe)<br />
20. Januar bis 23. Februar <strong>2013</strong><br />
kunstraum FRÖAUF<br />
Fröaufstraße 7<br />
12161 Berlin-Friedenau<br />
Do – Sa 16 – 19 Uhr<br />
und nach Vereinbarung<br />
www.fröauf.de
André Baschlakow<br />
»Hinterlassenschaften«<br />
André Baschlakow, geboren 1964 in<br />
Hannover, kam während seines Studiums<br />
des Industriedesigns an der HDK<br />
Berlin mit der Fotografie in Berührung.<br />
Zu seinen bekanntesten Arbeiten gehören<br />
die Tagebau Landschaften der Niederlausitz,<br />
die ihn ab 1994 so faszinierten,<br />
dass er eine spezielle Kamera<br />
im Ultragroßbild-Format von der Firma<br />
Lotus in Österreich anfertigen ließ, um<br />
die einzigartige Intensität dieser Landschaft<br />
festzuhalten. Diese Kamera<br />
erzeugt Negative im Format 30 cm x<br />
40 cm. Später kam eine weitere Kamera<br />
für das Format 20 cm x 25 cm hinzu.<br />
Beide Formate bilden die Ausgangsbasis<br />
für direkte Hand-Kontakt-Prints<br />
ohne Vergrößerung im Maßstab 1:1.<br />
Das direkte Kontakt-Print-Verfahren<br />
ist das älteste Print-Verfahren in der<br />
Geschichte der Fotografie. Fotografen-Pioniere<br />
des amerikanischen Westens,<br />
wie beispielsweise Timothy H.<br />
O´Sullivan oder William Henry Jackson,<br />
haben mit ihren Großbildkameras<br />
wunderbare Landschaftsaufnahmen in<br />
die Städte gebracht.<br />
2010 hat André Baschlakow das analoge<br />
Thema der Tagebaulandschaften abgeschlossen<br />
- die Beschaffung mit hochwertigen<br />
Planfilmen in diesem Format<br />
wurde zunehmend schwieriger.<br />
In seinen neuen digitalen Arbeiten<br />
mit dem Titel »Hinterlassenschaften«<br />
knüpft Baschlakow an seinen hohen<br />
technischen Anspruch, der Fotografien<br />
der Tagebau Landschaften an.<br />
Wie auch in dieser Fotoserie, ist es ihm<br />
in seinen neuen Arbeiten von zentraler<br />
Bedeutung, den fotografischen Prozess<br />
vollständig zu steuern und zu gestalten.<br />
Das Sujet der Landschaftsfotografie welches<br />
in den Tagebau Arbeiten im Vordergrund<br />
stand, hat sich jedoch zu imposanter<br />
Architekturfotografie gewandelt.<br />
Zentrale Themen der neuen Arbeiten<br />
von Baschlakow sind architektonische<br />
Formen, die brach liegen, ihrer Funktion<br />
entledigt und in Vergessenheit geraten<br />
sind.<br />
© André Baschlakow, (Original in Farbe)<br />
© André Baschlakow, (Original in Farbe)<br />
© André Baschlakow, (Original in Farbe)<br />
Die Fotografien zeigen eine verlassene,<br />
apokalyptische Welt, in der die Natur<br />
die Gebäude durchdringt, aushöhlt,<br />
überwuchert und die glatten präzisen<br />
Flächen zu brechen droht. Baschlakow<br />
abstrahiert die Architektur auf reine<br />
Form, zeigt sie im Dialog mit der Natur,<br />
die, wie es in den Bildern scheint, sich<br />
unaufhaltsam nähert.<br />
Die sorgsam fotografierten Bilder, hochaufgelöst,<br />
mit eindringlicher Schärfe, die<br />
Farbe bis auf einen kaum wahrnehmbaren<br />
Grad reduziert, deuten auf die Fragilität<br />
unserer Existenz.<br />
Ein Künstlergespräch ist vorgesehen,<br />
der Termin stand bei Drucklegung noch<br />
nicht fest.<br />
Bitte informieren sie sich hierüber auf<br />
der Website www.fröauf.de<br />
© André Baschlakow, (Original in Farbe)<br />
© André Baschlakow, (Original in Farbe)<br />
3. März bis 13. April <strong>2013</strong><br />
kunstraum FRÖAUF<br />
Fröaufstraße 7<br />
12161 Berlin-Friedenau<br />
Do – Sa 16 – 19 Uhr<br />
und nach Vereinbarung<br />
www.fröauf.de<br />
<strong>brennpunkt</strong> 1/<strong>2013</strong><br />
Galerien<br />
Vernissage am Samstag, 2. März <strong>2013</strong><br />
von 19 Uhr bis 23 Uhr<br />
Finissage am Samstag, 13. April <strong>2013</strong><br />
von19 Uhr bis 22 Uhr<br />
27
Galerien<br />
Lorant Szathmary<br />
Ȇberall und<br />
nirgends«<br />
Die Präsentation von Lorant Szathmary<br />
mit dem Titel »Überall und nirgends«<br />
ist eine Stellungnahme zu seinen Arbeiten.<br />
Aus seiner Sicht sind das Objekt, der<br />
Ort und der Zeitpunkt der Aufnahme<br />
Vorgänge, der einer Präzisierung nicht<br />
bedürfen. Das Abgebildete kann überall<br />
und zu jeder Zeit sein.<br />
»Stille Mobilität« ist der Titel einer<br />
Serie, die Nachtaufnahmen von Tankstellen<br />
und stillgelegten Fahrzeugen im<br />
übertragenen Sinne ironisch reflektiert.<br />
Objekte, die wir als Inbegriff von Mobilität<br />
verstehen sind unbeweglich, ihrer<br />
eigentlichen Bestimmung beraubt. Sie<br />
stehen da wie Stillleben, ausschließlich,<br />
um bewundert zu werden.<br />
Eine weitere Serie zeigt Situationen möglicher<br />
Landschaften, wie sie überall vorhanden<br />
sein könnten. Es ist eine spärlich<br />
beleuchtete reale Welt, die Szathmary<br />
als Zitat versteht, bezogen auf eine Welt<br />
die ihm aus Osteuropa sehr vertraut ist.<br />
Der Titel der Serie „Goldenes Zeitalter“<br />
weist ironisch auf ein minimales Maß<br />
an »Muss« hin, das sich in der allein<br />
stehenden und gut beleuchteten Baustellentoilette<br />
manifestiert.<br />
In der Serie »Weihnachtsbilder« wird<br />
in einer minimalistischen Bildersprache<br />
der feierliche Ort zum Gemeinplatz, die<br />
Beleuchtung der Fenster zu einem banalen<br />
Gegenstand. Die nach außen getragenen<br />
Empfindungen sind leere Zitate<br />
einer Welt, die sich dem Konsum verschrieben<br />
hat. Wir werden zu Voyeuren<br />
einer nicht existierenden Innerlichkeit.<br />
Das wahre Empfinden bleibt uns verborgen.<br />
Der Zutritt zum Fest der Freude<br />
wird uns verwehrt.<br />
Drei Farbbilder sind die Ausnahme in<br />
der Ausstellung. Die Bilder spiegeln<br />
Leere, Angst, Zweifel und vielleicht<br />
Verzweiflung. Es sind Aufnahmen die<br />
durch Streifzüge in verlassene Häusern<br />
und Industriebrachen entstanden sind.<br />
28 <strong>brennpunkt</strong> 1/<strong>2013</strong><br />
© Lorant Szathmary<br />
Der konstruktiv abstrakte Bildaufbau,<br />
die reduzierte Farbigkeit, die vorgefundene<br />
Lichtsituation unterstreichen die<br />
Ästhetik der Abwesenheit.<br />
Bestandteil der Präsentation ist auch<br />
eine Serie von Aufnahmen, die Szathmary<br />
noch in seiner alten Heimat<br />
auf dem Dachboden seiner Großmutter<br />
machte. Durch Zufall entdeckte er<br />
die Negative im Sommer 2011. Es sind<br />
Langzeitaufnahmen mit einer geliehenen<br />
6x6 Kamera sowjetischer Bauart.<br />
Nicht nur die abgebildeten Gegenstände<br />
erscheinen ihm aus der zeitlichen<br />
Perspektive wesentlich, sondern<br />
die übermittelte Stimmung von Intimität<br />
und Stille.<br />
Szathmary arbeitet in Serien, analog, mit<br />
einer Großformatkamera, hauptsächlich<br />
in Schwarz/Weiß. Sein Anspruch<br />
auf höchste technische Qualität und<br />
Perfektion ist zugleich sein Programm,<br />
dass er konsequent verfolgt.<br />
© Lorant Szathmary<br />
Vernissage<br />
28. März <strong>2013</strong>, ab 19 Uhr<br />
29. März bis 10. Mai <strong>2013</strong><br />
Fotogalerie Friedrichshain<br />
Helsingforser Platz 1<br />
10243 Berlin-Friedrichshain<br />
Di, Mi, Fr, Sa 13 – 18 Uhr<br />
Do 10 – 18 Uhr
Jürgen Schadeberg<br />
»The concerned<br />
Photographer«<br />
Jürgen Schadeberg wurde 1931 in<br />
Berlin geboren.<br />
Ab 1946 Besuch der Schule für Optik<br />
und Phototechnik in Berlin, anschließend<br />
Praktikum bei der Deutschen<br />
Presse Agentur in Hamburg.<br />
1950 zog er nach Johannesburg, Südafrika<br />
und arbeitete dort als Fotograf und<br />
Fotoredakteur bis 1959 bei dem Magazin<br />
drum, das sich hauptsächlich an<br />
die schwarze Bevölkerung wendete. Er<br />
war Mentor und Förderer zahlreicher<br />
schwarzer einheimischer Fotografen.<br />
Schadebergs Haltung stand im Gegensatz<br />
zur herrschenden Apartheid Politik<br />
in Südafrika, zwangsläufig kam es<br />
zu Konflikten mit den Behörden und zu<br />
Behinderungen seiner journalistischen<br />
Arbeit.<br />
1964 verließ Jürgen Schadeberg Südafrika<br />
und arbeitete als freier Fotograf für<br />
internationale Magazine. Bis 1968 war<br />
er Redakteur von Creative Camera in<br />
London.<br />
1969-72 studierte er Malerei in Spanien<br />
und lehrte an mehreren Kunsthochschulen,<br />
bevor er 1985 nach Südafrika<br />
zurückkehrte.<br />
Es entstanden Fotobücher und Dokumentarfilme,<br />
die sich mit dem alltäglichen<br />
Leben der schwarzen Bevölkerung<br />
befassten - in der Zeit des Übergangs bis<br />
zum Ende der Apartheid.<br />
Heute lebt Jürgen Schadeberg mit seiner<br />
Frau und Arbeitspartnerin Claudia<br />
wieder in Berlin, seiner Geburtsstadt.<br />
Jürgen Schadebergs Fotografien sind<br />
weltweit in vielen Sammlungen vertreten,<br />
seine Bilder wurden seit 1962 in<br />
unzähligen Gruppen- und Einzelausstellungen<br />
in Afrika, in den USA und in<br />
Europa gezeigt, wie zuletzt in der Ausstellung<br />
»Rise and fall of Apartheid« in<br />
New York im International Center of<br />
Photography.<br />
© Jürgen Schadeberg, »Nelson Mandela«, 1952<br />
Vernissage<br />
11. Januar <strong>2013</strong>, 19 – 21 Uhr<br />
12. Januar bis 16. März <strong>2013</strong><br />
Galerie argus fotokunst<br />
Marienstraße 26<br />
10117 Berlin-Mitte<br />
Mi – Sa 14 – 18 Uhr<br />
<strong>brennpunkt</strong> 1/<strong>2013</strong><br />
Galerien<br />
© Jürgen Schadeberg, »drumcover«, 1955 © Jürgen Schadeberg, »Gay Graeties«, 1952<br />
29
Galerien<br />
Shômei Tômatsu<br />
»Photographs 1951-<br />
2000«<br />
Anlass der Ausstellung ist die Präsentation<br />
unseres neuen Buches von Shômei<br />
Tômatsu, das eine Auswahl der hundert<br />
wichtigsten Bilder seines Schaffens<br />
umfasst.<br />
Only Photography freut sich, nach den<br />
Büchern von Yutaka Takanashi und Issei<br />
Suda die Reihe über die Meister der<br />
japanischen Nachkriegsfotografie mit<br />
dem Buch über Shômei Tômatsu fortsetzen<br />
zu können.<br />
»Obwohl mir eine Reihe seiner ikonischen<br />
Bilder seit Jahren vertraut sind,<br />
habe ich erst in der Vorbereitung dieses<br />
Buches das gesamte Spektrum seiner 60jährigen<br />
Arbeit zu erfassen gelernt. Aus<br />
ca. 15 seiner bisher erschienenen Publikationen<br />
– darunter der einzigen bedeutenden<br />
westlichen Veröffentlichung,<br />
dem Ausstellungskatalog des San Francisco<br />
