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Oldenburger Jahrbuch des Oldenburger Landesvereins für ...

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Die Herbarts in Oldenburg 23<br />

stück zu kühn; ihre Entschlossenheit schlug jeden Zweifel nieder,<br />

sobald sie den Moment zum Handeln gekommen zu sein glaubte. Daß<br />

die Farben hier nicht zu dick aufgetragen sind, beweist die folgende<br />

von Smidt erzählte interessante Geschichte: „Schon einige Jahre vor<br />

der Zeit, wo ich ihre nähere Bekanntschaft machte, erkrankte ein<br />

oldenburgischer Beamter, mit dem Herbartschen Hause befreundet,<br />

der Frau jedoch geistesverwandter als dem Manne und daher ihr sein<br />

vorzügliches Vertrauen widmend, an der sogenannten galoppierenden<br />

Schwindsucht. Im letzten Stadium derselben, wie jede Aussicht auf<br />

Genesung bereits geschwunden war, verordnete der Arzt noch den<br />

Gebrauch einer Heilquelle im südlichen Deutschland. Der Kranke<br />

weigerte sich lange, gab jedoch endlich nach, bat in<strong>des</strong> die Herbart<br />

dringend, ihn bis zur nächsten Station zu begleiten, um noch ein letztes<br />

vertrauliches W ort mit ihr wechseln zu können. Sie fand sich<br />

dazu bereit. Nach einer Fahrt von 3 Meilen hatten Beängstigung und<br />

Mattigkeit jedoch dergestalt zugenommen, daß an Weiterfahren nicht<br />

zu denken war und die Nacht dort zugebracht werden mußte. Die<br />

Herbart wachte vor seinem Bette und reichte ihm von Zeit zu Zeit<br />

vorschriftsmäßig von der verordneten Arznei, die aus einem krampf­<br />

stillenden Opiate bestand. Bei einem solchen sorgsamen Abzählen<br />

der vorgeschriebenen Tropfenzahl flehte der von Brustkrämpfen ge-<br />

ängstigte Kranke aufs beweglichste, es bei dieser Zahl nicht zu belassen.<br />

,Ich fühle und weiß', äußerte er, ,daß ich höchstens noch<br />

einige Tage zu leben habe. Ich hinterlasse weder Frau noch Kinder.<br />

Was ich auf der W elt noch zu sagen hatte, ist Ihnen anvertraut; ich<br />

bin vollkommen bereitet, sie zu verlassen. Meinen Leichnam möchte<br />

ich doch in Oldenburg beerdigt haben. Sie sind immer so freundlich<br />

gegen mich gewesen, erfüllen Sie nun meine letzte Bitte. Helfen Sie<br />

mir, diese furchtbare To<strong>des</strong>qual verkürzen. Zählen Sie die Tropfen<br />

nicht, füllen Sie den ganzen Löffel. In jener W elt werde ich es Ihnen<br />

danken.'“ — „W as sollte ich tun“ , fuhr sie fort, „ich hielt mich überzeugt,<br />

daß der Mann wußte, was er wollte, daß er mich zu dieser<br />

Hilfeleistung vor anderen ausersehen, weil er unbedingtes Vertrauen<br />

dazu in mich setzte. Sollte ich dieses Vertrauen täuschen und so das<br />

bittere Gefühl <strong>des</strong> Verlassenseins, sei es durch mein Weggehen oder<br />

durch meine längere, in seinen Augen dann mitleidlose Gegenwart<br />

bei ihm steigern? Ich tat, was er begehrte und führte seine Leiche<br />

nach Oldenburg zurück"26). Bei dieser männlich-energischen Veranlagung<br />

konnte ihr trotzdem vorhandenes tiefes Gefühl ihr nie den<br />

Kopf rauben. Der Sohn hatte wohl recht, wenn er einmal schrieb, bei<br />

ihr spräche das Herz nie ohne den Verstand, wenn auch der Verstand

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