die Festrede von Peter Golon - Orgelakademie Stade
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10 Jahre <strong>Orgelakademie</strong> <strong>Stade</strong><br />
Wege zu einem klangvollen Namen in der Orgelwelt<br />
Verehrte Anwesende!<br />
Dass <strong>die</strong> Verantwortlichen der <strong>Orgelakademie</strong> es offenbar für vertretbar halten, einem<br />
abgelegten, weil pensionierten „alten Sack“ heute an <strong>die</strong>sem Festtage das Wort zu erteilen, hat<br />
mich ehrlich gesagt sehr gefreut.<br />
Angenehm fand ich es auch, dass man mir in keiner Weise Vorgaben über <strong>die</strong> Art und Weise<br />
meines Herangehens an das Thema „10 Jahre <strong>Orgelakademie</strong> <strong>Stade</strong>“ gemacht hat.<br />
Und so mache ich es auf meine Weise, - was bedeutet: ganz persönlich, aus meiner Sicht, mit<br />
dem einen oder anderen Geschichtchen.<br />
Wer also hier <strong>die</strong> Vorlage einer nüchternen Bilanz erwartet, sollte sich nicht aufhalten lassen,<br />
schon mal in <strong>die</strong> Kapelle zu gehen und zum Glas Wein zu greifen. – Ende der Vorrede<br />
Zunächst möchte ich um Geduld bitten, wenn ich den Weg bis hin zur Gründung der<br />
<strong>Orgelakademie</strong> etwas ausführlicher skizziere.<br />
Ich beginne dabei nämlich nicht erst bei Adam und Eva, sondern früher: nämlich zu dem<br />
Zeitpunkt, als in Bezug auf das Interesse für <strong>die</strong> alte Orgelkunst alles „wüst und leer“ erschien<br />
und Dunkel über dem Lande lag.<br />
Als sich in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts das Interesse für <strong>die</strong> alten Orgeln<br />
insbesondere des 17. und 18. Jahrhunderts und in der Folge auch das Interesse für <strong>die</strong><br />
ursprünglich darauf gespielte Musik – regte, war das absolut eine Sache weniger Verrückter.<br />
In Norddeutschland standen neben der Schnitgerorgel in St.Jacobi Hamburg zeitweise auch<br />
<strong>die</strong> Instrumente in Neuenfelde, Steinkirchen, <strong>Stade</strong> St.Cosmae und Altenbruch im Focus<br />
<strong>die</strong>ser so genannten Orgelbewegung.<br />
Neben Persönlichkeiten wie Albert Schweizer im Elsaß war es hier im Norden insbesondere<br />
der philosophierende Schriftsteller und Orgelbauer Hanns Henny Jahnn, der den Ruf nach<br />
dem Zurück zum klassischen Orgelbau erschallen ließ.<br />
Freilich überwogen in <strong>die</strong>ser Anfangszeit der Rückbesinnung auf alte Handwerkstraditionen<br />
und originale Klänge dann doch der Enthusiasmus, <strong>die</strong> Inthronisierung unbewiesener<br />
Behauptungen zu Dogmen, auch <strong>die</strong> Überzeugung, dann doch neuere angeblich ewig haltbare<br />
Materialien verwenden zu können und der Glaube, auf unterstützende Forschung in den<br />
Archiven getrost verzichten zu können.<br />
Als nach dem zweiten Weltkrieg vor allen in den Niederlanden und im Norden Deutschlands<br />
einige Orgelbauer, Organisten und Musikwissenschaftler begannen, genauer nachzufragen,<br />
dem alten Klang auf <strong>die</strong> Spur zu kommen und den alten Techniken, war es für viele<br />