Museum of Art aus dem Jahr 2006<br />
– habe ich eine Auswahl von zirka 110<br />
Bildern für mein Buch getroffen. Mit<br />
Kopien dieser Auswahl unter dem Arm<br />
besuchte ich Shomei Tomatsu und seine<br />
Frau im Sommer dieses Jahres in seinem<br />
Atelier in Okinawa, wo er sich vorwiegend<br />
aus gesundheitlichen Gründen<br />
seit einigen Jahren niedergelassen hat.<br />
Und war verblüfft, dass der große Meister,<br />
dem in Fachkreisen ein sehr strenger<br />
Ruf vorauseilt, meine Auswahl ohne<br />
Abstriche für gut befand. Außer einigen<br />
wenigen Bildern aus den ersten Jahren<br />
der amerikanischen Besetzung Okinawas<br />
– sie sollen einer geplanten Veröffentlichung<br />
eines amerikanischen Verlages<br />
zu diesem Thema vorbehalten bleiben<br />
– und drei Motiven, zu denen sich<br />
die Negative nicht mehr auffinden liessen,<br />
ist meine Auswahl zum Inhalt des<br />
vorliegenden Buches geworden. Mir<br />
war bewusst, dass meine Vorgabe von<br />
etwa 100 Abbildungen für dieses Buch<br />
bedeuten musste, dass das eine oder<br />
andere wichtige Motiv fehlen würde.<br />
Trotzdem bin ich davon überzeugt,<br />
dass die getroffene Auswahl nicht nur<br />
mir vermittelt, warum Shômei Tômatsu<br />
von nahezu allen lebenden japani-<br />
30 <strong>brennpunkt</strong> 1/<strong>2013</strong><br />
Chindonya 4, Tokyo 1961, © Shômei Tômatsu, courtesy only photography<br />
Young Power 1, Shinjuku, Tokyo 1969,<br />
© Shômei Tômatsu, courtesy only photography<br />
Blood and Roses, Tokyo 1963,<br />
© Shômei Tômatsu, courtesy only photography<br />
schen Fotografen – einschließlich der im<br />
Westen wesentlich präsenteren Stars der<br />
Szene wie Nobuyoshi Araki oder Daido<br />
Moriyama – als »godfather« der japanischen<br />
Fotografie angesehen wird, zu<br />
dem alle Kollegen seine Heimatlandes<br />
mit Hochachtung aufblicken. Und das<br />
Buch dazu verhelfen soll, seiner Arbeit<br />
und seinem Namen auch in der internationalen<br />
Fotoszene den angemessenen<br />
Platz zu verschaffen«.<br />
Roland Angst<br />
Evident absence, Michiko Takahashi, Tokyo<br />
1971, © Shômei Tômatsu, courtesy only<br />
photography.<br />
bis 31. Januar <strong>2013</strong><br />
ONLY PHOTOGRAPHY<br />
Roland Angst<br />
Niebuhrstraße 78<br />
10629 Berlin-Charlottenburg<br />
Mi – Fr 14 – 19 Uhr<br />
Sa 11 – 16 Uhr
Christian Patterson<br />
»REDHEADED<br />
PECKERWOOD«<br />
2011 veröffentlicht und von der internationalen<br />
Kritik euphorisch gefeiert,<br />
ist eine Serie von Objekten, Dokumenten<br />
und Fotografien, die auf einer tragischen,<br />
wahren Geschichte beruhen. Die<br />
Geschichte von zwei Teenagern, Charles<br />
Starkweather und Carol Ann Fugate,<br />
die nach dreitägiger Flucht insgesamt<br />
11 Menschen ermordet hatten und im<br />
November 1958 verhaftet wurden, hat<br />
sich tief in das kollektive Gedächtnis<br />
Amerikas eingegraben. Terrence<br />
Mallicks »Badlands« und Oliver Stones<br />
»Natural Born Killers« beruhen auf ihrer<br />
Geschichte. Christian Patterson ist die<br />
Route ihrer Flucht durch Wyoming nach<br />
Nebraska nachgefahren, er hat sich in<br />
Bogomir Ecker<br />
»Idylle + Desaster«<br />
Seit vielen Jahren sammelt der Künstler<br />
Bogomir Ecker mit unkonventionellem,<br />
eben künstlerischem Blick historische<br />
Fotografien: von Landschaftsaufnahmen<br />
des 19. Jahrhunderts aus aller Welt bis<br />
zur klassischen Presse- und Sensationsfotografie<br />
des 20. Jahrhunderts aus den<br />
USA. Die Bilder werden von ihm einerseits<br />
direkt für die künstlerische Arbeit<br />
etwa bei den »Hammerschlag-Übermalungen«<br />
verwendet, dienen aber auch<br />
als Inspirationsquelle für skulpturale<br />
Werke. Folglich steht im Kaisersaal des<br />
Museums für Fotografie eine monumentale<br />
Skulptur Eckers im Mittelpunkt, um<br />
die sich Fotografien aus den Themengruppen<br />
Idyllen und Desaster präsentieren.<br />
Die Ausstellung knüpft an die Installationen<br />
zeitgenössischer Künstler und Fotografen<br />
in der Kaisersaalruine von 2004<br />
bis 2008 an. Damit zeigt das Museum<br />
© Christian Patterson, »House at Night« aus<br />
der Serie »Redheaded Peckerwood«, (O.i.F.)<br />
Polizeiarchive vertieft, Tatorte fotografiert<br />
und Augenzeugen befragt und<br />
eine künstlerische Arbeit gefertigt, die<br />
sich aus Fotografien und Archivfunden,<br />
Zeichnungen, Objekten und Dokumenten<br />
zusammenfügt, »eine Akte, gefüllt<br />
mit Hinweisen und Stichworten – ein<br />
Rätsel, das es zu lösen gilt!«, so Christian<br />
Patterson.<br />
Photographer unknown: »Hamburg<br />
Thunderbolt raid on Feb. 1.43, a Lancaster<br />
against the 4’000 lbs bomb burst’s«, 1943<br />
© Bogomir Ecker<br />
für Fotografie sein fortwährendes Interesse<br />
an aktuellen Positionen der Kunst<br />
und Fotografie. Zeitgleich präsentiert<br />
das Museum für Photographie in Braunschweig<br />
von Bogomir Ecker überarbeitete<br />
Zeitungsseiten, auf denen einzelne<br />
Fotografien von ihm herauspräpariert<br />
werden.<br />
<strong>brennpunkt</strong> 1/<strong>2013</strong><br />
Galerien<br />
Das Buch zur Serie erschien 2011 bei<br />
Mack Books, London. Es wurde international<br />
mit hymnischen Kritiken gefeiert<br />
und vielfach unter die Top 10 der<br />
besten Fotobücher 2011 gewählt, unter<br />
anderem von den Redaktionen der New<br />
York Times, The Guardian, London und<br />
Le Monde, Paris. »Redheaded Peckerwood«<br />
wurde außerdem in diesem Jahr<br />
mit dem renommierten Book Author<br />
Award 2012 bei den Rencontres de la<br />
Photographie in Arles ausgezeichnet<br />
und war zuletzt im Museum of Contemporary<br />
Photography in Chicago zu<br />
sehen.<br />
bis 9. Februar <strong>2013</strong><br />
Robert Morat Galerie<br />
Kleine Hamburger Straße 2<br />
10115 Berlin-Mitte<br />
Sa 12 – 18 Uhr<br />
und nach Vereinbarung<br />
Photographer unknown: Alicia Gracia, 1947<br />
© Bogomir Ecker<br />
bis 17. März <strong>2013</strong><br />
Museum für Fotografie<br />
Jebensstraße 2<br />
10629 Berlin-Charlottenburg<br />
Di – So 10 – 18 Uhr<br />
Do 10 – 20 Uhr<br />
31
Galerien<br />
15 Jahre<br />
CAMERA WORK<br />
Anlässlich des 15. Geburtstages der<br />
Galerie werden über 100 Highlights von<br />
Photographen gezeigt, die seit Galeriegründung<br />
1997 von CAMERA WORK<br />
vertreten sowie in eindrucksvollen Ausstellungen<br />
präsentiert worden sind und<br />
zugleich Photographie als Kunstform<br />
geprägt haben.<br />
»15 Jahre CAMERA WORK« blickt<br />
zurück auf die vergangenen 15 Jahre<br />
und lädt nicht nur treue Freunde der<br />
Galerie ein, die spektakulärsten Ausstellungen<br />
neu aufleben zu lassen, sondern<br />
gibt auch Photokunstinteressierten<br />
die Möglichkeit, die Geschichte und das<br />
Portfolio von CAMERA WORK kennenzulernen.<br />
Aus 100 Ausstellungen mit<br />
weit über 100 namhaften Künstlerinnen<br />
und Künstlern und insgesamt über<br />
5.000 gezeigten Arbeiten bildet »15<br />
Jahre CAMERA WORK« eine beeindruckende<br />
Chronik in Form von künstlerischen<br />
Höhepunkten aus der Historie<br />
der Galerie.<br />
Anlehnend an die Philosophie von<br />
CAMERA WORK präsentiert die Ausstellung<br />
neben den Wegbereitern und<br />
Ikonen der künstlerischen Photographie<br />
des 20. Jahrhunderts wie Richard<br />
Avedon, Horst P. Horst, Helmut Newton,<br />
Irving Penn, Man Ray, Herb Ritts oder<br />
Jeanloup Sieff auch Arbeiten von<br />
renommierten zeitgenössischen Photographen,<br />
die von CAMERA WORK<br />
vertreten werden. Besonderen Fokus<br />
legt »15 Jahre CAMERA WORK« dabei<br />
auf jene Künstlerinnen und Künstler,<br />
die erstmals welt-oder europaweit bei<br />
CAMERA WORK ausgestellt wurden<br />
und anschließend bis heute nicht nur<br />
beeindruckende Karrieren im Bereich<br />
der Photokunst aufweisen und auf dem<br />
Photokunstmarkt bemerkenswerte<br />
Ergebnisse erzielen können, sondern<br />
zusammen mit CAMERA WORK auch<br />
maßgeblich am Erfolg der Photokunst<br />
auf dem Weg zum akzeptierten Teil der<br />
bildenden Kunst beigetragen haben.<br />
Darunter zählen neben exklusiv vertretenen<br />
Künstlern wie David Drebin, Jean-<br />
32 <strong>brennpunkt</strong> 1/<strong>2013</strong><br />
© ALBERT WATSON, ALFRED HITCHCOCK, LOS ANGELES, 1973<br />
© STEVE SCHAPIRO, THE WHISPER I<br />
MARLON BRANDO IN “THE GODFATHER”,<br />
NEW YORK, 1971, (O.i.F.)<br />
Baptiste Huynh, Russell James, Robert<br />
Polidori auch Martin Schoeller und Nick<br />
Brandt. Nachdem letzteren jeweils 2005<br />
bei CAMERA WORK ihre weltweit ersten<br />
Einzelausstellungen gewidmet wurden,<br />
erzielen deren Arbeiten seitdem auch<br />
© WILL MCBRIDE, KENNEDY, BRANDT<br />
UND ADENAUER VERLASSEN DAS<br />
BRANDENBURGER TOR, BERLIN, 26.06.1963<br />
auf Photokunstauktionen stetig höhere<br />
Ergebnisse. Als international tätiges<br />
Unternehmen ist CAMERA WORK seit<br />
seiner Gründung auch bedacht, deutsche<br />
Künstlerinnen und Künstler zu vertreten<br />
und zu fördern. So zeigt »15 Jahre
© TINA BERNING UND MICHELANGELO DI BATTISTA, CLAUDIA UNDERWATER, 2012<br />
(Original in Farbe)<br />
© DAVID DREBIN, DREAMS OF CENTRAL PARK, 2006, (Original in Farbe)<br />
© HERB RITTS, MADONNA I,<br />
SAN PEDRO, 1990<br />
© RUSSELL JAMES, HANG LOOSE,<br />
LOS ANGELES, 2006<br />
<strong>brennpunkt</strong> 1/<strong>2013</strong><br />
Galerien<br />
CAMERA WORK« u.a. auch Werke von<br />
Thomas Billhardt, Thomas Hoepker,<br />
Robert Lebeck, Ralph Mecke, Lukas<br />
Roth sowie Tina Berning, deren zeitgenössische<br />
Arbeiten in Zusammenarbeit<br />
mit Michelangelo Di Battista die<br />
Grenzen zwischen Modephotographie,<br />
Illustration und Malerei verschwimmen<br />
lassen und so der Photokunst einen einzigartigen<br />
Charakter verleihen.<br />
33
Galerien<br />
Über CAMERA WORK<br />
Die in Berlin ansässige Galerie CAMERA<br />
WORK wurde 1997 gegründet und<br />
hat sich seitdem zu einer der weltweit<br />
führenden Galerien für Photokunst<br />
entwickelt. Anlehnend an den historisch<br />
geprägten Galerienamen folgt das<br />
Unternehmen von Beginn an der<br />
Philosophie, neben den bekanntesten<br />
Künstlern der Photographiegeschichte<br />
wie Diane Arbus, Richard Avedon,<br />
