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Oldenburger Jahrbuch des Oldenburger Landesvereins für ...

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24 W alter Asmus<br />

nie ohne das Herz (16, 14). So fühlte sie sich selbst bei der Auktion<br />

ihres Hausstan<strong>des</strong> „ganz zur Kaufmannsche geboren" und vermochte<br />

ganz unsentimental ihr Herz „von dem alten Kram von Besitztum loszumachen"<br />

(16, 21). W er nicht ihrem Ideal einer im praktischen Leben<br />

sich bewährenden und vor nichts zurückschreckenden W illens- und<br />

Entschlußkraft entsprach, dem konnte sie mit ironischer, fast arroganter<br />

Herablassung und zuweilen mit einer Kälte begegnen, unter der,<br />

von ihrem Manne ganz zu schweigen, selbst der Sohn zu leiden hatte.<br />

Wenn dieser auch ihre starke Liebe, die es 19 Jahre hindurch gewohnt<br />

war, ihn sozusagen auf jedem seiner Schritte zu begleiten und<br />

zu beobachten, fühlte und im Umgange mit ihr sogar die Sprache <strong>des</strong><br />

Du beibehielt, so waren ihm ihre schulmeisterlich-herablassenden<br />

ironisch-kalten Zurechtweisungen und Ermahnungen, die sie gelegentlich<br />

sogar Dritte wissen ließ, doch recht unangenehm und machten<br />

ihm ihre Nähe zuweilen etwas „unheimlich". — Was die äußere Erscheinung<br />

dieses männlichen Charakters betrifft, so waren bei ihr wie<br />

bei der ihr so ähnlichen „Dame Schopenhauer" die Grazien ausgeblieben.<br />

Den „lebhaften Blick" der Augen ausgenommen, wies sie<br />

nach Smidt in ihrem 40. Lebensjahr auch keine Spur von Schönheit<br />

mehr auf: „Haltung, Gang, Sprachorgan, Gestikulation, dem allen<br />

mangelte die Anmut, es fiel mitunter sogar als widerwärtig auf; und<br />

wie nichts bei ihr zum Vorschein kam, das an Sinnlichkeit erinnert<br />

hätte, hat sie auch schwerlich eine solche jemals anzuregen vermocht“<br />

35). In ihrer freien Naivität pflegte sogar sie selbst sich wohl<br />

eine „alte häßliche Frau“ zu nennen und fand, wenn auch ein gewisses<br />

Wohlbehagen über ihre Männlichkeit empfindend (16, 70), etwas „K orinthenartiges"<br />

ausgenommen (16, 23), nichts Verehrungswürdiges<br />

an sich.<br />

Nachdem sie sich von ihrem Manne endgültig getrennt hatte, folgte<br />

sie dem ihrem Ideal entsprechenden Arzte Dr. Harbaur nach Paris. Hier<br />

ist sie nach lOwöchiger Krankheit am 4. Dezember 1802 ruhig, gelassen<br />

und zufrieden mit den Fügungen Gottes gestorben. Ihr letzter<br />

Gedanke galt ihrem Sohne, dem ihr ganzes Leben geweiht war und<br />

der zu ihrem Leidwesen ihrem Ideal von Männlichkeit so wenig entsprach.<br />

Zuletzt hatte sie sogar den Glauben verloren, daß er sich<br />

überhaupt selbständig durch das Leben schlagen könne. In der Meinung,<br />

daß Philosophie kein Brot gebe, hatte sie ihm sogar die Disposition<br />

über sein mütterliches Erbteil bis zu seinem 40. Lebensjahre<br />

entzogen, wodurch sie sich den Sohn noch mehr entfremdete. Dennoch<br />

war ihr Johann Friedrich der „Mutter Kind". Das Außergewöhnliche<br />

an ihm, was den Bereich <strong>des</strong> Genialen streifte, stammte

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