historische, zwischenzeitlich in guter Absicht renovierte Orgeln zu spät.<br />
Ich entsinne mich noch genau, wie vor 50 Jahren bei dem Einweihungskonzert der<br />
renovierten Bielfeldt-Orgel in St.Wilhadi der damalige freiberufliche Konzertorganist und<br />
spätere Orgelsachverständige unserer Landeskirche Helmut Winter dem verdutzten<br />
Orgelbauer zurief: „Und Sie haben <strong>die</strong>se Orgel auf dem Gewissen“<br />
Dies alles geschah weitgehend unbemerkt <strong>von</strong> der Öffentlichkeit, war etwas für wirkliche<br />
oder vermeintliche Spezialisten.<br />
Das heißt auch: Die überragende Bedeutung der Orgelwelt insbesondere in den reichen<br />
Marschlanden zwischen Groningen und Hamburg, hier für uns: zwischen Elbe und Weser,
war der Öffentlichkeit nicht bewusst.<br />
Und <strong>die</strong>s, obwohl Anfang der 50er Jahre Tonaufnahmen der BBC in Steinkirchen und<br />
insbesondere <strong>die</strong> Gesamteinspielung der Bachschen Orgelwerkes durch Helmut Walcha für<br />
<strong>die</strong> Deutsche Grammophon – Archiv-Produktion an der <strong>von</strong> Schnitger 1682 in <strong>Stade</strong> für <strong>die</strong><br />
Hamburger Johanniskirche gebauten und 1816 nach Cappel bei Cuxhaven translozierten<br />
Orgel weltweit für Furore sorgten, auf Plattenspielern in Michigan ebenso wie auf solchen in<br />
Tokio, Peine, Pattensen, Paris und ……. Melbourne abgespielt wurde. Nein: Bis<br />
Poppenbüttel ist <strong>die</strong> Mär vom guten Orgelklang bis heute noch nicht durchgedrungen.<br />
Ein nicht zu überschätzendes Datum war sodann 1975 <strong>die</strong> durch Jürgen Ahrend aus Leer<br />
vollendete Restaurierung der Huß/Schnitger-Orgel hier in St. Cosmae.<br />
Die technischen und vor allem klanglichen Ergebnisse <strong>die</strong>ser Maßnahme machten weltweit<br />
Furore. Sie waren paradigmatisch, wie Harald Vogel in solchen Fällen zu sagen pflegt -<br />
Vogel, der als gebürtiger Ottersberger schon als Schüler <strong>die</strong> historischen Orgeln des Elbe-<br />
Weser-Dreiecks stu<strong>die</strong>rt hatte – und nun als Orgeldozent mit aus aller Welt angereisten<br />
Teilnehmern seiner „Norddeutschen <strong>Orgelakademie</strong>“ häufiger Gast in St. Cosmae war.<br />
Diesem damals noch recht jungen Mann war es gegeben, Aufmerksamkeit für <strong>die</strong><br />
faszinierende Welt der Orgeln auch weit hinein in <strong>die</strong> allgemeine Öffentlichkeit<br />
hervorzurufen, so zum Beispiel durch eine Sendereihe bei Radio Bremen, in der er nicht nur<br />
historische Orgeln vorstellte, sondern auch einen Eindruck <strong>von</strong> der Art und Weise vermittelte,<br />
wie solche Orgeln und <strong>die</strong> dazu gehörende Musik zu spielen seien. Das <strong>von</strong> ihm initiierte<br />
Dollartfestival und letztendlich <strong>die</strong> Gründung des Organeums in Weener taten ihr Übriges.<br />
Aber auch hier in <strong>Stade</strong> bewegte sich was: An St.Wilhadi gelang es uns, große Teile der<br />
gemeindlichen Öffentlichkeit zu unglaublichem Engagement für <strong>die</strong> 1,2 Millionen DM teure<br />
