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Jahrbuch - Ostfriesische Landschaft

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Nicht ganz mit Unrecht! Und doch müssen wir fragen:<br />

Welchen Kirchengesang? Gab es denn in der alten Kirche einen<br />

Gemeindegesang? Und, was nicht vorhanden war, wie konnte<br />

er das abschaffen? Wohl gab es in Zürich wie überall einen<br />

Altargesang und die Antworten des Chores, aber gerade über<br />

den damals so unwürdigen Chorgesang der Kleriker in seiner<br />

schlimmsten Ausartung sagt Zwingli: Quid enim fastidiosius<br />

audiri potest quam tot voces sub una vocali boare. Das<br />

„boare" bezieht sich auf das Absingen des Graduale, des<br />

Zwischengesanges zwischen Epistel und Evangelium. Das ist<br />

scharf, aber bei weitem noch nicht so scharf als Luthers<br />

Urteil in der Vorrede zum Erfurter Enchiridion von 1524 über die<br />

Ausartung des Kirchengesanges. Ob überhaupt in der Kirche<br />

gesungen werden dürfe oder nicht, darüber spricht Zwingli<br />

sich deutlich aus in der „Action oder Bruch vom Abendmahl<br />

1525": „Indem wir aber andrer kilchen mee ceremonien<br />

[als villicht jnen füglich und zu andacht fürderlich], als da<br />

sind gesang und anders, gar nit verworfen haben wellend usw."<br />

So viel ist gewiss, ein Gottesdienst ohne allen Gesang<br />

trotz des Reichtums evangelischer Kirchenlieder würde uns<br />

doch allzu kahl erscheinen, darum ist den Zürichern auch<br />

nicht mit Unrecht vorgeworfen, dass sie bis 1596 der Einführung<br />

des Kirchengesanges sich beharrlich widersetzten, um<br />

Zwingli dadurch zu ehren.<br />

Anders Calvin, der während seines Strassburger Aufenthaltes<br />

den hohen Wert des Gemeindegesanges schätzen gelernt<br />

hatte. Man lese nur die schöne Vorrede zu den Psalmliedern<br />

in Wackernagels „Bibliographie", ausführlicher bei Baum und<br />

Reuss, Calvini opera VI pag. 170. Anderseits wich er von<br />

der lutherischen Kirche Deutschlands darin ab, dass er den<br />

Kunstgesang in Motettenform und den 4stimmigen Gesang<br />

vom Gottesdienste fern hielt, dagegen den Unisonogesang der Gemeinde<br />

förderte, weil ein solcher auch das Wort zu seinem Rechte<br />

kommen lasse, während es im Durcheinanderwogen der Motettenstimmen<br />

unverstanden untergehe. Die Kompositionen Goudimels<br />

zu den Psalmmelodien waren demnach nicht für die Kirche,<br />

sondern für das Haus und die Privaterbauung geschrieben.<br />

Eine bekannte Besonderheit der reformierten Kirche ist<br />

die Bevorzugung des Psalmgesanges vor den geistlichen Liedern.

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