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Jahrbuch - Ostfriesische Landschaft

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— 172 —<br />

16. Jahrhundert in den Kirchen vorhanden waren, dann kommen<br />

wir zu einer falschen Anschauung über das Orgelspiel jener<br />

Zeit und können nicht begreifen, wie unsere Vorväter sich zu<br />

einem solchen Vandalismus hinreissen lassen konnten, bald<br />

hier bald dort die Kirchenorgel als des Teufels Trompete zu<br />

zerschlagen. Besonders unsere reformierte Kirche hat sich das<br />

Odium der Orgelstürmerei nicht ganz mit Unrecht zugezogen,<br />

und noch heute wird es Zwingli zum schweren Vorwurf gemacht,<br />

dass er im Jahre 1525 mit schlechtem Beispiele<br />

vorangegangen sei. In der Tat, schärfer hätte die Nachwelt<br />

jene Barbarei nicht verurteilen können, als es der Organist<br />

der Berner schon 1528 getan hat, der vor der Zertrümmerung<br />

seiner Orgel noch um ein letztes Spiel bat und dann die<br />

Melodie des Judasliedes: „0 du armer Judas, was hast du<br />

getan", spielte. Jene Zerstörungswut lässt sich durchaus nicht<br />

rechtfertigen; um aber auch hier nicht ungerecht zu sein,<br />

fragen wir: Was war denn eigentlich eine Orgel jener Zeit?<br />

Die Münsterorgel in Basel stammte aus dem Jahre 1404, die<br />

zerstörten Züricher, Berner und Schaffhauser Instrumente<br />

waren vielleicht nicht viel jünger. Das waren allerdings nicht<br />

mehr die Ungetüme aus 1100 oder 1200, deren breite Tasten<br />

mit dem Ellenbogen niedergedrückt werden mussten, aber<br />

sie waren auch noch weit entfernt davon, irgendwie einen<br />

Vergleich mit der kleinsten Landkirchenorgel unserer Zeit<br />

aushalten zu können. Um das Jahr 1500 konnte noch<br />

kein Register einzeln gebraucht werden, sobald eine Taste<br />

mit der Faust niedergeschlagen wurde, sprachen alle zu<br />

dieser Taste gehörigen Stimmen an. Die reichen Städter<br />

suchten eine Ehre darin, mit einer möglichst grossen<br />

Orgel zu prunken, 1000 und mehr Pfeifen darin anzubringen,<br />

um auch eine Orgel von gewaltiger Kraft zu besitzen; daraus<br />

lässt sich leicht ermessen, welch ein Geschrei eine solche<br />

Orgel erheben konnte, wenn auf einer Taste schon 40 bis 50<br />

Pfeifen ertönten. Gewöhnlich waren die Rauschquinten, Mixturen,<br />

Zimbel viel zu stark vertreten, von dem kleinen Pöbelvolk<br />

in der Orgel, den Schriaris etc., ganz abgesehen. Welchen<br />

Spektakel mag eine solche Orgel gemacht haben! Dazu die<br />

zahlreichen Bälge mit ihrem Geräusch, mit bald zu wenig,<br />

bald zu viel Wind, immer aber einen Stosswind verursachend,

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