Restaurierung der Bielfeldt-Orgel zu gewinnen.<br />
Was freilich dadurch deutlich erleichtert wurde, dass Stadtdirektor Dr. Jürgen Schneider und<br />
Oberkreisdirektor Dieter Diekmann in der ihnen eigenen Art es schafften, <strong>die</strong> Gremien <strong>von</strong><br />
Stadt und Landkreis zu überzeugen, dass da mehrere Hunderttausend DM gut angelegt seien.<br />
Dies war der Beginn einer bis zum heutigen Tage fortwährenden wohlwollenden Betrachtung<br />
der Orgelszene durch Verwaltungsspitzen und Parlamentarier in Stadt und Landkreis <strong>Stade</strong>,<br />
für <strong>die</strong> man sehr dankbar sein kann.<br />
Als dritter im Bunde stellte sich damals prompt der Landschaftsverband <strong>Stade</strong> in den Dienst<br />
der Sache.<br />
Zunächst dadurch, dass in ausführlichen Artikeln in der damals neu geschaffenen Zeitschrift<br />
„Heimat und Kultur zwischen Elbe und Weser“ werbend auf zwei vom Landkreis finanzierte<br />
Projekte eingegangen wurde:<br />
Das Buch über <strong>die</strong> historischen Orgeln des Landkreises <strong>Stade</strong> vom Vortragenden sowie <strong>die</strong><br />
Noten- und Schallplattenedition des Gesamtwerkes <strong>von</strong> Vincent Lübeck, betreut <strong>von</strong> Wolfram<br />
Syre und ebenfalls dem Vortragenden.<br />
So richtig Fahrt nahm <strong>die</strong> Sache auf, als zwei junge Leute, Zugereiste zwar (das muss ja nicht<br />
immer schlecht sein), <strong>die</strong> kulturelle Szene hierzulande auffrischten: Dr.Hans-Eckardt<br />
Dannenberg beim Landschaftsverband und Martin Böcker als Kreiskantor, Orgelrevisor und<br />
Kirchenmusiker an St.Cosmae.<br />
Und so wurde sehr bald, im Jahre 1991, <strong>die</strong> „Orgellandschaft“ geboren, eine jährlich<br />
wiederkehrende Veranstaltungsreihe mit Konzerten an Orgeln des Elbe-Weser-Dreiecks,<br />
bestritten <strong>von</strong> Kirchenmusikern der Region – in gewisser Weise ein Gegenstück zum
Vogelschen Dollart-Festival, nur eben mit weit geringerem finanziellen Aufwand.<br />
Die Orgelszene im norddeutschen Küstenstreifen hatte sich Anfang der 90er Jahre zweigeteilt,<br />
nachdem <strong>die</strong> große Schnitgerorgel in St.Luidgeri zu Norden <strong>von</strong> Ahrend restauriert und das<br />
Organeum in Weener gegründet worden war, vor allem aber auch, seitdem in <strong>Stade</strong> mit<br />
Martin Böcker ein ausgewiesener und äußerst rühriger Fachmann für alte Orgeln und ihre<br />
Musik wirkte.<br />
Schön war und ist dabei <strong>die</strong> Zusammenarbeit der hauptamtlichen Kirchenmusiker in Bremen-<br />
Verden, so etwa KMD Tilmann Benfer in Verden, KMD Hauke Ramm und seinem<br />
Vorgänger Albert Behrends in <strong>Stade</strong>, Ingo Duwensee an den beiden herausragenden Orgeln in<br />
Altenbruch und Lüdingworth, Jürgen Sonnentheil in Cuxhaven, Karl-Heinz Voßmeier in<br />
Rotenburg und Eva Schad in Bremerhaven.<br />
Aber natürlich blieb dann doch auch jenseits mancher Nickligkeiten, <strong>die</strong> es auch und<br />