Helmut Newton, Irving Penn oder Man<br />
Ray auch junge zeitgenössische Künstler<br />
zu vertreten und in Ausstellungen zu<br />
zeigen, um die Position der Photokunst<br />
als eigenständige Gattung innerhalb der<br />
bildenden Künste zu manifestieren und<br />
neuen Positionen Raum zu geben. Dabei<br />
vertritt CAMERA WORK zahlreiche<br />
renommierte zeitgenössische Künstler<br />
© HERB RITTS, CINDY CRAWFORD,<br />
HAWAII, 1988<br />
in Deutschland, Europa oder weltweit<br />
exklusiv, u.a. Nick Brandt, David<br />
Drebin, Jean-Baptiste Huynh, Robert<br />
Polidori oder Martin Schoeller. Um<br />
der zeitgenössischen (Photo-)Kunst<br />
einen noch größeren Stellenwert in der<br />
strukturellen Ausrichtung beizumessen,<br />
eröffnete CAMERA WORK zu Beginn<br />
des Jahres 2012 mit der CWC GALLERY<br />
eine Dependance in Berlin, die verstärkt<br />
moderne Positionen präsentiert.<br />
CAMERA WORK ist regelmäßig auf<br />
den international bedeutendsten<br />
Photokunstmessen vertreten, darunter<br />
Paris Photo und Tokyo Photo.<br />
34 <strong>brennpunkt</strong> 1/<strong>2013</strong><br />
© THOMAS HOEPKER, MUHAMMAD ALI, SHOWING OFF HIS RIGHT FIST, CHICAGO, 1966<br />
© JEAN-BAPTISTE HUYNH, MAINS I,<br />
ETHIOPIE, 2005<br />
Die 2001 gegründete CAMERA WORK<br />
AG besitzt eine der weltweit umfassendsten<br />
und qualitativ herausragendsten<br />
Photokunstsammlungen in Privatbesitz<br />
mit zahlreichen Vintage-Arbeiten<br />
der namhaftesten Photokünstler<br />
vom 19. Jahrhundert bis in die Gegenwart.<br />
Neben den Schwerpunkten der<br />
Mode-, Akt-und Porträtphotographie<br />
fokussiert sich CAMERA WORK auch<br />
auf die Genres Architektur und Stillleben.<br />
Dieses einzigartige Fundament, in<br />
Verbindung mit den beiden zum Unternehmen<br />
gehörenden Galerien CAMERA<br />
WORK und CWC GALLERY, ermöglicht<br />
es, in Zusammenarbeit mit Museen,
© MARTIN SCHOELLER, CHRISTOPH WALTZ, 2009, (Original in Farbe)<br />
© TINA BERNING UND MICHELANGELO DI<br />
BATTISTA, HANNA, (O.i.F.)<br />
© PAOLO ROVERSI, KATE, PARIS, 1992,<br />
(Original in Farbe)<br />
<strong>brennpunkt</strong> 1/<strong>2013</strong><br />
Galerien<br />
Galerien und anderen Kunstinstitutionen<br />
Ausstellungen weltweit zu präsentieren.<br />
Der umfassende Sammlungsbestandteil<br />
mit Photographien und Memorabilien<br />
zur Geschichte der Familie Kennedy<br />
bewegte das Unternehmen darüber<br />
hinaus dazu, im Jahr 2006 das Museum<br />
THE KENNEDYS in Berlin zu gründen –<br />
das zweitgrößte seiner Art weltweit.<br />
Künstlerinnen und Künstler in »15<br />
Jahre CAMERA WORK«<br />
Richard Avedon, Peter Beard, Tina<br />
Berning & Michelangelo Di Battista,<br />
Thomas Billhardt, Nick Brandt, Anton<br />
Corbijn, David Drebin, William<br />
Eggleston, Elliott Erwitt, Ralph Gibson,<br />
Thomas Hoepker, Horst P. Horst, Jean-<br />
Baptiste Huynh, Russell James, Nadav<br />
Kander, Benjamin Katz, Douglas<br />
Kirkland, Mark Laita, Robert Lebeck, Peter<br />
Lindbergh, Herbert List, Will McBride,<br />
Ralph Mecke, Helmut Newton, Irving<br />
Penn, Robert Polidori, Rankin, Man<br />
Ray, Leni Riefenstahl, Herb Ritts, Lukas<br />
Roth, Yoram Roth, Paolo Roversi, Steve<br />
Schapiro, Susanne Schapowalow, Roy<br />
Schatt, Martin Schoeller, JeanloupSieff,<br />
Karin Szekessy, Ellen von Unwerth,<br />
Albert Watson<br />
CAMERA WORK bei Facebook:<br />
www.facebook.de/cameraworkberlin<br />
bis 26. Januar <strong>2013</strong><br />
CAMERA WORK<br />
Kantstraße 149<br />
10623 Berlin-Charlottenburg<br />
Di – Sa 11 – 18 Uhr<br />
35
Galeriebericht<br />
Der Blick des Anderen.<br />
Das war er, der November, der 5. Europäische<br />
Monat der Fotografie Berlin.<br />
Im Netz noch bescheiden unter mdfberlin.de<br />
zu finden, gibt er sich inzwischen<br />
weltläufiger: EMOP = European<br />
Month of Photography. Die Idee für den<br />
Monat kam ursprünglich aus Paris, von<br />
der Maison Européenne de la Photographie.<br />
So ein Haus haben wir nicht. Aber<br />
wir haben diese Biennale, zeitgleich<br />
mit nunmehr Paris, Wien, Luxemburg,<br />
Ljubljana, Budapest und Bratislava.<br />
Wien meldet 220 Ausstellungen, doppelt<br />
so viele wie in Berlin. Außer Paris<br />
– mit Thibault Brunet – tritt im offiziellen<br />
Programm bei uns keine der Partnerstädte<br />
in Erscheinung. Das war in<br />
früheren Jahren anders, mit Gästen aus<br />
allen beteiligten Metropolen. Und hätte<br />
gut zum Motto »Der Blick des Anderen«<br />
gepasst. Im Festzentrum am Pariser Platz<br />
Kaya Behkalam mit Bildern aus Kairo.<br />
Alle anderen Ausstellungen sind den<br />
Kuratoren aus der reichen Berliner Kulturlandschaft<br />
zugeflogen wie die Motten<br />
zum Licht. Über 100 hat die Jury ins Programm<br />
und den schönen Katalog aufgenommen.<br />
Schön ist er. Praktisch ist<br />
er nicht. Man ist ständig am Blättern<br />
in den 256 Seiten, weil Bild- und Textteil<br />
getrennt sind. Die Ausstellungsorte<br />
sind schon irgendwie alphabetisch sortiert.<br />
Alle Künstler sind am Ende von A –<br />
Z aufgelistet, auch im handlichen Merkheft,<br />
aber ohne eine einzige Seitenzahl!<br />
Das ist schon fast kriminell. Dennoch:<br />
Es gab viel Spannendes zu sehen, gibt<br />
es noch, denn etliche Events laufen bis<br />
ins Neue Jahr. Und weil so viele davon<br />
Berlin zum Thema hatten, habe ich es<br />
auch zu meinem gemacht. Ich musste<br />
mich beschränken. Da kamen mir »12<br />
Antworten auf Berlin« gerade recht, hier<br />
wirklich gegeben mit dem geforderten<br />
Blick des Anderen, denn keine/r dieser<br />
12 Sehenden stammt aus Deutschland.<br />
Hansgert Lambers und Axel Sommer<br />
haben sie in der Kommunalen Galerie<br />
Berlin klug zusammengeführt. Was<br />
das Dutzend eint ist die konzeptionelle<br />
Arbeitsweise und die Neugier auf eine<br />
Stadt, in der die Wunden der Geschichte<br />
allenthalben sichtbar sind. Am eindring-<br />
36 <strong>brennpunkt</strong> 1/<strong>2013</strong><br />
© Abby Storey, (O.i.F.)<br />
© Andy Rumball, (O.i.F.)<br />
lichsten kommt das rüber beim tunesischen<br />
Franzosen Stéphane Duroy, der<br />
Tradition und Abbruch geschickt in<br />
Bezug setzt, während der Franco-Kanadier<br />
Serge Clément in verschlüsselten<br />
SW-Motiven den Geheimnissen Berlins<br />
auf der Spur ist. Abby Storey aus Neuseeland<br />
hält Passanten wie in einem<br />
Film-Still für den Augenblick fest im<br />
Getriebe des Alltags, und nur der Brite<br />
Andy Rumball zielt direkt auf Promiporträts,<br />
vergattert sie aber wenig glücklich<br />
durchgehend mit einem verkreuzten<br />
Fadenmuster. Das treibt er auch mit<br />
dem Konterfei der greisen Erika Rabau,<br />
durch viele Jahre offizielle Fotografin<br />
der Berliner Filmfestspiele und Star bei<br />
Lothar Lambers. Man ist verstimmt, weil<br />
sich der Fotograf durch diese befremdliche<br />
Verfremdung in den Vordergrund<br />
rückt.<br />
Gino Puddu, geboren in Sardinien, antwortet<br />
auf seine Wahlheimat Berlin auf<br />
© Kerstin Parlow<br />
zurückhaltende, sehr poetische Weise.<br />
Sein Motiv sind die Rutschbahnen auf<br />
kinderlosen Spielplätzen, in feinem,<br />
grazilem Schwarzweiß, die der Fantasie<br />
bei besinnlicher Betrachtung Nahrung<br />
geben. Parallel in der Buchhandlung<br />
und Galerie »unterwegs« in der<br />
Torstraße sein anderer Blick auf allbekannte<br />
Berliner Orte, aber auch auf den<br />
Schöneberger Kiez, in dem sein Café<br />
Aroma liegt. Hier ist er Hausherr und<br />
Kurator und zeigt bis 24. Februar Fotos<br />
von Kerstin Parlow mit dem Titel »Um<br />
mich herum«. Sie ist auch Schriftstellerin<br />
und definiert den Blick des Anderen<br />
eher über den eigenen Abstand<br />
von ihrem Umfeld. Das klingt egozentrisch<br />
und ein wenig nach Selbsttherapie.<br />
Wenn man aber in der lebendigen<br />
Atmosphäre des italienischen Restaurants<br />
vor den Bildern steht, erschließt<br />
sich eher der emotionale Gehalt, der<br />
über das Private hinausgeht.<br />
Eine gewisse Seelenverwandtschaft entdecke<br />
ich bei der Amerikanerin Kathleen<br />
Michael, die für ihre poetischen<br />
Selbsterkundungen ohne den Umweg<br />
über ihr Umfeld auskommt. Wir haben<br />
ihre kleine, sehr intime Ausstellung<br />
»Madame Negligé« im letzten Heft vorgestellt.<br />
Es ist schon was dran am »weiblichen<br />
Blick«, diese höhere Empfindsamkeit für<br />
die eigenen Emotionen, und eine oft leidenschaftliche<br />
Empathie für das Gegenüber.<br />
Bei Aenne Burghardt verbindet
© Aenne Burghardt<br />
sie sich in glücklicher Weise mit ihrem<br />
künstlerischen Anspruch, der zugleich<br />
für das bisschen Abstand sorgt, den auch<br />
der Betrachter braucht. Sie hat Betreuer<br />
und Betreute der Reha-Einrichtungen in<br />
Steglitz mit großer Achtsamkeit porträtiert<br />
und, wie Klaus Eschen in der Laudatio<br />
sagte, die sonst als behindert oft Ausgegrenzten<br />
als starke Persönlichkeiten<br />
dargestellt. Das macht die Menschen<br />
glücklich, wie man zur Vernissage in<br />
der alten Hauptpost beobachten konnte.<br />
Und den Betrachter auch.<br />
Wenn das Konzept überwiegt und sich<br />
die Porträtierten dem Formwillen der<br />
Fotografin unterordnen, muss ihnen das<br />
nicht ihre Würde nehmen. So hat Mirjana<br />
Vbraski für ihre »Verses of Emptiness«<br />
bei exp12 (siehe <strong>brennpunkt</strong> 3/12)<br />
Frauen aus ihrem sozialen Kontext herausgelöst<br />
und sie auf altmeisterliche<br />
Art wunderschön und zugleich scheinbar<br />
unnahbar dargestellt, wie Ikonen, in<br />
meditativer Entrückung. Sie strebt nach<br />
eigenen Worten eine Entindividualisierung<br />
an, eine Typisierung also. Aber der<br />
oft direkte Blick hat eine so hypnotische<br />
Wirkung, dass man verzweifelt versucht,<br />
das Rätsel zu lösen.<br />
Rätsel gibt uns auch Bettina Rheims auf<br />
mit ihren großformatigen »Gender Studies«<br />
bei Camera Work. Bei der Betrachtung<br />
dieser kaum bekleideten schönen<br />
Körper ist uns unsere Kultur und<br />
vor allem unsere Sprache im Wege, die<br />
uns ständig zur Einordnung zwingt: Frau<br />
oder Mann? Rheims mutet uns auch die<br />
Übergänge zu, die Verwandlung von<br />
einem Geschlecht ins andere.<br />
Ihre Menschen zeigen Mut, Beklommenheit,<br />