manchmal denke ich besonders in der Orgelszene gibt, <strong>die</strong> Verbindung nach Ostfriesland und<br />
Groningen.<br />
Ich selbst habe mit Freude an einem prächtigen <strong>von</strong> Harald Vogel im Auftrag der<br />
Niedersächsischen Sparkassenstiftung herausgegebenen Bildband über <strong>die</strong> niedersächsische<br />
Orgelwelt mitgearbeitet, man traf sich in so manchen Sachverständigenkommissionen für<br />
Orgelrestau-rierungen, und <strong>die</strong> Herren Böcker und Benfer gehörten ebenso zum<br />
Dozentenkollegium der Bremer Hochschule für Künste wie Harald Vogel.<br />
Und auch im Lande zwischen Ostfriesland und Bremen-Verden, im Oldenburgischen also, tat<br />
sich was: Da hatten engagierte Bürger <strong>von</strong> Brake-Golzwarden und umzu im 350. Geburtsjahr<br />
des in Schmalenfleth (Kirchengemeinde Golzwarden) geborenen Orgelbauers Arp Schnitger<br />
einige kreativ geplante Aktionen gestartet. Und als der Juli 1998 vorbei war, wollte man nicht<br />
einfach alles wieder auflösen. So kam es zur Gründung der Arp -Schnitger-Gesellschaft,<br />
damals unter Vorsitz des unvergessenen Geerd Dettmers aus Oldenburg. Der hatte nicht nur<br />
hervorragende Kontakte in der Wirtschaft, sondern auch zukunftsweisende Gedanken zur<br />
Unterstützung der Orgelwelt und ihrer Vermittlung in der Öffentlichkeit.<br />
Uns <strong>Stade</strong>r, <strong>die</strong> regelmäßig – wie wir dann immer behaupteten: wegen der Weserfähre in<br />
Dedesdorf – zu spät zu Sitzungen erschienen, begrüßte er stets mit einem: „Na, da kommen<br />
nun ja auch <strong>die</strong> Überflüssigen“.<br />
Geerd Dettmers war es, der auf Anregung <strong>von</strong> Prof. Vogel <strong>die</strong> Edition einer CD-Kassette<br />
unter dem Titel „Arp Schnitger in Niedersachsen“ betrieb. Schnitgergesellschaft,<br />
Ostfriesische und Oldenburgische Landschaft sowie der Landschaftsverband <strong>Stade</strong> fungierten<br />
als Herausgeber, bei uns in <strong>Stade</strong> liefen dabei alle Fäden zusammen. Hier wurden <strong>die</strong><br />
Aufnahmetermine organisiert, <strong>die</strong> Texte für das Booklet verfasst usw. Die wirklich gute Idee<br />
bei <strong>die</strong>ser Produktion war, jungen Organisten aus aller Welt <strong>die</strong> Möglichkeit zu geben, das<br />
durch ihr Studium an den historischen Orgeln Norddeutschlands Erlernte einem weiteren<br />
Kreis <strong>von</strong> interessierten Hörern akustisch zugänglich zu machen. Als Künstlerischer Berater<br />
konnte der renommierte amerikanische Organist Prof. William Porter gewonnen werden.<br />
Sozusagen pünktlich zum Gründungstermin der „<strong>Orgelakademie</strong> <strong>Stade</strong> e.V.“ erschien dann<br />
im Mai 2002 <strong>die</strong>se unterdessen längst vergriffene Edition, während das zweite <strong>von</strong> Dettmers<br />
initiierte Projekt, ein zusammen mit der Stichting Groningen Orgelland herausgegebener<br />
Bildband über Arp Schnitger redaktionell schon ganz offiziell <strong>von</strong> der <strong>Orgelakademie</strong> <strong>Stade</strong><br />
durchgeführt wurde.
ORGELMUSIK<br />
Wenn ich jetzt so einen langen Anlauf gemacht habe, dann weil darin schon deutlich werden<br />
sollte, worum es ging und geht bei der <strong>Orgelakademie</strong> <strong>Stade</strong>:<br />
- Öffentlichkeitsarbeit und Tourismus – jetzt ganz neu: Erarbeitung eines gezielten<br />
„Orgel-Marketingkonzeptes“ in Zusammenarbeit mit den Tourismusverbänden<br />
- Beratung bei anstehenden Restaurierungen oder Neubauten<br />
- Musikwissenschaftliche Forschung, Bucheditionen<br />
- Produktion <strong>von</strong> CDs und DVDs<br />
- Konzertreihen, Konzerte und Orgelführungen Auch eine schöne Orgel kann man<br />
schlecht zu Gehör bringen<br />
- Unterstützung der PR-Arbeit der Orgel- und Kirchenmusik in den Gemeinden des<br />
Landes<br />
- Ausbildung und Förderung junger Musiker<br />
- Anlaufstelle für auswärtige Künstler, Professoren, Studenten, für virtuelle und<br />
materielle Besucher aus aller Welt<br />
In weiten Bereichen war <strong>die</strong>se Arbeit zwar schon ehrenamtlich geleistet worden – aber es<br />
wurde deutlich, das letztlich dann doch Zeitrahmen und Kraftreservoir begrenzt waren. Da<br />
musste also was passieren.<br />
Lange Zeit waren das Hirngespinste, gesponnen bei einem oder zwei Glas bzw. Flaschen<br />
Wein nach Feierabend.<br />
Dann aber kam uns der Umstand zur Hilfe, dass <strong>die</strong> ostfriesische Landschaft Überlegungen<br />
anstellte, auf welche Art und Weise <strong>die</strong> finanziell sehr aufwändige, gleichwohl wichtige<br />
Arbeit sowie das repräsentative Haus des Organeums in Weener zu sichern sei.<br />
Bald wurde deutlich, dass das Land, <strong>die</strong> Stiftung Niedersachsen und <strong>die</strong> Klosterkammer schon<br />
bereit waren, <strong>die</strong> Orgelkultur finanziell zu unterstützen, freilich unter der Bedingung eines<br />
neben Weener zweiten Standortes und der Vernetzung beider Institute durch einen<br />
organisatorischen Rahmen.<br />
Und so kam es zu intensiven Gesprächen und Verhandlungen zwischen den potentiellen<br />
Förderern und den Landschaftsverbänden.<br />
Hier vor Ort in <strong>Stade</strong> bildete sich eine Arbeitsgruppe, in der maßgeblich Frau Dr.Hanke <strong>von</strong><br />
der Stadt <strong>Stade</strong>, Helmut Hölscher vom Landkreis <strong>Stade</strong>, Dr.Dannenberg, Martin Böcker,<br />
zeitweise auch Sup. Rudolf Rengstorf und ich beteiligt waren.<br />
Sehr bald zeigte sich <strong>die</strong> sehr positive Haltung <strong>von</strong> Landrat Armonat, Stadtdirektor<br />
Hattendorff und auch der Parlamentarier in den Kulturausschüssen.<br />
Auch kamen <strong>von</strong> der Stadt Cuxhaven, <strong>von</strong> Orgelbau- bzw. Kirchen-musikvereinen im Lande<br />
sowie <strong>von</strong> Einzelpersonen deutliche Signale des Interesses am Mitwirken.<br />
Auf unseren Werbetouren haben wir dann auch unsere Bischöfin besucht, - in der Hoffnung,<br />
sie für <strong>die</strong> Lobbyarbeit beim Land und in den Stiftungen zu gewinnen.<br />
Da haben wir dann Fakten geschildert, aber auch durch kleine Beispiele versucht, deutlich zu<br />
machen, welche Bedeutung <strong>die</strong> Orgelwelt im Norden ihrer Landeskirche weltweit hat. Etwa<br />
so: Da versammeln sich anlässlich eines NDR-Wettbewerbs in einem sommerlichen <strong>Stade</strong>r<br />
Garten Größen der Alte-Musik und Orgelszene wie <strong>die</strong> Professoren Michael Radulescu aus<br />