Angst. Aber sie schafft die<br />
nötige Distanz durch eine coole, fast kli-<br />
© Mirjana Vbraski<br />
nische Ästhetik. Die erreicht sie durch<br />
totale, schattenlose Ausleuchtung. Sie<br />
meint, dass sexuelle Flexibilität dem<br />
Individuum viel Freiheit bringt. Nur:<br />
Dafür braucht es ein tolerantes Umfeld.<br />
Das könnte in Berlin am ehesten zu<br />
finden sein, es ist ein Merkmal der Urbanität.<br />
Und die künstlerische Freiheit geht<br />
damit einher. In der Fotografie, die mit<br />
der Digitalisierung nun endgültig zum<br />
Massenmedium wurde, eindeutig auf<br />
Kosten der Qualität. Eine bewusste Bildgestaltung<br />
ist weitgehend verpönt. Das<br />
Banale, Beliebige wird gern mit dem<br />
Begriff »atmosphärisch« aufgewertet. In<br />
einer Zeit, in der von der Zukunft wenig<br />
Gutes zu erwarten ist, scheint das dem<br />
Lebensgefühl, vor allem dem der jungen<br />
Leute, angemessen zu sein. Trendbewusst<br />
beurteilen sie ein Foto eher nach<br />
dem Grad seiner »Erregungsintensität«<br />
als nach klassischen Regeln. Mögen uns<br />
die Galeristen erhalten bleiben, die uns<br />
Gelegenheit bieten zur unaufgeregten<br />
Betrachtung fotografischer Botschaften.<br />
Die können schon mal Sehgewohnheiten<br />
auf den Kopf stellen. Ein Hüter<br />
der traditionellen SW-Fotografie, Norbert<br />
Bunge (argus), hat es vorgemacht.<br />
Er hat den 1967 in Tel Aviv geborenen<br />
Michael Ackerman auf seine Galeriewände<br />
losgelassen und der hat seine<br />
impulsiven »Half Life«-Fotos drangeklebt,<br />
ohne Glas noch Rahmen, dass<br />
es eine Art hatte. Immerhin, die kleineren<br />
Formate waren argus-gemäß Barytabzüge.<br />
Bunge war bass erstaunt, dass<br />
© Michael Ackerman<br />
© Oscar Lebeck (O.i.F.)<br />
Galeriebericht<br />
er plötzlich bis zu 100 Besuchern am<br />
Tag hatte in seiner sonst eher verträumten<br />
Galerie. Ackerman ist ja kein junger<br />
Wilder mehr, aber er hat Fans, die seine<br />
frechen Gesellschaftssplitter lieben<br />
(siehe <strong>brennpunkt</strong> 4/12). Dazu kam der<br />
Sog dieses besonderen Monats.<br />
Ein echter junger Wilder ist Oscar<br />
Lebeck, geboren 1993, der für das Stadtmagazin<br />
»zitty« in Berlin unterwegs ist.<br />
Im Photoplatz des Hotel Bogotá hängen<br />
seine unbekümmerten bunten Schnappschüsse<br />
der frivolsten Art noch bis 29.<br />
Januar <strong>2013</strong>, unter dem Titel »The<br />
Future is unwritten«. Für Ästheten sind<br />
sie eine absolute Zumutung. Zum Ausgleich<br />
serviert uns Hotelier und Kurator<br />
Joachim Rissmann im »Kabinett« parallel<br />
den Franzosen Antoine d’Agata,<br />
dessen aufregenden und beklemmenden,<br />
fast gewalttätigen Körperbildern<br />
man in dem intimen Raum schutzlos<br />
ausgeliefert ist. Der Autor beruft sich<br />
<strong>brennpunkt</strong> 1/<strong>2013</strong><br />
37
Galeriebericht<br />
© Stéphane Couturier<br />
denn auch auf Pier Paolo Pasolini als<br />
Leit- und Leidbild seiner Lust-Schmerz-<br />
Obsessionen. Diese extremen Bilder<br />
gehören zum Stärksten, was uns dieser<br />
Monat der Fotografie beschert hat.<br />
D’Agata hat 1990 u.a. bei Larry Clark<br />
studiert, dem schonungslosen Chronisten<br />
des Drogenmilieus. Seitdem hat er<br />
12 Bücher und 3 Filme gemacht. Er hätte<br />
sicher einen größeren Rahmen für sein<br />
Werk verdient.<br />
Im Mainstream schwimmt er freilich<br />
nicht. Auch der Berliner Alexander<br />
Platz nicht. Dafür nehmen beide das<br />
Medium viel zu ernst. Im Café Berio<br />
spürt Platz bis 7. Januar <strong>2013</strong> »Berlins<br />
kreativen Gesichtern« nach, zu denen<br />
zweifellos auch das seine gehört. Auf<br />
hohem fotografischem Niveau, dem er<br />
sich verpflichtet fühlt, lichtet er seine<br />
Künstler ab, vorwiegend aus der Musikszene<br />
der Stadt, in intensivem Schwarzweiß.<br />
Natürlich haben seine »Motive«<br />
zur Vernissage temperamentvoll aufgespielt.<br />
Im Kiez an der »Nolle«, dem Nollendorfplatz,<br />
hat er bis 7. Januar ein tolerantes<br />
und neugieriges Publikum.<br />
Das Institut Francais am Ku-Damm trägt<br />
dem Blick des Anderen Rechnung mit<br />
dem Pariser Stéphane Couturier, der<br />
sich in seiner Heimatstadt und in Berlin<br />
der »Archéologie Urbaine« gewidmet<br />
hat. Er sieht die Stadt als lebenden<br />
Organismus, fern von Poetik und Nostalgie.<br />
Leider erliegt er der Faszination<br />
von Großbaustellen mit ihren geometrischen<br />
Strukturen und dem technischen<br />
Chaos so sehr, dass die Lebendigkeit zu<br />
kurz kommt.<br />
Sein Landsmann Georges Rousse bei<br />
Springer in der nahen Fasanenstraße<br />
Nr.13 geht einen verrückten Sonderweg.<br />
Statt seine großen Architekturtableaus<br />
am Computer zu bearbeiten, realisiert<br />
38 <strong>brennpunkt</strong> 1/<strong>2013</strong><br />
© Georges Rousse<br />
er seine Bildideen am Objekt, vor der<br />
Aufnahme, auf sehr hintergründige, aber<br />
im Grunde ehrliche Weise. Ihm gelingt<br />
eine irritierende Verschiebung der Perspektive,<br />
eine drastische Veränderung<br />
des Motivs, auf die man nicht gefasst<br />
ist. Da er das auch mit dem Galerieraum<br />
macht, in dem sich der Betrachter<br />
gerade befindet, ist die Wirkung frappant.<br />
Ich empfehle einen Selbstversuch.<br />
Der charmante Galerist Alessandro<br />
Rotondo wird Sie gestenreich in das<br />
Geheimnis einweihen. (Bis 12. Januar<br />
<strong>2013</strong>, Di-Fr 11-18, Sa 12-15 Uhr).<br />
Nach solcher Fantastik fallen die konventionellen<br />
Fotografen ein wenig ab,<br />
obwohl sie saubere Arbeit leisten. So<br />
Stephen Mooney in der aff-Galerie in<br />
Friedrichshain. Der Fotograf, Dichter<br />
und Filmemacher hat den »Jahrhundertwinter«<br />
2009/2010 in Berlin mit<br />
der 9x12-Kamera erwandert und schön<br />
frostig abgelichtet, im spärlichen Licht<br />
der Gaslaternen. Ganz hat er es nicht<br />
gepackt, sein Schnee ist selten weiß<br />
und die Gebäude stürzen etwas zu sehr.<br />
Die Stimmung der Winternächte aber<br />
kommt wunderbar rüber. Man denkt<br />
unwillkürlich an Andersens Mädchen<br />
mit den Schwefelhölzchen. Zuvor war<br />
Thomas Graichen hier vertreten, ebenso<br />
winterlich, viel weniger aufwendig in<br />
der Technik und gerade deshalb sehr<br />
sinnlich. Er hat seinem grauen Winter<br />
in »Die stille Stadt« Prosa von Ann-<br />
Christin Kumm zur Seite gestellt und in<br />
einem kleinen Heft vereinigt. Die aff =<br />
»Arbeitsgemeinschaft freier Fotografen«<br />
finanziert ihre Galerie über die Beiträge<br />
ihrer Mitglieder und sucht noch interessierte<br />
Kollegen, die sich beteiligen<br />
und hier ein Forum für ihre Bilder finden<br />
wollen (www.aff-berlin.com).<br />
Mehr Wärme bietet uns diesmal Potsdam<br />
mit der »Reise nach Jerusalem«<br />
von Frank Müller in der Galerie des<br />
Fotoclubs. Er hat mit seinen anrührenden<br />
Menschenbildern ein intensives<br />
Porträt dieses Schmelztiegels der Religionen<br />
geschaffen, voller Zuneigung<br />
und Humor. Jedes Bild erzählt uns eine<br />
Geschichte, auch von dem fundamentalistischen<br />
Hintergrund, der die Idylle<br />
bedroht. Müller weiß um die Wirkung<br />
eines perfekten Fotos und hilft mit behutsamer<br />
Regie oft ein wenig nach.<br />
Über fotografische Regeln braucht man<br />
sich mit Altmeister Walter Wawra nun<br />
wirklich nicht zu streiten. Er hat sie<br />
alle drauf als gestandener Fachmann<br />
und langjähriger Leiter des Fotoclubs<br />
Potsdam. Was es dann bringt, ist das<br />
gewisse bisschen drüber raus, der Pfiff.<br />
Als Glied der Photographen Lounge<br />
Potsdam beweist er das alljährlich. Zu<br />
seinem Siebzigsten zeigt er nun in der<br />
Kunstgalerie »Im güldenen Arm« seine<br />
sehr malerischen, herrlich ausgearbeiteten<br />
fotografischen Gedichte von<br />
der Schönheit im Verfall. Die Bildtitel<br />
helfen dem Betrachter bei der Interpretation.<br />
Sie könnten ihn auch blockieren.<br />
Man erkennt ein Kopftuch in<br />
der abgeblätterten Farbe. Titel: Anbetung.<br />
Ich sehe: Migration. Auch so ein<br />
anderer Blick. Das Motto des »Monats«<br />
bringt uns jedenfalls ständig zum Nachdenken.<br />
Hier weht uns auch ein Hauch<br />
von Europa an, selten in diesem europäischen<br />
Monat, denn die Fotos werden<br />
den Skulpturen der Bildhauerin Hisu<br />
Choi zur Seite gestellt, die in Potsdams<br />
Partnerstadt Perugia/Italien arbeitet.<br />
Daselbst hat auch Walter Wawra schon<br />
ausgestellt.<br />
Und wo bleiben die fleißigen Chronisten?<br />
Einer war bei Manfred Carpentier<br />
live zu erleben, 90 Jahre alt, mit seiner<br />
Frau Claudia: Jürgen Schadeberg.<br />
Nicht mit seinem Lebenswerk, das ist<br />
noch bis 16. März mit den »The concerned<br />
Photograph« bei argus in Zitaten<br />
zu bewundern und war zuvor<br />
Thema einer großen Retrospektive im<br />
Willy-Brandt-Haus, sondern mit »Zu<br />
Besuch in Deutschland 1942 bis 2012«,
© Jürgen Schadeberg<br />
gleichzeitig als Buch erschienen. Das<br />
ist auch eine kleine Liebeserklärung an<br />
seine Geburtsstadt Berlin, in die er nach<br />
langen Jahren in Südafrika nun zurückgekehrt<br />
ist. Aus den Bildern spricht seine<br />
alte Liebe, aber der zeitliche und geografische<br />
Abstand befördert einen kritischen,<br />
fast bissigen Blick, der sich durch<br />
die 70 Jahre durchaus wohltuend verstärkt<br />
und 2012 an der ungewohnten<br />
Farbe scheitert. Bei der Vernissage<br />
wollte Schadeberg von mir wissen, wie<br />
ich zur heutigen Fotografie stünde, zu<br />
dem, was »in« sei. Ich sagte es ihm. Er<br />
stimmte mir zu. Aber ganz wohl war uns<br />
beiden nicht. Ein Trend, akzeptiert oder<br />
nicht, ist immer ein Ausdruck der Zeit.<br />
Noch bis zum 27. Januar zeigt Carpentier<br />
»Tempelhof, Metamorphose I« von<br />
Anna Thiele. Die Meisterschülerin von<br />
Arno Fischer ist fasziniert von der Freifläche<br />
des ehemaligen Flugfelds und der<br />
»Eroberung« des entstandenen Vakuums<br />
durch die Berliner. Ihr viel beachtetes<br />
Debut hatte sie im Salon für Fotografie<br />
von Volker Wartmann mit ihrer Serie<br />
über das Regierungsviertel, die wir im<br />
letzen Heft als Portfolio ausführlich vorgestellt<br />