Wien, Andrea Marcon aus Venedig, Harald Vogel aus Bremen, Wolfgang Zerer aus Hamburg
sowie aus Amsterdam Gustav Leonhard und Ton Koopmann und unterzeichnen einen später<br />
weltweit verbreiteten Aufruf zur Restaurierung der Schnitgerorgel in Hollern im Alten Land.<br />
Das scheint auf unsere damalige Oberhirtin überhaupt keinen Eindruck gemacht zu haben,<br />
denn wenig später, als Martin Böcker <strong>von</strong> den zahlreichen Besuchen <strong>von</strong> Dozenten und<br />
Studenten aus Ostasien berichtete, kam <strong>die</strong> Frage: „Sagen Sie, was machen denn <strong>die</strong>se Leute<br />
ausgerechnet in <strong>Stade</strong>?“<br />
Hinterher hab’ ich schon so manches Mal gedacht, vielleicht hätten wir erläutern sollen, dass<br />
<strong>die</strong> Bedeutung <strong>die</strong>ser Kumulation <strong>von</strong> Orgelgrößen etwa einem Treffen <strong>von</strong> Jimmy Hendrix,<br />
Sting, Paul McCartney ...... und Janis Joplin entsprochen habe. aber das hätte wohl auch<br />
nichts genutzt – und in der Gospelmusikszene kenne ich mich leider nicht so aus.<br />
Sei’s drum. Wir hatten im Landeskirchenamt ja einen kräftigen Unterstützer: Den damaligen<br />
unter anderem für Gottes<strong>die</strong>nst und Kirchenmusik zuständigen Dezernenten Hans Christian<br />
Brandy, unseren heutigen Landessuperintendenten.<br />
Landeskirche und Kirchenkreis machten es möglich, den Kirchenmusiker und den Pastor für<br />
jeweils drei Jahre zur Hälfte freizustellen für <strong>die</strong> Positionen des Künstlerischen Leiters und<br />
des Geschäftsführers, der dann später zugleich auch <strong>die</strong> Geschäftsführung <strong>von</strong> NOMINE –<br />
Norddeutsche Orgelmusikkultur in Niedersachsen und Europa - , dem gemeinsamen Dach<br />
<strong>von</strong> Weener und <strong>Stade</strong> übernahm, ein Dach, unter dem sich heute noch diverse andere<br />
Institutionen versammelt haben.<br />
Wenn Martin Böcker und ich im <strong>Stade</strong>r Tageblatt als „Väter der <strong>Orgelakademie</strong>“<br />
apostrophiert werden, möchte ich an <strong>die</strong>ser Stelle <strong>die</strong> „Mütter“ besonders würdigen.<br />
Da gab es eine zielstrebige und an der Sache sehr interessierte Vorsitzende des Vereins<br />
<strong>Orgelakademie</strong> <strong>Stade</strong> e.V.: Die <strong>Stade</strong>r Kulturdezernentin Dr.Andrea Hanke verstand es, <strong>die</strong><br />
Mitarbeiter am Arbeiten zu halten. Jeden Montagmorgen gab es eine Besprechung mit dem<br />
Geschäftsführer. Und auch wenn Frau Dr.Hanke meist zu uns ins Johanniskloster kam, fühlte<br />
ich mich manchmal wie zum Rapport bestellt. Ein herzliches Dankeschön an <strong>die</strong>se famose<br />
Frau!<br />
Da gab und gibt es zum Glück für <strong>Orgelakademie</strong> und Nomine Marlies Erdmann. Die<br />
Einstellung <strong>die</strong>ser Frau als Sekretärin war, wie wir heute wissen, mehr als <strong>die</strong> halbe Miete.<br />
Stets korrekt, verbindlich, freundlich im Umgang mit Mitarbeitern, Studenten, Besuchern im<br />
direkten Gespräch oder am Telefon.<br />
Alles wohl geordnet und strukturiert.<br />
Die gleich zu Beginn ihrer Tätigkeit <strong>von</strong> ihr selbst erstellte Internetseite sucht in ihrer Vielfalt<br />
in der Orgelwelt ihresgleichen. Die Organisation <strong>von</strong> Konzertreihen, <strong>die</strong> Planung <strong>von</strong><br />