haben. Die Ausstellung in der<br />
Meinekestr. 13 ist jeden Sonnabend von<br />
14 – 16 Uhr und nach Vereinbarung zu<br />
besuchen (info@carpentier-galerie.de).<br />
Der engagierte Galerist ist berufstätig<br />
und steht nur abends und am Wochenende<br />
zur Verfügung.<br />
Einen schwarzweißen Bonbon hat uns<br />
zum Monat der Fotografie The Browse<br />
Gallery in der stilvollen Kreuzberger<br />
Marheineke-Markthalle beschert. Einen<br />
nostalgischen Rückblick in das Kreuzberg<br />
der siebziger und achtziger Jahre,<br />
© Anna Thiele 2012<br />
als das der »trendigste« Westberliner<br />
Bezirk und ein Magnet für junge Leute<br />
war, mit seinen alternativen Lebensweisen<br />
und wütenden Attacken auf konservative<br />
Werte. Der Berlinstory-Verlag hat<br />
ein schönes Buch dazu gemacht: »Stillstand<br />
und Bewegung – Menschen in<br />
Kreuzberg«.<br />
Siebrand Rehberg war in den Siebzigern<br />
vor allem in SO 36 unterwegs und<br />
hat den Kiez in bewegten Szenen eingefangen.<br />
Er kam 69 als Kunststudent,<br />
wurde inspiriert von Michael Schmidts<br />
»Werkstatt« und ausgebildet bei Lette.<br />
Er arbeitet bis heute in Berlin. Horst<br />
Luedeking, Absolvent der Folkwangschule<br />
Essen, hat seine »Bewohner der<br />
Sorauer Straße 13« von 1972 beigesteuert.<br />
Das sind anrührende Milieustudien<br />
aus einem zum Abriss freigegebenen<br />
Mietshaus, eine bunte Gemeinschaft<br />
von Rentnern, Hippies und Migranten.<br />
Bei Michael Schmidt hat auch Peter<br />
Gormanns studiert und er hat auch mal<br />
Hanna Schygulla und Fassbinder vor der<br />
Linse gehabt, am Leuschnerdamm. Ann-<br />
Christine Jansson war sehr nah dran bei<br />
den wüsten Demos der Autonomen am<br />
1. Mai 87, zum glorreichen Stadtjubiläum<br />
750 Jahre Berlin.<br />
Die gebürtige Schwedin ist heute eine<br />
geachtete Journalistin, Dozentin und<br />
Kuratorin in Berlin. Auch Toni Nemes<br />
dokumentierte die Krawalle 87, und<br />
zwei Jahre später das plötzliche Ende<br />
der Teilung Berlins.<br />
Michael Hughes verschlug es 1982 aus<br />
London in eine WG in der Oranienstraße.<br />
Er war sofort fasziniert von der<br />
Solidarität und Toleranz der Mitbewohner<br />
und fand fotografisch einen spontanen<br />
Zugang zur Szene.<br />
Wolfgang Krolow, geb. 1950 bei Kaiserslautern,<br />
ist so was wie der Star der<br />
sieben Fotografen. Seine »2 Mädchen in<br />
© Michael Hughes<br />
© Ann-Christine Jansson<br />
Galeriebericht<br />
Berlin 36« von 1980, ein türkisches und<br />
ein deutsches, die mitten auf der Straße<br />
versonnen miteinander tanzen, sind<br />
einfach zauberhaft. Weltklasse. Auch<br />
andere Kreuzbergikonen von Krolow<br />
sind um die Welt gegangen. Seine »Seiltänze«<br />
von 1982 haben einen Ehrenplatz<br />
in meinem Bücherbord.<br />
Der Blick des Anderen ist sicher nicht<br />
nur eine Frage der Herkunft. Aber auffallend<br />
ist es schon, dass keine/r dieser<br />
sieben »Kreuzberger« in Berlin geboren<br />
ist. Wie viel Abstand braucht der<br />
Mensch? Stimmt die These von der<br />
Betriebsblindheit aus der Wirtschaft<br />
auch in der Fotografie? Ist der Insider<br />
zwar authentisch, aber blind? Wir Berliner<br />
können das leicht nachprüfen:<br />
Wie viel wirklich relevante Berlinbilder<br />
haben wir in unserem Archiv?<br />
Vielleicht sollten wir lieber nicht nachgucken.<br />
Prost Neujahr!<br />
Klaus Rabien<br />
<strong>brennpunkt</strong> 1/<strong>2013</strong><br />
39
Fotoszene<br />
»Die Lust auf das Bild<br />
wird durch den Blick<br />
auf die Technik zerstört.«<br />
oder<br />
Holga, die wieder<br />
gefundene Kreativität.<br />
Jörg Stadler<br />
Die Holga Kamera wurde im Jahre 1982<br />
vom Ingenieur und Hersteller Lee Ting-<br />
Mo in Hong Kong erfunden.<br />
Da der Absatz seiner Holgon Blitzgeräte<br />
rückläufig war baute Lee diese in<br />
seine Kameras ein.<br />
Die Holgon bekam einen neuen Namen.<br />
Lee ersetzte ein »A« am Ende weil<br />
andere Kamerahersteller in dieser Zeit<br />
auch ein »A« im Kamerabezeichnung<br />
haben. So soll der Name Holga entstanden<br />
sein.<br />
Anfangs als Spielzeug gedacht fanden<br />
die Kameras viele Jahre keine Beachtung.<br />
Durch die Lomographischen Gesellschaft<br />
und u.a. deren zehn Regeln hat<br />
die hipster Generation inzwischen die<br />
Holga als Kultobjekt entdeckt und in der<br />
letzten Zeit für den steigenden Absatz<br />
von Filmen gesorgt.<br />
Darüber hinaus gibt es auch kommerzielle<br />
Holga Anwender wie Michelle<br />
Bates: Plastic Cameras, Toying with Creativity,<br />
im Focal Press Verlag, Michael<br />
Kenna oder US-Fotoreporter David Burnett,<br />
Max Raabe u.v.m..<br />
Als ich mir vor 3 Jahren eine Holga 120<br />
F Kamera besorgte, wusste ich nicht so<br />
recht was ich damit anfangen sollte.<br />
Der Magnum Fotograf David Hurn sagte<br />
einmal:<br />
»Das Wesen der Dinge erkennt man erst<br />
durch Erfahrung«.<br />
Ich besaß schon Kamerasysteme führender<br />
Kamerahersteller.<br />
Fehler zu lieben, den Fokus auf das<br />
wesentliche richten zu können gibt der<br />
Fotografie eine gewisse Leichtigkeit und<br />
Poesie zurück.<br />
40 <strong>brennpunkt</strong> 1/<strong>2013</strong><br />
© JoeStar © JoeStar<br />
© JoeStar<br />
Die Möglichkeiten und Prinzipien, die<br />
Materie zu verstehen, einfach zu Fotografieren<br />
und anders zu Kommunizieren.<br />
Die Betrachter von Diana / Holga<br />
Fotografien suchen nach Worten und<br />
Erklärungen.<br />
Ist man mit der Holga unterwegs wird<br />
man nicht wahrgenommen, das verschafft<br />
Freiraum.<br />
Leicht auf Reisen mit zu nehmen, ausgerüstet<br />
mit einem kleinen Stativ, Drahtauslöser,<br />
Graufilter und Belichtungsmesser.<br />
Die Wahrscheinlichkeit, dass<br />
sie geklaut wird ist dabei sehr gering.<br />
Das integrieren von lowtech mit hightech<br />
eröffnet großartige, experimentelle<br />
Möglichkeiten.<br />
Der gemeine digitale Fotograf würde<br />
jetzt die Holga Funktion seiner Kamera<br />
aufrufen wollen.<br />
In welchen Bedienungsmenü ist diese<br />
nur wieder zu finden ?<br />
Sehgewohnheiten haben sich im digitalen<br />
Vollrauschzeitalter inzwischen<br />
völlig verändert.<br />
© JoeStar<br />
© JoeStar<br />
Die im Standardlook, massenhaft produzierte,<br />
kontrastreich, schreienden auf<br />
Aludibond montierten Fotos verkommenden<br />
Bildästhetik lässt wieder Platz<br />
und Raum für die Abkehr der jetzigen<br />
Bildsprache.<br />
Holga art-photos und Informationen<br />
zum Diana / Holga Workshop von und<br />
mit Jörg Stadler/Berlin.<br />
www.JoeStar.de
FRÖAUF<br />
Der kunstraum FRÖAUF ist ein neuer<br />
Ausstellungsraum für Fotografie und<br />
Skulptur in Berlin Friedenau. Die ehemalige<br />
Fleischerei bietet einen kleineren,<br />
wohl proportionierten Ausstellungsraum<br />
mit Schaufenster und Nebenräumen.<br />
Im Laufe des kommenden Jahres<br />
werden Ausstellungen und Veranstaltungen<br />
hier realisiert. Die Künstlerin<br />
und Fotografin Susanne Wehr ist Initiatorin<br />
des Projektes.<br />
Die konzeptionelle Ausrichtung des<br />
Kunstraumes auf zeitgenössische Fotografie<br />
und Skulptur lässt auch künstlerische<br />
Positionen zu, die sich grenzüberschreitend<br />
zu anderen Medien, wie<br />
Film und Collage, mit fotografischen Bildern<br />
befassen. Ebenso sollen künstlerische<br />
Arbeiten, die Fotografie als in Inspiration<br />
und Vorlage nutzen, in das Programm<br />
einbezogen werden.<br />
Derzeit ist die Ausstellung »fuffzehn« im<br />
kunstraum FRÖAUF zu sehen. Präsentiert<br />
werden 15 Künstler aus den Bereichen,<br />
Fotografie, Skulptur, Collage und<br />
Malerei.<br />
Die Ausstellung endet mit einer Finissage<br />
am Samstag den 15. Januar <strong>2013</strong>.<br />
Auch am Sonntag, 16. Januar <strong>2013</strong> von<br />
16 bis 19 Uhr geöffnet.<br />
Informationen zu den Ausstellungen<br />
und Veranstaltungen auf der Website<br />
www.fröauf.de<br />
Ausstellungen<br />
siehe Seite 26 (Andreas Fischer)<br />
und Seite 27 (André Baschlakow)<br />
kunstraum FRÖAUF<br />
Fröaufstraße 7<br />
12161 Berlin-Friedenau<br />
Do – Sa 16 – 19 Uhr<br />
und nach Vereinbarung<br />
www.fröauf.de<br />
© Jörg Schmiedekind<br />
© Jörg Schmiedekind<br />
© epha © epha<br />
Fotoszene<br />
<strong>brennpunkt</strong> 1/<strong>2013</strong><br />
41
Fotoszene<br />
Ursula Kelm<br />
»Sofortbilder«<br />
Polaroids sind einzigartig, einmalig.<br />
Das Besondere an Polaroids ist, dass sie<br />
immer Unikate sind.<br />
Als Einzelbilder entstanden, existieren<br />
sie nebeneinander. Aneinandergereiht<br />
ergeben sich neue Abfolgen, die<br />
Raum schaffen für assoziativ aufgeladene,<br />
eigene Erinnerungen.<br />
Abhängig vom Material, das man für<br />
das Sofortbild wählt, verändert sich die<br />
malerische Anmutung des Bildes:<br />
Die spezielle Farbgebung, der weiße<br />
Bildrahmen der Integralfilme, Sofort-<br />
Diafilm s/w oder Farbe sowie die klassischen<br />
Trennbildfilme mit der Möglichkeit<br />
zu Emulsion Lift und Image Transfer<br />
erlauben den kreativen Einsatz der<br />
Materialien auf speziellen Papieren und<br />
Untergründen.<br />
Ursula Kelm, 1942 in Berlin geboren,<br />
Studium der Fotografie an der Werkstatt<br />
für Photographie in Berlin. Seit<br />
1985 Lehraufträge, Vorlesungen, Studienreisen,<br />
Workshops in Berlin und im<br />
internationalen Ausland. Ausstellungen<br />
europaweit einschließlich UdSSR sowie<br />
USA und Australien.<br />
Diverse Stipendien, u.a. Arbeitsstipendium<br />
der Stadt und des Landes Berlin,<br />
Senat für Kultur; drei Stipendien Progetto<br />
Civitella d‘Agliano/I; Kunstpreis<br />
des Bundesministers der Justiz; Auenthaltsstipendium<br />
der Akademie der<br />
Künste Berlin für Villa Serpentara, Olevano/I;<br />
Aufenthaltsstipendium Noosa<br />
Projekt, Noosa/Qld., Australien.<br />
© Ursula Kelm<br />
42 <strong>brennpunkt</strong> 1/<strong>2013</strong><br />
© Ursula Kelm © Ursula Kelm<br />
Vertreten in Öffentlichen Sammlungen,<br />
u.a. Berlinische Galerie; Deutsches Historisches<br />
Museum; Bibliotheque Nationale,<br />
Paris; Museum für Photographie,<br />
Braunschweig; Museum of Contemporary<br />
Art, Thessaloniki; Staatliche Moritzburg,<br />
Halle; AMO Associazione Amici<br />
Museo Olevano Romano.<br />
www.ursula-kelm.de<br />
Ursula Kelm<br />
Polaroid Photography<br />
Vernissage:<br />
March 26th, <strong>2013</strong> - 6.30 p.m.<br />
Ursula Kelm will be present.<br />
Exhibition:<br />
March 27th - April 25th, <strong>2013</strong><br />
A catalogue is available<br />
Deutsches Haus,<br />
42 Washington Mews, NY 1003<br />
© Ursula Kelm
Das VERBORGENE<br />
MUSEUM<br />
bis 27. Januar <strong>2013</strong><br />
Anita Neugebauer<br />
»Galeristin und Sammlerin«<br />
Schlüterstraße 70<br />
10625 Berlin-Charlottenburg<br />
Do + Fr 15 – 19 Uhr<br />
Sa + So 12 – 16 Uhr<br />
carpentier galerie<br />
bis 27. Januar <strong>2013</strong><br />
Anna Thiele<br />
»Tempelhof. Metamorphose I«<br />
Meinekestraße 13<br />
10719 Berlin-Wilmersdorf<br />
Sa 14 – 16 Uhr<br />
imago fotokunst<br />
bis 26. Januar <strong>2013</strong><br />
Louisa Marie Summer<br />
»Jenniver´s Family«<br />
Linienstraße 145<br />
10115 Berlin-Mitte<br />
Di – Fr 12 – 19 Uhr<br />
Sa 14 – 18 Uhr<br />
Photo Edition Berlin<br />
bis 24. Januar <strong>2013</strong><br />
Hans-Jürgen Raabe<br />
»990 faces«<br />
Ystaderstraße 14a<br />
10437 Berlin-Prenzlauer Berg<br />
Mi 14 – 18 Uhr<br />
Sa 12 – 16 Uhr<br />
photoplatz<br />
bis 29. Januar <strong>2013</strong><br />
Oscar Lebeck<br />
»The Future ist unwritten«<br />
Schlüterstraße 45<br />
10707 Berlin-Charlottenburg<br />
Café Aroma<br />
Photogalerie<br />
bis 24. Februar <strong>2013</strong><br />
Kerstin Parlow<br />
»Um mich herum«<br />
9. März bis 2. Juni <strong>2013</strong><br />
Franco Sortini<br />
»Berlino - Paesaggio Urbano«<br />
Hochkirchstraße 8<br />
10829 Berlin-Schöneberg<br />
Mo – Fr 18 – 24 Uhr<br />
Fotogalerie<br />
bis 1. Februar <strong>2013</strong><br />
»frei im AUFTRAG«<br />
Die DDR-Fotojournalisten Eberhard<br />
Klöppel und Peter Leske<br />
Helsingforser Platz 1<br />
10243 Berlin-Friedrichshain<br />
Di – Sa 13 – 18 Uhr<br />
Do 10 – 18 Uhr<br />
Stadtmuseum Berlin<br />
bis 17. Februar <strong>2013</strong><br />
Kalter Krieg und Wirtschaftswunder<br />
West-Berlin in Farbfotografien von<br />
Herbert Maschke<br />
Ephraim-Palais<br />
Poststraße 16<br />
10178 Berlin-Mitte<br />
Di, Do – So 10 – 18 Uhr<br />
Mi 12 – 20 Uhr<br />
Berlinische Galerie<br />
bis 28. Januar <strong>2013</strong><br />
Geschlossene Gesellschaft<br />
»Künstlerische Fotografie in der DDR<br />
1949-1989«<br />
Alte Jakobstraße 124-128<br />
10969 Berlin-Kreuzberg<br />
Mi – Mo 10 – 18 Uhr<br />
Ausstellungen<br />
Galerie Hunchentoot<br />
bis 19. Januar <strong>2013</strong><br />
Gregor Stephan<br />
»Columns, Cubes and Squares«<br />
Choriner Straße 8<br />
10119 Berlin-Mitte<br />
Mi – Fr 16 – 19 Uhr<br />
Sa 10 – 18 Uhr<br />
Treffpunkt Freizeit<br />
6. Januar bis 4. Februar <strong>2013</strong><br />
DVF Landesfotoschau 2012<br />
Berlin/Brandenburg/Mecklenburg-Vorpommern<br />
(Vernissage: 6. Januar <strong>2013</strong>, 15 Uhr)<br />
Am neuen Garten 64<br />
14469 Potsdam<br />
Mo – Fr 08 – 21.30 Uhr<br />
und nach Vereinbarung<br />
Galerie Deschler<br />
bis 26. Januar <strong>2013</strong><br />
Rainer Fetting<br />
Auguststraße 61<br />
10117 Berlin-Mitte<br />
Di – Sa 12 – 18 Uhr<br />
und nach Vereinbarung<br />
Deutsches<br />
Historisches Museum<br />
31. Januar bis 10. November <strong>2013</strong><br />
Zerstörte Vielfalt<br />
Berlin 1933-1938<br />
Unter den Linden 2<br />
Hinter dem Zeughaus<br />
10117 Berlin-Mitte<br />
Täglich 10 – 18 Uhr<br />
<strong>brennpunkt</strong> 1/<strong>2013</strong><br />
43
Fotoszene<br />
Ursula Kelm<br />
Im November 2012 feierte sie ihren<br />
70.Geburtstag.<br />
Ein Anlass, wenn auch etwas verspätet,<br />
Gesundheit, Glück, Lebensfreude und<br />
Zufriedenheit und eine nie endende<br />
Kreativität für die nächsten Jahrzehnte<br />
ihr zu wünschen.<br />
Und auch ein Anlass, einen Blick auf<br />
ihre bisherige photographische Lebensleistung<br />
zu werfen, denn da kommen<br />
in Zukunft sicher noch viele spannende<br />
und vor allem »gute« - nicht »schöne« -<br />
Bilder in die Welt.<br />
Bei Ulla, wie wir, die wir durch ihre<br />
künstlerischen Kurse gegangen sind, sie<br />
gerne nennen, steht sehr oft der Mensch<br />
im Mittelpunkt ihrer Arbeit.<br />
In ihren Porträts geht es nicht um die<br />
Hülle, die Funktion, den Rang. Das entscheidende<br />
Merkmal, das aus ihren Porträts<br />
herüber kommt, ist das hinter der<br />
Hülle verborgene und in langen photographischen<br />
Sitzungen endlich durchscheinende<br />
Ich, das dann gekonnt eingefangen<br />
und verewigt wurde. Menschliche<br />
Authentizität und photographische<br />
Meisterleistung.<br />
Aber auch bei anderen Themen geht es<br />
Ulla immer um Authentizität, nämlich<br />
die der abgebildeten Situation, wie beispielsweise<br />
die Handy-Aufnahmen der<br />
im Sonnenlicht leuchtenden Baracken<br />
in Ravensbrück, die erst durch die Nennung<br />
der Örtlichkeit ihren Charme verlieren<br />
und den Betrachter das Grauen<br />
lehren.<br />
Aber auch ein Mohnkolben, der wie<br />
eine kronetragende Marionette abgelichtet<br />
wurde oder der unterwürfige<br />
Blick eines Strassenhundes neben der<br />
festgehaltenen »Hoch-Ausstrahlung«<br />
eines gelangweilten Löwen vermitteln<br />
diese Authentizität, genau wie ihre photographischen<br />
Kompositionen um die<br />
Endlichkeit alles Materiellen.<br />
Ullas Bilder regen nicht nur zum Betrachten,<br />
sondern zum zweiten Schauen und<br />
dann auch fast immer zum Nachdenken<br />
und damit auch zum Verweilen an.<br />
44 <strong>brennpunkt</strong> 1/<strong>2013</strong><br />
© Ursula Kelm, »Selbstporträt«<br />
© Ursula Kelm, »Lotti Huber«<br />
© Ursula Kelm, »Jutta Lampe«<br />
Ich hoffe, noch sehr viele photographische<br />
Kunstwerke von Ursula Kelm<br />
genießen und aus jedem ein wenig<br />
lernen und in meine eigenen photographischen<br />
Arbeiten einfliessen lassen zu<br />
können.<br />
Justine Wodtke<br />
im November 2012<br />
© Ursula Kelm, »Buchprojekt«<br />
© Ursula Kelm, »Rosa von Praunheim«<br />
© Ursula Kelm, 1986<br />
www.ursula-kelm.de
GEISTERSTADT<br />
Sperrzone Zossen/<br />
Wünsdorf<br />
Sabine von Breunig<br />
Die Fenster zugenagelt, die Dächer notdürftig<br />
geflickt, ein Hauch von Fäulnis<br />
und Moder liegt in der Luft. Umgeben<br />
von Mauern und Stacheldraht verfallen<br />
wilhelminische Prachtbauten,<br />
nationalsozialistische Bunkeranlagen<br />
und Kasernen, russische Kantinen,<br />
Werkstätten und Wachposten – Insgesamt<br />
fast 1000 Gebäude, ein gigantisches<br />
Gelände von 980 Hektar. Ein<br />
Wachdienst fährt seine Runden um Vandalismus<br />
zu verhindern: In der ehemaligen<br />
Sperrzone Zossen/Wünsdorf geht<br />
ein Kapitel europäischer Militärgeschichte<br />
seinem Untergang entgegen.<br />
Hier setzte Wilhelm II. seine hochfliegenden<br />
militärischen Pläne in die Tat<br />
um. Hier fanden nach dem ersten Weltkrieg<br />
Kapp-Putschisten Unterschlupf.<br />
Hier wurden die SS Männer der späteren<br />
Leibstandarte Adolf Hitler gedrillt.<br />
Hier befand sich während der Naziherrschaft<br />
das Oberkommando des Heeres<br />
und der Wehrmacht gefolgt vom Oberkommando<br />
der Sowjetischen Streitkräfte<br />
in Deutschland. In der Sperrzone<br />
lebten seit Beginn der 1950er Jahre bis<br />
zu 60.000 sowjetische Männer, Frauen<br />
und Kinder. Seit dem Abzug der russischen<br />
Truppen 1994 verfallen viele<br />
Gebäude ungenutzt.<br />
Sabine v. Breunig hat die verlassenen<br />
Räume des Militärgeländes fotografiert.<br />
In ihrer Arbeit geht es, so Matthias<br />
Flügge in seinem Essay, um die<br />
Geschichte hinter den Bildern, um die<br />
Diskrepanzzwischen der morbiden<br />
Schönheit der Fotografien und der Realität<br />
des Ortes.<br />
Sabine v. Breunig ist seit 2001 als freie<br />
Fotografin mit Schwerpunkt Architekturfotografie<br />
tätig. Ihre Arbeiten wurden in<br />
Zeitschriften und Magazinen veröffentlicht.<br />
Seit 2006 arbeitet Sabine v. Breunig<br />
an freien künstlerischen Projekten.<br />
Von 2009 – 2011 war sie Meisterschülerin<br />
von Professor Arno Fischer.<br />
© Sabine von Breunig<br />
© Sabine von Breunig, (Original in Farbe)<br />
GEISTERSTADT<br />
Sperrzone Zossen/Wünsdorf<br />
300 Fotografien<br />
von Sabine von Breunig<br />
Mit einem Text von Matthias Flügge<br />
Hardcover, Format: 26,5 x 21,5 cm<br />
216 Seiten, 165 Farbfotografien<br />
Euro (D) 36,00 / Euro (A) 37,10 /<br />
CHF 47,90<br />
ISBN 978-3-86228-043-8<br />
Edition Braus, Berlin 2012<br />
Buchbesprechung<br />
© Sabine von Breunig, (Original in Farbe)<br />
© Sabine von Breunig, (Original in Farbe)<br />
© Sabine von Breunig, (Original in Farbe)<br />
© Sabine von Breunig, (Original in Farbe)<br />
<strong>brennpunkt</strong> 1/<strong>2013</strong><br />
45
Buchbesprechung<br />
Bottrop-Ebel 76<br />
von Michael Wolf<br />
Michael Wolf ist mit seinen Arbeiten<br />
über das »Leben in Megacities« weltweit<br />
bekannt geworden und einige der<br />
prägnantesten Serien sind bei »Peperoni<br />
Books« als Buch erschienen: »Tokyo<br />
Compression«, »Hong Kong Inside Outside«,<br />
»A Series of Unfortunate Events«,<br />
um nur einige zu nennen.<br />
Und jetzt »Bottrop-Ebel 76«, was eine<br />
ganz andere Geschichte ist. Als Student<br />
hat Michael Wolf die Serie 1976 in der<br />
kleinen Bergarbeitersiedlung im Ruhrgebiet<br />
fotografiert und zum Examen bei<br />
Otto Steinert an der Folkwangschule in<br />
Essen eingereicht, damals als klassische<br />
Sozialdokumentation streng sortiert<br />
nach Kategorien wie »Bausubstanz«,<br />
»Jugendliche«, »Arbeitende Bevölkerung«,<br />
oder »Feste und Vereine«. Mit<br />
dem Abstand von mehr als 35 Jahren<br />
wurde die Arbeit jetzt neu gesichtet und<br />
für das Buch viel freier zusammengestellt<br />
als die systematisch angelegte Examensarbeit.<br />
Michael Wolfs neugieriger, mitfühlender<br />
Blick zielt auf das Milieu und trifft mitten<br />
ins Herz. Wenn ein kleines Mädchen mit<br />
Schultüte vom Vater ausgeschimpft wird,<br />
weil es nicht wunschgemäß Aufstellung<br />
für den Fotografen nimmt, wenn Jugendliche<br />
mit ihren Mopeds an den Stadtrand<br />
fahren, um Bier zu trinken und die<br />