Orgelreisen, der Verkauf im akademieeigenen Internetshop und vieles andere mehr, alles<br />
geht <strong>die</strong>ser Frau perfekt <strong>von</strong> der Hand. Ach ja: Die Verwaltung des Haushalts auch, ein Segen<br />
für Leute, <strong>die</strong> nicht rechnen können.<br />
Und dann als dritte im Bunde der „Mütter“ ein weiterer Glücksgriff: Als wegen des teilweisen<br />
Wechsels <strong>von</strong> Martin Böcker in <strong>die</strong> <strong>Orgelakademie</strong> <strong>die</strong> auf drei Jahre begrenzte halbe Stelle<br />
an St.Cosmae ausgeschrieben wurde, meldete sich auch eine junge Kirchenmusikerin und<br />
Sopranistin aus Frankfurt am Main. Die Aussicht, an dem Instrument in St.Cosmae zu sitzen<br />
und <strong>die</strong> Möglichkeit zu haben, <strong>die</strong> wunderbaren Orgeln im Norden kennen zu lernen, brachte<br />
Annegret Kleindopf dazu, ihre volle Stelle in Frankfurt gegen eine halbe in <strong>Stade</strong><br />
einzutauschen.<br />
Und als Martin Böcker wieder ganz ins kirchliche Amt wechselte, gleichwohl -aber nun<br />
ehrenamtlich- künstlerischer Leiter der Akademie blieb, übernahm Annegret Kleindopf als
künstlerische Mitarbeiterin viele seiner Aufgaben.<br />
Und so ganz nebenbei brachte sie dann auch noch einen Herrn mit, der – bislang im<br />
Management einer Weltfirma tätig – als Geschäftsführer <strong>die</strong> Arbeit <strong>von</strong> NOMINE zu<br />
ungeahnter Intensität führte. Nun ist NOMINE hier nicht mein Thema, aber schauen Sie bitte<br />
mal hinein in www.nomine.net. Unglaublich, was Christoph Schönbeck da präsentiert – <strong>die</strong><br />
gesamte Orgelwelt in den Landschaftsbezirken Ostfriesland, Oldenburg, <strong>Stade</strong> und Lüneburg<br />
in Wort und Bild, mit Links auf <strong>von</strong> ihm in You tube Eingestelltes, mit eigenen äußerst<br />
erfolgreiche CD-Produktionen und und und.<br />
Ach ja: Wenn Sie Kontakt zu Annegret Kleindopf aufnehmen wollen: Die heißt jetzt<br />
Annegret Schönbeck – und hat neben dem schon Üblichen, den Orgelführungen, den<br />
Orgelreisen, der Betreuung <strong>von</strong> Studenten und Dozenten - ein ganz neues Arbeitsfeld<br />
aufgetan:<br />
Unter dem Titel „Alte Orgeln für junge Menschen“ entstand ein auch <strong>von</strong> der Landeskirche<br />
gefördertes Projekt, das Kindergärten, Schulklassen, aber auch spezielle Seminargruppen <strong>von</strong><br />
Kindern an <strong>die</strong> Orgel heranführt. An ihre Funktionsweise, ihre Klangwelt, ihre Musik. Da<br />
werden dann auch Exkursionen ins Land zwischen Elbe und Weser gemacht – und wer einmal<br />
<strong>die</strong> staunenden Augen <strong>die</strong>ser Kinder erlebt hat, wird an der Sinnhaftigkeit <strong>die</strong>ses Vorhabens<br />
nicht mehr zweifeln können. Ganz abgesehen da<strong>von</strong>, dass <strong>die</strong> eine oder der andere sich<br />
entschließen, Orgelunterricht zu nehmen.<br />
Auch das <strong>Stade</strong>r Jugendorgelforum hat Annegret Schönbeck initiiert. Da treffen sich (in<br />
<strong>die</strong>sem Jahr schon zum 4. Mal) Jugendliche aus ganz Deutschland (auch ein Engländer war<br />
schon dabei) im Alten zwischen 12 und 19 Jahren, <strong>die</strong> schon Orgelunterricht bzw.<br />
Klavierunterricht haben. In dem Wochenkurs erhalten <strong>die</strong> Teilnehmer Unterricht <strong>von</strong><br />
Annegret Schönbeck, Martin Böcker, Tilmann Benfer, Hauke Ramm und weiteren<br />