Annäherung an das andere Geschlecht<br />
auszuprobieren, wenn vor der Fahrt ins<br />
Blaue auf der Straße im Ausgehzwirn<br />
ein Schnaps gekippt wird oder ein altes<br />
Paar in Alltagskleidung und Pantoffeln<br />
im Vereinslokal einen melancholischen<br />
Walzer tanzt, stockt mir der Atem angesichts<br />
der körperlich spürbaren emotionalen<br />
Intensität.<br />
»Bottrop-Ebel 76« ist eine grandiose<br />
Studie über das Bergarbeitermilieu im<br />
Ruhrgebiet zu Zeiten des bereits einsetzenden<br />
Strukturwandels. Gleichzeitig<br />
und mehr noch ist es aber ein Epos<br />
über das Leben selbst, das beispielhaft<br />
nachfühlbar macht, was Menschen verschiedener<br />
Generationen alleine und in<br />
Gemeinschaft bewegt und umtreibt.<br />
46 <strong>brennpunkt</strong> 1/<strong>2013</strong><br />
© Michael Wolf<br />
© Michael Wolf<br />
Michael Wolf<br />
»Bottrop-Ebel 76«<br />
Mit einem Nachwort von<br />
Sigrid Schneider<br />
144 Seiten<br />
87 Tritone und<br />
15 farbige Abbildungen<br />
30 x 24 cm<br />
Hardcover / leinengebunden<br />
Deutsch, Englisch<br />
ISBN: 978-3-941825-40-6<br />
Euro 40<br />
© Michael Wolf<br />
© Michael Wolf<br />
© Michael Wolf
Rented Rooms<br />
von Torben Höke<br />
»Drei Monate lang reiste Torben Höke<br />
durch Indien. Er saß in Bussen und in<br />
Zügen, bis zu 35 Stunden am Stück. Von<br />
Kolkata über Varanasi und Bangelore im<br />
Süden und wieder zurück nach Kolkata.<br />
Er sah Armut und Reichtum, Rolls Royce<br />
und Rikschas, prachtvolle Tempel, die<br />
Hippies in Goa, die überfüllten Zugabteile<br />
auf dem Weg in die Millionenstadt<br />
Mumbai und die steinigen Pisten,<br />
auf denen die Busse durch das staubige<br />
Hinterland schaukeln. Kurz – er<br />
hat viel gesehen von der widersprüchlichen<br />
Schönheit und der wuchernden<br />
Größe Indiens, doch nichts davon findet<br />
sich in seinen Bildern.<br />
Die Aufnahmen für dieses Buch sind<br />
dort entstanden, wo Reisende ihren<br />
Weg unterbrechen und in einer seltsamen<br />
Zwischenwelt verschwinden.<br />
Torben Höke führt uns in Low Budget<br />
Unterkünfte, zeigt Räume, die überall<br />
und nirgends sein könnten, portraitiert<br />
Menschen, die auf schlichten Bänken<br />
und harten Pritschen ausruhen und<br />
sich für eine Weile ein improvisiertes<br />
Zuhause schaffen. Am Ende, so scheint<br />
es, sind alle Reisenden unterwegs zu<br />
sich selbst«.<br />
Hendrik Lakeberg<br />
© Torben Höke, (Originalbild in Farbe)<br />
© Torben Höke, (Originalbild in Farbe) © Torben Höke, (Originalbild in Farbe)<br />
Buchbesprechung<br />
© Torben Höke, (Originalbild in Farbe)<br />
© Torben Höke, (Originalbild in Farbe) © Torben Höke, (Originalbild in Farbe)<br />
Torben Höke<br />
Rented Rooms<br />
Mit Texten von Peter Bialobrzeski<br />
und Hendrik Lakeberg<br />
64 Seiten<br />
53 Farbabbildungen<br />
16,5 x 21 cm<br />
Flexcover<br />
Deutsch, Englisch<br />
ISBN: 978-3-941825-38-3<br />
Euro 36<br />
<strong>brennpunkt</strong> 1/<strong>2013</strong><br />
47
Portfolio Jürgen Bürgin<br />
Jürgen Bürgin<br />
Jürgen Bürgin (geb. 1971 in Lörrach)<br />
studierte deutsche Literatur, Sprachwissenschaft<br />
und Wirtschaft in Freiburg. Er<br />
arbeitet in Berlin als PR-Manager in der<br />
Filmbranche und als freier Fotograf. Er<br />
ist spezialisiert auf urbane Fotografie<br />
und auf Straßenfotografie. Seine Bilder<br />
zeigen die unerzählten Geschichten der<br />
Menschen in den Städten der Welt. Sie<br />
erzählen von Melancholie und Einsamkeit,<br />
bergen Geheimnisse, lassen Dinge<br />
im Dunkeln - und sie involvieren den<br />
Betrachter, der die Geschichten, die<br />
seine Bilder anstoßen, fortspinnt. Jürgen<br />
Bürgin fotografierte unter anderem in<br />
Berlin, Barcelona, Paris, London, San<br />
Francisco, Chicago, New York und<br />
Tokio. Im Jahr 2011 wurde er für den<br />
Sony World Photography Award nominiert.<br />
Seit 2011 unterstützt er die Pressearbeit<br />
des neu gegründeten Kölner<br />
Fotografie- und Kunstbuchverlags Ghost<br />
Press.<br />
© Jürgen Bürgin, »Tokyo Taxi«<br />
48 <strong>brennpunkt</strong> 1/<strong>2013</strong><br />
© Jürgen Bürgin, »Heavy Rain«<br />
Jürgen Bürgin wurde Preisträger beim<br />
<strong>brennpunkt</strong> AWARD 2012, anlässlich<br />
des Browse Festivals in Berlin<br />
http://www.juergenbuergin.com/
© Jürgen Bürgin, »City Lights«<br />
Portfolio Jürgen Bürgin<br />
<strong>brennpunkt</strong> 1/<strong>2013</strong><br />
49
Portfolio Jürgen Bürgin<br />
© Jürgen Bürgin, »Manhattan Lights«<br />
50 <strong>brennpunkt</strong> 1/<strong>2013</strong>
© Jürgen Bürgin, »Manhattan Darkness«<br />
Portfolio Jürgen Bürgin<br />
<strong>brennpunkt</strong> 1/<strong>2013</strong><br />
51
Portfolio Jürgen Bürgin<br />
© Jürgen Bürgin, »Tokyo Rain«<br />
52 <strong>brennpunkt</strong> 1/<strong>2013</strong>
© Jürgen Bürgin, »Tokyo Night«<br />
Portfolio Jürgen Bürgin<br />
<strong>brennpunkt</strong> 1/<strong>2013</strong><br />
53
Portfolio Jürgen Bürgin<br />
© Jürgen Bürgin, »Vertigo«<br />
54 <strong>brennpunkt</strong> 1/<strong>2013</strong>
© Jürgen Bürgin, »Umbrella«<br />
Portfolio Jürgen Bürgin<br />
<strong>brennpunkt</strong> 1/<strong>2013</strong><br />
55
Portfolio Fabio Orsi<br />
Fabio Orsi<br />
Fabio Orsi wurde 1979 in Neapel geboren.<br />
Nach Abschluss des Toningenieurwesens<br />
2001 lebt und arbeitet er als<br />
Musiker und Fotograf in Berlin. Seine<br />
Stärken und Erfahrungen liegen in der<br />
experimentellen Forschung, die sich<br />
besonders der Untersuchung des Tones<br />
und seiner Verbreitung in der Umwelt<br />
widmet. Seine Arbeit fokusiert sich auf<br />
die Technik der Außenaufnahme unter<br />
Zuhilfenahme von Digitalrekordern und<br />
Mikrofonen. Seine Studien der Klangumgebung<br />
sind eng mit der Welt der Fotografie<br />
verbunden. Fabio erfasst Töne als<br />
wären sie Fotos und Bilder als seien sie<br />
Erinnerungen. Die Symbiose von Bild<br />
und Ton ist für ihn eine faszinierende<br />
Herausforderung und eine untrennbare<br />
Verbindung für seine Arbeit zum Thema<br />
Erinnerung, welche evokative Erinnerung<br />
und subjektive Wahrnehmung auf<br />
verschiedenen Gebieten zu erkunden<br />
sucht. Verbunden mit der Idee einer<br />
Tonlandkarte (Soundmap) oder Tonpostkarte<br />
(Soundpostcard) arbeitet er diesbezüglich<br />
in nationalen und internationalen<br />
Projekten, in Form von Unterricht<br />
oder Workshops, in Bari, Mailand,<br />
Bochum, Luxemburg und Madrid. Als<br />
Musiker hingegen bündelt er seine<br />
eigene intime Vorstellung der Welt und<br />
transportiert sie in eine traumähnliche<br />
Dimension, erschaffen aus tiefen Tönen<br />
und sich wiederholenden Schleifen. Die<br />
hierbei verwendeten Außenaufnahmen<br />
und die mehrschichtigen Gitarren- und<br />
Keyboardmuster fangen den Zuhörer in<br />
einem Mikrokosmos akkustischer Erfahrungen.<br />
Fabio Orsi ist Musiker. Ohne<br />
die Fotografie jedoch, mit der er schon<br />
zu experimentieren anfing ohne selbst<br />
eine Kamera in der Hand gehalten zu<br />
haben, würde seine Musik nicht in<br />
dieser Form existieren. In der gleichen<br />
Art wie er Töne erfasst, sie katalogisiert,<br />
sie pflegt und befreit in gleicher Weise<br />
handhabt er auch die Fotografie. In<br />
seinen Bildern bildet Orsi einen Traum<br />
in einem Traum, einen Klang innerhalb<br />
eines anderen Klangs, eine Geschichte<br />
in einer Geschichte, mit einer unmittelbaren<br />
Wahrnehmung, weit entfernt von<br />
reiner Ästhetik.<br />
56 <strong>brennpunkt</strong> 1/<strong>2013</strong><br />
© Fabio Orsi<br />
© Fabio Orsi<br />
http://www.behance.net/orsifabio<br />
(Photography)<br />
http://fabioorsi.bandcamp.com<br />
(Musik)
© Fabio Orsi<br />
Portfolio Fabio Orsi<br />
<strong>brennpunkt</strong> 1/<strong>2013</strong><br />
57
Portfolio Fabio Orsi<br />
© Fabio Orsi<br />
58 <strong>brennpunkt</strong> 1/<strong>2013</strong>
© Fabio Orsi<br />
Portfolio Fabio Orsi<br />
<strong>brennpunkt</strong> 1/<strong>2013</strong><br />
59
Portfolio Fabio Orsi<br />
© Fabio Orsi<br />
60 <strong>brennpunkt</strong> 1/<strong>2013</strong>
© Fabio Orsi<br />
Portfolio Fabio Orsi<br />
<strong>brennpunkt</strong> 1/<strong>2013</strong><br />
61
Portfolio Fabio Orsi<br />
© Fabio Orsi<br />
62 <strong>brennpunkt</strong> 1/<strong>2013</strong>
© Fabio Orsi<br />
Portfolio Fabio Orsi<br />
<strong>brennpunkt</strong> 1/<strong>2013</strong><br />
63
Fotoszene<br />
Photokina 2012 - eine<br />
persönliche Nachlese.<br />
Im September hatte ich wieder einmal<br />
die Gelegenheit für die Firmen Rauch<br />
und Hahnemühle ein Wochenende auf<br />
der Photokina in Köln zu verbringen.<br />
Im Gegensatz - oder mindestens viel<br />
stärker als bei den vergangenen Messen<br />
- stand das gedruckte Bild im Vordergrund.<br />
Insbesondere die Halle 2.2 befand sich<br />
unter dem Motto »See me, feel me, print<br />
me«!<br />
Sämtliche großen Hersteller und Händler<br />
von Druckerpapieren demonstrierten<br />
mit großformatigen Bildern die Qualität<br />
ihrer Produkte.<br />
Der Standard der Papiere und der<br />
Beschichtungstechniken hat nach<br />
meinen Empfinden eine Stufe erreicht,<br />
die kaum noch zu übertreffen ist. Da<br />
wundert es nicht, dass die Firmen vermehrt<br />
an Präsentation und Erscheinungsformen<br />
arbeiten.<br />
Erwähnenswert in diesem Zusammenhang<br />
ist das Angebot der FineArt Papiere<br />
von Hahnemühle mit original gerissenem<br />
Büttenrand (»Sheets with Deckle<br />
Edges«), zu erhalten für die Papiere<br />
»William Turner«, »PhotoRag« und<br />
»Museum Etching«.<br />
Das macht schon etwas her, so ein edler<br />
Druck, handsigniert als Einzelstück auf<br />
»Museum Etching«!<br />
Überhaupt, beim Gang durch die Hallen<br />
und betrachten der Bilderausstellungen,<br />
kam mir die Diskussion »Beamer versus<br />
Print« absolut lächerlich vor. Beamer<br />
spielten allenfalls als technisches Gerät<br />
eine Rolle, nicht als Präsentationsform<br />
für Kunst!<br />
Die Königsklasse der Fotografie ist der<br />
FineArt-Print! (auweia, jetzt hagelt es<br />
wieder Leserbriefe...)<br />
Um das zu verdeutlichen zitiere ich hier<br />
einmal Hermann Will den Herausgeber<br />
des „»fine art printer«:<br />
»Unser Gehirn ist darauf trainiert, Bilder<br />
in Kombination mit einer Materialstruktur<br />
zu betrachten. Und deshalb lösen<br />
strukturreiche Medien beim Betrachter<br />
etwas anderes aus als das »reine«<br />
Bild, das uns am Display vermittelt wird.<br />
Naheliegend ist auch, dass die uns inne-<br />
64 <strong>brennpunkt</strong> 1/<strong>2013</strong><br />
wohnende Neugierde, nämlich die Tatsache,<br />
dass die Tatsache, dass wir etwas<br />
begreifen wollen, noch daher rührt, dass<br />
unsere Vorfahren Bilder in den Kathedralen<br />
und Kultstätten grundsätzlich mit<br />
den Händen angefasst haben um deren<br />
Inhalt zu »begreifen«.<br />
So weit Hermann Will - und ich denke<br />
dem ist nichts hinzuzufügen!<br />
Wenn die Qualität der FineArt Papiere<br />
schon ein sehr hohes Niveau erreicht<br />
hat, so gilt das für die Fotodrucker erst<br />
recht.<br />
Nach meinem persönlichen Eindruck ist<br />
der EPSON Stylus Pro 3880 nach wie<br />
vor »state of the art« für den gehobenen<br />
Heimanwender. Er ist immer noch unübertroffen<br />
in Handling und Druckqualität<br />
und liegt ebenfalls an der Spitze der<br />
Wirtschaftlichkeit bei den Tintenkosten.<br />
Interessant finde ich hingegen den Kamerasektor,<br />
insbesondere die Entwicklung<br />
im spiegellosen Systembereich. Schon<br />
alleine in Dimension und Aufmachung<br />
des Messeauftritts zeigt sich das neue<br />
Selbstbewusstsein von Panasonic mit<br />
seiner erfolgreichen »Lumix-Reihe«.<br />
Räumlich war deren Ausstellungsfläche<br />
zwar noch hinter Canon platziert, stand<br />
dieser in Aufwand und Renommé aber<br />
in nichts nach!<br />
Das Potential welches in spiegellosen<br />
Kameras, vorrangig dem Micro-<br />
FourThirds -System steckt, ist schon sehr<br />
beachtlich.<br />
Während die bisherigen digitalen Spiegelreflexkameras<br />
sich historisch eher als<br />
Evolution<br />
aus der technischen Historie begreifen<br />
lassen, sind die spiegellosen Systemkameras<br />
die wirkliche digitale Revolution,<br />
die keine Kompromisse an die analoge<br />
Vergangenheit machen musste!<br />
In dieser Einschätzung fühlte ich ich<br />
mich absolut bestätigt, als ich die neue<br />
Lumix GH3 in den Händen hielt. Kurz<br />
vor Redaktionschluss erreichte mich<br />
eines der ersten Kits mit dem 2,8 12-35<br />
mm Zoom.<br />
Mein erster Eindruck war durchweg<br />
positiv! Gehäuse und Objektiv machen<br />
einen sehr wertigen Eindruck. Das Zoom<br />
läuft butterweich und absolut gleichmä-<br />
ßig. Das neue staub- und spritzwassergeschützte<br />
Magnesiumgehäuse wirkt<br />
sehr professionell.<br />
Obwohl ich Sucher und Monitor schon<br />
bei dem Vorgängermodell GH2 als gut<br />
empfunden habe, hat Panasonic hier<br />
noch einmal nachgelegt. Das Sucherbild<br />
der Neuen ist absolut brilliant und<br />
steht einem SRL- Sucher in nichts mehr<br />
nach. Man sieht wirklich das Bild, welches<br />
man dann auch erhält, mit allen<br />
Farb-und Tonwerten!<br />
Bei einer Spiegelreflexkamera hatte das,<br />
was man im Sucher sah, ja häufig nicht<br />
viel mit dem fotografischen Ergebnis zu<br />
tun...<br />
Auch der Monitor überzeugte mich<br />
total!<br />
Wer wie ich, oft mit Stativ bei tiefen Aufnahmestandpunkten<br />
arbeitet, wird die<br />
hohe Brillianz des Bildschirms in Kombination<br />
mit der Klapp - und Schwenkfunktion<br />
als äußerst knie- und rückenschonend<br />
empfinden...<br />
Jedem, der schon mit MFT-System arbeitet,<br />
kann ich die GH3 absolut empfehlen<br />
- wer noch »spiegelt« fände hier<br />
sicherlich einen lockenden Anreiz zum<br />
Umstieg...<br />
Aber zurück zur Photokina!<br />
Meinem Eindruck nach wird sich die<br />
rasante technische Entwicklungsgeschwindigkeit<br />
in der Fotobranche<br />
abschwächen.<br />
Die Ergebnisse guter Fotodrucker auf<br />
FineArt Papier sind kaum noch zu übertreffen,<br />
und das spiegellose System wird<br />
in den Verkaufszahlen schon bald die<br />
Spiegelreflexkameras übertreffen.<br />
Jetzt bleibt zu hoffen, dass das gewachsene<br />
Selbstbewusstsein - und natürlich<br />
die wachsenden Umsätze - die Micro-<br />
FourThird Firmen dazu bewegen, nicht<br />
in jeder Modellreihe Fotografen und<br />
Videofreaks vereinen zu wollen!<br />
Ich denke, dass ich mich in der Fotoszene<br />
gut auskenne, und ich kenne praktische<br />
keine engagierten Fotografen, die<br />
mit ähnlicher Intensität Videos drehen<br />
wollen...<br />
Fest steht, man konnte für sein Geld<br />
noch nie so viel fotografische Qualität<br />
kaufen wie heute - und das ist gut so!<br />
Manfred Kriegelstein
Die Kunst der Fotografie<br />
Der Weg zum eigenen fotografischen<br />
Ausdruck<br />
Bruce Barnbaum<br />
Verlag: dpunkt.verlag<br />
ISBN: 978-3-89864-816-5<br />
400 Seiten, komplett in Farbe,<br />
Festeinband<br />
49,90 Euro�<br />
Diese Buch ist letztlich die deutsche<br />
Adaptation von »The Art of Photography«<br />
- dem meistverkauften Fotobuch<br />
in den USA im Jahre 2011.<br />
Als ich das Buch das erste Mal in die<br />
Hand nahm, kam es mir etwas altbacken<br />
vor und erinnerte mich in großen Teilen<br />
an die Haltung von Ansel Adams.<br />
Je mehr ich mich aber damit beschäftigte,<br />
desto faszinierender fand ich es.<br />
Im Gegensatz zu der oft oberflächlichen<br />
oft nur auf Effekt ausgerichteten Fotografie<br />
der digitalen Zeit, vermittelt Barnbaum<br />
einen tiefen gestalterischen und<br />
emotionalen Einblick in den Sinn der<br />
Fotografie.<br />
Einen Satz von ihm will ich hier zitieren<br />
- letztlich weil ich auch eine persönliche<br />
Wesensübereinstimmung sehe:<br />
»Meistens habe ich schon während der<br />
Aufnahme hinter der Kamera eine ziemlich<br />
genaue Vorstellung davon, welches<br />
Format das fertige Bild einmal haben soll.<br />
Die Größe des Abzugs beeinflußt dann<br />
auch seine emotionale Wirkung«.<br />
Dieser Satz mag für manche »jpg-Foren-<br />
Teilnehmer« fremd klingen - zeugt aber<br />
von hohem fotografischen Niveau mit<br />
tiefem Verständnis für Kunst!<br />
Ich fand das Buch sensationell!<br />
Manfred Kriegelstein<br />
LUMIX G5<br />
System Fotoschule<br />
Frank Späth<br />
Verlag: Point Of Sale Verlag<br />
ISBN: 978-3-941761-31-5<br />
28,00 Euro�<br />
Es gibt eben doch auch heilvolle Allianzen<br />
- so zum Beispiel zwischen Panasonic<br />
und Frank Späth. Die einen machen<br />
hervorragende Kameras - und der andere<br />
die entsprechenden verständlichen und<br />
ausführlichen Bedienungsanleitungen.<br />
Na OK, es ist vielleicht doch untertrieben<br />
das neue Werk von Frank Späth nur<br />
als Bedienungsanleitung zu sehen - es<br />
ist sicherlich sehr viel mehr.<br />
Bestimmte Kameraeinstellungen werden<br />
mit Bildbeispielen kritisch erläutert und<br />
die Vor - und Nachteile dargestellt.<br />
Weiterhin sehr interessant ist das Kapitel<br />
über passende Objektive - eben nicht<br />
nur von Panasonic, sondern auch die<br />
entsprechenden von Olympus, Sigma<br />
und Voigtländer.<br />
Und, da der Autor hier auch vereinzelt<br />
kritische Töne anschlägt, wirkt er umso<br />
glaubwürdiger in seiner Beurteilung der<br />
Fremdobjektive!<br />
Und last but not least findet sich auch für<br />
Anfänger ein informativer und gut bebildeter<br />
Fotoworkshop in Sachen Motivfindung<br />
und Bildgestaltung.<br />
Wer die G5 besitzt, für den ist das neue<br />
Werk von Frank Späth ein absolutes<br />
Muß! Manfred Kriegelstein<br />
Buchbesprechung<br />
Photoshop CS6 für digitale<br />
Fotografie<br />
Schritt für Schritt zum perfekten Foto<br />
Maike Jarsetz<br />
Verlag: Galileo Design<br />
ISBN: 978-3-8362-1896-2<br />
504 S. Komplett in farbe mit DVD<br />
39,90 Euro�<br />
Der aufmerksame Leser dieses hochgeschätzten<br />
Magazins wird den Namen<br />
Maike Jarsetz sicherlich in Erinnerung<br />
haben. Pünktlich zu neuen Versionen<br />
von Photoshop oder Lightroom gibt es<br />
ein neues Werk von ihr.<br />
Auch in Ihrem Buch über die aktuelle<br />
Version von Photoshop CS6 verrät sie<br />
dem Leser alle Tricks zur Bildbearbeitung.<br />
Hier zeigt sich wieder die doppelte<br />
Qualifikation der Autorin sowohl als<br />
Fotografin, als auch als »Adobe Certified<br />
Expert«.<br />
Wer ein Problem in Photoshop hat - hier<br />
wird er die Lösung finden!<br />
Sowohl für den, der Neuerungen in<br />
Photoshop finden will, als auch für den<br />
geübten Anwender der sein Wissen auffrischen<br />
will - das Buch ist wiederum<br />
eine Empfehlung!<br />
Manfred Kriegelstein<br />
<strong>brennpunkt</strong> 1/<strong>2013</strong><br />
65
Vorschau 2/<strong>2013</strong><br />
© Annabel Seifert, Olbernhau, »Papierfabrik«<br />
<strong>brennpunkt</strong> 2-<strong>2013</strong><br />
erscheint am<br />
4. April <strong>2013</strong><br />
Portfolio<br />
Jesus Pastor<br />
Ich habe immer von den Geschichten<br />
an der Grenze der scheinbaren täglichen<br />
Normalität fasziniert. Innerhalb<br />
des Friedhofs, wandert ein Mann unter<br />
Kreuze und Grabsteine , Reinigungsgoldenen<br />
Lettern und bunten flowers.I<br />
beobachte ihn, wie er das sonnige Land<br />
gräbt. Für eine Weile habe ich nur Statuen<br />
von Engeln, die die Gräber, rissige<br />
Christs, leeren Nischen, etc bewachen<br />
fotografiert ... Nach dem Gespräch mit<br />
ihm fast täglich, fühlte ich das Bedürfnis,<br />
seine Geschichte mit Bildern zu<br />
erzählen.<br />
Portfolio<br />
Ronny Behnert<br />
Geboren wurde Ronny Behnert in<br />
Luckenwalde, einer Kleinstadt, südlichvon<br />
Berlin. Schnell zog es ihn in<br />
die Hauptstadt Deutschlands, in der er,<br />
mit mit einigen Unterbrechungen, seit<br />
1989 lebt und arbeitet. Nach seiner Ausbildung<br />
verschlug es ihn beruflich für<br />
eine begrenzte Zeit nach Frankfurt am<br />
Main und auf die Insel Sylt im Norden<br />
Deutschlands.<br />
66 <strong>brennpunkt</strong> 1/<strong>2013</strong><br />
© Annabel Seifert, Olbernhau, »Papierfabrik« © Annabel Seifert, Olbernhau, »Papierfabrik«<br />
© Jesus Pastor<br />
Leserfotos<br />
© Ronny Behnert © Ronny Behnert
ennpunkt 1/<strong>2013</strong><br />
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Galerien<br />
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