Gastdozenten, im vergangenen Jahr war es Philip Swanton aus Sydney in Australien.<br />
Gemeinsames Singen und Freizeitgestaltung kommen dabei nicht zu kurz. Und <strong>die</strong><br />
Abschlusskonzerte in den vollbesetzen Kirchen lassen nicht nur <strong>die</strong> dann meistens angereisten<br />
Eltern strahlen.<br />
Auch <strong>die</strong> Unterrichtstätigkeit an den verschiedenen Orgeln der Landschaft nimmt einen<br />
breiten Raum ein. Die beiden künstlerischen Mitarbeiter planen und veranstalten Kurse für<br />
ganze Orgelklassen <strong>von</strong> Hochschulen, so z.B. schon mehrfach <strong>von</strong> der Gnesin-<br />
Musikakademie in Moskau.<br />
Zeitweise gab es eine gute Kooperation mit der Hochschule für Musik, Theater und Me<strong>die</strong>n<br />
Hannover, Prof. Peretti. Heute ist nach dessen Weggang an <strong>die</strong> Stelle vor allem <strong>die</strong> enge, auch<br />
vertraglich vereinbarte Zusammenarbeit mit der Hamburger Hochschule für Musik und<br />
Theater getreten, an der Martin Böcker auch als Dozent tätig ist.<br />
Hinzu kommt <strong>die</strong> Betreuung einzelner in- und ausländischen Studenten, <strong>die</strong> für eine Zeit vor<br />
Ort leben und unterrichtet, und dabei in Einzelfällen übrigens finanziell durch <strong>die</strong> Ritterschaft<br />
und andere unterstützt werden.<br />
Die Begleitung wissenschaftlicher Arbeit und <strong>die</strong> Publikation ihrer Ergebnisse, so etwa zum<br />
Lebenswerk des aus <strong>Stade</strong> stammenden Orgelbauers Ernst Röver, zur Orgelstadt <strong>Stade</strong> (so der<br />
Name eines vom Lionsclub finanzierten Buches).<br />
Noten, CD- und Bucheditionen im Rahmen des mit dem Freiburger Musikwissenschaftler<br />
Prof.Dr.Konrad Küster durchgeführten Forschungsprojektes „Musik und Orgelbau in <strong>Stade</strong><br />
und Bremen-Verden“<br />
Mitarbeit an Bucheditionen <strong>von</strong> NOMINE, so etwa dem Choralbuch für alte Orgeln.<br />
Ach, das können wir ja alles auf den Internetseiten <strong>von</strong> <strong>Orgelakademie</strong> und Nomine lesen.
Aber nun zum Schluss wenigstens noch <strong>die</strong>s: Ich weiß nicht, ob bei Ihnen etwas klingelt,<br />
wenn ich den Namen Günter Blobel nenne!?. Na, es sind wohl heute nicht so viele Mediziner<br />
unter uns.<br />
Also, <strong>die</strong>ser Günter Blobel durchquerte als Neunjähriger auf der Flucht mit seinen Eltern aus<br />
Schlesien das noch unzerstörte Dresden. 1999 wurde der an der Rockefeller University in<br />
New York wirkende Mediziner mit dem Medizin-Nobelpreis ausgezeichnet. Das Preisgeld<br />
stiftete er für den Wiederaufbau der Dresdner Frauenkirche. Die ihm daraufhin übertragene<br />
Ehrenmitgliedschaft im Kuratorium Frauenkirche gab er aufgrund der Entscheidung, in der<br />
Frauenkirche hinter dem rekonstruierten Gehäuse der Silbermannorgel eine moderne Orgel zu<br />
bauen, unter Protest zurück.<br />
Und <strong>die</strong>ser Günter Blobel war es, der am 20. Juni 2002, am Tage nach Gründung der<br />
<strong>Orgelakademie</strong>, an uns <strong>die</strong> allererste Email schickte, in Ermangelung einer <strong>Stade</strong>r Email-<br />
Adresse über einen mit ihm und uns befreundeten Wissenschaftler im Göteborg Organ Art<br />
Center:<br />
„Congratulations to the Organ Academy! A very good idea!“<br />
Wo der Mann Recht hat, hat er Recht.<br />
Ich danke für Ihre Geduld und Aufmerksamkeit.